Verwaltungsgericht München Urteil, 08. Mai 2018 - M 4 K 17.4371

bei uns veröffentlicht am08.05.2018

Gericht

Verwaltungsgericht München

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die 1978 geborene Klägerin ist dominikanische Staatsangehörige. Sie wendet sich gegen die Feststellung der Beklagten, dass sie ihr Recht auf Einreise und Aufenthalt in die bzw. in der Bundesrepublik Deutschland verloren hat.

Die Klägerin heiratete am … März 2000 in ihrer Heimat einen österreichischen Staatsangehörigen und reiste zusammen mit ihrer Tochter mit einem Visum der Deutschen Botschaft ... am … Juli 2000 in das Bundesgebiet ein. Die Tochter stammt aus der Verbindung mit dem österreichischen Staatsangehörigen und wurde am … Dezember 1998 in ... geboren. Aufgrund der Eheschließung mit einem EU-Staatsangehörigen stellte ihr die Ausländerbehörde eine EU-Karte aus.

Bis zur Trennung von ihrem Ehemann im Jahr 2006 ging die Klägerin keiner Beschäftigung nach, sondern führte den Haushalt. Sie arbeitete dann teilweise in Supermärkten und in einem Bad. In dieser Zeit begann sie mit dem Konsum von Cannabis und später auch mit Kokain. Zuletzt lebte sie mit ihrer Lebensgefährtin im Haus eines Bekannten, dem sie auch sexuell gefällig war. Ab 2011 ging sie keiner Arbeit mehr nach. Seit ... April 2010 ist die Ehe mit dem österreichischen Staatsangehörigen geschieden. Die Tochter lebte teilweise beim Vater, bis sie am … März 2015 in behördliche Obhut genommen und in einer Wohngemeinschaft untergebracht wurde. Der Ex-Mann lebt seit dem Jahr 2012 wieder in Österreich.

Strafrechtlich trat die Klägerin in der Bundesrepublik Deutschland wie folgt in Erscheinung:

– Rechtskräftiger Strafbefehl des Amtsgerichts Ebersberg vom 20. Juli 2006 wegen falscher Verdächtigung zur Zahlung einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen.

– Wegen Erschleichens von Leistungen erging durch das Amtsgericht Ebersberg eine Verurteilung zu einer weiteren Geldstrafe von 15 Tagessätzen.

– Ab dem 26. Mai 2015 befand sich die Klägerin erstmals wegen einer Betäubungsmittelstraftat bis zum 12. August 2015 in Haft.

Das Verfahren endete mit einer Einstellung nach § 154 Abs. 1 StPO.

– Das Landgericht München I verurteilte die Klägerin am 21. Februar 2017 (3 KLs 367 Js 210179/16) wegen Handeltreibens mit Betäubungsmittel in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und zwei Monaten.

Die Klägerin wurde am 1. Februar 2016 festgenommen und befindet sich seitdem in Haft. Das Haftende ist für den … März 2019 vorgesehen.

Mit Bescheid vom 22. August 2017 stellte die Beklagte nach vorheriger Anhörung fest, dass die Klägerin ihr Recht auf Einreise und Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland verloren habe (1.). Sie untersagte der Klägerin die Wiedereinreise und den Aufenthalt in die Bundesrepublik Deutschland für acht Jahre ab Ausreise und drohte der Klägerin die Abschiebung in die Dominikanische Republik oder in einen anderen Staat an, in den sie einreisen dürfe oder der zu ihrer Rückübernahme verpflichtet sei (2.).

In Ihrer Begründung führte die Beklagte im Wesentlichen aus:

„Nach § 2 Abs. 1 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (Freizügigkeitsgesetz/EU - FreizügG/EU) haben freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger und deren Familienangehörige das Recht auf Einreise und Aufenthalt. Der Verlust dieses Rechtes kann aber nach § 6 Abs. 1 dieses Gesetzes aus Gründen der öffentlichen Sicherheit, Ordnung und Gesundheit festgestellt werden (Art. 39 Abs. 3, Art. 46 Abs. 1 des Vertrages über die Europäische Gemeinschaft).

Gemäß § 6 Abs. 2 FreizügG/EU darf die in Abs. 1 genannte Feststellung nur getroffen werden, wenn ein Ausländer durch sein persönliches Verhalten dazu Anlass gibt. Die Tatsache einer strafrechtlichen Verurteilung allein genügt nicht. Erforderlich ist vielmehr das Hinzutreten einer konkreten Gefahr neuer Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Über das Vorliegen einer derartigen Wiederholungsgefahr ist aufgrund aller wesentlichen Umstände des Einzelfalls zu entscheiden; es muss eine tatsächliche und hinreichende Gefährdung vorliegen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.

Familienangehöriger ist nach § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 FreizügG/EU der Ehegatte der in § 2 Abs. 2 Nrn. 1 - 5 und 7 FreizügG/EU genannten Personen. Nach § 3 Abs. 5 FreizügG/EU behalten Ehegatten bei Scheidung der Ehe ein Aufenthaltsrecht, wenn sie die für Unionsbürger geltenden Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 Nrn. 1 - 3 oder Nr. 5 FreizügG/EU erfüllen und wenn die Ehe bis zur Scheidung mindestens 3 Jahre bestanden hat, davon mindestens 1 Jahr im Bundesgebiet.

Sie heirateten in der Dominikanischen Republik im Jahr 2000 den österreichischen Staatsangehörigen ... und reisten noch im selben Jahr zusammen mit der gemeinsamen Tochter im Familiennachzug in das Bundesgebiet ein. Nach den der Ausländerbehörde München vorliegenden Unterlagen ist die Ehe seit dem ... April 2010 rechtskräftig geschieden. Gemäß § 4a Satz 2 FreizügG/EU haben Sie somit ein Daueraufenthaltsrecht erworben.

Nach § 6 Abs. 5 FreizügG/EU darf eine Feststellung des Verlustes des Rechts auf Einreise und Aufenthalt bei Unionsbürgern und ihren Familienangehörigen, die ihren Aufenthalt in den letzten 10 Jahren im Bundesgebiet hatten, jedoch nur aus zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit getroffen werden.

Sie sind jedoch seit der Scheidung nicht mehr Familienangehöriger (§ 3 Abs. 2 FreizügG/EU i.V.m. Hoppe, HTK-AuslR / § 3 FreizügG/EU / zu Abs. 2, VG Augsburg v. 5.5.2009 - Au 1 K 08.449) eines Unionsbürgers.

Sie gelten auch nicht als Familienangehöriger ihrer Tochter N., die die österreichische Staatsangehörigkeit besitzt. Sie sind zwar als Mutter eine Verwandte in aufsteigender Linie und fallen damit grundsätzlich unter den Begriff der Familienangehörigen des Kindes; Voraussetzung nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 FreizügG/EU ist aber, dass der Unionsbürger oder dessen Ehegatte den Familienangehörigen Unterhalt gewährt. Der stammberechtigte Unionsbürger (oder dessen Ehegatte oder Lebenspartner) muss den Familienangehörigen tatsächlich Unterhalt gewähren. Die Existenzmittel dürfen nicht aus anderer Quelle (z.B. eigner Erwerbstätigkeit) stammen. Eine Unterhaltsgewährung liegt vor, wenn dem Verwandten tatsächliche Leistungen zukommen, die vom Ansatz her als Mittel der Bestreitung des Lebensunterhalts angesehen werden können. Dazu gehört eine fortgesetzte regelmäßige Unterstützung in einem Umfang, der es ermöglich, zumindest einen Teil des Lebensunterhalts regelmäßig zu decken. Maßstab ist dabei das Lebenshaltungsniveau in dem EU-Mitgliedsstaat, in dem sich der Familienangehörige ständig aufhält. Es ist nicht erforderlich, dass derjenige, dem Unterhalt gewährt wird, einen Anspruch auf Unterhaltsgewährung hat oder seinen Unterhalt nicht selbst bestreiten könnte (Punkt 3.2.2.1 der AVwV zum Freizügigkeitsgesetz/EU und Hoppe, HTKAuslR, § 3 FreizügG/EU zu Abs. 2 09/12 Nr. 2.3).

Ihre Tochter … wurde am … März 2015 in behördliche Obhut genommen und in einer Wohngemeinschaft untergebracht. Die Kosten hierfür trägt die öffentliche Hand. Wie Sie dem Landgericht München I in der Hauptverhandlung angaben, befindet sich Ihre Tochter noch in der Ausbildung zur Frisörin. Aufgrund dieser Umstände ist es ihr offensichtlich nicht möglich, Ihnen Unterhalt zu gewähren, sodass die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 Nr. 2 FreizügG/EU bei Ihnen nicht vorliegen.

Ausnahmsweise kann aus § 3 Abs. 2 Nr. 2 FreizügG/EU auch dann ein Aufenthaltsrecht abgeleitet werden, wenn nicht der EU-Bürger seinem Verwandten den Unterhalt gewährt, sondern es sich umgekehrt verhält. Dies ist der Fall, wenn es sich bei dem EU-Bürger um einen freizügigkeitsberechtigten Minderjährigen handelt, der von einem drittstaatsangehörigen Elternteil tatsächlich betreut wird, diese Betreuung erforderlich ist und keine öffentlichen Mittel in Anspruch genommen werden. Würde dem drittstaatsangehörigen Elternteil des minderjährigen Unionsbürgers, der tatsächlich für das Kind sorgt, der Aufenthalt nicht erlaubt, so würde dem Aufenthaltsrecht des Kindes praktisch jede Wirksamkeit genommen (Pkt. 3.2.2.2 der AVwV zum FreizügG/EU und EuGH, U.v. 19.10.2014- Rs. C 200/02-Zu/Chen. Rn. 42 ff.).

Dies trifft in Ihrem Fall nicht zu, da seit dem ... März 2015 kein gemeinsamer Wohnsitz mehr besteht und Ihre Tochter zwischenzeitlich auch volljährig ist.

Die Anwendbarkeit von § 6 Abs. 5 FreizügG/EU und damit die Schutzwirkung bei einem über 10-jährigen Aufenthalt im Bundesgebiet scheidet bei Ihnen somit aus.

Nachdem Sie sich seit aber 5 Jahren mit Ihrem österreichischen Ehemann ständig rechtmäßig in Deutschland aufgehalten haben, haben Sie ein Daueraufenthaltsrecht erworben. Somit darf nach § 6 Abs. 4 FreizügG/EU die Feststellung nur aus schwerwiegenden Gründen getroffen werden.

Ob die begangenen Straftaten den Tatbestand eines schwerwiegenden Grundes im Sinne des § 6 Abs. 4 FreizügG/EU erfüllen, ist im Wesentlichen eine Frage des Einzelfalls. Solche Gründe liegen in ihrem Fall vor:

Die anderweitig Verurteilten M., Y. und G. schlossen sich zu einem nicht mehr genau bestimmbaren Zeitpunkt vor dem 20. September 2015 zu einer Bande zusammen und kamen überein, im Stadtgebiet München den schwunghaften Handel mit Kokain zu betreiben. Der Y. stellte sodann den Kontakt zu M. her, der zwischen dem 3. September 2015 und dem 20. September 2015 mindestens 660,38 g Kokain zu einem Preis von 40.000,- EUR in Spanien vom anderweitigen so genannten „Ch.“ organisierte. Der anderweitig verurteilte V. schluckte in Madrid das in 70 Plomben verpackte Kokain und begab sich am 20. September 2015 mit dem Flugzeug nach München, wo er absprachegemäß von den anderweitig Verurteilten P. und M. in Empfang genommen und in die Wohnung des P. in der ... gebracht wurde. Dort sollte er die Betäubungsmittel wieder ausscheiden. Dieser hatte jedoch unerwartet Schwierigkeiten, die 70 Plomben auszuscheiden, so dass Sie sich in die Wohnung ... begaben, wo Sie den V. beim Ausscheiden des Kokains unterstützen sollten. Sie beabsichtigten, von dem gelieferten Kokain eine Menge von mindestens 200 g zu erwerben und gewinnbringend im Stadtgebiet München zu verkaufen. Zusammen mit G. kauften Sie in einer Apotheke Medikamente gegen Verstopfung, mit deren Hilfe V. die Drogen auszuscheiden versuchte. Am 22. September 2015 kehrten Sie in die Wohnung ... zurück, nachdem es dem V. immer noch nicht gelungen war, alle 70 Plomben auszuscheiden. Zu diesem Zeitpunkt waren außer Ihnen nur noch V. und M. in der Wohnung. … Das Gericht hat den toxikologischen Sachverständigen Herrn Prof. ... und die Sachverständige ... beigezogen. Dabei ergaben sich anhand der von ... vermittelten Sachkunde keine durchgreifenden Anhaltspunkte dafür, dass bei Ihnen eine Persönlichkeitsstörung (oder auch ein sonstiges psychisches Störungsbild) vorliegt, dass dem Eingangsmerkmal des § 20 StGB subsumiert werden könnte. … Die Kammer sah einen minder schweren Fall im Sinne des § 29 a Abs. 2 BtMG nicht begründet. Im Wesentlichen wertete die Kammer zu Ihren Gunsten, dass

– es sich um ein polizeilich überwachtes Geschäft handelte,

– die Drogen nahezu vollständig sichergestellt werden konnten,

– die Möglichkeit eine größere Menge Kokain zum Verkauf zu erwerben aufgrund Ihrer prekären Lebenssituation eine besondere Verführungskraft hatte und

– auch in der Zusammenschau die Sache vom Feld der Gesetzgebung bei der Schaffung des Regelstrafrahmens gesehen und als typische bewertete Fallgestaltung sich nicht so weit nach unten absetzt, dass die Heranziehung des Regelstrafrahmens als unangemessen erscheint.

Bei der Strafzumessung im engeren Sinn ging die Kammer von der Menge und dem Wirkstoffgehalt des Kokains, das Ihrem Handeltreiben unterlag, aus und hat im Übrigen zu Ihren Gunsten die oben erwähnten Umstände gewürdigt.

Zu Ihren Lasten hat die Kammer die Vorahndungen gewertet, die nur in einem geringen Umfang eine Warnwirkung hatten.

In Abwägung aller für und gegen Sie sprechenden Umstände hielt die Kammer eine Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 2 Monaten für ausreichend aber auch erforderlich. … Strafrechtlichen Entscheidungen liegen unter anderem spezialpräventive Überlegungen zu Grunde. In die Strafzumessung fließt deshalb auch eine Prognose über die Gefährlichkeit des Täters ein. Eine strafgerichtete Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 2 Monaten wegen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln ist deshalb auch hinreichender Gradmesser des im Rahmen des Verwaltungsrechts bestehenden Bedürfnisses vorbeugender Schutzmaßnahmen.

Kokain gehört neben Heroin zu den gefährlichsten Drogen. Es bewirkt eine Erhöhung der Atembzw. der Pulsfrequenz evtl. Atemunregelmäßigkeiten und gleichzeitig eine Verengung der Blutgefäße und damit eine Erhöhung des Blutdrucks. Dies kann unter anderem Herzrhythmusstörungen bis hin zum Herzanfall zur Folge haben. Beim Rauchkonsum erhöht sich zudem das Risiko eines Primär ischämischen Hirninfarkts, da durch den erhöhten Blutdruck und die Verengung der Blutgefäße das Platzen einer Arterie im Gehirn wahrscheinlicher wird. … Daneben haben Sie eine massive Gleichgültigkeit der körperlichen Unversehrtheit und dem Leben des V. an den Tag gelegt. Dieser reiste mit einer Menge von 660,38 g Kokain, verpackt in 70 Plomben, im Magen-Darm-Trakt am 20. September 2015 in das Bundesgebiet ein. Bei einem Platzen nur einer dieser Plomben hätte dies zum Tod des V. geführt. Trotz der massiven Probleme, die V. beim Ausscheiden der Drogen hatte, haben Sie keine Konsequenzen daraus gezogen und V. in ein Krankenhaus gebracht. Stattdessen versuchten Sie es 2 Tage mit Hilfe von Abführmitteln, dass V. die noch verbleibenden Plomben ausscheiden konnte. Erst durch den Eingriff der Polizeibeamten, die durch die polizeiliche Überwachung der Telekommunikation auf die mittlerweile schlechte gesundheitliche Lage aufmerksam wurden, erfolgte die Wohnungsdurchsuchung und die Einlieferung des V. in ein Krankenhaus.

Angesichts Ihrer offensichtlichen kriminellen Energie, Ihrer schlechten Einkommenssituation und der derzeit noch untherapierten Betäubungsmittelabhängigkeit kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Zeit der Strafhaft Sie von weiteren Straftaten abschrecken wird. Sie haben im Drogenhandel eine Einkunftsquelle gesehen, um damit Ihre eigene Sucht und ihren Lebensunterhalt zu finanzieren.

Aus der Eigenart der Straftaten mit denen Sie auf möglichst bequeme Art reich werden wollten, ergibt sich eine konkrete Wiederholungsgefahr. Sie haben eindrucksvoll unter Beweis gestellt, dass Sie sich außerhalb der Geltung der Rechtsordnung stellen und die Werte der Rechtsordnung für sich nicht annehmen wollen. Es ist nicht zu erwarten, dass Sie Ihre Einstellung zur Rechtsordnung ändern werden. Zudem verfügen sie weder über einen im Bundesgebiet anerkannten Schulabschluss noch über eine abgeschlossene Ausbildung, so dass nach Entlassung aus der Strafhaft befürchtet werden muss, dass Sie erneut in den Drogenhandel einsteigen werden, bzw. Sie Ihren Lebensunterhalt aus öffentlichen Mitteln bestreiten werden. … Die Ausländerbehörde ist bei der Gesamtwürdigung Ihres Verhaltens zu dem Ergebnis gekommen, dass in Ihrem Fall schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung vorliegen.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die von Ihnen begangenen schwerwiegenden Straftaten ein persönliches Verhalten erkennen lassen, das eine gegenwärtige Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung darstellt. Es liegt eine tatsächliche und hinreichende Gefährdung vor, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Die Feststellung des Verlustes des Rechts auf Einreise und Aufenthalts ist zum Schutz der hier lebenden Bevölkerung unumgänglich. Schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Sinne von § 6 Abs. 4 FreizügG/EU liegen daher vor. Die Feststellung des Verlustes des Rechts auf Einreise und Aufenthalt gemäß § 6 Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 und 2 FreizügG/EU ist zum Schutz der hier lebenden Bevölkerung unumgänglich.

Ermessensausübung Es war nach pflichtgemäßem Ermessen und unter Beachtung der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes zu prüfen, ob die Feststellung des Rechtsverlustes geboten ist. Hierzu war eine Güter- und Interessenabwägung vorzunehmen, für die folgende Gesichtspunkte in Betracht kamen:

Die Ausländerbehörde geht bei der Güter- und Interessenabwägung von dem vom Strafgericht festgestellten Tathergang aus. Eigene Ermittlungen waren in dieser Hinsicht nicht erforderlich.

Sie haben eine Betäubungsmittelstraftat begangen, die das Strafgericht zum Anlass nahm, eine Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 2 Monaten zu verhängen. Die von Ihnen begangene Straftat ist im Bereich der Schwerkriminalität anzusiedeln.

Strafrechtlichen Entscheidungen liegen auch spezialpräventive Überlegungen zu Grunde. In die Strafzumessung fließt deshalb auch eine Prognose über die Gefährlichkeit des Täters ein.

Eine strafgerichtliche Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 2 Monaten ist deshalb auch hinreichender Gradmesser des im Rahmen des Verwaltungsrechts bestehenden Bedürfnisses vorbeugender Schutzmaßnahmen. Aus der Eigenart der Straftaten ergibt sich eine konkrete Wiederholungsgefahr.

Es liegt in Ihrem Fall eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung vor, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Zudem besteht eine konkrete Gefahr weiterer schwerer Straftaten. Eine Aufenthaltsbeendigung ist somit trotz der Rechte, die Ihnen als Familienangehöriger eines EU-Staatsangehörigen zustehen, gerechtfertigt.

Um Wiederholungen zu vermeiden, wird bezüglich der Schwere der von Ihnen begangenen Straftaten und der Wiederholungsgefahr auf die oben gemachten Ausführungen verwiesen.

Soweit die Interessen der Allgemeinheit in Betracht kommen, vor allem die Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, ist Ihr Aufenthalt durch die Feststellung des Verlusts des Rechts auf Einreise und Aufenthalt zu beenden. Dies ist das geeignete, aber auch erforderliche Mittel der Gefahrenabwehr.

Schutzwürdige Interessen

… Beachtet wurden § 6 Abs. 3 FreizügG/EU sowie Art. 6 GG und Art. 8 EMRK. Hierzu ist Folgendes auszuführen:

Ein Ausländer kann sich grundsätzlich auf die Regelung des Art. 8 Abs. 2 EMRK berufen, wenn er aufgrund seiner gesamten Entwicklung faktisch zu einem Inländer geworden ist und ihm wegen der Besonderheit des Falles ein Leben im Staat seiner Staatsangehörigkeit, zu dem er keinen Bezug (mehr) hat, nicht zugemutet werden kann (vgl. BVerwG v. 29.9.1998, InfAuslR 1999, 54).

Der Status des „faktischen Inländers“ kann Ihnen aufgrund der späten Einreise im Erwachsenenalter nicht zuerkannt werden. In Ihrem Fall ist zu sehen, dass Sie im Jahre 2000 zusammen mit Ihrer Tochter … im Rahmen des Familiennachzugs zu Ihrem hier lebenden Ehemann und Vater eingereist sind. In Ihrer Heimat haben Sie bis zum 22. Lebensjahr gewohnt, sodass Sie Ihre Muttersprache in Wort und Schrift beherrschen. Dies hat auch die Sichtung der Strafakte bestätigt.

Bis zu Ihrer Inhaftierung haben Sie hier 15 Jahre auf freiem Fuß gelebt. Die Ehe wurde im Jahr 2010 rechtskräftig geschieden. Ihre Tochter hat neben der dominikanischen auch die österreichische Staatsbürgerschaft. Mit ihr leben Sie seit dem Jahr 2015 nicht in familiärer Lebensgemeinschaft. Bereits während der Trennung von Ihrem Ehemann im Jahr 2006 lebte … teilweise beim Vater. Im Jahr 2015 war es notwendig, dass diese in behördliche Obhut gegeben und dann im betreuten Wohnen untergebracht wurde.

Bis zur Trennung von Ihrem Ehemann waren Sie Hausfrau und gingen keiner Arbeit nach. Gerichtlichen Angaben des Landgerichts München I vom … Februar 2017 haben Sie bis zur Festnahme am ... Februar 206 lediglich für kurze Zeit. Dann zogen Sie zu einem Bekannten und waren diesem sexuell gefällig.

Eine wie auch immer geartete Integration hat lediglich bis zur Trennung von Ihrem Ehemann stattgefunden. Danach haben Sie immer mehr den Halt verloren und gingen dazu über, Drogen zu konsumieren und mit dem Drogenhandel den Lebensunterhalt und den Drogenkonsum zu finanzieren.

Von Ihrer Tochter, die zwischenzeitlich auch volljährig ist, leben Sie seit dem Jahr 2015 getrennt. Allerdings hatte … ebenfalls Probleme mit dem Gesetz. Es scheint eher unwahrscheinlich, dass Ihnen Ihre Tochter nach der Entlassung aus der Strafhaft eine moralische Stütze sein wird.

Weder Art. 6 GG noch Art. 8 EMRK stehen somit der im öffentlichen Interesse gelegenen Beendigung Ihres Aufenthalts in Deutschland entgegen.

Ihre persönlichen Interessen wurden berücksichtigt. Den gewichtigen öffentlichen Belangen stehen keine gleichgewichtigen persönlichen Interessen entgegen.

Ausreisepflicht und Wiedereinreiseverbot Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU sind Sie ausreispflichtig, da die Ausländerbehörde festgestellt hat, dass das Recht auf Einreise und Aufenthalt nicht besteht.

Außer der gesetzlichen Ausreisepflicht hat der Verlust des Rechts auf Einreise und Aufenthalt ein Wiedereinreise- und Aufenthaltsverbot zur Folge (§ 7 Abs. 2 Satz 1 FreiügG/EU). Diese Folgen werden auf 8 Jahre befristet. Die Frist beginnt mit Ihrer Ausreise (§ 7 Abs. 2 Satz 7 FreizügG/EU).

Bei der Bestimmung der Länge der Frist ist das Gewicht des Grundes für die Aufenthaltsbeendigung und der mit der Verfügung verfolgte Zweck zu berücksichtigen. Es bedarf der prognostischen Einschätzung im jeweiligen Einzelfall, wie lange Ihr Verhalten, das dieser zu spezialpräventiven Zwecken verfügten Feststellung des Rechtsverlustes zugrunde liegt, das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr mit Blick auf die im vorliegenden Fall bedeutsame Gefahrenschwelle des § 6 Abs. 1 FreizügG/EU zu tragen vermag. Die sich an der Erreichung des Zwecks der Aufenthaltsbeendigung orientierende Höchstfrist muss sich aber an höherrangigem Recht, d.h. verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen (Art. 2 Abs. 1, Art. 5 GG) und den Vorgaben aus Art. 8 EMRK messen und gegebenfalls relativieren lassen. Dieses normative Korrektiv bietet uns ein rechtsstaatliches Mittel, um die fortwirkenden einschneidenden Folgen des Einreise- und Aufenthaltsverbotes zu begrenzen. Dabei sind insbesondere die in § 6 Abs. 3 FreizügG/EU genannten schutzwürdigen Belange in den Blick zu nehmen.

Wegen des Gewichts der gefährdeten Rechtsgüter (öffentliche Sicherheit und Ordnung durch Betäubungsmittelstraftaten) und der festgestellten Wiederholungsgefahr erachten wir auch im Hinblick auf Ihre Bindungen im Bundesgebiet (Tochter) einen Zeitraum von 8 Jahren für erforderlich, um dem hohen Gefahrenpotential Rechnung tragen zu können. Vor dem Hintergrund der Rückfallgefahr bei den von Ihnen verübten Straften ist nicht zu erwarten, dass Sie die hier maßgebliche Gefahrenschwelle des § 6 Abs. 1 FreizügG/EU vor Ablauf der festgesetzten Frist unterschreiten.

Besondere Härten, die sich durch die Sperrwirkung der Feststellung des Rechtsverlustes ergeben, können durch Ausnahmegenehmigungen nach § 11 Abs. 8 AufenthG gemildert werden.“

Mit Schriftsatz vom 13. September 2017 erhob die Bevollmächtigte der Klägerin Klage und beantragte,

den Bescheid der Beklagten aufzuheben.

Zur Begründung führte die Bevollmächtigte der Klägerin im Wesentlichen aus:

Es bestünden eine enge Verbindung der Klägerin mit ihrer Tochter sowie zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse.

Mit Schreiben vom 2. Oktober 2017 beantragte die Beklagte,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verwies die Beklagte im Wesentlichen auf den streitgegenständlichen Bescheid.

Am 10. April 2018 stellte die Klägerin einen Asylantrag, über den noch nicht entschieden ist.

In einem Führungsbericht der Justizvollzugsanstalt München vom 26. April 2018 wird mitgeteilt, dass die Klägerin wegen der Bedrohung einer Mitgefangenen disziplinarisch belangt wurde.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtssowie die beigezogene Behördenakte und auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung verwiesen.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet, da der streitgegenständliche Bescheid der Beklagten rechtmäßig ist und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Das Gericht verweist zunächst auf die zutreffenden Ausführungen im angegriffenen Bescheid und sieht von der Darstellung eigener Entscheidungsgründe ab (§ 117 Abs. 5 VwGO).

Lediglich ergänzend wird ausgeführt:

I.

Die Feststellung, dass die Klägerin ihr Recht auf Einreise und Aufenthalt verloren hat, ist rechtmäßig im Sinne von § 6 FreizügG/EU. Maßgeblicher Zeitpunkt der Sach- und Rechtslage ist dabei der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bzw. der Entscheidung des Tatsachengerichts (BayVGH, B.v. 10.10.2013 - 10 ZB 11.607 - juris; BVerwG, U.v. 3.8.2004 - 1 C 30/02 - juris).

Nach § 6 Abs. 1 FreizügG/EU kann der Verlust des Rechts auf Einreise und Aufenthalt unbeschadet des § 2 Abs. 7 FreizügG/EU und des § 5 Abs. 4 FreizügG/EU nur aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit festgestellt werden; die Tatsache einer strafrechtlichen Verurteilung genügt dafür nach § 6 Abs. 2 FreizügG/EU für sich allein nicht. Es dürfen nur im Bundeszentralregister noch nicht getilgte strafrechtliche Verurteilungen und diese nur insoweit berücksichtigt werden, als die ihnen zugrunde liegenden Umstände ein persönliches Verhalten erkennen lassen, das eine gegenwärtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung darstellt (§ 6 Abs. 2 Satz 2 FreizügG/EU). Nach § 6 Abs. 2 Satz 3 FreizügG/EU muss eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung vorliegen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Das Erfordernis einer gegenwärtigen Gefährdung der öffentlichen Ordnung verlangt eine hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass der Ausländer künftig die öffentliche Ordnung beeinträchtigen wird (vgl. BayVGH, B.v. 18.3.2015 - 10 C 14.2655; B.v. 10.10.2013 - 10 ZB 11.607 - juris).

1. Auf den Schutz nach § 6 Abs. 5 FreizügG/EU kann sich die Klägerinnicht berufen.

Nach § 6 Abs. 5 Satz 1 FreizügG/EU darf eine Feststellung nach Abs. 1 bei Unionsbürgern und ihren Familienangehörigen, die ihren Aufenthalt in den letzten zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, nur aus zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit getroffen werden.

Die Voraussetzung eines zehnjährigen Aufenthalts erfüllt die Klägerin vorliegend jedoch nicht.

Ausgehend von der aktuellen Rechtsprechung des EuGH (U.v. 16.1.2014 - C-400/12, NVwZ-RR 2014, 245 = BeckRS 2014, 80039) wird der zehnjährige Aufenthalt rückwirkend ab dem Zeitpunkt der Verlustfeststellung betrachtet. Zwar muss er nicht unterbrechungsfrei gewesen sein (EuGH, NJW 2011, 1201). Aufenthaltsunterbrechungen, die einer Bewertung im Einzelfall unterliegen, sollen jedenfalls dann für die Anwendung des § 6 Abs. 5 unschädlich sein, wenn sie den Integrationszusammenhang mit der Bundesrepublik nicht unterbrechen (EuGH, NVwZ RR 2014, 245 = BeckRS 2014, 80039). Z.T. wird in diesem Zusammenhang die analoge Anwendung von § 4a Abs. 6 FreizügG/EU befürwortet (so etwa Bergmann/ Dienelt AuslR, § 6 FreizügG/EU Rn. 59). Zeiten von Strafhaft führen jedoch regelmäßig zur Unterbrechung des Zehnjahreszeitraums und rechnen für die Bestimmung des „Ausweisungsschutzes“ regelmäßig nicht mit (EuGH, NVwZ-RR 2014, 245 = BeckRS 2014, 80039; BayVGH, BeckRS 2015, 44240, VG München, BeckRS 2016, 52457).

Außerdem setzt der erhöhte Schutz nach § 6 Abs. 5 FreizügG/EU voraus, dass ein Daueraufenthaltsrecht nach § 6 Abs. 4 FreizügG/EU, § 4a FreizügG/EU (BayVGH, B.v. 18.3.2015 - 10 C 14.2655 - juris) vorher erworben wurde.

Das Gericht verweist auch insoweit zunächst auf die zutreffenden Ausführungen im angegriffenen Bescheid.

Die Klägerin ist seit ihrer Scheidung im Jahr 2010 nicht mehr Familienangehörige im Sinne von § 3 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU (VG Augsburg, U.v. 5.5.2009 - Au 1 K 08.449). Sie kann daher seit dieser Zeit von ihrem Ehemann kein Freizügigkeitsrecht mehr ableiten. Die Klägerin ist zum Zeitpunkt der Verlustfeststellung auch nicht mehr Familienangehörige im Sinne von § 3 Abs. 2 Nr. 2 FreizügG/EU, da die Tochter der Klägerin keinen Unterhalt gewährt bzw. gewährt hat. Auch der umgekehrte Fall, dass aus § 3 Abs. 2 Nr. 2 FreizügG/EU in bestimmten Fällen ein freizügigkeitsrechtliches Aufenthaltsrecht abgeleitet werden kann, wenn nicht der EU-Bürger seinem Verwandten den Unterhalt gewährt, sondern es sich umgekehrt verhält, liegt nicht vor. Dies ist nur der Fall, wenn es sich bei dem EU-Bürger um einen freizügigkeitsberechtigten Minderjährigen handelt, der von einem drittstaatsangehörigen Elternteil tatsächlich betreut wird, diese Betreuung erforderlich ist und keine öffentlichen Mittel in Anspruch genommen werden (Ziff. 3.2.2.2 Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum FreizügG/EU v. 3.2.2016; EuGH, U.v. 19.10.2004 - C-200/02 - juris).

Dies ist nicht der Fall.

Das Gericht legt § 6 Abs. 5 FreizügG/EU so aus, dass der Aufenthalt in den letzten zehn Jahren im Bundesgebiet rechtmäßig gewesen sein muss und dies bedeutet, dass der Familienangehörige während eines zusammenhängenden Zeitraums von zehn Jahren freizügigkeitsberechtigt gewesen sein muss (BVerwG, U.v. 31.5.2012 - 10 C 8/12 - juris; BayVGH, B.v. 18.3.2015 - 10 C 14.2655). Aus der Ehe mit dem österreichischen Staatsangehörigen kann die Klägerin schon deshalb keinen zehnjährigen rechtmäßigen Aufenthalt ableiten, weil die Ehe als eheliche Lebensgemeinschaft nur sechs Jahre und - auch wenn man zugunsten der Klägerin davon ausgeht, dass es nur auf das formale Band einer Ehe ankommt - keine zehn Jahre im Bundesgebiet bestanden hat.

Auch von ihrer österreichischen Tochter kann die Klägerin keinen durchgehend rechtmäßigen Aufenthalt in den letzten zehn Jahren vor der Verlustfeststellung ableiten. Dabei ist schon fraglich, ob und wie lange die Tochter selbst als nichterwerbstätige Unionsbürgerin freizügigkeitsberechtigt war (§§ 3 Abs. 1, 2 Abs. 2 Nr. 4, 4 FreizügG/EU). Die Klägerin hat nämlich nach ihren Angaben in der mündlichen Verhandlung bereits kurze Zeit nach ihrer Scheidung für sich und ihre Tochter Sozialleistungen in Anspruch genommen. Darüber hinaus hat die Klägerin in den letzten zehn Jahren nicht durchgehend ihre Tochter tatsächlich betreut. Die Tochter war nach Aktenlage und den Angaben der Klägerin in der mündlichen Verhandlung längere Zeit in einem Internat bzw. in einer Wohngruppe der Landeshauptstadt München untergebracht. Auch lebte die Tochter seit dem … März 2015 wieder in einer Sozialeinrichtung der Landeshauptstadt … bzw. lebt seit März 2018 in … Außerdem hat zur Überzeugung des Gerichts sowohl die Untersuchungshaft im Jahr 2015 als auch die Inhaftierung seit Februar 2016 die Integration der Klägerin und damit den zehnjährigen rechtmäßigen Aufenthalt unterbrochen.

2. Auf den Schutz nach § 6 Abs. 4 FreizügG/EU kann sich die Klägerin hingegen berufen.

a) Nach § 6 Abs. 4 FreizügG/EU können Feststellungen nach § 6 Abs. 1 FreizügG/EU nach dem Erwerb des Daueraufenthaltsrechts nur aus schwerwiegenden Gründen getroffen werden. Nach § 4a Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU steht einem Unionsbürger das Recht auf Einreise und Aufenthalt unabhängig von den Voraussetzungen nach § 2 Abs. 2 FreizügG/EU zu (Daueraufenthaltsrecht), wenn er sich seit fünf Jahren ständig rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat. Familienangehörige, die nicht Unionsbürger sind, haben dieses Recht, wenn sie sich seit fünf Jahren mit dem Unionsbürger ständig rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten haben. Dies bedeutet, dass der Unionsbürger/Familienangehörige während eines zusammenhängenden Zeitraums von fünf Jahren freizügigkeitsberechtigt gewesen sein muss (BVerwG, U.v. 31.5.2012 - 10 C 8/12 - NVwZ-RR 2012, 821).

Das Gericht geht davon aus, dass sich die Klägerin fünf Jahre ständig rechtmäßig mit einem Unionsbürger im Bundesgebiet aufgehalten hat. Die Klägerin hat diesen 5-jährigen Aufenthalt entweder in der Ehebestandszeit der Ehe mit dem österreichischen Staatsangehörigen oder durch ihre tatsächliche Sorge für ihre österreichische Tochter erreicht. Anders als für den zehnjährigen Bestand nach § 6 Abs. 5 FreizügG/EUreicht es aus, dass dieser fünfjährige Zeitraum irgendwann während des Aufenthalts des Ausländers erreicht wurde.

3. Die Feststellung des Verlustes des Rechts auf Einreise und Aufenthalt er-weist sich vorliegend als rechtmäßig, da eine tatsächliche, gegenwärtige und hinreichend schwere Gefährdung vorliegt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, vgl. § 6 Abs. 1, Abs. 2 FreizügG/EU; schwerwiegende Gründe i.S.v. § 6 Abs. 4 FreizügG/EU liegen vor.

Die Klägerin ist in der Bundesrepublik wiederholt strafrechtlich in Erscheinung getreten. Zwar können eine Vielzahl kleinerer Straftaten, die für sich allein genommen nicht geeignet sind, eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung eines Grundinteresses der Gesellschaft zu begründen, eine Feststellung nach § 6 FreizügG/EU nicht rechtfertigen (EuGH, U.v. 4.10.2007 - C-349/06 - NVwZ 2008, 59; Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, FreizügG/EU § 6 Rn.16) Die Schwelle von leichten Delikten (Ziff. 6.2.2.1.2 VV-FreizügG/EU) bzw. Kleinkriminalität (vgl. Kluth/Heusch, BeckOK Ausländerrecht, § 6 FreizügG/EU Rn. 12) hat die Klägerin vorliegend jedoch durch ihr Drogendelikt mit einer Verurteilung zu drei Jahren und zwei Monaten erheblich überschritten.

Es besteht auch eine Wiederholungsgefahr. Die Klägerin hat es in der Vergangenheit seit ihrer Einreise nicht geschafft, sich ihren Unterhalt auf Dauer oder zumindest über einen längeren Zeitraum durch eigene Arbeit zu finanzieren. Die Beziehung zu ihrer Tochter hat sie nicht vom Drogenhandel abgehalten. Nach der Haftentlassung besteht nach derzeitiger Aktenlage kein positiver Empfangsraum.

4. Die Beklagte hat die persönlichen Interessen der Klägerin zutreffend berücksichtigt und zutreffend gewichtet. Das Gericht kann die Ermessensentscheidung der Beklagten gemäß § 114 Satz 1 VwGO lediglich daraufhin überprüfen, ob der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist. Gemessen an diesen Vorgaben ist die Entscheidung der Beklagten nicht zu beanstanden.

a) Nach § 6 Abs. 3 FreizügG/EU sind bei der Verlustfeststellung insbesondere Dauer des Aufenthalts des Betroffenen in Deutschland, sein Alter, sein Gesundheitszustand, seine familiäre und wirtschaftliche Lage, seine soziale und kulturelle Integration in Deutschland und das Ausmaß seiner Bindungen zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen. Daneben spielen die Höhe der verhängten Strafe, die Schwere der konkreten Straftat, die Umstände ihrer Begehung, das Gewicht des bedrohten Rechtsguts, sowie die Entwicklung und die Lebensumstände der Klägerin eine wichtige Rolle (vgl. BayVGH, B.v. 23.11.2010 - 19 ZB 10.584 - juris). In dem streitgegenständlichen Bescheid hat die Beklagte alle für die Klägerin maßgeblichen Umstände berücksichtigt. Insbesondere hat sie zutreffend festgestellt, dass die Klägerin familiäre und soziale Bindungen im Bundesgebiet hat. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die erwachsene Tochter bereits seit 2015 in einer eigenen Wohnung lebte und jetzt in … lebt; die Klägerin ist erst 39 Jahre alt und spricht durch ihren langen Aufenthalt im Bundesgebiet zumindest soweit Deutsch, dass ihre Berufschancen in der Dominikanischen Republik z.B. im Tourismusbereich, nicht schlecht sind.

b) Die Verlustfeststellung ist aus den von der Beklagten im Bescheid genannten Gründen auch im Hinblick auf § 6 Abs. 4 FreizügG/EU ermessensgerecht; schwerwiegende Gründe liegen aufgrund der Drogendelikte vor. Die betroffenen Schutzgüter des Lebens und der Gesundheit nehmen in der Hierarchie der in den Grundrechten enthaltenen Wertordnung einen hohen Rang ein (EuGH, U.v. 23.11.2010 - Tsakouridis, C-145/9 - juris Rn. 45 ff.; BayVGH, B.v. 6.5.2015 -10 ZB 15.231 - juris Rn. 4). Sogar Gründe i.S.d § 6 Abs. 5 FreizügG liegen vor, wenn die Ausweisungsmaßnahme in Bezug auf einen Unionsbürger, der den Aufenthalt in den letzten zehn Jahren im Aufnahmemitgliedstaat gehabt hat, die mit dem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln verbundene Kriminalität bekämpfen soll. Es steht den Mitgliedstaaten frei, Straftaten wie die in Art. 83 Abs. 1 und Abs. 2 AEUV angeführten als besonders schwere Beeinträchtigung eines grundlegenden gesellschaftlichen Interesses anzusehen, die geeignet sind, die Ruhe und die physische Sicherheit der Bevölkerung unmittelbar zu bedrohen, und die damit unter den Begriff der zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit fallen und eine Ausweisungsverfügung rechtfertigten können, sofern die Art und Weise der Begehung solcher Straftaten besonders schwerwiegende Merkmale aufweist (EuGH, U.v. 22.5.2012 - C-348/09 - juris Leitsatz. 1; vgl. BayVGH, B.v. 10.12.2014 - 19 ZB 13.2013 - juris Rn. 7 m.w.N.). Illegaler Drogenhandel gehört zu den in Art. 83 Abs. 1 Unterabs. 2 AEUV angeführten Straftaten im Bereich der besonders schweren Kriminalität (vgl. BayVGH, B.v. 17.12.2015 - 10 ZB 15.1394).

II.

Die in Ziff. 2 des angegriffenen Bescheides verfügte Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots auf acht Jahre begegnet ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken. Sie findet ihre Rechtsgrundlage in § 7 Abs. 2 FreizügG/EU. Die festgesetzte Frist von acht Jahren erscheint angemessen, um dem bei der Klägerin bestehenden hohen Gefahrenpotential Rechnung zu tragen. Die Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 Satz 2 FreizügG/EU liegen vor. Die Länge der gesetzten Frist ist aufgrund der massiven Drogendelinquenz noch angemessen.

III.

Daher war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

IV.

Gründe für die Zulassung der Berufung nach § 124a Abs. 1 Satz 1, § 124 Abs. 2 Nrn. 3 oder 4 VwGO liegen nicht vor.

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

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Strafgesetzbuch - StGB | § 20 Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen


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Freizügigkeitsgesetz/EU - FreizügG/EU 2004 | § 2 Recht auf Einreise und Aufenthalt


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(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,

1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder
2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.

(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.

(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.

(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.

(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.

(1) Freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger und ihre Familienangehörigen haben das Recht auf Einreise und Aufenthalt nach Maßgabe dieses Gesetzes.

(2) Unionsrechtlich freizügigkeitsberechtigt sind:

1.
Unionsbürger, die sich als Arbeitnehmer oder zur Berufsausbildung aufhalten wollen,
1a.
Unionsbürger, die sich zur Arbeitsuche aufhalten, für bis zu sechs Monate und darüber hinaus nur, solange sie nachweisen können, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden,
2.
Unionsbürger, wenn sie zur Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit berechtigt sind (niedergelassene selbständige Erwerbstätige),
3.
Unionsbürger, die, ohne sich niederzulassen, als selbständige Erwerbstätige Dienstleistungen im Sinne des Artikels 57 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union erbringen wollen (Erbringer von Dienstleistungen), wenn sie zur Erbringung der Dienstleistung berechtigt sind,
4.
Unionsbürger als Empfänger von Dienstleistungen,
5.
nicht erwerbstätige Unionsbürger unter den Voraussetzungen des § 4,
6.
Familienangehörige unter den Voraussetzungen der §§ 3 und 4,
7.
Unionsbürger und ihre Familienangehörigen, die ein Daueraufenthaltsrecht erworben haben.

(3) Das Recht nach Absatz 1 bleibt für Arbeitnehmer und selbständig Erwerbstätige unberührt bei

1.
vorübergehender Erwerbsminderung infolge Krankheit oder Unfall,
2.
unfreiwilliger durch die zuständige Agentur für Arbeit bestätigter Arbeitslosigkeit oder Einstellung einer selbständigen Tätigkeit infolge von Umständen, auf die der Selbständige keinen Einfluss hatte, nach mehr als einem Jahr Tätigkeit,
3.
Aufnahme einer Berufsausbildung, wenn zwischen der Ausbildung und der früheren Erwerbstätigkeit ein Zusammenhang besteht; der Zusammenhang ist nicht erforderlich, wenn der Unionsbürger seinen Arbeitsplatz unfreiwillig verloren hat.
Bei unfreiwilliger durch die zuständige Agentur für Arbeit bestätigter Arbeitslosigkeit nach weniger als einem Jahr Beschäftigung bleibt das Recht aus Absatz 1 während der Dauer von sechs Monaten unberührt.

(4) Das Nichtbestehen des Rechts nach Absatz 1 kann festgestellt werden, wenn feststeht, dass die betreffende Person das Vorliegen einer Voraussetzung für dieses Recht durch die Verwendung von gefälschten oder verfälschten Dokumenten oder durch Vorspiegelung falscher Tatsachen vorgetäuscht hat. Das Nichtbestehen des Rechts nach Absatz 1 kann bei einem Familienangehörigen, der nicht Unionsbürger ist, außerdem festgestellt werden, wenn feststeht, dass er dem Unionsbürger nicht zur Herstellung oder Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft nachzieht oder ihn nicht zu diesem Zweck begleitet. Einem Familienangehörigen, der nicht Unionsbürger ist, kann in diesen Fällen die Erteilung der Aufenthaltskarte oder des Visums versagt werden oder seine Aufenthaltskarte kann eingezogen werden. Entscheidungen nach den Sätzen 1 bis 3 bedürfen der Schriftform.

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Das Urteil ergeht "Im Namen des Volkes". Es ist schriftlich abzufassen und von den Richtern, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, zu unterzeichnen. Ist ein Richter verhindert, seine Unterschrift beizufügen, so wird dies mit dem Hinderungsgrund vom Vorsitzenden oder, wenn er verhindert ist, vom dienstältesten beisitzenden Richter unter dem Urteil vermerkt. Der Unterschrift der ehrenamtlichen Richter bedarf es nicht.

(2) Das Urteil enthält

1.
die Bezeichnung der Beteiligten, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Bevollmächtigten nach Namen, Beruf, Wohnort und ihrer Stellung im Verfahren,
2.
die Bezeichnung des Gerichts und die Namen der Mitglieder, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben,
3.
die Urteilsformel,
4.
den Tatbestand,
5.
die Entscheidungsgründe,
6.
die Rechtsmittelbelehrung.

(3) Im Tatbestand ist der Sach- und Streitstand unter Hervorhebung der gestellten Anträge seinem wesentlichen Inhalt nach gedrängt darzustellen. Wegen der Einzelheiten soll auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen verwiesen werden, soweit sich aus ihnen der Sach- und Streitstand ausreichend ergibt.

(4) Ein Urteil, das bei der Verkündung noch nicht vollständig abgefaßt war, ist vor Ablauf von zwei Wochen, vom Tag der Verkündung an gerechnet, vollständig abgefaßt der Geschäftsstelle zu übermitteln. Kann dies ausnahmsweise nicht geschehen, so ist innerhalb dieser zwei Wochen das von den Richtern unterschriebene Urteil ohne Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung der Geschäftsstelle zu übermitteln; Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung sind alsbald nachträglich niederzulegen, von den Richtern besonders zu unterschreiben und der Geschäftsstelle zu übermitteln.

(5) Das Gericht kann von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Verwaltungsakts oder des Widerspruchsbescheids folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.

(6) Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat auf dem Urteil den Tag der Zustellung und im Falle des § 116 Abs. 1 Satz 1 den Tag der Verkündung zu vermerken und diesen Vermerk zu unterschreiben. Werden die Akten elektronisch geführt, hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle den Vermerk in einem gesonderten Dokument festzuhalten. Das Dokument ist mit dem Urteil untrennbar zu verbinden.

Tenor

I.

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

I.

Der Kläger wurde am 27. April 1981 in München geboren und ist kroatischer Staatsangehöriger. Seine Kindheit verbrachte er teilweise in Kroatien, teilweise in München. Seinen Volksschulabschluss legte er 1996 in Kroatien ab.

Am 29. Juni 1996 beantragte der Kläger eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug zu seiner hier lebenden Mutter, die im Besitz eines unbefristeten Aufenthaltstitels war. Dem Kläger wurde zunächst eine bis 8. September 1998 gültige befristete Aufenthaltserlaubnis erteilt, die zuletzt bis 6. September 2000 verlängert wurde.

Mit Bescheid vom 21. Mai 2001 wies die Beklagte den Kläger aus der Bundesrepublik Deutschland aus. Ausschlaggebend hierfür war die Verurteilung des Klägers zu einer Einheitsjugendstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten durch das Jugendschöffengericht des Amtsgerichts München vom 5. März 2001. Vor dieser Verurteilung war der Kläger jedoch bereits kontinuierlich strafrechtlich in Erscheinung getreten und am 20. Mai 1999 zu einer zehnmonatigen Jugendstrafe, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden war, sowie am 21. Oktober 1999 zu einer Einheitsjugendstrafe von einem Jahr und sechs Monaten unter Einbeziehung der Verurteilung vom 20. Mai 1999 verurteilt worden. Ab dem 15. November 2000 verbüßte der Kläger seine Jugendstrafe. Am 18. September 2001 wurde er nach Kroatien abgeschoben.

Zu einem nicht bekannten Zeitpunkt im Laufe des Jahres 2002 reiste der Kläger illegal nach Deutschland ein. Am 19. August 2003 wurde er festgenommen. Gegen ihn lag ein Haftbefehl wegen unerlaubter Einreise nach Abschiebung und räuberischer Erpressung, gefährlicher Körperverletzung und Bedrohung vor.

Das Landgericht München I verurteilte den Kläger mit Urteil vom 22. November 2004 wegen schwerer räuberischer Erpressung, gefährlicher Körperverletzung und Bedrohung in Tatmehrheit mit Diebstahl in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten. Zudem wurde die Unterbringung des Klägers in einer Entziehungsanstalt angeordnet, weil ein Hang des Klägers, berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, festgestellt worden war und die Verurteilung wegen Taten erfolgt war, die in symptomatischer Weise zu einem wesentlichen Teil auf diesen Hang zurückgingen. Am 24. Juni 2009 erfolgte eine weitere Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten, weil der Kläger in einer Beschuldigtenvernehmung zwei Polizisten mehrfach beleidigt hatte. Mit Urteil des Landgerichts Augsburg vom 20. Dezember 2012 wurde der Kläger zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und zehn Monaten wegen des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit versuchtem unerlaubten Erwerb von Betäubungsmitteln in Tatmehrheit mit vorsätzlichem unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln und unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln verurteilt. Der Kläger hatte in der Justizvollzugsanstalt Kaisheim an einen Mitgefangenen Teile einer Subutextablette veräußert und Amphetamin, Haschisch und Marihuana in die JVA bestellt und teilweise weiter veräußert. Im Rahmen der Hauptverhandlung wurde ein Sachverständigengutachten zur Frage der strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Klägers und dem Vorliegen der Voraussetzungen für eine Unterbringung im Maßregelvollzug nach § 64 StGB eingeholt. Die Sachverständige diagnostizierte eine Polytoxikomanie, wobei sich bis zuletzt keine relevanten negativen Auswirkungen auf die soziale Situation des Klägers und seine Leistungsfähigkeit hätten feststellen lassen und sich das tatsächliche Ausmaß der Abhängigkeit als geringgradig darstelle.

Mit Bescheid vom 22. Juli 2013 stellte die Beklagte fest, dass der Kläger sein Recht auf Einreise und Aufenthalt verloren habe und untersagte die Einreise und den Aufenthalt im Bundesgebiet. Die Beklagte stützte die Verlustfeststellung auf § 6 Abs. 1 FreizügG/EU. Die Straftaten des Täters seien im Bereich der Schwerkriminalität anzusiedeln. Aus der Eigenart der Straftaten ergebe sich eine konkrete Wiederholungsgefahr. Weder Art. 6 GG noch Art. 8 EMRK stünde der Beendigung des Aufenthalts entgegen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger Klage und beantragte zugleich, ihm Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Der Kläger habe ein Daueraufenthaltsrecht nach § 4a FreizügG/EU inne. Er habe keinerlei Beziehungen mehr nach Kroatien. Seine Mutter mit Familie und seine Tante lebten in München. Zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit gemäß § 6 Abs. 4 und 5 FreizügG/EU seien nicht gegeben.

Mit Beschluss vom 5. November 2014 bewilligte das Bayerische Verwaltungsgericht München dem Kläger Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seiner Bevollmächtigten, soweit die Beklagte keine Befristungsentscheidung getroffen habe. Im Übrigen wurde der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Es stehe der Verlustfeststellung nicht entgegen, dass gegen den Kläger bereits eine bestandskräftige Ausweisungsverfügung vorliege. Es könne offen bleiben, ob der Kläger aufgrund seiner Arbeitslosigkeit überhaupt freizügigkeitsberechtigt sei, jedenfalls lägen die Voraussetzungen für eine Verlustfeststellung nach § 6 Abs. 1 FreizügG/EU vor. Auf den höheren Schutz nach § 6 Abs. 4 und 5 FreizügG/EU könne sich der Kläger nicht berufen. Er habe kein Daueraufenthaltsrecht nach § 4a FreizügG/EU erworben. Nach zutreffender Einschätzung der Beklagten überwiege das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung das private Interesse des Klägers am Verbleib im Bundesgebiet deutlich, da der Kläger mehrfach erheblich straffällig geworden sei. Es bestehe auch Wiederholungsgefahr. Die Schwere der Delikte habe sich kontinuierlich gesteigert. Weder die Ausweisung noch der Strafvollzug hätten den Kläger davon abgehalten, weitere Straftaten im Bundesgebiet zu begehen. Neben der hohen Rückfallgeschwindigkeit spreche auch die nicht therapierte Drogensucht des Klägers für eine Wiederholungsgefahr. Einen Verstoß gegen Art. 8 EMRK und Art. 6 GG habe die Beklagte zu Recht verneint. Dieser Beschluss wurde der Bevollmächtigten des Klägers am 12. November 2014 zugestellt.

Am 26. November 2014 ging ein Schreiben des Klägers beim Bayerischen Verwaltungsgericht München ein, mit dem er „den Antrag auf Zulassung der Berufung“ begründete. Es lägen keine zwingenden Gründe i. S. des § 6 Abs. 5 FreizügG/EU vor. Die Straftaten, die seiner Verurteilung zugrunde lägen, seien nicht mit dem der Entscheidung des EuGH zugrunde liegenden bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln vergleichbar. Ein grenzüberschreitender Bezug sei bei ihm nicht erkennbar. Zudem verstoße die Ausweisung gegen Art. 6 GG und Art. 8 EMRK. Er sei faktischer Inländer. Auch sei er nicht heroin- und subutexsüchtig. Die Unterbringung nach § 64 StGB habe er nach Absprache mit dem Therapeuten selbst beendet, da er nicht in dieses Umfeld gepasst habe.

Auf richterlichen Hinweis erklärte der Kläger mit Schreiben vom 1. Dezember 2014, dass er sein Schreiben vom 26. November 2014 als Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 5. November 2014 verstanden haben wolle.

Die Beklagte beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Landesanwaltschaft Bayern beteiligte sich als Vertreter des öffentlichen Interesses am Verfahren. Sie hält die Auffassung des Erstgerichts, dass dem Kläger nicht der erhöhte Schutz des § 6 Abs. 5 FreizügG/EU zukomme, für zutreffend.

Mit Urteil vom 16. Dezember 2014 wies das Bayerische Verwaltungsgericht München die auf Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 22. Juli 2013 gerichtete Klage ab. Das Urteil ist rechtskräftig (M 4 K 13.3733).

Ergänzend wird auf die vorgelegten Behördenakten und die Gerichtsakten verwiesen.

II.

Mit seiner Beschwerde verfolgt der Kläger seinen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren gegen den Bescheid der Beklagten vom 22. Juli 2013 weiter, soweit ihm das Verwaltungsgericht keine Prozesskostenhilfe bewilligte.

Die Beschwerde ist zulässig. Der Kläger hat zwar nicht ausdrücklich innerhalb der Beschwerdefrist des § 147 Abs. 1 VwGO Beschwerde gegen den ablehnenden Prozesskostenhilfebeschluss des Verwaltungsgerichts München vom 5. November 2014 eingelegt, sein Schreiben vom 26. November 2014 kann jedoch als Beschwerde i. S. v. § 146 Abs. 1 VwGO ausgelegt werden (§ 88 VwGO). Der Beschluss vom 5. November 2014 wurde der Bevollmächtigten des Klägers am 12. November 2014 zugestellt. Am 26. November 2014, dem letzten Tag der Beschwerdefrist, ging beim Bayerischen Verwaltungsgericht München ein vom Kläger selbst gefertigter Schriftsatz, den er als Antrag auf Zulassung der Berufung bezeichnete, ein. Auf ein entsprechendes Hinweisschreiben des Gerichts vom 26. November 2014 teilte der Kläger mit Schreiben vom 1. Dezember 2014 mit, dass er den Antrag auf Zulassung der Berufung als Beschwerde gegen den Beschluss vom 5. November 2014 verstanden haben wolle. Nach einem entsprechenden Nichtabhilfebeschluss legte das Verwaltungsgericht den Vorgang dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung vor. Da zum Zeitpunkt des Eingangs des „Antrags auf Zulassung der Berufung“ das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München in der Hauptsache noch nicht ergangen war und somit außer dem Beschluss vom 5. November 2014 keine rechtsmittelfähige Entscheidung eines Gerichts vorlag, gegen die sich der Kläger mit seinem eindeutig als Rechtsmittel bezeichneten Schreiben hätte wenden können, liegt nach dem von Amts wegen zu ermittelnden wirklichen Rechtsschutzziel eine statthafte Beschwerde des Klägers vor.

Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet. Das Verwaltungsgericht ist im Beschluss vom 5. November 2014 zu Recht davon ausgegangen, dass die Klage gegen die Feststellung des Verlusts des Rechts auf Einreise und Aufenthalt voraussichtlich ohne Erfolg bleiben wird. Der Kläger ist zwar ausweislich der im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorgelegten Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht in der Lage, die Kosten für die von ihm beabsichtigte Prozessführung aufzubringen, die Klage auf Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 22. Juli 2013 bietet aber abgesehen von der bereits vom Erstgericht festgestellten Verpflichtung der Beklagten, die Wirkung der Verlustfeststellung zu befristen, keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 166 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Die Voraussetzungen für eine Verlustfeststellung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 FreizügG FreizügG/EU liegen in der Person des Klägers vor (1.). Die vorangegangene Ausweisung hindert die Verlustfeststellung nicht (a.). Der Kläger kann sich trotz seiner Inhaftierung auf sein unionsrechtliches Freizügigkeitsrecht berufen (b.). Die den strafrechtlichen Verurteilungen zugrunde liegenden Umstände lassen ein persönliches Verhalten des Klägers erkennen, das eine gegenwärtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung darstellt. Diese Gefährdung ist auch hinreichend schwer und berührt ein Grundinteresse der Gesellschaft (c.). Der Kläger kann sich hingegen nicht auf § 6 Abs. 4 und Abs. 5 FreizügG/EU berufen (2.). Art. 8 EMRK steht der Verlustfeststellung nicht entgegen (3.).

1. a. Zunächst ist das Verwaltungsgericht im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass die mit Bescheid vom 21. Mai 2001 verfügte Ausweisung des Klägers und die Abschiebung nach Kroatien die spätere Feststellung des Verlusts des Rechts auf Einreise und Aufenthalt nach § 6 Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU nicht ausschließen. Zum Zeitpunkt der Ausweisungsverfügung im Jahr 2001 war Kroatien noch nicht Mitglied der Europäischen Union (EU). Der Beitritt Kroatiens zur EU erfolgte erst mit Wirkung zum 1. Juli 2013. Eine bestandskräftige Ausweisung eines kroatischen Staatsbürgers vor dem Beitrittstermin Kroatiens hindert das Entstehen des Freizügigkeitsrechts für den Betreffenden zum Beitrittstermin jedoch nicht (Epe in Gemeinschaftskommentar zum AufenthG, FreizügG/EU, § 1 Rn. 10). Dies hat seinen Grund darin, dass eine Ausweisungsverfügung, die gegen einen Staatsangehörigen eines Staates gerichtet war, der nicht der EU angehört, von ihrem Regelungsgegenstand und ihrer Rechtsfolge nicht auf eine Beschränkung des unionsrechtlichen Freizügigkeitsrechts gerichtet sein kann. Sie unterscheidet sich darin von einer Ausweisungsverfügung, die vor Inkrafttreten des FreizügG/EU am 1. Januar 2005 gegenüber einem Unionsbürger erlassen worden ist (Epe in Gemeinschaftskommentar zum AufenthG, FreizügG/EU, § 1 Rn. 24). Diese sog. Altausweisungen gegenüber Unionsbürgern sind mit Inkrafttreten des Freizügigkeitsgesetzes nicht gegenstandslos geworden und gelten fort (vgl. Kurzidem in Beck’scher Online-Kommentar, AuslR, Stand 1.9.2014, FreizügG/EU, § 11 Rn. 7).

b. Die Beklagte hat die Feststellung des Verlusts des Rechts auf Einreise und Aufenthalt zu Recht auf § 6 Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU gestützt, weil der Kläger zumindest nach § 2 Abs. 5 FreizügG/EU freizügigkeitsberechtigt ist. Eine Verlustfeststellung nach § 6 Abs. 1 FreizügG/EU setzt den Bestand des Rechts auf Einreise und Aufenthalt voraus. Ist dagegen fraglich, ob der betreffende Unionsbürger freizügigkeitsberechtigt i. S. des § 2 FreizügG/EU ist, ist diese Feststellung im Verfahren nach § 5 Abs. 5 FreizügG/EU zu treffen (Alexy in Hoffmann/Hoffmann, AuslR, FreizügG/EU, § 6 Rn. 8). Eine Freizügigkeitsberechtigung des Klägers nach § 2 Abs. 2 FreizügG/EU besteht offensichtlich nicht. Insbesondere hat der Kläger kein Daueraufenthaltsrecht nach § 4a FreizügG/EU erworben (hierzu siehe 2.a.). Jedoch stellt auch das nur an den Besitz eines gültigen Ausweises oder Passes gebundene Freizügigkeitsrecht nach § 2 Abs. 5 FreizügG/EU ein Recht auf Einreise und Aufenthalt i. S. des § 2 Abs. 1 FreizügG/EU dar, dessen Verlust aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gemäß § 6 Abs. 1 FreizügG/EU festgestellt werden kann. Die Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG (RL 2004/38/EU) definiert als Aufenthaltsrecht des Unionsbürgers sowohl das Recht auf Aufenthalt bis zu drei Monaten (Art. 6 RL 2004/38/EG) als auch das Recht auf Aufenthalt für mehr als drei Monate (Art. 7 RL 2004/38/EG). Die Regelungen über die Verlustfeststellung finden daher auch auf Unionsbürger Anwendung, die lediglich unter Art. 6 RL 2008/38/EU, dessen Umsetzung durch § 2 Abs. 5 FreizügG/EU erfolgt ist, fallen (Dienelt in Renner/Bergmann/Dienelt, AuslR, FreizügG/EU, § 2 Rn. 109; Epe in Gemeinschaftskommentar zum AufenthG, FreizügG/EU, § 2 Rn. 143). Unschädlich ist insoweit, dass sich der Kläger derzeit im Strafvollzug befindet und daher sein Recht auf Aufenthalt als Unionsbürger erst nach seiner Haftentlassung Bedeutung erlangt. Andernfalls müsste die Ausländerbehörde zunächst abwarten, ob der Kläger nach der Haftentlassung von seinem Recht nach § 2 Abs. 5 FreizügG/EU Gebrauch machen will, bevor sie die Verlustfeststellung nach § 6 Abs. 1 FreizügG/EU aussprechen könnte.

c. Jede „Ausweisungsverfügung“ gegenüber einem Unionsbürger setzt voraus, dass das persönliche Verhalten des Betroffenen eine tatsächliche und gegenwärtige Gefahr darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft oder des Aufnahmemitgliedstaats berührt, wobei diese Feststellung im Allgemeinen bedeutet, dass eine Neigung des Betroffenen bestehen muss, das Verhalten in Zukunft beizubehalten (EuGH, U. v. 22.5.2012 - C-348/09 - juris Ls. 2; s. § 6 Abs. 2 FreizügG/EU). Die Umstände, die den vom Kläger seit seiner Wiedereinreise in das Bundesgebiet im Jahr 2002 begangenen Straftaten zugrunde liegen, rechtfertigen eine Verlustfeststellung nach § 6 Abs. 1 FreizügG/EU. Der Verurteilung vom 22. November 2004 zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten lagen zahlreiche Straftaten zugrunde. Neben den Straftaten gegen Sachwerte stellen insbesondere die Körperverletzung mit einem Baseballschläger sowie die Bedrohung von zwei Personen, „ihnen beim nächsten Mal die Köpfe einzuhauen“, eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung dar, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Dasselbe gilt für die der Verurteilung vom 13. Juni 2012 zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und zehn Monaten zugrunde liegenden Betäubungsmittelstraftaten. Hierbei fällt insbesondere ins Gewicht, dass der Kläger aus der Justizvollzugsanstalt heraus einen Handel mit Betäubungsmitteln begonnen hat. Gefahren, die vom illegalen Handel mit Betäubungsmitteln ausgehen, sind schwerwiegend und berühren ein Grundinteresse der Gesellschaft. Die betroffenen Schutzgüter des Lebens und der Gesundheit nehmen in der Hierarchie der in den Grundrechten enthaltenen Wertordnung einen hohen Rang ein (EuGH, U. v. 23.11.2010 - Tsakouridis, C-145/09 - juris; BVerwG, U. v. 13.12.2012 - 1 C 20.11 -juris Rn. 19).

Ebenso besteht die Gefahr, dass der Kläger sein strafbares Verhalten wiederholt. Vom Bestehen einer Wiederholungsgefahr ist auch dann auszugehen, wenn der Kläger, wie er vorbringt, nicht drogenabhängig wäre. Die inmitten stehende Frage der Wiederholungsgefahr nach strafrechtlichen Verurteilungen kann grundsätzlich von den Gerichten regelmäßig ohne Hinzuziehung eines Sachverständigen beurteilt werden, denn die Gerichte bewegen sich mit einer entsprechenden tatsächlichen Würdigung regelmäßig in Lebens- und Erkenntnisbereichen, die den Richtern allgemein zugänglich sind (BayVGH, B.v. 10.12.2014 - 19 ZB 13.2013 - juris Rn. 13 m. w. N.). Der Kläger ist seit seinem 16. Lebensjahr kontinuierlich strafrechtlich in Erscheinung getreten. Dies führte letztlich zu seiner Ausweisung mit Bescheid vom 21. Mai 2001. Auch nach seiner illegalen Wiedereinreise beging der Kläger fortwährend gravierende Straftaten, die zur Verurteilung vom 22. November 2004 führten, und setzte seine kriminelle Karriere auch in der Justizvollzugsanstalt fort. Der im Strafverfahren, das zur Verurteilung vom 22. November 2004 führte, eingeschaltete Sachverständige wies bereits darauf hin, dass neben dem Hang zu übermäßigem Rauschmittelkonsum die Gefahr der erneuten Begehung erheblicher rechtswidriger Taten auch deshalb bestehe, weil beim Kläger eine dissoziale Fehlentwicklung vorhanden sei. Es kommt für die Annahme einer derzeit noch bestehenden Wiederholungsgefahr folglich nicht mehr darauf an, in welchem Umfang der Kläger derzeit Drogen zu sich nimmt oder ob er (noch) drogensüchtig ist. Umstände, die darauf schließen ließen, dass der Kläger, auch wenn er nicht drogensüchtig sein sollte, nach seiner Haftentlassung keine weiteren schwerwiegenden Straftaten, die gegen das Leben und die Gesundheit anderer Personen sowie gegen erhebliche Sachwerte gerichtet sind, mehr begehen werde, wurden vom Kläger nicht vorgetragen und liegen aufgrund der kontinuierlichen Begehung von Straftaten - auch in der JVA - nicht auf der Hand.

2. Das Verwaltungsgericht ist auch zu Recht davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen, unter denen eine Verlustfeststellung nach Erwerb des Daueraufenthaltsrechts nur aus schwerwiegenden Gründen (§ 6 Abs. 4 FreizügG) (a.) oder nur aus zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit (§ 6 Abs. 5 FreizügG) (b.) getroffen werden kann, in der Person des Klägers nicht vorliegen.

a. Ein Daueraufenthaltsrecht nach § 4a Abs. 1 FreizügG/EG bzw. nach Art. 16 Abs. 1 RL 2004/38/EG setzt einen rechtmäßigen Aufenthalt von fünf Jahren im Bundesgebiet voraus. Inzwischen ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung geklärt, dass unter dem Begriff des „rechtmäßigen Aufenthalts“ in Art. 16 Abs. 1 Satz 1 RL 2004/38/EG, der durch § 4a FreizügG/EU in nationales Recht umgesetzt wurde, nur ein Aufenthalt zu verstehen ist, der im Einklang mit den in der RL 2004/38/EG vorgesehenen, insbesondere mit den in Art. 7 Richtlinie 2004/38/EG aufgeführten Voraussetzungen steht. Der Betroffene muss also während einer Aufenthaltszeit von mindestens fünf Jahren ununterbrochen die Freizügigkeitsvoraussetzungen des Art. 7 Abs. 1 RL 2004/38/EG erfüllt haben. Die Zeitspanne, in der zur Begründung eines Daueraufenthaltsrechts fünf Jahre lang ununterbrochen die Voraussetzungen des Art. 7 Abs. 1 RL 2004/38/EG vorgelegen haben müssen, braucht aber nicht der Zeitraum unmittelbar vor der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz zu sein (BVerwG, U. v. 31.5.2012 - 10 C 8.12 - juris Rn. 16 und 21; EuGH, U. v. 21.12.2011 - Ziolkowski, C-424/10 - juris Rn. 46). Insoweit ist eine hypothetische Prüfung vorzunehmen, ob auch die vor dem Beitritt liegenden Aufenthaltszeiten in Einklang mit den Voraussetzungen des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts gemäß Art. 7 Abs. 1 RL 2004/38/EG zurückgelegt worden sind. Bei dieser Prüfung ist das Verwaltungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass Zeiträume, in denen der Unionsbürger im Aufnahmemitgliedstaat eine Freiheitsstrafe verbüßt (hat), nicht für die Zwecke des Erwerbs des Daueraufenthaltsrechts berücksichtigt werden können, weil der Unionsgesetzgeber die Erlangung eines Daueraufenthaltsrechts nach Art. 16 Abs. 1 RL 2004/38/EU von der Integration des Unionsbürgers in den Aufnahmemitgliedstaat abhängig macht, diese Integration nicht nur auf territorialen und zeitlichen Faktoren, sondern auch auf qualitativen Elementen im Zusammenhang mit dem Grad der Integration im Aufnahmemitgliedstaat beruht, und die Verhängung einer Freiheitsstrafe ohne Bewährung durch ein nationales Gericht dazu angetan ist, deutlich zu machen, dass der Betroffene die von der Gesellschaft des Aufnahmemitgliedstaates in dessen Strafrecht zum Ausdruck gebrachten Werte nicht beachtet, so dass die Berücksichtigung von Zeiträumen der Verbüßung einer Freiheitsstrafe für die Zwecke des Erwerbs eines Daueraufenthaltsrechts dem mit der Einführung dieses Aufenthaltsrechts verfolgten Ziel eindeutig zuwider laufen würde (vgl. EuGH, U. v. 16.1.2014 - Onuokwere, C-378/12 - juris Rn. 25 und 26). Gemessen an diesen Kriterien erfüllen die Aufenthaltszeiten des Klägers im Bundesgebiet nicht die Kriterien eines rechtmäßigen Aufenthalts i. S. von Art. 16 Abs. 1 RL 2004/38/EU. Der Kläger reiste am 27. Februar 1996 im Alter von 15 Jahren nach Deutschland ein und erhielt am 9. September 1996 eine Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug zu seiner hier lebenden Mutter, die zuletzt bis 6. September 2000 verlängert worden war. Vom 25. September 2000 bis 15. November 2000 befand sich der Kläger in Untersuchungshaft, ab dem 15. November verbüßte er seine Jugendstrafe. Die Abschiebung nach Kroatien erfolgte am 18. September 2001. Somit lag spätestens ab dem 15. November 2000 kein rechtmäßiger Aufenthalt des Klägers mehr vor. Nach der illegalen Wiedereinreise in das Bundesgebiet erfüllte der Kläger nicht die Kriterien eines rechtmäßigen Aufenthalts nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. a oder Art. 7 Abs. 1 Buchst. d RL 2004/38/EU, ab dem 19. August 2003 befand sich der Kläger ohne Unterbrechung in Haft.

b. Der Kläger kann sich auch nicht auf § 6 Abs. 5 FreizügG/EU berufen, wonach eine Feststellung des Verlusts des Rechts auf Einreise und Aufenthalt nur aus zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit getroffen werden kann, wenn der Unionsbürger in den letzten zehn Jahren seinen Aufenthalt im Bundesgebiet hatte. Anders als für den Erwerb des Daueraufenthaltsrechts nach § 4a FreizügG/EU i.V. mit Art. 16 RL 2004/38/EU ist für den Erwerb des erhöhten Schutzniveaus des § 6 Abs. 5 FreizügG/EU nach dem Wortlaut der genannten Bestimmungen ein rechtmäßiger Aufenthalt nicht erforderlich. Ob aber wegen des Systems aufeinander aufbauender und sich verfestigender Aufenthaltsrechte für Unionsbürger (Art. 6, Art. 7 und Art. 16 RL 2004/38/EU, vgl. BayVGH, U. v. 21.12.2011 - 10 B 11.182 - juris Rn. 37 ff.) ein zehnjähriger rechtmäßiger Aufenthalt oder zumindest der Erwerb eines Daueraufenthaltsrechts nach § 4a FreizügG/EU erforderlich ist, damit der Unionsbürger den erhöhten Ausweisungsschutz des § 6 Abs. 5 FreizügG/EU für sich in Anspruch nehmen kann, ist in der Rechtsprechung und Kommentarliteratur nicht abschließend geklärt (vgl. Kurzidem in Beck’scher Online-Kommentar, AuslR, Stand 1.1.2015, FreizügG/EU, § 6 Rn. 23). Der Senat hat insoweit die Rechtsauffassung vertreten, dass die Vorschrift des § 6 Abs. 5 FreizügG/EU nur dann einschlägig ist, wenn der betreffende Ausländer zuvor zumindest ein Daueraufenthaltsrecht nach § 4a FreizügG/EU bzw. Art. 16 RL 2004/38/EU erworben hat (BayVGH, U. v. 21.12.2011 - 10 B 11.182 - juris Rn. 31 ff.; Dienelt in Renner/Bergmann/Dienelt, 2013, FreizügG/EU § 6 Rn. 55). Auch wenn diese Rechtsfrage noch nicht abschließend höchstrichterlich geklärt ist, ergeben sich daraus keine hinreichenden Erfolgsaussichten für die Klage des Klägers auf Aufhebung der Feststellung des Verlusts auf Einreise und Aufenthalt im Bescheid der Beklagten vom 22. Juli 2013. Ausgehend von der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (U. v. 16.1.2014 - M. G., C-400/12 - juris Ls. 1 und 2), wonach der Aufenthaltszeitraum von zehn Jahren i. S. des Art. 28 Abs. 3 Buchst. a RL 2004/38/EG, der durch die Bestimmung des § 6 Abs. 5 FreizügG/EU umgesetzt wurde, ununterbrochen gewesen sein muss, vom Zeitpunkt der Verfügung der Ausweisung des Betroffenen an zurückzurechnen ist und der Zeitraum der Verbüßung einer Freiheitsstrafe durch den Betroffenen grundsätzlich geeignet ist, die Kontinuität des Aufenthalts im Sinne dieser Bestimmung zu unterbrechen, liegt im Falle des Klägers kein zehnjähriger Aufenthalt i. S. des Art. 28 Abs. 3 Buchst. a RL 2004/38/EU vor. Die wesentliche Grundlage für den Schutz vor Ausweisungsmaßnahmen in Art. 28 RL 2004/38/EU ist der Grad der Integration des Betroffenen. Deshalb finden die Zeiträume der Verbüßung einer Freiheitsstrafe auch bei der Auslegung des Art. 28 Abs. 3 Buchst. a RL 2004/38/EU Berücksichtigung und unterbrechen die Kontinuität des Aufenthalts i. S. des Art. 28 Abs. 3 Buchst. a RL 2004/38/EU. Die letzten zehn Jahre vor Erlass des Bescheides vom 22. Juli 2013, mit dem der Verlust des Rechts auf Einreise und Aufenthalt festgestellt wurde, befand sich der Kläger ununterbrochen in Haft. Auch wenn nach Auffassung des Gerichtshofs der Europäischen Union allein die Diskontinuität des Aufenthalts in den letzten zehn Jahren vor der Ausweisung den Betroffenen nicht in jedem Fall daran hindert, in den Genuss des verstärkten Schutzes des Art. 28 Abs. 3 Buchst. a RL 2004/38/EU zu kommen, und die nationalen Behörden auch weitere Anhaltspunkte bei der gebotenen umfassenden Beurteilung zu berücksichtigen haben, um festzustellen, ob die zuvor mit dem Aufnahmemitgliedstaat geknüpften Integrationsverbindungen abgerissen sind (vgl. EuGH, a. a. O., Rn. 36), ändert sich für den Kläger insoweit nichts. Bereits vor seiner Inhaftierung im August 2003 waren die ursprünglich mit seiner Geburt in der Bundesrepublik und dem teilweisen Aufenthalt in der Bundesrepublik während seiner Kindheit entstandenen Verbindungen durch die Verbüßung seiner Jugendstrafe, die Ausweisung und Abschiebung abgerissen.

Hat sich der Kläger in den letzten zehn Jahren vor der Verlustfeststellung nicht kontinuierlich im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 16. Januar 2014 im Bundesgebiet aufgehalten, kommt es folglich nicht mehr entscheidungserheblich darauf an, ob das den strafrechtlichen Verurteilungen zugrunde liegende Verhalten des Klägers einen zwingenden Grund der öffentlichen Sicherheit im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 23. November 2010 (C-145/09 - juris) und 22. Mai 2012 (C-348/09 - juris) darstellt.

3. Das Verwaltungsgericht hat auch zutreffend festgestellt, dass die Beklagte bei der Verlustfeststellung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU die in § 6 Abs. 3 FreizügG/EU genannten Belange des Klägers berücksichtigt und zutreffend gewichtet hat. Insbesondere erweist sich die Feststellung des Verlustes des Rechts auf Einreise und Aufenthalt als notwendig i. S. von Art. 8 Abs. 2 EMRK. Der Kläger ist kein faktischer Inländer, weil er sich bis zu seinem 16. Lebensjahr teilweise in seinem Heimatland aufgehalten, dort die Schule besucht und einen Schulabschluss erreicht hat. Nach seiner Wiedereinreise ins Bundesgebiet konnte er beruflich nicht Fuß fassen und wurde kontinuierlich straffällig. Auf die familiären Bindungen zu seiner Mutter, seinem Stiefvater und seinen Stiefgeschwistern kommt es aufgrund des Alters des Klägers nicht entscheidungserheblich an. Der über zehnjährige Aufenthalt in der JVA ist nicht geeignet, eine Integrationsleistung des Klägers, die über die rein zeitliche Anwesenheit hinausgeht, zu belegen. Demgegenüber stellen sich die Schwierigkeiten, die dem Kläger bei einer Rückkehr nach Kroatien begegnen werden, nicht als unüberwindbar dar.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, weil nach Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) eine Festgebühr anfällt.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Tatbestand

1

Der Kläger, ein polnischer Staatsangehöriger, begehrt die Ausstellung einer Bescheinigung über das Bestehen eines Daueraufenthaltsrechts nach § 5 Abs. 6 Satz 1 FreizügG/EU.

2

Der 1977 geborene Kläger reiste im September 1989 mit seiner Mutter und seinem Bruder nach Berlin (West) ein. Nach einem erfolglosen Asylverfahren erhielt er ab Juli 1991 bis April 2006 Aufenthaltstitel aus humanitären Gründen. Nachdem er die Hauptschule abgeschlossen hatte, erteilte ihm das Arbeitsamt im Mai 1994 eine unbefristete und unbeschränkte Arbeitsgenehmigung. Der Kläger brach 1996 eine Lehre als Elektroinstallateur ab. Sein 2004 unternommener Versuch, ein Reinigungsunternehmen zu eröffnen, blieb ohne Erfolg. Der Kläger bezieht seit seiner Einreise immer wieder Sozialleistungen.

3

Im Juli 2005 beantragte der Kläger die Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen bzw. die Ausstellung einer Bescheinigung über sein gemeinschaftsrechtliches Aufenthaltsrecht. Im Oktober 2005 erteilte ihm das beklagte Land letztmalig eine bis April 2006 gültige Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen. Gleichzeitig wies es darauf hin, die Aufenthaltserlaubnis nicht über diesen Zeitpunkt hinaus verlängern zu wollen, wenn der Kläger weiterhin auf die Inanspruchnahme öffentlicher Mittel angewiesen sei.

4

Mit Bescheid vom 22. März 2006 lehnte der Beklagte die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis ab, da der Lebensunterhalt des Klägers nach wie vor nicht gesichert sei. Die Voraussetzungen für Aufenthaltsansprüche nach dem Freizügigkeitsgesetz/EU erfülle er nicht, da er weder Arbeitnehmer sei noch einen gesicherten Lebensunterhalt ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel nachweisen könne. Bis auf den gescheiterten Versuch selbstständiger Tätigkeit seien keine Arbeitsbemühungen nachgewiesen worden. Dem Kläger wurde die Abschiebung nach Polen für den Fall nicht fristgerechter Ausreise binnen 15 Tagen nach Unanfechtbarkeit des Bescheids angedroht. Über den hiergegen eingelegten Widerspruch hat der Beklagte nicht entschieden.

5

Das Verwaltungsgericht gab der Klage, die auf Ausstellung einer Bescheinigung über das Bestehen eines unbefristeten Daueraufenthaltsrechts gerichtet war, im Februar 2007 statt. Dabei ging es davon aus, dass Art. 16 der Richtlinie 2004/38/EG jedem Unionsbürger, der sich fünf Jahre rechtmäßig im Aufnahmemitgliedstaat aufgehalten habe, ein Daueraufenthaltsrecht gewähre, ohne dass es darauf ankomme, ob er über ausreichende Existenzmittel verfüge.

6

Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg mit Urteil vom 28. April 2009 den erstinstanzlichen Gerichtsbescheid geändert und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger erfülle nicht die Anforderungen für das Bestehen eines Daueraufenthaltsrechts nach § 4a FreizügG/EU. Er halte sich zwar seit mehr als fünf Jahren im Bundesgebiet auf. Rechtmäßig im Sinne dieser Vorschrift sei aber nur ein Aufenthalt, der nach § 2 Abs. 2 FreizügG/EU auf einem Freizügigkeitsrecht beruhe. Berücksichtigungsfähig seien zudem nur Zeiten, in denen der Herkunftsstaat Mitglied der Europäischen Union gewesen sei. Nach dem Beitritt der Republik Polen zur Europäischen Union am 1. Mai 2004 sei der Kläger nicht freizügigkeitsberechtigt gewesen, da er als nichterwerbstätiger Unionsbürger nicht über ausreichende Existenzmittel verfügt habe (§ 2 Abs. 2 Nr. 5 i.V.m. § 4 FreizügG/EU). Anders als bei Arbeitnehmern und selbstständig Erwerbstätigen seien in diesem Fall Zeiten des Sozialleistungsbezugs nicht als Zeiten rechtmäßigen Aufenthalts zu berücksichtigen. Dies stehe im Einklang mit Art. 16 der Richtlinie 2004/38/EG. Danach müsse ein Unionsbürger für ein Daueraufenthaltsrecht fünf Jahre die Voraussetzungen des Art. 7 der Richtlinie 2004/38/EG erfüllen. Bei Nichterwerbstätigen verlange auch Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2004/38/EG, dass sie über ausreichende Existenzmittel verfügten, so dass sie während ihres Aufenthalts keine Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats in Anspruch nehmen müssten.

7

Der Kläger erstrebt mit seiner Revision die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung. Er ist der Auffassung, für den Erwerb des Rechts auf Daueraufenthalt genüge ein nach dem Recht des Aufnahmemitgliedstaats rechtmäßiger Aufenthalt von fünf Jahren.

8

Der Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung.

9

Der Vertreter des Bundesinteresses hat sich am Verfahren beteiligt. Er hält die Revision ebenfalls für unbegründet, ist aber der Auffassung, dass § 4a FreizügG/EU nur verlangt, dass der Aufenthalt jedenfalls zuletzt nach Freizügigkeitsrecht rechtmäßig war. Insofern gehe die Vorschrift über die Richtlinie 2004/38/EG hinaus.

10

Mit Beschluss vom 13. Juli 2010 - BVerwG 1 C 14.09 - hat der seinerzeit zuständige 1. Senat das Verfahren ausgesetzt und eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) zur Klärung der Voraussetzungen für den Erwerb eines Rechts auf Daueraufenthalt nach Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG eingeholt. Der EuGH hat die Vorlagefragen mit Urteil vom 21. Dezember 2011 - Rs. C-424/10 u.a. - beantwortet.

Entscheidungsgründe

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Die Revision, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 101 Abs. 2 i.V.m. § 141 Satz 1 und § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO), ist zulässig und begründet. Das Berufungsgericht hat die Klage mit einer Begründung abgewiesen, die Bundesrecht verletzt (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Denn es ist davon ausgegangen, dass sich ein Daueraufenthaltsrecht nur aus Aufenthaltszeiten des Klägers im Bundesgebiet nach dem Beitritt Polens zur Europäischen Union ergeben kann. Nach der zwischenzeitlichen Klärung durch den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) können aber auch Aufenthaltszeiten eines Drittstaatsangehörigen vor dem Beitritt seines Herkunftslands zur Europäischen Union ein Recht auf Daueraufenthalt begründen. Da das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - keine tatsächlichen Feststellungen zum Aufenthalt des Klägers im Bundesgebiet vor dem Beitritt Polens zur Europäischen Union am 1. Mai 2004 getroffen hat, kann der Senat in der Sache nicht selbst abschließend entscheiden. Der Rechtsstreit ist daher zur weiteren Aufklärung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

12

1. Gegenstand des Verfahrens ist nur das Begehren des Klägers auf Ausstellung einer Bescheinigung über das Bestehen eines Daueraufenthaltsrechts nach § 5 Abs. 6 Satz 1 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (Freizügigkeitsgesetz/EU - FreizügG/EU). Dieses Begehren zielt auf ein schlicht hoheitliches Verwaltungshandeln, das mit der allgemeinen Leistungsklage zu verfolgen ist. Die Ablehnung des Beklagten, die humanitäre Aufenthaltserlaubnis des Klägers zu verlängern, sowie die Abschiebungsandrohung sind nicht Gegenstand dieses Verfahrens geworden.

13

2. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist bei Verpflichtungsklagen, die auf Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels gerichtet sind, grundsätzlich auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung in der Tatsacheninstanz abzustellen (stRspr, vgl. Urteile vom 16. Juni 2004 - BVerwG 1 C 20.03 - BVerwGE 121, 86 <88> m.w.N. und vom 7. April 2009 - BVerwG 1 C 17.08 - BVerwGE 133, 329 Rn. 37 ff.). Nichts anderes gilt, wenn im Wege der allgemeinen Leistungsklage die Ausstellung einer Bescheinigung über das Bestehen eines unionsrechtlichen Daueraufenthaltsrechts begehrt wird. Rechtsänderungen während des Revisionsverfahrens - hier etwa das Inkrafttreten des Reformvertrags von Lissabon zum 1. Dezember 2009 - sind allerdings zu beachten, da das Berufungsgericht - entschiede es anstelle des Bundesverwaltungsgerichts - sie zu berücksichtigen hätte (stRspr, vgl. Urteil vom 1. November 2005 - BVerwG 1 C 21.04 - BVerwGE 124, 276 <279 f.>).

14

3. Das Berufungsurteil verstößt insoweit gegen Bundesrecht, als das Oberverwaltungsgericht davon ausgegangen ist, dass sich ein Daueraufenthaltsrecht des Klägers nur aus Aufenthaltszeiten im Bundesgebiet nach dem Beitritt Polens zur Europäischen Union am 1. Mai 2004 ergeben kann. Nach § 5 Abs. 6 Satz 1 FreizügG/EU wird Unionsbürgern auf Antrag unverzüglich ihr Daueraufenthalt bescheinigt. Nach der hier allein in Betracht kommenden Grundnorm des § 4a Abs. 1 FreizügG/EU haben Unionsbürger, ihre Familienangehörigen und Lebenspartner, die sich seit fünf Jahren ständig rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten haben, unabhängig vom weiteren Vorliegen der Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 FreizügG/EU das Recht auf Einreise und Aufenthalt (Daueraufenthaltsrecht). In § 2 Abs. 2 FreizügG/EU sind die nach Unionsrecht freizügigkeitsberechtigten Personengruppen aufgezählt. Der Formulierung in § 4a FreizügG/EU "unabhängig vom weiteren Vorliegen der Voraussetzungen des § 2 Abs. 2" ist zu entnehmen, dass nicht jeder nach nationalem Recht rechtmäßige Aufenthalt ausreicht, sondern das Entstehen des Daueraufenthaltsrechts an das Vorliegen der Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 FreizügG/EU anknüpft und nur ein einmal entstandenes Daueraufenthaltsrecht durch einen späteren Wegfall dieser Voraussetzungen nicht mehr berührt wird (vgl. Vorlagebeschluss vom 13. Juli 2010 - BVerwG 1 C 14.09 - Buchholz 451.902 Europ. Ausl.- u. Asylrecht Nr. 41 Rn. 14).

15

Mit dem durch das Richtlinienumsetzungsgesetz 2007 eingefügten § 4a FreizügG/EU hat der Gesetzgeber das schon zuvor auf nationaler Ebene bestehende - und über das bisherige Unionsrecht hinausgehende - Daueraufenthaltsrecht für freizügigkeitsberechtigte Personen und die unionsrechtlichen Vorgaben aus Art. 16 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 - sog. Unionsbürgerrichtlinie - zusammengefasst (BTDrucks 16/5065 S. 210). Nach Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG hat jeder Unionsbürger, der sich rechtmäßig fünf Jahre lang ununterbrochen im Aufnahmemitgliedstaat aufgehalten hat, das Recht, sich dort auf Dauer aufzuhalten. Dieses Recht ist nicht an die Voraussetzungen des Kapitel III der Richtlinie 2004/38/EG geknüpft.

16

Zur Auslegung dieser Bestimmung hat der EuGH in seinem Urteil vom 21. Dezember 2011 - Rs. C-424/10 u.a., Ziolkowski u.a. - (NVwZ-RR 2012, 121) darauf hingewiesen, dass ein Unionsbürger, der im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats eine Aufenthaltszeit von über fünf Jahren nur aufgrund des nationalen Rechts dieses Staates zurückgelegt hat, nicht so betrachtet werden kann, als habe er das Recht auf Daueraufenthalt nach Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG erworben, wenn er während dieser Aufenthaltszeit die Voraussetzungen des Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG nicht erfüllt hat (LS 1 und Rn. 51). Zur Begründung hat der Gerichtshof darauf abgestellt, dass es sich bei dem Begriff des "rechtmäßigen Aufenthalts" in Art. 16 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2004/38/EG um einen autonomen Begriff des Unionsrechts handelt, der in allen Mitgliedstaaten einheitlich auszulegen ist (Rn. 33). Rechtmäßig im Sinne des Unionsrechts ist daher nur ein Aufenthalt, der im Einklang mit den in der Richtlinie 2004/38/EG vorgesehenen, insbesondere mit den in Art. 7 der Richtlinie 2004/38/EG aufgeführten Voraussetzungen steht (Rn. 46). Hergeleitet hat der Gerichtshof diese Auslegung zum einen aus dem Ziel der Richtlinie, die bereichsspezifischen und fragmentarischen Ansätze des Freizügigkeits- und Aufenthaltsrechts zu überwinden und in einer Kodifikation zusammenzufassen (Rn. 35 ff.). Zum anderen hat er darauf abgestellt, dass sich aus der Systematik der Richtlinie ein gestuftes System von Aufenthaltsrechten ergibt, das im Recht auf Daueraufenthalt mündet (Rn. 38 ff.). Damit richtet sich die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts auch in Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG nicht nach dem im jeweiligen Aufnahmemitgliedstaat geltenden - möglicherweise günstigeren - nationalen Recht. Vielmehr setzt das Entstehen eines Rechts auf Daueraufenthalt unionsrechtlich voraus, dass der Betroffene während einer Aufenthaltszeit von mindestens fünf Jahren ununterbrochen die Freizügigkeitsvoraussetzungen des Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG erfüllt hat.

17

Nach der zwischenzeitlichen Klärung durch den EuGH kann sich ein Recht auf Daueraufenthalt allerdings auch aus Aufenthaltszeiten eines Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat ergeben, bevor der Drittstaat der Europäischen Union beigetreten ist. Diese Aufenthaltszeiten sind in Ermangelung spezifischer Bestimmungen in den Beitrittsakten für die Zwecke des Erwerbs des Rechts auf Daueraufenthalt gemäß Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG aber nur berücksichtigungsfähig, sofern der Betroffene nachweisen kann, dass sie im Einklang mit den Voraussetzungen des Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG zurückgelegt wurden (EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 a.a.O. LS 2 und Rn. 62 f.). Diese Vorwirkung der Richtlinie gilt bei der gebotenen unionskonformen Auslegung auch für die nationale Regelung in § 4a FreizügG/EU, die die unionsrechtlichen Vorgaben des Art. 16 der Richtlinie 2004/38/EG umsetzt.

18

4. Der Senat kann weder in positiver noch in negativer Hinsicht abschließend in der Sache selbst entscheiden. Da nach dem Urteil des EuGH vom 21. Dezember 2011 (a.a.O.) auch Aufenthaltszeiten eines Drittstaatsangehörigen vor dem Beitritt seines Herkunftsstaats zur Europäischen Union für ein Daueraufenthaltsrecht zu berücksichtigen sind, wenn sie im Einklang mit den Voraussetzungen des Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG zurückgelegt wurden, das Berufungsgericht zum Aufenthalt des Klägers vor dem Beitritt Polens am 1. Mai 2004 aber keine tatsächlichen Feststellungen getroffen hat, ist der Rechtsstreit zur weiteren Sachaufklärung an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

19

5. In dem erneuten Berufungsverfahren wird das Oberverwaltungsgericht zu prüfen haben, ob der Kläger über einen ununterbrochenen Zeitraum von fünf Jahren die Voraussetzungen des Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG erfüllt hat und sein Aufenthalt deshalb für die Prüfung des Erwerbs eines Rechts auf Daueraufenthalt dem Aufenthalt eines freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgers gleichzustellen ist.

20

Die für diese Prüfung maßgebliche Frage, ob es für das Entstehen des Daueraufenthaltsrechts nach § 4a Abs. 1 FreizügG/EU erforderlich ist, dass der Betroffene während des gesamten Zeitraums von fünf Jahren freizügigkeitsberechtigt war, oder ob es - wie vom Vertreter des Bundesinteresses vorgetragen - ausreicht, wenn der Aufenthalt fünf Jahre lang erlaubt war und jedenfalls zuletzt auf einem Freizügigkeitsrecht beruhte (so auch Nr. 4a.1 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Freizügigkeitsgesetz/EU vom 26. Oktober 2009 - VwV-FreizügG/EU - GMBl S. 1270), hat der 1. Senat im Vorlagebeschluss vom 13. Juli 2010 - BVerwG 1 C 14.09 - (Buchholz 451.902 Europ. Ausl.- u. Asylrecht Nr. 41 Rn. 15) offengelassen. Der erkennende Senat entscheidet sie zugunsten der vom Berufungsgericht vertretenen Auffassung, dass sich der Betroffene während des gesamten Zeitraums von fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten haben muss und über den gesamten Zeitraum freizügigkeitsberechtigt war. Für eine insoweit - gemäß Art. 37 der Richtlinie 2004/38/EG zulässige - überschießende Umsetzung im Freizügigkeitsgesetz/EU sind weder dem Gesetzeswortlaut noch den Gesetzesmaterialien Anhaltspunkte zu entnehmen. Der Gesetzgeber wollte das zuvor in § 2 Abs. 5 FreizügG/EU nicht unionsrechtlich vorgezeichnete, sondern aufgrund nationaler Regelungen ausgeformte Daueraufenthaltsrecht für freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger (vgl. dazu BTDrucks 15/420 S. 102 f.) mit den durch die Unionsbürgerrichtlinie eingeführten neuen Vorgaben in § 4a FreizügG/EU zusammenfassen (BTDrucks 16/5065 S. 210). Systematisch spricht entscheidend für einen engen, auch auf die Freizügigkeitsvoraussetzungen abstellenden Begriff des rechtmäßigen Aufenthalts in § 2 Abs. 5 FreizügG/EU a.F. und § 4a FreizügG/EU, dass der Gesetzgeber in der Anrechnungsregelung des § 11 Abs. 3 FreizügG/EU "Zeiten des rechtmäßigen Aufenthalt nach diesem Gesetz" den Zeiten eines (titelabhängigen) rechtmäßigen Aufenthalts nach dem Aufenthaltsgesetz gegenüber gestellt hat (BTDrucks 15/420 S. 106). Dass es im Kontext des Freizügigkeitsgesetzes/EU für die Annahme eines rechtmäßigen Aufenthalts der Freizügigkeitsberechtigung bedarf, entspricht auch der auf eine zunehmende Integration infolge eines gesicherten Aufenthalts abstellenden Begründung des Gesetzentwurfs (BTDrucks 15/420 S. 103) sowie dem Sinn und Zweck der Regelung, der durch den freizügigkeitsgestützten Voraufenthalt erhöhten Integration durch ein Daueraufenthaltsrecht Rechnung zu tragen.

21

Die Zeitspanne, in der zur Begründung eines Daueraufenthaltsrechts fünf Jahre lang ununterbrochen die Voraussetzungen des Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG vorgelegen haben müssen, braucht indes nicht der Zeitraum unmittelbar vor der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz zu sein (a.A. VGH Mannheim, Beschluss vom 14. März 2006 - 13 S 220/06, AuAS 2006, 218 zu § 2 Abs. 5 FreizügG/EU). Der Senat entnimmt der Entscheidung des Gerichtshofs im Urteil vom 7. Oktober 2010 - Rs. C-162/09, Lassal - (NVwZ 2011, 32 Rn. 33 - 39), dass der ununterbrochene Fünfjahreszeitraum nicht bis zuletzt angedauert haben muss, sondern auch weiter zurück in der Vergangenheit liegen kann.

22

Im vorliegenden Fall bestimmen sich die Voraussetzungen der Freizügigkeitsberechtigung auch für Aufenthaltszeiten, die vor dem Beitritt Polens am 1. Mai 2004 liegen, nach Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG. Im Unterschied zu der Fallgestaltung einer Unionsbürgerin der ersten Stunde, die dem Urteil vom 7. Oktober 2010 (a.a.O. Rn. 40) zugrunde lag, hat der Gerichtshof für die hier vorliegende Fallkonstellation eines ehemaligen Drittstaaters, dessen Herkunftsland mittlerweile der Union beigetreten ist, im Urteil vom 21. Dezember 2011 (a.a.O. Rn. 61 f.) die in Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG enthaltenen Voraussetzungen als maßgeblich für den Erwerb des Daueraufenthaltsrechts erachtet.

23

Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben wird das Berufungsgericht insbesondere der Frage nachzugehen haben, ob der Kläger die Stellung eines Arbeitnehmers im Sinne des Art. 7 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2004/38/EG erworben und die Erwerbstätigeneigenschaft über fünf Jahre behalten hat. Dafür könnte sprechen, dass er nach Aktenlage im Jahr 1994 eine Lehre zum Elektroinstallateur begonnen hat. Nach der Rechtsprechung des EuGH kann eine in der Berufsausbildung befindliche Person Arbeitnehmer im Sinne des Art. 45 AEUV sein, wenn diese Ausbildung unter den Bedingungen einer tatsächlichen und echten Tätigkeit im Lohn- und Gehaltsverhältnis durchgeführt wird (EuGH, Urteile vom 26. Februar 1992 - Rs. C-3/90, Bernini - Slg. I-1071 Rn. 14 und vom 17. März 2005 - Rs. C-109/04, Kranemann - Slg. I-2421 Rn. 14, 17 f.). Mit Blick auf die Ausgestaltung der dualen Berufsausbildung in Deutschland dürfte nicht daran zu zweifeln sein, dass ein Lehrling den unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff erfüllt.

24

Zwar hat der Kläger nach Aktenlage die Lehre im Jahr 1996 abgebrochen. Das Berufungsgericht wird aber zu prüfen haben, ob er anschließend weiter als Arbeitnehmer tätig gewesen ist, so dass der (ergänzende) Bezug von Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz seine Arbeitnehmereigenschaft nicht ohne Weiteres in Frage stellen würde (vgl. EuGH, Urteil vom 3. Juni 1986 - Rs. C-139/85, Kempf - Slg. 1986, 1741 Rn. 14). Im Übrigen würde dem Kläger die Erwerbstätigeneigenschaft erhalten bleiben, solange er einen der Tatbestände des Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38/EG erfüllt hätte.

25

Sollte das Berufungsgericht zu dem Ergebnis kommen, dass der Kläger die in Art. 7 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2004/38/EG genannten Voraussetzungen nicht über einen ununterbrochenen Zeitraum von fünf Jahren erfüllt hat, würde sich die Frage stellen, ob er als Nichterwerbstätiger über ausreichende Existenzmittel verfügte, so dass er während seines Aufenthalts keine Sozialhilfeleistungen in Anspruch nehmen musste (Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2004/38/EG). Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz sind Sozialhilfeleistungen im Sinne des Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2004/38/EG. Auch für ab dem 1. Januar 2005 bezogene Leistungen der Grundsicherung nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB II) spricht viel dafür, dass es sich jedenfalls bei den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (§§ 19 ff. SGB II) um aufenthaltsrechtlich schädliche Sozialhilfeleistungen im Sinne des Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2004/38/EG handelt. Dafür ist es nicht entscheidend, dass finanzielle Leistungen, die den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern sollen, nicht als Sozialhilfeleistungen im Sinne des Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG angesehen werden können (EuGH, Urteil vom 4. Juni 2009 - Rs. C-22/08 u.a., Vatsouras - Slg. 2009, I-4585 Rn. 45) und ob Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II eine solche Leistung bilden. Der in beiden Bestimmungen der Richtlinie enthaltene Begriff der Sozialhilfe muss nicht zwingend deckungsgleich sein (a.A. offenbar Breidenbach, ZAR 2011, 233 <236>). Denn die aufenthaltsrechtliche Fragestellung, ob ein Unionsbürger über ausreichend eigene Existenzmittel verfügt und keine Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats in Anspruch nehmen muss (Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2004/38/EG), ist nach Sinn und Zweck der Regelung sowie ihrer systematischen Einordnung von der sozialrechtlichen Fragestellung zu unterscheiden, in welchem Umfange ein Aufnahmemitgliedstaat nach dem Gebot der Gleichbehandlung von Unionsbürgern mit Angehörigen des Mitgliedstaats (Art. 24 der Richtlinie 2004/38/EG) oder nach sonstigem Primär- (Art. 18 Abs. 1, Art. 21, 45 Abs. 2 AEUV) oder Sekundärrecht (vgl. z.B. der Verordnung Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit) gehindert ist, Unionsbürger aus anderen Mitgliedstaaten von dem Bezug bestimmter steuerfinanzierter Sozialleistungen auszuschließen.

Tenor

I.

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

I.

Der Kläger wurde am 27. April 1981 in München geboren und ist kroatischer Staatsangehöriger. Seine Kindheit verbrachte er teilweise in Kroatien, teilweise in München. Seinen Volksschulabschluss legte er 1996 in Kroatien ab.

Am 29. Juni 1996 beantragte der Kläger eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug zu seiner hier lebenden Mutter, die im Besitz eines unbefristeten Aufenthaltstitels war. Dem Kläger wurde zunächst eine bis 8. September 1998 gültige befristete Aufenthaltserlaubnis erteilt, die zuletzt bis 6. September 2000 verlängert wurde.

Mit Bescheid vom 21. Mai 2001 wies die Beklagte den Kläger aus der Bundesrepublik Deutschland aus. Ausschlaggebend hierfür war die Verurteilung des Klägers zu einer Einheitsjugendstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten durch das Jugendschöffengericht des Amtsgerichts München vom 5. März 2001. Vor dieser Verurteilung war der Kläger jedoch bereits kontinuierlich strafrechtlich in Erscheinung getreten und am 20. Mai 1999 zu einer zehnmonatigen Jugendstrafe, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden war, sowie am 21. Oktober 1999 zu einer Einheitsjugendstrafe von einem Jahr und sechs Monaten unter Einbeziehung der Verurteilung vom 20. Mai 1999 verurteilt worden. Ab dem 15. November 2000 verbüßte der Kläger seine Jugendstrafe. Am 18. September 2001 wurde er nach Kroatien abgeschoben.

Zu einem nicht bekannten Zeitpunkt im Laufe des Jahres 2002 reiste der Kläger illegal nach Deutschland ein. Am 19. August 2003 wurde er festgenommen. Gegen ihn lag ein Haftbefehl wegen unerlaubter Einreise nach Abschiebung und räuberischer Erpressung, gefährlicher Körperverletzung und Bedrohung vor.

Das Landgericht München I verurteilte den Kläger mit Urteil vom 22. November 2004 wegen schwerer räuberischer Erpressung, gefährlicher Körperverletzung und Bedrohung in Tatmehrheit mit Diebstahl in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten. Zudem wurde die Unterbringung des Klägers in einer Entziehungsanstalt angeordnet, weil ein Hang des Klägers, berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, festgestellt worden war und die Verurteilung wegen Taten erfolgt war, die in symptomatischer Weise zu einem wesentlichen Teil auf diesen Hang zurückgingen. Am 24. Juni 2009 erfolgte eine weitere Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten, weil der Kläger in einer Beschuldigtenvernehmung zwei Polizisten mehrfach beleidigt hatte. Mit Urteil des Landgerichts Augsburg vom 20. Dezember 2012 wurde der Kläger zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und zehn Monaten wegen des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit versuchtem unerlaubten Erwerb von Betäubungsmitteln in Tatmehrheit mit vorsätzlichem unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln und unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln verurteilt. Der Kläger hatte in der Justizvollzugsanstalt Kaisheim an einen Mitgefangenen Teile einer Subutextablette veräußert und Amphetamin, Haschisch und Marihuana in die JVA bestellt und teilweise weiter veräußert. Im Rahmen der Hauptverhandlung wurde ein Sachverständigengutachten zur Frage der strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Klägers und dem Vorliegen der Voraussetzungen für eine Unterbringung im Maßregelvollzug nach § 64 StGB eingeholt. Die Sachverständige diagnostizierte eine Polytoxikomanie, wobei sich bis zuletzt keine relevanten negativen Auswirkungen auf die soziale Situation des Klägers und seine Leistungsfähigkeit hätten feststellen lassen und sich das tatsächliche Ausmaß der Abhängigkeit als geringgradig darstelle.

Mit Bescheid vom 22. Juli 2013 stellte die Beklagte fest, dass der Kläger sein Recht auf Einreise und Aufenthalt verloren habe und untersagte die Einreise und den Aufenthalt im Bundesgebiet. Die Beklagte stützte die Verlustfeststellung auf § 6 Abs. 1 FreizügG/EU. Die Straftaten des Täters seien im Bereich der Schwerkriminalität anzusiedeln. Aus der Eigenart der Straftaten ergebe sich eine konkrete Wiederholungsgefahr. Weder Art. 6 GG noch Art. 8 EMRK stünde der Beendigung des Aufenthalts entgegen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger Klage und beantragte zugleich, ihm Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Der Kläger habe ein Daueraufenthaltsrecht nach § 4a FreizügG/EU inne. Er habe keinerlei Beziehungen mehr nach Kroatien. Seine Mutter mit Familie und seine Tante lebten in München. Zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit gemäß § 6 Abs. 4 und 5 FreizügG/EU seien nicht gegeben.

Mit Beschluss vom 5. November 2014 bewilligte das Bayerische Verwaltungsgericht München dem Kläger Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seiner Bevollmächtigten, soweit die Beklagte keine Befristungsentscheidung getroffen habe. Im Übrigen wurde der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Es stehe der Verlustfeststellung nicht entgegen, dass gegen den Kläger bereits eine bestandskräftige Ausweisungsverfügung vorliege. Es könne offen bleiben, ob der Kläger aufgrund seiner Arbeitslosigkeit überhaupt freizügigkeitsberechtigt sei, jedenfalls lägen die Voraussetzungen für eine Verlustfeststellung nach § 6 Abs. 1 FreizügG/EU vor. Auf den höheren Schutz nach § 6 Abs. 4 und 5 FreizügG/EU könne sich der Kläger nicht berufen. Er habe kein Daueraufenthaltsrecht nach § 4a FreizügG/EU erworben. Nach zutreffender Einschätzung der Beklagten überwiege das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung das private Interesse des Klägers am Verbleib im Bundesgebiet deutlich, da der Kläger mehrfach erheblich straffällig geworden sei. Es bestehe auch Wiederholungsgefahr. Die Schwere der Delikte habe sich kontinuierlich gesteigert. Weder die Ausweisung noch der Strafvollzug hätten den Kläger davon abgehalten, weitere Straftaten im Bundesgebiet zu begehen. Neben der hohen Rückfallgeschwindigkeit spreche auch die nicht therapierte Drogensucht des Klägers für eine Wiederholungsgefahr. Einen Verstoß gegen Art. 8 EMRK und Art. 6 GG habe die Beklagte zu Recht verneint. Dieser Beschluss wurde der Bevollmächtigten des Klägers am 12. November 2014 zugestellt.

Am 26. November 2014 ging ein Schreiben des Klägers beim Bayerischen Verwaltungsgericht München ein, mit dem er „den Antrag auf Zulassung der Berufung“ begründete. Es lägen keine zwingenden Gründe i. S. des § 6 Abs. 5 FreizügG/EU vor. Die Straftaten, die seiner Verurteilung zugrunde lägen, seien nicht mit dem der Entscheidung des EuGH zugrunde liegenden bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln vergleichbar. Ein grenzüberschreitender Bezug sei bei ihm nicht erkennbar. Zudem verstoße die Ausweisung gegen Art. 6 GG und Art. 8 EMRK. Er sei faktischer Inländer. Auch sei er nicht heroin- und subutexsüchtig. Die Unterbringung nach § 64 StGB habe er nach Absprache mit dem Therapeuten selbst beendet, da er nicht in dieses Umfeld gepasst habe.

Auf richterlichen Hinweis erklärte der Kläger mit Schreiben vom 1. Dezember 2014, dass er sein Schreiben vom 26. November 2014 als Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 5. November 2014 verstanden haben wolle.

Die Beklagte beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Landesanwaltschaft Bayern beteiligte sich als Vertreter des öffentlichen Interesses am Verfahren. Sie hält die Auffassung des Erstgerichts, dass dem Kläger nicht der erhöhte Schutz des § 6 Abs. 5 FreizügG/EU zukomme, für zutreffend.

Mit Urteil vom 16. Dezember 2014 wies das Bayerische Verwaltungsgericht München die auf Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 22. Juli 2013 gerichtete Klage ab. Das Urteil ist rechtskräftig (M 4 K 13.3733).

Ergänzend wird auf die vorgelegten Behördenakten und die Gerichtsakten verwiesen.

II.

Mit seiner Beschwerde verfolgt der Kläger seinen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren gegen den Bescheid der Beklagten vom 22. Juli 2013 weiter, soweit ihm das Verwaltungsgericht keine Prozesskostenhilfe bewilligte.

Die Beschwerde ist zulässig. Der Kläger hat zwar nicht ausdrücklich innerhalb der Beschwerdefrist des § 147 Abs. 1 VwGO Beschwerde gegen den ablehnenden Prozesskostenhilfebeschluss des Verwaltungsgerichts München vom 5. November 2014 eingelegt, sein Schreiben vom 26. November 2014 kann jedoch als Beschwerde i. S. v. § 146 Abs. 1 VwGO ausgelegt werden (§ 88 VwGO). Der Beschluss vom 5. November 2014 wurde der Bevollmächtigten des Klägers am 12. November 2014 zugestellt. Am 26. November 2014, dem letzten Tag der Beschwerdefrist, ging beim Bayerischen Verwaltungsgericht München ein vom Kläger selbst gefertigter Schriftsatz, den er als Antrag auf Zulassung der Berufung bezeichnete, ein. Auf ein entsprechendes Hinweisschreiben des Gerichts vom 26. November 2014 teilte der Kläger mit Schreiben vom 1. Dezember 2014 mit, dass er den Antrag auf Zulassung der Berufung als Beschwerde gegen den Beschluss vom 5. November 2014 verstanden haben wolle. Nach einem entsprechenden Nichtabhilfebeschluss legte das Verwaltungsgericht den Vorgang dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung vor. Da zum Zeitpunkt des Eingangs des „Antrags auf Zulassung der Berufung“ das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München in der Hauptsache noch nicht ergangen war und somit außer dem Beschluss vom 5. November 2014 keine rechtsmittelfähige Entscheidung eines Gerichts vorlag, gegen die sich der Kläger mit seinem eindeutig als Rechtsmittel bezeichneten Schreiben hätte wenden können, liegt nach dem von Amts wegen zu ermittelnden wirklichen Rechtsschutzziel eine statthafte Beschwerde des Klägers vor.

Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet. Das Verwaltungsgericht ist im Beschluss vom 5. November 2014 zu Recht davon ausgegangen, dass die Klage gegen die Feststellung des Verlusts des Rechts auf Einreise und Aufenthalt voraussichtlich ohne Erfolg bleiben wird. Der Kläger ist zwar ausweislich der im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorgelegten Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht in der Lage, die Kosten für die von ihm beabsichtigte Prozessführung aufzubringen, die Klage auf Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 22. Juli 2013 bietet aber abgesehen von der bereits vom Erstgericht festgestellten Verpflichtung der Beklagten, die Wirkung der Verlustfeststellung zu befristen, keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 166 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Die Voraussetzungen für eine Verlustfeststellung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 FreizügG FreizügG/EU liegen in der Person des Klägers vor (1.). Die vorangegangene Ausweisung hindert die Verlustfeststellung nicht (a.). Der Kläger kann sich trotz seiner Inhaftierung auf sein unionsrechtliches Freizügigkeitsrecht berufen (b.). Die den strafrechtlichen Verurteilungen zugrunde liegenden Umstände lassen ein persönliches Verhalten des Klägers erkennen, das eine gegenwärtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung darstellt. Diese Gefährdung ist auch hinreichend schwer und berührt ein Grundinteresse der Gesellschaft (c.). Der Kläger kann sich hingegen nicht auf § 6 Abs. 4 und Abs. 5 FreizügG/EU berufen (2.). Art. 8 EMRK steht der Verlustfeststellung nicht entgegen (3.).

1. a. Zunächst ist das Verwaltungsgericht im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass die mit Bescheid vom 21. Mai 2001 verfügte Ausweisung des Klägers und die Abschiebung nach Kroatien die spätere Feststellung des Verlusts des Rechts auf Einreise und Aufenthalt nach § 6 Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU nicht ausschließen. Zum Zeitpunkt der Ausweisungsverfügung im Jahr 2001 war Kroatien noch nicht Mitglied der Europäischen Union (EU). Der Beitritt Kroatiens zur EU erfolgte erst mit Wirkung zum 1. Juli 2013. Eine bestandskräftige Ausweisung eines kroatischen Staatsbürgers vor dem Beitrittstermin Kroatiens hindert das Entstehen des Freizügigkeitsrechts für den Betreffenden zum Beitrittstermin jedoch nicht (Epe in Gemeinschaftskommentar zum AufenthG, FreizügG/EU, § 1 Rn. 10). Dies hat seinen Grund darin, dass eine Ausweisungsverfügung, die gegen einen Staatsangehörigen eines Staates gerichtet war, der nicht der EU angehört, von ihrem Regelungsgegenstand und ihrer Rechtsfolge nicht auf eine Beschränkung des unionsrechtlichen Freizügigkeitsrechts gerichtet sein kann. Sie unterscheidet sich darin von einer Ausweisungsverfügung, die vor Inkrafttreten des FreizügG/EU am 1. Januar 2005 gegenüber einem Unionsbürger erlassen worden ist (Epe in Gemeinschaftskommentar zum AufenthG, FreizügG/EU, § 1 Rn. 24). Diese sog. Altausweisungen gegenüber Unionsbürgern sind mit Inkrafttreten des Freizügigkeitsgesetzes nicht gegenstandslos geworden und gelten fort (vgl. Kurzidem in Beck’scher Online-Kommentar, AuslR, Stand 1.9.2014, FreizügG/EU, § 11 Rn. 7).

b. Die Beklagte hat die Feststellung des Verlusts des Rechts auf Einreise und Aufenthalt zu Recht auf § 6 Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU gestützt, weil der Kläger zumindest nach § 2 Abs. 5 FreizügG/EU freizügigkeitsberechtigt ist. Eine Verlustfeststellung nach § 6 Abs. 1 FreizügG/EU setzt den Bestand des Rechts auf Einreise und Aufenthalt voraus. Ist dagegen fraglich, ob der betreffende Unionsbürger freizügigkeitsberechtigt i. S. des § 2 FreizügG/EU ist, ist diese Feststellung im Verfahren nach § 5 Abs. 5 FreizügG/EU zu treffen (Alexy in Hoffmann/Hoffmann, AuslR, FreizügG/EU, § 6 Rn. 8). Eine Freizügigkeitsberechtigung des Klägers nach § 2 Abs. 2 FreizügG/EU besteht offensichtlich nicht. Insbesondere hat der Kläger kein Daueraufenthaltsrecht nach § 4a FreizügG/EU erworben (hierzu siehe 2.a.). Jedoch stellt auch das nur an den Besitz eines gültigen Ausweises oder Passes gebundene Freizügigkeitsrecht nach § 2 Abs. 5 FreizügG/EU ein Recht auf Einreise und Aufenthalt i. S. des § 2 Abs. 1 FreizügG/EU dar, dessen Verlust aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gemäß § 6 Abs. 1 FreizügG/EU festgestellt werden kann. Die Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG (RL 2004/38/EU) definiert als Aufenthaltsrecht des Unionsbürgers sowohl das Recht auf Aufenthalt bis zu drei Monaten (Art. 6 RL 2004/38/EG) als auch das Recht auf Aufenthalt für mehr als drei Monate (Art. 7 RL 2004/38/EG). Die Regelungen über die Verlustfeststellung finden daher auch auf Unionsbürger Anwendung, die lediglich unter Art. 6 RL 2008/38/EU, dessen Umsetzung durch § 2 Abs. 5 FreizügG/EU erfolgt ist, fallen (Dienelt in Renner/Bergmann/Dienelt, AuslR, FreizügG/EU, § 2 Rn. 109; Epe in Gemeinschaftskommentar zum AufenthG, FreizügG/EU, § 2 Rn. 143). Unschädlich ist insoweit, dass sich der Kläger derzeit im Strafvollzug befindet und daher sein Recht auf Aufenthalt als Unionsbürger erst nach seiner Haftentlassung Bedeutung erlangt. Andernfalls müsste die Ausländerbehörde zunächst abwarten, ob der Kläger nach der Haftentlassung von seinem Recht nach § 2 Abs. 5 FreizügG/EU Gebrauch machen will, bevor sie die Verlustfeststellung nach § 6 Abs. 1 FreizügG/EU aussprechen könnte.

c. Jede „Ausweisungsverfügung“ gegenüber einem Unionsbürger setzt voraus, dass das persönliche Verhalten des Betroffenen eine tatsächliche und gegenwärtige Gefahr darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft oder des Aufnahmemitgliedstaats berührt, wobei diese Feststellung im Allgemeinen bedeutet, dass eine Neigung des Betroffenen bestehen muss, das Verhalten in Zukunft beizubehalten (EuGH, U. v. 22.5.2012 - C-348/09 - juris Ls. 2; s. § 6 Abs. 2 FreizügG/EU). Die Umstände, die den vom Kläger seit seiner Wiedereinreise in das Bundesgebiet im Jahr 2002 begangenen Straftaten zugrunde liegen, rechtfertigen eine Verlustfeststellung nach § 6 Abs. 1 FreizügG/EU. Der Verurteilung vom 22. November 2004 zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten lagen zahlreiche Straftaten zugrunde. Neben den Straftaten gegen Sachwerte stellen insbesondere die Körperverletzung mit einem Baseballschläger sowie die Bedrohung von zwei Personen, „ihnen beim nächsten Mal die Köpfe einzuhauen“, eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung dar, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Dasselbe gilt für die der Verurteilung vom 13. Juni 2012 zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und zehn Monaten zugrunde liegenden Betäubungsmittelstraftaten. Hierbei fällt insbesondere ins Gewicht, dass der Kläger aus der Justizvollzugsanstalt heraus einen Handel mit Betäubungsmitteln begonnen hat. Gefahren, die vom illegalen Handel mit Betäubungsmitteln ausgehen, sind schwerwiegend und berühren ein Grundinteresse der Gesellschaft. Die betroffenen Schutzgüter des Lebens und der Gesundheit nehmen in der Hierarchie der in den Grundrechten enthaltenen Wertordnung einen hohen Rang ein (EuGH, U. v. 23.11.2010 - Tsakouridis, C-145/09 - juris; BVerwG, U. v. 13.12.2012 - 1 C 20.11 -juris Rn. 19).

Ebenso besteht die Gefahr, dass der Kläger sein strafbares Verhalten wiederholt. Vom Bestehen einer Wiederholungsgefahr ist auch dann auszugehen, wenn der Kläger, wie er vorbringt, nicht drogenabhängig wäre. Die inmitten stehende Frage der Wiederholungsgefahr nach strafrechtlichen Verurteilungen kann grundsätzlich von den Gerichten regelmäßig ohne Hinzuziehung eines Sachverständigen beurteilt werden, denn die Gerichte bewegen sich mit einer entsprechenden tatsächlichen Würdigung regelmäßig in Lebens- und Erkenntnisbereichen, die den Richtern allgemein zugänglich sind (BayVGH, B.v. 10.12.2014 - 19 ZB 13.2013 - juris Rn. 13 m. w. N.). Der Kläger ist seit seinem 16. Lebensjahr kontinuierlich strafrechtlich in Erscheinung getreten. Dies führte letztlich zu seiner Ausweisung mit Bescheid vom 21. Mai 2001. Auch nach seiner illegalen Wiedereinreise beging der Kläger fortwährend gravierende Straftaten, die zur Verurteilung vom 22. November 2004 führten, und setzte seine kriminelle Karriere auch in der Justizvollzugsanstalt fort. Der im Strafverfahren, das zur Verurteilung vom 22. November 2004 führte, eingeschaltete Sachverständige wies bereits darauf hin, dass neben dem Hang zu übermäßigem Rauschmittelkonsum die Gefahr der erneuten Begehung erheblicher rechtswidriger Taten auch deshalb bestehe, weil beim Kläger eine dissoziale Fehlentwicklung vorhanden sei. Es kommt für die Annahme einer derzeit noch bestehenden Wiederholungsgefahr folglich nicht mehr darauf an, in welchem Umfang der Kläger derzeit Drogen zu sich nimmt oder ob er (noch) drogensüchtig ist. Umstände, die darauf schließen ließen, dass der Kläger, auch wenn er nicht drogensüchtig sein sollte, nach seiner Haftentlassung keine weiteren schwerwiegenden Straftaten, die gegen das Leben und die Gesundheit anderer Personen sowie gegen erhebliche Sachwerte gerichtet sind, mehr begehen werde, wurden vom Kläger nicht vorgetragen und liegen aufgrund der kontinuierlichen Begehung von Straftaten - auch in der JVA - nicht auf der Hand.

2. Das Verwaltungsgericht ist auch zu Recht davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen, unter denen eine Verlustfeststellung nach Erwerb des Daueraufenthaltsrechts nur aus schwerwiegenden Gründen (§ 6 Abs. 4 FreizügG) (a.) oder nur aus zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit (§ 6 Abs. 5 FreizügG) (b.) getroffen werden kann, in der Person des Klägers nicht vorliegen.

a. Ein Daueraufenthaltsrecht nach § 4a Abs. 1 FreizügG/EG bzw. nach Art. 16 Abs. 1 RL 2004/38/EG setzt einen rechtmäßigen Aufenthalt von fünf Jahren im Bundesgebiet voraus. Inzwischen ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung geklärt, dass unter dem Begriff des „rechtmäßigen Aufenthalts“ in Art. 16 Abs. 1 Satz 1 RL 2004/38/EG, der durch § 4a FreizügG/EU in nationales Recht umgesetzt wurde, nur ein Aufenthalt zu verstehen ist, der im Einklang mit den in der RL 2004/38/EG vorgesehenen, insbesondere mit den in Art. 7 Richtlinie 2004/38/EG aufgeführten Voraussetzungen steht. Der Betroffene muss also während einer Aufenthaltszeit von mindestens fünf Jahren ununterbrochen die Freizügigkeitsvoraussetzungen des Art. 7 Abs. 1 RL 2004/38/EG erfüllt haben. Die Zeitspanne, in der zur Begründung eines Daueraufenthaltsrechts fünf Jahre lang ununterbrochen die Voraussetzungen des Art. 7 Abs. 1 RL 2004/38/EG vorgelegen haben müssen, braucht aber nicht der Zeitraum unmittelbar vor der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz zu sein (BVerwG, U. v. 31.5.2012 - 10 C 8.12 - juris Rn. 16 und 21; EuGH, U. v. 21.12.2011 - Ziolkowski, C-424/10 - juris Rn. 46). Insoweit ist eine hypothetische Prüfung vorzunehmen, ob auch die vor dem Beitritt liegenden Aufenthaltszeiten in Einklang mit den Voraussetzungen des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts gemäß Art. 7 Abs. 1 RL 2004/38/EG zurückgelegt worden sind. Bei dieser Prüfung ist das Verwaltungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass Zeiträume, in denen der Unionsbürger im Aufnahmemitgliedstaat eine Freiheitsstrafe verbüßt (hat), nicht für die Zwecke des Erwerbs des Daueraufenthaltsrechts berücksichtigt werden können, weil der Unionsgesetzgeber die Erlangung eines Daueraufenthaltsrechts nach Art. 16 Abs. 1 RL 2004/38/EU von der Integration des Unionsbürgers in den Aufnahmemitgliedstaat abhängig macht, diese Integration nicht nur auf territorialen und zeitlichen Faktoren, sondern auch auf qualitativen Elementen im Zusammenhang mit dem Grad der Integration im Aufnahmemitgliedstaat beruht, und die Verhängung einer Freiheitsstrafe ohne Bewährung durch ein nationales Gericht dazu angetan ist, deutlich zu machen, dass der Betroffene die von der Gesellschaft des Aufnahmemitgliedstaates in dessen Strafrecht zum Ausdruck gebrachten Werte nicht beachtet, so dass die Berücksichtigung von Zeiträumen der Verbüßung einer Freiheitsstrafe für die Zwecke des Erwerbs eines Daueraufenthaltsrechts dem mit der Einführung dieses Aufenthaltsrechts verfolgten Ziel eindeutig zuwider laufen würde (vgl. EuGH, U. v. 16.1.2014 - Onuokwere, C-378/12 - juris Rn. 25 und 26). Gemessen an diesen Kriterien erfüllen die Aufenthaltszeiten des Klägers im Bundesgebiet nicht die Kriterien eines rechtmäßigen Aufenthalts i. S. von Art. 16 Abs. 1 RL 2004/38/EU. Der Kläger reiste am 27. Februar 1996 im Alter von 15 Jahren nach Deutschland ein und erhielt am 9. September 1996 eine Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug zu seiner hier lebenden Mutter, die zuletzt bis 6. September 2000 verlängert worden war. Vom 25. September 2000 bis 15. November 2000 befand sich der Kläger in Untersuchungshaft, ab dem 15. November verbüßte er seine Jugendstrafe. Die Abschiebung nach Kroatien erfolgte am 18. September 2001. Somit lag spätestens ab dem 15. November 2000 kein rechtmäßiger Aufenthalt des Klägers mehr vor. Nach der illegalen Wiedereinreise in das Bundesgebiet erfüllte der Kläger nicht die Kriterien eines rechtmäßigen Aufenthalts nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. a oder Art. 7 Abs. 1 Buchst. d RL 2004/38/EU, ab dem 19. August 2003 befand sich der Kläger ohne Unterbrechung in Haft.

b. Der Kläger kann sich auch nicht auf § 6 Abs. 5 FreizügG/EU berufen, wonach eine Feststellung des Verlusts des Rechts auf Einreise und Aufenthalt nur aus zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit getroffen werden kann, wenn der Unionsbürger in den letzten zehn Jahren seinen Aufenthalt im Bundesgebiet hatte. Anders als für den Erwerb des Daueraufenthaltsrechts nach § 4a FreizügG/EU i.V. mit Art. 16 RL 2004/38/EU ist für den Erwerb des erhöhten Schutzniveaus des § 6 Abs. 5 FreizügG/EU nach dem Wortlaut der genannten Bestimmungen ein rechtmäßiger Aufenthalt nicht erforderlich. Ob aber wegen des Systems aufeinander aufbauender und sich verfestigender Aufenthaltsrechte für Unionsbürger (Art. 6, Art. 7 und Art. 16 RL 2004/38/EU, vgl. BayVGH, U. v. 21.12.2011 - 10 B 11.182 - juris Rn. 37 ff.) ein zehnjähriger rechtmäßiger Aufenthalt oder zumindest der Erwerb eines Daueraufenthaltsrechts nach § 4a FreizügG/EU erforderlich ist, damit der Unionsbürger den erhöhten Ausweisungsschutz des § 6 Abs. 5 FreizügG/EU für sich in Anspruch nehmen kann, ist in der Rechtsprechung und Kommentarliteratur nicht abschließend geklärt (vgl. Kurzidem in Beck’scher Online-Kommentar, AuslR, Stand 1.1.2015, FreizügG/EU, § 6 Rn. 23). Der Senat hat insoweit die Rechtsauffassung vertreten, dass die Vorschrift des § 6 Abs. 5 FreizügG/EU nur dann einschlägig ist, wenn der betreffende Ausländer zuvor zumindest ein Daueraufenthaltsrecht nach § 4a FreizügG/EU bzw. Art. 16 RL 2004/38/EU erworben hat (BayVGH, U. v. 21.12.2011 - 10 B 11.182 - juris Rn. 31 ff.; Dienelt in Renner/Bergmann/Dienelt, 2013, FreizügG/EU § 6 Rn. 55). Auch wenn diese Rechtsfrage noch nicht abschließend höchstrichterlich geklärt ist, ergeben sich daraus keine hinreichenden Erfolgsaussichten für die Klage des Klägers auf Aufhebung der Feststellung des Verlusts auf Einreise und Aufenthalt im Bescheid der Beklagten vom 22. Juli 2013. Ausgehend von der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (U. v. 16.1.2014 - M. G., C-400/12 - juris Ls. 1 und 2), wonach der Aufenthaltszeitraum von zehn Jahren i. S. des Art. 28 Abs. 3 Buchst. a RL 2004/38/EG, der durch die Bestimmung des § 6 Abs. 5 FreizügG/EU umgesetzt wurde, ununterbrochen gewesen sein muss, vom Zeitpunkt der Verfügung der Ausweisung des Betroffenen an zurückzurechnen ist und der Zeitraum der Verbüßung einer Freiheitsstrafe durch den Betroffenen grundsätzlich geeignet ist, die Kontinuität des Aufenthalts im Sinne dieser Bestimmung zu unterbrechen, liegt im Falle des Klägers kein zehnjähriger Aufenthalt i. S. des Art. 28 Abs. 3 Buchst. a RL 2004/38/EU vor. Die wesentliche Grundlage für den Schutz vor Ausweisungsmaßnahmen in Art. 28 RL 2004/38/EU ist der Grad der Integration des Betroffenen. Deshalb finden die Zeiträume der Verbüßung einer Freiheitsstrafe auch bei der Auslegung des Art. 28 Abs. 3 Buchst. a RL 2004/38/EU Berücksichtigung und unterbrechen die Kontinuität des Aufenthalts i. S. des Art. 28 Abs. 3 Buchst. a RL 2004/38/EU. Die letzten zehn Jahre vor Erlass des Bescheides vom 22. Juli 2013, mit dem der Verlust des Rechts auf Einreise und Aufenthalt festgestellt wurde, befand sich der Kläger ununterbrochen in Haft. Auch wenn nach Auffassung des Gerichtshofs der Europäischen Union allein die Diskontinuität des Aufenthalts in den letzten zehn Jahren vor der Ausweisung den Betroffenen nicht in jedem Fall daran hindert, in den Genuss des verstärkten Schutzes des Art. 28 Abs. 3 Buchst. a RL 2004/38/EU zu kommen, und die nationalen Behörden auch weitere Anhaltspunkte bei der gebotenen umfassenden Beurteilung zu berücksichtigen haben, um festzustellen, ob die zuvor mit dem Aufnahmemitgliedstaat geknüpften Integrationsverbindungen abgerissen sind (vgl. EuGH, a. a. O., Rn. 36), ändert sich für den Kläger insoweit nichts. Bereits vor seiner Inhaftierung im August 2003 waren die ursprünglich mit seiner Geburt in der Bundesrepublik und dem teilweisen Aufenthalt in der Bundesrepublik während seiner Kindheit entstandenen Verbindungen durch die Verbüßung seiner Jugendstrafe, die Ausweisung und Abschiebung abgerissen.

Hat sich der Kläger in den letzten zehn Jahren vor der Verlustfeststellung nicht kontinuierlich im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 16. Januar 2014 im Bundesgebiet aufgehalten, kommt es folglich nicht mehr entscheidungserheblich darauf an, ob das den strafrechtlichen Verurteilungen zugrunde liegende Verhalten des Klägers einen zwingenden Grund der öffentlichen Sicherheit im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 23. November 2010 (C-145/09 - juris) und 22. Mai 2012 (C-348/09 - juris) darstellt.

3. Das Verwaltungsgericht hat auch zutreffend festgestellt, dass die Beklagte bei der Verlustfeststellung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU die in § 6 Abs. 3 FreizügG/EU genannten Belange des Klägers berücksichtigt und zutreffend gewichtet hat. Insbesondere erweist sich die Feststellung des Verlustes des Rechts auf Einreise und Aufenthalt als notwendig i. S. von Art. 8 Abs. 2 EMRK. Der Kläger ist kein faktischer Inländer, weil er sich bis zu seinem 16. Lebensjahr teilweise in seinem Heimatland aufgehalten, dort die Schule besucht und einen Schulabschluss erreicht hat. Nach seiner Wiedereinreise ins Bundesgebiet konnte er beruflich nicht Fuß fassen und wurde kontinuierlich straffällig. Auf die familiären Bindungen zu seiner Mutter, seinem Stiefvater und seinen Stiefgeschwistern kommt es aufgrund des Alters des Klägers nicht entscheidungserheblich an. Der über zehnjährige Aufenthalt in der JVA ist nicht geeignet, eine Integrationsleistung des Klägers, die über die rein zeitliche Anwesenheit hinausgeht, zu belegen. Demgegenüber stellen sich die Schwierigkeiten, die dem Kläger bei einer Rückkehr nach Kroatien begegnen werden, nicht als unüberwindbar dar.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, weil nach Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) eine Festgebühr anfällt.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Tatbestand

1

Der Kläger, ein polnischer Staatsangehöriger, begehrt die Ausstellung einer Bescheinigung über das Bestehen eines Daueraufenthaltsrechts nach § 5 Abs. 6 Satz 1 FreizügG/EU.

2

Der 1977 geborene Kläger reiste im September 1989 mit seiner Mutter und seinem Bruder nach Berlin (West) ein. Nach einem erfolglosen Asylverfahren erhielt er ab Juli 1991 bis April 2006 Aufenthaltstitel aus humanitären Gründen. Nachdem er die Hauptschule abgeschlossen hatte, erteilte ihm das Arbeitsamt im Mai 1994 eine unbefristete und unbeschränkte Arbeitsgenehmigung. Der Kläger brach 1996 eine Lehre als Elektroinstallateur ab. Sein 2004 unternommener Versuch, ein Reinigungsunternehmen zu eröffnen, blieb ohne Erfolg. Der Kläger bezieht seit seiner Einreise immer wieder Sozialleistungen.

3

Im Juli 2005 beantragte der Kläger die Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen bzw. die Ausstellung einer Bescheinigung über sein gemeinschaftsrechtliches Aufenthaltsrecht. Im Oktober 2005 erteilte ihm das beklagte Land letztmalig eine bis April 2006 gültige Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen. Gleichzeitig wies es darauf hin, die Aufenthaltserlaubnis nicht über diesen Zeitpunkt hinaus verlängern zu wollen, wenn der Kläger weiterhin auf die Inanspruchnahme öffentlicher Mittel angewiesen sei.

4

Mit Bescheid vom 22. März 2006 lehnte der Beklagte die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis ab, da der Lebensunterhalt des Klägers nach wie vor nicht gesichert sei. Die Voraussetzungen für Aufenthaltsansprüche nach dem Freizügigkeitsgesetz/EU erfülle er nicht, da er weder Arbeitnehmer sei noch einen gesicherten Lebensunterhalt ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel nachweisen könne. Bis auf den gescheiterten Versuch selbstständiger Tätigkeit seien keine Arbeitsbemühungen nachgewiesen worden. Dem Kläger wurde die Abschiebung nach Polen für den Fall nicht fristgerechter Ausreise binnen 15 Tagen nach Unanfechtbarkeit des Bescheids angedroht. Über den hiergegen eingelegten Widerspruch hat der Beklagte nicht entschieden.

5

Das Verwaltungsgericht gab der Klage, die auf Ausstellung einer Bescheinigung über das Bestehen eines unbefristeten Daueraufenthaltsrechts gerichtet war, im Februar 2007 statt. Dabei ging es davon aus, dass Art. 16 der Richtlinie 2004/38/EG jedem Unionsbürger, der sich fünf Jahre rechtmäßig im Aufnahmemitgliedstaat aufgehalten habe, ein Daueraufenthaltsrecht gewähre, ohne dass es darauf ankomme, ob er über ausreichende Existenzmittel verfüge.

6

Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg mit Urteil vom 28. April 2009 den erstinstanzlichen Gerichtsbescheid geändert und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger erfülle nicht die Anforderungen für das Bestehen eines Daueraufenthaltsrechts nach § 4a FreizügG/EU. Er halte sich zwar seit mehr als fünf Jahren im Bundesgebiet auf. Rechtmäßig im Sinne dieser Vorschrift sei aber nur ein Aufenthalt, der nach § 2 Abs. 2 FreizügG/EU auf einem Freizügigkeitsrecht beruhe. Berücksichtigungsfähig seien zudem nur Zeiten, in denen der Herkunftsstaat Mitglied der Europäischen Union gewesen sei. Nach dem Beitritt der Republik Polen zur Europäischen Union am 1. Mai 2004 sei der Kläger nicht freizügigkeitsberechtigt gewesen, da er als nichterwerbstätiger Unionsbürger nicht über ausreichende Existenzmittel verfügt habe (§ 2 Abs. 2 Nr. 5 i.V.m. § 4 FreizügG/EU). Anders als bei Arbeitnehmern und selbstständig Erwerbstätigen seien in diesem Fall Zeiten des Sozialleistungsbezugs nicht als Zeiten rechtmäßigen Aufenthalts zu berücksichtigen. Dies stehe im Einklang mit Art. 16 der Richtlinie 2004/38/EG. Danach müsse ein Unionsbürger für ein Daueraufenthaltsrecht fünf Jahre die Voraussetzungen des Art. 7 der Richtlinie 2004/38/EG erfüllen. Bei Nichterwerbstätigen verlange auch Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2004/38/EG, dass sie über ausreichende Existenzmittel verfügten, so dass sie während ihres Aufenthalts keine Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats in Anspruch nehmen müssten.

7

Der Kläger erstrebt mit seiner Revision die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung. Er ist der Auffassung, für den Erwerb des Rechts auf Daueraufenthalt genüge ein nach dem Recht des Aufnahmemitgliedstaats rechtmäßiger Aufenthalt von fünf Jahren.

8

Der Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung.

9

Der Vertreter des Bundesinteresses hat sich am Verfahren beteiligt. Er hält die Revision ebenfalls für unbegründet, ist aber der Auffassung, dass § 4a FreizügG/EU nur verlangt, dass der Aufenthalt jedenfalls zuletzt nach Freizügigkeitsrecht rechtmäßig war. Insofern gehe die Vorschrift über die Richtlinie 2004/38/EG hinaus.

10

Mit Beschluss vom 13. Juli 2010 - BVerwG 1 C 14.09 - hat der seinerzeit zuständige 1. Senat das Verfahren ausgesetzt und eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) zur Klärung der Voraussetzungen für den Erwerb eines Rechts auf Daueraufenthalt nach Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG eingeholt. Der EuGH hat die Vorlagefragen mit Urteil vom 21. Dezember 2011 - Rs. C-424/10 u.a. - beantwortet.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 101 Abs. 2 i.V.m. § 141 Satz 1 und § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO), ist zulässig und begründet. Das Berufungsgericht hat die Klage mit einer Begründung abgewiesen, die Bundesrecht verletzt (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Denn es ist davon ausgegangen, dass sich ein Daueraufenthaltsrecht nur aus Aufenthaltszeiten des Klägers im Bundesgebiet nach dem Beitritt Polens zur Europäischen Union ergeben kann. Nach der zwischenzeitlichen Klärung durch den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) können aber auch Aufenthaltszeiten eines Drittstaatsangehörigen vor dem Beitritt seines Herkunftslands zur Europäischen Union ein Recht auf Daueraufenthalt begründen. Da das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - keine tatsächlichen Feststellungen zum Aufenthalt des Klägers im Bundesgebiet vor dem Beitritt Polens zur Europäischen Union am 1. Mai 2004 getroffen hat, kann der Senat in der Sache nicht selbst abschließend entscheiden. Der Rechtsstreit ist daher zur weiteren Aufklärung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

12

1. Gegenstand des Verfahrens ist nur das Begehren des Klägers auf Ausstellung einer Bescheinigung über das Bestehen eines Daueraufenthaltsrechts nach § 5 Abs. 6 Satz 1 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (Freizügigkeitsgesetz/EU - FreizügG/EU). Dieses Begehren zielt auf ein schlicht hoheitliches Verwaltungshandeln, das mit der allgemeinen Leistungsklage zu verfolgen ist. Die Ablehnung des Beklagten, die humanitäre Aufenthaltserlaubnis des Klägers zu verlängern, sowie die Abschiebungsandrohung sind nicht Gegenstand dieses Verfahrens geworden.

13

2. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist bei Verpflichtungsklagen, die auf Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels gerichtet sind, grundsätzlich auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung in der Tatsacheninstanz abzustellen (stRspr, vgl. Urteile vom 16. Juni 2004 - BVerwG 1 C 20.03 - BVerwGE 121, 86 <88> m.w.N. und vom 7. April 2009 - BVerwG 1 C 17.08 - BVerwGE 133, 329 Rn. 37 ff.). Nichts anderes gilt, wenn im Wege der allgemeinen Leistungsklage die Ausstellung einer Bescheinigung über das Bestehen eines unionsrechtlichen Daueraufenthaltsrechts begehrt wird. Rechtsänderungen während des Revisionsverfahrens - hier etwa das Inkrafttreten des Reformvertrags von Lissabon zum 1. Dezember 2009 - sind allerdings zu beachten, da das Berufungsgericht - entschiede es anstelle des Bundesverwaltungsgerichts - sie zu berücksichtigen hätte (stRspr, vgl. Urteil vom 1. November 2005 - BVerwG 1 C 21.04 - BVerwGE 124, 276 <279 f.>).

14

3. Das Berufungsurteil verstößt insoweit gegen Bundesrecht, als das Oberverwaltungsgericht davon ausgegangen ist, dass sich ein Daueraufenthaltsrecht des Klägers nur aus Aufenthaltszeiten im Bundesgebiet nach dem Beitritt Polens zur Europäischen Union am 1. Mai 2004 ergeben kann. Nach § 5 Abs. 6 Satz 1 FreizügG/EU wird Unionsbürgern auf Antrag unverzüglich ihr Daueraufenthalt bescheinigt. Nach der hier allein in Betracht kommenden Grundnorm des § 4a Abs. 1 FreizügG/EU haben Unionsbürger, ihre Familienangehörigen und Lebenspartner, die sich seit fünf Jahren ständig rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten haben, unabhängig vom weiteren Vorliegen der Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 FreizügG/EU das Recht auf Einreise und Aufenthalt (Daueraufenthaltsrecht). In § 2 Abs. 2 FreizügG/EU sind die nach Unionsrecht freizügigkeitsberechtigten Personengruppen aufgezählt. Der Formulierung in § 4a FreizügG/EU "unabhängig vom weiteren Vorliegen der Voraussetzungen des § 2 Abs. 2" ist zu entnehmen, dass nicht jeder nach nationalem Recht rechtmäßige Aufenthalt ausreicht, sondern das Entstehen des Daueraufenthaltsrechts an das Vorliegen der Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 FreizügG/EU anknüpft und nur ein einmal entstandenes Daueraufenthaltsrecht durch einen späteren Wegfall dieser Voraussetzungen nicht mehr berührt wird (vgl. Vorlagebeschluss vom 13. Juli 2010 - BVerwG 1 C 14.09 - Buchholz 451.902 Europ. Ausl.- u. Asylrecht Nr. 41 Rn. 14).

15

Mit dem durch das Richtlinienumsetzungsgesetz 2007 eingefügten § 4a FreizügG/EU hat der Gesetzgeber das schon zuvor auf nationaler Ebene bestehende - und über das bisherige Unionsrecht hinausgehende - Daueraufenthaltsrecht für freizügigkeitsberechtigte Personen und die unionsrechtlichen Vorgaben aus Art. 16 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 - sog. Unionsbürgerrichtlinie - zusammengefasst (BTDrucks 16/5065 S. 210). Nach Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG hat jeder Unionsbürger, der sich rechtmäßig fünf Jahre lang ununterbrochen im Aufnahmemitgliedstaat aufgehalten hat, das Recht, sich dort auf Dauer aufzuhalten. Dieses Recht ist nicht an die Voraussetzungen des Kapitel III der Richtlinie 2004/38/EG geknüpft.

16

Zur Auslegung dieser Bestimmung hat der EuGH in seinem Urteil vom 21. Dezember 2011 - Rs. C-424/10 u.a., Ziolkowski u.a. - (NVwZ-RR 2012, 121) darauf hingewiesen, dass ein Unionsbürger, der im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats eine Aufenthaltszeit von über fünf Jahren nur aufgrund des nationalen Rechts dieses Staates zurückgelegt hat, nicht so betrachtet werden kann, als habe er das Recht auf Daueraufenthalt nach Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG erworben, wenn er während dieser Aufenthaltszeit die Voraussetzungen des Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG nicht erfüllt hat (LS 1 und Rn. 51). Zur Begründung hat der Gerichtshof darauf abgestellt, dass es sich bei dem Begriff des "rechtmäßigen Aufenthalts" in Art. 16 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2004/38/EG um einen autonomen Begriff des Unionsrechts handelt, der in allen Mitgliedstaaten einheitlich auszulegen ist (Rn. 33). Rechtmäßig im Sinne des Unionsrechts ist daher nur ein Aufenthalt, der im Einklang mit den in der Richtlinie 2004/38/EG vorgesehenen, insbesondere mit den in Art. 7 der Richtlinie 2004/38/EG aufgeführten Voraussetzungen steht (Rn. 46). Hergeleitet hat der Gerichtshof diese Auslegung zum einen aus dem Ziel der Richtlinie, die bereichsspezifischen und fragmentarischen Ansätze des Freizügigkeits- und Aufenthaltsrechts zu überwinden und in einer Kodifikation zusammenzufassen (Rn. 35 ff.). Zum anderen hat er darauf abgestellt, dass sich aus der Systematik der Richtlinie ein gestuftes System von Aufenthaltsrechten ergibt, das im Recht auf Daueraufenthalt mündet (Rn. 38 ff.). Damit richtet sich die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts auch in Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG nicht nach dem im jeweiligen Aufnahmemitgliedstaat geltenden - möglicherweise günstigeren - nationalen Recht. Vielmehr setzt das Entstehen eines Rechts auf Daueraufenthalt unionsrechtlich voraus, dass der Betroffene während einer Aufenthaltszeit von mindestens fünf Jahren ununterbrochen die Freizügigkeitsvoraussetzungen des Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG erfüllt hat.

17

Nach der zwischenzeitlichen Klärung durch den EuGH kann sich ein Recht auf Daueraufenthalt allerdings auch aus Aufenthaltszeiten eines Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat ergeben, bevor der Drittstaat der Europäischen Union beigetreten ist. Diese Aufenthaltszeiten sind in Ermangelung spezifischer Bestimmungen in den Beitrittsakten für die Zwecke des Erwerbs des Rechts auf Daueraufenthalt gemäß Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG aber nur berücksichtigungsfähig, sofern der Betroffene nachweisen kann, dass sie im Einklang mit den Voraussetzungen des Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG zurückgelegt wurden (EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 a.a.O. LS 2 und Rn. 62 f.). Diese Vorwirkung der Richtlinie gilt bei der gebotenen unionskonformen Auslegung auch für die nationale Regelung in § 4a FreizügG/EU, die die unionsrechtlichen Vorgaben des Art. 16 der Richtlinie 2004/38/EG umsetzt.

18

4. Der Senat kann weder in positiver noch in negativer Hinsicht abschließend in der Sache selbst entscheiden. Da nach dem Urteil des EuGH vom 21. Dezember 2011 (a.a.O.) auch Aufenthaltszeiten eines Drittstaatsangehörigen vor dem Beitritt seines Herkunftsstaats zur Europäischen Union für ein Daueraufenthaltsrecht zu berücksichtigen sind, wenn sie im Einklang mit den Voraussetzungen des Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG zurückgelegt wurden, das Berufungsgericht zum Aufenthalt des Klägers vor dem Beitritt Polens am 1. Mai 2004 aber keine tatsächlichen Feststellungen getroffen hat, ist der Rechtsstreit zur weiteren Sachaufklärung an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

19

5. In dem erneuten Berufungsverfahren wird das Oberverwaltungsgericht zu prüfen haben, ob der Kläger über einen ununterbrochenen Zeitraum von fünf Jahren die Voraussetzungen des Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG erfüllt hat und sein Aufenthalt deshalb für die Prüfung des Erwerbs eines Rechts auf Daueraufenthalt dem Aufenthalt eines freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgers gleichzustellen ist.

20

Die für diese Prüfung maßgebliche Frage, ob es für das Entstehen des Daueraufenthaltsrechts nach § 4a Abs. 1 FreizügG/EU erforderlich ist, dass der Betroffene während des gesamten Zeitraums von fünf Jahren freizügigkeitsberechtigt war, oder ob es - wie vom Vertreter des Bundesinteresses vorgetragen - ausreicht, wenn der Aufenthalt fünf Jahre lang erlaubt war und jedenfalls zuletzt auf einem Freizügigkeitsrecht beruhte (so auch Nr. 4a.1 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Freizügigkeitsgesetz/EU vom 26. Oktober 2009 - VwV-FreizügG/EU - GMBl S. 1270), hat der 1. Senat im Vorlagebeschluss vom 13. Juli 2010 - BVerwG 1 C 14.09 - (Buchholz 451.902 Europ. Ausl.- u. Asylrecht Nr. 41 Rn. 15) offengelassen. Der erkennende Senat entscheidet sie zugunsten der vom Berufungsgericht vertretenen Auffassung, dass sich der Betroffene während des gesamten Zeitraums von fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten haben muss und über den gesamten Zeitraum freizügigkeitsberechtigt war. Für eine insoweit - gemäß Art. 37 der Richtlinie 2004/38/EG zulässige - überschießende Umsetzung im Freizügigkeitsgesetz/EU sind weder dem Gesetzeswortlaut noch den Gesetzesmaterialien Anhaltspunkte zu entnehmen. Der Gesetzgeber wollte das zuvor in § 2 Abs. 5 FreizügG/EU nicht unionsrechtlich vorgezeichnete, sondern aufgrund nationaler Regelungen ausgeformte Daueraufenthaltsrecht für freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger (vgl. dazu BTDrucks 15/420 S. 102 f.) mit den durch die Unionsbürgerrichtlinie eingeführten neuen Vorgaben in § 4a FreizügG/EU zusammenfassen (BTDrucks 16/5065 S. 210). Systematisch spricht entscheidend für einen engen, auch auf die Freizügigkeitsvoraussetzungen abstellenden Begriff des rechtmäßigen Aufenthalts in § 2 Abs. 5 FreizügG/EU a.F. und § 4a FreizügG/EU, dass der Gesetzgeber in der Anrechnungsregelung des § 11 Abs. 3 FreizügG/EU "Zeiten des rechtmäßigen Aufenthalt nach diesem Gesetz" den Zeiten eines (titelabhängigen) rechtmäßigen Aufenthalts nach dem Aufenthaltsgesetz gegenüber gestellt hat (BTDrucks 15/420 S. 106). Dass es im Kontext des Freizügigkeitsgesetzes/EU für die Annahme eines rechtmäßigen Aufenthalts der Freizügigkeitsberechtigung bedarf, entspricht auch der auf eine zunehmende Integration infolge eines gesicherten Aufenthalts abstellenden Begründung des Gesetzentwurfs (BTDrucks 15/420 S. 103) sowie dem Sinn und Zweck der Regelung, der durch den freizügigkeitsgestützten Voraufenthalt erhöhten Integration durch ein Daueraufenthaltsrecht Rechnung zu tragen.

21

Die Zeitspanne, in der zur Begründung eines Daueraufenthaltsrechts fünf Jahre lang ununterbrochen die Voraussetzungen des Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG vorgelegen haben müssen, braucht indes nicht der Zeitraum unmittelbar vor der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz zu sein (a.A. VGH Mannheim, Beschluss vom 14. März 2006 - 13 S 220/06, AuAS 2006, 218 zu § 2 Abs. 5 FreizügG/EU). Der Senat entnimmt der Entscheidung des Gerichtshofs im Urteil vom 7. Oktober 2010 - Rs. C-162/09, Lassal - (NVwZ 2011, 32 Rn. 33 - 39), dass der ununterbrochene Fünfjahreszeitraum nicht bis zuletzt angedauert haben muss, sondern auch weiter zurück in der Vergangenheit liegen kann.

22

Im vorliegenden Fall bestimmen sich die Voraussetzungen der Freizügigkeitsberechtigung auch für Aufenthaltszeiten, die vor dem Beitritt Polens am 1. Mai 2004 liegen, nach Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG. Im Unterschied zu der Fallgestaltung einer Unionsbürgerin der ersten Stunde, die dem Urteil vom 7. Oktober 2010 (a.a.O. Rn. 40) zugrunde lag, hat der Gerichtshof für die hier vorliegende Fallkonstellation eines ehemaligen Drittstaaters, dessen Herkunftsland mittlerweile der Union beigetreten ist, im Urteil vom 21. Dezember 2011 (a.a.O. Rn. 61 f.) die in Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG enthaltenen Voraussetzungen als maßgeblich für den Erwerb des Daueraufenthaltsrechts erachtet.

23

Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben wird das Berufungsgericht insbesondere der Frage nachzugehen haben, ob der Kläger die Stellung eines Arbeitnehmers im Sinne des Art. 7 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2004/38/EG erworben und die Erwerbstätigeneigenschaft über fünf Jahre behalten hat. Dafür könnte sprechen, dass er nach Aktenlage im Jahr 1994 eine Lehre zum Elektroinstallateur begonnen hat. Nach der Rechtsprechung des EuGH kann eine in der Berufsausbildung befindliche Person Arbeitnehmer im Sinne des Art. 45 AEUV sein, wenn diese Ausbildung unter den Bedingungen einer tatsächlichen und echten Tätigkeit im Lohn- und Gehaltsverhältnis durchgeführt wird (EuGH, Urteile vom 26. Februar 1992 - Rs. C-3/90, Bernini - Slg. I-1071 Rn. 14 und vom 17. März 2005 - Rs. C-109/04, Kranemann - Slg. I-2421 Rn. 14, 17 f.). Mit Blick auf die Ausgestaltung der dualen Berufsausbildung in Deutschland dürfte nicht daran zu zweifeln sein, dass ein Lehrling den unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff erfüllt.

24

Zwar hat der Kläger nach Aktenlage die Lehre im Jahr 1996 abgebrochen. Das Berufungsgericht wird aber zu prüfen haben, ob er anschließend weiter als Arbeitnehmer tätig gewesen ist, so dass der (ergänzende) Bezug von Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz seine Arbeitnehmereigenschaft nicht ohne Weiteres in Frage stellen würde (vgl. EuGH, Urteil vom 3. Juni 1986 - Rs. C-139/85, Kempf - Slg. 1986, 1741 Rn. 14). Im Übrigen würde dem Kläger die Erwerbstätigeneigenschaft erhalten bleiben, solange er einen der Tatbestände des Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38/EG erfüllt hätte.

25

Sollte das Berufungsgericht zu dem Ergebnis kommen, dass der Kläger die in Art. 7 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2004/38/EG genannten Voraussetzungen nicht über einen ununterbrochenen Zeitraum von fünf Jahren erfüllt hat, würde sich die Frage stellen, ob er als Nichterwerbstätiger über ausreichende Existenzmittel verfügte, so dass er während seines Aufenthalts keine Sozialhilfeleistungen in Anspruch nehmen musste (Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2004/38/EG). Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz sind Sozialhilfeleistungen im Sinne des Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2004/38/EG. Auch für ab dem 1. Januar 2005 bezogene Leistungen der Grundsicherung nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB II) spricht viel dafür, dass es sich jedenfalls bei den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (§§ 19 ff. SGB II) um aufenthaltsrechtlich schädliche Sozialhilfeleistungen im Sinne des Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2004/38/EG handelt. Dafür ist es nicht entscheidend, dass finanzielle Leistungen, die den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern sollen, nicht als Sozialhilfeleistungen im Sinne des Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG angesehen werden können (EuGH, Urteil vom 4. Juni 2009 - Rs. C-22/08 u.a., Vatsouras - Slg. 2009, I-4585 Rn. 45) und ob Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II eine solche Leistung bilden. Der in beiden Bestimmungen der Richtlinie enthaltene Begriff der Sozialhilfe muss nicht zwingend deckungsgleich sein (a.A. offenbar Breidenbach, ZAR 2011, 233 <236>). Denn die aufenthaltsrechtliche Fragestellung, ob ein Unionsbürger über ausreichend eigene Existenzmittel verfügt und keine Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats in Anspruch nehmen muss (Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2004/38/EG), ist nach Sinn und Zweck der Regelung sowie ihrer systematischen Einordnung von der sozialrechtlichen Fragestellung zu unterscheiden, in welchem Umfange ein Aufnahmemitgliedstaat nach dem Gebot der Gleichbehandlung von Unionsbürgern mit Angehörigen des Mitgliedstaats (Art. 24 der Richtlinie 2004/38/EG) oder nach sonstigem Primär- (Art. 18 Abs. 1, Art. 21, 45 Abs. 2 AEUV) oder Sekundärrecht (vgl. z.B. der Verordnung Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit) gehindert ist, Unionsbürger aus anderen Mitgliedstaaten von dem Bezug bestimmter steuerfinanzierter Sozialleistungen auszuschließen.

Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.

Tenor

I.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsantragsverfahrens.

III.

Der Streitwert für das Zulassungsantragsverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der am 25. September 1950 geborene Kläger begehrt die Berufungszulassung, um im Ergebnis die Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 28. Februar 2013 in der Fassung des Ergänzungsbescheides vom 21. Mai 2013 zu erreichen, in dem festgestellt worden ist, dass er sein Recht auf Einreise und Aufenthalt für die Bundesrepublik Deutschland gemäß § 6 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügG/EU) verloren hat (Ziff. I des Bescheides), und er unter Fristsetzung zur Ausreise aufgefordert (Ziff. II des Bescheides), ihm die Abschiebung nach Österreich oder in einen anderen Staat, in den er einreisen darf oder der zu seiner Übernahme verpflichtet ist, angedroht worden ist (Ziff. III des Bescheides), und die Wirkungen der Feststellung des Verlustes des Rechts auf Einreise und Aufenthalt für die Bundesrepublik Deutschland und einer eventuellen Abschiebung auf die Dauer von 10 Jahren ab Ausreise bzw. Abschiebung befristet worden sind (Ziff. IV des Ergänzungsbescheides).

Zur Begründung seines Antrags auf Zulassung der Berufung gegen das klageabweisende Urteil vom 8. August 2013 trägt der Kläger vor, es fehle an ausreichenden Gründen für eine Aberkennung seines Rechts auf Einreise und Aufenthalt im Bundesgebiet. Insbesondere sei eine konkrete Gefahr, dass der Kläger die von ihm begangenen Straftaten wiederholen werde, auch im Hinblick auf sein Alter nicht gegeben. Auch habe die Behörde für den im Jahr 1950 geborenen Kläger faktisch ein lebenslängliches Einreiseverbot verhängt. Hingewiesen werde zudem darauf, dass der Kläger sich wegen einer Niereninsuffizienz in einem Peritonealdialyseprogramm befinde.

II.

Der auf die Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils) und des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO (grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache) gestützte Antrag bleibt ohne Erfolg.

1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, die die Zulassung der Berufung rechtfertigen, sind zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten derart in Frage gestellt wird, dass sich die gesicherte Möglichkeit der Unrichtigkeit er erstinstanzlichen Entscheidung ergibt (z. B. BVerfG, B. v. 20.12.2010 - 1 BvR 2011/10 - NVwZ 2011, 546/547), mithin diese Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (vgl. BVerwG, B. v. 10.3.2010 - 7 AV 4/03 - DVBl. 2004, 838/839). Solche ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts ergeben sich aus dem Zulassungsvorbringen des Klägers nicht.

a) Das Vorbringen des Klägers stellt nicht die Erwägungen des Verwaltungsgerichts betreffend die öffentliche Sicherheit in Frage.

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts ergeben sich zunächst nicht aus dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 16. Januar 2014 (C-400/12 - juris). Der Gerichtshof hat hier für Recht erkannt, dass Art. 28 Abs. 3 Buchstabe a der Richtlinie 2004/38/EG (auf dem § 6 Abs. 5 Satz 1 FreizügG/EU beruht) dahin auszulegen ist, dass der Aufenthaltszeitraum von 10 Jahren grundsätzlich ununterbrochen gewesen sein muss und vom Zeitpunkt der Verfügung der Ausweisung an zurückzurechnen ist (Rn. 24 ff.). Des Weiteren ist die Vorschrift dahin auszulegen, dass der Zeitraum der Verbüßung einer Freiheitsstrafe durch den Betroffenen grundsätzlich geeignet ist, die Kontinuität des Aufenthalts im Sinne der Bestimmung zu unterbrechen und sich damit auf die Gewährung des dort vorgesehenen verstärkten Schutzes auch in dem Fall auszuwirken, dass sich diese Person vor dem Freiheitsentzug 10 Jahre lang im Aufnahmemitgliedsstaat aufgehalten hat (Rn. 33 ff.). Es kann dahinstehen, ob sich der Kläger angesichts der genannten Entscheidung des Gerichtshofs wegen seiner bereits ca. zweijährigen Inhaftierung zum Zeitpunkt der Ausweisungsverfügung und seiner weiteren ersichtlichen Inhaftierung von Dezember 2001 bis März 2009 nicht mehr auf den erhöhten Schutz des § 6 Abs. 5 FreizügG/EU berufen kann, die Verlustfeststellung vielmehr gemäß § 6 Abs. 4 FreizügG/EU bereits aus schwerwiegenden Gründen möglich ist. Die Behörde und das Verwaltungsgericht sind zugunsten des Klägers von dem erhöhten Schutz des § 6 Abs. 5 FreizügG/EU ausgegangen.

Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU kann der Verlust des Rechts eines Unionsbürgers auf Einreise und Aufenthalt (§ 2 Abs. 1 FreizügG/EU) u. a. aus Gründen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit festgestellt werden. Die Tatsache einer strafrechtlichen Verurteilung genügt für sich allein nicht, um die in § 6 Abs. 1 FreizügG/EU genannten Entscheidungen oder Maßnahmen zu begründen. Es dürfen nur im Bundeszentralregister noch nicht getilgte strafrechtliche Verurteilungen berücksichtigt werden, und diese nur insoweit, als die ihnen zugrunde liegenden Umstände ein persönliches Verhalten erkennen lassen, das eine gegenwärtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung darstellt. Es muss eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung vorliegen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, § 6 Abs. 2 FreizügG/EU. Auch sind bei der Entscheidung nach § 6 Abs. 1 FreizügG/EU insbesondere die Dauer des Aufenthalts des Betroffenen in Deutschland, sein Alter, sein Gesundheitszustand, seine familiäre und wirtschaftliche Lage, seine soziale und kulturelle Integration in Deutschland und das Ausmaß seiner Bindungen zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen, § 6 Abs. 3 FreizügG/EU. Gemäß § 6 Abs. 4 FreizügG/EU darf eine Feststellung nach Absatz 1 nach Erwerb des Daueraufenthaltsrechts nur aus schwerwiegenden Gründen getroffen werden. Bei Unionsbürgern, die ihren Aufenthalt in den letzten zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, darf eine Feststellung nach § 6 Abs. 1 FreizügG/EU nur aus zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit getroffen werden, § 6 Abs. 5 Satz 1 FreizügG/EU. Zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit können nur dann vorliegen, wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe vom mindestens fünf Jahren verurteilt oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherheitsverwahrung angeordnet wurde, wenn die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland betroffen ist oder wenn von Betroffenen eine terroristische Gefahr ausgeht, § 6 Abs. 5 Satz 2 FreizügG/EU. Der Begriff der zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit im Sinne des § 6 Abs. 5 Satz 1 FreizügG/EU, der der Umsetzung des Art. 28 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mietgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, dient, setzt nicht nur das Vorliegen einer Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit voraus, sondern darüber hinaus, dass die Beeinträchtigung einen besonders hohen Schweregrad aufweist. Eine Ausweisungsmaßnahme ist hier auf außergewöhnliche Umstände begrenzt (EuGH - U. v. 23.11.2010 - C-145/09 Rn. 40,41 - juris). Sie muss auf eine individuelle Prüfung des Einzelfalls gestützt werden und kann nur dann mit zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit gerechtfertigt werden, wenn sie angesichts der außergewöhnlichen Schwere der Bedrohung für den Schutz der Interessen, die mit ihr gewahrt werden sollen, erforderlich ist; Voraussetzung ist weiter, dass dieses Ziel unter Berücksichtigung der Aufenthaltsdauer im Aufnahmemitgliedstaat des Unionsbürgers und insbesondere der schweren negativen Folgen, die eine solche Maßnahme für Unionsbürger haben kann, die vollständig in den Aufnahmemitgliedstaat integriert sind, nicht durch weniger strikte Maßnahmen erreicht werden kann. Dabei ist insbesondere der außergewöhnliche Charakter der Bedrohung der öffentlichen Sicherheit aufgrund des persönlichen Verhaltens der betroffenen Person, die zu der Zeit, zu der die Ausweisungsverfügung ergeht, zu beurteilen ist, nach Maßgabe der verwirkten und verhängten Strafen, des Grades der Beteiligung an der kriminellen Aktivität, des Umfangs des Schadens und gegebenenfalls der Rückfallneigung, gegen die Gefahr abzuwägen, die Resozialisierung des Unionsbürgers in dem Aufnahmemitgliedsstaat, in den er vollständig integriert ist, zu gefährden (EuGH - U. v.23.11.2010 - C-145/09 Rn. 49,50 - juris). Im Falle einer Verurteilung wegen Straftaten ist § 6 Abs. 5 Satz 1 FreizügG/EU im Übrigen dahin auszulegen, dass es den Mitgliedstaaten freisteht, Straftaten wie die in Art. 83 Abs. 1 Unterabs. 2 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) angeführten als besonders schwere Beeinträchtigung eines grundlegenden gesellschaftlichen Interesses anzusehen, die geeignet ist, die Ruhe und die physische Sicherheit der Bevölkerung unmittelbar zu bedrohen, und die damit unter den Begriff der zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit fallen kann, mit denen eine Ausweisungsverfügung gerechtfertigt werden kann, sofern die Art und Weise der Begehung solcher Straftaten besonders schwerwiegende Merkmale aufweist. Zudem setzt eine Verlustfeststellung voraus, dass das persönliche Verhalten des Betroffenen eine tatsächliche und gegenwärtige Gefahr darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft oder des Aufnahmemitgliedstaats berührt, wobei diese Feststellung im Allgemeinen bedeutet, dass eine Neigung des Betroffenen bestehen muss, das Verhalten in Zukunft beizubehalten (EUGH - U. v. 22.5.2012 - C-348/09 Rn. 33,34 - juris).

Das Verwaltungsgericht hat - wie die Beklagte davon ausgehend, dass der Kläger sich auf den erhöhten Schutz des § 6 Abs. 5 FreizügG/EU berufen kann - diese rechtlichen Vorgaben bei seiner Entscheidung beachtet und ist auf ihrer Grundlage zu dem Ergebnis gelangt, dass die Voraussetzungen für eine Verlustfeststellung auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gegeben sind. Die das angefochtene Urteil tragenden Erwägungen hat der Kläger nicht mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt.

Es ist nicht zu beanstanden, wenn die Beklagte und das Verwaltungsgericht die vom Kläger begangenen Straftaten als besonders schwere Beeinträchtigung eines grundlegenden gesellschaftlichen Interesses angesehen haben, die geeignet ist, die Ruhe und die Sicherheit der Bevölkerung unmittelbar zu bedrohen und davon ausgehend zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit für die Verlustfeststellung bejaht haben, auch weil die Art und Weise der Begehung der Straftaten hier besonders schwerwiegende Merkmale aufweist. Zu Recht hat die Beklagte (bestätigt durch das Verwaltungsgericht) u. a. ausgeführt, dass sich die zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit aus der Vielzahl der vom Kläger begangenen Straftaten ergeben, die mehrfach gegen das Vermögen anderer gerichtet waren. Den Gründen des gegen den Kläger ergangenen rechtskräftigen Strafurteils des Amtsgerichts N. vom 22. April 1999 (Verurteilung wegen versuchten Betrugs sowie Betrugs mit Urkundenfälschung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren, Bewährungszeit vier Jahre) ist zu entnehmen, dass der Kläger u. a. als Immobilienmakler unberechtigt Provisionsauszahlungen erreichte, um (vermögenslos und überschuldet) seinen eigenen Lebensstandard (u. a. als Dienstwagen ein Fahrzeug der Marke Porsche) zu sichern. Die Strafaussetzung wurde wegen weiterer Straftaten in der Bewährungszeit widerrufen (Strafvollstreckung erledigt am 7. Juni 2007). Mit Urteil des Landgerichts N. vom 20. März 2003 wurde der Kläger wegen gewerbsmäßigen Betrugs in zwanzig Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 5 Jahren und 6 Monaten verurteilt. Den Gründen dieses Urteils ist zu entnehmen, dass der Kläger im August 2000 Schulden zwischen 50.000 und 60.000 DM aufgrund seines luxuriösen Lebensstils gehabt habe. Im Zeitraum Oktober 2000 bis Oktober 2001 sei er in insgesamt achtzehn Fällen als angeblicher Makler aufgetreten, der betrügerisch von Immobilienverkäufern Provisionszahlungen zwischen 1.700 und 43.460 Euro erhalten habe, insgesamt 188.053,15 Euro. Bei zwei weiteren Betrugshandlungen habe er einen Schaden von 10.895,63 Euro verursacht. Dem Urteil ist weiter zu entnehmen, dass einige Geschädigte durch die Taten des Klägers in finanzielle Bedrängnis gerieten, dass der Kläger, wie sich auch aus den Vorstrafen ergebe, der Drahtzieher, Initiator, Ideengeber und Hauptnutznießer des Geschehens gewesen sei, dass er die Verkäufer bewusst unter Zeitdruck gesetzt habe, dass er mehrfach und einschlägig erheblich vorbestraft gewesen sei und bei den Taten unter laufender einschlägiger Bewährung gestanden habe. Die teilweise Leistung einer Schadenswiedergutmachung spreche nur sehr eingeschränkt für den Kläger, da diese Zahlungen aus unrechtmäßig erlangten Provisionen erfolgt seien. Die Gesamtfreiheitsstrafe von 5 Jahren 6 Monaten sei notwendig, um (u. a.) dem Angeklagten sein Fehlverhalten nochmals eindringlich vor Augen zu führen und ihn dazu anzuhalten, in Zukunft keine weiteren Straftaten mehr zu begehen. Es solle ihm durch die Verurteilung auch vor Augen geführt werden, dass, sollte er nach Strafverbüßung wiederum, insbesondere einschlägig, straffällig werden, die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung gemäß § 66 StGB in Betracht zu ziehen sein werde. Zu Recht weisen die Beklagte und das Verwaltungsgericht sodann darauf hin, dass der Kläger, nachdem die Strafvollstreckung aus diesem Urteil am 26. März 2009 erledigt war und Führungsaufsicht bis zum 25. März 2014 eingetreten war, bereits ab November 2009 wiederum einschlägig straffällig wurde. Dem rechtskräftigen Urteil des Landgerichts N. vom 10. Oktober 2011, mit dem der Kläger wegen Betrugs in 14 Fällen und versuchten Betrugs in 5 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 7 Jahren und 8 Monaten verurteilt wurde, ist u. a. zu entnehmen, dass der Kläger bis zu seiner Verhaftung im Februar 2011 in 18 Fällen als Käufer von Immobilien auftrat, um unberechtigt Provisionen zu erhalten; in einem weiteren Fall erlangte er in betrügerischer Weise bei einem Autohaus einen Pkw, Typ Mercedes, zum Preis von 38.000 Euro, ohne das ihm überlassene Fahrzeug zu bezahlen. Gegeben sei (mit einer Ausnahme) jeweils ein besonders schwerer Fall des § 263 Abs. 3 StGB (Strafrahmen 6 Monate bis 10 Jahre). Schadenswiedergutmachung habe der Kläger nur auf Druck der Geschädigten und mit Geldern bewirkt, die er sich anderweitig wiederum durch Betrügereien beschafft habe. Der Kläger sei mehrfach und einschlägig vorbestraft. Das Bundeszentralregister weise für ihn insgesamt neunzehn Eintragungen auf. Allein sechs dieser Eintragungen hätten Verurteilungen wegen (versuchten) Betrugs sowie teils weiterer Delikte zum Gegenstand gehabt. Insbesondere der Verurteilung durch das Landgericht N. vom 20. März 2003 lägen nahezu identische Sachverhalte zugrunde, wie sie hier zur Aburteilung gestanden hätten. Strafschärfend sei auch heranzuziehen, dass der Kläger wegen einschlägiger Delikte bereits mehrere Jahre inhaftiert gewesen sei und dass er bereits rund 6 Monate nach seiner letzten Haftentlassung erneut straffällig geworden sei, mithin eine erhebliche Rückfallgeschwindigkeit an den Tag gelegt habe.

Es ist nachvollziehbar, wenn die Beklagte und das Verwaltungsgericht davon ausgehend zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit für eine Verlustfeststellung bejahen, da die begangenen Straftaten als besonders schwere Beeinträchtigung eines grundlegenden gesellschaftlichen Interesses anzusehen sind, die geeignet ist, die Ruhe und die Sicherheit der Bevölkerung unmittelbar zu bedrohen. Insbesondere durch seine fortwährenden zahlreichen Betrugshandlungen im Immobilienbereich ist ein beträchtlicher Schaden für die Betrugsopfer entstanden, die teilweise in erhebliche finanzielle Bedrängnis geraten sind. Vermögensstraftaten eines Umfangs und einer Art und Weise, wie vom Kläger begangen, bedrohen die legale Wirtschaftstätigkeit sowie wirtschaftliche Existenzen und damit die innere Sicherheit. Dass der Gesetzgeber den betroffenen Rechtsgütern einen sehr hohen Stellenwert zumisst, ergibt aus dem Strafrahmen, der (bei den zuletzt abgeurteilten besonders schweren Fällen) gemäß § 263 Abs. 3 StGB von 6 Monaten bis zu 10 Jahren Freiheitsstrafe reicht, mithin ausnahmslos Freiheitsstrafen beinhaltet. Zu Recht weist das Verwaltungsgericht auf die „extrem hohe Zahl der Betrugshandlungen, die der Kläger begangen hat“, und den Umstand hin, dass dieser von Dezember 2001 bis März 2009 inhaftiert war. Zu berücksichtigen sei zudem, dass der Verurteilung des Klägers durch das Landgericht N. vom 20. März 2003 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 5 Jahren und 6 Monaten Einzelstrafen in Höhe von insgesamt knapp 26 Jahren und der weiteren Verurteilung des Klägers durch das Landgericht N. vom 20. Oktober 2011 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 7 Jahren und 8 Monaten Einzelstrafen in Höhe von insgesamt knapp 30 Jahren zugrunde gelegen hätten. Insgesamt seien damit verwirkte Einzelstrafen von über 50 Jahren im Raum gestanden. Zu Recht gehen die Beklagte und das Verwaltungsgericht davon aus, dass die Art und Weise der Begehung der Straftaten hier besonders schwerwiegende Merkmale aufweist. Auch dies kann aus den Feststellungen der Strafgerichte hergeleitet werden. Zu Recht weisen die Beklagte und das Verwaltungsgericht auch darauf hin, dass die Initiative für die kriminellen Aktivitäten vom Kläger ausgegangen ist und er hohe kriminelle Energie entfaltet hat.

Zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit, die zu einer Verlustfeststellung gemäß § 6 Abs. 5 FreizügG/EU berechtigen, können nicht nur dann angenommen werden, wenn es sich um Straftaten handelt, die in Art. 83 Abs. 1 Unterabs. 2 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) aufgeführt sind. Zu Recht haben sich die Beklagte und das Verwaltungsgericht nicht durch den Umstand, dass die vom Kläger begangenen Delikte nicht unmittelbar in Art 83 Abs. 1 Unterabs. 2 AEUV genannt sind, daran gehindert gesehen, die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 6 Abs. 5 FreizügG/EU zu bejahen. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat in seinem Urteil vom 22. Mai 2012 (C-348/09 - juris) ausgeführt, dass es den Mitgliedstaaten freistehe, Straftaten wie die in Artikel 83 Abs. 1 Unterabs. 2 AEUV angeführten als besonders schwere Beeinträchtigung eines grundlegenden gesellschaftlichen Interesses anzusehen, die geeignet ist, die Ruhe und die physische Sicherheit der Bevölkerung unmittelbar zu bedrohen, und die damit unter den Begriff der zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit fallen kann, mit denen gemäß Art. 28 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38 eine Ausweisungsverfügung gerechtfertigt werden kann, sofern die Art und Weise der Begehung solcher Straftaten besonders schwerwiegende Merkmale aufweist. Wie sich schon aus der vom Gerichtshof verwendeten Formulierung („…Straftaten wie die in Art. 83 Abs. 1 Unterabs. 2 AEUV angeführten…“) ergibt, schließt der Gerichtshof nicht aus, dass auch andere als die in der genannten Vorschrift aufgeführten Straftaten zu zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit, die eine Verlustfeststellung rechtfertigen, führen können. Dies folgt zudem daraus, dass Art. 83 AEUV nicht dem Zwecke dient, abschließend festzulegen, welche Straftaten Voraussetzung für eine Verlustfeststellung im Sinne des § 6 Abs. 5 FreizügG/EU sein können. Vielmehr enthält Art. 83 Abs. 1 AEUV eine Befugnis für das Europäische Parlament und den Rat, gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren durch Richtlinien Mindestvorschriften zur Festlegung von Straftaten und Strafen in Bereichen besonders schwerer Kriminalität festzulegen, die aufgrund der Art oder der Auswirkungen der Straftaten oder aufgrund einer besonderen Notwendigkeit, sie auf einer gemeinsamen Grundlage zu bekämpfen, eine grenzüberschreitende Dimension haben. Als derartige Kriminalitätsbereiche werden genannt: Terrorismus, Menschenhandel und sexuelle Ausbeutung von Frauen und Kindern, illegaler Drogenhandel, illegaler Waffenhandel, Geldwäsche, Korruption, Fälschung von Zahlungsmitteln, Computerkriminalität und organisierte Kriminalität (Art. 83 Abs. 1 Unterabs. 1 und 2 AEUV). Dementsprechend hat der Gerichtshof (U. v. 22.5.2012 a. a. O.) ausgeführt, das Unionsrecht schreibe den Mitgliedstaaten keine einheitliche Werteskala für die Beurteilung von Verhaltensweisen vor, die als Verletzung der öffentlichen Sicherheit angesehen werden könnten; die zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit würden nach Art. 28 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38 von den Mitgliedstaaten festgelegt; grundsätzlich stehe es den Mitgliedstaaten im Wesentlichen frei, nach ihren nationalen Bedürfnissen, die je nach Mitgliedstaat und Zeitpunkt unterschiedlich sein könnten, zu bestimmen, was die öffentliche Ordnung und Sicherheit erfordere, doch seien diese Anforderungen eng zu verstehen. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die in Art. 83 Abs. 1 Unterabs. 2 AEUV genannten Kriminalitätsbereiche der Geldwäsche, der Fälschung von Zahlungsmitteln und der Computerkriminalität betrugsähnliche Tatbestände beinhalten.

Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen vom 14. März 2013 (18 A 2263/08 Rn. 29 - juris) spricht nicht für die Auffassung, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit nach § 6 Abs. 5 FreizügG/EU im Falle einer Verurteilung wegen Straftaten nur dann angenommen werden können, wenn es sich um Straftaten handelt, die in Art. 83 Abs. 1 Unterabs. 2 AEUV als Bereiche besonders schwerer Kriminalität genannt werden. Bei der diesbezüglichen kursorischen Wendung im Urteil vom 14. März 2013 handelt es sich um ein nicht entscheidungserhebliches obiter dictum, denn das Urteil betraf die Frage der Rechtmäßigkeit einer Verlustfeststellung nach § 6 Abs. 5 FreizügG/EU im Fall einer Verurteilung wegen an Minderjähriger begangener Sexualstraftaten (das Oberverwaltungsgericht hatte das Verfahren ausgesetzt und zur Vorabentscheidung an den EUGH vorgelegt, was zum Urteil des EUGH vom 22. Mai 2012 < C-348/09 - juris > führte). Mit Tatbeständen, die in der vom Gerichtshof herangezogenen Vertragsbestimmung nicht unmittelbar genannt werden, befasst sich das Oberverwaltungsgericht in seinem Urteil auch sonst nicht.

Zu Recht gehen die Beklagte und das Verwaltungsgericht auch davon aus, dass das persönliche Verhalten des Klägers eine tatsächliche und gegenwärtige Gefahr darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft oder des Aufnahmemitgliedstaates berührt, wobei diese Feststellung im Allgemeinen bedeutet, dass eine Neigung des Betroffenen bestehen muss, das Verhalten in Zukunft beizubehalten (EUGH, U. v. 22.5.2012 a. a. O.). Die inmitten stehende Frage der Wiederholungsgefahr nach strafrechtlichen Verurteilungen kann grundsätzlich von den Gerichten regelmäßig ohne Hinzuziehung eines Sachverständigen beurteilt werden, denn die Gerichte bewegen sich mit einer entsprechenden tatsächlichen Würdigung regelmäßig in Lebens- und Erkenntnisbereichen, die den Richtern allgemein zugänglich sind (BVerwG, B. v. 4.5.1990 - 1 B 82/89, B. v. 14.3.1997 - 1 B 63/97, B. v. 22.10.2008 - 1 B 5/08 jeweils m. w. N. - jeweils juris). Bei der insoweit erforderlichen individuellen Beurteilung des Einzelfalls sind, wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausführt, an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist (BVerwG, U. v. 10.7.2012 - 1 C 19/11 -, U. v. 4.10.2012 - 1 C 13/11 -, jeweils juris).

Dies zugrunde gelegt gehen die Beklagte und das Verwaltungsgericht zu Recht von einer Wiederholungsgefahr beim Kläger aus. Der Kläger hat über Jahre hinweg eine Vielzahl von Straftaten begangen, die insbesondere gegen das Vermögen anderer gerichtet waren. Die Beklagte und das Verwaltungsgericht führen zu Recht aus, dass beim Kläger unter Berücksichtigung der den letzten Verurteilungen zugrunde liegenden (überwiegend gewerbsmäßig begangenen) Betrugsdelikten, der im Vorfeld über Jahrzehnte von ihm begangenen zum Teil gravierenden Straftaten und dem Umstand, dass er sich durch die deshalb gegen ihn ergangenen Strafurteile nicht von der Begehung weiterer, in Art und Ausmaß stetig ansteigender Straftaten hat abhalten lassen, von erheblichen charakterlichen Mängeln auszugehen ist, die zusammen mit der Tatsache der gescheiterten Integration in die hiesigen Lebensverhältnisse und seiner nicht vorhandenen Sozialisierung zu der Annahme führen, dass er auch künftig weiter schwere Straftaten begehen werde. Sein bisheriges Leben im Bundesgebiet sei im Wesentlichen auf Lug und Trug aufgebaut. Es sei offensichtlich, dass er der geltenden Rechtsordnung im Bundesgebiet keinerlei Bedeutung beimesse, sondern vielmehr bereit sei, zum eigenen Vorteil und zur Verschaffung einer regelmäßigen Einnahmequelle anderen Menschen auf betrügerische Weise großen finanziellen Schaden zuzufügen, wobei einige seiner Opfer durch die Straftaten sogar in finanzielle Bedrängnis gebracht worden seien. Dafür, dass der Kläger auch nach einer Haftentlassung seinen Lebensunterhalt, (ggf. einen - wie in der Vergangenheit - von ihm angestrebten luxuriösen Lebensstil) durch Vermögensstraftaten gegen Dritte finanzieren wird, spricht insbesondere der Umstand, dass der Kläger sich von der Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von 5 Jahren und 6 Monaten mit Strafurteil vom 20. März 2003, von der Warnung in diesem Urteil, dass für den Fall einer erneuten insbesondere einschlägigen Straffälligkeit nach Strafverbüßung die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung gemäß § 66 StGB in Betracht zu ziehen sein werde, des Weiteren von einer Verwarnung durch die Ausländerbehörde unter Androhung einer Verlustfeststellung bei künftigen Straftaten und von der angeordneten Führungsaufsicht nicht abhalten ließ, bereits 8 Monate nach der Erledigung der Strafvollstreckung am 26. März 2009 erneut ab November 2009 einschlägig straffällig zu werden. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass der Kläger nach Verbüßung der nunmehrigen Freiheitsstrafe davon ablassen wird, sein Leben durch die Begehung von Straftaten auf Kosten anderer zu finanzieren (zumindest in dem Bereich, der durch Sozialleistungen nicht abgedeckt wird). Auch im Führungsbericht der Justizvollzugsanstalt S. wird die deutlich betrügerische Ader des Klägers erwähnt.

b) Das Verwaltungsgericht und die Beklagte haben auch die persönlichen Umstände des Klägers und sein Privatinteresse an einem weiteren Aufenthalt und Verbleib im Bundesgebiet angemessen gewürdigt und nach Abwägung alles Umstände gegenüber dem öffentlichen Interesse an einer Feststellung des Verlusts des Rechts auf Einreise und Aufenthalt als nachrangig eingestuft.

Der Kläger trägt insoweit vor, nach seiner Entlassung aus der Strafhaft (voraussichtlich im Alter von 68 Jahren) werde er wohl nicht mehr überzeugend als Immobilienmakler auftreten können. Zudem leide er an Krankheiten, insbesondere befinde er sich in einem Peritonealdialyseprogramm.

Die Beklagte hat - bestätigt durch das Verwaltungsgericht - das Alter des Klägers und dessen Aufenthalt im Bundesgebiet seit 1975 gewürdigt, andererseits aber darauf hingewiesen, dass er in Österreich aufgewachsen sei und im Bundesgebiet als alleinstehender, geschiedener, kinderloser Mann keine besonderen persönlichen Bindungen aufgebaut habe. Auch sei ihm eine wirtschaftliche Integration im Bundesgebiet nicht gelungen, er habe mehrfache eine eidesstattliche Versicherung abgeben müssen, Einkommen vornehmlich aus Straftaten erzielt, zudem viele Jahre in Strafhaft verbracht. Im Hinblick auf die Erkrankungen des Klägers führte die Beklagte aus, in Österreich bestehe ein funktionierendes Sozialsystem, auch sei das Niveau der medizinischen Versorgung in Österreich derjenigen in Deutschland mindestens gleichwertig.

Damit wurden durch die Beklagte und das Verwaltungsgericht die vorgetragenen privaten Interessen des Klägers auch unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zur Kenntnis genommen und angemessen bewertet. Insbesondere wurden die nach § 6 Abs. 3 FreizügG/EU zu berücksichtigenden Belange des Klägers, nämlich die Dauer des Aufenthaltes im Bundesgebiet, sein Alter, sein Gesundheitszustand, seine familiäre und wirtschaftliche Lage, seine soziale und kulturelle Integration in Deutschland und das Ausmaß seiner Bindungen zu seinem Heimatland zutreffend in die Abwägung eingestellt. Rechtsfehlerfrei wurde der Schutz der öffentlichen Sicherheit höher gewichtet als die berücksichtigungsfähigen Interessen des Klägers.

Die verfügte Verlustfeststellung ist auch nicht im Hinblick auf Art. 8 EMRK oder Art. 6 GG als unverhältnismäßig anzusehen. Folgend den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerfG, B. v. 10.5.2007 - 2 BvR 304/07, BVerwG, U. v. 23.10.2007 - 1 C 10/07 - jeweils juris) und den vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte hierzu entwickelten Kriterien (vgl. u. a. EGMR, U. v. 13.10.2011 - 41548/06 - juris) sind die persönlichen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers sowie das öffentliche Interesse zutreffend abgewogen und gewichtet worden.

c) Wenn der Kläger schließlich erklärt, die Beklagte habe gegen ihn faktisch ein lebenslanges Einreiseverbot verhängt, wendet er sich sinngemäß gegen die mit dem Ergänzungsbescheid vom 21. Mai 2013 gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG verfügten zehnjährigen Sperrwirkungen. Zur Begründung des Einreise- und Aufenthaltsverbots hat die Beklagte, bestätigt durch das Verwaltungsgericht, auf das strafrechtlich geahndete Verhalten, insbesondere die vielfach begangenen, massiven Betrugsstraftaten über einen langen Zeitraum hinweg, welche über die erhebliche Schädigung Einzelner hinaus die legale Wirtschaftstätigkeit sowie das Vertrauen in die Sicherheit und Zuverlässigkeit des Rechtsverkehrs beeinträchtigten, und auf die (ausführlich begründete) hochgradige Wiederholungsgefahr hingewiesen. Gegeben sei eine außergewöhnlich schwere Bedrohung der öffentlichen Sicherheit, der Kläger sei Bewährungsversager, er habe immer wieder bewiesen, dass er nicht bereit sei, ein straffreies Leben zu führen. Eine Befristung auf zehn Jahre entspreche auch unter Berücksichtigung des langjährigen Aufenthalts des Klägers im Bundesgebiet, der deshalb naturgemäß auch vorhandenen persönlichen Bindungen und seines Alters in Anbetracht der konkreten Umstände dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Dies ist auch unter Beachtung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U. v. 13.12.2012 - 1 C 14/12 - juris), nach der mit einer Befristung auf zehn Jahre der Zeithorizont gewählt wird, für den eine Prognose realistischer Weise noch gestellt werden kann, nicht zu beanstanden. Die Beklagte und das Verwaltungsgericht vertreten zu Recht die Auffassung, dass vom Kläger eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht (vgl. § 11 Abs. 1 Satz 4 AufenthG) und die hohen Anforderungen für eine Verlustfeststellung gemäß § 6 Abs. 5 FreizügG/EU vorliegen. Es ist nichts dafür vorgetragen oder sonst ersichtlich, dass der Kläger im fortgeschrittenen Alter seine durch das Begehen von Straftaten gegen das Vermögen anderer geprägte Persönlichkeitsstruktur geändert hat oder ändern könnte. Bislang hat sich der Kläger keine der zahlreichen strafrechtlichen Verurteilungen und Haftstrafen zur Warnung dienen lassen. Auch ist er nach einer Entlassung aus der Strafhaft ersichtlich mittellos. Es drängt sich mithin aufgrund seines Verhaltens in der Vergangenheit auf, dass er erneut einschlägig straffällig wird, auch um - wie in der Vergangenheit durchgehend über Jahre praktiziert - einen Lebensstandard zu erreichen, der durch auf legalem Wege erzielte Einkünfte bzw. Sozialleistungen für ihn nicht finanzierbar ist. Das Alter des Klägers schließt es nicht aus, dass er in den Jahren nach seiner Haftentlassung erneut einschlägig straffällig wird. Dazu ist auch nicht erforderlich, dass er (wie teilweise, aber keineswegs durchgehend bei den von ihm begangenen Straftaten) Angestellter im Immobilienbereich ist. Er kann z. b. als selbstständig im Immobilienbereich auftretende Person oder als sonstiger Mittäter im Zusammenwirken mit Anderen Straftaten begehen. Ein konkretes Ende der vom Kläger ausgehenden Gefahren ist mithin derzeit nicht absehbar. Auch gebieten weder der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz noch verfassungsrechtliche Wertentscheidungen eine kürzere Frist. Der Kläger ist alleinstehend und kinderlos. Besondere persönliche Bindungen im Bundesgebiet hat er nicht vorgetragen, sie sind auch sonst nicht ersichtlich. Der Kläger hat nichts dazu ausgeführt, dass die Versorgung durch das Sozialsystem, sollte er sie in Anspruch nehmen müssen, und die medizinischen Behandlungsmöglichkeiten in Österreich für ihn nicht ausreichend sind. Im Übrigen kann der Kläger bei einer nachträglichen Änderung der für die Befristungsentscheidung maßgeblichen Tatsachen jederzeit einen Antrag auf Verkürzung der festgesetzten Sperrfrist stellen (vgl. BVerwG, U. v. 10.7.2012 - 1 C 19/11 Rn. 38 - juris).

2. Die Berufung ist auch nicht wegen einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen. Der Begriff der grundsätzlichen Bedeutung erfordert, dass für die angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichts die im Zulassungsantrag dargelegte konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage von Bedeutung war, ihre Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist und die Klärung zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist (Klärungsbedürftigkeit, vgl. insgesamt Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124 Rn. 36, § 124 a Rn. 72). Die Gründe dafür sind nach § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO darzulegen. Eine solche Rechts- oder Tatsachenfrage hat der Kläger hier nicht aufgeworfen. Er möchte vielmehr (sinngemäß) wissen, ob in Anbetracht der von ihm begangenen Straftaten und seines Alters die Voraussetzungen für eine Verlustfeststellung gemäß § 6 FreizügG/EU vorliegen. Hierbei handelt es sich um eine Frage des Einzelfalls, die im Rahmen des hiesigen Zulassungsantragsverfahrens durch die Auslegung des § 6 FreizügG/EU unter Beachtung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (insbesondere EuGH, Urteile vom 23.11.2010 - C-145/09 sowie vom 22.5.2012 - C-348/09 - jeweils juris) beantwortet werden kann.

Kosten des Zulassungsverfahrens: § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 3 VwGO, § 52 Abs. 2 GKG.

Mit der Ablehnung des Antrags aus Zulassung der Berufung wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124 a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

Tenor

I.

Auf Antrag der Beklagten wird die Berufung gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 16. Juni 2015 insoweit zugelassen, als die Beklagte unter Aufhebung der Nummer 2 des Bescheides vom 1. Dezember 2014 verpflichtet wurde, die Wirkungen der Verlustfeststellung auf fünf Jahre ab Ausreise zu befristen.

II.

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

III.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens, soweit sein Zulassungsantrag abgelehnt worden ist.

IV.

Unter Abänderung des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 16. Juni 2015 wird der Streitwert für das Verfahren in erster Instanz auf 10.000,-- Euro festgesetzt. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren des Klägers wird auf 5.000,-- Euro festgesetzt, der Streitwert für die zugelassene Berufung vorläufig auf 5.000,-- Euro.

Gründe

Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger seine in erster Instanz überwiegend erfolglose Klage auf Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 1. Dezember 2014 weiter. Mit diesem Bescheid wurde der Verlust seines Freizügigkeitsrechts festgestellt (Nummer 1) und die Wirkungen der Verlustfeststellung wurden auf acht Jahre ab Ausreise befristet (Nummer 2) (II.). Die Beklagte beantragt demgegenüber, die Berufung zuzulassen, soweit mit dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 16. Juni 2015 die Wirkungen der Verlustfeststellung auf fünf Jahre ab Ausreise befristet wurden (I.).

I. Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung hat Erfolg, weil an der Richtigkeit des Urteils insoweit ernstliche Zweifel bestehen (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), als das Verwaltungsgericht die Frist für das mit der Verlustfeststellung einhergehende Einreise- und Aufenthaltsverbot von acht Jahren auf fünf Jahre ab Ausreise herabgesetzt hat. Die Ausführungen des Verwaltungsgerichts im Urteil, wonach als Orientierung für die Befristungsentscheidung die letzte strafrechtliche Verurteilung des Klägers dienen könne, steht nicht in Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach bei der Bemessung der Frist im Rahmen des § 7 Abs. 2 Satz 5 und 6 FreizügG/EU (in der ab 9. Dezember 2014 geltenden Fassung) in einem ersten Schritt das Gewicht des Ausweisungsgrundes und der mit der Ausweisung verfolgte Zweck zu berücksichtigen sind und es der prognostischen Einschätzung bedürfe, wie lange das Verhalten des Klägers, das der zu spezialpräventiven Zwecken verfügten Verlustfeststellung zugrunde liege, das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr zu tragen vermöge (vgl. BVerwG, U. v. 14.5.2013 - 1 C 13.12 - juris Rn. 32; U. v. 25.3.2015 - 1 B 18.14 - juris Rn. 27; BayVGH, B. v. 19.5.2015 - 10 ZB 14.2019 - juris Rn. 5). Es ist auch nicht offensichtlich, dass sich die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Festsetzung der Frist für das Einreise- und Aufenthaltsverbot auf 5 Jahre aus anderen Gründen als rechtmäßig erweisen könnte.

II. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung ist unbegründet. Das der rechtlichen Überprüfung durch den Senat ausschließlich unterliegende Vorbringen im Zulassungsantrag (§ 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO) rechtfertigt keine Zulassung der Berufung. Es liegen weder ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils vor (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO; 1.), noch weist die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO; 2.). Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO; 3.) ist schon nicht den Anforderungen von § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechend dargelegt. Ebenso wenig liegt der geltend gemachte Verfahrensmangel vor (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO; 4.).

1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils i. S. d. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestünden nur dann, wenn der Kläger im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Erstgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt hätte (BVerfG, B. v. 10.9.2009 - 1 BvR 814/09 - juris Rn. 11). Dies ist jedoch weder bezüglich der Abweisung der Klage gegen die Verlustfeststellung (1.1) noch bezüglich der vom Verwaltungsgericht angeblich (noch) zu hoch bestimmten Dauer der Befristung der Wirkung der Verlustfeststellung (1.2) der Fall.

1.1 Das Verwaltungsgericht geht in seinem Urteil davon aus, dass die Verfügung in Nummer 1 des Bescheides vom 1. Dezember 2014 rechtmäßig sei, weil die Voraussetzungen für die von der Beklagten getroffene Feststellung des Verlusts des Rechts auf Einreise und Aufenthalt gemäß § 6 Abs. 1 bis 3 FreizügG/EU selbst bei Vorliegen der besonderen Voraussetzungen nach § 6 Abs. 4 und Abs. 5 FreizügG/EU gegeben seien. Das den Verurteilungen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tatmehrheit mit bewaffneten unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge jeweils in Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln sowie wegen Nötigung in Tatmehrheit mit schwerer räuberischer Erpressung zugrunde liegende persönliche Verhalten des Klägers begründe eine von ihm ausgehende gegenwärtige tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre. Eine Wiederholungsgefahr sei beim Kläger gegeben. Liege wie beim Kläger die Ursache der begangenen Straftaten in der Suchtmittelabhängigkeit, so sei nach ständiger Rechtsprechung die erfolgreiche Absolvierung einer Therapie zwingende Voraussetzung für ein denkbares Entfallen der Wiederholungsgefahr. Bisher habe der Kläger eine Drogentherapie nicht erfolgreich abgeschlossen. Auch die Voraussetzungen für eine Verlustfeststellung nach § 6 Abs. 4 und Abs. 5 FreizügG/EU, wonach nach Erwerb des Daueraufenthaltsrechts die Verlustfeststellung nur aus schwerwiegenden Gründen getroffen werden könne, und wonach bei Unionsbürgern, die ihren Aufenthalt in den letzten zehn Jahren im Bundesgebiet gehabt hätten, die Verlustfeststellung nur aus zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit erfolgen dürfe, lägen vor.

Der Kläger macht demgegenüber geltend, dass von ihm keine Wiederholungsgefahr mehr ausgehe. Er befinde sich seit dem 16. Juni 2015 im Rahmen einer Unterbringung nach § 64 StGB in der forensischen Klinik des Bezirkskrankenhauses K., wo er eine Suchttherapie absolviere, die voraussichtlich 24 Monate dauern werde. Es handle sich hierbei um die erste Drogentherapie, so dass die Chance eines erfolgreichen Therapieabschlusses deutlich erhöht sei. Zudem sei der Kläger nicht vorbestraft und befinde sich erstmals in Haft. Er arbeite bei der Therapie gut mit und erziele die zu erwartenden Fortschritte. Nach der Therapie werde der Kläger nicht abrupt, sondern Schritt für Schritt in ein normales Leben entlassen. Nach vorzeitiger Entlassung werde zwingend eine Führungsaufsicht angeordnet, welche sicherstelle, dass der Kläger stabil bleibe. Dies gelte in gleicher Weise für die strengeren Voraussetzungen nach § 6 Abs. 4 und Abs. 5 FreizügG/EU. Aufgrund der Therapiemotivation des Klägers und des Umstands, dass eine Wiedereingliederung Schritt für Schritt erfolge, die zwingend mittels staatlicher Führungsaufsicht begleitend überwacht werde, bestünden keine Anhaltspunkte, dass der Kläger den zu erwartenden Auflagen nicht Folge leisten werde, so dass nicht von einer schweren Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gesprochen werden könne. Die Kontinuität des Aufenthalts des Klägers im Bundesgebiet sei durch die gegenwärtige Inhaftierung nicht abgerissen, so dass ihm auch der Schutz des § 6 Abs. 5 FreizügG/EU zustehe. Zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit gemäß § 6 Abs. 5 Satz 3 FreizügG/EU lägen nur dann vor, wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens fünf Jahren verurteilt worden sei und vom ihm eine Wiederholungsgefahr ausgehe, so dass für die Existenz des Staates wesentliche Belange gefährdet seien. Dies sei beim Kläger nicht der Fall, weil bereits Maßnahmen ergriffen worden seien, um die von ihm ausgehende Gefahr, nämlich in seine Drogensucht zurückzukehren und weitere Straftaten zu begehen, in den Griff zu bekommen.

Diese Ausführungen stellen aber die Feststellung des Verwaltungsgerichts, der Kläger habe sein Recht auf Freizügigkeit verloren, nicht mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage. Ausgehend von dem Grundsatz, dass der Unionsbürgerstatus der grundlegende Status der Angehörigen der Mitgliedstaaten ist (vgl. EuGH, U. v. 23.3.2004 - Collins, C-138/02 - juris Rn. 61), ist eine Verlustfeststellung nur dann gerechtfertigt, wenn sie sich ausschließlich auf das persönliche Verhalten des Unionsbürgers stützt. Strafrechtliche Verurteilungen alleine können ohne weiteres diese Maßnahmen nicht begründen. Das persönliche Verhalten des Betroffenen muss eine tatsächliche und gegenwärtige Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft oder des Aufnahmemitgliedstaates berührt, wobei diese Feststellung im Allgemeinen bedeutet, dass eine Neigung des Betroffenen bestehen muss, das Verhalten in Zukunft beizubehalten (EuGH, U. v. 22.5.2012 - C-348/9 - juris Leitsatz 2; s. auch: § 6 Abs. 2 FreizügG/EU). Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass das der Verurteilung vom 14. April 2014 zugrunde liegende Verhalten des Klägers auch die Voraussetzungen des § 6 Abs. 4 und Abs. 5 FreizügG/EU erfüllt. Gefahren, die vom illegalen Handel mit Betäubungsmitteln ausgehen, sind schwerwiegend und berühren ein Grundinteresse der Gesellschaft. Die betroffenen Schutzgüter des Lebens und der Gesundheit nehmen in der Hierarchie der in den Grundrechten enthaltenen Wertordnung einen hohen Rang ein (EuGH, U. v. 23.11.2010 - Tsakouridis, C-145/9 - juris Rn. 45 ff.; BayVGH, B. v. 6.5.2015 -10 ZB 15.231 - juris Rn. 4). Zwingende Gründe i. S.d § 6 Abs. 5 FreizügG/EU liegen jedoch nicht nur dann vor, wenn die Ausweisungsmaßnahme in Bezug auf einen Unionsbürger, der den Aufenthalt in den letzten zehn Jahren im Aufnahmemitgliedstaat gehabt hat, die mit dem bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln verbundene Kriminalität bekämpfen soll. Vielmehr steht es den Mitgliedstaaten frei, Straftaten wie die in Art. 83 Abs. 1 und Abs. 2 AEUV angeführten als besonders schwere Beeinträchtigung eines grundlegenden gesellschaftlichen Interesses anzusehen, die geeignet sind, die Ruhe und die physische Sicherheit der Bevölkerung unmittelbar zu bedrohen, und die damit unter den Begriff der zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit fallen und eine Ausweisungsverfügung rechtfertigten können, sofern die Art und Weise der Begehung solcher Straftaten besonders schwerwiegende Merkmale aufweist (EuGH, U. v. 22.5.2012 - C-348/09 - juris Leitsatz. 1; vgl. BayVGH, B. v. 10.12.2014 - 19 ZB 13.2013 - juris Rn. 7 m. w. N.). Illegaler Drogenhandel gehört zu den in Art. 83 Abs. 1 Unterabs. 2 AEUV angeführten Straftaten im Bereich der besonders schweren Kriminalität. Nach den Feststellungen des Strafurteils vom 31. Juli 2013 hat der Kläger zweimal von einem bislang unbekannten Lieferanten per Paket aus dem Raum Köln/Aachen mindestens 1 kg bzw. 1,78 kg Amphetamin bezogen und hierfür zur Verschleierung seiner Identität als Empfänger das Namensschild an seiner Wohnungstür ausgetauscht bzw. ergänzt. Das Amphetamin verkaufte der Kläger größtenteils aus seiner Wohnung heraus weiter und hat dadurch die Gesundheit und das Leben einer nicht unerheblichen Zahl von Menschen gefährdet. In unmittelbarer Nähe zu den für den Weiterverkauf bestimmten Amphetaminmengen bewahrte er einen Teleskopschlagstock und ein Kampfmesser auf. Den Weiterverkauf des Amphetamins hatte teilweise T. B. übernommen. Er wurde vom Kläger bzw. von vier von ihm angeworbenen Personen mit einem Küchenmesser eingeschüchtert, damit er weiter Amphetamin verkaufe bzw. bei sich in der Wohnung aufbewahre. Folglich ist das Verwaltungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass die Art und Begehungsweise des Drogenhandels seitens des Klägers besonders schwerwiegende Merkmale aufweist.

Weiterhin hat das Verwaltungsgericht zutreffend angenommen, dass die Gefahr bestehe, der Kläger werde sein strafbares Verhalten wiederholen. Das Erstgericht hat bezüglich der Wiederholungsgefahr entscheidungserheblich darauf abgestellt, dass angesichts der langjährigen Drogensucht des Klägers der erfolgreiche Abschluss einer Drogentherapie von zentraler Bedeutung für die Prognose sei, ob der Kläger künftig weiterhin erhebliche Straftaten begehen werde. Liegt, wie beim Kläger, die Ursache der begangenen Straftaten (auch) in der Suchtmittelabhängigkeit, so ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats die erfolgreiche Absolvierung einer Therapie zwingende Voraussetzung für ein denkbares Entfallen der Wiederholungsgefahr (BayVGH, B. v. 6.5.2015 - 10 ZB 15.231 - juris Rn. 7). Auch wenn der Kläger nunmehr eine Langzeittherapie begonnen hat, derzeit abstinent in beschützender Umgebung lebt, motiviert und engagiert in der Therapie mitarbeitet und eine ausgeprägte Krankheitseinsicht zeigt, besteht die Wiederholungsgefahr nach wie vor fort. Sollte eine suchttherapeutische Behandlung nicht abgeschlossen werden, sei die Wahrscheinlichkeit eines erneuten Rückfalls und eine Rückkehr zu delinquenten Verhaltensweisen als sehr hoch anzusehen (vgl. Schreiben d. Bezirkskrankenhauses K. v. 28.8.2015). Auch das Vorbringen des Klägers, er verhalte sich vorbildlich und werde auch nach Therapieende unter Führungsaufsicht und staatlicher Kontrolle stehen, lässt die Wiederholungsgefahr in Bezug auf die Begehung weiterer Straftaten im Bereich der Drogenkriminalität nicht entfallen. Ein Wohlverhalten unter dem Druck einer strafgerichtlich angeordneten Therapie und staatlicher Kontrolle lässt nicht mit der notwendigen Sicherheit auf einen dauerhaften Einstellungswandel und eine innerlich gefestigte Verhaltensänderung schließen. Um die erhebliche Wiederholungsgefahr im Fall des Klägers ernsthaft in Zweifel ziehen zu können, wäre nach ständiger Rechtsprechung des Senats erforderlich, dass er eine Therapie erfolgreich abgeschlossen und die damit verbundene Erwartung künftig straffreien Verhaltens auch nach Straf- bzw. Therapieende glaubhaft gemacht hätte (BayVGH, B. v. 10.10.2012 - 10 ZB 11.2454 - juris Rn. 9 m. w. N.).

Das Zulassungsvorbringen zur Verhältnismäßigkeit der Feststellung des Verlusts des Rechts auf Einreise und Aufenthalt vermag ebenfalls keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts zu begründen.

Insoweit bringt der Kläger vor, dass er im Falle einer Verlustfeststellung seine Therapie in Deutschland nicht zu Ende führen könne und zudem seine Resozialisierung gefährdet sei, weil sich sein gesamtes soziales Bezugsystem in Deutschland befinde. Dies sei vom Erstgericht im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung und der Überprüfung der Ermessensentscheidung bislang überhaupt nicht berücksichtigt worden. Zudem bestünden hinsichtlich des Zugangs des Klägers zum griechischen Gesundheitssystem keine gesicherten Erkenntnisse. Nach den allgemeinen Umständen in Griechenland sei davon auszugehen, dass er keinen Zugang zu einer erforderlichen Therapie habe. Weiterhin bringt der Kläger vor, die Entscheidung der Verwaltungsbehörde zur Verlustfeststellung sei verfrüht ergangen. Während des Zeitraums der Therapie und der anschließenden Führungsaufsicht gehe vom ihm keine Gefahr aus, so dass keine Notwendigkeit bestanden habe, schon jetzt die Feststellung des Verlusts des Freizügigkeitsrechts zu treffen. Das Verwaltungsgericht messe einer abgeschlossenen Drogentherapie eine maßgebliche Bedeutung für die zulasten des Klägers getroffene Gefahrenprognose zu, andererseits werde aber gerade durch die Verlustfeststellung eine erfolgreiche Therapie torpediert.

Gemäß § 6 Abs. 3 FreizügG/EU sind bei der Entscheidung über eine Feststellung des Verlust des Rechts auf Einreise und Aufenthalt eines Unionsbürger insbesondere die Dauer des Aufenthalts in Deutschland, sein Alter, sein Gesundheitszustand, seine familiäre und wirtschaftliche Lage, seine soziale und kulturelle Integration in Deutschland und das Ausmaß seiner Bindungen zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen. Dieser Katalog ist zwar nicht abschließend (vgl. Kurzidem in Beck’scher Online Kommentar, AuslR, Stand: 1.8.2015, FreizügG/EU, § 6 Rn. 33). Jedoch sind bei einer Ermessensentscheidung für eine Verlustfeststellung lediglich diejenigen Faktoren zu berücksichtigen, die mit dem Zweck der Verlustfeststellung, nämlich eine gegenwärtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zu vermeiden, in Zusammenhang stehen. Ob eine solche gegenwärtige Gefährdung für den Aufnahmemitgliedstaat besteht, hängt jedoch nicht davon ab, ob der Kläger einen rechtlichen Anspruch auf Teilnahme an einer Drogentherapie hat, er in Griechenland Zugang zu einer entsprechenden Therapie hat und ob in Griechenland die Voraussetzungen für eine Rehabilitation weniger gut sind als im gewohnten sozialen Umfeld, sondern hängt vielmehr bei Straftätern, bei denen die Ursache der Straftaten in der Suchtmittelabhängigkeit liegt, vom erfolgreichen Abschluss einer entsprechenden Therapie ab (vgl. zur Ausweisung eines assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen BVerwG, B. v. 15.4.2013 - 1 B 22.12 - juris Rn. 19).

Soweit sich der Kläger zur Begründung der Unverhältnismäßigkeit der Verlustfeststellung auf das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 7. März 2012 (11 S 3269/11 - juris) bezieht, ist darauf hinzuweisen, dass das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 15. Januar 2013 (1 C 10.12 - juris) der vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg vertretenen Rechtsauffassung entgegengetreten ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat nochmals ausdrücklich betont, dass für die im Rahmen einer tatrichterlichen Prognose festzustellende Wiederholungsgefahr ein differenzierender, mit zunehmendem Ausmaß des möglichen Schadens abgesenkter Grad der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts gelte. Der Bedeutung des Grundsatzes der Freizügigkeit werde dadurch Rechnung getragen, dass an die nach dem Ausmaß des möglichen Schadens differenzierende hinreichende Wahrscheinlichkeit keine allzu geringen Anforderungen gestellt werden dürften. Der differenzierende Wahrscheinlichkeitsmaßstab bei der Frage der Wiederholungsgefahr führe daher selbst bei Unionsbürgern nicht zu einem unionsrechtswidrigen Gefahrenexport zulasten anderer Mitgliedstaaten (BVerwG, U. v. 15.1.2013 - 1 C 10.12 - juris Rn. 16).

Zum Vorbringen des Klägers, die Entscheidung der Verlustfeststellung sei ermessensfehlerhaft bzw. unverhältnismäßig, weil dem Kläger durch die verfrühte Entscheidung der Behörde die Möglichkeit abgeschnitten werde, seine positive Entwicklung im Rahmen der Therapie bei der Entscheidung über die Verlustfeststellung zu berücksichtigen, ist festzustellen, dass „es nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts für die Rechtmäßigkeit einer ausländerbehördlichen Entscheidung über den Verlust des Aufenthaltsrechts eines Unionsbürgers darauf ankommt, ob der Betroffene eine gegenwärtige und schwerwiegende Gefahr für wichtige Rechtsgüter darstellt und das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung das private Interesse am Verbleib des Unionsbürgers in Deutschland deutlich überwiegt. Vorgaben für den Zeitpunkt, zu dem die Behörde die Verlustfeststellung ausspricht, ergeben sich weder aus dem nationalen Recht noch aus dem Unionsrecht. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist eine umfassende Beurteilung der Situation des Betroffenen „jeweils zu dem genauen Zeitpunkt vorzunehmen, zu dem sich die Frage der Ausweisung stellt“ (vgl. EuGH, U. v. 16.1.2014 - C-400/12 - juris Rn. 35). Aus dieser Rechtsprechung ergibt sich zudem, dass das Gericht keine Einwände gegen eine Verlustfeststellung nach Verbüßung von weniger als zwei Jahren einer auf insgesamt sechs Jahre und sechs Monate festgesetzten Haftstrafe erhoben hat (vgl. EuGH, U. v. 23.11.2010 - C-145/09 - juris Rn. 12 ff.). Einer positiven Entwicklung des Unionsbürgers nach Erlass der Verlustfeststellung, etwa durch eine erfolgreiche Therapie während der Strafhaft, kann durch eine nachträgliche Verkürzung des Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 7 Abs. 2 FreizügG/EU Rechnung getragen werden“ (vgl. zum Ganzen BVerwG, B. v. 11.9.2015 - 1 B 39.15 - juris Rn. 21 m. w. N.).

1.2 Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bezüglich der durch das Verwaltungsgericht vorgenommenen (kürzeren) Befristung der Wirkungen der Verlustfeststellung auf fünf Jahre hat der Kläger im Zulassungsantrag nicht hinreichend dargelegt. Er vertritt zwar die Auffassung, dass auch die vom Verwaltungsgericht getroffene Befristungsentscheidung auf fünf Jahre im Ergebnis unverhältnismäßig sei. Der Kläger hat aber insoweit nicht dargelegt, aufgrund welcher Belange das aus der Verlustfeststellung resultierende Einreise- und Aufenthaltsverbot auf nur ein Jahr befristet werden müsste. Auch für den Befristungsanspruch nach § 7 Abs. 2 Satz 2 FreizügG/EU a. F. bzw. § 7 Abs. 2 Satz 5 und 6 FreizügG/EU n. F. ist in einem ersten Schritt eine an dem Gewicht des Grundes für die Verlustfeststellung sowie an dem mit der Maßnahme verfolgten spezialpräventiven Zweck orientierte äußerste Frist zu bestimmen. Hierzu bedarf es der prognostischen Einschätzung im jeweiligen Einzelfall, wie lange das Verhalten des Betroffenen, das der zu spezialpräventiven Zwecken verfügten Verlustfeststellung zugrunde liegt, das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr mit Blick auf die im vorliegenden Fall bedeutsame Gefahrenschwelle des § 6 Abs. 5 FreizügG/EU zu tragen vermag. Die sich an der Erreichung des Zwecks der Verlustfeststellung orientierende äußerste Frist muss sich in einem zweiten Schritt an höherrangigem Recht, d. h. unionsrechtlichen Vorgaben und verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen messen und gegebenfalls relativieren lassen. Dabei sind insbesondere die in § 6 Abs. 3 FreizügG/EU genannten schutzwürdigen Belange für Unionsbürger in Blick zu nehmen (vgl. zum Ganzen BVerwG, U. v. 25.3.2015 - 1 C 18.14 - juris Rn. 27 ff.). Der Hinweis des Klägers auf die begonnene und - seiner Ansicht nach - voraussichtlich erfolgreiche Absolvierung einer Drogentherapie reicht hierfür jedenfalls nicht aus.

2. Die Rechtssache weist auch keine besonderen rechtlichen Schwierigkeiten auf. Eine Rechtssache weist besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten auf, wenn die Angriffe des Rechtsmittelführers begründeten Anlass zu Zweifeln an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung geben, die sich nicht ohne Weiteres im Zulassungsverfahren klären lassen, sondern die Durchführung eines Berufungsverfahrens erfordern (Seibert in Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 124 Rn. 106). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Die vom Kläger thematisierten Fragen zur Wiederholungsgefahr, wenn die Ursache der begangenen Straftaten in der Suchtmittelabhängigkeit liegt, und zur Berücksichtigung von Abwägungsfaktoren bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit einer Verlustfeststellung sind in der obergerichtlichen Rechtsprechung (vgl. z. B. BayVGH, B. v. 10.4.2014 - 10 ZB 13.71 - juris Rn. 6 m. w. N.) und in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union hinreichend geklärt. Insoweit kann insbesondere auf die bereits genannten Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 23. November 2010 (C-145/09 -juris Rn. 12) und vom 22. Mai 2012 (Tsakouridis, C-348/09 - juris Rn. 10) sowie vom 16. Januar 2014 (C-400/12 - juris) verwiesen werden. Auf die Frage, welche Auswirkungen eine Abschiebung des Klägers nach Griechenland auf dessen Resozialisierung und Gesundheit gehabt hätte, kommt es bei der hier streitgegenständlichen Verlustfeststellung nicht an, weil alleiniger Prüfungsmaßstab ist, ob vom Kläger derzeit eine tatsächliche und gegenwärtige Gefahr ausgeht, die ein Grundinteresse der Gesellschaft oder des Aufnahmemitgliedstaates berührt und eine Neigung des Betroffenen besteht, das Verhalten in Zukunft beizubehalten.

3. Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ist schon nicht den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechend hinreichend dargelegt. Um den auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gestützten Zulassungsantrag zu begründen, muss der Rechtsmittelführer eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formulieren, ausführen, weshalb diese Frage entscheidungserheblich ist, erläutern, weshalb die vorformulierte Frage klärungsbedürftig ist und darlegen, weshalb der Frage eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124a Rn. 72). Der Kläger hat zwar drei konkrete Rechtsfragen formuliert. Er möchte geklärt haben, ob eine Wiederholungsgefahr dann nicht mehr besteht, wenn ein Betroffener durch aktive und positive Mitarbeit, insbesondere während des Vollzugs einer Strafhaft oder eines Maßregelvollzugs, welche erkennbar über ein bloßes Wohlverhalten hinausgeht, einen Resozialisierungsprozess in Gang gebracht hat. Weiter möchte er geklärt haben, ob ein positiver und erfolgversprechender Resozialisierungsprozess bei einem nicht vorbestraften, faktischen Inländer einen so gewichtigen Abwägungsfaktor bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Feststellung des Verlusts des Rechts auf Einreise und Aufenthalt ausmacht, dass eine Verlustfeststellung nur mit einer besonderen Begründung verfügt werden darf. Schließlich erachtet er als grundsätzlich klärungsbedürftig, ob eine hinreichende Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung bereits dann entfällt, wenn ein betroffener faktischer Inländer, der sich erstmals in Haft befindet, gemäß § 64 StGB untergebracht wird, therapiemotiviert und bereit ist, alle Auflagen, welche ihm im Rahmen der Resozialisierung gemacht werden, zu erfüllen, und diese genannten Maßnahmen geeignet sind, sich positiv auf die Gefahrenprognose auszuwirken und das früheste Strafende zeitlich noch weit entfernt liegt. Er hat jedoch nicht dargelegt, dass die vorformulierten Fragen klärungsbedürftig sind und weshalb ihnen eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt. Zur Frage des Bestehens einer Wiederholungsgefahr, wenn die Ursache der begangenen Straftaten in der Suchtmittelabhängigkeit liegt, besteht umfangreiche obergerichtliche Rechtsprechung, nach der die erfolgreiche Absolvierung einer Therapie zwingende Voraussetzung für ein denkbares Entfallen der Wiederholungsgefahr ist und eine begonnene, erfolgversprechende Drogentherapie hierfür noch nicht ausreicht, sondern vielmehr die mit dem erfolgreichen Verlauf der Therapie verbundene Erwartung künftig straffreien Verhaltens auch nach Straf- bzw. Therapieende glaubhaft gemacht werden muss (BayVGH, B. v. 10.4.2014 - 10 ZB 13.71 - juris Rn. 6 m. w. N.; B. v. 21.2.2014 - 10 ZB 13.1861 - juris Rn. 6 für die Anordnung einer Maßnahme der Sicherung und Besserung nach § 64 StGB). Im Übrigen fehlt es an einer über den Einzelfall hinausgehenden Bedeutung der aufgeworfenen Fragen. Die Prognose, ob der Betroffene auch in Zukunft eine tatsächliche und gegenwärtige Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft darstellt, erfordert eine auf den konkreten Einzelfall bezogene Beurteilung des persönlichen Verhaltens eines Unionsbürgers, das einer über den Einzelfall hinausgehenden Klärung nicht zugänglich ist.

4. Die Berufung ist auch nicht wegen eines Verfahrensmangels nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO zuzulassen. Der Kläger hat nicht hinreichend dargelegt, dass ein Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) durch das Verwaltungsgericht vorliege. Die Rüge des Klägers, das Verwaltungsgericht habe es versäumt aufzuklären, ob und unter welchen Bedingungen dem Kläger eine Fortsetzung seiner erforderlichen Therapie in Griechenland möglich gewesen sei, greift nicht durch. Einen entsprechenden Beweisantrag hat der Kläger, der anwaltlich vertreten war, bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht in der gemäß § 86 Abs. 2 VwGO vorgesehenen Form gestellt (vgl. hierzu BayVGH, B. v. 25.7.2014 -10 ZB 14.633 - juris Rn. 19). Dem Verwaltungsgericht musste sich auch von Amts wegen die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Möglichkeit der Fortsetzung der Drogentherapie in Griechenland nicht aufdrängen. Die Aufklärungsrüge könnte insoweit nur dann erfolgreich sein, wenn das Gericht auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung Anlass zu weiterer Sachaufklärung hätte sehen müssen. Außerdem müsste der Rechtsmittelführer darlegen, welche tatsächlichen Feststellungen bei der Durchführung der unterbliebenen Aufklärung voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern das unterstellte Ergebnis zu einer für ihn günstigeren Entscheidung geführt hätte (BayVGH, B. v. 8.10.2014 - 10 ZB 12.2742 - juris Rn. 52 m. w. N.). Die Frage, ob der Kläger in Griechenland Zugang zu einer entsprechenden Drogentherapie hätte, war für das Verwaltungsgericht jedoch nicht entscheidungserheblich, weil es zutreffend davon ausgegangen ist, dass es für das Entfallen einer Wiederholungsgefahr ausschließlich darauf ankommt, ob zum Zeitpunkt der zu treffenden Prognoseentscheidung eine Drogentherapie bereits erfolgreich absolviert ist.

Die Kostenentscheidung für den Zulassungsantrag des Klägers beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Kostenentscheidung für das Zulassungsverfahren der Beklagten bleibt dem Hauptsacheverfahren vorbehalten.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 63 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, § 47 Abs. 1 und 3, § 39 Abs. 1, § 45 Abs. 1 Satz 2 sowie § 52 Abs. 2 GKG. Das Verwaltungsgericht hat auch über die vom Kläger (zunächst hilfsweise) geltend gemachte Verkürzung der Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots entschieden.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts bezüglich der Verlustfeststellung und jedenfalls einer fünf Jahre ab Ausreise noch unterschreitenden Befristung der Wirkung der Verlustfeststellung rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.