Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 17. Dez. 2015 - 10 ZB 15.1394

bei uns veröffentlicht am17.12.2015

Tenor

I.

Auf Antrag der Beklagten wird die Berufung gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 16. Juni 2015 insoweit zugelassen, als die Beklagte unter Aufhebung der Nummer 2 des Bescheides vom 1. Dezember 2014 verpflichtet wurde, die Wirkungen der Verlustfeststellung auf fünf Jahre ab Ausreise zu befristen.

II.

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

III.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens, soweit sein Zulassungsantrag abgelehnt worden ist.

IV.

Unter Abänderung des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 16. Juni 2015 wird der Streitwert für das Verfahren in erster Instanz auf 10.000,-- Euro festgesetzt. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren des Klägers wird auf 5.000,-- Euro festgesetzt, der Streitwert für die zugelassene Berufung vorläufig auf 5.000,-- Euro.

Gründe

Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger seine in erster Instanz überwiegend erfolglose Klage auf Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 1. Dezember 2014 weiter. Mit diesem Bescheid wurde der Verlust seines Freizügigkeitsrechts festgestellt (Nummer 1) und die Wirkungen der Verlustfeststellung wurden auf acht Jahre ab Ausreise befristet (Nummer 2) (II.). Die Beklagte beantragt demgegenüber, die Berufung zuzulassen, soweit mit dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 16. Juni 2015 die Wirkungen der Verlustfeststellung auf fünf Jahre ab Ausreise befristet wurden (I.).

I. Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung hat Erfolg, weil an der Richtigkeit des Urteils insoweit ernstliche Zweifel bestehen (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), als das Verwaltungsgericht die Frist für das mit der Verlustfeststellung einhergehende Einreise- und Aufenthaltsverbot von acht Jahren auf fünf Jahre ab Ausreise herabgesetzt hat. Die Ausführungen des Verwaltungsgerichts im Urteil, wonach als Orientierung für die Befristungsentscheidung die letzte strafrechtliche Verurteilung des Klägers dienen könne, steht nicht in Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach bei der Bemessung der Frist im Rahmen des § 7 Abs. 2 Satz 5 und 6 FreizügG/EU (in der ab 9. Dezember 2014 geltenden Fassung) in einem ersten Schritt das Gewicht des Ausweisungsgrundes und der mit der Ausweisung verfolgte Zweck zu berücksichtigen sind und es der prognostischen Einschätzung bedürfe, wie lange das Verhalten des Klägers, das der zu spezialpräventiven Zwecken verfügten Verlustfeststellung zugrunde liege, das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr zu tragen vermöge (vgl. BVerwG, U. v. 14.5.2013 - 1 C 13.12 - juris Rn. 32; U. v. 25.3.2015 - 1 B 18.14 - juris Rn. 27; BayVGH, B. v. 19.5.2015 - 10 ZB 14.2019 - juris Rn. 5). Es ist auch nicht offensichtlich, dass sich die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Festsetzung der Frist für das Einreise- und Aufenthaltsverbot auf 5 Jahre aus anderen Gründen als rechtmäßig erweisen könnte.

II. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung ist unbegründet. Das der rechtlichen Überprüfung durch den Senat ausschließlich unterliegende Vorbringen im Zulassungsantrag (§ 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO) rechtfertigt keine Zulassung der Berufung. Es liegen weder ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils vor (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO; 1.), noch weist die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO; 2.). Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO; 3.) ist schon nicht den Anforderungen von § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechend dargelegt. Ebenso wenig liegt der geltend gemachte Verfahrensmangel vor (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO; 4.).

1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils i. S. d. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestünden nur dann, wenn der Kläger im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Erstgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt hätte (BVerfG, B. v. 10.9.2009 - 1 BvR 814/09 - juris Rn. 11). Dies ist jedoch weder bezüglich der Abweisung der Klage gegen die Verlustfeststellung (1.1) noch bezüglich der vom Verwaltungsgericht angeblich (noch) zu hoch bestimmten Dauer der Befristung der Wirkung der Verlustfeststellung (1.2) der Fall.

1.1 Das Verwaltungsgericht geht in seinem Urteil davon aus, dass die Verfügung in Nummer 1 des Bescheides vom 1. Dezember 2014 rechtmäßig sei, weil die Voraussetzungen für die von der Beklagten getroffene Feststellung des Verlusts des Rechts auf Einreise und Aufenthalt gemäß § 6 Abs. 1 bis 3 FreizügG/EU selbst bei Vorliegen der besonderen Voraussetzungen nach § 6 Abs. 4 und Abs. 5 FreizügG/EU gegeben seien. Das den Verurteilungen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tatmehrheit mit bewaffneten unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge jeweils in Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln sowie wegen Nötigung in Tatmehrheit mit schwerer räuberischer Erpressung zugrunde liegende persönliche Verhalten des Klägers begründe eine von ihm ausgehende gegenwärtige tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre. Eine Wiederholungsgefahr sei beim Kläger gegeben. Liege wie beim Kläger die Ursache der begangenen Straftaten in der Suchtmittelabhängigkeit, so sei nach ständiger Rechtsprechung die erfolgreiche Absolvierung einer Therapie zwingende Voraussetzung für ein denkbares Entfallen der Wiederholungsgefahr. Bisher habe der Kläger eine Drogentherapie nicht erfolgreich abgeschlossen. Auch die Voraussetzungen für eine Verlustfeststellung nach § 6 Abs. 4 und Abs. 5 FreizügG/EU, wonach nach Erwerb des Daueraufenthaltsrechts die Verlustfeststellung nur aus schwerwiegenden Gründen getroffen werden könne, und wonach bei Unionsbürgern, die ihren Aufenthalt in den letzten zehn Jahren im Bundesgebiet gehabt hätten, die Verlustfeststellung nur aus zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit erfolgen dürfe, lägen vor.

Der Kläger macht demgegenüber geltend, dass von ihm keine Wiederholungsgefahr mehr ausgehe. Er befinde sich seit dem 16. Juni 2015 im Rahmen einer Unterbringung nach § 64 StGB in der forensischen Klinik des Bezirkskrankenhauses K., wo er eine Suchttherapie absolviere, die voraussichtlich 24 Monate dauern werde. Es handle sich hierbei um die erste Drogentherapie, so dass die Chance eines erfolgreichen Therapieabschlusses deutlich erhöht sei. Zudem sei der Kläger nicht vorbestraft und befinde sich erstmals in Haft. Er arbeite bei der Therapie gut mit und erziele die zu erwartenden Fortschritte. Nach der Therapie werde der Kläger nicht abrupt, sondern Schritt für Schritt in ein normales Leben entlassen. Nach vorzeitiger Entlassung werde zwingend eine Führungsaufsicht angeordnet, welche sicherstelle, dass der Kläger stabil bleibe. Dies gelte in gleicher Weise für die strengeren Voraussetzungen nach § 6 Abs. 4 und Abs. 5 FreizügG/EU. Aufgrund der Therapiemotivation des Klägers und des Umstands, dass eine Wiedereingliederung Schritt für Schritt erfolge, die zwingend mittels staatlicher Führungsaufsicht begleitend überwacht werde, bestünden keine Anhaltspunkte, dass der Kläger den zu erwartenden Auflagen nicht Folge leisten werde, so dass nicht von einer schweren Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gesprochen werden könne. Die Kontinuität des Aufenthalts des Klägers im Bundesgebiet sei durch die gegenwärtige Inhaftierung nicht abgerissen, so dass ihm auch der Schutz des § 6 Abs. 5 FreizügG/EU zustehe. Zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit gemäß § 6 Abs. 5 Satz 3 FreizügG/EU lägen nur dann vor, wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens fünf Jahren verurteilt worden sei und vom ihm eine Wiederholungsgefahr ausgehe, so dass für die Existenz des Staates wesentliche Belange gefährdet seien. Dies sei beim Kläger nicht der Fall, weil bereits Maßnahmen ergriffen worden seien, um die von ihm ausgehende Gefahr, nämlich in seine Drogensucht zurückzukehren und weitere Straftaten zu begehen, in den Griff zu bekommen.

Diese Ausführungen stellen aber die Feststellung des Verwaltungsgerichts, der Kläger habe sein Recht auf Freizügigkeit verloren, nicht mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage. Ausgehend von dem Grundsatz, dass der Unionsbürgerstatus der grundlegende Status der Angehörigen der Mitgliedstaaten ist (vgl. EuGH, U. v. 23.3.2004 - Collins, C-138/02 - juris Rn. 61), ist eine Verlustfeststellung nur dann gerechtfertigt, wenn sie sich ausschließlich auf das persönliche Verhalten des Unionsbürgers stützt. Strafrechtliche Verurteilungen alleine können ohne weiteres diese Maßnahmen nicht begründen. Das persönliche Verhalten des Betroffenen muss eine tatsächliche und gegenwärtige Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft oder des Aufnahmemitgliedstaates berührt, wobei diese Feststellung im Allgemeinen bedeutet, dass eine Neigung des Betroffenen bestehen muss, das Verhalten in Zukunft beizubehalten (EuGH, U. v. 22.5.2012 - C-348/9 - juris Leitsatz 2; s. auch: § 6 Abs. 2 FreizügG/EU). Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass das der Verurteilung vom 14. April 2014 zugrunde liegende Verhalten des Klägers auch die Voraussetzungen des § 6 Abs. 4 und Abs. 5 FreizügG/EU erfüllt. Gefahren, die vom illegalen Handel mit Betäubungsmitteln ausgehen, sind schwerwiegend und berühren ein Grundinteresse der Gesellschaft. Die betroffenen Schutzgüter des Lebens und der Gesundheit nehmen in der Hierarchie der in den Grundrechten enthaltenen Wertordnung einen hohen Rang ein (EuGH, U. v. 23.11.2010 - Tsakouridis, C-145/9 - juris Rn. 45 ff.; BayVGH, B. v. 6.5.2015 -10 ZB 15.231 - juris Rn. 4). Zwingende Gründe i. S.d § 6 Abs. 5 FreizügG/EU liegen jedoch nicht nur dann vor, wenn die Ausweisungsmaßnahme in Bezug auf einen Unionsbürger, der den Aufenthalt in den letzten zehn Jahren im Aufnahmemitgliedstaat gehabt hat, die mit dem bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln verbundene Kriminalität bekämpfen soll. Vielmehr steht es den Mitgliedstaaten frei, Straftaten wie die in Art. 83 Abs. 1 und Abs. 2 AEUV angeführten als besonders schwere Beeinträchtigung eines grundlegenden gesellschaftlichen Interesses anzusehen, die geeignet sind, die Ruhe und die physische Sicherheit der Bevölkerung unmittelbar zu bedrohen, und die damit unter den Begriff der zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit fallen und eine Ausweisungsverfügung rechtfertigten können, sofern die Art und Weise der Begehung solcher Straftaten besonders schwerwiegende Merkmale aufweist (EuGH, U. v. 22.5.2012 - C-348/09 - juris Leitsatz. 1; vgl. BayVGH, B. v. 10.12.2014 - 19 ZB 13.2013 - juris Rn. 7 m. w. N.). Illegaler Drogenhandel gehört zu den in Art. 83 Abs. 1 Unterabs. 2 AEUV angeführten Straftaten im Bereich der besonders schweren Kriminalität. Nach den Feststellungen des Strafurteils vom 31. Juli 2013 hat der Kläger zweimal von einem bislang unbekannten Lieferanten per Paket aus dem Raum Köln/Aachen mindestens 1 kg bzw. 1,78 kg Amphetamin bezogen und hierfür zur Verschleierung seiner Identität als Empfänger das Namensschild an seiner Wohnungstür ausgetauscht bzw. ergänzt. Das Amphetamin verkaufte der Kläger größtenteils aus seiner Wohnung heraus weiter und hat dadurch die Gesundheit und das Leben einer nicht unerheblichen Zahl von Menschen gefährdet. In unmittelbarer Nähe zu den für den Weiterverkauf bestimmten Amphetaminmengen bewahrte er einen Teleskopschlagstock und ein Kampfmesser auf. Den Weiterverkauf des Amphetamins hatte teilweise T. B. übernommen. Er wurde vom Kläger bzw. von vier von ihm angeworbenen Personen mit einem Küchenmesser eingeschüchtert, damit er weiter Amphetamin verkaufe bzw. bei sich in der Wohnung aufbewahre. Folglich ist das Verwaltungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass die Art und Begehungsweise des Drogenhandels seitens des Klägers besonders schwerwiegende Merkmale aufweist.

Weiterhin hat das Verwaltungsgericht zutreffend angenommen, dass die Gefahr bestehe, der Kläger werde sein strafbares Verhalten wiederholen. Das Erstgericht hat bezüglich der Wiederholungsgefahr entscheidungserheblich darauf abgestellt, dass angesichts der langjährigen Drogensucht des Klägers der erfolgreiche Abschluss einer Drogentherapie von zentraler Bedeutung für die Prognose sei, ob der Kläger künftig weiterhin erhebliche Straftaten begehen werde. Liegt, wie beim Kläger, die Ursache der begangenen Straftaten (auch) in der Suchtmittelabhängigkeit, so ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats die erfolgreiche Absolvierung einer Therapie zwingende Voraussetzung für ein denkbares Entfallen der Wiederholungsgefahr (BayVGH, B. v. 6.5.2015 - 10 ZB 15.231 - juris Rn. 7). Auch wenn der Kläger nunmehr eine Langzeittherapie begonnen hat, derzeit abstinent in beschützender Umgebung lebt, motiviert und engagiert in der Therapie mitarbeitet und eine ausgeprägte Krankheitseinsicht zeigt, besteht die Wiederholungsgefahr nach wie vor fort. Sollte eine suchttherapeutische Behandlung nicht abgeschlossen werden, sei die Wahrscheinlichkeit eines erneuten Rückfalls und eine Rückkehr zu delinquenten Verhaltensweisen als sehr hoch anzusehen (vgl. Schreiben d. Bezirkskrankenhauses K. v. 28.8.2015). Auch das Vorbringen des Klägers, er verhalte sich vorbildlich und werde auch nach Therapieende unter Führungsaufsicht und staatlicher Kontrolle stehen, lässt die Wiederholungsgefahr in Bezug auf die Begehung weiterer Straftaten im Bereich der Drogenkriminalität nicht entfallen. Ein Wohlverhalten unter dem Druck einer strafgerichtlich angeordneten Therapie und staatlicher Kontrolle lässt nicht mit der notwendigen Sicherheit auf einen dauerhaften Einstellungswandel und eine innerlich gefestigte Verhaltensänderung schließen. Um die erhebliche Wiederholungsgefahr im Fall des Klägers ernsthaft in Zweifel ziehen zu können, wäre nach ständiger Rechtsprechung des Senats erforderlich, dass er eine Therapie erfolgreich abgeschlossen und die damit verbundene Erwartung künftig straffreien Verhaltens auch nach Straf- bzw. Therapieende glaubhaft gemacht hätte (BayVGH, B. v. 10.10.2012 - 10 ZB 11.2454 - juris Rn. 9 m. w. N.).

Das Zulassungsvorbringen zur Verhältnismäßigkeit der Feststellung des Verlusts des Rechts auf Einreise und Aufenthalt vermag ebenfalls keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts zu begründen.

Insoweit bringt der Kläger vor, dass er im Falle einer Verlustfeststellung seine Therapie in Deutschland nicht zu Ende führen könne und zudem seine Resozialisierung gefährdet sei, weil sich sein gesamtes soziales Bezugsystem in Deutschland befinde. Dies sei vom Erstgericht im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung und der Überprüfung der Ermessensentscheidung bislang überhaupt nicht berücksichtigt worden. Zudem bestünden hinsichtlich des Zugangs des Klägers zum griechischen Gesundheitssystem keine gesicherten Erkenntnisse. Nach den allgemeinen Umständen in Griechenland sei davon auszugehen, dass er keinen Zugang zu einer erforderlichen Therapie habe. Weiterhin bringt der Kläger vor, die Entscheidung der Verwaltungsbehörde zur Verlustfeststellung sei verfrüht ergangen. Während des Zeitraums der Therapie und der anschließenden Führungsaufsicht gehe vom ihm keine Gefahr aus, so dass keine Notwendigkeit bestanden habe, schon jetzt die Feststellung des Verlusts des Freizügigkeitsrechts zu treffen. Das Verwaltungsgericht messe einer abgeschlossenen Drogentherapie eine maßgebliche Bedeutung für die zulasten des Klägers getroffene Gefahrenprognose zu, andererseits werde aber gerade durch die Verlustfeststellung eine erfolgreiche Therapie torpediert.

Gemäß § 6 Abs. 3 FreizügG/EU sind bei der Entscheidung über eine Feststellung des Verlust des Rechts auf Einreise und Aufenthalt eines Unionsbürger insbesondere die Dauer des Aufenthalts in Deutschland, sein Alter, sein Gesundheitszustand, seine familiäre und wirtschaftliche Lage, seine soziale und kulturelle Integration in Deutschland und das Ausmaß seiner Bindungen zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen. Dieser Katalog ist zwar nicht abschließend (vgl. Kurzidem in Beck’scher Online Kommentar, AuslR, Stand: 1.8.2015, FreizügG/EU, § 6 Rn. 33). Jedoch sind bei einer Ermessensentscheidung für eine Verlustfeststellung lediglich diejenigen Faktoren zu berücksichtigen, die mit dem Zweck der Verlustfeststellung, nämlich eine gegenwärtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zu vermeiden, in Zusammenhang stehen. Ob eine solche gegenwärtige Gefährdung für den Aufnahmemitgliedstaat besteht, hängt jedoch nicht davon ab, ob der Kläger einen rechtlichen Anspruch auf Teilnahme an einer Drogentherapie hat, er in Griechenland Zugang zu einer entsprechenden Therapie hat und ob in Griechenland die Voraussetzungen für eine Rehabilitation weniger gut sind als im gewohnten sozialen Umfeld, sondern hängt vielmehr bei Straftätern, bei denen die Ursache der Straftaten in der Suchtmittelabhängigkeit liegt, vom erfolgreichen Abschluss einer entsprechenden Therapie ab (vgl. zur Ausweisung eines assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen BVerwG, B. v. 15.4.2013 - 1 B 22.12 - juris Rn. 19).

Soweit sich der Kläger zur Begründung der Unverhältnismäßigkeit der Verlustfeststellung auf das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 7. März 2012 (11 S 3269/11 - juris) bezieht, ist darauf hinzuweisen, dass das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 15. Januar 2013 (1 C 10.12 - juris) der vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg vertretenen Rechtsauffassung entgegengetreten ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat nochmals ausdrücklich betont, dass für die im Rahmen einer tatrichterlichen Prognose festzustellende Wiederholungsgefahr ein differenzierender, mit zunehmendem Ausmaß des möglichen Schadens abgesenkter Grad der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts gelte. Der Bedeutung des Grundsatzes der Freizügigkeit werde dadurch Rechnung getragen, dass an die nach dem Ausmaß des möglichen Schadens differenzierende hinreichende Wahrscheinlichkeit keine allzu geringen Anforderungen gestellt werden dürften. Der differenzierende Wahrscheinlichkeitsmaßstab bei der Frage der Wiederholungsgefahr führe daher selbst bei Unionsbürgern nicht zu einem unionsrechtswidrigen Gefahrenexport zulasten anderer Mitgliedstaaten (BVerwG, U. v. 15.1.2013 - 1 C 10.12 - juris Rn. 16).

Zum Vorbringen des Klägers, die Entscheidung der Verlustfeststellung sei ermessensfehlerhaft bzw. unverhältnismäßig, weil dem Kläger durch die verfrühte Entscheidung der Behörde die Möglichkeit abgeschnitten werde, seine positive Entwicklung im Rahmen der Therapie bei der Entscheidung über die Verlustfeststellung zu berücksichtigen, ist festzustellen, dass „es nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts für die Rechtmäßigkeit einer ausländerbehördlichen Entscheidung über den Verlust des Aufenthaltsrechts eines Unionsbürgers darauf ankommt, ob der Betroffene eine gegenwärtige und schwerwiegende Gefahr für wichtige Rechtsgüter darstellt und das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung das private Interesse am Verbleib des Unionsbürgers in Deutschland deutlich überwiegt. Vorgaben für den Zeitpunkt, zu dem die Behörde die Verlustfeststellung ausspricht, ergeben sich weder aus dem nationalen Recht noch aus dem Unionsrecht. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist eine umfassende Beurteilung der Situation des Betroffenen „jeweils zu dem genauen Zeitpunkt vorzunehmen, zu dem sich die Frage der Ausweisung stellt“ (vgl. EuGH, U. v. 16.1.2014 - C-400/12 - juris Rn. 35). Aus dieser Rechtsprechung ergibt sich zudem, dass das Gericht keine Einwände gegen eine Verlustfeststellung nach Verbüßung von weniger als zwei Jahren einer auf insgesamt sechs Jahre und sechs Monate festgesetzten Haftstrafe erhoben hat (vgl. EuGH, U. v. 23.11.2010 - C-145/09 - juris Rn. 12 ff.). Einer positiven Entwicklung des Unionsbürgers nach Erlass der Verlustfeststellung, etwa durch eine erfolgreiche Therapie während der Strafhaft, kann durch eine nachträgliche Verkürzung des Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 7 Abs. 2 FreizügG/EU Rechnung getragen werden“ (vgl. zum Ganzen BVerwG, B. v. 11.9.2015 - 1 B 39.15 - juris Rn. 21 m. w. N.).

1.2 Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bezüglich der durch das Verwaltungsgericht vorgenommenen (kürzeren) Befristung der Wirkungen der Verlustfeststellung auf fünf Jahre hat der Kläger im Zulassungsantrag nicht hinreichend dargelegt. Er vertritt zwar die Auffassung, dass auch die vom Verwaltungsgericht getroffene Befristungsentscheidung auf fünf Jahre im Ergebnis unverhältnismäßig sei. Der Kläger hat aber insoweit nicht dargelegt, aufgrund welcher Belange das aus der Verlustfeststellung resultierende Einreise- und Aufenthaltsverbot auf nur ein Jahr befristet werden müsste. Auch für den Befristungsanspruch nach § 7 Abs. 2 Satz 2 FreizügG/EU a. F. bzw. § 7 Abs. 2 Satz 5 und 6 FreizügG/EU n. F. ist in einem ersten Schritt eine an dem Gewicht des Grundes für die Verlustfeststellung sowie an dem mit der Maßnahme verfolgten spezialpräventiven Zweck orientierte äußerste Frist zu bestimmen. Hierzu bedarf es der prognostischen Einschätzung im jeweiligen Einzelfall, wie lange das Verhalten des Betroffenen, das der zu spezialpräventiven Zwecken verfügten Verlustfeststellung zugrunde liegt, das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr mit Blick auf die im vorliegenden Fall bedeutsame Gefahrenschwelle des § 6 Abs. 5 FreizügG/EU zu tragen vermag. Die sich an der Erreichung des Zwecks der Verlustfeststellung orientierende äußerste Frist muss sich in einem zweiten Schritt an höherrangigem Recht, d. h. unionsrechtlichen Vorgaben und verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen messen und gegebenfalls relativieren lassen. Dabei sind insbesondere die in § 6 Abs. 3 FreizügG/EU genannten schutzwürdigen Belange für Unionsbürger in Blick zu nehmen (vgl. zum Ganzen BVerwG, U. v. 25.3.2015 - 1 C 18.14 - juris Rn. 27 ff.). Der Hinweis des Klägers auf die begonnene und - seiner Ansicht nach - voraussichtlich erfolgreiche Absolvierung einer Drogentherapie reicht hierfür jedenfalls nicht aus.

2. Die Rechtssache weist auch keine besonderen rechtlichen Schwierigkeiten auf. Eine Rechtssache weist besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten auf, wenn die Angriffe des Rechtsmittelführers begründeten Anlass zu Zweifeln an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung geben, die sich nicht ohne Weiteres im Zulassungsverfahren klären lassen, sondern die Durchführung eines Berufungsverfahrens erfordern (Seibert in Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 124 Rn. 106). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Die vom Kläger thematisierten Fragen zur Wiederholungsgefahr, wenn die Ursache der begangenen Straftaten in der Suchtmittelabhängigkeit liegt, und zur Berücksichtigung von Abwägungsfaktoren bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit einer Verlustfeststellung sind in der obergerichtlichen Rechtsprechung (vgl. z. B. BayVGH, B. v. 10.4.2014 - 10 ZB 13.71 - juris Rn. 6 m. w. N.) und in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union hinreichend geklärt. Insoweit kann insbesondere auf die bereits genannten Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 23. November 2010 (C-145/09 -juris Rn. 12) und vom 22. Mai 2012 (Tsakouridis, C-348/09 - juris Rn. 10) sowie vom 16. Januar 2014 (C-400/12 - juris) verwiesen werden. Auf die Frage, welche Auswirkungen eine Abschiebung des Klägers nach Griechenland auf dessen Resozialisierung und Gesundheit gehabt hätte, kommt es bei der hier streitgegenständlichen Verlustfeststellung nicht an, weil alleiniger Prüfungsmaßstab ist, ob vom Kläger derzeit eine tatsächliche und gegenwärtige Gefahr ausgeht, die ein Grundinteresse der Gesellschaft oder des Aufnahmemitgliedstaates berührt und eine Neigung des Betroffenen besteht, das Verhalten in Zukunft beizubehalten.

3. Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ist schon nicht den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechend hinreichend dargelegt. Um den auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gestützten Zulassungsantrag zu begründen, muss der Rechtsmittelführer eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formulieren, ausführen, weshalb diese Frage entscheidungserheblich ist, erläutern, weshalb die vorformulierte Frage klärungsbedürftig ist und darlegen, weshalb der Frage eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124a Rn. 72). Der Kläger hat zwar drei konkrete Rechtsfragen formuliert. Er möchte geklärt haben, ob eine Wiederholungsgefahr dann nicht mehr besteht, wenn ein Betroffener durch aktive und positive Mitarbeit, insbesondere während des Vollzugs einer Strafhaft oder eines Maßregelvollzugs, welche erkennbar über ein bloßes Wohlverhalten hinausgeht, einen Resozialisierungsprozess in Gang gebracht hat. Weiter möchte er geklärt haben, ob ein positiver und erfolgversprechender Resozialisierungsprozess bei einem nicht vorbestraften, faktischen Inländer einen so gewichtigen Abwägungsfaktor bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Feststellung des Verlusts des Rechts auf Einreise und Aufenthalt ausmacht, dass eine Verlustfeststellung nur mit einer besonderen Begründung verfügt werden darf. Schließlich erachtet er als grundsätzlich klärungsbedürftig, ob eine hinreichende Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung bereits dann entfällt, wenn ein betroffener faktischer Inländer, der sich erstmals in Haft befindet, gemäß § 64 StGB untergebracht wird, therapiemotiviert und bereit ist, alle Auflagen, welche ihm im Rahmen der Resozialisierung gemacht werden, zu erfüllen, und diese genannten Maßnahmen geeignet sind, sich positiv auf die Gefahrenprognose auszuwirken und das früheste Strafende zeitlich noch weit entfernt liegt. Er hat jedoch nicht dargelegt, dass die vorformulierten Fragen klärungsbedürftig sind und weshalb ihnen eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt. Zur Frage des Bestehens einer Wiederholungsgefahr, wenn die Ursache der begangenen Straftaten in der Suchtmittelabhängigkeit liegt, besteht umfangreiche obergerichtliche Rechtsprechung, nach der die erfolgreiche Absolvierung einer Therapie zwingende Voraussetzung für ein denkbares Entfallen der Wiederholungsgefahr ist und eine begonnene, erfolgversprechende Drogentherapie hierfür noch nicht ausreicht, sondern vielmehr die mit dem erfolgreichen Verlauf der Therapie verbundene Erwartung künftig straffreien Verhaltens auch nach Straf- bzw. Therapieende glaubhaft gemacht werden muss (BayVGH, B. v. 10.4.2014 - 10 ZB 13.71 - juris Rn. 6 m. w. N.; B. v. 21.2.2014 - 10 ZB 13.1861 - juris Rn. 6 für die Anordnung einer Maßnahme der Sicherung und Besserung nach § 64 StGB). Im Übrigen fehlt es an einer über den Einzelfall hinausgehenden Bedeutung der aufgeworfenen Fragen. Die Prognose, ob der Betroffene auch in Zukunft eine tatsächliche und gegenwärtige Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft darstellt, erfordert eine auf den konkreten Einzelfall bezogene Beurteilung des persönlichen Verhaltens eines Unionsbürgers, das einer über den Einzelfall hinausgehenden Klärung nicht zugänglich ist.

4. Die Berufung ist auch nicht wegen eines Verfahrensmangels nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO zuzulassen. Der Kläger hat nicht hinreichend dargelegt, dass ein Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) durch das Verwaltungsgericht vorliege. Die Rüge des Klägers, das Verwaltungsgericht habe es versäumt aufzuklären, ob und unter welchen Bedingungen dem Kläger eine Fortsetzung seiner erforderlichen Therapie in Griechenland möglich gewesen sei, greift nicht durch. Einen entsprechenden Beweisantrag hat der Kläger, der anwaltlich vertreten war, bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht in der gemäß § 86 Abs. 2 VwGO vorgesehenen Form gestellt (vgl. hierzu BayVGH, B. v. 25.7.2014 -10 ZB 14.633 - juris Rn. 19). Dem Verwaltungsgericht musste sich auch von Amts wegen die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Möglichkeit der Fortsetzung der Drogentherapie in Griechenland nicht aufdrängen. Die Aufklärungsrüge könnte insoweit nur dann erfolgreich sein, wenn das Gericht auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung Anlass zu weiterer Sachaufklärung hätte sehen müssen. Außerdem müsste der Rechtsmittelführer darlegen, welche tatsächlichen Feststellungen bei der Durchführung der unterbliebenen Aufklärung voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern das unterstellte Ergebnis zu einer für ihn günstigeren Entscheidung geführt hätte (BayVGH, B. v. 8.10.2014 - 10 ZB 12.2742 - juris Rn. 52 m. w. N.). Die Frage, ob der Kläger in Griechenland Zugang zu einer entsprechenden Drogentherapie hätte, war für das Verwaltungsgericht jedoch nicht entscheidungserheblich, weil es zutreffend davon ausgegangen ist, dass es für das Entfallen einer Wiederholungsgefahr ausschließlich darauf ankommt, ob zum Zeitpunkt der zu treffenden Prognoseentscheidung eine Drogentherapie bereits erfolgreich absolviert ist.

Die Kostenentscheidung für den Zulassungsantrag des Klägers beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Kostenentscheidung für das Zulassungsverfahren der Beklagten bleibt dem Hauptsacheverfahren vorbehalten.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 63 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, § 47 Abs. 1 und 3, § 39 Abs. 1, § 45 Abs. 1 Satz 2 sowie § 52 Abs. 2 GKG. Das Verwaltungsgericht hat auch über die vom Kläger (zunächst hilfsweise) geltend gemachte Verkürzung der Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots entschieden.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts bezüglich der Verlustfeststellung und jedenfalls einer fünf Jahre ab Ausreise noch unterschreitenden Befristung der Wirkung der Verlustfeststellung rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

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Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 17. Dez. 2015 - 10 ZB 15.1394 zitiert oder wird zitiert von 15 Urteil(en).

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 17. Dez. 2015 - 10 ZB 15.1394 zitiert 6 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 19. Mai 2015 - 10 ZB 14.2019

bei uns veröffentlicht am 19.05.2015

Tenor I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt. II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 10. Dez. 2014 - 19 ZB 13.2013

bei uns veröffentlicht am 10.12.2014

Tenor I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt. II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsantragsverfahrens. III. Der Streitwert für das Zulassungsantragsverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 25. Juli 2014 - 10 ZB 14.633

bei uns veröffentlicht am 25.07.2014

Tenor I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt. II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt. Gründ

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 10. Apr. 2014 - 10 ZB 13.71

bei uns veröffentlicht am 10.04.2014

Tenor I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt. II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt. IV.

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 21. Feb. 2014 - 10 ZB 13.1861

bei uns veröffentlicht am 21.02.2014

Gründe I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.Gründe: De

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 07. März 2012 - 11 S 3269/11

bei uns veröffentlicht am 07.03.2012

Tenor Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 29. April 2009 - 4 K 1175/08 - aufgehoben.Der Bescheid des Regierungspräsidiums Tübingen vom 27. März 2008 wird aufgehoben.Der Beklagte trägt die Kosten des V
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Verwaltungsgericht Augsburg Urteil, 14. Nov. 2017 - Au 1 K 17.249

bei uns veröffentlicht am 14.11.2017

Tenor I. Die Klage wird abgewiesen. II. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen. III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Tatbestand Der am ...1981 geborene Kläg

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 13. Mai 2016 - 10 ZB 15.492

bei uns veröffentlicht am 13.05.2016

Tenor I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 10. Februar 2015 wird zugelassen, soweit damit Ziffer 3. des Bescheids vom 1. September 2014 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet wird, die Wirkungen

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 03. Feb. 2016 - 10 ZB 15.1413

bei uns veröffentlicht am 03.02.2016

Tenor I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt. II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt. Gr

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 24. Okt. 2016 - 10 ZB 15.1636

bei uns veröffentlicht am 24.10.2016

Tenor I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt. II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 10.000,- Euro festgesetzt.

Referenzen

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Tenor

I.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

III.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung, mit dem er seine in erster Instanz erfolglose Klage auf Befristung auf Null oder jedenfalls kürzere Befristung gemäß § 7 Abs. 2 FreizügG/EU des aufgrund einer (bestandskräftigen) Verlustfeststellung nach § 6 Abs. 1 FreizügG/EU bestehenden Einreise- und Aufenthaltsverbots weiterverfolgt, ist unbegründet. Aus dem der rechtlichen Überprüfung durch den Senat allein unterliegenden Vorbringen im Zulassungsantrag ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestünden dann, wenn der Kläger im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Erstgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten infrage gestellt hätte (BVerfG, B. v. 10.9.2009 - 1 BvR 814/09 - juris Rn. 11). Das ist jedoch nicht der Fall.

Dabei kann dahinstehen, ob der Kläger entsprechend der Zulassungsbegründung seines früheren Prozessbevollmächtigten vom 10. Oktober 2014 noch einen Befristungsanspruch auf Null ohne vorherige Ausreise mit einer in diesem Fall statthaften Verpflichtungsklage (§ 42 Abs. 1 2. Alt. VwGO; vgl. BVerwG, U. v. 6.3.2014 - 1 C 2.13 - juris Rn. 7) geltend macht oder gemäß den ergänzenden Ausführungen seines nunmehrigen Bevollmächtigten mit Schriftsatz vom 8. März 2015 nur die behördliche Befristungsentscheidung (mit einer Sperrfrist von drei Jahren ab Ausreise) durch einen Anfechtungsantrag in dem für rechtswidrig erachteten Umfang - der Bevollmächtigte hält eine Sperrfrist von eineinhalb Jahren für angemessen - angreift (zur Statthaftigkeit eines solchen Anfechtungsantrags vgl. z. B. BVerwG, B. v. 14.3.2013 - 1 B 17.12 - juris Rn. 13; B. v. 15.4.2013 - 1 B 22.12 - juris Rn. 31). Denn das Verwaltungsgericht hat zu Recht festgestellt, dass die im Bescheid des Landratsamts vom 8. November 2013 nachträglich verfügte Befristung der Wirkungen der (bestandskräftigen) Verlustfeststellung gemäß § 7 Abs. 2 Satz 2 FreizügG/EU (in der bis 8.12.2014 noch geltenden alten Fassung) rechtlich nicht zu beanstanden ist.

Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung der vom Kläger begehrten Befristung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bzw. hier Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs (st. Rspr.; vgl. BVerwG, U. v. 6.3.2014 - 1 C 2.13 - juris Rn. 6; U. v. 25.3.2015 - 1 C 18.14 - juris Rn. 10). Als Anspruchs- bzw. Rechtsgrundlage für das Befristungsbegehren ist daher nunmehr § 7 Abs. 2 FreizügG/EU in der Fassung des am 9. Dezember 2014 in Kraft getretenen Gesetzes zur Änderung des Freizügigkeitsgesetzes/EU und weiterer Vorschriften vom 2. Dezember 2014 (BGBl I S. 1922; vgl. BVerwG, U. v. 25.3.2015 a. a. O. Rn. 10). Nach § 7 Abs. 2 Satz 5 FreizügG/EU ist das in § 7 Abs. 2 Satz 1 für den Fall einer Verlustfeststellung nach § 6 Abs. 1 bestimmte Einreise- und Aufenthaltsverbot von Amts wegen zu befristen. Die Frist ist unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles festzusetzen und darf fünf Jahre nur in den Fällen des § 6 Abs. 1 überschreiten (§ 7 Abs. 2 Satz 6 FreizügG/EU). Die Frist beginnt mit der Ausreise (§ 7 Abs. 2 Satz 7 FreizügG/EU).

Zu den für die Fristbemessung nach dieser Bestimmung maßgebenden Grundsätzen hat das Bundesverwaltungsgericht in seiner bereits zitierten Entscheidung vom 25. März 2015 (a. a. O. Rn. 23 ff.) Folgendes festgestellt: Für Verlustfeststellungen nach § 6 Abs. 1 FreizügG/EU ist damit - wie bisher - keine Höchstfrist vorgesehen. Weitergehende Vorgaben für die Bestimmung der Dauer der Frist ergeben sich auch nicht aus dem Unionsrecht. Angesichts der auch nach neuer Rechtslage weitgehend unverändert gebliebenen normativen Vorgaben für die Bestimmung der Dauer der Frist kann zur weiteren Konkretisierung auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Befristungsanspruch nach § 7 Abs. 2 Satz 2 FreizügG/EU a. F. zurückgegriffen werden. Hiernach ist in einem ersten Schritt eine an dem Gewicht des Grundes für die Verlustfeststellung sowie dem mit der Maßnahme verbundenen spezialpräventiven Zweck orientierte äußerste Frist zu bestimmen. Hierzu bedarf es der prognostischen Einschätzung im jeweiligen Einzelfall, wie lange das Verhalten des Betroffenen, das der zu spezialpräventiven Zwecken verfügten Verlustfeststellung zugrunde liegt, das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr mit Blick auf die im vorliegenden Fall bedeutsame Gefahrenschwelle des § 6 Abs. 1 FreizügG/EU zu tragen vermag. Im Fall einer langfristig fortbestehenden Rückfall- bzw. Gefährdungsprognose ist ein langfristiger Ausschluss der Wiedereinreise nicht ausgeschlossen. Die sich an der Errichtung des Zwecks der Verlustfeststellung orientierende äußerste Frist muss sich in einem zweiten Schritt an höherrangigem Recht, das heißt unionsrechtlichen Vorgaben und verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen messen und gegebenenfalls relativieren lassen. Dabei sind insbesondere die in § 6 Abs. 3 FreizügG/EU genannten schutzwürdigen Belange des Unionsbürgers in den Blick zu nehmen. Die Abwägung nach Maßgabe des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, die auf der Grundlage der Umstände des Einzelfalls nach Gewichtung der jeweiligen Belange vorzunehmen ist, kann im Extremfall auch zu einer Befristung auf den Jetzt-Zeitpunkt führen. Die nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bei Befristungen nach § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG maßgebenden Erwägungen für die Bestimmung der Länge des Einreise- und Aufenthaltsverbots (BVerwG, U. v. 14.2.2012 - 1 C 7.11 - juris Rn. 33) gelten auch im Rahmen des § 7 Abs. 2 FreizügG/EU nach dessen Neufassung im Dezember 2014, weshalb die zu § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG ergangene Rechtsprechung auch für die Bemessung der Frist nach § 7 Abs. 2 FreizügG/EU zu übertragen ist (BVerwG, U. v. 25.3.2015 a. a. O. Rn. 29).

Ausgehend von diesen für die Fristbestimmung nach § 7 Abs. 2 Satz 5 FreizügG/EU maßgeblichen Grundsätzen, die auch das Verwaltungsgericht beachtet hat, erweist sich die im Bescheid vom 8. November 2013 durch das Landratsamt verfügte Befristung der Wirkungen der Verlustfeststellung auf drei Jahre ab dem Zeitpunkt der Ausreise als nicht unverhältnismäßig und damit rechtmäßig.

Zunächst ist das Verwaltungsgericht bei der zur Fristbestimmung im ersten Schritt anzustellenden Gefahrenprognose zu Recht davon ausgegangen, dass vom Kläger (auch) aktuell weiterhin eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Das Verwaltungsgericht hat dabei darauf abgestellt, dass der Kläger wiederholt und zudem äußerst schwerwiegende Betäubungsmittelstraftaten begangen hat und bereits zweimal wegen solcher - auch besonders gemeinschädlicher - Betäubungsmittelstraftaten zu Freiheitsstrafen von jeweils mehr als 5 Jahren verurteilt worden sei. Der Kläger habe die der letzten Verurteilung zugrunde liegende Tat nicht mehr aufgrund eigener Betäubungsmittelabhängigkeit, sondern aus reinem Gewinnstreben begangen und zum Tatzeitpunkt noch unter offener Bewährung gestanden. Weder der vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs am 23. März 2009 geschlossene Vergleich (nach dem die Wirkungen der bereits mit Bescheid vom 22.5.2006 verfügten Verlustfeststellung mit der Festsetzung einer 10-jährigen Sperrfrist sowie der Ablehnung der Erteilung eines Aufenthaltstitels erst bei einem Widerruf der dem Kläger von der Strafvollstreckungskammer mit Beschluss vom 22.7.2008 bewilligten Straf(rest)aussetzung zur Bewährung eintreten sollten), noch seine familiären Bindungen und Verpflichtungen hätten den Kläger davon abgehalten, weiter schwere (Betäubungsmittel-)Straftaten zu begehen. Obwohl der Kläger unter dem Eindruck der Bewährung gestanden habe und damit habe rechnen müssen, dass das auf zehn Jahre festgesetzte Wiedereinreiseverbot bestandskräftig werde, habe er erneut schwerwiegende Straftaten mit gravierenden Folgen für Leben und Gesundheit Dritter begangen. Angesichts der langjährigen Delinquenz des Klägers und der hohen Gefahr eines (erneuten) Rückfalls könne erst nach einem hinreichend langen Zeitraum beurteilt werden, ob die mit der Verlustfeststellung verbundenen (spezialpräventiven) Wirkungen tatsächlich erreicht seien.

Demgegenüber macht der Kläger mit dem Zulassungsantrag geltend, der Tod seiner Ehefrau Anfang 2012 habe für ihn einen tiefen Einschnitt bedeutet. Ihm sei klar geworden, dass er für seine Kinder nun die einzige Bezugsperson sei. Weitere Straftaten werde er nicht mehr begehen, um seinen Kindern einen festen Halt zu geben und ihnen ein glückliches und zufriedenes Leben auch ohne Mutter zu ermöglichen. Schon dadurch tendiere die Wahrscheinlichkeit einer erneuten Straftatenbegehung gegen Null.

Damit wird jedoch die Gefahrenprognose des Erstgerichts nicht mit schlüssigen Gegenargumenten infrage gestellt. Der Kläger, der sich ab 1994 immer wieder (ohne festen Wohnsitz) im Bundesgebiet aufhielt und hier wechselnden Beschäftigungen nachging und bereits mit Urteil des Amtsgerichts F. vom 20. Dezember 2001 wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Ecstasy-Tabletten sowie Kokain) zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten (die Vollstreckung war zunächst zur Bewährung ausgesetzt) verurteilt worden war, wurde mit Urteil des Landgerichts M. vom 15. Februar 2005 (erneut) u. a. wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen und der unerlaubten bandenmäßigen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren fünf Monaten verurteilt. Gleichzeitig wurde wegen seines Hanges zum Betäubungsmittelkonsum nach § 64 Abs. 1 StGB die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Nach den Feststellungen des Strafgerichts hatte der Kläger, der im April 2002 in zweiter Ehe seine deutsche Ehefrau J.H. geheiratet hatte und Vater von zwei am 24. Januar 2003 und 17. Februar 2004 geborenen Söhnen geworden war, als Mitglied einer hierarchisch auf verschiedenen Kommandoebenen organisierten Gruppe litauischer Staatsangehöriger Heroin und Kokain in die Bundesrepublik Deutschland eingeführt und gewinnbringend vertrieben. Nach erfolgreicher Beendigung der im Bezirkskrankenhaus K. durchgeführten Drogentherapie und der Aussetzung der weiteren Vollstreckung seiner Unterbringung und des Rests der Freiheitsstrafe aus dem Urteil vom 15. Februar 2005 zur Bewährung wurde beim Kläger zwar mit Bescheid des Landratsamts U. vom 22. Mai 2006 der Verlust des Rechts auf Einreise und Aufenthalt festgestellt, die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis bzw. Aufenthaltserlaubnis-EU abgelehnt und ihm für die Dauer von zehn Jahren ab Ausreise die Wiedereinreise und der Aufenthalt im Bundesgebiet untersagt. In dem diesen Bescheid betreffenden Verwaltungsstreitverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof wurde dem Kläger im Jahr 2009 durch die vergleichsweise Abänderung des Bescheids dahingehend, dass die mit diesem Bescheid erstrebten Wirkungen erst mit Widerruf der dem Kläger vom Strafvollstreckungsgericht eingeräumten Bewährung eintreten sollen, nochmals die Möglichkeit eröffnet, im Bundesgebiet bei seiner Familie und insbesondere seinen kleinen Kindern bleiben zu können. Auch diese Möglichkeit hat der Kläger jedoch nicht genutzt. Vielmehr wurde er mit Urteil des Landgerichts M. vom 14. September 2011 wiederum wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Im Rahmen der Strafzumessung hat das Strafgericht dabei zulasten des Klägers vor allem berücksichtigt, dass er erneut mit härteren Drogen in Form von Ecstasy und Metamfetamin Handel getrieben, zur Tatzeit unter Reststrafenbewährung und Führungsaufsicht gestanden habe und mit hoher krimineller Energie eine große Menge unterschiedlicher Betäubungsmittel angehäuft und professionell versteckt habe. Die Feststellung des Verwaltungsgerichts, dem Kläger hätten weder seine familiären Bindungen und Verpflichtungen - am 28. März 2010 wurde seine Tochter Alina geboren, seine Ehefrau litt an einer schweren alkoholbedingten Erkrankung - noch der drohende Widerruf seiner Bewährung und in der Folge eine erneute längere Strafhaft davon abhalten können, erneut und zuletzt aus reinem Gewinnstreben schwerwiegende Betäubungsmittelstraftaten zu begehen, ist nach alledem nur folgerichtig. Die Behauptung im Zulassungsverfahren, der Tod seiner Ehefrau sei im Leben des Klägers die entscheidende Zäsur gewesen, „der Stellenwert der Kinder“ sei „für den Kläger nun wesentlich höher“, „weshalb die Wahrscheinlichkeit, dass der Kläger neue Straftaten begeht, gegen Null“ gehe, ist durch nichts belegt oder glaubhaft gemacht und deshalb nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs nicht geeignet, die verwaltungsgerichtliche Gefahrenprognose und die vom Erstgericht angenommene hohe Gefahr eines erneuten Rückfalls ernsthaft zu erschüttern. Dass die Gefahren für bedeutende Rechtsgüter wie Leben und Gesundheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG), die vom illegalen Handel mit Betäubungsmitteln und insbesondere dem vom Kläger ebenfalls bereits gehandelten besonders gefährlichen Heroin ausgehen, besonders schwerwiegend sind und ein Grundinteresse der Gesellschaft berühren, hat der Senat in ständiger Rechtsprechung immer wieder betont (vgl. z. B. BayVGH, U. v. 27.5.2014 - 10 B 12.1700 - juris Rn. 31 m.w. Rspr-nachweisen; vgl. auch BVerwG, U. v. 14.5.2013 - 1 C 13.12 - juris Rn. 12). Auch nach Auffassung des Senats ist deshalb davon auszugehen, dass vom Kläger ungeachtet seiner diesbezüglichen Einwände weiterhin für eine ganz erhebliche Zeit lang schwerwiegende Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung durch die erneute Begehung gravierender Betäubungsmittelstraftaten ausgehen. Nicht nachvollziehbar ist in diesem Zusammenhang der klägerische Einwand, das Verwaltungsgericht hätte auch in Betracht ziehen müssen, dass der Kläger gemeinsam mit seiner verstorbenen Ehefrau für die Familie ein gemeinsames Zuhause in Form eines Eigenheims habe beschaffen wollen und an diesem Ziel gearbeitet habe, „wobei er sich zu der Straftat habe hinreißen lassen“.

Diese Gefahrenprognose gilt angesichts der dargelegten Gesamtumstände, der langjährigen einschlägigen Delinquenz des Klägers auch unabhängig von einer Betäubungsmittelabhängigkeit und der bei seinen Straftaten gezeigten ganz erheblichen kriminellen Energie für einen derzeit (noch) nicht bzw. kaum absehbaren Zeitraum. Jedenfalls wäre unter Berücksichtigung des Umstandes, dass in der Regel ein Zeitraum von maximal zehn Jahren den Zeithorizont darstellt, für den eine Prognose noch gestellt werden kann (vgl. BVerwG, U. v. 25.3.2015 a. a. O. Rn. 31 m. w. N.), und mit Blick auf andere vergleichbare Fälle (vgl. z. B. BayVGH, U. v. 27.5.2014 - 10 B 12.1700 - juris Rn. 35) nach Auffassung des Senats in einem ersten Schritt eine Sperrfrist für die Wiedereinreise in das Bundesgebiet von mindestens sieben Jahren festzusetzen. Der Einwand des Klägerbevollmächtigten, da die letzte strafrechtliche Verurteilung fünf Jahre und sechs Monate betrage, müsse die im ersten Schritt festzulegende Sperrfrist unterhalb dieses Zeitraums liegen, weshalb in der ersten Stufe ein Zeitraum von vier Jahren angemessen und erforderlich sei, verkennt das auf dieser Stufe allein maßgebliche öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr, hier an der Abwehr schwerwiegender Gefahren für bedeutende Rechtsgüter wie Leben und Gesundheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) durch die erneute Begehung vergleichbarer Betäubungsmittelstraftaten.

Die so bestimmte Frist ist, wovon auch das Verwaltungsgericht in der angefochtenen Entscheidung ausgeht, auf der zweiten Stufe unter Berücksichtigung der schützenswerten Interessen des Klägers (s. § 6 Abs. 3 FreizügG/EU), insbesondere seines durch Art. 6 GG und Art. 8 EMRK geschützten Rechts auf Familienleben, gegebenenfalls zu relativieren, um die fortwirkenden einschneidenden Folgen des Einreise- und Aufenthaltsverbots für die persönliche Lebensführung des Betroffenen sowie seiner engeren Familienangehörigen zu begrenzen. Entgegen der Auffassung des Klägers hat das Verwaltungsgericht dabei die zu schützenden Belange weder verkannt noch falsch gewichtet und die streitbefangene Befristungsentscheidung unter Abwägung der gegenläufigen Interessen zu Recht als angemessen und noch ausreichend erachtet.

Das Verwaltungsgericht ist bei der Beziehung des Klägers zu seinen Kindern auch unter Berücksichtigung der Einschätzung der in der mündlichen Verhandlung angehörten Mitarbeiterin des Jugendamtes zutreffend davon ausgegangen, dass die inzwischen 5-jährige Tochter Alina bisher noch keine engere emotionale Bindung zum Kläger entwickelt hat, weil sie zum Zeitpunkt seiner letzten Inhaftierung erst acht Monate alt war, ein erster persönlicher Kontakt zum Vater erst wieder mit dreieinhalb Jahren erfolgte und seither auch nur wenige Besuchskontakte in der JVA stattfanden. So hat die Mitarbeiterin des Jugendamtes den erzieherischen und emotionalen Einfluss des Klägers auf seine Tochter als gegen Null tendierend bezeichnet. Bezüglich der beiden 11- und 12-jährigen Söhne des Klägers ist das Verwaltungsgericht zwar von einer engeren Bindung zum Vater ausgegangen. Gleichzeitig hat das Verwaltungsgericht aber zutreffend festgestellt, dass der Kläger seiner Personensorge für die beiden Söhne nur in einzelnen Phasen nachgekommen sei und die Vater-Kind-Kontakte auch hier im Wesentlichen durch regelmäßige Besuche und vierteljährliche Vater-Kind-Treffen in der Justizvollzugsanstalt, telefonische und briefliche Kontakte sowie Geschenke geprägt gewesen seien. Mit Blick auf das für 6. Oktober 2018 vorgemerkte Ende der Strafhaft sei die Beziehung des Klägers zu seinen Kindern auch auf längere Sicht auf telefonische Kontakte und sporadische kurze Besuche beschränkt. Zwar würden mit der Ausreise des Klägers die Kontaktmöglichkeiten noch weiter eingeschränkt; diese könnten aber auch nach Litauen telefonisch, brieflich und mittels einzelner Besuche aufrechterhalten werden. Entscheidend für die weitere Entwicklung und das Wohl der Kinder sei in ihrer jetzigen Entwicklungsphase die Fortführung der derzeitigen Unterbringung in Pflegefamilien bzw. bei den Schwiegereltern des Klägers, die den Kindern auch nach Einschätzung des Jugendamtes die erforderliche Konstanz und Stabilität im Leben biete.

Dagegen wendet der Kläger im Zulassungsverfahren im Wesentlichen ein, müsse er die Bundesrepublik verlassen, werde ihm die für das Kindeswohl erforderliche Annäherung an seine Tochter mit dem weiteren Aufbau einer emotionalen Bindung unmöglich. Die im Übrigen inzwischen ebenfalls bei seinen Schwiegereltern dauerhaft untergebrachten Söhne hätten auch während der wiederholten Inhaftierung des Klägers den Kontakt zu ihrem Vater durch regelmäßige Besuche, Vater-Kind-Treffen in der JVA sowie telefonisch und brieflich aufrechterhalten. Im Fall der Aufenthaltsbeendigung drohe allen Kindern letztlich der Verlust auch des Vaters. Die Aufrechterhaltung des Kontakts zu seinen Kindern aus Litauen sei schon aufgrund der Entfernung und der finanziellen Verhältnisse sehr schwierig. Als für seine Kinder (nunmehr) allein Sorgeberechtigter habe er die elterliche Sorge immer ernst genommen und im Rahmen der dargelegten Kontakte auch tatsächlich ausgeübt. Auch in einem Führungsbericht der JVA vom 12. November 2014 werde das Verhältnis zu seinen Kindern als gut bezeichnet und festgestellt, dass sich der Kläger auch seiner Tochter Alina gegenüber zugewandt, liebevoll und bemüht verhalten habe. Er habe sich selbstverständlich häufigere Besuche seiner Kinder in der JVA gewünscht. Die drei Kinder lebten inzwischen gemeinsam bei den Schwiegereltern, die vom Jugendamt als Pflegeeltern bestellt worden seien. Er werde sich bemühen, nunmehr von Litauen aus auf die Pflege und Sorge für seine Kinder den elterlichen Einfluss auszuüben und Unterhaltszahlungen zu leisten. Er habe eine abgeschlossene Berufsausbildung, sei auf dem Arbeitsmarkt gut vermittelbar und beziehe im Übrigen eine Witwenrente, die nach seiner Rückkehr zum Lebensunterhalt der Familie beitragen werde. Vom Verwaltungsgericht sei nicht berücksichtigt worden, dass aufgrund des Beschlusses der Staatsanwaltschaft vom 2. Oktober 2014 gemäß § 456a StPO von der weiteren Vollstreckung der gegen den Kläger verhängten Freiheitsstrafen abgesehen worden sei. Zum Zeitpunkt seiner Abschiebung nach Litauen bestehe eine offene Reststrafe von 44 Monaten, deren Vollstreckung für den Fall der Rückkehr in die Bundesrepublik angeordnet worden sei. Damit stehe aber fest, dass sich der Zeitraum, in welchem er und seine Kinder voneinander getrennt leben müssten, tatsächlich ganz erheblich länger gestalten werde als die drei Jahre Sperrfrist. Daher müsse die Sperrfrist deutlich reduziert werden, wobei eineinhalb Jahre als angemessen erachtet würden. Das Verwaltungsgericht habe nicht nur die Bedeutung der familiären Lebensgemeinschaft mit seinen Kindern verkannt, sondern auch nicht berücksichtigt, dass er seit einer früheren Entwöhnungstherapie keine Drogen mehr konsumiere und sein Leben im Griff habe. Er habe im Strafprozess ein Geständnis abgelegt, sich die Inhaftierung zu Herzen genommen und seine Verantwortung für die Kinder und sein eigenes Leben nunmehr nachhaltig erkannt. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts habe er aufgrund seiner Ausbildung und seiner beruflichen Erfahrung eine gute berufliche Zukunftsperspektive in Deutschland.

Auch damit wird die Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung aber nicht mit schlüssigen Gegenargumenten infrage gestellt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (z. B. B. v. 5.6.2013 - 2 BvR 586/13 - juris) und - dieser Rechtsprechung folgend - des Senats (vgl. zuletzt U. v. 3.2.2015 - 10 BV 13.421 - juris Rn. 83) ist bei aufenthaltsrechtlichen Entscheidungen, die den Umgang mit einem Kind berühren, maßgeblich auch auf die Sicht des Kindes abzustellen und im Einzelfall zu untersuchen, ob tatsächlich eine persönliche Verbundenheit besteht, auf deren Aufrechterhaltung das Kind zu seinem Wohl angewiesen ist. Dabei sind die Belange des Elternteils und des Kindes umfassend zu berücksichtigen. Dementsprechend ist im Einzelfall zu würdigen, in welcher Form die Elternverantwortung ausgeübt wird und welche Folgen eine endgültige oder vorübergehende Trennung für die gelebte Eltern-Kind-Beziehung und das Kindeswohl hätte. In diesem Zusammenhang ist davon auszugehen, dass der persönliche Kontakt des Kindes zu seinen Eltern und der damit verbundene Aufbau und die Kontinuität emotionaler Bindungen zu Vater und Mutter in der Regel der Persönlichkeitsentwicklung des Kindes dienen. Eine auch nur vorübergehende Trennung kann nicht als zumutbar angesehen werden, wenn das Gericht keine Vorstellung davon entwickelt, welchen Trennungszeitraum es für zumutbar erachtet. Ein hohes, gegen die Aufenthaltsbeendigung sprechendes Gewicht haben die Folgen einer vorübergehenden Trennung insbesondere, wenn ein noch sehr kleines Kind betroffen ist, das den nur vorübergehenden Charakter einer räumlichen Trennung möglicherweise nicht begreifen kann und diese rasch als endgültigen Verlust erfährt (BVerfG a. a. O. Rn. 14 m.w. Rspr-nachweisen).

Nach diesen Maßgaben stellt sich aber die vom Verwaltungsgericht als rechtmäßig erachtete Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots auf drei Jahre ab Ausreise als zumutbar und damit verhältnismäßig dar. Der Senat teilt die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass bei der konkreten Situation des Klägers und seiner drei Kinder, die gekennzeichnet ist von einer auch bisher im Wesentlichen (nur) auf der Basis von Besuchen, telefonischen und brieflichen Kontakten und Geschenken wahrgenommenen, eher sporadischen (d. h. von Abwesenheiten und Unterbrechungen geprägten) Elternverantwortung, einer gerade bei der noch sehr kleinen Tochter Alina allenfalls erst im Aufbau begriffenen emotionalen Bindung und einer für die weitere Entwicklung und das Wohl der Kinder in ihrer jetzigen Entwicklungsphase in erster Linie erforderlichen Konstanz und Stabilität im Rahmen ihrer Unterbringung bei den Schwiegereltern des Klägers als vom Jugendamt bestellte Pflegeeltern, eine zeitlich begrenzte Trennung des Klägers von seinen Kindern nicht als unzumutbar anzusehen ist.

Der auf die Dauer dieser Trennung bezogene Einwand des Klägers, das Verwaltungsgericht habe bei seiner Beurteilung der zumutbaren Sperrfrist nicht die Problematik der noch offenen Reststrafe von ca. 44 Monaten berücksichtigt und nicht hinreichend gewürdigt, dass sich dadurch der Trennungszeitraum tatsächlich erheblich verlängere, greift ebenfalls nicht durch. Denn wenn beim Kläger nicht nach § 456a StPO von der Vollstreckung der bei ihm noch offenen Freiheitsstrafe abgesehen worden wäre, würde sich die Trennungssituation infolge der streitbefangenen Befristungsentscheidung, jedenfalls was deren Dauer anbelangt, nicht anders darstellen. Die vom Kläger beanstandete Sondersituation, die seiner Meinung nach bei der Bemessung der Dauer der Frist hätte berücksichtigt werden müssen, besteht daher tatsächlich nicht.

Rechtlich nicht zu beanstanden sind entgegen der Auffassung des Klägers schließlich die vom Verwaltungsgericht bei der Würdigung der sonstigen persönlichen Umstände angestellten Erwägungen. Insbesondere hat das Verwaltungsgericht die den Kläger in Litauen erwartende Situation zutreffend gewürdigt und zu Recht festgestellt, dass der Kläger auch bei einem Verbleib im Bundesgebiet vor dem Problem stünde, sich (und seinen Kindern) eine neue Existenz aufzubauen.

Lediglich zur Klarstellung wird darauf hingewiesen, dass die vom Verwaltungsgericht unter Nr. 2. der angefochtenen Entscheidung noch behandelte Ablehnung der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis unabhängig davon, dass diese Ablehnung schon vom Klageantrag des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht vom 30. Juli 2014 nicht (mehr) erfasst war, jedenfalls nicht Gegenstand des Zulassungsantrags ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

Tenor

I.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsantragsverfahrens.

III.

Der Streitwert für das Zulassungsantragsverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der am 25. September 1950 geborene Kläger begehrt die Berufungszulassung, um im Ergebnis die Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 28. Februar 2013 in der Fassung des Ergänzungsbescheides vom 21. Mai 2013 zu erreichen, in dem festgestellt worden ist, dass er sein Recht auf Einreise und Aufenthalt für die Bundesrepublik Deutschland gemäß § 6 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügG/EU) verloren hat (Ziff. I des Bescheides), und er unter Fristsetzung zur Ausreise aufgefordert (Ziff. II des Bescheides), ihm die Abschiebung nach Österreich oder in einen anderen Staat, in den er einreisen darf oder der zu seiner Übernahme verpflichtet ist, angedroht worden ist (Ziff. III des Bescheides), und die Wirkungen der Feststellung des Verlustes des Rechts auf Einreise und Aufenthalt für die Bundesrepublik Deutschland und einer eventuellen Abschiebung auf die Dauer von 10 Jahren ab Ausreise bzw. Abschiebung befristet worden sind (Ziff. IV des Ergänzungsbescheides).

Zur Begründung seines Antrags auf Zulassung der Berufung gegen das klageabweisende Urteil vom 8. August 2013 trägt der Kläger vor, es fehle an ausreichenden Gründen für eine Aberkennung seines Rechts auf Einreise und Aufenthalt im Bundesgebiet. Insbesondere sei eine konkrete Gefahr, dass der Kläger die von ihm begangenen Straftaten wiederholen werde, auch im Hinblick auf sein Alter nicht gegeben. Auch habe die Behörde für den im Jahr 1950 geborenen Kläger faktisch ein lebenslängliches Einreiseverbot verhängt. Hingewiesen werde zudem darauf, dass der Kläger sich wegen einer Niereninsuffizienz in einem Peritonealdialyseprogramm befinde.

II.

Der auf die Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils) und des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO (grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache) gestützte Antrag bleibt ohne Erfolg.

1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, die die Zulassung der Berufung rechtfertigen, sind zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten derart in Frage gestellt wird, dass sich die gesicherte Möglichkeit der Unrichtigkeit er erstinstanzlichen Entscheidung ergibt (z. B. BVerfG, B. v. 20.12.2010 - 1 BvR 2011/10 - NVwZ 2011, 546/547), mithin diese Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (vgl. BVerwG, B. v. 10.3.2010 - 7 AV 4/03 - DVBl. 2004, 838/839). Solche ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts ergeben sich aus dem Zulassungsvorbringen des Klägers nicht.

a) Das Vorbringen des Klägers stellt nicht die Erwägungen des Verwaltungsgerichts betreffend die öffentliche Sicherheit in Frage.

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts ergeben sich zunächst nicht aus dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 16. Januar 2014 (C-400/12 - juris). Der Gerichtshof hat hier für Recht erkannt, dass Art. 28 Abs. 3 Buchstabe a der Richtlinie 2004/38/EG (auf dem § 6 Abs. 5 Satz 1 FreizügG/EU beruht) dahin auszulegen ist, dass der Aufenthaltszeitraum von 10 Jahren grundsätzlich ununterbrochen gewesen sein muss und vom Zeitpunkt der Verfügung der Ausweisung an zurückzurechnen ist (Rn. 24 ff.). Des Weiteren ist die Vorschrift dahin auszulegen, dass der Zeitraum der Verbüßung einer Freiheitsstrafe durch den Betroffenen grundsätzlich geeignet ist, die Kontinuität des Aufenthalts im Sinne der Bestimmung zu unterbrechen und sich damit auf die Gewährung des dort vorgesehenen verstärkten Schutzes auch in dem Fall auszuwirken, dass sich diese Person vor dem Freiheitsentzug 10 Jahre lang im Aufnahmemitgliedsstaat aufgehalten hat (Rn. 33 ff.). Es kann dahinstehen, ob sich der Kläger angesichts der genannten Entscheidung des Gerichtshofs wegen seiner bereits ca. zweijährigen Inhaftierung zum Zeitpunkt der Ausweisungsverfügung und seiner weiteren ersichtlichen Inhaftierung von Dezember 2001 bis März 2009 nicht mehr auf den erhöhten Schutz des § 6 Abs. 5 FreizügG/EU berufen kann, die Verlustfeststellung vielmehr gemäß § 6 Abs. 4 FreizügG/EU bereits aus schwerwiegenden Gründen möglich ist. Die Behörde und das Verwaltungsgericht sind zugunsten des Klägers von dem erhöhten Schutz des § 6 Abs. 5 FreizügG/EU ausgegangen.

Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU kann der Verlust des Rechts eines Unionsbürgers auf Einreise und Aufenthalt (§ 2 Abs. 1 FreizügG/EU) u. a. aus Gründen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit festgestellt werden. Die Tatsache einer strafrechtlichen Verurteilung genügt für sich allein nicht, um die in § 6 Abs. 1 FreizügG/EU genannten Entscheidungen oder Maßnahmen zu begründen. Es dürfen nur im Bundeszentralregister noch nicht getilgte strafrechtliche Verurteilungen berücksichtigt werden, und diese nur insoweit, als die ihnen zugrunde liegenden Umstände ein persönliches Verhalten erkennen lassen, das eine gegenwärtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung darstellt. Es muss eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung vorliegen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, § 6 Abs. 2 FreizügG/EU. Auch sind bei der Entscheidung nach § 6 Abs. 1 FreizügG/EU insbesondere die Dauer des Aufenthalts des Betroffenen in Deutschland, sein Alter, sein Gesundheitszustand, seine familiäre und wirtschaftliche Lage, seine soziale und kulturelle Integration in Deutschland und das Ausmaß seiner Bindungen zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen, § 6 Abs. 3 FreizügG/EU. Gemäß § 6 Abs. 4 FreizügG/EU darf eine Feststellung nach Absatz 1 nach Erwerb des Daueraufenthaltsrechts nur aus schwerwiegenden Gründen getroffen werden. Bei Unionsbürgern, die ihren Aufenthalt in den letzten zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, darf eine Feststellung nach § 6 Abs. 1 FreizügG/EU nur aus zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit getroffen werden, § 6 Abs. 5 Satz 1 FreizügG/EU. Zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit können nur dann vorliegen, wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe vom mindestens fünf Jahren verurteilt oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherheitsverwahrung angeordnet wurde, wenn die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland betroffen ist oder wenn von Betroffenen eine terroristische Gefahr ausgeht, § 6 Abs. 5 Satz 2 FreizügG/EU. Der Begriff der zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit im Sinne des § 6 Abs. 5 Satz 1 FreizügG/EU, der der Umsetzung des Art. 28 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mietgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, dient, setzt nicht nur das Vorliegen einer Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit voraus, sondern darüber hinaus, dass die Beeinträchtigung einen besonders hohen Schweregrad aufweist. Eine Ausweisungsmaßnahme ist hier auf außergewöhnliche Umstände begrenzt (EuGH - U. v. 23.11.2010 - C-145/09 Rn. 40,41 - juris). Sie muss auf eine individuelle Prüfung des Einzelfalls gestützt werden und kann nur dann mit zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit gerechtfertigt werden, wenn sie angesichts der außergewöhnlichen Schwere der Bedrohung für den Schutz der Interessen, die mit ihr gewahrt werden sollen, erforderlich ist; Voraussetzung ist weiter, dass dieses Ziel unter Berücksichtigung der Aufenthaltsdauer im Aufnahmemitgliedstaat des Unionsbürgers und insbesondere der schweren negativen Folgen, die eine solche Maßnahme für Unionsbürger haben kann, die vollständig in den Aufnahmemitgliedstaat integriert sind, nicht durch weniger strikte Maßnahmen erreicht werden kann. Dabei ist insbesondere der außergewöhnliche Charakter der Bedrohung der öffentlichen Sicherheit aufgrund des persönlichen Verhaltens der betroffenen Person, die zu der Zeit, zu der die Ausweisungsverfügung ergeht, zu beurteilen ist, nach Maßgabe der verwirkten und verhängten Strafen, des Grades der Beteiligung an der kriminellen Aktivität, des Umfangs des Schadens und gegebenenfalls der Rückfallneigung, gegen die Gefahr abzuwägen, die Resozialisierung des Unionsbürgers in dem Aufnahmemitgliedsstaat, in den er vollständig integriert ist, zu gefährden (EuGH - U. v.23.11.2010 - C-145/09 Rn. 49,50 - juris). Im Falle einer Verurteilung wegen Straftaten ist § 6 Abs. 5 Satz 1 FreizügG/EU im Übrigen dahin auszulegen, dass es den Mitgliedstaaten freisteht, Straftaten wie die in Art. 83 Abs. 1 Unterabs. 2 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) angeführten als besonders schwere Beeinträchtigung eines grundlegenden gesellschaftlichen Interesses anzusehen, die geeignet ist, die Ruhe und die physische Sicherheit der Bevölkerung unmittelbar zu bedrohen, und die damit unter den Begriff der zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit fallen kann, mit denen eine Ausweisungsverfügung gerechtfertigt werden kann, sofern die Art und Weise der Begehung solcher Straftaten besonders schwerwiegende Merkmale aufweist. Zudem setzt eine Verlustfeststellung voraus, dass das persönliche Verhalten des Betroffenen eine tatsächliche und gegenwärtige Gefahr darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft oder des Aufnahmemitgliedstaats berührt, wobei diese Feststellung im Allgemeinen bedeutet, dass eine Neigung des Betroffenen bestehen muss, das Verhalten in Zukunft beizubehalten (EUGH - U. v. 22.5.2012 - C-348/09 Rn. 33,34 - juris).

Das Verwaltungsgericht hat - wie die Beklagte davon ausgehend, dass der Kläger sich auf den erhöhten Schutz des § 6 Abs. 5 FreizügG/EU berufen kann - diese rechtlichen Vorgaben bei seiner Entscheidung beachtet und ist auf ihrer Grundlage zu dem Ergebnis gelangt, dass die Voraussetzungen für eine Verlustfeststellung auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gegeben sind. Die das angefochtene Urteil tragenden Erwägungen hat der Kläger nicht mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt.

Es ist nicht zu beanstanden, wenn die Beklagte und das Verwaltungsgericht die vom Kläger begangenen Straftaten als besonders schwere Beeinträchtigung eines grundlegenden gesellschaftlichen Interesses angesehen haben, die geeignet ist, die Ruhe und die Sicherheit der Bevölkerung unmittelbar zu bedrohen und davon ausgehend zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit für die Verlustfeststellung bejaht haben, auch weil die Art und Weise der Begehung der Straftaten hier besonders schwerwiegende Merkmale aufweist. Zu Recht hat die Beklagte (bestätigt durch das Verwaltungsgericht) u. a. ausgeführt, dass sich die zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit aus der Vielzahl der vom Kläger begangenen Straftaten ergeben, die mehrfach gegen das Vermögen anderer gerichtet waren. Den Gründen des gegen den Kläger ergangenen rechtskräftigen Strafurteils des Amtsgerichts N. vom 22. April 1999 (Verurteilung wegen versuchten Betrugs sowie Betrugs mit Urkundenfälschung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren, Bewährungszeit vier Jahre) ist zu entnehmen, dass der Kläger u. a. als Immobilienmakler unberechtigt Provisionsauszahlungen erreichte, um (vermögenslos und überschuldet) seinen eigenen Lebensstandard (u. a. als Dienstwagen ein Fahrzeug der Marke Porsche) zu sichern. Die Strafaussetzung wurde wegen weiterer Straftaten in der Bewährungszeit widerrufen (Strafvollstreckung erledigt am 7. Juni 2007). Mit Urteil des Landgerichts N. vom 20. März 2003 wurde der Kläger wegen gewerbsmäßigen Betrugs in zwanzig Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 5 Jahren und 6 Monaten verurteilt. Den Gründen dieses Urteils ist zu entnehmen, dass der Kläger im August 2000 Schulden zwischen 50.000 und 60.000 DM aufgrund seines luxuriösen Lebensstils gehabt habe. Im Zeitraum Oktober 2000 bis Oktober 2001 sei er in insgesamt achtzehn Fällen als angeblicher Makler aufgetreten, der betrügerisch von Immobilienverkäufern Provisionszahlungen zwischen 1.700 und 43.460 Euro erhalten habe, insgesamt 188.053,15 Euro. Bei zwei weiteren Betrugshandlungen habe er einen Schaden von 10.895,63 Euro verursacht. Dem Urteil ist weiter zu entnehmen, dass einige Geschädigte durch die Taten des Klägers in finanzielle Bedrängnis gerieten, dass der Kläger, wie sich auch aus den Vorstrafen ergebe, der Drahtzieher, Initiator, Ideengeber und Hauptnutznießer des Geschehens gewesen sei, dass er die Verkäufer bewusst unter Zeitdruck gesetzt habe, dass er mehrfach und einschlägig erheblich vorbestraft gewesen sei und bei den Taten unter laufender einschlägiger Bewährung gestanden habe. Die teilweise Leistung einer Schadenswiedergutmachung spreche nur sehr eingeschränkt für den Kläger, da diese Zahlungen aus unrechtmäßig erlangten Provisionen erfolgt seien. Die Gesamtfreiheitsstrafe von 5 Jahren 6 Monaten sei notwendig, um (u. a.) dem Angeklagten sein Fehlverhalten nochmals eindringlich vor Augen zu führen und ihn dazu anzuhalten, in Zukunft keine weiteren Straftaten mehr zu begehen. Es solle ihm durch die Verurteilung auch vor Augen geführt werden, dass, sollte er nach Strafverbüßung wiederum, insbesondere einschlägig, straffällig werden, die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung gemäß § 66 StGB in Betracht zu ziehen sein werde. Zu Recht weisen die Beklagte und das Verwaltungsgericht sodann darauf hin, dass der Kläger, nachdem die Strafvollstreckung aus diesem Urteil am 26. März 2009 erledigt war und Führungsaufsicht bis zum 25. März 2014 eingetreten war, bereits ab November 2009 wiederum einschlägig straffällig wurde. Dem rechtskräftigen Urteil des Landgerichts N. vom 10. Oktober 2011, mit dem der Kläger wegen Betrugs in 14 Fällen und versuchten Betrugs in 5 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 7 Jahren und 8 Monaten verurteilt wurde, ist u. a. zu entnehmen, dass der Kläger bis zu seiner Verhaftung im Februar 2011 in 18 Fällen als Käufer von Immobilien auftrat, um unberechtigt Provisionen zu erhalten; in einem weiteren Fall erlangte er in betrügerischer Weise bei einem Autohaus einen Pkw, Typ Mercedes, zum Preis von 38.000 Euro, ohne das ihm überlassene Fahrzeug zu bezahlen. Gegeben sei (mit einer Ausnahme) jeweils ein besonders schwerer Fall des § 263 Abs. 3 StGB (Strafrahmen 6 Monate bis 10 Jahre). Schadenswiedergutmachung habe der Kläger nur auf Druck der Geschädigten und mit Geldern bewirkt, die er sich anderweitig wiederum durch Betrügereien beschafft habe. Der Kläger sei mehrfach und einschlägig vorbestraft. Das Bundeszentralregister weise für ihn insgesamt neunzehn Eintragungen auf. Allein sechs dieser Eintragungen hätten Verurteilungen wegen (versuchten) Betrugs sowie teils weiterer Delikte zum Gegenstand gehabt. Insbesondere der Verurteilung durch das Landgericht N. vom 20. März 2003 lägen nahezu identische Sachverhalte zugrunde, wie sie hier zur Aburteilung gestanden hätten. Strafschärfend sei auch heranzuziehen, dass der Kläger wegen einschlägiger Delikte bereits mehrere Jahre inhaftiert gewesen sei und dass er bereits rund 6 Monate nach seiner letzten Haftentlassung erneut straffällig geworden sei, mithin eine erhebliche Rückfallgeschwindigkeit an den Tag gelegt habe.

Es ist nachvollziehbar, wenn die Beklagte und das Verwaltungsgericht davon ausgehend zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit für eine Verlustfeststellung bejahen, da die begangenen Straftaten als besonders schwere Beeinträchtigung eines grundlegenden gesellschaftlichen Interesses anzusehen sind, die geeignet ist, die Ruhe und die Sicherheit der Bevölkerung unmittelbar zu bedrohen. Insbesondere durch seine fortwährenden zahlreichen Betrugshandlungen im Immobilienbereich ist ein beträchtlicher Schaden für die Betrugsopfer entstanden, die teilweise in erhebliche finanzielle Bedrängnis geraten sind. Vermögensstraftaten eines Umfangs und einer Art und Weise, wie vom Kläger begangen, bedrohen die legale Wirtschaftstätigkeit sowie wirtschaftliche Existenzen und damit die innere Sicherheit. Dass der Gesetzgeber den betroffenen Rechtsgütern einen sehr hohen Stellenwert zumisst, ergibt aus dem Strafrahmen, der (bei den zuletzt abgeurteilten besonders schweren Fällen) gemäß § 263 Abs. 3 StGB von 6 Monaten bis zu 10 Jahren Freiheitsstrafe reicht, mithin ausnahmslos Freiheitsstrafen beinhaltet. Zu Recht weist das Verwaltungsgericht auf die „extrem hohe Zahl der Betrugshandlungen, die der Kläger begangen hat“, und den Umstand hin, dass dieser von Dezember 2001 bis März 2009 inhaftiert war. Zu berücksichtigen sei zudem, dass der Verurteilung des Klägers durch das Landgericht N. vom 20. März 2003 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 5 Jahren und 6 Monaten Einzelstrafen in Höhe von insgesamt knapp 26 Jahren und der weiteren Verurteilung des Klägers durch das Landgericht N. vom 20. Oktober 2011 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 7 Jahren und 8 Monaten Einzelstrafen in Höhe von insgesamt knapp 30 Jahren zugrunde gelegen hätten. Insgesamt seien damit verwirkte Einzelstrafen von über 50 Jahren im Raum gestanden. Zu Recht gehen die Beklagte und das Verwaltungsgericht davon aus, dass die Art und Weise der Begehung der Straftaten hier besonders schwerwiegende Merkmale aufweist. Auch dies kann aus den Feststellungen der Strafgerichte hergeleitet werden. Zu Recht weisen die Beklagte und das Verwaltungsgericht auch darauf hin, dass die Initiative für die kriminellen Aktivitäten vom Kläger ausgegangen ist und er hohe kriminelle Energie entfaltet hat.

Zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit, die zu einer Verlustfeststellung gemäß § 6 Abs. 5 FreizügG/EU berechtigen, können nicht nur dann angenommen werden, wenn es sich um Straftaten handelt, die in Art. 83 Abs. 1 Unterabs. 2 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) aufgeführt sind. Zu Recht haben sich die Beklagte und das Verwaltungsgericht nicht durch den Umstand, dass die vom Kläger begangenen Delikte nicht unmittelbar in Art 83 Abs. 1 Unterabs. 2 AEUV genannt sind, daran gehindert gesehen, die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 6 Abs. 5 FreizügG/EU zu bejahen. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat in seinem Urteil vom 22. Mai 2012 (C-348/09 - juris) ausgeführt, dass es den Mitgliedstaaten freistehe, Straftaten wie die in Artikel 83 Abs. 1 Unterabs. 2 AEUV angeführten als besonders schwere Beeinträchtigung eines grundlegenden gesellschaftlichen Interesses anzusehen, die geeignet ist, die Ruhe und die physische Sicherheit der Bevölkerung unmittelbar zu bedrohen, und die damit unter den Begriff der zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit fallen kann, mit denen gemäß Art. 28 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38 eine Ausweisungsverfügung gerechtfertigt werden kann, sofern die Art und Weise der Begehung solcher Straftaten besonders schwerwiegende Merkmale aufweist. Wie sich schon aus der vom Gerichtshof verwendeten Formulierung („…Straftaten wie die in Art. 83 Abs. 1 Unterabs. 2 AEUV angeführten…“) ergibt, schließt der Gerichtshof nicht aus, dass auch andere als die in der genannten Vorschrift aufgeführten Straftaten zu zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit, die eine Verlustfeststellung rechtfertigen, führen können. Dies folgt zudem daraus, dass Art. 83 AEUV nicht dem Zwecke dient, abschließend festzulegen, welche Straftaten Voraussetzung für eine Verlustfeststellung im Sinne des § 6 Abs. 5 FreizügG/EU sein können. Vielmehr enthält Art. 83 Abs. 1 AEUV eine Befugnis für das Europäische Parlament und den Rat, gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren durch Richtlinien Mindestvorschriften zur Festlegung von Straftaten und Strafen in Bereichen besonders schwerer Kriminalität festzulegen, die aufgrund der Art oder der Auswirkungen der Straftaten oder aufgrund einer besonderen Notwendigkeit, sie auf einer gemeinsamen Grundlage zu bekämpfen, eine grenzüberschreitende Dimension haben. Als derartige Kriminalitätsbereiche werden genannt: Terrorismus, Menschenhandel und sexuelle Ausbeutung von Frauen und Kindern, illegaler Drogenhandel, illegaler Waffenhandel, Geldwäsche, Korruption, Fälschung von Zahlungsmitteln, Computerkriminalität und organisierte Kriminalität (Art. 83 Abs. 1 Unterabs. 1 und 2 AEUV). Dementsprechend hat der Gerichtshof (U. v. 22.5.2012 a. a. O.) ausgeführt, das Unionsrecht schreibe den Mitgliedstaaten keine einheitliche Werteskala für die Beurteilung von Verhaltensweisen vor, die als Verletzung der öffentlichen Sicherheit angesehen werden könnten; die zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit würden nach Art. 28 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38 von den Mitgliedstaaten festgelegt; grundsätzlich stehe es den Mitgliedstaaten im Wesentlichen frei, nach ihren nationalen Bedürfnissen, die je nach Mitgliedstaat und Zeitpunkt unterschiedlich sein könnten, zu bestimmen, was die öffentliche Ordnung und Sicherheit erfordere, doch seien diese Anforderungen eng zu verstehen. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die in Art. 83 Abs. 1 Unterabs. 2 AEUV genannten Kriminalitätsbereiche der Geldwäsche, der Fälschung von Zahlungsmitteln und der Computerkriminalität betrugsähnliche Tatbestände beinhalten.

Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen vom 14. März 2013 (18 A 2263/08 Rn. 29 - juris) spricht nicht für die Auffassung, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit nach § 6 Abs. 5 FreizügG/EU im Falle einer Verurteilung wegen Straftaten nur dann angenommen werden können, wenn es sich um Straftaten handelt, die in Art. 83 Abs. 1 Unterabs. 2 AEUV als Bereiche besonders schwerer Kriminalität genannt werden. Bei der diesbezüglichen kursorischen Wendung im Urteil vom 14. März 2013 handelt es sich um ein nicht entscheidungserhebliches obiter dictum, denn das Urteil betraf die Frage der Rechtmäßigkeit einer Verlustfeststellung nach § 6 Abs. 5 FreizügG/EU im Fall einer Verurteilung wegen an Minderjähriger begangener Sexualstraftaten (das Oberverwaltungsgericht hatte das Verfahren ausgesetzt und zur Vorabentscheidung an den EUGH vorgelegt, was zum Urteil des EUGH vom 22. Mai 2012 < C-348/09 - juris > führte). Mit Tatbeständen, die in der vom Gerichtshof herangezogenen Vertragsbestimmung nicht unmittelbar genannt werden, befasst sich das Oberverwaltungsgericht in seinem Urteil auch sonst nicht.

Zu Recht gehen die Beklagte und das Verwaltungsgericht auch davon aus, dass das persönliche Verhalten des Klägers eine tatsächliche und gegenwärtige Gefahr darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft oder des Aufnahmemitgliedstaates berührt, wobei diese Feststellung im Allgemeinen bedeutet, dass eine Neigung des Betroffenen bestehen muss, das Verhalten in Zukunft beizubehalten (EUGH, U. v. 22.5.2012 a. a. O.). Die inmitten stehende Frage der Wiederholungsgefahr nach strafrechtlichen Verurteilungen kann grundsätzlich von den Gerichten regelmäßig ohne Hinzuziehung eines Sachverständigen beurteilt werden, denn die Gerichte bewegen sich mit einer entsprechenden tatsächlichen Würdigung regelmäßig in Lebens- und Erkenntnisbereichen, die den Richtern allgemein zugänglich sind (BVerwG, B. v. 4.5.1990 - 1 B 82/89, B. v. 14.3.1997 - 1 B 63/97, B. v. 22.10.2008 - 1 B 5/08 jeweils m. w. N. - jeweils juris). Bei der insoweit erforderlichen individuellen Beurteilung des Einzelfalls sind, wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausführt, an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist (BVerwG, U. v. 10.7.2012 - 1 C 19/11 -, U. v. 4.10.2012 - 1 C 13/11 -, jeweils juris).

Dies zugrunde gelegt gehen die Beklagte und das Verwaltungsgericht zu Recht von einer Wiederholungsgefahr beim Kläger aus. Der Kläger hat über Jahre hinweg eine Vielzahl von Straftaten begangen, die insbesondere gegen das Vermögen anderer gerichtet waren. Die Beklagte und das Verwaltungsgericht führen zu Recht aus, dass beim Kläger unter Berücksichtigung der den letzten Verurteilungen zugrunde liegenden (überwiegend gewerbsmäßig begangenen) Betrugsdelikten, der im Vorfeld über Jahrzehnte von ihm begangenen zum Teil gravierenden Straftaten und dem Umstand, dass er sich durch die deshalb gegen ihn ergangenen Strafurteile nicht von der Begehung weiterer, in Art und Ausmaß stetig ansteigender Straftaten hat abhalten lassen, von erheblichen charakterlichen Mängeln auszugehen ist, die zusammen mit der Tatsache der gescheiterten Integration in die hiesigen Lebensverhältnisse und seiner nicht vorhandenen Sozialisierung zu der Annahme führen, dass er auch künftig weiter schwere Straftaten begehen werde. Sein bisheriges Leben im Bundesgebiet sei im Wesentlichen auf Lug und Trug aufgebaut. Es sei offensichtlich, dass er der geltenden Rechtsordnung im Bundesgebiet keinerlei Bedeutung beimesse, sondern vielmehr bereit sei, zum eigenen Vorteil und zur Verschaffung einer regelmäßigen Einnahmequelle anderen Menschen auf betrügerische Weise großen finanziellen Schaden zuzufügen, wobei einige seiner Opfer durch die Straftaten sogar in finanzielle Bedrängnis gebracht worden seien. Dafür, dass der Kläger auch nach einer Haftentlassung seinen Lebensunterhalt, (ggf. einen - wie in der Vergangenheit - von ihm angestrebten luxuriösen Lebensstil) durch Vermögensstraftaten gegen Dritte finanzieren wird, spricht insbesondere der Umstand, dass der Kläger sich von der Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von 5 Jahren und 6 Monaten mit Strafurteil vom 20. März 2003, von der Warnung in diesem Urteil, dass für den Fall einer erneuten insbesondere einschlägigen Straffälligkeit nach Strafverbüßung die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung gemäß § 66 StGB in Betracht zu ziehen sein werde, des Weiteren von einer Verwarnung durch die Ausländerbehörde unter Androhung einer Verlustfeststellung bei künftigen Straftaten und von der angeordneten Führungsaufsicht nicht abhalten ließ, bereits 8 Monate nach der Erledigung der Strafvollstreckung am 26. März 2009 erneut ab November 2009 einschlägig straffällig zu werden. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass der Kläger nach Verbüßung der nunmehrigen Freiheitsstrafe davon ablassen wird, sein Leben durch die Begehung von Straftaten auf Kosten anderer zu finanzieren (zumindest in dem Bereich, der durch Sozialleistungen nicht abgedeckt wird). Auch im Führungsbericht der Justizvollzugsanstalt S. wird die deutlich betrügerische Ader des Klägers erwähnt.

b) Das Verwaltungsgericht und die Beklagte haben auch die persönlichen Umstände des Klägers und sein Privatinteresse an einem weiteren Aufenthalt und Verbleib im Bundesgebiet angemessen gewürdigt und nach Abwägung alles Umstände gegenüber dem öffentlichen Interesse an einer Feststellung des Verlusts des Rechts auf Einreise und Aufenthalt als nachrangig eingestuft.

Der Kläger trägt insoweit vor, nach seiner Entlassung aus der Strafhaft (voraussichtlich im Alter von 68 Jahren) werde er wohl nicht mehr überzeugend als Immobilienmakler auftreten können. Zudem leide er an Krankheiten, insbesondere befinde er sich in einem Peritonealdialyseprogramm.

Die Beklagte hat - bestätigt durch das Verwaltungsgericht - das Alter des Klägers und dessen Aufenthalt im Bundesgebiet seit 1975 gewürdigt, andererseits aber darauf hingewiesen, dass er in Österreich aufgewachsen sei und im Bundesgebiet als alleinstehender, geschiedener, kinderloser Mann keine besonderen persönlichen Bindungen aufgebaut habe. Auch sei ihm eine wirtschaftliche Integration im Bundesgebiet nicht gelungen, er habe mehrfache eine eidesstattliche Versicherung abgeben müssen, Einkommen vornehmlich aus Straftaten erzielt, zudem viele Jahre in Strafhaft verbracht. Im Hinblick auf die Erkrankungen des Klägers führte die Beklagte aus, in Österreich bestehe ein funktionierendes Sozialsystem, auch sei das Niveau der medizinischen Versorgung in Österreich derjenigen in Deutschland mindestens gleichwertig.

Damit wurden durch die Beklagte und das Verwaltungsgericht die vorgetragenen privaten Interessen des Klägers auch unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zur Kenntnis genommen und angemessen bewertet. Insbesondere wurden die nach § 6 Abs. 3 FreizügG/EU zu berücksichtigenden Belange des Klägers, nämlich die Dauer des Aufenthaltes im Bundesgebiet, sein Alter, sein Gesundheitszustand, seine familiäre und wirtschaftliche Lage, seine soziale und kulturelle Integration in Deutschland und das Ausmaß seiner Bindungen zu seinem Heimatland zutreffend in die Abwägung eingestellt. Rechtsfehlerfrei wurde der Schutz der öffentlichen Sicherheit höher gewichtet als die berücksichtigungsfähigen Interessen des Klägers.

Die verfügte Verlustfeststellung ist auch nicht im Hinblick auf Art. 8 EMRK oder Art. 6 GG als unverhältnismäßig anzusehen. Folgend den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerfG, B. v. 10.5.2007 - 2 BvR 304/07, BVerwG, U. v. 23.10.2007 - 1 C 10/07 - jeweils juris) und den vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte hierzu entwickelten Kriterien (vgl. u. a. EGMR, U. v. 13.10.2011 - 41548/06 - juris) sind die persönlichen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers sowie das öffentliche Interesse zutreffend abgewogen und gewichtet worden.

c) Wenn der Kläger schließlich erklärt, die Beklagte habe gegen ihn faktisch ein lebenslanges Einreiseverbot verhängt, wendet er sich sinngemäß gegen die mit dem Ergänzungsbescheid vom 21. Mai 2013 gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG verfügten zehnjährigen Sperrwirkungen. Zur Begründung des Einreise- und Aufenthaltsverbots hat die Beklagte, bestätigt durch das Verwaltungsgericht, auf das strafrechtlich geahndete Verhalten, insbesondere die vielfach begangenen, massiven Betrugsstraftaten über einen langen Zeitraum hinweg, welche über die erhebliche Schädigung Einzelner hinaus die legale Wirtschaftstätigkeit sowie das Vertrauen in die Sicherheit und Zuverlässigkeit des Rechtsverkehrs beeinträchtigten, und auf die (ausführlich begründete) hochgradige Wiederholungsgefahr hingewiesen. Gegeben sei eine außergewöhnlich schwere Bedrohung der öffentlichen Sicherheit, der Kläger sei Bewährungsversager, er habe immer wieder bewiesen, dass er nicht bereit sei, ein straffreies Leben zu führen. Eine Befristung auf zehn Jahre entspreche auch unter Berücksichtigung des langjährigen Aufenthalts des Klägers im Bundesgebiet, der deshalb naturgemäß auch vorhandenen persönlichen Bindungen und seines Alters in Anbetracht der konkreten Umstände dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Dies ist auch unter Beachtung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U. v. 13.12.2012 - 1 C 14/12 - juris), nach der mit einer Befristung auf zehn Jahre der Zeithorizont gewählt wird, für den eine Prognose realistischer Weise noch gestellt werden kann, nicht zu beanstanden. Die Beklagte und das Verwaltungsgericht vertreten zu Recht die Auffassung, dass vom Kläger eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht (vgl. § 11 Abs. 1 Satz 4 AufenthG) und die hohen Anforderungen für eine Verlustfeststellung gemäß § 6 Abs. 5 FreizügG/EU vorliegen. Es ist nichts dafür vorgetragen oder sonst ersichtlich, dass der Kläger im fortgeschrittenen Alter seine durch das Begehen von Straftaten gegen das Vermögen anderer geprägte Persönlichkeitsstruktur geändert hat oder ändern könnte. Bislang hat sich der Kläger keine der zahlreichen strafrechtlichen Verurteilungen und Haftstrafen zur Warnung dienen lassen. Auch ist er nach einer Entlassung aus der Strafhaft ersichtlich mittellos. Es drängt sich mithin aufgrund seines Verhaltens in der Vergangenheit auf, dass er erneut einschlägig straffällig wird, auch um - wie in der Vergangenheit durchgehend über Jahre praktiziert - einen Lebensstandard zu erreichen, der durch auf legalem Wege erzielte Einkünfte bzw. Sozialleistungen für ihn nicht finanzierbar ist. Das Alter des Klägers schließt es nicht aus, dass er in den Jahren nach seiner Haftentlassung erneut einschlägig straffällig wird. Dazu ist auch nicht erforderlich, dass er (wie teilweise, aber keineswegs durchgehend bei den von ihm begangenen Straftaten) Angestellter im Immobilienbereich ist. Er kann z. b. als selbstständig im Immobilienbereich auftretende Person oder als sonstiger Mittäter im Zusammenwirken mit Anderen Straftaten begehen. Ein konkretes Ende der vom Kläger ausgehenden Gefahren ist mithin derzeit nicht absehbar. Auch gebieten weder der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz noch verfassungsrechtliche Wertentscheidungen eine kürzere Frist. Der Kläger ist alleinstehend und kinderlos. Besondere persönliche Bindungen im Bundesgebiet hat er nicht vorgetragen, sie sind auch sonst nicht ersichtlich. Der Kläger hat nichts dazu ausgeführt, dass die Versorgung durch das Sozialsystem, sollte er sie in Anspruch nehmen müssen, und die medizinischen Behandlungsmöglichkeiten in Österreich für ihn nicht ausreichend sind. Im Übrigen kann der Kläger bei einer nachträglichen Änderung der für die Befristungsentscheidung maßgeblichen Tatsachen jederzeit einen Antrag auf Verkürzung der festgesetzten Sperrfrist stellen (vgl. BVerwG, U. v. 10.7.2012 - 1 C 19/11 Rn. 38 - juris).

2. Die Berufung ist auch nicht wegen einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen. Der Begriff der grundsätzlichen Bedeutung erfordert, dass für die angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichts die im Zulassungsantrag dargelegte konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage von Bedeutung war, ihre Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist und die Klärung zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist (Klärungsbedürftigkeit, vgl. insgesamt Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124 Rn. 36, § 124 a Rn. 72). Die Gründe dafür sind nach § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO darzulegen. Eine solche Rechts- oder Tatsachenfrage hat der Kläger hier nicht aufgeworfen. Er möchte vielmehr (sinngemäß) wissen, ob in Anbetracht der von ihm begangenen Straftaten und seines Alters die Voraussetzungen für eine Verlustfeststellung gemäß § 6 FreizügG/EU vorliegen. Hierbei handelt es sich um eine Frage des Einzelfalls, die im Rahmen des hiesigen Zulassungsantragsverfahrens durch die Auslegung des § 6 FreizügG/EU unter Beachtung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (insbesondere EuGH, Urteile vom 23.11.2010 - C-145/09 sowie vom 22.5.2012 - C-348/09 - jeweils juris) beantwortet werden kann.

Kosten des Zulassungsverfahrens: § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 3 VwGO, § 52 Abs. 2 GKG.

Mit der Ablehnung des Antrags aus Zulassung der Berufung wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124 a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 29. April 2009 - 4 K 1175/08 - aufgehoben.

Der Bescheid des Regierungspräsidiums Tübingen vom 27. März 2008 wird aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich u.a. gegen seine Ausweisung aus dem Bundesgebiet.
Der am ...1984 in Albstadt geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger. Er wuchs weitgehend bei seiner mittlerweile 55 Jahre alten Mutter und seinen 4 älteren Geschwistern (2 Brüder und 2 Schwestern) in Winterlingen auf. Im ersten Grundschuljahr ging er mit seinem Vater, der wegen einer strafgerichtlichen Verurteilung die Bundesrepublik Deutschland verlassen musste, vorübergehend für etwa sechs Monate in die Türkei. Im zweiten Grundschuljahr hielt er sich für acht Monate mit seiner Mutter in der Türkei auf. Ein Bruder des Klägers wurde vor längerer Zeit ausgewiesen und in die Türkei abgeschoben. Sein Vater, zu dem er seit seiner Rückkehr aus der Türkei keinen Kontakt mehr hat, lebt nach wie vor in der Türkei. Die Eltern leben seit dieser Zeit getrennt, die Ehe ist seit 1994 geschieden. Die Mutter war über viele Jahre mit Unterbrechungen als Näherin erwerbstätig. Sie bezieht nunmehr Rente und erhält ergänzend Sozialleistungen. Der Kläger besuchte von 1989 bis 1999 die Grund- und Förderschule. Einen Schulabschluss erlangte er dort nicht. Danach absolvierte er zunächst ein einjähriges Praktikumsjahr und begann anschließend im August 2000 eine Ausbildung als Metallfeinbearbeiter, die er aber schon nach 3 Monaten abbrach. In der Folgezeit ging er jeweils für kurze Zeit mehreren Gelegenheitsjobs nach und war immer wieder, wie auch zuletzt arbeitslos.
Im Januar 2003 lernte der Kläger während eines Türkeiurlaubs eine 1987 geborene türkische Staatsangehörige kennen, die er am 12.02.2003 in der Türkei heiratete. Seine Ehefrau lebt nach wie vor in der Türkei. Ein Antrag auf Ehegattennachzug wurde im April 2005 von der zuständigen Ausländerbehörde abgelehnt. Am 26.05.2006 wurde ein gemeinsames Kind in der Türkei geboren; dieses lebt bei der Mutter. Im Bundesgebiet war der Kläger zuletzt vor seiner Festnahme mit einer Freundin zusammen. Seit dem 20.03.2000 ist er im Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis, die als Niederlassungserlaubnis fort gilt.
Der Kläger ist strafrechtlich bislang wie folgt in Erscheinung getreten:
1. Urteil des Amtsgerichts Albstadt vom 15.11.2001, rechtskräftig seit 23.11.2001, wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis; Ableistung von 20 Stunden gemeinnütziger Arbeit; Tatzeit: April 2001.
2. Urteil des Amtsgerichts Albstadt vom 21.03.2002, rechtskräftig seit 26.03.2002, wegen Hehlerei; Ableistung von 20 Stunden gemeinnütziger Arbeit; Tatzeit: Juli 2001.
3. Urteil des Amtsgerichts Hechingen vom 26.03.2002, rechtskräftig seit 10.06.2002, wegen Diebstahls in 3 Fällen; Jugendstrafe von 7 Monaten, deren Vollstreckung für 2 Jahre zur Bewährung ausgesetzt wurde. Einbezogen wurde das Urteil des Amtsgerichts Albstadt vom 21.03.2002; letzte Tat: Oktober 2001.
4. Urteil des Amtsgerichts Hechingen vom 01.10.2002, rechtskräftig seit 03.03.2003, wegen Diebstahls in Tateinheit mit unbefugtem Gebrauch eines Fahrzeugs und vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis; Jugendstrafe von 1 Jahr ohne Bewährung. Einbezogen wurde die Entscheidung vom 26.03.2002 des Amtsgerichts Hechingen; letzte Tat: 25.02.2002.
5. Urteil des Amtsgerichts Hechingen vom 22.07.2003, rechtskräftig seit 30.07.2003, wegen Sachbeschädigung und unbefugten Gebrauchs eines Fahrzeugs in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis; Jugendstrafe von 1 Jahr und 4 Monaten ohne Bewährung. Einbezogen wurden die Entscheidungen des Amtsgerichts Hechingen vom 01.10.2002 und vom 26.03.2002; letzte Tat: 07.12.2002 Die Strafe wurde vom 24.03.2003 bis zum 12.01.2004 verbüßt. Mit Beschluss des Amtsgerichts Adelsheim vom 17.12.2003 wurde der Rest der Jugendstrafe bis zum 28.12.2006 zur Bewährung ausgesetzt.
10 
6. Urteil des Amtsgerichts Hechingen vom 27.07.2004, rechtskräftig seit 04.08.2004, wegen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln in 2 Fällen; Jugendstrafe von 1 Jahr und 5 Monaten, deren Vollstreckung für 2 Jahre zur Bewährung ausgesetzt wurde. Einbezogen wurden die Entscheidungen des Amtsgerichts Hechingen vom 22.07.2003, 01.10.2002 und 26.03.2002; letzte Tat: 13.05.2004. Die Strafaussetzung wurde mit Beschluss des Amtsgerichts Hechingen vom 20.02.2006, rechtskräftig seit 14.03.2006, widerrufen.
11 
7. Urteil des Amtsgerichts Hechingen vom 12.07.2005, rechtskräftig seit diesem Tag, wegen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln in 2 Fällen; Freiheitsstrafe von 3 Monaten, deren Vollstreckung für 3 Jahre zur Bewährung ausgesetzt wurde; letzte Tat: 31.12.2004.
12 
8. Urteil des Amtsgerichts Hechingen vom 10.01.2006, rechtskräftig seit 18.01.2006, wegen gefährlicher Körperverletzung; Gesamtfreiheitsstrafe von 7 Monaten ohne Bewährung. Einbezogen wurde die Entscheidung des Amtsgerichts Hechingen vom 12.07.2005; Tatzeitpunkt: 10.04.2005. Mit Beschluss des Amtsgerichts Hechingen vom 20.02.2006, rechtskräftig seit 14.03.2006, wurde die Strafaussetzung aus dem Urteil des Amtsgerichts Hechingen vom 27.07.2004 (Ziffer 6) widerrufen.
13 
9. Urteil des Landgerichts Hechingen vom 22.05.2006, rechtskräftig seit 11.10.2006, wegen schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung; Freiheitsstrafe von 6 Jahren ohne Bewährung; Tatzeitpunkt: 21.12.2005.
14 
Nach der Verurteilung zu 4. und zu 6. wurde der Kläger jeweils im Juli 2003 und im August 2004 ausländerrechtlich verwarnt. Zwei bereits früher eingeleitete Ausweisungsverfahren wurden von der Behörde nicht weiter betrieben. Wegen der Straftaten unter 9. wurde er am 22.12.2005 festgenommen und befand sich bis Januar 2011 in Haft.
15 
Aufgrund der letzten Straftat wurde gegen den Kläger erneut ein Ausweisungsverfahren eingeleitet. Mit Schreiben vom 10.03.2006 wurde er zu einer beabsichtigten Ausweisung angehört. Mit Schreiben vom 23.04.2006 schilderte er zunächst seinen Werdegang und führte sodann aus, dass er mit seiner Eheschließung in der Türkei am 12.02.2003 einen Neuanfang in Deutschland gesucht habe. Nach der Ablehnung der Familienzusammenführung sei sein Leben jedoch weiter negativ verlaufen. Er habe seine Arbeitsstelle verloren und sei schließlich für 7 Wochen zu seiner Ehefrau in die Türkei gefahren. Anschließend habe er in Deutschland trotz der Unterstützung durch seine Schwestern keine Arbeit gefunden. Er bereue seine Taten und bitte, nicht aus Deutschland abgeschoben zu werden. Auch werde seine Frau im Mai 2006 ein Kind entbinden; gemeinsam würden sie auf eine neue Chance hoffen. Im Fall der Abschiebung müsse er zudem zum Militär, was er auf keinen Fall wolle.
16 
Mit Bescheid vom 27.05.2008 wies das Regierungspräsidium Tübingen - Bezirksstelle für Asyl - den Kläger aus der Bundesrepublik Deutschland aus (1.) und drohte ihm die Abschiebung direkt aus der Strafhaft heraus oder gegebenenfalls nach Ablauf eines Monats nach der Haftentlassung in die Türkei an (2.). Zur Begründung wurde ausgeführt, die Ausweisung erfolge im Hinblick auf die strafrechtlichen Verfehlungen des Klägers gleichwohl als Ermessensausweisung. Dabei werde unterstellt, dass dem Kläger der Schutz von Art. 14 ARB 1/80 zugutekomme. Insgesamt komme die Ermessensausübung auch unter Berücksichtigung dieser und weiterer einschlägiger Vorschriften sowie den persönlichen Verhältnissen zu dem Ergebnis, dass die Ausweisung insbesondere unter Berücksichtigung der letzten Verurteilung geboten sei. Die mit der letzten Verurteilung durch das Landgericht Hechingen geahndeten Straftaten seien der schweren Kriminalität zuzuordnen und der Kläger habe auch mit einer erheblichen kriminellen Energie gehandelt. Aufgrund seiner Vorstrafen und - wie im Urteil des Landgerichts bei der Strafzumessung ausgeführt - unter Berücksichtigung des Umstandes, dass dem Kläger auch ein zweifacher Bewährungsbruch vorzuhalten sei, liege hier eine konkrete Wiederholungsgefahr vor. Hierfür spreche weiter, dass sich der Kläger in der Vergangenheit auch von ausländerrechtlichen Verwarnungen, einer Haftverbüßung und den gegen ihn eingeleiteten, früheren Ausweisungsverfahren nicht von weiteren Straftaten habe abhalten lassen. An dieser Beurteilung ändere auch der Umstand nichts, dass der Kläger besonderen Ausweisungsschutz genieße, denn die insoweit erforderlichen schwerwiegenden Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung lägen hier, wie ausgeführt, vor. Auch seine persönlichen Umstände rechtfertigten nicht die Annahme eines atypischen Sachverhalts. Er sei zwar hier geboren, aber in einem türkischen Familienverbund aufgewachsen, spreche nach wie vor seine Muttersprache und sei nicht nachhaltig wirtschaftlich und beruflich in der Bundesrepublik integriert. Zwar habe er den Hauptschulabschluss zwischenzeitlich in der Haft nachgeholt, sei aber bisher ohne abgeschlossene Berufsausbildung und habe jeweils nur in kurzzeitigen Arbeitsverhältnissen gestanden. Unter weiterer Berücksichtigung seiner Heirat mit seiner in der Türkei befindlichen Ehefrau, seinen mehrfachen Urlaubsreisen in die Türkei und seines Alters sei für ihn die Rückkehr in die Türkei nicht mit unzumutbaren Belastungen verbunden, zumal dort auch sein Vater und sein ausgewiesener Bruder lebten. Insgesamt verbleibe es daher auch unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bei der Ermessensausweisung. Hieran ändere schließlich der Bericht der Justizvollzugsanstalt vom 29.02.2008 nichts. Dieser zeige zwar in Teilbereichen eine positive Entwicklung und ein normales, beanstandungsfreies Vollzugsverhalten, lasse aber keine Aussage über eine gelungene und abgeschlossene Nachreifung zu, die die Wiederholungsgefahr entfallen lasse. Letztlich verstoße die Ausweisung weder gegen Art. 6 GG noch gegen Art. 8 EMRK und auch nicht gegen Art. 28 Abs. 3 RL 2004/38/EG.
17 
Am 07.06.2008 erhob der Kläger Klage zum Verwaltungsgericht Sigmaringen und machte gelten: Er könne nach Art. 7 Satz 1 und 14 Abs. 1 ARB 1/80 i. V. m. Art. 28 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38/EG nur ausgewiesen werden, wenn er eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstelle. Eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit des Staates stelle er indes nicht dar, unabhängig von dem für ihn bislang günstigen Haftverlauf, der auch gegen eine ausreichende Wiederholungsgefahr spreche.
18 
Der Beklagte trat der Klage unter Bezugnahme auf die Ausführungen im angegriffenen Bescheid entgegen.
19 
Das Verwaltungsgericht holte einen Führungsbericht der JVA Ravensburg vom 12.11.2008 und eine Ergänzung vom 01.04.2009 ein.
20 
In der mündlichen Verhandlung änderte der Beklagte die Abschiebungsandrohung im Bescheid vom 27.05.2008 dahingehend ab, dass eine Abschiebung frühestens einen Monat nach Bestandskraft der Ausweisungsverfügung erfolge.
21 
Der Kläger wurde angehört und führte im Wesentlichen aus, seine Frau wohne bei seiner Mutter in der Türkei. Die Wohnung gehöre seiner Mutter. Seine Mutter pendele zwischen der Türkei und der Bundesrepublik. Die Wohnung befinde sich in ... bei Ankara; seine Mutter stamme aus diesem Ort. Zu seinem Vater habe er seit seinem 5. oder 6. Lebensjahr keinen Kontakt mehr. Sein Bruder wohne auch in diesem Ort. Diesem schreibe er in türkischer Sprache; er (der Kläger) sei zweisprachig. Hier im Bundesgebiet habe er eine eigene, selbst gemietete Wohnung gehabt, aber auch noch bei seiner Mutter gewohnt. Seine hier befindliche Freundin habe auch eine eigene Wohnung gehabt. Von der Freundin im Bundesgebiet wisse seine Frau nichts. Er habe damals noch keine Verantwortung übernehmen können. Von seiner Inhaftierung wisse seine Frau, von den Straftaten aber nur teilweise. Gegenwärtig stehe er mit seiner Frau in telefonischem Kontakt und schreibe ihr auch gelegentlich. Mit der früheren Freundin habe er seit 2 oder 2 ½ Jahren keinen Kontakt mehr. In der Zeit der Begehung seiner Straftaten habe er regelmäßig Drogen genommen und auch regelmäßig Alkohol getrunken. Angesprochen auf den letzten JVA-Bericht räumte er ein, vor etwa 3 Monaten einmal THC-positiv gewesen zu sein. Bei Kollegen sei beim Hofgang ein Joint gekreist und er habe ein paar Züge genommen. 6 bis 8 Wochen später sei bei einer weiteren Urinkontrolle wieder alles in Ordnung gewesen. Das Jointrauchen sei ein einmaliger Vorgang gewesen. Seit etwa 2 Monaten nehme er im Vollzug einmal die Woche an den Sitzungen der Anonymen Alkoholiker - Gruppe teil. Er meine aber, kein Suchtproblem zu haben. Er sei reifer geworden. Er habe es auf dem harten Weg lernen müssen und habe es nun endlich begriffen.
22 
Mit Urteil vom 29.04.2009 wies das Verwaltungsgericht die Klage ab.
23 
Es führte u.a. aus: Rechtsgrundlagen der Ausweisung seien §§ 55 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2, 53 Nr. 1, 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 sowie Satz 2 AufenthG. Im Hinblick auf den besonderen Ausweisungsschutz des im Bundesgebiet geborenen Klägers sei die Ausweisung zu Recht (nur) als Ermessensausweisung verfügt worden. Hinsichtlich der Ausweisung werde auf die umfassenden und zutreffenden Ausführungen im Bescheid des Regierungspräsidiums Tübingen vom 27.05.2008 verwiesen, denen das Gericht folge. Die Ermessensausübung des Regierungspräsidiums sei auch zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung fehlerfrei und im Wesentlichen zutreffend auf die vom Kläger weiterhin ausgehende erhebliche Wiederholungsgefahr gestützt. Die Ausweisung sei auch unter Berücksichtigung der Anforderungen aus Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 i. V. m. Art. 28 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38/EG nicht zu beanstanden und verstoße nicht gegen Art 8 EMRK. Schließlich sei die Abschiebungsandrohung mit der in der mündlichen Verhandlung zu Protokoll erklärten Abänderung rechtmäßig. Vom Kläger gehe weiterhin eine erhebliche Wiederholungsgefahr aus.
24 
Das Urteil wurde dem Kläger am 30.09.2009 zugestellt.
25 
Auf den rechtzeitig gestellten und begründeten Antrag ließ der Senat mit Beschluss vom 30.11.2009 die Berufung zu.
26 
Am 10.12.2009 begründete der Kläger unter Stellung eines Antrags die Berufung zunächst wie folgt: Das angegriffene Urteil verletze Art. 14 ARB 1/80 und verkenne den auch hier anwendbaren besonderen Schutz nach Art. 28 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38/EG. Nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache Ziebell, bis zu deren Entscheidung das Berufungsverfahren geruht hatte, macht der Kläger nunmehr geltend, dass die angegriffene Ausweisungsverfügung deshalb rechtwidrig sei, weil das nicht zuletzt wegen der Stand-Still-Klausel des Art. 13 ARB 1/80 weiter zu beachtende, in Art. 9 RL 64/221/EWG niedergelegte „Vier-Augen-Prinzip“ verletzt worden sei.
27 
Durch Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Tübingen vom 11.01.2011 wurde nach Verbüßung von zwei Dritteln der Freiheitsstrafen aus den Urteilen des Landgerichts Hechingen vom 22.05.2006 sowie des Amtsgerichts Hechingen vom 10.01.2006 bei einer Bewährungszeit von drei Jahren die Vollstreckung des Strafrestes zur Bewährung ausgesetzt mit der Auflage, für die Dauer von einem Jahr eine ambulante Drogentherapie nach Weisung des Bewährungshelfers zu unterziehen. Der Entscheidung lag ein kriminologisch-kriminalprognostisches Gutachten der Universität Tübingen (Dr. Reich) vom 01.12.2010 sowie befürwortende Stellungnahmen der JVA Rottenburg sowie der Staatsanwaltschaft Hechingen zugrunde.
28 
Der Kläger beantragt,
29 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 29. April 2009 - 4 K 1175/08 - zu ändern und den Bescheid des Regierungspräsidiums Tübingen vom 27. Mai 2008 aufzuheben.
30 
Der Beklagte beantragt,
31 
die Berufung zurückzuweisen.
32 
Nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache sei das „Vier-Augen-Prinzip“ obsolet. Auch nach der Entlassung des Klägers aus der Strafhaft könne in Anbetracht der Tatsache, dass er Intensivtäter sei, nicht davon ausgegangen werden, dass die Wiederholungsgefahr gemindert oder gar entfallen sei. Die im Verhältnis zur kriminellen Vita nur kurze Zeit der Bewährung von einem Jahr erlaube keine substantiierte Legalprognose zugunsten des Klägers, zumal er sich hinsichtlich der Vorsprachen bei der Drogenberatung in der ersten Jahreshälfte 2011 nicht immer zuverlässig erwiesen habe.
33 
Der Senat hat eine Stellungnahme des Bewährungshelfers des Klägers eingeholt. Insoweit wird auf dessen Schreiben vom 29.02.2012 verwiesen.
34 
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.
35 
Dem Senat liegen die Akten des Regierungspräsidiums, des Verwaltungsgerichts, die Strafvollsteckungsakten sowie die Gefangenenpersonalakten vor.

Entscheidungsgründe

 
36 
Die zulässige Berufung des Klägers hat Erfolg.
37 
Nach der zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Senats maßgeblichen Sach- und Rechtslage kann die Ausweisungsentscheidung des Beklagten keinen Bestand mehr haben.
38 
I. Da der Kläger eine Rechtsstellung nach Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 genießt, kann sein Aufenthalt gemäß Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 (i.V.m. § 55 Abs. 1 AufenthG) nur beendet werden, wenn dieses aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigt ist.
39 
1. Nach der ständigen und mittlerweile gefestigten Spruchpraxis des Europäischen Gerichtshofs ist in diesem Zusammenhang zur Auslegung der assoziationsrechtlichen Begrifflichkeiten auf die für Freizügigkeit genießende Arbeitnehmer der Union geltenden Grundsätze zurückzugreifen (vgl. zuletzt Urteil vom 08.12.2011 - Rs. C-371/08 Rn. 52, insbesondere auch Rn. 67 m.w.N.). Allerdings scheidet ein Rückgriff auf die weitergehenden Schutzwirkungen des Art. 28 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38 wegen der grundsätzlich unterschiedlichen durch diese Richtlinie vermittelten Rechtstellung des Unionsbürgers aus (EuGH, ebenda Rn. 73).
40 
Der Europäische Gerichtshof ist hiernach der Auffassung, dass der Ausweisungsschutz nach der Aufhebung der bisher für seine Rechtsprechung zum Ausweisungsschutz von assoziationsrechtlich geschützten türkischen Staatsangehörigen sinngemäß bzw. analog (vgl. hierzu nunmehr EuGH, Urteil vom 08.12.2010 - Rs. C-317/08 Rn. 58) berücksichtigten Richtlinie 64/221 entsprechend den Grundsätzen des erhöhten Ausweisungsschutzes nach Art. 12 der Richtlinie 2003/109, der sog. Daueraufenthaltsrichtlinie zu bestimmen ist. Diejenigen Drittstaatsangehörigen, die die Rechtsstellung eines Daueraufenthaltsberechtigten genießen, können hiernach nur dann ausgewiesen werden, wenn sie eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen (Urteil vom 08.12.2011 – Rs. C-371/08 Rn. 79). Wie sich unschwer aus den weiteren Ausführungen des Gerichtshofs im Urteil Ziebell ablesen lässt (vgl. Rn. 80 ff.), folgt hieraus aber kein andersartiges Schutzniveau, als es bis zum Inkrafttreten der Unionsbürgerrichtlinie für Freizügigkeit genießende Arbeitnehmer der Union galt (vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 26.02.1975 - Rs. 67/74 ; vom 28.10.1975 - Rs. 36/75 ; vom 27.10.1977 - Rs. 30/77 ; vom 18.05.1982 - Rs. 115 und 116/81 ; vom 18.05.1989 - Rs. 249/86 ; vom 19.01.1999 - Rs. C-348/96 ). Soweit der Gerichtshof die Tatsache anspricht, dass Herr Ziebell sich mehr als zehn Jahre ununterbrochen rechtmäßig im Aufnahmemitgliedstaat aufhält (vgl. Rn. 79, auch Rn. 46), wird damit kein eigenständiges erhöhtes materielles Schutzniveau eingeführt, sondern lediglich eine dem Vorabentscheidungsverfahren zugrunde liegende Tatsache wiedergegeben. Diese Schlussfolgerung ist auch deshalb unausweichlich, weil der Daueraufenthaltsrichtlinie, anders als der Unionsbürgerrichtlinie, eine Zehnjahresschwelle fremd ist. Vielmehr setzt der erhöhte Ausweisungsschutz nach Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie nur einen fünfjährigen rechtmäßigen Aufenthalt und darüber hinaus nach Art. 7 der Richtlinie die ausdrückliche Verleihung der Rechtsstellung voraus.
41 
Kann ein assoziationsrechtlich geschützter türkischer Staatsangehöriger nur dann ausgewiesen werden, wenn er eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder die öffentliche Sicherheit darstellt, so steht dem auch entgegen, dass die Ausweisungsverfügung auf wirtschaftliche Überlegungen gestützt wird.
42 
Weiter haben die zuständigen Behörden des Aufnahmemitgliedstaats, bevor sie eine solche Verfügung erlassen, die Dauer des Aufenthalts der betreffenden Person im Hoheitsgebiet dieses Staates, ihr Alter, die Folgen einer Ausweisung für die betreffende Person und ihre Familienangehörigen sowie ihre Bindungen zum Aufenthaltsstaat oder fehlende Bindungen zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen (Urteil vom 08.12.2011 - Rs. C-371/08 Rn. 80).
43 
Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs sind Ausnahmen und Abweichungen von der Grundfreiheit der Arbeitnehmer eng auszulegen, wobei deren Umfang nicht einseitig von den Mitgliedstaaten bestimmt werden kann (vgl. Rn. 81 mit dem Hinweis auf das Urteil vom 22.12.2010 - Rs. C-303/08 Rn. 56 und die dort angeführte Rechtsprechung).
44 
Somit dürfen Maßnahmen, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder der öffentlichen Sicherheit gerechtfertigt sind, nur getroffen werden, wenn sich nach einer Einzelfallprüfung durch die zuständigen nationalen Behörden herausstellt, dass das individuelle Verhalten der betroffenen Person eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft darstellt. Bei dieser Prüfung müssen die Behörden zudem sowohl den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als auch die Grundrechte des Betroffenen, insbesondere das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens, wahren (vgl. Rn. 82 wiederum mit Hinweis auf das Urteil vom 22.12.2010 - Rs. C-303/08 Rn. 57 ff. und die dort angeführte Rechtsprechung).
45 
Eine Ausweisung darf daher nicht automatisch aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung oder zum Zweck der Generalprävention erfolgen, um andere Ausländer vor der Begehung von Straftaten abzuschrecken (Rn. 83 Urteil vom 22.12.2010, Bozkurt, Rn. 58 und die dort angeführte Rechtsprechung).
46 
Der Gerichtshof betont im Urteil vom 08.12.2011 (Rn. 85) zudem ausdrücklich, dass die nationalen Gerichte und Behörden anhand der gegenwärtigen Situation des Betroffenen die Notwendigkeit des beabsichtigten Eingriffs in dessen Aufenthaltsrecht zum Schutz des vom Aufnahmemitgliedstaat verfolgten berechtigten Ziels gegen alle tatsächlich vorliegenden Integrationsfaktoren abwägen müssen, die die Wiedereingliederung des Betroffenen in die Gesellschaft des Aufnahmemitgliedstaats ermöglichen. Hierbei ist insbesondere zu prüfen, ob das Verhalten des türkischen Staatsangehörigen gegenwärtig eine hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft darstellt. Sämtliche konkreten Umstände sind angemessen zu berücksichtigen, die für seine Situation kennzeichnend sind, wie namentlich besonders enge Bindungen des betroffenen Ausländers zur Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland, in deren Hoheitsgebiet er geboren oder auch nur aufgewachsen ist.
47 
Demzufolge sind für die Feststellung der Gegenwärtigkeit der konkreten Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit auch alle nach der letzten Behördenentscheidung eingetretenen Tatsachen zu berücksichtigen, die den Wegfall oder eine nicht unerhebliche Verminderung der gegenwärtigen Gefährdung mit sich bringen können, die das Verhalten des Betroffenen für das in Rede stehende Grundinteresse darstellen soll (Rn. 84; vgl. u. a. Urteil vom 11.11.2004 - Rs. C-467/02 Rn. 47).
48 
Wenn der Gerichtshof schließlich in der konkreten Antwort auf die Vorlagefrage (Rn. 86) noch davon spricht, dass die jeweilige Maßnahme für die Wahrung des Grundinteresses „unerlässlich“ sein muss, ohne dass dieses in den vorangegangenen Ausführungen näher angesprochen und erörtert worden wäre, so kann dies nicht dahingehend verstanden werden, dass die Ausweisungsentscheidung gewissermaßen die „ultima ratio“ sein muss und dem Mitgliedstaat keinerlei Handlungsalternative mehr offen stehen darf. Denn bei einem solchen Verständnis ginge der Schutz der assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen weiter als der von Unionsbürgern, was mit Art. 59 ZP nicht zu vereinbaren wäre. Vielmehr bringt der Gerichtshof mit dieser Formel nur mit anderen Worten den in seiner ständigen Rechtsprechung für die Ausweisung von Unionsbürgern entwickelten Grundsatz zum Ausdruck, dass die Maßnahme geeignet sein muss, die Verwirklichung des mit ihr verfolgten Ziels zu gewährleisten, und sie insbesondere nicht über das hinausgehen darf, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist (vgl. etwa Urteil vom 26.11.2002 - Rs. C-100/01 Rn. 43; vom 30.11.1995 - Rs. C-55/94, Rn. 37; vom 28.10.1975 - Rs 36/75 ), wobei insoweit eine besonders sorgfältige Prüfung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit vorzunehmen ist.
49 
Diese in der Entscheidung angelegte und angemahnte besondere Verhältnismäßigkeitsprüfung verlangt nach Auffassung des Senats auch die Berücksichtigung einer aktiven und positiven Mitarbeit des oder der Betroffenen am Resozialisierungsprozess insbesondere während des Vollzugs der Strafhaft, die aber erkennbar über ein bloßes Wohlverhalten hinausgehen muss, weshalb auch insoweit die infolge der Ausweisung eintretende mögliche Gefährdung eines in Gang gesetzten positiven Resozialisierungsprozesses (vgl. auch § 2 StVollzG) einen wichtigen Abwägungsfaktor ausmachen kann. In Fällen assoziationsberechtigter türkischer Staatsangehöriger, die im Bundesgebiet geboren und/oder hier einen ganz überwiegenden Teil ihres gesamten Lebens verbracht haben, vermag der Umstand einer konkreten Gefährdung eines positiven Resozialisierungsprozesses unter dem Aspekt der Verhältnismäßigkeit zwar assoziationsrechtlich keine strikte Rechtsgrenze einer Ausweisung auszumachen, er kann jedoch im Einzelfall von solchem Gewicht sein, dass es einer besonderen Begründung bedarf, um gleichwohl eine Ausweisung verfügen zu dürfen. Es müssen – namentlich wenn der Resozialisierungsprozess weit fortgeschritten ist und weitere gewichtige positive Integrationsfaktoren hinzukommen – besondere Umstände vorliegen, die es rechtfertigen, gleichwohl das reale Risiko eines Scheiterns des Resozialisierungsprozesses in Kauf zu nehmen.
50 
Der vom Gerichtshof entwickelte Maßstab verweist - anders als der Begriff der Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung im deutschen Polizei- und Ordnungsrecht - nicht auf die Gesamtheit aller Rechtsnormen, sondern nur auf einen spezifischen Rechtsgüterschutz, nämlich auf „ein Grundinteresse der Gesellschaft, das tatsächlich berührt sein muss“. Dabei ist zu beachten, dass eine in der Vergangenheit erfolgte strafgerichtliche Verurteilung allein nur dann eine Ausweisung rechtfertigen kann, wenn die ihr zugrunde liegenden Umstände ein künftiges persönliches Verhalten erwarten lassen, das die beschriebene Gefährdung ausmacht (EuGH, Urteil vom 29.04.2004 - Rs. C-482 und 493/01 ). Die Gefährdung kann sich allerdings auch allein aufgrund eines strafgerichtlich abgeurteilten Verhaltens ergeben (EuGH, Urteil vom 27.10.1977 - Rs. 30/77 ). Andererseits kann und darf es unionsrechtlich gesehen keine Regel geben, wonach bei schwerwiegenden Straftaten das abgeurteilte Verhalten zwangsläufig die hinreichende Besorgnis der Begehung weiterer Straftaten begründet. Maßgeblich ist allein der jeweilige Einzelfall, was eine umfassende Würdigung aller Umstände der Tat und der Persönlichkeit des Betroffenen erfordert (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 30.06.1998 - 1 C 27.95 - InfAuslR 1999, 59). Wenn der Umstand, dass eine oder mehrere frühere strafrechtliche Verurteilungen vorliegen, für sich genommen ohne Bedeutung für die Rechtfertigung einer Ausweisung ist, die einem türkischen Staatsangehörigen Rechte nimmt, die er unmittelbar aus dem Beschluss Nr. 1/80 ARB 1/80 ableitet (vgl. auch Urteil vom 04.10.2007 - C-349/06 Rn. 36), so muss das Gleiche erst recht für eine Maßnahme gelten, die im Wesentlichen nur auf die Dauer der Inhaftierung des Betroffenen gestützt wird.
51 
Der Gerichtshof billigt den Mitgliedstaaten bei der Beurteilung dessen, was ein eigenes gesellschaftliches „Grundinteresse“ sein soll, einen gewissen Spielraum zu (vgl. Urteil vom 28.10.1975 - Rs. 36/75 ). Gleichwohl bleiben die Begriffe der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gemeinschafts- bzw. unionsrechtliche Begriffe, die nicht von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedlich ausgelegt werden können.
52 
Für die Festlegung der entscheidungserheblichen Wiederholungsgefahr und des Maßes der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts soll nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch bei der Anwendung der dargestellten unionsrechtlichen Grundsätze entsprechend dem allgemein geltenden aufenthalts- wie ordnungsrechtlichen Maßstab ein differenzierter, mit zunehmendem Ausmaß des möglichen Schadens abgesenkter Grad der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts gelten mit der Folge, dass insbesondere bei einer Gefährdung des menschlichen Lebens oder bei drohenden schweren Gesundheitsbeeinträchtigungen auch schon die entfernte Möglichkeit eines Schadenseintritts eine Aufenthaltsbeendigung rechtfertigen kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 02.09.2009 - 1 C 2.09 - InfAuslR 2010, 3). Dieser Sichtweise ist mit den vom Europäischen Gerichtshof entwickelten Grundsätzen nicht vereinbar. Dessen Rechtsprechung lassen sich keine verifizierbaren und tragfähigen Ansätze für eine derartige weitgehende Relativierung des Wahrscheinlichkeitsmaßstabes entnehmen; sie werden vom Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 02.09.2009 sowie in der dort in Bezug genommenen anderen Entscheidungen auch nicht bezeichnet. Das vom Gerichtshof gerade regelmäßig herausgestellte Erfordernis der engen Auslegung der Ausnahmevorschrift und die inzwischen in ständiger Spruchpraxis wiederholten Kriterien der tatsächlichen und hinreichend schweren Gefährdung eines gesellschaftlichen Grundinteresses, der die Vorstellung zugrunde liegt, dass im Interesse einer möglichst umfassenden Effektivierung der Grundfreiheiten die Aufenthaltsbeendigung und damit die vollständige Unterbindung der jeweils in Frage stehenden Grundfreiheit unter dem strikten Vorbehalt der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit steht, lassen ein solches Verständnis nicht zu. Es wäre auch nicht durch den den Mitgliedstaaten eingeräumten Beurteilungsspielraum bei der Festlegung des jeweiligen Grundinteresses gedeckt. Denn andernfalls wäre gerade die hier unmittelbar unions- bzw. assoziationsrechtlich gebotene und veranlasste enge Auslegung nicht mehr gewährleistet (so schon Senatsurteile vom 04.05.2011 - 11 S 207/11 - InfAuslR 2011, 291 und vom 10.02.2012 - 11 S 1361/11 - juris).
53 
Dem restriktiven, vom Verhältnismäßigkeitsprinzip und „effet utile“ geprägten Verständnis des Gerichtshofs liegt abgesehen davon die Vorstellung einer die gesamte Union in den Blick nehmenden Sichtweise zugrunde. Alle Mitgliedstaaten haben nämlich auch eine Verantwortung für die gesamte Union (vgl. Art. 4 Abs. 3 EUV). Mit dieser wäre es schwerlich vereinbar, dass ein Mitgliedstaat ein zunächst einmal genuin auf seinem Territorium aufgetretenes und entstandenes Risiko für die öffentliche Ordnung und Sicherheit durch die Absenkung des Wahrscheinlichkeitsmaßstabs für sich so aus der Welt schafft, dass er sich des Verursachers dieses Risiko gewissermaßen zu Lasten aller anderen Mitgliedstaaten räumlich entledigt. Denn zunächst einmal bewirkt die Beendigung der Freizügigkeit und die Außer-Landes-Schaffung des früheren Straftäters durch einen EU-Mitgliedstaat im Verhältnis zu den anderen Mitgliedstaaten nichts und hätte keine Auswirkungen auf dessen Freizügigkeit in allen anderen Mitgliedstaaten. Allerdings wäre es einem anderen Mitgliedstaat nicht verwehrt, wenn der Betreffende dort gerade auch für diesen Mitgliedstaat eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung darstellte, seinerseits die Freizügigkeit zu beschränken. Dennoch widerspricht diese Art von „Gefahrenexport“ zu Lasten anderer Mitgliedstaaten dem Geist des EU-Vertrags. Auch wenn diese Überlegungen im Rahmen der Assoziation EWG-Türkei nicht unmittelbar tragfähig sind, weil diese keine Freizügigkeit innerhalb der Union gewährleistet, so ändert dies angesichts des vom Europäischen Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung praktizierten Übernahme der unionsrechtlichen Grundsätze nichts an der Gültigkeit der Annahme, dass ein „gleitender Wahrscheinlichkeitsmaßstab“ auch nach Assoziationsrecht einer tragfähigen Grundlage entbehrt.
54 
Andererseits ist nach Auffassung des Senats das Kriterium der tatsächlichen und hinreichend schweren Gefährdung nicht in dem Sinn zu verstehen, dass auch eine „gegenwärtige Gefahr“ im Sinne der traditionellen Begrifflichkeit des deutschen Polizei- und Ordnungsrechts vorliegen muss, die voraussetzt, dass der Eintritt des Schadens sofort und nahezu mit Gewissheit zu erwarten ist. Von einer tatsächlichen und hinreichend schweren Gefährdung kann daher nach Auffassung des Senats dann ausgegangen werden, wenn unter Berücksichtigung aller für und gegen den Betroffenen einzustellenden Gesichtspunkte bei einer wertenden Betrachtungsweise mehr dafür spricht, dass der Schaden in einer überschaubaren Zeit eintreten wird.
55 
Die höchstrichterliche Rechtsprechung geht bislang davon aus, dass einer Aussetzung der Reststrafe nach § 57 Abs. 1 und 2 StGB oder nach § 88 Abs. 1 und 2 JGG keine Bindungswirkung zukommt, was u.a. auf die unterschiedlichen Prognosemaßstäbe zurückgeführt wird (vgl. zu alledem BVerwG, Urteil vom 16.11.2000 - 9 C 6.00 - NVwZ 2001, 442; Discher, in: GK-AufenthG Vor §§ 53 ff. Rdn. 1241 ff.). Allerdings soll einer solchen Aussetzung immerhin eine gewisse Indizwirkung zukommen. Die Relativierung derartiger Aussetzungsentscheidungen auf eine bloße Indizwirkung wird jedoch den unions- und assoziationsrechtlichen Anforderungen nicht vollständig gerecht. Denn es würde sich bei einer derartigen Sichtweise ein nicht gerechtfertigter Widerspruch auftun. Der Ansatz von der bloßen Indizwirkung unterstellt, dass gleichwohl im Falle der Aussetzung eines Strafrestes zur Bewährung ohne weiteres ein gesellschaftliches Grundinteresse des Mitgliedstaats weiterhin tatsächlich und hinreichend schwerwiegend gefährdet und eine Beschränkung der Freizügigkeit bzw. ein Entzug des assoziationsrechtlichen Aufenthaltsrechts gerechtfertigt sein kann. Andererseits bringt jedoch die Gesellschaft des Mitgliedstaats gerade durch diese Aussetzung ihre Wertung zum Ausdruck, dass sie um des Täters und seiner Resozialisierung willen - durchaus nicht risikofrei - bereit ist, diesem ein Leben in Freiheit, wenn auch zunächst mit gewissen Auflagen, zu ermöglichen. Es kann dann schwerlich einem Grundinteresse der gesamten Gesellschaft des Mitgliedstaats entsprechen, den Betroffenen gleichwohl vom eigenen Territorium zu entfernen und ihm die Chance einer Resozialisierung in dem Land, in dem er zuletzt gelebt hat, zu nehmen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn er in diesem Land längere Zeit gelebt und dort wesentliche Teile seiner Sozialisierung erfahren hat. Seine Ausweisung in ein Land, in dem er schon längere Zeit nicht mehr oder sogar niemals gelebt hat, muss regelmäßig als kontraproduktiv und einer Resozialisierung hinderlich begriffen werden. Nimmt man noch hinzu, dass nach den oben dargelegten besonderen unionsrechtlichen bzw. assoziationsrechtlichen Maßstäben erhebliche Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit der Begehung neuer Straftaten gestellt werden müssen, so dürfen derartige Aussetzungen auch deshalb nicht gering gewichtet und bewertet werden, weil sie von einer mit der Beurteilung von der Täterpersönlichkeiten und deren Lebensumfeld vertrauten Fachgerichtsbarkeit ausgesprochen und veranlasst werden. Dies muss jedenfalls dann gelten, wenn zur Vorbereitung der Aussetzungsentscheidung fachkundige Stellungnahmen oder fachwissenschaftliche Gutachten eingeholt wurden. Da andererseits den Aussetzungsentscheidungen keine ausdrücklich gesetzlich angeordnete Bindungs- oder Tatbestandswirkung zukommt, kann das Verwaltungsgericht eine solche Entscheidung ausnahmsweise unbeachtet lassen, wenn sie sich als offenkundig fehlerhaft erweist oder aber infolge aktueller Entwicklungen überholt ist und damit keine zuverlässige Prognosegrundlage mehr abgeben kann. Im Regelfall jedoch ist eine solche Aussetzungsentscheidung in der Weise zu berücksichtigen, dass die Ausweisung keinem Grundinteresse der Gesellschaft des Mitgliedstaates (mehr) entspricht.
56 
2. Ausgehend hiervon ist von Folgendem auszugehen: Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Tübingen hat mit Beschluss vom 11.01.2011 (... StVK ... + .../...) die Reststrafe zur Bewährung ausgesetzt mit der Auflage, dass der Kläger sich innerhalb des ersten Jahres einer Drogentherapie zu unterziehen hat. Die Bewährungszeit wurde auf drei Jahre festgesetzt. Der Beschluss beruht auf einem kriminologisch-kriminalprognostischen Gutachten der Universität Tübingen (Dr. R.) vom 01.12.2011, das nach zwei umfangreichen Explorationen erstellt wurde. Dieses Gutachten, das sich auch umfassend mit der Aktenlage beschäftigt, erweist sich in seiner differenzierten und durchaus kritische Aspekte nicht unterdrückenden Sicht als überzeugend. Nimmt man hinzu, dass zur Vorbereitung der Entscheidung der Strafvollstreckungskammer noch eine umfassende Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt Rottenburg eingeholt worden war, die die wesentlichen Entwicklungsschritte, die der Kläger insbesondere im Jahre 2010 gemacht hat, deutlich macht und eine vorzeitige Freilassung befürwortet, so vermag der Senat keine Gesichtspunkte zu erkennen, die geeignet wären, die Entscheidung des Landgerichts Tübingen infrage zu stellen. Die Entscheidung des Landgerichts ist auch nicht deshalb überholt, weil der Kläger drei Termine bei der Drogenberatung nicht wahrgenommen hat. Die vom Kläger hierfür gegebene Erklärung, wonach er wegen der anstrengenden Nachtarbeit die Termine verschlafen oder vergessen habe, vermag zwar nicht völlig zu überzeugen. Eine einzelne Säumnis mag bei der für den Kläger sicherlich völlig neuen Belastungssituation in einem geregelten Arbeitsverhältnis der konkreten Art ohne weiteres verständlich sein. Eine dreimalige Säumnis innerhalb eines Zeitraums von einem knappen dreiviertel Jahr ist allerdings weniger nachvollziehbar, zumal dem Kläger klar sein musste, dass seine Bewährung auf dem Spiel stehen kann. Auch wenn dieser Regelverstoß daher nicht bagatellisiert werden darf, so kann andererseits nicht übersehen werden, dass der Bewährungshelfer in seiner Stellungnahme die aktuelle Bereitschaft des Klägers, mit ihm zusammenzuarbeiten, sehr positiv hervorgehoben und weiterhin nach über einem Jahr in Freiheit eine sehr positive Prognose abgegeben hat, wobei sicherlich auch eine Rolle gespielt hat, dass aufgrund der durchgeführten Urinkontrollen von einem Drogenkonsum nicht ausgegangen werden kann. Hinzu kommt, dass die Säumnis des Klägers der Strafvollstreckungskammer keine Veranlassung gegeben hat, die Bewährungszeit zu verlängern oder die Bewährung gar zu widerrufen. Hiervon abgesehen hat der Kläger zur Überzeugung des Senats nach seiner Haftentlassung eine positive Entwicklung durchlaufen. Ihm ist es bereits kurze Zeit nach der Entlassung gelungen, eine Beschäftigung zu finden; mittlerweile steht er in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis, mit dem er seinen Lebensunterhalt sichern kann; auch seine Wohnsituation ist geklärt. Dieses zusammengefasst ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass jedenfalls zum heutigen Zeitpunkt nach den oben dargelegten Maßstäben kein Grundinteresse der Gesellschaft mehr betroffen ist und die Ausweisung nicht mehr von Art. 14 ARB 1/80 getragen wird. Wenn es ihm gelingen sollte, seinen Sohn und seine Ehefrau nach Deutschland zu holen, so wird dies seine Situation aller Voraussicht nach weiter stabilisieren.
57 
Hat die Ausweisung keinen Bestand mehr, so war auch die unselbstständige Abschiebungsandrohung aufzuheben.
58 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
59 
Die Revision wird zugelassen, weil die aufgeworfenen Fragen zur Anwendung und Auslegung des Assoziationsrechts von grundsätzlicher Bedeutung sind (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
60 
Beschluss vom 7. März 2012
61 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 2 GKG auf 5.000,-- EUR festgesetzt.
62 
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Gründe

 
36 
Die zulässige Berufung des Klägers hat Erfolg.
37 
Nach der zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Senats maßgeblichen Sach- und Rechtslage kann die Ausweisungsentscheidung des Beklagten keinen Bestand mehr haben.
38 
I. Da der Kläger eine Rechtsstellung nach Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 genießt, kann sein Aufenthalt gemäß Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 (i.V.m. § 55 Abs. 1 AufenthG) nur beendet werden, wenn dieses aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigt ist.
39 
1. Nach der ständigen und mittlerweile gefestigten Spruchpraxis des Europäischen Gerichtshofs ist in diesem Zusammenhang zur Auslegung der assoziationsrechtlichen Begrifflichkeiten auf die für Freizügigkeit genießende Arbeitnehmer der Union geltenden Grundsätze zurückzugreifen (vgl. zuletzt Urteil vom 08.12.2011 - Rs. C-371/08 Rn. 52, insbesondere auch Rn. 67 m.w.N.). Allerdings scheidet ein Rückgriff auf die weitergehenden Schutzwirkungen des Art. 28 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38 wegen der grundsätzlich unterschiedlichen durch diese Richtlinie vermittelten Rechtstellung des Unionsbürgers aus (EuGH, ebenda Rn. 73).
40 
Der Europäische Gerichtshof ist hiernach der Auffassung, dass der Ausweisungsschutz nach der Aufhebung der bisher für seine Rechtsprechung zum Ausweisungsschutz von assoziationsrechtlich geschützten türkischen Staatsangehörigen sinngemäß bzw. analog (vgl. hierzu nunmehr EuGH, Urteil vom 08.12.2010 - Rs. C-317/08 Rn. 58) berücksichtigten Richtlinie 64/221 entsprechend den Grundsätzen des erhöhten Ausweisungsschutzes nach Art. 12 der Richtlinie 2003/109, der sog. Daueraufenthaltsrichtlinie zu bestimmen ist. Diejenigen Drittstaatsangehörigen, die die Rechtsstellung eines Daueraufenthaltsberechtigten genießen, können hiernach nur dann ausgewiesen werden, wenn sie eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen (Urteil vom 08.12.2011 – Rs. C-371/08 Rn. 79). Wie sich unschwer aus den weiteren Ausführungen des Gerichtshofs im Urteil Ziebell ablesen lässt (vgl. Rn. 80 ff.), folgt hieraus aber kein andersartiges Schutzniveau, als es bis zum Inkrafttreten der Unionsbürgerrichtlinie für Freizügigkeit genießende Arbeitnehmer der Union galt (vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 26.02.1975 - Rs. 67/74 ; vom 28.10.1975 - Rs. 36/75 ; vom 27.10.1977 - Rs. 30/77 ; vom 18.05.1982 - Rs. 115 und 116/81 ; vom 18.05.1989 - Rs. 249/86 ; vom 19.01.1999 - Rs. C-348/96 ). Soweit der Gerichtshof die Tatsache anspricht, dass Herr Ziebell sich mehr als zehn Jahre ununterbrochen rechtmäßig im Aufnahmemitgliedstaat aufhält (vgl. Rn. 79, auch Rn. 46), wird damit kein eigenständiges erhöhtes materielles Schutzniveau eingeführt, sondern lediglich eine dem Vorabentscheidungsverfahren zugrunde liegende Tatsache wiedergegeben. Diese Schlussfolgerung ist auch deshalb unausweichlich, weil der Daueraufenthaltsrichtlinie, anders als der Unionsbürgerrichtlinie, eine Zehnjahresschwelle fremd ist. Vielmehr setzt der erhöhte Ausweisungsschutz nach Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie nur einen fünfjährigen rechtmäßigen Aufenthalt und darüber hinaus nach Art. 7 der Richtlinie die ausdrückliche Verleihung der Rechtsstellung voraus.
41 
Kann ein assoziationsrechtlich geschützter türkischer Staatsangehöriger nur dann ausgewiesen werden, wenn er eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder die öffentliche Sicherheit darstellt, so steht dem auch entgegen, dass die Ausweisungsverfügung auf wirtschaftliche Überlegungen gestützt wird.
42 
Weiter haben die zuständigen Behörden des Aufnahmemitgliedstaats, bevor sie eine solche Verfügung erlassen, die Dauer des Aufenthalts der betreffenden Person im Hoheitsgebiet dieses Staates, ihr Alter, die Folgen einer Ausweisung für die betreffende Person und ihre Familienangehörigen sowie ihre Bindungen zum Aufenthaltsstaat oder fehlende Bindungen zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen (Urteil vom 08.12.2011 - Rs. C-371/08 Rn. 80).
43 
Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs sind Ausnahmen und Abweichungen von der Grundfreiheit der Arbeitnehmer eng auszulegen, wobei deren Umfang nicht einseitig von den Mitgliedstaaten bestimmt werden kann (vgl. Rn. 81 mit dem Hinweis auf das Urteil vom 22.12.2010 - Rs. C-303/08 Rn. 56 und die dort angeführte Rechtsprechung).
44 
Somit dürfen Maßnahmen, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder der öffentlichen Sicherheit gerechtfertigt sind, nur getroffen werden, wenn sich nach einer Einzelfallprüfung durch die zuständigen nationalen Behörden herausstellt, dass das individuelle Verhalten der betroffenen Person eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft darstellt. Bei dieser Prüfung müssen die Behörden zudem sowohl den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als auch die Grundrechte des Betroffenen, insbesondere das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens, wahren (vgl. Rn. 82 wiederum mit Hinweis auf das Urteil vom 22.12.2010 - Rs. C-303/08 Rn. 57 ff. und die dort angeführte Rechtsprechung).
45 
Eine Ausweisung darf daher nicht automatisch aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung oder zum Zweck der Generalprävention erfolgen, um andere Ausländer vor der Begehung von Straftaten abzuschrecken (Rn. 83 Urteil vom 22.12.2010, Bozkurt, Rn. 58 und die dort angeführte Rechtsprechung).
46 
Der Gerichtshof betont im Urteil vom 08.12.2011 (Rn. 85) zudem ausdrücklich, dass die nationalen Gerichte und Behörden anhand der gegenwärtigen Situation des Betroffenen die Notwendigkeit des beabsichtigten Eingriffs in dessen Aufenthaltsrecht zum Schutz des vom Aufnahmemitgliedstaat verfolgten berechtigten Ziels gegen alle tatsächlich vorliegenden Integrationsfaktoren abwägen müssen, die die Wiedereingliederung des Betroffenen in die Gesellschaft des Aufnahmemitgliedstaats ermöglichen. Hierbei ist insbesondere zu prüfen, ob das Verhalten des türkischen Staatsangehörigen gegenwärtig eine hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft darstellt. Sämtliche konkreten Umstände sind angemessen zu berücksichtigen, die für seine Situation kennzeichnend sind, wie namentlich besonders enge Bindungen des betroffenen Ausländers zur Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland, in deren Hoheitsgebiet er geboren oder auch nur aufgewachsen ist.
47 
Demzufolge sind für die Feststellung der Gegenwärtigkeit der konkreten Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit auch alle nach der letzten Behördenentscheidung eingetretenen Tatsachen zu berücksichtigen, die den Wegfall oder eine nicht unerhebliche Verminderung der gegenwärtigen Gefährdung mit sich bringen können, die das Verhalten des Betroffenen für das in Rede stehende Grundinteresse darstellen soll (Rn. 84; vgl. u. a. Urteil vom 11.11.2004 - Rs. C-467/02 Rn. 47).
48 
Wenn der Gerichtshof schließlich in der konkreten Antwort auf die Vorlagefrage (Rn. 86) noch davon spricht, dass die jeweilige Maßnahme für die Wahrung des Grundinteresses „unerlässlich“ sein muss, ohne dass dieses in den vorangegangenen Ausführungen näher angesprochen und erörtert worden wäre, so kann dies nicht dahingehend verstanden werden, dass die Ausweisungsentscheidung gewissermaßen die „ultima ratio“ sein muss und dem Mitgliedstaat keinerlei Handlungsalternative mehr offen stehen darf. Denn bei einem solchen Verständnis ginge der Schutz der assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen weiter als der von Unionsbürgern, was mit Art. 59 ZP nicht zu vereinbaren wäre. Vielmehr bringt der Gerichtshof mit dieser Formel nur mit anderen Worten den in seiner ständigen Rechtsprechung für die Ausweisung von Unionsbürgern entwickelten Grundsatz zum Ausdruck, dass die Maßnahme geeignet sein muss, die Verwirklichung des mit ihr verfolgten Ziels zu gewährleisten, und sie insbesondere nicht über das hinausgehen darf, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist (vgl. etwa Urteil vom 26.11.2002 - Rs. C-100/01 Rn. 43; vom 30.11.1995 - Rs. C-55/94, Rn. 37; vom 28.10.1975 - Rs 36/75 ), wobei insoweit eine besonders sorgfältige Prüfung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit vorzunehmen ist.
49 
Diese in der Entscheidung angelegte und angemahnte besondere Verhältnismäßigkeitsprüfung verlangt nach Auffassung des Senats auch die Berücksichtigung einer aktiven und positiven Mitarbeit des oder der Betroffenen am Resozialisierungsprozess insbesondere während des Vollzugs der Strafhaft, die aber erkennbar über ein bloßes Wohlverhalten hinausgehen muss, weshalb auch insoweit die infolge der Ausweisung eintretende mögliche Gefährdung eines in Gang gesetzten positiven Resozialisierungsprozesses (vgl. auch § 2 StVollzG) einen wichtigen Abwägungsfaktor ausmachen kann. In Fällen assoziationsberechtigter türkischer Staatsangehöriger, die im Bundesgebiet geboren und/oder hier einen ganz überwiegenden Teil ihres gesamten Lebens verbracht haben, vermag der Umstand einer konkreten Gefährdung eines positiven Resozialisierungsprozesses unter dem Aspekt der Verhältnismäßigkeit zwar assoziationsrechtlich keine strikte Rechtsgrenze einer Ausweisung auszumachen, er kann jedoch im Einzelfall von solchem Gewicht sein, dass es einer besonderen Begründung bedarf, um gleichwohl eine Ausweisung verfügen zu dürfen. Es müssen – namentlich wenn der Resozialisierungsprozess weit fortgeschritten ist und weitere gewichtige positive Integrationsfaktoren hinzukommen – besondere Umstände vorliegen, die es rechtfertigen, gleichwohl das reale Risiko eines Scheiterns des Resozialisierungsprozesses in Kauf zu nehmen.
50 
Der vom Gerichtshof entwickelte Maßstab verweist - anders als der Begriff der Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung im deutschen Polizei- und Ordnungsrecht - nicht auf die Gesamtheit aller Rechtsnormen, sondern nur auf einen spezifischen Rechtsgüterschutz, nämlich auf „ein Grundinteresse der Gesellschaft, das tatsächlich berührt sein muss“. Dabei ist zu beachten, dass eine in der Vergangenheit erfolgte strafgerichtliche Verurteilung allein nur dann eine Ausweisung rechtfertigen kann, wenn die ihr zugrunde liegenden Umstände ein künftiges persönliches Verhalten erwarten lassen, das die beschriebene Gefährdung ausmacht (EuGH, Urteil vom 29.04.2004 - Rs. C-482 und 493/01 ). Die Gefährdung kann sich allerdings auch allein aufgrund eines strafgerichtlich abgeurteilten Verhaltens ergeben (EuGH, Urteil vom 27.10.1977 - Rs. 30/77 ). Andererseits kann und darf es unionsrechtlich gesehen keine Regel geben, wonach bei schwerwiegenden Straftaten das abgeurteilte Verhalten zwangsläufig die hinreichende Besorgnis der Begehung weiterer Straftaten begründet. Maßgeblich ist allein der jeweilige Einzelfall, was eine umfassende Würdigung aller Umstände der Tat und der Persönlichkeit des Betroffenen erfordert (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 30.06.1998 - 1 C 27.95 - InfAuslR 1999, 59). Wenn der Umstand, dass eine oder mehrere frühere strafrechtliche Verurteilungen vorliegen, für sich genommen ohne Bedeutung für die Rechtfertigung einer Ausweisung ist, die einem türkischen Staatsangehörigen Rechte nimmt, die er unmittelbar aus dem Beschluss Nr. 1/80 ARB 1/80 ableitet (vgl. auch Urteil vom 04.10.2007 - C-349/06 Rn. 36), so muss das Gleiche erst recht für eine Maßnahme gelten, die im Wesentlichen nur auf die Dauer der Inhaftierung des Betroffenen gestützt wird.
51 
Der Gerichtshof billigt den Mitgliedstaaten bei der Beurteilung dessen, was ein eigenes gesellschaftliches „Grundinteresse“ sein soll, einen gewissen Spielraum zu (vgl. Urteil vom 28.10.1975 - Rs. 36/75 ). Gleichwohl bleiben die Begriffe der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gemeinschafts- bzw. unionsrechtliche Begriffe, die nicht von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedlich ausgelegt werden können.
52 
Für die Festlegung der entscheidungserheblichen Wiederholungsgefahr und des Maßes der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts soll nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch bei der Anwendung der dargestellten unionsrechtlichen Grundsätze entsprechend dem allgemein geltenden aufenthalts- wie ordnungsrechtlichen Maßstab ein differenzierter, mit zunehmendem Ausmaß des möglichen Schadens abgesenkter Grad der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts gelten mit der Folge, dass insbesondere bei einer Gefährdung des menschlichen Lebens oder bei drohenden schweren Gesundheitsbeeinträchtigungen auch schon die entfernte Möglichkeit eines Schadenseintritts eine Aufenthaltsbeendigung rechtfertigen kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 02.09.2009 - 1 C 2.09 - InfAuslR 2010, 3). Dieser Sichtweise ist mit den vom Europäischen Gerichtshof entwickelten Grundsätzen nicht vereinbar. Dessen Rechtsprechung lassen sich keine verifizierbaren und tragfähigen Ansätze für eine derartige weitgehende Relativierung des Wahrscheinlichkeitsmaßstabes entnehmen; sie werden vom Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 02.09.2009 sowie in der dort in Bezug genommenen anderen Entscheidungen auch nicht bezeichnet. Das vom Gerichtshof gerade regelmäßig herausgestellte Erfordernis der engen Auslegung der Ausnahmevorschrift und die inzwischen in ständiger Spruchpraxis wiederholten Kriterien der tatsächlichen und hinreichend schweren Gefährdung eines gesellschaftlichen Grundinteresses, der die Vorstellung zugrunde liegt, dass im Interesse einer möglichst umfassenden Effektivierung der Grundfreiheiten die Aufenthaltsbeendigung und damit die vollständige Unterbindung der jeweils in Frage stehenden Grundfreiheit unter dem strikten Vorbehalt der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit steht, lassen ein solches Verständnis nicht zu. Es wäre auch nicht durch den den Mitgliedstaaten eingeräumten Beurteilungsspielraum bei der Festlegung des jeweiligen Grundinteresses gedeckt. Denn andernfalls wäre gerade die hier unmittelbar unions- bzw. assoziationsrechtlich gebotene und veranlasste enge Auslegung nicht mehr gewährleistet (so schon Senatsurteile vom 04.05.2011 - 11 S 207/11 - InfAuslR 2011, 291 und vom 10.02.2012 - 11 S 1361/11 - juris).
53 
Dem restriktiven, vom Verhältnismäßigkeitsprinzip und „effet utile“ geprägten Verständnis des Gerichtshofs liegt abgesehen davon die Vorstellung einer die gesamte Union in den Blick nehmenden Sichtweise zugrunde. Alle Mitgliedstaaten haben nämlich auch eine Verantwortung für die gesamte Union (vgl. Art. 4 Abs. 3 EUV). Mit dieser wäre es schwerlich vereinbar, dass ein Mitgliedstaat ein zunächst einmal genuin auf seinem Territorium aufgetretenes und entstandenes Risiko für die öffentliche Ordnung und Sicherheit durch die Absenkung des Wahrscheinlichkeitsmaßstabs für sich so aus der Welt schafft, dass er sich des Verursachers dieses Risiko gewissermaßen zu Lasten aller anderen Mitgliedstaaten räumlich entledigt. Denn zunächst einmal bewirkt die Beendigung der Freizügigkeit und die Außer-Landes-Schaffung des früheren Straftäters durch einen EU-Mitgliedstaat im Verhältnis zu den anderen Mitgliedstaaten nichts und hätte keine Auswirkungen auf dessen Freizügigkeit in allen anderen Mitgliedstaaten. Allerdings wäre es einem anderen Mitgliedstaat nicht verwehrt, wenn der Betreffende dort gerade auch für diesen Mitgliedstaat eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung darstellte, seinerseits die Freizügigkeit zu beschränken. Dennoch widerspricht diese Art von „Gefahrenexport“ zu Lasten anderer Mitgliedstaaten dem Geist des EU-Vertrags. Auch wenn diese Überlegungen im Rahmen der Assoziation EWG-Türkei nicht unmittelbar tragfähig sind, weil diese keine Freizügigkeit innerhalb der Union gewährleistet, so ändert dies angesichts des vom Europäischen Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung praktizierten Übernahme der unionsrechtlichen Grundsätze nichts an der Gültigkeit der Annahme, dass ein „gleitender Wahrscheinlichkeitsmaßstab“ auch nach Assoziationsrecht einer tragfähigen Grundlage entbehrt.
54 
Andererseits ist nach Auffassung des Senats das Kriterium der tatsächlichen und hinreichend schweren Gefährdung nicht in dem Sinn zu verstehen, dass auch eine „gegenwärtige Gefahr“ im Sinne der traditionellen Begrifflichkeit des deutschen Polizei- und Ordnungsrechts vorliegen muss, die voraussetzt, dass der Eintritt des Schadens sofort und nahezu mit Gewissheit zu erwarten ist. Von einer tatsächlichen und hinreichend schweren Gefährdung kann daher nach Auffassung des Senats dann ausgegangen werden, wenn unter Berücksichtigung aller für und gegen den Betroffenen einzustellenden Gesichtspunkte bei einer wertenden Betrachtungsweise mehr dafür spricht, dass der Schaden in einer überschaubaren Zeit eintreten wird.
55 
Die höchstrichterliche Rechtsprechung geht bislang davon aus, dass einer Aussetzung der Reststrafe nach § 57 Abs. 1 und 2 StGB oder nach § 88 Abs. 1 und 2 JGG keine Bindungswirkung zukommt, was u.a. auf die unterschiedlichen Prognosemaßstäbe zurückgeführt wird (vgl. zu alledem BVerwG, Urteil vom 16.11.2000 - 9 C 6.00 - NVwZ 2001, 442; Discher, in: GK-AufenthG Vor §§ 53 ff. Rdn. 1241 ff.). Allerdings soll einer solchen Aussetzung immerhin eine gewisse Indizwirkung zukommen. Die Relativierung derartiger Aussetzungsentscheidungen auf eine bloße Indizwirkung wird jedoch den unions- und assoziationsrechtlichen Anforderungen nicht vollständig gerecht. Denn es würde sich bei einer derartigen Sichtweise ein nicht gerechtfertigter Widerspruch auftun. Der Ansatz von der bloßen Indizwirkung unterstellt, dass gleichwohl im Falle der Aussetzung eines Strafrestes zur Bewährung ohne weiteres ein gesellschaftliches Grundinteresse des Mitgliedstaats weiterhin tatsächlich und hinreichend schwerwiegend gefährdet und eine Beschränkung der Freizügigkeit bzw. ein Entzug des assoziationsrechtlichen Aufenthaltsrechts gerechtfertigt sein kann. Andererseits bringt jedoch die Gesellschaft des Mitgliedstaats gerade durch diese Aussetzung ihre Wertung zum Ausdruck, dass sie um des Täters und seiner Resozialisierung willen - durchaus nicht risikofrei - bereit ist, diesem ein Leben in Freiheit, wenn auch zunächst mit gewissen Auflagen, zu ermöglichen. Es kann dann schwerlich einem Grundinteresse der gesamten Gesellschaft des Mitgliedstaats entsprechen, den Betroffenen gleichwohl vom eigenen Territorium zu entfernen und ihm die Chance einer Resozialisierung in dem Land, in dem er zuletzt gelebt hat, zu nehmen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn er in diesem Land längere Zeit gelebt und dort wesentliche Teile seiner Sozialisierung erfahren hat. Seine Ausweisung in ein Land, in dem er schon längere Zeit nicht mehr oder sogar niemals gelebt hat, muss regelmäßig als kontraproduktiv und einer Resozialisierung hinderlich begriffen werden. Nimmt man noch hinzu, dass nach den oben dargelegten besonderen unionsrechtlichen bzw. assoziationsrechtlichen Maßstäben erhebliche Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit der Begehung neuer Straftaten gestellt werden müssen, so dürfen derartige Aussetzungen auch deshalb nicht gering gewichtet und bewertet werden, weil sie von einer mit der Beurteilung von der Täterpersönlichkeiten und deren Lebensumfeld vertrauten Fachgerichtsbarkeit ausgesprochen und veranlasst werden. Dies muss jedenfalls dann gelten, wenn zur Vorbereitung der Aussetzungsentscheidung fachkundige Stellungnahmen oder fachwissenschaftliche Gutachten eingeholt wurden. Da andererseits den Aussetzungsentscheidungen keine ausdrücklich gesetzlich angeordnete Bindungs- oder Tatbestandswirkung zukommt, kann das Verwaltungsgericht eine solche Entscheidung ausnahmsweise unbeachtet lassen, wenn sie sich als offenkundig fehlerhaft erweist oder aber infolge aktueller Entwicklungen überholt ist und damit keine zuverlässige Prognosegrundlage mehr abgeben kann. Im Regelfall jedoch ist eine solche Aussetzungsentscheidung in der Weise zu berücksichtigen, dass die Ausweisung keinem Grundinteresse der Gesellschaft des Mitgliedstaates (mehr) entspricht.
56 
2. Ausgehend hiervon ist von Folgendem auszugehen: Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Tübingen hat mit Beschluss vom 11.01.2011 (... StVK ... + .../...) die Reststrafe zur Bewährung ausgesetzt mit der Auflage, dass der Kläger sich innerhalb des ersten Jahres einer Drogentherapie zu unterziehen hat. Die Bewährungszeit wurde auf drei Jahre festgesetzt. Der Beschluss beruht auf einem kriminologisch-kriminalprognostischen Gutachten der Universität Tübingen (Dr. R.) vom 01.12.2011, das nach zwei umfangreichen Explorationen erstellt wurde. Dieses Gutachten, das sich auch umfassend mit der Aktenlage beschäftigt, erweist sich in seiner differenzierten und durchaus kritische Aspekte nicht unterdrückenden Sicht als überzeugend. Nimmt man hinzu, dass zur Vorbereitung der Entscheidung der Strafvollstreckungskammer noch eine umfassende Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt Rottenburg eingeholt worden war, die die wesentlichen Entwicklungsschritte, die der Kläger insbesondere im Jahre 2010 gemacht hat, deutlich macht und eine vorzeitige Freilassung befürwortet, so vermag der Senat keine Gesichtspunkte zu erkennen, die geeignet wären, die Entscheidung des Landgerichts Tübingen infrage zu stellen. Die Entscheidung des Landgerichts ist auch nicht deshalb überholt, weil der Kläger drei Termine bei der Drogenberatung nicht wahrgenommen hat. Die vom Kläger hierfür gegebene Erklärung, wonach er wegen der anstrengenden Nachtarbeit die Termine verschlafen oder vergessen habe, vermag zwar nicht völlig zu überzeugen. Eine einzelne Säumnis mag bei der für den Kläger sicherlich völlig neuen Belastungssituation in einem geregelten Arbeitsverhältnis der konkreten Art ohne weiteres verständlich sein. Eine dreimalige Säumnis innerhalb eines Zeitraums von einem knappen dreiviertel Jahr ist allerdings weniger nachvollziehbar, zumal dem Kläger klar sein musste, dass seine Bewährung auf dem Spiel stehen kann. Auch wenn dieser Regelverstoß daher nicht bagatellisiert werden darf, so kann andererseits nicht übersehen werden, dass der Bewährungshelfer in seiner Stellungnahme die aktuelle Bereitschaft des Klägers, mit ihm zusammenzuarbeiten, sehr positiv hervorgehoben und weiterhin nach über einem Jahr in Freiheit eine sehr positive Prognose abgegeben hat, wobei sicherlich auch eine Rolle gespielt hat, dass aufgrund der durchgeführten Urinkontrollen von einem Drogenkonsum nicht ausgegangen werden kann. Hinzu kommt, dass die Säumnis des Klägers der Strafvollstreckungskammer keine Veranlassung gegeben hat, die Bewährungszeit zu verlängern oder die Bewährung gar zu widerrufen. Hiervon abgesehen hat der Kläger zur Überzeugung des Senats nach seiner Haftentlassung eine positive Entwicklung durchlaufen. Ihm ist es bereits kurze Zeit nach der Entlassung gelungen, eine Beschäftigung zu finden; mittlerweile steht er in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis, mit dem er seinen Lebensunterhalt sichern kann; auch seine Wohnsituation ist geklärt. Dieses zusammengefasst ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass jedenfalls zum heutigen Zeitpunkt nach den oben dargelegten Maßstäben kein Grundinteresse der Gesellschaft mehr betroffen ist und die Ausweisung nicht mehr von Art. 14 ARB 1/80 getragen wird. Wenn es ihm gelingen sollte, seinen Sohn und seine Ehefrau nach Deutschland zu holen, so wird dies seine Situation aller Voraussicht nach weiter stabilisieren.
57 
Hat die Ausweisung keinen Bestand mehr, so war auch die unselbstständige Abschiebungsandrohung aufzuheben.
58 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
59 
Die Revision wird zugelassen, weil die aufgeworfenen Fragen zur Anwendung und Auslegung des Assoziationsrechts von grundsätzlicher Bedeutung sind (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
60 
Beschluss vom 7. März 2012
61 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 2 GKG auf 5.000,-- EUR festgesetzt.
62 
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Tenor

I.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

III.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

IV.

Der Antrag, dem Kläger unter Beiordnung des von ihm benannten Rechtsanwalts Prozesskostenhilfe für das Zulassungsverfahren zu bewilligen, wird abgelehnt.

Gründe

1. Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 12. Dezember 2012, mit dem die Klage des Klägers gegen den Bescheid des Beklagten vom 18. Februar 2011, mit dem der Kläger ausgewiesen, die Wirkung der Ausweisung auf drei Jahre befristet sowie seine Abschiebung in die Türkei angedroht worden ist, abgewiesen wurde, wird abgelehnt, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 1, 2 und 3 VwGO nicht vorliegen. Das der rechtlichen Überprüfung durch den Senat ausschließlich unterliegende Vorbringen im Zulassungsantrag rechtfertigt keine Zulassung der Berufung (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO).

1.1. Der Senat hat keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils bestehen dann, wenn der Kläger im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage stellt (BVerfG, B. v. 10.9.2009 - 1 BvR 814/09 - juris Rn. 11). Dies ist jedoch nicht der Fall.

1.1.1. Mit seinem Zulassungsantrag rügt der Kläger, das Verwaltungsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass beim Kläger nach wie vor eine hinreichend konkrete Gefahr bestehe, dass er auch künftig vergleichbar schwerwiegende Straftaten begehen werde, da er weiterhin an einer bisher unbewältigten politoxikomanen Suchterkrankung leide. Demgegenüber habe ein sachverständiger Zeuge keine Hinweise für ein Rückfallverhalten beim Kläger gesehen. Eine Therapie habe bei ihm auch hinreichend Aussicht auf Erfolg. Weiter zeige die schriftliche Einschätzung der Drogenhilfe Schwaben, dass der Kläger sein suchtbedingtes Verhalten in der Vergangenheit bereue und eine hohe Therapiemotivation zeige. Anhaltspunkte für einen erfolgreichen Therapieverlauf ergäben sich zudem aus der von der Strafvollstreckungskammer angekündigten Reststrafenaussetzung.

Mit diesem Vorbringen werden aber keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils begründet. Denn das Verwaltungsgericht hat in seinen Entscheidungsgründen ausführlich dargelegt, dass der Kläger insbesondere wegen des von ihm betriebenen jahrelangen Handels mit Heroin schwere Straftaten von besonderem Gewicht begangen und damit durch sein Verhalten eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefahr für die Grundinteressen der Gesellschaft herbeigeführt hat. Gerade durch den von ihm betriebenen Handel mit Heroin, einer besonders gefährlichen Droge mit hohem Suchtpotential, hat er andere Personen in ihrer Gesundheit gefährdet und dazu beigetragen, dass diese süchtig werden, aufgrund ihrer Rauschmittelsucht erkranken oder sogar zu Tode kommen. Des weiteren ist das Verwaltungsgericht zu Recht von einer konkreten Wiederholungsgefahr durch den Kläger ausgegangen. Es hat dabei in seine Entscheidungsgründe eingestellt, dass der Kläger bereits einmal zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt worden ist, ebenfalls wegen Heroinhandels. Eine während der damaligen Haftzeit durchgeführte Drogentherapie blieb allerdings erfolglos. Noch während der Bewährungszeit hat der Kläger erneut mit Betäubungsmitteln gehandelt und ist u. a. deshalb mit Urteil des Amtsgerichts Augsburg vom 28. Juli 2010 zu einer dreijährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Auch eine während der neuerlichen Haftzeit durchgeführte Entziehungskur ist für erledigt erklärt und der Kläger von der Entziehungsanstalt wieder in die Justizvollzugsanstalt zurückverlegt worden. Als Grund wurde damals die mangelnde Therapiemotivation genannt.

Bereits dieser Verlauf der bislang durchgeführten Therapien zeigt, dass der Kläger, auch wenn er womöglich derzeit eine hohe Therapiemotivation besitzt, letztendlich (noch) nicht in der Lage ist, ein drogen- und straffreies Leben zu führen. Auch bei positivem Therapieverlauf bricht seine Motivation nach einiger Zeit weg und er fällt in alte Verhaltensmuster zurück. Deshalb geht der Senat ebenso wie das Verwaltungsgericht in Fällen wie dem vorliegenden, in denen Betäubungsmittelstraftaten aufgrund einer bestehenden Drogenproblematik begangen worden sind, regelmäßig davon aus, dass von einem Wegfall der konkreten Wiederholungsgefahr nicht ausgegangen werden kann, solange der Kläger nicht eine Drogentherapie erfolgreich abgeschlossen und darüber hinaus die damit verbundene Erwartung künftig drogen- und straffreien Verhaltens auch nach dem Therapieende glaubhaft gemacht hat (vgl. zuletzt BayVGH, B. v. 18.10.2013 -10 ZB 11.618 - juris Rn. 12 m. w. N.). Danach kann aber von einem Wegfall der Wiederholungsgefahr beim Kläger entgegen den Ausführungen im Zulassungsantrag nicht gesprochen werden, auch wenn der Kläger eine hohe Therapiemotivation zeigen sollte. Dass beim Kläger ausnahmsweise bereits vor Therapieabschluss eine Wiederholungsgefahr nicht mehr gegeben ist, ist weder ersichtlich noch sind hierfür Anhaltspunkte aufgezeigt worden. Damit liegen aber auch schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Sinne von § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG vor.

1.1.2. Entgegen den Ausführungen des Klägers im Zulassungsverfahren hat das Verwaltungsgericht auch nicht die Gesamtumstände der Straftaten des Klägers unzureichend berücksichtigt. Vielmehr hat es zu Recht auf die qualitative Steigerung im Hinblick auf die vom Kläger begangenen Rechtsverstöße hingewiesen und ausgeführt, dass sich der Kläger auch nach Verurteilungen wegen Betrugs und einer Trunkenheitsfahrt nicht von der Begehung weiterer Straftaten hat abhalten lassen. Ob zwischen den früheren Straftaten und dem Handel mit Heroin ein Zusammenhang besteht, ist insoweit ohne Belang. Auch ist das Verhalten des Klägers entgegen der Auffassung seiner Bevollmächtigten nicht damit zu entschuldigen, dass „der Handel mit Heroin keinesfalls die Zielrichtung hatte, die körperliche Unversehrtheit Dritter zu schädigen, sondern der eigenen Suchterkrankung diente“. Auch wenn der Kläger am Drogenhandel nicht als gewerbsmäßiger Dealer beteiligt war, dem es ausschließlich auf den finanziellen Gewinn aus seinen Geschäften ankommt, sondern damit seine eigene Suchterkrankung finanzieren wollte, hat er doch damit die körperliche Unversehrheit Dritter geschädigt. Die Gesundheit und das Leben eines jungen Menschen, der über einen solchen Drogenhandel mit Heroin in Kontakt kommt, werden erheblich geschädigt, egal aus welchen Beweggründen dieser Handel getätigt wird.

1.1.3. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils ergeben sich auch nicht deshalb, weil das Verwaltungsgericht die Ermessensentscheidung des Beklagten zu Unrecht nicht beanstandet hat. Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Beklagte alle wesentlichen Gesichtspunkte in seine Prüfung eingestellt hat und sich nicht von sachfremden Erwägungen leiten ließ. Dabei haben sich sowohl der Beklagte als auch das Verwaltungsgericht mit den Belangen des Klägers im Hinblick auf Art. 8 EMRK und Art. 6 GG auseinandergesetzt und sind im Rahmen der Ermessensentscheidung zum Ergebnis gelangt, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthalts des Klägers im Bundesgebiet seine privaten Interessen überwiege. Gründe, die Zweifel an der Richtigkeit dieser Abwägung begründen könnten, hat der Kläger auch im Zulassungsverfahren nicht aufgezeigt.

Entgegen dem Vorbringen des Klägers im Zulassungsverfahren hat sich das Verwaltungsgericht sowohl mit den Folgen einer Ausweisung des Klägers für die Ehefrau als auch für die beiden Söhne auseinandergesetzt und hat dabei sehr wohl die familiären Bindungen des Klägers zu seinen inzwischen 14 und 10 Jahre alten Söhnen und zu seiner Ehefrau berücksichtigt. Wenn der Klägerbevollmächtigte wörtlich rügt, „eine derart schemenhafte Begründung der angeblich fehlenden familiären Bindungen des Klägers an seine Kinder Ehefrau kann jedoch aufgrund der hohen Anforderungen des Schutzbereichs des Art. 6 Abs. 1 GG für derart einschneidende Eingriffe nicht rechtfertigen“, übersieht er, dass das Verwaltungsgericht sehr wohl von einer bestehenden ehelichen Lebensgemeinschaft und von familiären Bindungen des Klägers zu seinen Kindern ausgegangen ist, gegenüber seinen privaten Interessen an der Aufrechterhaltung des Familienverbands aber das hohe Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit und den Schutz der Bürger vor schwerwiegenden Straftaten, zu denen zweifelsohne der Handel mit Betäubungsmitteln wie Heroin gehört, überwiegt. In diesem Zusammenhang verkennt der Kläger zudem, dass das Erziehungs- und Elternrecht, das, worauf der Kläger zutreffend hinweist, vor allem auch dem Schutz der Kinder dient, nicht uneingeschränkt gewährleistet wird. Denn zwar gebietet das Recht des Klägers auf Schutz der Familie nach Art. 6 Abs. 1 und 2 GG sowie das Recht auf Familien- und Privatleben nach Art. 8 Abs. 1 EMRK eine besondere Beachtung bei der Entscheidung, ob ein Ausländer ausgewiesen wird. Jedoch muss diese Abwägung nicht zwingend zugunsten des Schutzes der Familie ausfallen, sondern es ist auch höchstrichterlich geklärt (vgl. z. B. BVerwG, B. v. 10.2.2011 - 1 B 22.10 - juris Rn. 4), dass das Gewicht des für die Ausweisung sprechenden öffentlichen Interesses die privaten Interessen eines Ausländers dann überwiegen kann, wenn sich dies aus einer Gewichtung der Straftaten unter Berücksichtigung sämtlicher Tatumstände und der sich aus den Taten ergebenden Gefahren für Dritte ergibt. Als besonders schwere Straftaten, die zusammen mit einer ungünstigen Prognose eine Aufenthaltsbeendigung trotz beachtlicher familiärer Bindungen im Bundesgebiet erforderlich machen können, gelten nach der Rechtsprechung des EGMR und des Bundesverwaltungsgerichts insbesondere Drogendelikte (vgl. EGMR, U.v. 12.1.2010 - Khan, Nr. 47486/06 - InfAuslR 2010, 369/370 Rn. 40; BVerwG, U.v. 7.12.2011 - 1 B 6.11 - juris Rn. 8). Zutreffend ist das Verwaltungsgericht deshalb davon ausgegangen, dass die Ausweisung des Klägers auch im Hinblick auf seine familiäre Lebensgemeinschaft mit seiner Ehefrau und seinen beiden Söhnen rechtlich nicht zu beanstanden ist, und zwar auch im Hinblick auf die Folgen, die eine Ausweisung des Klägers für die Familienangehörigen mit sich bringt.

1.1.4. Soweit der Kläger im Zulassungsverfahren rügt, es sei im Urteil unberücksichtigt geblieben, dass seine beiden Söhne unterschiedliche Staatsbürgerschaften haben, trifft dies nicht zu. Das Verwaltungsgericht ist auch auf diese Tatsache eingegangen, hat sich aber insbesondere mit den Folgen der Ausweisung des Klägers für den deutschen Sohn, dem nach Auffassung des Verwaltungsgerichts eine Herstellung der gemeinsamen Lebensgemeinschaft mit dem Kläger in der Türkei nicht zumutbar ist, auseinandergesetzt. Dass das Verwaltungsgericht den türkischen Sohn des Klägers dabei weniger im Blick hatte, liegt daran, dass diesem eine Ausreise mit dem Vater zusammen in die Türkei zuzumuten und damit dessen Belange durch die Ausweisung nur in geringerem Ausmaß beeinträchtigt sind. Das Verwaltungsgericht erörtert aber dennoch die Frage, ob eine vorübergehende Trennung vom Vater „für die beiden Söhne“ zumutbar ist (vgl. Rn. 53 des U.), weil es wohl davon ausgegangen ist, dass die Ehefrau mit den beiden Söhnen auch im Fall der Ausreise des Klägers im Bundesgebiet bleiben wird. Damit hat es sich ausreichend mit den Belangen des türkischen Sohnes auseinandergesetzt.

1.1.5. Des weiteren ist das Vorbringen des Klägers, diesem drohten in der Türkei aufgrund seiner bestehenden Suchterkrankung bei Ausübung des „eventuell noch bevorstehenden Militärdienstes… mit hoher Wahrscheinlichkeit gesundheitliche Beeinträchtigungen“, führt ebenfalls nicht zur Zulassung der Berufung, denn das Verwaltungsgericht hat im Ergebnis zutreffend darauf verwiesen, dass auch der dem Kläger eventuell noch bevorstehende Militärdienst an der Zumutbarkeit einer Rückkehr nichts ändert. Abgesehen davon, dass es sich bei diesem Vorbringen allenfalls um Spekulationen handelt („eventuell noch bevorstehender Militärdienst“), weil weder feststeht, dass der Kläger in der Türkei zum Militärdienst eingezogen wird noch, ob er aufgrund seiner Suchterkrankung dort überhaupt Aufnahme findet, ist bereits nicht dargelegt, mit welchen gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Kläger zu rechnen haben wird. Im Übrigen belegt dieser Vortrag, dass vom Kläger noch eine erhebliche Wiederholungsgefahr ausgeht, denn die bei ihm bestehende Suchterkrankung besagt nichts anderes, als dass der Kläger weiter ein hohes Verlangen nach Drogen hat, die er sich irgendwie beschaffen muss.

1.1.6. Schließlich geht das Vorbringen des Klägers, die Befristung der Wirkung der Ausweisung auf die Dauer von drei Jahren sei rechtswidrig, da das hierfür eingeräumte Ermessen nur unzureichend ausgeübt und nicht hinreichend begründet worden sei, bereits deshalb fehl, weil die Entscheidung über die Befristung nicht im Ermessen der Behörde steht, sondern es sich dabei um eine gebundene Entscheidung handelt. Denn während früher die Befristung im Ermessen der Ausländerbehörde stand, hat sich die Rechtslage für die betroffenen Ausländer insoweit verbessert, als § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG dem Betroffenen einen uneingeschränkten, auch hinsichtlich der Dauer der Befristung voller gerichtlicher Überprüfung unterliegenden Befristungsanspruch verschafft (vgl. BVerwG, U.v. 10.7.2012 - 1 C 19/11 -juris Rn. 34). Überdies wird auch nicht weiter dargelegt, wieso die Befristungsentscheidung fehlerhaft sein soll.

1.2. Der Zulassungsgrund der besonderen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) liegt ebenfalls nicht vor.

1.2.1. Die vom Kläger als besonders schwierig erachteten Umstände, nämlich die Erfolgsaussichten einer Drogentherapie und die familiäre Situation des Klägers, sind vom Verwaltungsgericht ausreichend ermittelt und gewürdigt worden. Zudem wäre die Rechtssache in tatsächlicher Hinsicht nicht bereits deshalb besonders schwierig, weil insoweit nach Auffassung des Klägers noch ermittelt werden müsste. Aber auch aus dem Begründungsaufwand des erstinstanzlichen Urteils ergibt sich nicht, dass die Rechtssache besonders schwierig wäre. Rechtsstreitigkeiten über die Ausweisung eines Ausländers bedürfen grundsätzlich einer umfassenden und eingehenden Überprüfung der Sach- und Rechtslage und erfordern deshalb entsprechende Ausführungen in der jeweiligen Entscheidung. Dass im vorliegenden Fall der Begründungsaufwand über das normale Maß hinausgehen würde, ist weder aufgezeigt noch sonst ersichtlich.

1.2.2. Besondere Schwierigkeiten der Rechtssache lassen sich auch nicht daraus herleiten, dass diese nicht gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 VwGO auf den Einzelrichter übertragen worden ist. Denn aus der Nichtübertragung einer Angelegenheit durch die Kammer auf den Einzelrichter kann nicht auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO geschlossen werden (Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2013, § 124 Rn. 8). Zum einen ist nämlich die Übertragung auf den Einzelrichter nicht zwingend vorgeschrieben und bleibt der Entscheidung der Kammer vorbehalten. Zudem hat die Frage des Vorliegens besonderer Schwierigkeiten i. S. von § 6 Abs. 1 Nr. 1 VwGO keine bindende Wirkung für das höhere Gericht.

1.3. Die Berufung ist schließlich auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen.

Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine entscheidungserhebliche und klärungsbedürftige Rechtsfrage von über den Einzelfall hinausgehender Bedeutung aufwirft (vgl. BayVGH, B. v. 19.11.2013 - 10 ZB 11.1227 - juris Rn. 9 m. w. N.). Dies ist hier jedoch nicht der Fall.

Der vom Kläger aufgeworfenen Frage, inwieweit das Kindeswohl sowohl deutscher als auch ausländischer Kinder vor dem Hintergrund des Schutzbereichs des Art. 6 GG bei dem Schutz der familiären Lebensgemeinschaft im Rahmen von Ausweisungsanordnungen möglicherweise getrennt und unterschiedlich zu berücksichtigen und gleichsam im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung zu gewichten ist, kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu, denn diese Frage lässt sich nicht allgemein gültig beantworten. Wie sich bereits aus der Frage ergibt, sind die jeweiligen Belange der Kinder im Rahmen einer Interessenabwägung in die Gesamtentscheidung einzustellen. Dabei kommt es maßgeblich auf den Einzelfall an, wie z. B. auf das Alter der Kinder, ihre Beziehungen zum ausgewiesenen Ausländer etc. Eine Verallgemeinerung und fallübergreifende Klärung ist insoweit nicht möglich.

2. Da der Antrag auf Zulassung der Berufung, wie oben ausgeführt, keine Aussicht auf Erfolg bietet, ist auch der Antrag des Klägers, ihm unter Beiordnung des von ihm benannten Rechtsanwalts Prozesskostenhilfe zu bewilligen, abzulehnen (§ 166 VwGO i.V. mit § 114 Satz 1, § 121 Abs. 1 ZPO a. F.).

Die Entscheidung über die Kosten des Zulassungsverfahrens folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Einer Entscheidung über die Kosten des Prozesskostenhilfeverfahrens bedarf es nicht, weil Gerichtskosten nicht erhoben werden und eine Kostenerstattung nach § 166 VwGO i.V. mit § 118 Abs. 1 Satz 4 ZPO ausgeschlossen ist.

Die Streitwertfestsetzung für das Zulassungsverfahren folgt aus § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG.

Da Gerichtskosten insoweit nicht erhoben werden, ist eine Streitwertfestsetzung für das Prozesskostenhilfeverfahren entbehrlich.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrag auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

Tenor

I.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

III.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

IV.

Der Antrag, dem Kläger unter Beiordnung des von ihm benannten Rechtsanwalts Prozesskostenhilfe für das Zulassungsverfahren zu bewilligen, wird abgelehnt.

Gründe

1. Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 12. Dezember 2012, mit dem die Klage des Klägers gegen den Bescheid des Beklagten vom 18. Februar 2011, mit dem der Kläger ausgewiesen, die Wirkung der Ausweisung auf drei Jahre befristet sowie seine Abschiebung in die Türkei angedroht worden ist, abgewiesen wurde, wird abgelehnt, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 1, 2 und 3 VwGO nicht vorliegen. Das der rechtlichen Überprüfung durch den Senat ausschließlich unterliegende Vorbringen im Zulassungsantrag rechtfertigt keine Zulassung der Berufung (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO).

1.1. Der Senat hat keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils bestehen dann, wenn der Kläger im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage stellt (BVerfG, B. v. 10.9.2009 - 1 BvR 814/09 - juris Rn. 11). Dies ist jedoch nicht der Fall.

1.1.1. Mit seinem Zulassungsantrag rügt der Kläger, das Verwaltungsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass beim Kläger nach wie vor eine hinreichend konkrete Gefahr bestehe, dass er auch künftig vergleichbar schwerwiegende Straftaten begehen werde, da er weiterhin an einer bisher unbewältigten politoxikomanen Suchterkrankung leide. Demgegenüber habe ein sachverständiger Zeuge keine Hinweise für ein Rückfallverhalten beim Kläger gesehen. Eine Therapie habe bei ihm auch hinreichend Aussicht auf Erfolg. Weiter zeige die schriftliche Einschätzung der Drogenhilfe Schwaben, dass der Kläger sein suchtbedingtes Verhalten in der Vergangenheit bereue und eine hohe Therapiemotivation zeige. Anhaltspunkte für einen erfolgreichen Therapieverlauf ergäben sich zudem aus der von der Strafvollstreckungskammer angekündigten Reststrafenaussetzung.

Mit diesem Vorbringen werden aber keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils begründet. Denn das Verwaltungsgericht hat in seinen Entscheidungsgründen ausführlich dargelegt, dass der Kläger insbesondere wegen des von ihm betriebenen jahrelangen Handels mit Heroin schwere Straftaten von besonderem Gewicht begangen und damit durch sein Verhalten eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefahr für die Grundinteressen der Gesellschaft herbeigeführt hat. Gerade durch den von ihm betriebenen Handel mit Heroin, einer besonders gefährlichen Droge mit hohem Suchtpotential, hat er andere Personen in ihrer Gesundheit gefährdet und dazu beigetragen, dass diese süchtig werden, aufgrund ihrer Rauschmittelsucht erkranken oder sogar zu Tode kommen. Des weiteren ist das Verwaltungsgericht zu Recht von einer konkreten Wiederholungsgefahr durch den Kläger ausgegangen. Es hat dabei in seine Entscheidungsgründe eingestellt, dass der Kläger bereits einmal zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt worden ist, ebenfalls wegen Heroinhandels. Eine während der damaligen Haftzeit durchgeführte Drogentherapie blieb allerdings erfolglos. Noch während der Bewährungszeit hat der Kläger erneut mit Betäubungsmitteln gehandelt und ist u. a. deshalb mit Urteil des Amtsgerichts Augsburg vom 28. Juli 2010 zu einer dreijährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Auch eine während der neuerlichen Haftzeit durchgeführte Entziehungskur ist für erledigt erklärt und der Kläger von der Entziehungsanstalt wieder in die Justizvollzugsanstalt zurückverlegt worden. Als Grund wurde damals die mangelnde Therapiemotivation genannt.

Bereits dieser Verlauf der bislang durchgeführten Therapien zeigt, dass der Kläger, auch wenn er womöglich derzeit eine hohe Therapiemotivation besitzt, letztendlich (noch) nicht in der Lage ist, ein drogen- und straffreies Leben zu führen. Auch bei positivem Therapieverlauf bricht seine Motivation nach einiger Zeit weg und er fällt in alte Verhaltensmuster zurück. Deshalb geht der Senat ebenso wie das Verwaltungsgericht in Fällen wie dem vorliegenden, in denen Betäubungsmittelstraftaten aufgrund einer bestehenden Drogenproblematik begangen worden sind, regelmäßig davon aus, dass von einem Wegfall der konkreten Wiederholungsgefahr nicht ausgegangen werden kann, solange der Kläger nicht eine Drogentherapie erfolgreich abgeschlossen und darüber hinaus die damit verbundene Erwartung künftig drogen- und straffreien Verhaltens auch nach dem Therapieende glaubhaft gemacht hat (vgl. zuletzt BayVGH, B. v. 18.10.2013 -10 ZB 11.618 - juris Rn. 12 m. w. N.). Danach kann aber von einem Wegfall der Wiederholungsgefahr beim Kläger entgegen den Ausführungen im Zulassungsantrag nicht gesprochen werden, auch wenn der Kläger eine hohe Therapiemotivation zeigen sollte. Dass beim Kläger ausnahmsweise bereits vor Therapieabschluss eine Wiederholungsgefahr nicht mehr gegeben ist, ist weder ersichtlich noch sind hierfür Anhaltspunkte aufgezeigt worden. Damit liegen aber auch schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Sinne von § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG vor.

1.1.2. Entgegen den Ausführungen des Klägers im Zulassungsverfahren hat das Verwaltungsgericht auch nicht die Gesamtumstände der Straftaten des Klägers unzureichend berücksichtigt. Vielmehr hat es zu Recht auf die qualitative Steigerung im Hinblick auf die vom Kläger begangenen Rechtsverstöße hingewiesen und ausgeführt, dass sich der Kläger auch nach Verurteilungen wegen Betrugs und einer Trunkenheitsfahrt nicht von der Begehung weiterer Straftaten hat abhalten lassen. Ob zwischen den früheren Straftaten und dem Handel mit Heroin ein Zusammenhang besteht, ist insoweit ohne Belang. Auch ist das Verhalten des Klägers entgegen der Auffassung seiner Bevollmächtigten nicht damit zu entschuldigen, dass „der Handel mit Heroin keinesfalls die Zielrichtung hatte, die körperliche Unversehrtheit Dritter zu schädigen, sondern der eigenen Suchterkrankung diente“. Auch wenn der Kläger am Drogenhandel nicht als gewerbsmäßiger Dealer beteiligt war, dem es ausschließlich auf den finanziellen Gewinn aus seinen Geschäften ankommt, sondern damit seine eigene Suchterkrankung finanzieren wollte, hat er doch damit die körperliche Unversehrheit Dritter geschädigt. Die Gesundheit und das Leben eines jungen Menschen, der über einen solchen Drogenhandel mit Heroin in Kontakt kommt, werden erheblich geschädigt, egal aus welchen Beweggründen dieser Handel getätigt wird.

1.1.3. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils ergeben sich auch nicht deshalb, weil das Verwaltungsgericht die Ermessensentscheidung des Beklagten zu Unrecht nicht beanstandet hat. Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Beklagte alle wesentlichen Gesichtspunkte in seine Prüfung eingestellt hat und sich nicht von sachfremden Erwägungen leiten ließ. Dabei haben sich sowohl der Beklagte als auch das Verwaltungsgericht mit den Belangen des Klägers im Hinblick auf Art. 8 EMRK und Art. 6 GG auseinandergesetzt und sind im Rahmen der Ermessensentscheidung zum Ergebnis gelangt, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthalts des Klägers im Bundesgebiet seine privaten Interessen überwiege. Gründe, die Zweifel an der Richtigkeit dieser Abwägung begründen könnten, hat der Kläger auch im Zulassungsverfahren nicht aufgezeigt.

Entgegen dem Vorbringen des Klägers im Zulassungsverfahren hat sich das Verwaltungsgericht sowohl mit den Folgen einer Ausweisung des Klägers für die Ehefrau als auch für die beiden Söhne auseinandergesetzt und hat dabei sehr wohl die familiären Bindungen des Klägers zu seinen inzwischen 14 und 10 Jahre alten Söhnen und zu seiner Ehefrau berücksichtigt. Wenn der Klägerbevollmächtigte wörtlich rügt, „eine derart schemenhafte Begründung der angeblich fehlenden familiären Bindungen des Klägers an seine Kinder Ehefrau kann jedoch aufgrund der hohen Anforderungen des Schutzbereichs des Art. 6 Abs. 1 GG für derart einschneidende Eingriffe nicht rechtfertigen“, übersieht er, dass das Verwaltungsgericht sehr wohl von einer bestehenden ehelichen Lebensgemeinschaft und von familiären Bindungen des Klägers zu seinen Kindern ausgegangen ist, gegenüber seinen privaten Interessen an der Aufrechterhaltung des Familienverbands aber das hohe Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit und den Schutz der Bürger vor schwerwiegenden Straftaten, zu denen zweifelsohne der Handel mit Betäubungsmitteln wie Heroin gehört, überwiegt. In diesem Zusammenhang verkennt der Kläger zudem, dass das Erziehungs- und Elternrecht, das, worauf der Kläger zutreffend hinweist, vor allem auch dem Schutz der Kinder dient, nicht uneingeschränkt gewährleistet wird. Denn zwar gebietet das Recht des Klägers auf Schutz der Familie nach Art. 6 Abs. 1 und 2 GG sowie das Recht auf Familien- und Privatleben nach Art. 8 Abs. 1 EMRK eine besondere Beachtung bei der Entscheidung, ob ein Ausländer ausgewiesen wird. Jedoch muss diese Abwägung nicht zwingend zugunsten des Schutzes der Familie ausfallen, sondern es ist auch höchstrichterlich geklärt (vgl. z. B. BVerwG, B. v. 10.2.2011 - 1 B 22.10 - juris Rn. 4), dass das Gewicht des für die Ausweisung sprechenden öffentlichen Interesses die privaten Interessen eines Ausländers dann überwiegen kann, wenn sich dies aus einer Gewichtung der Straftaten unter Berücksichtigung sämtlicher Tatumstände und der sich aus den Taten ergebenden Gefahren für Dritte ergibt. Als besonders schwere Straftaten, die zusammen mit einer ungünstigen Prognose eine Aufenthaltsbeendigung trotz beachtlicher familiärer Bindungen im Bundesgebiet erforderlich machen können, gelten nach der Rechtsprechung des EGMR und des Bundesverwaltungsgerichts insbesondere Drogendelikte (vgl. EGMR, U.v. 12.1.2010 - Khan, Nr. 47486/06 - InfAuslR 2010, 369/370 Rn. 40; BVerwG, U.v. 7.12.2011 - 1 B 6.11 - juris Rn. 8). Zutreffend ist das Verwaltungsgericht deshalb davon ausgegangen, dass die Ausweisung des Klägers auch im Hinblick auf seine familiäre Lebensgemeinschaft mit seiner Ehefrau und seinen beiden Söhnen rechtlich nicht zu beanstanden ist, und zwar auch im Hinblick auf die Folgen, die eine Ausweisung des Klägers für die Familienangehörigen mit sich bringt.

1.1.4. Soweit der Kläger im Zulassungsverfahren rügt, es sei im Urteil unberücksichtigt geblieben, dass seine beiden Söhne unterschiedliche Staatsbürgerschaften haben, trifft dies nicht zu. Das Verwaltungsgericht ist auch auf diese Tatsache eingegangen, hat sich aber insbesondere mit den Folgen der Ausweisung des Klägers für den deutschen Sohn, dem nach Auffassung des Verwaltungsgerichts eine Herstellung der gemeinsamen Lebensgemeinschaft mit dem Kläger in der Türkei nicht zumutbar ist, auseinandergesetzt. Dass das Verwaltungsgericht den türkischen Sohn des Klägers dabei weniger im Blick hatte, liegt daran, dass diesem eine Ausreise mit dem Vater zusammen in die Türkei zuzumuten und damit dessen Belange durch die Ausweisung nur in geringerem Ausmaß beeinträchtigt sind. Das Verwaltungsgericht erörtert aber dennoch die Frage, ob eine vorübergehende Trennung vom Vater „für die beiden Söhne“ zumutbar ist (vgl. Rn. 53 des U.), weil es wohl davon ausgegangen ist, dass die Ehefrau mit den beiden Söhnen auch im Fall der Ausreise des Klägers im Bundesgebiet bleiben wird. Damit hat es sich ausreichend mit den Belangen des türkischen Sohnes auseinandergesetzt.

1.1.5. Des weiteren ist das Vorbringen des Klägers, diesem drohten in der Türkei aufgrund seiner bestehenden Suchterkrankung bei Ausübung des „eventuell noch bevorstehenden Militärdienstes… mit hoher Wahrscheinlichkeit gesundheitliche Beeinträchtigungen“, führt ebenfalls nicht zur Zulassung der Berufung, denn das Verwaltungsgericht hat im Ergebnis zutreffend darauf verwiesen, dass auch der dem Kläger eventuell noch bevorstehende Militärdienst an der Zumutbarkeit einer Rückkehr nichts ändert. Abgesehen davon, dass es sich bei diesem Vorbringen allenfalls um Spekulationen handelt („eventuell noch bevorstehender Militärdienst“), weil weder feststeht, dass der Kläger in der Türkei zum Militärdienst eingezogen wird noch, ob er aufgrund seiner Suchterkrankung dort überhaupt Aufnahme findet, ist bereits nicht dargelegt, mit welchen gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Kläger zu rechnen haben wird. Im Übrigen belegt dieser Vortrag, dass vom Kläger noch eine erhebliche Wiederholungsgefahr ausgeht, denn die bei ihm bestehende Suchterkrankung besagt nichts anderes, als dass der Kläger weiter ein hohes Verlangen nach Drogen hat, die er sich irgendwie beschaffen muss.

1.1.6. Schließlich geht das Vorbringen des Klägers, die Befristung der Wirkung der Ausweisung auf die Dauer von drei Jahren sei rechtswidrig, da das hierfür eingeräumte Ermessen nur unzureichend ausgeübt und nicht hinreichend begründet worden sei, bereits deshalb fehl, weil die Entscheidung über die Befristung nicht im Ermessen der Behörde steht, sondern es sich dabei um eine gebundene Entscheidung handelt. Denn während früher die Befristung im Ermessen der Ausländerbehörde stand, hat sich die Rechtslage für die betroffenen Ausländer insoweit verbessert, als § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG dem Betroffenen einen uneingeschränkten, auch hinsichtlich der Dauer der Befristung voller gerichtlicher Überprüfung unterliegenden Befristungsanspruch verschafft (vgl. BVerwG, U.v. 10.7.2012 - 1 C 19/11 -juris Rn. 34). Überdies wird auch nicht weiter dargelegt, wieso die Befristungsentscheidung fehlerhaft sein soll.

1.2. Der Zulassungsgrund der besonderen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) liegt ebenfalls nicht vor.

1.2.1. Die vom Kläger als besonders schwierig erachteten Umstände, nämlich die Erfolgsaussichten einer Drogentherapie und die familiäre Situation des Klägers, sind vom Verwaltungsgericht ausreichend ermittelt und gewürdigt worden. Zudem wäre die Rechtssache in tatsächlicher Hinsicht nicht bereits deshalb besonders schwierig, weil insoweit nach Auffassung des Klägers noch ermittelt werden müsste. Aber auch aus dem Begründungsaufwand des erstinstanzlichen Urteils ergibt sich nicht, dass die Rechtssache besonders schwierig wäre. Rechtsstreitigkeiten über die Ausweisung eines Ausländers bedürfen grundsätzlich einer umfassenden und eingehenden Überprüfung der Sach- und Rechtslage und erfordern deshalb entsprechende Ausführungen in der jeweiligen Entscheidung. Dass im vorliegenden Fall der Begründungsaufwand über das normale Maß hinausgehen würde, ist weder aufgezeigt noch sonst ersichtlich.

1.2.2. Besondere Schwierigkeiten der Rechtssache lassen sich auch nicht daraus herleiten, dass diese nicht gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 VwGO auf den Einzelrichter übertragen worden ist. Denn aus der Nichtübertragung einer Angelegenheit durch die Kammer auf den Einzelrichter kann nicht auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO geschlossen werden (Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2013, § 124 Rn. 8). Zum einen ist nämlich die Übertragung auf den Einzelrichter nicht zwingend vorgeschrieben und bleibt der Entscheidung der Kammer vorbehalten. Zudem hat die Frage des Vorliegens besonderer Schwierigkeiten i. S. von § 6 Abs. 1 Nr. 1 VwGO keine bindende Wirkung für das höhere Gericht.

1.3. Die Berufung ist schließlich auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen.

Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine entscheidungserhebliche und klärungsbedürftige Rechtsfrage von über den Einzelfall hinausgehender Bedeutung aufwirft (vgl. BayVGH, B. v. 19.11.2013 - 10 ZB 11.1227 - juris Rn. 9 m. w. N.). Dies ist hier jedoch nicht der Fall.

Der vom Kläger aufgeworfenen Frage, inwieweit das Kindeswohl sowohl deutscher als auch ausländischer Kinder vor dem Hintergrund des Schutzbereichs des Art. 6 GG bei dem Schutz der familiären Lebensgemeinschaft im Rahmen von Ausweisungsanordnungen möglicherweise getrennt und unterschiedlich zu berücksichtigen und gleichsam im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung zu gewichten ist, kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu, denn diese Frage lässt sich nicht allgemein gültig beantworten. Wie sich bereits aus der Frage ergibt, sind die jeweiligen Belange der Kinder im Rahmen einer Interessenabwägung in die Gesamtentscheidung einzustellen. Dabei kommt es maßgeblich auf den Einzelfall an, wie z. B. auf das Alter der Kinder, ihre Beziehungen zum ausgewiesenen Ausländer etc. Eine Verallgemeinerung und fallübergreifende Klärung ist insoweit nicht möglich.

2. Da der Antrag auf Zulassung der Berufung, wie oben ausgeführt, keine Aussicht auf Erfolg bietet, ist auch der Antrag des Klägers, ihm unter Beiordnung des von ihm benannten Rechtsanwalts Prozesskostenhilfe zu bewilligen, abzulehnen (§ 166 VwGO i.V. mit § 114 Satz 1, § 121 Abs. 1 ZPO a. F.).

Die Entscheidung über die Kosten des Zulassungsverfahrens folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Einer Entscheidung über die Kosten des Prozesskostenhilfeverfahrens bedarf es nicht, weil Gerichtskosten nicht erhoben werden und eine Kostenerstattung nach § 166 VwGO i.V. mit § 118 Abs. 1 Satz 4 ZPO ausgeschlossen ist.

Die Streitwertfestsetzung für das Zulassungsverfahren folgt aus § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG.

Da Gerichtskosten insoweit nicht erhoben werden, ist eine Streitwertfestsetzung für das Prozesskostenhilfeverfahren entbehrlich.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrag auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

Gründe

I.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.II.

Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

III.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.Gründe:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung, mit dem die Klägerin ihre Klage auf Aufhebung der mit Bescheid der Beklagten vom 16. April 2013 verfügten Ausweisung aus der Bundesrepublik weiter verfolgt, bleibt ohne Erfolg. Aus dem der rechtlichen Überprüfung durch den Senat allein unterliegenden Vorbringen im Zulassungsverfahren ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils. Der Zulassungsgrund der besonderen rechtlichen oder tatsächlichen Schwierigkeiten ist schon nicht in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechenden Weise dargelegt.

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestünden dann, wenn die Klägerin einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt hätte (vgl. BVerfG, B. v. 10.09.2009 - 1 BvR 814/09 - juris Rn. 11). Dies ist hier jedoch nicht der Fall.

Das Verwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass die Ausweisung der Klägerin sowohl aus spezialpräventiven als auch generalpräventiven Überlegungen rechtmäßig ist. Die Klägerin sei bis zur letzten Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von elf Jahren wegen versuchten Mordes bereits in erheblichem Maße vorbestraft und dreimal inhaftiert gewesen. Die im Strafurteil angeordnete Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB beseitige die Wiederholungsgefahr nicht. Voraussetzung hierfür sei der erfolgreiche Abschluss einer Drogentherapie. Dies gelte im Übrigen nur für Straftaten, die überwiegend auf einer festgestellten Suchterkrankung beruhten. Die im Bescheid getroffene und in der mündlichen Verhandlung ergänzte Ermessensentscheidung der Beklagten sei nicht zu beanstanden. Gerade im Hinblick auf die besondere Schwere der Straftat der Klägerin und die bestehende Wiederholungsgefahr müsse die Klägerin auch den mit der Ausweisung verbundenen gravierenden Eingriff in ihre Beziehung zu ihren Kindern hinnehmen und sich insoweit auf Besuchskontakte, Briefe und Telefonate verweisen lassen. Dabei sei insbesondere zu berücksichtigen, dass sich die Klägerin in der Vergangenheit nicht um die Kinder gekümmert habe. Das Sorgerecht ruhe, die Mutter der Klägerin sei zum Vormund bestellt. Eine Tochter sei bereits volljährig, die zweite Tochter werde bei der Entlassung der Klägerin aus der Justizvollzugsanstalt voraussichtlich ebenfalls volljährig sein.

Dagegen wendet die Klägerin im Zulassungsverfahren ein, dass gemäß § 64 Satz 2 StGB die Anordnung nach § 64 Satz 1 StGB nur ergehen dürfe, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht bestehe, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor einen Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Straftaten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen. Das Verwaltungsgericht habe sich einfach über die Entscheidung des Schwurgerichts hinweggesetzt. Eine nachvollziehbare Begründung hierfür erfolge nicht. Führe die Klägerin nämlich erfolgreich eine Drogentherapie durch, sei von keiner Wiederholungsgefahr in Bezug auf künftige Straftaten auszugehen. Deshalb hätte die Beklagte den Ausgang der Therapie abwarten müssen.

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils ergeben sich aus diesem Vorbringen der Klägerin jedoch nicht.

Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass bei Straftaten, die auch auf der Suchterkrankung des Ausländers beruhen, nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs von einem Wegfall der für die Ausweisung aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Sinne von § 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthaltG erforderlichen Wiederholungsgefahr nicht ausgegangen werden kann, solange der Ausländer nicht eine Drogentherapie beziehungsweise eine andere Suchttherapie erfolgreich abgeschlossen und die damit verbundene Erwartung künftig drogen- und straffreien Verhaltens auch nach Therapieende glaubhaft gemacht hat (vgl. BayVGH, B. v. 18.10.2013 - 10 ZB 11.618 - juris Rn. 12 m. w. N.). Da die Klägerin ihre Therapie aber noch nicht erfolgreich abgeschlossen hat, kann entgegen ihrer Auffassung von einem Wegfall der Wiederholungsgefahr alleine wegen der bloßen Anordnung einer Maßnahme der Sicherung und Besserung nach § 64 StGB durch das Strafgericht nicht ausgegangen werden. Die Teilnahme an einem Drogenentzugsprogramm stellt sich nicht als außergewöhnlicher und gegen eine Wiederholungsgefahr sprechender Umstand dar, sondern geht typischer Weise mit der Verurteilung eines drogenabhängigen Straftäters einher. Allein die beabsichtigte oder bevorstehende Teilnahme an einem Drogenentzugsprogramm, welches das Strafgericht nicht von vornherein für aussichtslos erachtet, spricht nicht für einen Wegfall der konkreten Wiederholungsgefahr im maßgeblichen Zeitpunkt. (vgl. BayVGH, B. v. 15.10.2003 - 10 ZB 03.1968 - juris Rn. 5 m. w. N.). Die Einschätzung des Schwurgerichtes, wonach für die Drogentherapie der Klägerin eine hinreichend konkrete Erfolgsaussicht im Sinn des § 64 Satz 2 StGB vorliege, beruht auf der glaubhaften Bekundung der Klägerin, sie stehe einer Therapiemaßnahme gemäß § 64 StGB aufgeschlossen gegenüber. Dennoch hat das Schwurgericht wegen der dissozialen Charakterstruktur der Klägerin eine Gefährdung der Erfolgsaussichten einer Entwöhnungsbehandlung angenommen und vor dem Antritt der Maßnahme nach § 64 StGB den Vorwegvollzug der Freiheitsstrafe für die Dauer von drei Jahren und sechs Monaten angeordnet, weil es eine Sozialtherapie bei der Klägerin für erforderlich hielt. Diese Sozialtherapie soll die Erfolgsaussichten der Entwöhnungsbehandlung erhöhen. Auch wenn damit nach Auffassung des Strafgerichts eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Klägerin nach vorheriger Sozialtherapie durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt zu heilen, lässt sich derzeit daraus nicht schließen, dass die Klägerin keine Straftaten mehr begehen würde. Eine im ausländerrechtlichen Sinne günstige Gefahrenprognose bezüglich der Begehung weiterer Straftaten setzt demgegenüber voraus, dass die Entziehungstherapie jedenfalls erfolgreich abgeschlossen ist und nicht nur zu Beginn der Therapie eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, dass die Therapie erfolgreich zu Ende geführt wird. Ausländerrechtlich stehen eine längerfristige Gefahrenprognose und der Schutz wichtiger Rechtsgüter vor der Klägerin und nicht die Besserung der Klägerin im Vordergrund. Dem erfolgreichen Abschluss der Therapie kommt im Übrigen vorliegend schon deshalb besondere Bedeutung zu, weil die Klägerin ein in der Justizvollzugsanstalt begonnenes Antiaggressionstraining abgebrochen hat und eine Sozialtherapie ablehnt (vgl. Bl. 49 der VG-Akte).

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils ergeben sich auch nicht aus dem Vorbringen der Klägerin zu Art. 8 EMRK und Art. 6 GG. Unter Verweis auf die Ausführungen im Bescheid vom 16. April 2013 führt das Verwaltungsgericht zutreffend aus, dass selbst Ausländer, die im Aufnahmestaat geboren wurden oder seit ihrer frühen Kindheit dort leben, kein Recht aus Art. 8 EMRK ableiten können, nicht aufgrund der von ihnen begangenen Straftaten ausgewiesen zu werden. Sowohl das Erstgericht als auch die Beklagte haben erkannt, dass die Klägerin nach einem über 40-jährigen Aufenthalt in der Bundesrepublik den Bezug zu ihrem Heimatland weitgehend verloren habe. Der weiteren Feststellung des Verwaltungsgerichts, dass die Ausweisung dennoch nicht unverhältnismäßig sei, weil sich die Klägerin in der Bundesrepublik nicht integriert habe und von ihr weiterhin eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung aufgrund ihrer Drogensucht ausgehe, tritt die Klägerin mit ihrem Zulassungsvorbringen jedoch nicht hinreichend substantiiert entgegen. Die Abwägungsentscheidung der Beklagten, wonach aufgrund der erheblichen Wiederholungsgefahr die privaten Belange der Klägerin zurückstehen müssten, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Auch nach der Rechtsprechung des EGMR und des Bundesverwaltungsgerichts können besonders schwerwiegende Straftaten wie der von der Klägerin begangene Mordversuch in die Abwägung mit den besonderen individuellen Belangen und Interessen des Betroffenen mit entsprechendem Gewicht eingestellt werden (EGMR, U. v. 12.1.2010 - Khan, Nr. 47486/06 - InfAuslR 2010, 369/370 Rn. 40; BVerwG, U. v. 7.12.2011 - 1 B 6.11 - juris Rn. 8).

Soweit die Klägerin auf die bestehende Beziehung zu ihren 1994 und 1998 geborenen Töchtern, von denen die jüngere deutsche Staatsangehörige ist, verweist, ergeben sich hieraus ebenfalls keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts. Eine Aufenthaltsbeendigung für einen Elternteil aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ist jedenfalls bei besonders schwerwiegenden Straftaten und der bestehenden Wiederholungsgefahr, wie sie hier vom Erstgericht zutreffend festgestellt worden ist, nicht generell unter allen Umständen ausgeschlossen (BVerwG, B. v. 10.2.2011 - 1 B 22.10 - juris Rn. 4; BayVGH, B. v. 2.3.2013 - 10 ZB 11.2960 - juris Rn.8). Das Erstgericht hat insoweit zu Recht darauf abgestellt, dass das Sorgerecht der Klägerin für die beiden Töchter wegen ihrer Drogensucht bereits seit dem Jahr 2001 ruht und die beiden Mädchen seit dieser Zeit bei der Großmutter leben. In diesem Zusammenhang hat das Verwaltungsgericht auch richtigerweise angeführt, dass die ältere Tochter in der Zwischenzeit volljährig ist und auch die jüngere Tochter im Herbst 2015, wenn die Klägerin frühestens aus dem am 25. Oktober 2013 begonnenen Maßregelvollzug entlassen werden könnte, bereits 16 Jahre alt sein wird. Gerade im Hinblick auf die Schwere der Straftat und die von ihr nach wie vor ausgehende erhebliche Wiederholungsgefahr muss die Klägerin den mit der Ausweisung verbundenen gravierenden Eingriff in die Beziehung zu ihrer Familie hinnehmen und sich insoweit nach der Entlassung aus dem Maßregelvollzug auf Briefe, Telefonate und gelegentliche Besuchskontakte verweisen lassen.

Der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegt aber auch deshalb nicht vor, weil das Verwaltungsgericht die schwerwiegenden Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Sinne des § 56 Abs. 1 Satz 2 und 3 AufenthG auch mit generalpräventiven Erwägungen begründet hat. Denn schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Sinn des § 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG können bei strafrechtlichen Verurteilungen auch dann vorliegen, wenn wegen der besonderen Schwere der Straftat ein dringendes Bedürfnis besteht, durch die Ausweisung generalpräventiv andere Ausländer von der Begehung vergleichbarer Straftaten abzuhalten. Dies gilt grundsätzlich auch bei in Deutschland verwurzelten Ausländern (BVerwG, U. v. 14.2.2012 - 1 C 7.11 - juris Rn. 17 und Rn. 20). Ist die angefochtene Entscheidung auf mehrere selbstständig tragende Gründe gestützt, so kommt eine Zulassung der Berufung nur dann in Betracht, wenn die Zulassungsgründe wegen eines jeden die Entscheidung tragenden Grundes dargelegt werden und vorliegen (vgl. zuletzt BayVGH, B. v. 12.02.2014 - 10 ZB 13.1591 - Rn. 7 m. w. N.). Hinsichtlich der Annahme des Verwaltungsgerichts, schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung lägen auch in generalpräventiver Hinsicht vor, hat die Klägerin jedoch keine Zulassungsgründe dargelegt.

Den ebenfalls angeführten Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO hat die Klägerin schon nicht in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Weise geltend gemacht. Hierfür hätte es einer konkreten Bezeichnung bedurft, in Bezug auf welche Rechts- und Tatsachenfragen sich Schwierigkeiten ergeben und worin deren Besonderheit besteht. Die Behauptung, das Urteil lasse viele Fragen offen und setze sich nicht mit sämtlichen entscheidungserheblichen Punkten auseinander, reicht nicht aus, um das gesetzliche Darlegungserfordernis des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO zu erfüllen.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO abzulehnen.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 18. Juni 2013 rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

(2) Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag kann nur durch einen Gerichtsbeschluß, der zu begründen ist, abgelehnt werden.

(3) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt, ferner alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.

(4) Die Beteiligten sollen zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung Schriftsätze einreichen. Hierzu kann sie der Vorsitzende unter Fristsetzung auffordern. Die Schriftsätze sind den Beteiligten von Amts wegen zu übermitteln.

(5) Den Schriftsätzen sind die Urkunden oder elektronischen Dokumente, auf die Bezug genommen wird, in Abschrift ganz oder im Auszug beizufügen. Sind die Urkunden dem Gegner bereits bekannt oder sehr umfangreich, so genügt die genaue Bezeichnung mit dem Anerbieten, Einsicht bei Gericht zu gewähren.

Tenor

I.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

III.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Aus dem der rechtlichen Überprüfung durch den Senat allein unterliegenden Vorbringen im Zulassungsantrag (vgl. § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO) ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (1.). Die Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO (Divergenz; 2.) und § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO (Verfahrensmangel; 3.) liegen nicht vor bzw. sind schon nicht in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechenden Art dargelegt.

1. Der Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegt nicht vor. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung bestünden nur dann, wenn der Kläger im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt hätte (BVerfG, B. v. 10.9.2009 - 1 BvR 814/09 - juris Rn. 11). Dies ist jedoch nicht der Fall.

Das Verwaltungsgericht hat in seinem Urteil ausgeführt, dass sowohl die Ausweisungsverfügung der Beklagten in Nr. 1 des Bescheides vom 14. Dezember 2010 als auch die Abschiebungsanordnung/Abschiebungsandrohung in den Libanon in Nr. 3 des Bescheides rechtmäßig seien. Der Kläger habe die Ausweisungstatbestände des § 53 Nr. 1 und 2 AufenthG erfüllt und sei damit zwingend auszuweisen. Er genieße keinen besonderen Ausweisungsschutz nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG, weil er im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht mit einem deutschen Familienangehörigen in familiärer Lebensgemeinschaft gelebt habe. Eine Ermessensentscheidung sei nicht geboten, weil nur ein geringer Eingriff in die von Art. 8 EMRK und Art. 6 Abs. 1 und 2 GG vermittelte Rechtsstellung vorliege. Es verbleibe daher bei einer umfassenden Verhältnismäßigkeitsprüfung nach Art. 8 Abs. 2 EMRK. Nach diesen Kriterien sei die Ausweisung nicht unverhältnismäßig. Der Kläger habe niemals einen Aufenthaltstitel besessen. Er sei bereits wenige Monate nach der Geburt seiner Tochter, die die deutsche Staatsangehörigkeit besitze, in Haft genommen worden. Nach der Haftentlassung sei es nur zu zwei Kontakten mit dem Kind gekommen. Seit dem 18. Juli 2013 befinde er sich in Drogentherapie. Vom Kläger gehe eine erhebliche Wiederholungsgefahr aus. Ihm sei eine Rückkehr in den Libanon zumutbar. Er habe seine wesentliche Prägung dort erfahren. Die Anordnung der Abschiebung des Klägers aus der Haft sei ebenfalls nicht zu beanstanden.

1.1 Gegen die Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung bezüglich der Ausweisungsverfügung (1.1.1) und der Abschiebungsanordnung (1.1.2) bringt der Kläger zunächst vor, das Verwaltungsgericht habe nicht aufgeklärt, ob der Kläger libanesischer Staatsangehöriger sei, sondern sich mit der Feststellung begnügt, dass seine Staatsangehörigkeit ungeklärt sei. Damit stellt er jedoch die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts, die Ausweisungsverfügung und die Abschiebungsanordnung in den Libanon oder einen Drittstaat, der zur Aufnahme des Klägers bereit oder verpflichtet sei, seien rechtmäßig, nicht ernsthaft in Frage.

1.1.1 Die Staatsangehörigkeit des Klägers ist ohne Bedeutung für die Rechtmäßigkeit der Ausweisungsverfügung. Ein Ausländer ist auszuweisen bzw. kann ausgewiesen werden, wenn er die in den §§ 53 ff. AufenthG bezeichneten Ausweisungstatbestände verwirklicht. Es kommt folglich lediglich darauf an, dass der von der Ausweisung Betroffene nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt und das Aufenthaltsgesetz auf ihn Anwendung findet (§ 1 Abs. 2 AufenthG). Das Vorbringen des Klägers im Zulassungsverfahren kann daher allenfalls dahingehend verstanden werden, dass seiner Auffassung nach die Ausweisung ermessensfehlerhaft und/oder unverhältnismäßig sei, weil die tatsächliche Beendigung des Aufenthalts in der Bundesrepublik und eine Abschiebung in den Libanon auf Dauer nicht möglich seien, da der Kläger die libanesische Staatsangehörigkeit nicht besitze. Auch damit lassen sich jedoch ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils nicht begründen. Selbst wenn der Kläger kein libanesischer Staatsangehöriger, sondern staatenlos wäre und die Beendigung seines Aufenthalts in der Bundesrepublik faktisch nicht möglich wäre, hätte dies nicht zwangsläufig die Rechtswidrigkeit der Ausweisungsverfügung zur Folge. Denn seine Ausweisung liefe auch dann nicht ins Leere und wäre damit auch nicht rechtswidrig, weil mit einer Ausweisungsentscheidung nach §§ 53 ff. AufenthG regelmäßig auch eine generalpräventive Wirkung verbunden ist (BayVGH, U. v. 23.9.2002 - 24 B 02.153 - juris Rn. 26 ff.). Vor allem führt eine Ausweisung zum Erlöschen des Aufenthaltstitels (§ 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG) und löst die Wirkungen des § 11 Abs. 1 Satz 1 und 2 AufenthG aus, so dass zumindest die Begründung oder Verfestigung eines rechtmäßigen Aufenthalts verhindert wird. Selbst wenn man das Bestehen eines Abschiebungshindernisses in den Libanon nach § 60a Abs. 2 AufenthG wegen der fehlenden libanesischen Staatsangehörigkeit unterstellen würde, stünde dies einer Ausweisung nicht entgegen. Ermessensfehlerhaft bzw. unverhältnismäßig wäre eine Ausweisungsverfügung bei Bestehen eines Abschiebungshindernisses allenfalls dann, wenn bereits im Zeitpunkt der Entscheidung über die Ausweisung auszuschließen wäre, dass der Ausländer das Bundesgebiet freiwillig verlässt und auch eine Abschiebung über einen längeren Zeitraum nicht möglich ist (Hailbronner, Ausländerrecht, Stand April 2014, AufenthG, § 55 Rn. 127, 128). Hierfür bestehen vorliegend keinerlei Anhaltspunkte, weil der Kläger 20 Jahre als Flüchtling im Libanon gelebt hat, im Besitz eines Passes war, der von den libanesischen Behörden ausgestellt worden war, und nicht ausgeschlossen ist, dass der Kläger wieder in den Libanon einreisen darf. Die Regierung von Oberbayern bemüht sich derzeit um entsprechende Heimreisepapiere.

1.1.2 Auch wenn der Kläger nicht libanesischer Staatsangehöriger wäre, führte die Angabe des Zielstaates Libanon in der Abschiebungsanordnung/-androhung nicht zu deren Rechtswidrigkeit. Entgegen der Auffassung des Klägers darf die Ausländerbehörde nicht nur die Abschiebung des Ausländers in einen Zielstaat androhen bzw. anordnen, dessen Staatsangehörigkeit der Ausländer besitzt. Dafür spricht schon der Wortlaut des § 59 Abs. 2 AufenthG, wonach der Ausländer auch in einen anderen Staat abgeschoben werden kann, in den er einreisen darf oder der zu seiner Übernahme verpflichtet ist. Neben der Aufnahmebereitschaft bzw. der Aufnahmeverpflichtung des Zielstaates der Abschiebung stellt das Aufenthaltsgesetz also keine weiteren Voraussetzungen, wie etwa das Bestehen von Bindungen zu diesem Staat, auf (OVG Hamburg, B. v. 4.12.2008 - 4 BS 22/08 - juris Rn. 13). Es ist folglich nicht Voraussetzung, dass der abzuschiebende Ausländer die Staatsangehörigkeit des Zielstaates besitzt. Die Zielstaatsbezeichnung gemäß § 59 Abs. 2 AufenthG verfolgt nur den Zweck, das vorrangige Abschiebezielland für die vollziehende Behörde eindeutig zu kennzeichnen und möglichst frühzeitig die Prüfung von Abschiebungshindernissen bezüglich dieses Staats vorzunehmen (BVerwG, U. v. 25.7.2000 -9 C 42/99 - juris Rn. 10). Ebenso wenig ist die Abschiebung eines Ausländers mit ungeklärter Staatsangehörigkeit ausgeschlossen, weil die Möglichkeit besteht, dass ihm bei seiner Ankunft im Zielstaat der Abschiebung von den dortigen Behörden die Einreise in das Land verweigert wird und somit der Rücktransport des Ausländers nach Deutschland erfolgen muss. Die Nachteile eines solchen erfolglosen Abschiebungsversuchs sind für den Ausländer nicht so groß, dass die Beklagte zu verpflichten wäre, vor der Abschiebung sicherzustellen, dass der Kläger im Zielstaat der Abschiebung Aufnahme findet (OVG Hamburg, a. a. O., Rn. 15). Im Übrigen bleibt eine Abschiebungsandrohung als solche selbst dann bestehen, wenn in ihr rechtswidrigerweise ein Zielstaat benannt ist, in Bezug auf den zwingende Abschiebungshindernisse vorliegen (BVerwG, a. a. O., Rn. 11; s. § 59 Abs. 3 Satz 3 AufenthG).

1.2 Auch das Vorbringen des Klägers, der Bescheid der Beklagten sei nichtig nach Art. 44 Abs. 2 Nr. 4 BayVwVfG, weil die Beklagte nicht erkannt habe, dass der Kläger tatsächlich staatenlos sei, vermag ernsthafte Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils nicht zu begründen. Selbst die unterstellte Staatenlosigkeit des Klägers würde nicht zur Rechtswidrigkeit und erst recht nicht zur Nichtigkeit der Ausweisungsentscheidung und der Abschiebungsanordnung führen. Dies wäre, wie oben ausgeführt, nur dann der Fall, wenn etwaige Abschiebungshindernisse dauerhaft bestünden. Vorliegend ist jedoch nicht auszuschließen, dass sich der Libanon, in dem sich der Kläger lange Zeit als palästinensischer Flüchtling aufhielt, den Kläger einreisen lässt oder ein anderer Staat, z. B. Belgien, in dem die Familie des Klägers lebt, bereit ist, den Kläger aufzunehmen.

1.3 Soweit der Kläger im Zulassungsverfahren vorbringt, er habe zunächst mit der Mutter seiner Tochter und dann mit beiden bis zu seiner Inhaftierung in Berlin und Augsburg eine familiäre Lebensgemeinschaft geführt und dies sei vom Verwaltungsgericht nicht zutreffend gewürdigt worden, sind damit ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils nicht hinreichend dargelegt. Aus dem Vorbringen des Klägers ergibt sich zum einen nicht, dass zwischen ihm und seiner Tochter derzeit eine familiäre Lebensgemeinschaft im Sinne des § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG und damit ein erhöhter Ausweisungsschutz besteht (1.3.1). Zum anderen stellt sein Vorbringen die Richtigkeit der Auffassung des Verwaltungsgerichts, die Beziehung des Klägers zu seiner Tochter führe nicht dazu, dass die Beklagte die Ausweisung des Klägers nur im Rahmen einer Ermessensentscheidung hätte verfügen dürfen, nicht in Frage (1.3.2).

1.3.1 Das Verwaltungsgericht hat seine Auffassung, eine familiäre Lebensgemeinschaft des Klägers mit seiner Tochter bestehe in maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nicht, darauf gestützt, dass der Kläger nur in dem sehr kurzen Zeitraum zwischen der Geburt der Tochter am 31. Mai 2009 und seiner Verhaftung am 4. November 2009 mit ihr in familiärer Lebensgemeinschaft gelebt habe. Danach habe er bis 3. November 2011 eine Freiheitsstrafe verbüßt. Bereits am 16. Oktober 2012 sei er erneut verhaftet worden. Seit dem 18. Juli 2013 befinde er sich in der Klinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie des Bezirkskrankenhauses K. Der Kläger sei lediglich einmal von seiner Tochter in der Haft besucht worden. Während der Zeit, in der er nicht inhaftiert gewesen sei, habe es nur zwei Kontakte mit seiner Tochter gegeben. Der Kläger versuche zwar aus der Therapie heraus, einen telefonischen Kontakt zu seiner Tochter aufzubauen, dies werde jedoch von der Mutter unterbunden, weil das Kind die Anrufe wegen der fehlenden inneren Verbindung zum Kläger nicht einordnen könne. Diese Bewertung des Verwaltungsgerichts hat der Kläger im Zulassungsverfahren nicht hinreichend substantiiert in Frage gestellt. Zwar können auch dann, wenn der Elternteil und das Kind nicht in einer Hausgemeinschaft leben, regelmäßige Kontakte mit dem Kind, die Übernahme elterlicher Erziehungs- und Betreuungsverantwortung sowie eine emotionale Verbundenheit das Vorliegen einer familiären Lebensgemeinschaft zum Ausdruck bringen (BVerfG, B. v. 1.12.2008 - 2 BvR 1830/08 - juris Rn. 34). Das Verwaltungsgericht hat sich in seinen Entscheidungsgründen ausführlich mit diesen Kriterien auseinandergesetzt und ist unter Bezugnahme auf die Aussage der Mutter in der mündlichen Verhandlung zu dem Ergebnis gekommen, dass eine familiäre Lebensgemeinschaft zwischen dem Kläger und seiner Tochter nicht besteht und dass alleine der Versuch, mit der Tochter über Telefonanrufe eine Beziehung herzustellen, die Annahme einer familiären Lebensgemeinschaft nicht rechtfertigt. Auf die Argumentation des Verwaltungsgerichts und die Tatsache, dass die Mutter derzeit weder einen persönlichen noch einen schriftlichen oder telefonischen Kontakt der Tochter zum Kläger unterstützt, dass das Zusammenleben mit seiner Tochter nur ein paar Monate bis zur Inhaftierung des Klägers dauerte und dass nach der Haftentlassung im Jahr 2011 zwischen dem Kläger und seiner Tochter keine nähere Beziehung entstanden ist, geht der Kläger im Zulassungsverfahren jedoch nicht ein. Soweit der Kläger auf einen Brief der Mutter der Tochter an ihn verweist (Anlage K3 des Schriftsatzes vom 26.4.2014), ergibt sich daraus nichts anders. Aus dem Brief wird deutlich, dass die Mutter derzeit für sich persönlich nur einen sporadischen Kontakt wünscht und sie einen persönlichen Kontakt der Tochter mit dem Kläger erst unterstützt, wenn der Kläger seine Drogensucht überwunden hat.

Soweit der Kläger darauf verweist, dass er mit der Mutter seiner Tochter von Mitte 2008 bis zu seiner Inhaftierung am 4. November 2009 in familiärer Lebensgemeinschaft gelebt habe, rechtfertigt dies ebenfalls keinen Ausweisungsschutz nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG. Sinn der Privilegierung aus dieser Vorschrift ist der Schutz solcher Ausländer, die in einem engen Ehe- bzw. Verwandtschaftsverhältnis mit einem deutschen Staatsangehörigen leben. Es muss sich daher um eine in gleicher Weise wie die Ehe mit einem deutschen Staatsangehörigen dem Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG unterfallende Lebensgemeinschaft handeln (Hailbronner, Ausländerrecht, Stand April 2014, AufenthG, § 56 Rn. 14). Die nichteheliche Lebensgemeinschaft fällt nicht unter den Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG.

1.3.2 Auch das Vorbringen des Klägers, wegen seiner Bindungen zu seiner Tochter sei eine Ermessensentscheidung erforderlich gewesen, verhilft dem Zulassungsantrag nicht zum Erfolg. Damit greift er die Argumentation des Verwaltungsgerichts, dass angesichts der derzeit zwischen dem Kläger und seiner Tochter nur losen Bindung kein massiver Eingriff in den Schutzbereich des Art. 8 EMRK vorliege, so dass die Ausweisung nach § 53 AufenthG trotz der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U. v. 23.10.2007 - 1 C 10.07 - juris Rn. 24) zwingend zu verfügen sei, nicht hinreichend substantiiert an, um ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils zu begründen. Das Verwaltungsgericht hat seine Rechtsauffassung, wonach eine Herabstufung einer zwingenden Ausweisung zu einer Ermessensausweisung allenfalls geboten sei, wenn eine tatsächliche familiäre Verbundenheit zwischen dem auszuweisenden Elternteil und dem Kind bestehe, ausführlich begründet. Diese familiäre Verbundenheit zwischen dem Kläger und seiner Tochter besteht nach Auffassung des Erstgerichts nicht. Das Vorbringen im Zulassungsantrag zum behaupteten Bestehen einer familiären Lebensgemeinschaft reicht nicht aus, um die die Auffassung des Gerichts tragenden Tatsachenfeststellungen (s. o.) und die darauf basierende Rechtsauffassung ernsthaft in Zweifel zu ziehen.

1.4 Auch das Vorbringen des Klägers zur Unverhältnismäßigkeit der Ausweisung begründet keine ernsthaften Zweifel an der Richtigkeit des Urteils.

Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung der Ausweisungsverfügung stellt das Erstgericht darauf ab, dass das Recht des Klägers auf Achtung seines Familienlebens nach Art. 8 EMRK gering einzuschätzen sei. Demgegenüber bestehe eine erhebliche Wiederholungsgefahr für die Begehung schwerer Straftaten. Der Kläger sei innerhalb von drei Jahren zweimal wegen Betäubungsmittelstraftaten verurteilt worden und bereits kurz nach der Verbüßung von zwei Jahren Freiheitsstrafe wegen Betäubungsmitteldelikten erneut mit einer Betäubungsmittelstraftat straffällig geworden. Soweit der Kläger erste Therapieerfolge vorweisen könne, beseitige dies noch nicht die von ihm ausgehende Wiederholungsgefahr. Zum einen bestehe auch nach dem erfolgreichen Bestehen einer Drogentherapie eine nicht unwesentliche Rückfallgefahr, zum anderen fehle jeglicher berufliche und soziale Anknüpfungspunkt, auf den ein drogenfreies Leben ohne Kriminalität aufbauen könne. Der Kläger verweist im Zulassungsverfahren diesbezüglich nur auf den bisherigen erfolgreichen Therapieverlauf und seinen Wunsch, nach einer erfolgreich abgeschlossenen Therapie mit seiner Tochter und deren Mutter eine familiäre Lebensgemeinschaft aufzunehmen.

Die vom Erstgericht vorgenommene einzelfallbezogene Würdigung der für die Ausweisung sprechenden öffentlichen Belange und der gegenläufigen Interessen des Klägers unter Berücksichtigung der insbesondere vom EGMR zu Art. 8 EMRK entwickelten Kriterien (BVerwG, U. v. 10.2.2011 - 1 B 22.10 - juris Rn. 4 m. w. N.) hat der Kläger mit seinem Zulassungsvorbringen nicht ernsthaft in Zweifel gezogen. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats reichen eine bisher erfolgreich verlaufende Drogentherapie und die von den behandelnden Ärzten attestierten positiven Ansätze und Bemühungen nicht aus, um die Wiederholungsgefahr entfallen zu lassen (vgl. z. B. BayVGH, B. v. 24.5.2012 - 10 ZB 11.2198 - juris Rn. 13 m. w. N.). Solange ein wegen schwerwiegender Drogenkriminalität verurteilter, selbst drogensüchtiger Betroffener die Drogentherapie nicht erfolgreich abgeschlossen hat und die damit verbundene Erwartung künftig drogen- und straffreien Verhaltens nicht auch nach dem Straf- bzw. Therapieende glaubhaft gemacht hat, kann von einem Wegfall der Wiederholungsgefahr keine Rede sein. Die Feststellungen des Verwaltungsgerichts zur fehlenden Vater-Kind-Beziehung zwischen dem Kläger und seiner Tochter hat er ebenfalls nicht hinreichend substantiiert angegriffen. Unstreitig bestand zwischen dem Kläger und seiner Tochter in der Vergangenheit kaum Kontakt. Auch derzeit ist nach Aussage der Mutter weder ein persönlicher Kontakt noch eine emotionale Bindung der Tochter zum Kläger vorhanden. Aus der Prozesskostenhilfeentscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 13. Oktober 2013 (10 C 11.778) ergibt sich nichts anderes. Ausschlaggebend für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe war, dass der Kläger in der Haft und nach seiner Haftentlassung im Jahr 2011 zunächst versucht hat, über die Großeltern Kontakt mit der Tochter aufzunehmen, und daher die Frage, ob eine von Art. 6 GG geschützte Beziehung des Klägers zu seiner Tochter bestand, zumindest als offen bewertet wurde. Das Erstgericht hat deshalb in der mündlichen Verhandlung vom 11. November 2014 die Mutter zur Intensität der Beziehung des Klägers zu seiner Tochter befragt. Nach deren Aussage bestand und besteht zwischen dem Kläger und seiner Tochter keine tatsächliche familiäre und emotionale Verbundenheit, die über eine bloße formalrechtliche Beziehung hinausgeht.

2. Die Divergenzrüge des Klägers (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) führt nicht zur Zulassung der Berufung. Voraussetzung hierfür wäre, dass das angefochtene Urteil von einer Entscheidung des Divergenzgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Darzulegen ist vom Kläger insoweit, welche bestimmte und verallgemeinerungsfähige Rechtsauffassung das Erstgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat und inwiefern diese mit einem konkreten Rechtssatz in der Rechtsprechung eines der in § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO genannten Gerichte nicht übereinstimmt. Die divergierenden Rechtssätze sind einander so gegenüber zu stellen, dass die Abweichung erkennbar wird (BVerwG, B. v. 20.12.1995 - 6 B 35.95 - juris Rn. 13). Diesen Anforderungen genügt das Zulassungsvorbringen nicht.

2.1 Als Entscheidung, von der das Erstgericht abweicht, hat der Kläger zunächst den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 4. Oktober 1995 (1 B 138.95 - juris) benannt. Aus diesem Beschluss leitet der Kläger den Rechtssatz ab, dass sich das Tatsachengericht zumindest im Rahmen einer Plausibilitätsprüfung vom Bestehen oder Nichtbestehen einer behaupteten Staatsangehörigkeit zu überzeugen hat. Einen solchen Rechtssatz stellt das Bundesverwaltungsgericht in dieser Entscheidung jedoch nicht auf. Es stellt fest, dass es im Ermessen des Tatsachengerichts liegt, in welcher Weise es sich über das für seine Entscheidung maßgebende ausländische Recht und dessen Anwendung in der ausländischen Rechtspraxis die erforderliche Kenntnis verschafft und dass es sich nicht auf eine bloße Plausibilitätsprüfung beschränken darf. Im Urteil des Erstgerichts findet sich kein dieser Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts widersprechender Rechtssatz. Das Erstgericht hat vielmehr ausdrücklich offen gelassen, welche Staatsangehörigkeit der Kläger besitzt, weil nach seiner Rechtsauffassung die Staatsangehörigkeit des Klägers weder für die Rechtmäßigkeit der Ausweisungsentscheidung noch der Abschiebungsandrohung maßgebend war.

2.2 Als weitere Entscheidung, von der das Erstgericht abweicht, bezeichnet der Kläger das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. Oktober 2007 (1 C 10.07). Den vom Kläger aufgestellten Rechtssatz, wonach im Einzelfall eine Ermessensentscheidung über die Ausweisung erforderlich werden könne, enthält diese Entscheidung jedoch in dieser Form nicht. Der Rechtssatz, den das Bundesverwaltungsgericht in der genannten Entscheidung aufstellt, lautet, dass ein Ausnahmefall von der Regelausweisung bereits dann vorliegen könne, wenn durch höherrangiges Recht oder Vorschriften der Europäischen Menschenrechtskonvention geschützte Belange des Ausländers eine Einzelfallwürdigung unter Berücksichtigung der Gesamtumstände des Falles gebieten (BVerwG, a. a. O., Rn. 24). Vorliegend geht das Verwaltungsgericht jedoch nicht von einer Regelausweisung, sondern von einer zwingenden Ausweisung nach § 53 AufenthG aus.

2.3 Bezüglich der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 1. Dezember 2008 (2 BvR 1830/08) benennt der Kläger schon nicht den Rechtssatz des Erstgerichts, der von dem in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aufgestellten Rechtssatz, wonach im ausländerrechtlichen Ausweisungsverfahren bestehende familiäre Bindungen des Ausländers an in Deutschland lebende Staatsangehörige zu berücksichtigen sind, abweicht. Der Kläger rügt insoweit nur, dass das Verwaltungsgericht die Beziehungen des Klägers zu seiner Tochter fehlerhaft gewürdigt habe. Eine angeblich fehlerhafte Würdigung von Tatsachen ist aber kein Abweichen von einem Rechtssatz.

3. Die Berufung ist auch nicht wegen eines Verfahrensfehlers, auf dem die Entscheidung des Erstgerichts beruhen kann (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO), zuzulassen. Die Rüge des Klägers, das Verwaltungsgericht hätte aufklären müssen, ob der Kläger staatenloser Ausländer oder Libanese sei, greift nicht durch. Einen entsprechenden Beweisantrag hat der Kläger, der anwaltlich vertreten war, bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht in der gemäß § 86 Abs. 2 VwGO vorgesehenen Form gestellt. Dem Verwaltungsgericht musste sich auch von Amts wegen eine weitere Beweisaufnahme nicht aufdrängen, weil die Staatsangehörigkeit des ausgewiesenen Ausländers für die Rechtmäßigkeit der Ausweisungsentscheidung und der Abschiebungsandrohung im Regelfall keine Bedeutung hat. In einem solchen Fall kann eine Aufklärungsrüge nur dann Erfolg haben, wenn substantiiert dargetan wird, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären und welche tatsächlichen Feststellungen bei der Durchführung der vermissten Sachverhaltsaufklärung getroffen worden wären (vgl. BVerwG, B. v. 8.7.2009 - 4 BN 12.09 - juris Rn. 7). Diesen Anforderungen wird die Begründung des Zulassungsantrags nicht gerecht. Insbesondere wird auch nicht dargelegt, inwieweit das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts auf der unterbliebenen Klärung der Staatsangehörigkeit beruhen kann.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, Abs. 3, § 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124 a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anhörung der Parteien durch Beschluss vorläufig fest, wenn Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder gesetzlich kein fester Wert bestimmt ist. Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Werts können nur im Verfahren über die Beschwerde gegen den Beschluss, durch den die Tätigkeit des Gerichts aufgrund dieses Gesetzes von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird, geltend gemacht werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit.

(2) Soweit eine Entscheidung nach § 62 Satz 1 nicht ergeht oder nicht bindet, setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen oder der Finanzgerichtsbarkeit gilt dies nur dann, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält.

(3) Die Festsetzung kann von Amts wegen geändert werden

1.
von dem Gericht, das den Wert festgesetzt hat, und
2.
von dem Rechtsmittelgericht, wenn das Verfahren wegen der Hauptsache oder wegen der Entscheidung über den Streitwert, den Kostenansatz oder die Kostenfestsetzung in der Rechtsmittelinstanz schwebt.
Die Änderung ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.

(1) In demselben Verfahren und in demselben Rechtszug werden die Werte mehrerer Streitgegenstände zusammengerechnet, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(2) Der Streitwert beträgt höchstens 30 Millionen Euro, soweit kein niedrigerer Höchstwert bestimmt ist.

(1) In einer Klage und in einer Widerklage geltend gemachte Ansprüche, die nicht in getrennten Prozessen verhandelt werden, werden zusammengerechnet. Ein hilfsweise geltend gemachter Anspruch wird mit dem Hauptanspruch zusammengerechnet, soweit eine Entscheidung über ihn ergeht. Betreffen die Ansprüche im Fall des Satzes 1 oder 2 denselben Gegenstand, ist nur der Wert des höheren Anspruchs maßgebend.

(2) Für wechselseitig eingelegte Rechtsmittel, die nicht in getrennten Prozessen verhandelt werden, ist Absatz 1 Satz 1 und 3 entsprechend anzuwenden.

(3) Macht der Beklagte hilfsweise die Aufrechnung mit einer bestrittenen Gegenforderung geltend, erhöht sich der Streitwert um den Wert der Gegenforderung, soweit eine der Rechtskraft fähige Entscheidung über sie ergeht.

(4) Bei einer Erledigung des Rechtsstreits durch Vergleich sind die Absätze 1 bis 3 entsprechend anzuwenden.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.

(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.