Verwaltungsgericht München Urteil, 28. Nov. 2018 - M 25 K 17.1889

bei uns veröffentlicht am28.11.2018

Gericht

Verwaltungsgericht München

Tenor

I. Der Bescheid der Beklagten vom 7. April 2017 wird aufgehoben.

II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen seine Ausweisung verbunden mit einer für den Fall der Straf-, Alkohol- und Drogenfreiheit sechsjährigen, im Übrigen achtjährigen Wiedereinreisesperre.

Der am 2. September 1993 im Bundesgebiet geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger. Die Eltern des Klägers kamen als Asylbewerber nach Deutschland. Als der Kläger elf Jahre alt war, trennten sich die Eltern. Der Kläger besuchte die Hauptschule, musste aber aufgrund disziplinarischer Gründe mehrmals die Schule wechseln. Der Kläger beendete die Schulpflicht 2012 ohne Abschluss. Danach hielt sich der Kläger überwiegend in der Wohnung seiner Mutter in München auf. 2013 und 2014 arbeitete der Kläger zeitweise in einer Tankstelle; diese Beschäftigung wurde ihm im Februar 2015 gekündigt. Seit 14. April 2011 ist der Kläger im Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis (Niederlassungserlaubnis).

Bereits im Alter von elf Jahren begann der Kläger Marihuana zu konsumieren, etwa einen Joint pro Woche. Im Alter von 14 bis 16 Jahren steigerte der Kläger seinen Konsum weiter (täglich). Seit 2013 nahm der Kläger auch Kokain und größere Mengen Alkohol zu sich und der Kläger konsumierte fast täglich Kokain und Alkohol. 2014 konsumierte er auch zusätzlich gelegentlich Amphetamine.

Im Oktober 2014 lernte der Kläger seine jetzige Verlobte kennen. Im Mai 2015 kam es aufgrund des Drogen- und Alkoholkonsums zu einer körperlichen Auseinandersetzung mit seiner Verlobten. Infolgedessen wurde der Kläger zwei Wochen stationär im I.-A.-Klinikum behandelt. Am 19. Mai 2015 erfolgte ein Selbstmordversuch des Klägers mittels Ecstasy-Tabletten.

Der Kläger ist bisher zweimal strafrechtlich verurteilt worden. Mit Urteil des Amtsgerichts München vom 17. Februar 2011 wurde dem Kläger wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln eine richterliche Weisung erteilt. Zuletzt trat der Kläger wie folgt strafrechtlich in Erscheinung:

Mit Urteil des Landgerichts München I vom 3. Juni 2016, rechtskräftig seit dem 1. Juli 2016, wurde der Kläger wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in Tatmehrheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Zugleich wurde die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet, da der Kläger zum Tatzeitpunkt unter Zugrundelegung des Gutachtens des Sachverständigen Dr. v. O. vom 4. Dezember 2015 und seiner Ausführungen in der Hauptverhandlung unter einer erheblichen Einschränkung der Steuerungsfähigkeit nach § 21 StGB litt. Der Verurteilung lag zu Grunde, dass es beim Kläger und seinem Mittäter S. am Abend des 8. Juli 2015 aufgrund LSD-Konsums zu optischen Fehlwahrnehmungen gekommen ist. Aufgrund dessen kamen den beiden die Straßenlaternen im Bereich des Ostbahnhofs in München wie Diamanten vor. Beide beschlossen daher, sich selbst gewaltsam in den Besitz echter Diamanten zu bringen. Um sich mit den für einen Überfall notwendigen Utensilien auszustatten, trennten sie sich in den Morgenstunden des 9. Juli 2015. Hierfür holten der Kläger und sein Mittäter jeweils ein Pfefferspray und eine Tasche und trafen sich vereinbarungsgemäß am Ostbahnhof wieder. Dort konsumierten beide Ecstasy-Tabletten und machten sich auf die Suche nach einem für einen Überfall geeigneten Ladengeschäft. Gegen 10.00 Uhr kamen der Kläger und sein Mittäter am Uhren und Schmuckgeschäft K. in der R. Straße in München vorbei und wollten dieses ausrauben. In Umsetzung des gemeinsamen Tatplanes betrat zuerst der Kläger das Geschäft und sprühte dem 76-jährigen Inhaber K. sofort mit Pfefferspray ins Gesicht. Zeitgleich sammelte der Mittäter schnellstmöglich von der Auslage insgesamt 31 Ringe und eine Herrenarmbanduhr ein und legte diese Gegenstände im Wert von mindestens 12.000 € in die mitgeführte Tasche. Als sich der Inhaber K. gegen den Pfeffersprayeinsatz zur Wehr setzte und eine Entwendung weiterer Ware verhindern wollte, schlug ihm der Kläger mindestens zweimal mit der Faust ins Gesicht. Anschließend flüchteten die beiden Täter mit der Beute zu Fuß über die R. Straße. Der Geschädigte K. erlitt durch den Pfeffersprayeinsatz nicht unerhebliche Schmerzen, eine vorübergehende Beeinträchtigung beider Augen sowie durch die Faustschläge eine Gesichtsprellung und Hämatome samt Druckschmerz. Die auf die beiden Täter auf der Straße aufmerksam gewordenen Zivilbeamten forderten sie auf, stehenzubleiben; daraufhin flüchteten die beiden Täter. Als ein Zivilbeamter beide eingeholt hatte, drehte sich der Mittäter S. um und sprühte ihm mit dem Pfefferspray direkt ins Gesicht. Die beiden setzten ihre Flucht trotz mehrmaliger polizeilicher Aufforderung, stehenzubleiben, fort. Als die Zivilbeamten versuchten, den Kläger am Arm festzuhalten, um ihn festzunehmen, riss er sich los, drehte sich leicht nach hinten zu den Beamten um und schlug wild mit den Fäusten um sich, traf dabei die Beamten aber nicht. Ein Zivilbeamter versetzte dem Kläger einen gezielten Faustschlag, durch den es den Beamten gelang, den Kläger trotz heftiger Gegenwehr zu Boden zu bringen und dort zu fixieren.

Der Kläger befand sich seit 10. Juli 2015 bis zur rechtskräftigen Verurteilung in Untersuchungshaft. Ab 7. Juli 2016 bis 12. April 2018 war der Kläger im Bezirkskrankenhaus P. untergebracht.

Mit Schreiben vom 25. November 2016 hörte die Beklagte den Kläger zur beabsichtigten Ausweisung an. Mit Schreiben vom 3. Januar 2017 nahm der Kläger Stellung. Er führte insbesondere aus, dass er aktiv an den Therapien und der Rückfallvermeidungsgruppe teilnehme. Das Bezirkskrankenhaus P. würde ihm helfen, nach Haftentlassung wieder Fuß zu fassen. So sei eine Haftentlassung nur möglich, sofern er eine Arbeitsstelle habe oder eine Schule besuche. Momentan befinde er sich in der zweiten von vier Therapiestufen, in der er wöchentlich an Gruppenausgängen teilnehme. Den Realschulabschluss und die letzte Therapiestufe werde der Kläger voraussichtlich Mitte Juli 2017 erreichen. Mit seiner Verlobten, die er bereits religiös geheiratet habe, möchte er in eine gemeinsame Wohnung ziehen; sie würden nach der Haftentlassung gerne eine kleine eigene Familie gründen. Alle ihm bekannten Familienangehörigen würden in Deutschland leben; er sei hier geboren und aufgewachsen und habe keinen Bezug zur Türkei. Er habe sein Leben nun umgekrempelt und unterbinde jeglichen Kontakt zu Betäubungsmitteln. Er bereue den Tattag zutiefst. Beim Opfer habe er sich schriftlich entschuldigt und eine Zahlung in Höhe von 2000,- Euro geleistet. In Untersuchungshaft habe er regelmäßige Gespräche mit der Drogenberatung Caritas geführt. Zudem habe er an einem Rückfallprophylaxe-Training teilgenommen.

Mit Bescheid vom 7. April 2017, dem damaligen Klägerbevollmächtigten zugestellt am 10. April 2017, hat die Beklagte den Kläger aus der Bundesrepublik ausgewiesen (Ziff. 1). Unter der Bedingung nachgewiesener Straf- und Drogenfreiheit sowie Alkoholabstinenz hat sie das Einreise- und Aufenthaltsverbot auf sechs Jahre befristet; für den Fall der Nichterfüllung dieser Bedingungen hat die Beklagte das Einreise- und Aufenthaltsverbot auf acht Jahre befristet (Ziff. 2). Die Beklagte hat dem Kläger außerdem angekündigt, ihn nach erfülltem Strafanspruch des Staates und Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht aus der Haft bzw. Unterbringung in die Türkei abzuschieben. Sollte der Kläger aus der Haft bzw. Unterbringung entlassen werden, bevor die Abschiebung durchgeführt werden kann, hat sie den Kläger verpflichtet, das Bundesgebiet bis spätestens vier Wochen nach Haft-/Unterbringungsentlassung zu verlassen und ihm für den Fall der Nichteinhaltung dieser Frist die Abschiebung in die Türkei oder einen anderen Staat angedroht, in den er einreisen dürfe oder der zu seiner Rücknahme verpflichtet sei (Ziff. 3). Die Beklagte sah eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung durch den Kläger aufgrund seiner Straffälligkeit als gegeben an. Diese begründe auch eine gegenwärtige schwerwiegende Gefahr, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre. Der Anspruch des Klägers aus Art. 7 Satz 1 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrats (ARB 1/80) stehe der Ausweisung daher nicht entgegen. Aufgrund der Straffälligkeit des Klägers bestehe einerseits ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 1 Nr. 1 sowie Nr. 1a AufenthG. Andererseits bestehe zu Gunsten des Klägers ein besonders schwerwiegendes Bleibeinteresse nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG. Bei der wechselseitigen Abwägung von Ausweisungs- und Bleibeinteresse ergibt sich ein überwiegendes Ausweisungsinteresse, was von der Beklagten im angegriffenen Bescheid näher ausgeführt wurde. Das Ergebnis der Abwägung wurde von der Beklagten als verhältnismäßig bewertet. Die Ausreisepflicht sowie die Sperrwirkung der Ausweisungsverfügung wurden von der Beklagten ebenso näher begründet wie die Befristungsentscheidung.

Mit Schreiben vom 20. April 2017, bei Gericht eingegangen am 2. Mai 2017, hat der Kläger Klage erhoben und beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 7. April 2017, zugestellt am 10. April 2017, aufzuheben.

Zur Begründung wurde im Wesentlichen die Stellungnahme des Bezirkskrankenhauses P. von Mai 2017 wiedergegeben. Der Kläger habe zwischenzeitlich sowohl seinen qualifizierenden Hauptschulabschluss als auch seinen Realschulabschluss nachgeholt. Er werde seine Verlobte demnächst heiraten; die beiden würden in ca. sieben Monaten ein Kind erwarten. Der Kläger konsumiere keine Drogen mehr und sei aufgrund der Therapien gänzlich von den Drogen abgekommen. Vom Kläger gehe keine Gefahr mehr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung aus. Es bestehe keine Wiederholungsgefahr. Es müsse berücksichtigt werden, dass der Kläger erstmals eine Freiheitsstrafe verbüße und seine Entwicklung seitdem als vorbildlich bezeichnet werden könne. Die erfolgreiche Teilnahme an den Therapien und im Maßregelvollzug, die erfolgreichen Schulabschlüsse, die Familiengründung und die Abstinenz von Drogen würden zeigen, dass die Resozialisierung bestens gelinge. Die Ausweisung sei daher nicht gemäß Art. 14 ARB 1/80 unerlässlich. Die Beklagte begehe einen Ermessensfehler, wenn sie bei der Abwägung nur berücksichtige, dass der Kläger ein assoziationsberechtigter türkischer Staatsbürger sei, nicht aber, dass bei ihm auch die sog. Stillstandsklausel des Art. 13 ARB 1/80 gelte. Die Rechtmäßigkeit des Bescheides hänge davon ab, ob eine Ausweisung bei einem assoziationsberechtigten türkischen Staatsbürger unerlässlich im Sinne des § 53 Abs. 3 AufenthG sein könne, wenn er nicht die in § 47 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 AuslG 1990 zwingenden Ausweisungsgründe verwirklicht habe oder sich zumindest der Maßstab bei der Beurteilung eines besonders schweren Ausweisungsinteresse gemäß § 54 Abs. 1 AufenthG nach § 47 Abs. 1 AuslG 1990 richte. Diese Rechtsfrage sei bisher höchstrichterlich nicht entschieden worden.

Die Beklagte hat mit Schreiben vom 26. Mai 2017 beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung wurde ausgeführt, dass eine konkrete Gefahr der Begehung weiterer schwerer Straftaten bestehe. Der Kläger sei wegen Gewaltdelikten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 4 Jahren und 6 Monaten verurteilt worden. Die ständige Praxis der Beklagten im Zusammenhang mit Gewaltdelikten sei bekannt. Der Kläger sei offenbar Vater eines deutschen Kindes geworden. Die Beklagte verweise bezüglich einer beabsichtigten Eheschließung auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Ausweislich der Meldeverhältnisse liege keine häusliche Gemeinschaft zwischen dem Kläger und seinem Kind vor.

Mit Schreiben vom 2. November 2017 stellte das Bezirkskrankenhaus P. einen Antrag auf bedingte Entlassung des Klägers aus dem Maßregelvollzug gemäß § 67 Abs. 5 StGB. Es wurde ausgeführt, dass der Kläger sehr zuverlässig sei und sich im Unterricht zur mittleren Reife engagiere. Er habe die mittlere Reife im Mai/ Juni 2017 mit einem guten Ergebnis bestanden. Seit dem 28. Juni 2017 befinde sich der Kläger in der vierten Therapiestufe, die eine Übernachtung pro Woche zu Hause in der Wohnung seiner Mutter seit dem 3. Juni 2017 erlaube. Er gehe seitdem einer Vollzeitbeschäftigung als Servicemitarbeiter der Burgerkette „...“ nach. Ab dem 14. August 2017 habe der Kläger zwei Übernachtungen am Stück wahrnehmen dürfen. Aufgrund einiger Verspätungen bei der geplanten Rückkehr seien die Lockerungen wieder zurückgenommen worden. Um den geplanten Schulbesuch zu ermöglichen seien die Lockerungen ein weiteres Mal ausgedehnt und dem Kläger ab dem 28. August 2014 genehmigt worden, bei seiner Mutter zu wohnen. Den gesetzten Terminen sei er pünktlich nachgekommen. Er verbringe viel Zeit mit seiner schwangeren Freundin. Im Rahmen seines 16-monatigen Aufenthalts in der Klinik seien beim Kläger deutliche Behandlungsfortschritte erzielt worden; von der bei ihm diagnostizierten multiplen Abhängigkeit habe er sich glaubhaft distanziert. Während des gesamten Aufenthalts sei es zu keinem einzigen Suchtmittelrückfall gekommen. Als protektive Faktoren im Hinblick auf die Gefahr einer künftigen Rückfälligkeit seien die klare Abstinenzentscheidung des Klägers, das Erlangen der mittleren Reife, der Schulunterricht, die finanziell stabilitätsgebende berufliche Tätigkeit sowie der Kontakt zu seiner Familie und seiner Lebenspartnerin und dem baldigen Nachwuchs gewertet worden.

Entsprechend dem Beschluss des Landgerichts Regensburg Strafvollstreckungskammervom 20. November 2017 wurde der Kläger von Dr. S. begutachtet insbesondere zur Frage, ob zu erwarten ist, dass der Kläger außerhalb des Maßregelvollzugs erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Im Gutachten vom 19. Januar 2018 wurde u.a. festgestellt, dass sich die Gefährlichkeit so weit reduziert hat, dass es zu verantworten ist, dass der Kläger nach Abschluss des Abiturs entlassen werden kann. Die Maßnahmen zur Ermöglichung einer bedingten Entlassung sind im Maßregelvollzug erfolgt. Es wurde eine Anbindung an ein Gewaltpräventionsprogramm, was bisher noch nicht ausreichend erfolgt ist, empfohlen.

Mit Beschluss vom 13. April 2018 setzte das Landgericht Regensburg die angeordnete Unterbringung in einer Entziehungsanstalt und die Vollstreckung des Restes der mit Urteil des Landgerichts München I vom 3. Juni 2016 verhängten Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten zur Bewährung aus. Die Dauer der Führungsaufsicht und Bewährungszeit wurde auf fünf Jahre festgesetzt. Der Kläger hat sich danach u.a. des Konsums von illegalen Betäubungsmitteln sowie von Ersatzdrogen zu enthalten. Zur Kontrolle dieses Abstinenzgebot muss der Kläger sich mindestens einmal und bis zu viermal im Quartal eine Urinprobe abnehmen lassen. Der Kläger hat sich zudem zunächst im 14-tägigen Rhythmus beim Therapeuten des I.-A.-Klinikums M.-Ost vorzustellen. Zudem hat der Kläger seine Schule bzw. Ausbildung oder berufliche Tätigkeit fortzusetzen.

Mit Schreiben vom 19. September 2018 teilte der Klägerbevollmächtigte mit, dass der Kläger nunmehr mit seiner Lebensgefährtin und der gemeinsamen, am 12. Februar 2018 geborenen Tochter, die deutsche Staatsangehörige sei, seit August 2018 in einer Wohnung in H. He. lebe. Es wurden das Abschlusszeugnis der mittleren Reife, die Geburtsurkunde des Kindes und der Berufsausbildungsvertrag bei der Fa. B. AG vorgelegt.

Mit Schreiben vom 12. November 2018 legte die Beklagte das Schreiben des Landkreises Ei. vom selben Tag vor, mit dem die Zustimmung zur Fortführung des Verwaltungsstreitverfahrens durch die Beklagte gemäß § 3 Abs. 3 VwVfG erteilt wurde.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakte, die beigezogenen Strafakten der Staatsanwaltschaft München I (Az. 259 Js 169513/15) sowie die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet, da der streitgegenständliche Ausweisungsbescheid rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

1. Die im streitgegenständlichen Bescheid verfügte Ausweisung des Klägers ist rechtswidrig.

1.1. Die Ausweisung ist zwar formell rechtmäßig ergangen, insbesondere von der örtlich zuständigen Ausländerbehörde erlassen worden. Der Kläger hatte zum Zeitpunkt der Anlasstat seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bezirk der Landeshauptstadt München (§ 5 Abs. 1 Satz 1 ZustVAuslR in der Fassung vom 9. Dezember 2014; entspricht § 6 Abs. 1 Satz 1 ZustVAuslR in der Fassung vom 27. August 2018). Diese Zuständigkeit blieb von der zum maßgeblichen Zeitpunkt der Ausweisungsentscheidung bestehenden Inhaftierung des Klägers gemäß § 5 Abs. 3 Nr. 1 ZustVAuslR; vgl. § 6 Abs. 3 Nr. 1 ZuStVAuslR n.F.) unberührt. Die Beklagte konnte mit Zustimmung der aufgrund des Wohnsitzwechsels des Klägers nunmehr zuständigen Ausländerbehörde das Verwaltungsverfahren fortführen (§ 3 Abs. 3 VwVfG).

1.2. Die angeordnete Ausweisung des nach Art. 7 Satz 1 ARB 1/ 80 assoziationsberechtigten Klägers ist aber materiell rechtswidrig.

Unabhängig von der vom Klägerbevollmächtigten aufgeworfenen Frage, ob bei einem assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen aufgrund der sog. Stillhalteklausel in Art. 13 ARB 1/80 die Ausweisung unerlässlich sein kann, wenn nicht die zwingenden Ausweisungsgründe des § 47 Abs. 1 Nr. 1 und 2 AufenthG 1990 vorliegen, stellt das Verhalten des Klägers jedenfalls schon gegenwärtig keine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung dar, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühren würde und somit seine Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich wäre (§ 53 Abs. 1, 3 AufenthG). Im Übrigen weist das Gericht darauf hin, dass die sog. Stillhalteklausel in Art. 13 ARB 1/80 der Anwendung der §§ 53 ff. AufenthG nicht entgegensteht, da mit der Einführung des zum 1. Januar 2016 anwendbaren Ausweisungsrechts keine grundsätzliche Verschlechterung der Rechtsposition eines unter dem Schutz von Art. 14 ARB 1/80 stehenden türkischen Staatsangehörigen einherging. Insbesondere ermöglicht das geltende Ausweisungsrecht eine umfassende gerichtliche Kontrolle der Ausweisungsentscheidung, so dass jedenfalls in der Gesamtschau eine Verschlechterung der Rechtspositionen eines assoziationsberechtigten türkischen Staatsbürgers nicht feststellbar ist (vgl. BayVGH, U. v. 8.3.2016 - 10 B 15.180 - BeckRS 2016, 45476 Rn. 25 ff.; U.v. 28.6.2016 - 10 B 13.1982 - juris Rn. 29 f.). Zudem sah der vom Klägerbevollmächtigten angeführte § 47 Abs. 1 Nr. 1 und 2 AuslG in der Fassung vom 9. Juli 1990 (AuslG 1990) für den Fall der rechtskräftigen Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens fünf Jahren bei erhöhtem Ausweisungsschutz nach § 48 Abs. 3 Satz 1 AuslG 1990 die Ausweisung im Regelfall vor, dessen Voraussetzungen der Kläger unstreitig nicht erfüllt. Jedoch wäre auch nach damaligem Recht bei den vorliegenden Einzelfallumständen bei einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten jedenfalls eine Ermessensausweisung nach § 47 Abs. 2 Nr. 1, § 48 Abs. 3 Satz 2 AuslG 1990 in Betracht gekommen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts haben Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichte bei einer spezialpräventiven Ausweisungsentscheidung und ihrer gerichtlichen Überprüfung eine eigenständige Prognose zur Wiederholungsgefahr zu treffen (vgl. z. B. BVerwG, U. v. 15.1.2013 - 1 C 10.12 - juris Rn. 18). Bei der Prognose, ob eine Wiederholung vergleichbarer Straftaten mit hinreichender Wahrscheinlichkeit droht, sind die besonderen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die Höhe der verhängten Strafe, die Schwere der konkreten Straftat, die Umstände ihrer Begehung, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts sowie die Persönlichkeit des Täters und seine Entwicklung und Lebensumstände bis zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt (vgl. BayVGH, U. v. 30.10.2012 - 10 B 11.2744 - juris Rn. 33 m. w. N.). An die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sind bei dieser Prognose umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist (st. Rspr.; vgl. z. B. BVerwG, U. v. 4.10.2012 - 1 C 13.11 - Rn. 18; BayVGH, U. v. 30.10.2012 - 10 B 11.2744 - juris Rn. 34 und B. v. 3.3.2016 - 10 ZB 14.844 - juris). Auch der Rang des bedrohten Rechtsguts ist dabei zu berücksichtigen; an die nach dem Ausmaß des möglichen Schadens differenzierende hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts dürfen andererseits keine zu geringen Anforderungen gestellt werden.

Gemessen an den dargestellten Grundsätzen ist die Kammer zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt nach dem in der mündlichen Verhandlung gewonnen persönlichen Eindruck vom Kläger zu der Überzeugung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) gelangt, dass keine hinreichend konkrete Wahrscheinlichkeit dafür mehr besteht, dass der Kläger erneut die öffentliche Sicherheit durch vergleichbare, insbesondere gegen die körperliche Unversehrtheit dritter Personen gerichtete Straftaten beeinträchtigen wird und damit gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellt. Die nach § 53 Abs. 1, 3 AufenthG vorausgesetzte erhöhte Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ist beim Kläger zum Zeitpunkt der Entscheidung der Kammer in spezialpräventiver Hinsicht nicht (mehr) gegeben. Zum einen spricht hierfür der positive Beschluss des Landgerichts Regensburg über die Aussetzung der Strafvollstreckung vom 13. April 2018, dem für die Frage der Wiederholungsgefahr erhebliche indizielle, aber keine bindende Wirkung zukommt (vgl. BVerfG, B.v. 19.10.2016 - 2 BvR 1943/16 - juris). Zum anderen besteht angesichts der Entwicklung des Klägers seit der inzwischen über drei Jahre zurückliegenden Anlasstat aus Sicht des Gerichts nur noch die eher entfernte Möglichkeit, dass er erneut eine solch gravierende Straftat begehen wird.

Die Kammer verkennt dabei nicht, dass es sich bei der vom Kläger begangenen Straftat um ein Gewaltdelikt handelt und sich das Verhalten des Klägers gegen das hohe Rechtsgut der körperlichen Unversehrtheit (s. Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG), deren Schutz ein Grundinteresse der Gesellschaft darstellt, gerichtet war. Aufgrund der nach der angefochtenen Behördenentscheidung eingetretenen besonderen Umstände, insbesondere aufgrund des beanstandungsfreien Verhaltens des Klägers nach seiner rechtskräftigen Verurteilung im Juni 2016, rechnet die Kammer im vorliegenden Einzelfall nicht mehr mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit, dass der Kläger künftig wieder vergleichbare Straftaten begehen wird.

Der Kläger hat sich durch die einjährige Untersuchungshaft, die daran folgende Unterbringung in einer Entziehungsanstalt und die Verurteilung vom 3. Juni 2016 beeindrucken lassen. Er ist nach Eintritt der Vollzugslockerungen im Sommer 2017 und der Entlassung aus der Unterbringung am 13. April 2018 nicht mehr straffällig geworden und hat die Therapie ausweislich der Stellungnahmen des Bezirkskrankenhauses P. vom 21. November 2016, 2. November 2017 und 22. März 2018 erfolgreich absolviert. Die seit Haftentlassung verstrichene Zeit ist auch nicht zu kurz, um nicht von einem Wegfall der Wiederholungsgefahr ausgehen zu können. Zwar ist der von der Strafvollstreckungskammer angeordnete Bewährungs- und Führungsaufsichtszeitraum von fünf Jahren noch nicht erfüllt. Allerdings ist der Kläger den im Beschluss vom 13. April 2018 erteilten, insbesondere strafbewehrten, Weisungen bisher allen beanstandungsfrei nachgekommen. Die bis zum Wohnsitzwechsel des Klägers zuständige Bewährungshelferin führte in ihrem Bericht vom 17. September 2018 aus, dass das Kontaktverhalten des Klägers sehr gut war und er zuverlässig alle Termine wahrnahm (s. Weisung in Ziff. 4 Buchst. a) des Beschlusses vom 13.4.2018). Er distanzierte sich in den Gesprächen deutlich von seinen bisherigen Verhaltensmustern. Der Kläger nahm auch regelmäßig Termine bei der forensischen Ambulanz war; die dort durchgeführten Urinkontrollen waren durchweg negativ in Bezug auf den Konsum von Betäubungsmitteln (s. Weisungen in Ziff. 4 Buchst. d) bis f) des Beschlusses vom 13.4.2018).

Der Kläger hat erfolgreich eine Drogentherapie absolviert. Er hat in der mündlichen Verhandlung glaubhaft vorgetragen, dass er im Maßregelvollzug Techniken gelernt hat, um mit einem etwaig aufkommenden Suchtdruck umzugehen. Er habe seit der Unterbringung einen solchen nicht verspürt. Der Kläger hat bisher die im Beschluss der Strafvollstreckungskammer vom 13. April 2018 erfolgten Bewährungsauflagen beanstandungsfrei erfüllt. Die Kammer folgt den überzeugenden Ausführungen im Beschluss des Landgerichts Regensburg vom 13. April 2018 und in der Stellungnahme des Bezirkskrankenhauses P. vom 22. März 2018. Danach ist entgegen der Empfehlung des Gutachters Dr. S. in seinem Bericht vom 19. Januar 2018 eine zusätzliche Nachsorge durch die Fachambulanz Gewaltstraftäter nicht erforderlich, da diese bereits Teil der Rückfallprophylaxe-Therapie war.

Dass die aufgrund des Wohnsitzwechsels notwendig gewordenen, ortsbezogenen Anpassungen des Beschlusses vom 13. April 2018 im Übrigen bisher noch nicht erfolgt sind, kann nicht zu Lasten des Klägers gereichen. Insbesondere hat der Kläger glaubhaft vorgetragen, dass er die 14-tägigen Termine nunmehr in Absprache mit seiner Bewährungshelferin nach seinem Wohnortwechsel bei der Caritas in D. wahrnimmt und er auch bereits zur Änderung des Beschlusses vom Landgericht Regensburg angehört wurde.

Auch bestehen nach Überzeugung der Kammer mit der Verlobten des Klägers sowie der gemeinsamen Tochter nunmehr offensichtlich die erforderlichen haltgebenden Strukturen, die es ihm ermöglichen, seit der Entlassung aus der Unterbringung ein geordnetes und vor allem drogen- und straffreies Leben zu führen. Die Beziehung zu seiner Verlobten ist im Gegensatz zum Zeitpunkt der Tatbegehung im Sommer 2015 und der Ausweisungsentscheidung im April 2017 nunmehr gefestigt, wozu insbesondere die Geburt des gemeinsamen Kindes im Februar 2018 beigetragen hat. Der Kläger hat nach seiner Unterbringung erst bei seiner Mutter gelebt, hat sich zu diesem Zeitpunkt aber regelmäßig mit seiner Verlobten getroffen. Der Kläger und seine Verlobte leben nunmehr mit ihrer gemeinsamen Tochter in einer gemeinsamen Wohnung in H. He. in der Nähe der Familie der Verlobten des Klägers. Die von der Verlobten des Klägers in der mündlichen Verhandlung glaubhaft geschilderte innige und liebevolle Vater-Tochter-Beziehung gibt dem Kläger zudem neben dem erfolgreichen Abschluss seiner Therapie den nötigen Halt, um einen Drogenrückfall und entsprechenden Rückfall in die Straffälligkeit zu verhindern. Der Kläger kümmert sich nach den überzeugenden Schilderungen seiner Verlobten um die gemeinsame Tochter, etwa wickelt er sie und bringt sie zu Bett. Für die Stabilisierung und Wiederherstellung geordneter Strukturen spricht auch, dass der Kläger, der nach eigenen Angaben Schulden in Höhe von ca. 17.000,- Euro hat, nach seinen überzeugenden Ausführungen in der mündlichen Verhandlung mit seinen Schuldnern in Verhandlungen über Ratenzahlungen bzw. Teilerlasse steht bzw. bereits entsprechende Vereinbarungen abgeschlossen hat.

Zur Stabilisierung trägt auch der in Haft bzw. während der Unterbringung nachgeholte qualifizierende Mittelschul- und Realschulabschluss bei. Auch dieses Verhalten zeigt unter Berücksichtigung, dass der Kläger die Schule als Jugendlicher ohne Abschluss verlassen hatte und gegen ihn wiederholt Bußgeldbescheide wegen Verletzung der Schulpflicht erlassen wurden, dass die Verurteilung vom 3. Juni 2016 zu einer Läuterung des Klägers und der Reflektion seines früheren Verhaltens geführt hat. Der Kläger hat schon während des Maßregelvollzugs erst in Vollzeit, dann in Teilzeit als Kellner gearbeitet. Er hat im September 2018 eine Ausbildung zum Fachinformatiker für Anwendungsentwicklung bei der Firma B. AG begonnen und erfüllt damit die Weisung in Ziff. 5 Buchst. f) des Beschlusses vom 13. April 2018. Nach Aussage seiner Ausbildungsstätte ist der Kläger im Bereich Informatik ein „unentdecktes Naturtalent“ (Telefonnotiz der Beklagten vom 9.10.2018) und ist für die Entwicklung eines neuen Softwareprojekts unabkömmlich (s. Schreiben der B. AG vom 26.11.2018). Dass der Kläger von der beabsichtigten Nachholung des Abiturs Abstand genommen hat und nunmehr eine Ausbildung absolviert, ist dabei ohne Belang.

Auch der Umstand, dass der Kläger sowohl gegenüber dem Landkreis Ei. betreffend seinen Antrag auf Leistungen nach dem SGB II und als auch bei seiner Ausbildungsstätte angegeben hat, er sei im Besitz einer Niederlassungserlaubnis, rechtfertigt keine andere Bewertung. Es kann nicht zu Lasten des Klägers davon ausgegangen werden, dass er dies bewusst wahrheitswidrig angegeben hat, da er noch im Besitz der Niedererlassungserlaubnis war und von einem rechtsunkundigen Kläger nicht verlangt werden kann, dass er Kenntnis davon hat, dass die Klage gegen die Ausweisungsentscheidung zwar aufschiebende Wirkung hat, jedoch die Klage unbeschadet dessen die Wirksamkeit der Ausweisung und des damit einhergehenden Erlöschens der Niederlassungserlaubnis nach § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG unberührt lässt (§ 84 Abs. 2 Satz 1 sowie Satz 2 AufenthG für die Ausübung einer Erwerbstätigkeit).

2. Da die Ausweisung rechtswidrig ist, sind auch die Nebenentscheidungen im streitgegenständlichen Bescheid rechtswidrig und der streitgegenständliche Bescheid mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO vollumfänglich aufzuheben.

3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

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(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. (2) Das Urteil darf nur auf Tatsache

Strafgesetzbuch - StGB | § 21 Verminderte Schuldfähigkeit


Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 55 Bleibeinteresse


(1) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer 1. eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,2. eine Aufenthaltserlaubnis besitzt

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 53 Ausweisung


(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 54 Ausweisungsinteresse


(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer 1. wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden

Strafgesetzbuch - StGB | § 67 Reihenfolge der Vollstreckung


(1) Wird die Unterbringung in einer Anstalt nach den §§ 63 und 64 neben einer Freiheitsstrafe angeordnet, so wird die Maßregel vor der Strafe vollzogen. (2) Das Gericht bestimmt jedoch, daß die Strafe oder ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vol

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 84 Wirkungen von Widerspruch und Klage


(1) Widerspruch und Klage gegen 1. die Ablehnung eines Antrages auf Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels,1a. Maßnahmen nach § 49,2. die Auflage nach § 61 Absatz 1e, in einer Ausreiseeinrichtung Wohnung zu nehmen,2a. Auflagen zur Sicherun

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 51 Beendigung der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts; Fortgeltung von Beschränkungen


(1) Der Aufenthaltstitel erlischt in folgenden Fällen: 1. Ablauf seiner Geltungsdauer,2. Eintritt einer auflösenden Bedingung,3. Rücknahme des Aufenthaltstitels,4. Widerruf des Aufenthaltstitels,5. Ausweisung des Ausländers,5a. Bekanntgabe einer Absc

Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG | § 3 Örtliche Zuständigkeit


(1) Örtlich zuständig ist 1. in Angelegenheiten, die sich auf unbewegliches Vermögen oder ein ortsgebundenes Recht oder Rechtsverhältnis beziehen, die Behörde, in deren Bezirk das Vermögen oder der Ort liegt;2. in Angelegenheiten, die sich auf den Be

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 47 Verbot und Beschränkung der politischen Betätigung


(1) Ausländer dürfen sich im Rahmen der allgemeinen Rechtsvorschriften politisch betätigen. Die politische Betätigung eines Ausländers kann beschränkt oder untersagt werden, soweit sie 1. die politische Willensbildung in der Bundesrepublik Deutschlan

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Tenor Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 9. September 2016 - 19 CS 16.1194 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes. Der

Referenzen

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

(1) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
2.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet geboren oder als Minderjähriger in das Bundesgebiet eingereist ist und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
3.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und mit einem der in den Nummern 1 und 2 bezeichneten Ausländer in ehelicher oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt,
4.
mit einem deutschen Familienangehörigen oder Lebenspartner in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt, sein Personensorgerecht für einen minderjährigen ledigen Deutschen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt oder
5.
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 4, den §§ 24, 25 Absatz 4a Satz 3 oder nach § 29 Absatz 2 oder 4 besitzt.

(2) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt insbesondere schwer, wenn

1.
der Ausländer minderjährig ist und eine Aufenthaltserlaubnis besitzt,
2.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren im Bundesgebiet aufhält,
3.
der Ausländer sein Personensorgerecht für einen im Bundesgebiet rechtmäßig sich aufhaltenden ledigen Minderjährigen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt,
4.
der Ausländer minderjährig ist und sich die Eltern oder ein personensorgeberechtigter Elternteil rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten beziehungsweise aufhält,
5.
die Belange oder das Wohl eines Kindes zu berücksichtigen sind beziehungsweise ist oder
6.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 4a Satz 1 besitzt.

(3) Aufenthalte auf der Grundlage von § 81 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 werden als rechtmäßiger Aufenthalt im Sinne der Absätze 1 und 2 nur berücksichtigt, wenn dem Antrag auf Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels entsprochen wurde.

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

(1) Wird die Unterbringung in einer Anstalt nach den §§ 63 und 64 neben einer Freiheitsstrafe angeordnet, so wird die Maßregel vor der Strafe vollzogen.

(2) Das Gericht bestimmt jedoch, daß die Strafe oder ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn der Zweck der Maßregel dadurch leichter erreicht wird. Bei Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt neben einer zeitigen Freiheitsstrafe von über drei Jahren soll das Gericht bestimmen, dass ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist. Dieser Teil der Strafe ist so zu bemessen, dass nach seiner Vollziehung und einer anschließenden Unterbringung eine Entscheidung nach Absatz 5 Satz 1 möglich ist. Das Gericht soll ferner bestimmen, dass die Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn die verurteilte Person vollziehbar zur Ausreise verpflichtet und zu erwarten ist, dass ihr Aufenthalt im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe beendet wird.

(3) Das Gericht kann eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 nachträglich treffen, ändern oder aufheben, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen. Eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 kann das Gericht auch nachträglich treffen. Hat es eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 getroffen, so hebt es diese auf, wenn eine Beendigung des Aufenthalts der verurteilten Person im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe nicht mehr zu erwarten ist.

(4) Wird die Maßregel ganz oder zum Teil vor der Strafe vollzogen, so wird die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet, bis zwei Drittel der Strafe erledigt sind.

(5) Wird die Maßregel vor der Strafe oder vor einem Rest der Strafe vollzogen, so kann das Gericht die Vollstreckung des Strafrestes unter den Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 zur Bewährung aussetzen, wenn die Hälfte der Strafe erledigt ist. Wird der Strafrest nicht ausgesetzt, so wird der Vollzug der Maßregel fortgesetzt; das Gericht kann jedoch den Vollzug der Strafe anordnen, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen.

(6) Das Gericht bestimmt, dass eine Anrechnung nach Absatz 4 auch auf eine verfahrensfremde Strafe erfolgt, wenn deren Vollzug für die verurteilte Person eine unbillige Härte wäre. Bei dieser Entscheidung sind insbesondere das Verhältnis der Dauer des bisherigen Freiheitsentzugs zur Dauer der verhängten Strafen, der erzielte Therapieerfolg und seine konkrete Gefährdung sowie das Verhalten der verurteilten Person im Vollstreckungsverfahren zu berücksichtigen. Die Anrechnung ist in der Regel ausgeschlossen, wenn die der verfahrensfremden Strafe zugrunde liegende Tat nach der Anordnung der Maßregel begangen worden ist. Absatz 5 Satz 2 gilt entsprechend.

(1) Örtlich zuständig ist

1.
in Angelegenheiten, die sich auf unbewegliches Vermögen oder ein ortsgebundenes Recht oder Rechtsverhältnis beziehen, die Behörde, in deren Bezirk das Vermögen oder der Ort liegt;
2.
in Angelegenheiten, die sich auf den Betrieb eines Unternehmens oder einer seiner Betriebsstätten, auf die Ausübung eines Berufs oder auf eine andere dauernde Tätigkeit beziehen, die Behörde, in deren Bezirk das Unternehmen oder die Betriebsstätte betrieben oder der Beruf oder die Tätigkeit ausgeübt wird oder werden soll;
3.
in anderen Angelegenheiten, die
a)
eine natürliche Person betreffen, die Behörde, in deren Bezirk die natürliche Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat oder zuletzt hatte,
b)
eine juristische Person oder eine Vereinigung betreffen, die Behörde, in deren Bezirk die juristische Person oder die Vereinigung ihren Sitz hat oder zuletzt hatte;
4.
in Angelegenheiten, bei denen sich die Zuständigkeit nicht aus den Nummern 1 bis 3 ergibt, die Behörde, in deren Bezirk der Anlass für die Amtshandlung hervortritt.

(2) Sind nach Absatz 1 mehrere Behörden zuständig, so entscheidet die Behörde, die zuerst mit der Sache befasst worden ist, es sei denn, die gemeinsame fachlich zuständige Aufsichtsbehörde bestimmt, dass eine andere örtlich zuständige Behörde zu entscheiden hat. Sie kann in den Fällen, in denen eine gleiche Angelegenheit sich auf mehrere Betriebsstätten eines Betriebs oder Unternehmens bezieht, eine der nach Absatz 1 Nr. 2 zuständigen Behörden als gemeinsame zuständige Behörde bestimmen, wenn dies unter Wahrung der Interessen der Beteiligten zur einheitlichen Entscheidung geboten ist. Diese Aufsichtsbehörde entscheidet ferner über die örtliche Zuständigkeit, wenn sich mehrere Behörden für zuständig oder für unzuständig halten oder wenn die Zuständigkeit aus anderen Gründen zweifelhaft ist. Fehlt eine gemeinsame Aufsichtsbehörde, so treffen die fachlich zuständigen Aufsichtsbehörden die Entscheidung gemeinsam.

(3) Ändern sich im Lauf des Verwaltungsverfahrens die die Zuständigkeit begründenden Umstände, so kann die bisher zuständige Behörde das Verwaltungsverfahren fortführen, wenn dies unter Wahrung der Interessen der Beteiligten der einfachen und zweckmäßigen Durchführung des Verfahrens dient und die nunmehr zuständige Behörde zustimmt.

(4) Bei Gefahr im Verzug ist für unaufschiebbare Maßnahmen jede Behörde örtlich zuständig, in deren Bezirk der Anlass für die Amtshandlung hervortritt. Die nach Absatz 1 Nr. 1 bis 3 örtlich zuständige Behörde ist unverzüglich zu unterrichten.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Örtlich zuständig ist

1.
in Angelegenheiten, die sich auf unbewegliches Vermögen oder ein ortsgebundenes Recht oder Rechtsverhältnis beziehen, die Behörde, in deren Bezirk das Vermögen oder der Ort liegt;
2.
in Angelegenheiten, die sich auf den Betrieb eines Unternehmens oder einer seiner Betriebsstätten, auf die Ausübung eines Berufs oder auf eine andere dauernde Tätigkeit beziehen, die Behörde, in deren Bezirk das Unternehmen oder die Betriebsstätte betrieben oder der Beruf oder die Tätigkeit ausgeübt wird oder werden soll;
3.
in anderen Angelegenheiten, die
a)
eine natürliche Person betreffen, die Behörde, in deren Bezirk die natürliche Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat oder zuletzt hatte,
b)
eine juristische Person oder eine Vereinigung betreffen, die Behörde, in deren Bezirk die juristische Person oder die Vereinigung ihren Sitz hat oder zuletzt hatte;
4.
in Angelegenheiten, bei denen sich die Zuständigkeit nicht aus den Nummern 1 bis 3 ergibt, die Behörde, in deren Bezirk der Anlass für die Amtshandlung hervortritt.

(2) Sind nach Absatz 1 mehrere Behörden zuständig, so entscheidet die Behörde, die zuerst mit der Sache befasst worden ist, es sei denn, die gemeinsame fachlich zuständige Aufsichtsbehörde bestimmt, dass eine andere örtlich zuständige Behörde zu entscheiden hat. Sie kann in den Fällen, in denen eine gleiche Angelegenheit sich auf mehrere Betriebsstätten eines Betriebs oder Unternehmens bezieht, eine der nach Absatz 1 Nr. 2 zuständigen Behörden als gemeinsame zuständige Behörde bestimmen, wenn dies unter Wahrung der Interessen der Beteiligten zur einheitlichen Entscheidung geboten ist. Diese Aufsichtsbehörde entscheidet ferner über die örtliche Zuständigkeit, wenn sich mehrere Behörden für zuständig oder für unzuständig halten oder wenn die Zuständigkeit aus anderen Gründen zweifelhaft ist. Fehlt eine gemeinsame Aufsichtsbehörde, so treffen die fachlich zuständigen Aufsichtsbehörden die Entscheidung gemeinsam.

(3) Ändern sich im Lauf des Verwaltungsverfahrens die die Zuständigkeit begründenden Umstände, so kann die bisher zuständige Behörde das Verwaltungsverfahren fortführen, wenn dies unter Wahrung der Interessen der Beteiligten der einfachen und zweckmäßigen Durchführung des Verfahrens dient und die nunmehr zuständige Behörde zustimmt.

(4) Bei Gefahr im Verzug ist für unaufschiebbare Maßnahmen jede Behörde örtlich zuständig, in deren Bezirk der Anlass für die Amtshandlung hervortritt. Die nach Absatz 1 Nr. 1 bis 3 örtlich zuständige Behörde ist unverzüglich zu unterrichten.

(1) Ausländer dürfen sich im Rahmen der allgemeinen Rechtsvorschriften politisch betätigen. Die politische Betätigung eines Ausländers kann beschränkt oder untersagt werden, soweit sie

1.
die politische Willensbildung in der Bundesrepublik Deutschland oder das friedliche Zusammenleben von Deutschen und Ausländern oder von verschiedenen Ausländergruppen im Bundesgebiet, die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder gefährdet,
2.
den außenpolitischen Interessen oder den völkerrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland zuwiderlaufen kann,
3.
gegen die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland, insbesondere unter Anwendung von Gewalt, verstößt oder
4.
bestimmt ist, Parteien, andere Vereinigungen, Einrichtungen oder Bestrebungen außerhalb des Bundesgebiets zu fördern, deren Ziele oder Mittel mit den Grundwerten einer die Würde des Menschen achtenden staatlichen Ordnung unvereinbar sind.

(2) Die politische Betätigung eines Ausländers wird untersagt, soweit sie

1.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet oder den kodifizierten Normen des Völkerrechts widerspricht,
2.
Gewaltanwendung als Mittel zur Durchsetzung politischer, religiöser oder sonstiger Belange öffentlich unterstützt, befürwortet oder hervorzurufen bezweckt oder geeignet ist oder
3.
Vereinigungen, politische Bewegungen oder Gruppen innerhalb oder außerhalb des Bundesgebiets unterstützt, die im Bundesgebiet Anschläge gegen Personen oder Sachen oder außerhalb des Bundesgebiets Anschläge gegen Deutsche oder deutsche Einrichtungen veranlasst, befürwortet oder angedroht haben.

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

Tenor

I.

Die Berufung wird zurückgewiesen.

II.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich mit der Klage gegen seine Ausweisung aus dem Bundesgebiet.

Der am 24. Dezember 1983 im Bundegebiet geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger. Sein Vater lebt mit seinen zwei Geschwistern‚ der Stiefmutter und drei Stiefgeschwistern in G.; seine Mutter ist 2006 verstorben. Der Kläger‚ der seit 19. Januar 2000 im Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis (jetzt: Niederlassungserlaubnis) ist‚ besitzt einen Hauptschulabschluss, hat jedoch keine Berufsausbildung abgeschlossen. In den Jahren zwischen 2001 und 2010 arbeitete er bei verschiedenen Unternehmen mit Unterbrechungen durch Zeiten der Arbeitslosigkeit.

Im Bundesgebiet ist er strafrechtlich wie folgt in Erscheinung getreten:

1. Vorsätzlicher unerlaubter Besitz in Tateinheit mit vorsätzlichem unerlaubten Führen und vorsätzlicher unerlaubter Einfuhr einer Schusswaffe (24.8.2000): von der Verfolgung abgesehen, § 45 Abs. 2 JGG

2. Vorsätzliche Gefährdung des Straßenverkehrs mit fahrlässiger Körperverletzung in zwei Fällen (14.12.2003): Amtsgericht Dillingen vom 16.2.2004 - Verurteilung zu 70 Tagessätzen Geldstrafe und Sperre für die Wiedererlangung der Fahrerlaubnis

3. Vorsätzliche Gefährdung des Straßenverkehrs (14.4.2005): Urteil des Amtsgerichts Dillingen vom 29.11.2005 - fünf Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung und Sperre für die Fahrerlaubnis

4. Sechs sachlich zusammentreffende Vergehen des vorsätzlichen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln (29.10.2004): Amtsgericht Dillingen vom 11.1.2006 - Verwarnung und Auflage von Arbeitsleistungen

5. Vorsätzliches Fahren ohne Fahrerlaubnis (27.8.2005): Urteil des Amtsgerichts Dillingen vom 2.5.2006 unter Einbeziehung des Urteils vom 29.11.2005 (s. 3.) - Freiheitsstrafe von sechs Monaten zwei Wochen auf Bewährung und Sperre für die Fahrerlaubnis

6. Nachstellung in Tateinheit mit Nötigung‚ Hausfriedensbruch‚ Beleidigung‚ versuchter Nötigung in Tatmehrheit mit gefährlicher Körperverletzung‚ Beleidigung in Tateinheit mit Bedrohung in Tatmehrheit mit Beleidigung (3.9.2009): Urteil des Amtsgerichts Dillingen vom 4.5.2010 - Freiheitsstrafe ein Jahr zehn Monate‚ Strafrest zur Bewährung ausgesetzt bis 27. August 2017

7. Nachstellung in zwei tateinheitlichen Fällen mit schwerer Nachstellung‚ gefährlicher Körperverletzung‚ Bedrohung‚ vorsätzlicher Körperverletzung und Nötigung sowie Beleidigung (25.4.2010): Urteil des Amtsgerichts Augsburg vom 2.3.2011 - Freiheitsstrafe von zwei Jahren zwei Monaten‚ Strafvollstreckung erledigt am 3. Juli 2013

Das Landratsamt belehrte den Kläger am 17. Dezember 2007 wegen der von ihm begangenen Straftaten im Hinblick auf eine mögliche Ausweisung. Den Straftaten (Nr. 6 und 7)‚ aus denen Verurteilungen zu Freiheitsstrafen ohne Aussetzung zur Bewährung resultierten‚ lag die vom Kläger mit der späteren Geschädigten vom April 2005 bis 2009 geführte Beziehung zugrunde. Da sich der Kläger mit der von ihr durchgeführten Trennung nicht abfinden wollte‚ stellte er ihr beständig nach‚ rief sie dauernd an und beleidigte sie‚ ihre Mutter und deren Freund. Trotz einer einstwei-ligen Verfügung vom 7. Juli 2009 nach dem Gewaltschutzgesetz‚ mit der dem Kläger untersagt worden war‚ sich seiner früheren Freundin zu nähern‚ ist er an sie in einer Gaststätte herangetreten und hat dort u. a. ihre ebenfalls anwesende Mutter und deren Freund mit einem Golfschläger bedroht und geschlagen. Zulasten des Klägers wurden seine Rücksichtslosigkeit und Penetranz gewertet‚ außerdem sein rücksichtsloses Vorgehen im Hinblick auf die körperliche Unversehrtheit dritter Personen. Die schlechte Sozialprognose und seine Rückfälligkeit ließen eine Bewährungsaussetzung nicht mehr zu. Der Kläger habe den Zeitraum nach der Außervollzug-setzung des Haftbefehls bis zur Hauptverhandlung für einen massiven tätlichen Angriff genutzt.

Der Verurteilung durch das Amtsgericht Augsburg vom 2. März 2011 (Nr. 7) lag ein vergleichbarer Sachverhalt zugrunde. Demnach habe der Kläger seine ehemalige Freundin im Zeitraum von April bis Juni 2010 weiterhin mehrfach telefonisch kontaktiert‚ beleidigt und bedroht, außerdem zweimal mit seinem Auto verfolgt und sei des Öfteren an ihrer Wohnung vorbeigefahren. Schließlich habe er sie am 24. April 2010 an den Haaren aus ihrem Auto herausgerissen und über einen Platz gezogen. Einen Tag danach habe er seine Handlung wiederholt, außerdem mit beiden Händen um den Hals der Geschädigten gefasst und solange zugedrückt‚ bis sie Atemnot erlitten habe. Der Kläger habe sich im Laufe der Hauptverhandlung aufbrausend benommen und als das eigentliche Opfer hingestellt. Es liege bei ihm eine narzisstische Problematik vor, die mit einem unangepassten Geltungsbedürfnis und Anfälligkeit zur Kränkung einhergehe.

Der Beklagte wies den Kläger mit Bescheid vom 24. Oktober 2012 aus dem Bundesgebiet aus und befristete die Wirkung dieser Ausweisung auf drei Jahre; die Abschiebung aus der Strafhaft wurde angeordnet. Für den Fall‚ dass die Abschiebung nicht aus der Strafhaft durchgeführt werden könne‚ habe der Kläger das Bundesgebiet innerhalb eines Monats nach Eintritt der Bestandskraft des Bescheids zu verlassen‚ andernfalls die Abschiebung in die Türkei oder einen anderen aufnahmebereiten Staat angedroht werde. Da er assoziationsberechtigter türkischer Staatsangehöriger sei und damit besonderen Ausweisungsschutz genieße‚ dürfe er nur aus spezialpräventiven Gründen auf der Grundlage einer Ermessensentscheidung ausgewiesen werden. Vor dem Hintergrund der über Jahre hinweg begangenen‚ schwerwiegenden Straftaten drohe die Gefahr wiederum gegen die körperliche Unversehrtheit gerichteter Straftaten. Obwohl eine Behandlung in einer sozialtherapeutischen Abteilung für Gewaltstraftäter erforderlich und auch vorgesehen sei‚ habe sie der Kläger bisher nicht aufgenommen. Die Teilnahme an einem anstaltsinternen sozialen Kompetenztraining reiche nicht aus. Die Straftaten des in vollem Umfang schuldfähigen Klägers stellten keine einmaligen Verfehlungen dar; er verfüge vor dem Hintergrund seiner narzisstischen Persönlichkeit vielmehr über ein erhebliches Gefährdungspotential. Selbst die Verurteilung zu einer Haftstrafe habe ihn nicht davon abhalten können‚ sofort nach der mündlichen Verhandlung erneut straffällig zu werden. Die Ausweisung sei auch unter Berücksichtigung der persönlichen Belange des Klägers im Hinblick auf Art. 8 EMRK verhältnismäßig. Seine Kenntnisse der türkischen Sprache würden ihm eine rasche Eingewöhnung in die türkischen Lebensverhältnisse ermöglichen.

Mit Urteil vom 27. März 2013 wies das Verwaltungsgericht Augsburg die gegen den Bescheid vom 24. Oktober 2012 gerichtete Anfechtungsklage ab. Der Kläger könne nach Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 ausgewiesen werden, weil sein persönliches Verhalten eine gegenwärtige und hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft darstelle, zu dessen Wahrung die Ausweisung unerlässlich sei. Das erschreckende Maß an Aggressivität‚ das der Kläger nicht nur gegenüber seiner ehemaligen Freundin‚ sondern auch gegenüber deren Angehörigen an den Tag gelegt habe‚ stelle einen Ausweisungsanlass von besonderem Gewicht dar. Die begangenen Straftaten deckten ein breites Spektrum ab‚ belegten ein außerordentlich rücksichtsloses und hartnäckiges Verhalten und erstreckten sich über einen erheblichen Zeitraum. Die in den Strafurteilen aufgezeigten charakterlichen Probleme führten zur Annahme schwerwiegender Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Sinn von § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG. Der Kläger nehme zwar in der Justizvollzugsanstalt an einer Therapie teil‚ diese sei jedoch noch nicht abgeschlossen‚ so dass davon ausgegangen werden müsse‚ dass aufgrund der nach wie vor bestehenden Persönlichkeitsdefizite mit weiteren Straftaten‚ insbesondere gefährlichen Körperverletzungen‚ gegenüber seiner früheren Freundin oder einer künftigen Partnerin‚ falls diese sich von ihm trennen wolle‚ zu rechnen sei. Schließlich bewiesen auch sein Verhalten und seine Äußerungen in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht deutlich‚ dass er die in seinem bisherigen Leben begangenen Fehler noch nicht erkannt und aufgearbeitet habe. Die Ermessensentscheidung des Beklagten sei nicht zu beanstanden‚ da alle wesentlichen Gesichtspunkte in die Prüfung eingestellt und keine sachfremden Erwägungen angestellt worden seien. Die Ausweisung sei schließlich auch verhältnismäßig im Hinblick auf Art. 8 EMRK. Obwohl der Kläger als faktischer Inländer zu betrachten und im Besitz eine Niederlassungserlaubnis sei‚ sein Vater und seine Geschwister im Bundesgebiet wohnten und er seine wesentliche Prägung und Sozialisation in Deutschland erfahren habe‚ sei ihm eine Übersiedlung in die Türkei zu der dort lebenden Großmutter zuzumuten. Er werde jedenfalls in der Türkei nicht auf unüberwindbare Hindernisse stoßen. Auch die Befristung der Wirkungen der Ausweisung auf die Dauer von drei Jahren begegne keinen rechtlichen Bedenken.

Der am 22. Juni 2010 inhaftierte Kläger wurde am 19. August 2013 nach voller Verbüßung der durch Urteil des Amtsgerichts Augsburg vom 2. März 2011 (s. Nr. 7) verhängten Freiheitsstrafe und mehr als hälftiger Verbüßung der durch das Amtsgericht Dillingen mit Urteil vom 4. Mai 2010 (Nr. 6) verhängten Freiheitsstrafe entlassen.

Der Kläger begründet seine mit Beschluss vom 19. Januar 2015 zugelassene Berufung in erster Linie mit dem Verweis auf den Beschluss der auswärtigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Augsburg vom 9. August 2013‚ mit dem die Reststrafe zur Bewährung ausgesetzt und eine Bewährungszeit von vier Jahren angeordnet wurde. Der Kläger habe sämtliche ihm auferlegten Bewährungsauflagen erfüllt und erfülle sie immer noch. Insbesondere habe er die Therapie erfolgreich abgeschlossen‚ wohne nun zusammen mit seinen Eltern und Geschwistern in G. und habe eine Ausbildung als Industriemechaniker begonnen‚ nachdem er noch während der Haft den qualifizierten Hauptschulabschluss sowie außerdem einen Staplerführerschein erworben habe. Während der Inhaftierung habe er im Rahmen eines Gewaltpräventionstrainings an zehn Einzel- und zehn Gruppensitzungen mit einem Therapeuten teilgenommen. Aus dem Beschluss vom 9. August 2013 ergebe sich‚ dass die Entlassung unter Aussetzung der Reststrafe zur Bewährung angesichts der überwiegenden Wahrscheinlichkeit möglich sei‚ dass der Kläger künftig keine Straftaten mehr begehen werde. Der Kläger erfülle auch das im Hinblick auf besonders gefährliche Straftaten zu verlangende hohe Maß an Erfolgswahrscheinlichkeit wegen des erfolgreichen Therapieverlaufs‚ der damit einhergehenden Einsicht in das Tatunrecht und dessen Aufarbeitung. Außerdem bestehe offenbar keine Beziehung mehr zum Tatopfer. In der Haft habe eine deutliche Nachreifung bei beanstandungsfreier Führung stattgefunden. Nach der erstmaligen Verbüßung einer Haftstrafe müsse die Gefahrenprognose vor dem Hintergrund des Beschlusses vom 9. August 2013 zu seinen Gunsten ausgehen. Zum für die rechtliche und tatsächliche Beurteilung des angefochtenen Bescheides maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung sei klar‚ das der Kläger durch die erstmalige Inhaftierung so beeindruckt sei‚ das er künftig keine Straftaten mehr begehen werde. Bei lange andauerndem Strafvollzug komme den Umständen der Begehung der Straftaten nur noch eingeschränkte Aussagekraft zu; je länger die Freiheitsentziehung andauere‚ desto mehr Bedeutung erhielten die augenblicklichen Lebensverhältnisse der verurteilten Person für die anzustellende Prognose. Der Kläger habe sich seit seiner Haftentlassung straffrei geführt.

Der Kläger beantragt‚

das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 27. März 2013 und den Bescheid des Beklagten vom 24. Oktober 2012 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt‚

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte legte zuletzt ein Urteil des Amtsgerichts Dillingen vom 10. Dezember 2015 vor‚ mit dem der Kläger wegen des Vergehens des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit Beleidigung zu einer Geldstrafe in Höhe von 140 Tagessätzen verurteilt wurde. Er war am 31. März 2015 im Rahmen einer Verkehrskontrolle wegen auffälligen Zustands seiner Pupillen aufgefordert worden‚ zur Feststellung seiner Fahrtauglichkeit einen Urintest durchzuführen. Infolge seiner Weigerung veranlasste die Polizei die richterliche Anordnung einer Blutentnahme‚ gegen die sich der Kläger zur Wehr setzte‚ so dass er zur Durchsetzung der Anordnung von fünf Polizeibeamten auf dem Boden fixiert werden musste. Währenddessen beleidigte er die anwesenden Beamten in türkischer Sprache. Im Rahmen der Strafzumessung wertete das Landgericht Dillingen sein Teilgeständnis und sein Bemühen um eine Entschuldigung in der mündlichen Verhandlung zu seinen Gunsten. Zu seinen Lasten gingen die zahlreichen Vorstrafen und der Umstand, dass er während offener Reststrafenbewährung gehandelt habe. Der Kläger habe ausweislich des mittels Blutprobe festgestellten geringen THC-Werts nicht den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit im Sinn von § 24a StVG verwirklicht. Aus der beigezogenen Bewährungsakte gehe hervor‚ das er der ihm auch nach Haftentlassung auferlegten Antigewalttherapie bei dem Therapeuten Dr. S. ambulant nachkomme. Aufgrund der Gesamtumstände werde eine Geldstrafe als noch ausreichend zur Ahndung angesehen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die vorgelegten Strafakten‚ die Ausländerakte sowie die Gerichtsakten Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht die Anfechtungsklage abgewiesen, weil die Ausweisung den geltenden Vorschriften entspricht.

1. Die Rechtmäßigkeit der Ausweisung des Klägers ist an den im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs maßgeblichen Regelungen der §§ 53 ff. AufenthG, also in der ab 1. Januar 2016 gültigen Fassung des Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 27. Juli 2015 (BGBl I S. 1386), zu messen (1.1). Die neue Rechtslage kann ohne Verstoß gegen Art. 13 ARB 1/80 angewendet werden (1.2).

1.1 Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung einer Ausweisung ist nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Berufungsgerichts (vgl. z. B. BVerwG, U. v. 15.1.2013 - 1 C 10.12 - juris Rn. 12). Eine während des Berufungsverfahrens bis zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats eingetretene Änderung der Sach- und Rechtslage ist daher zu berücksichtigen. Der Senat hat dementsprechend die streitbefangene Ausweisungsverfügung und das bestätigende verwaltungsgerichtliche Urteil mangels entgegenstehender Übergangsregelung anhand der §§ 53 ff. AufenthG in der ab 1. Januar 2016 gültigen Fassung des Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 27. Juli 2015 (BGBl I S. 1386) zu überprüfen.

Seit dieser Rechtsänderung differenziert das Aufenthaltsgesetz nicht mehr zwischen der zwingenden Ausweisung, der Ausweisung im Regelfall und der Ermessens-ausweisung, sondern verlangt für eine Ausweisung eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und eine Verhältnismäßigkeitsprüfung, die für ein Ermessen der Ausländerbehörde keinen Raum mehr lässt. Die Ausweisungsentscheidung ist durch das Gericht in vollem Umfang nachprüfbar (Welte, InfAuslR 2015, 426; Cziersky-Reis in Hofmann, Kommentar zum Aufenthaltsgesetz, 2. Aufl. 2016, § 53 Rn. 30; Bauer in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, Kommentar, 11. Aufl. 2016, Vorb §§ 53 - 56 Rn. 13 und § 53 Rn. 5 ff.; a.A. Marx, ZAR 2015, 245/246). Eine - wie hier - nach altem Recht verfügte Ermessensausweisung wird nach Inkrafttreten der §§ 53 bis 55 AufenthG in ihrer Neufassung am 1. Januar 2016 nicht rechtsfehlerhaft, wenn sie den ab diesem Zeitpunkt geltenden gesetzlichen Anforderungen entspricht, also gemäß der zentralen Ausweisungsnorm des § 53 Abs. 1 AufenthG (als Grundtatbestand; vgl. die Gesetzesbegründung, BT-Drs. 18/4097 S. 49 f.) der weitere Aufenthalt des Ausländers im Bundesgebiet die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet und die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt. Steht dem Ausländer ein Aufenthaltsrecht nach dem Beschluss Nr. 1/80 des Assoziationsratsabkommen vom 19. September 1980 über die Entwicklung der Assoziation (ARB 1/80) zu, sind an die Qualität der erforderlichen Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung erhöhte Anforderungen zu stellen, denn er darf nach § 53 Abs. 3 AufenthG nur ausgewiesen werden, wenn sein persönliches Verhalten gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, und wenn die Ausweisung zur Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist. Damit gibt die Neufassung von § 53 Abs. 3 AufenthG exakt die Voraussetzungen wieder, die nach ständiger Rechtsprechung (z. B. EuGH, U. v. 8.12.2011 - Rs. C - 371/08 Ziebell -, juris Rn. 80; BayVGH‚ U. v. 30.10.2012 - 10 B 11.2744 - juris) für die Ausweisung eines assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen erfüllt sein mussten.

1.2 Die Beteiligten gehen übereinstimmend davon aus, dass dem Kläger im Zeitpunkt der Ausweisungsentscheidung ein Aufenthaltsrecht nach Art. 7 ARB 1/80 zustand. Er kommt damit grundsätzlich in den Genuss der ihn gegenüber anderen Drittstaaten privilegierenden Vorschriften des Assoziationsratsbeschlusses, also auch des in Art. 13 ARB 1/80 enthaltenen Verschlechterungsverbots (sog. Stillhalteklausel). Danach dürfen die Mitgliedstaaten keine neuen innerstaatlichen Maßnahmen einführen, die bezwecken oder bewirken, dass die Ausübung der Arbeitnehmerfreizügigkeit durch einen türkischen Staatsangehörigen oder einen Familienangehörigen in einem Mitgliedstaat strengeren Voraussetzungen unterworfen wird als denjenigen, die bei Inkrafttreten der Bestimmung am 1. Dezember 1980 in dem Mitgliedstaat galten (vgl. BVerwG, U. v. 28.4.2015 - 1 C 21. 14 - InfAuslR 2015, 327).

Allerdings bestehen auch mit Blick auf diese Bestimmung keine Bedenken gegen die Anwendung der ab 1. Januar 2016 geltenden neuen Ausweisungsvorschriften auf den Kläger als assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen. Geht man davon aus, dass Art. 13 ARB 1/80 auch im Zusammenhang mit der Änderung nationaler Ausweisungsvorschriften Gültigkeit beansprucht, obwohl diese keinen unmittelbaren Bezug zur Regelung des Arbeitsmarktzugangs aufweisen (vgl. hierzu Hailbronner, AuslR, Stand: Januar 2016, D 5.2, Art. 13 Rn. 10 f.), geht mit der Einführung des zum 1. Januar 2016 anwendbaren Ausweisungsrechts keine grundsätzliche Verschlechterung der Rechtsposition eines unter dem Schutz von Art. 14 ARB 1/80 stehenden türkischen Staatsangehörigen einher. Denn er kann auch künftig ausschließlich aus spezialpräventiven Gründen und nur dann ausgewiesen werden, wenn sein Verhalten gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt (vgl. § 53 Abs. 3 AufenthG); außerdem ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten, wie sich aus § 53 Abs. 3 letzter Halbsatz AufenthG und dem System von § 53 Abs. 2, §§ 54, 55 AufenthG ergibt. Dabei sind unter Abwägung der gegenläufigen Interessen alle Umstände und Besonderheiten des konkreten Einzelfalls einzustellen (Bauer in Bergmann/Dienelt, 11. Aufl. 2016, § 53 AufenthG Rn. 56 f.; bisher schon: BVerwG, U. v. 2.9.2009 - 1 C 2.09 - InfAuslR 2010, 3), so dass sich die materiellen Anforderungen, unter denen ein assoziationsberechtigter türkischer Staatsangehöriger ausgewiesen werden darf, nicht zu seinen Lasten geändert haben. Dass nach dem neuen Recht eine Ausweisung nach Betätigung des ausländerbehördlichen Ermessens nicht mehr in Betracht kommt, ist für einen betroffenen Ausländer nicht ungünstiger (Bauer in Bergmann/Dienelt, a. a. O., Rn. 59; a.A. Cziersky-Reis in Hofmann, AuslR, 2. Aufl. 2016, § 53 AufenthG Rn. 42), denn es lässt sich schon nicht feststellen, dass es in der Vergangenheit tatsächlich Fälle gab, in denen die Ausländerbehörde von einer eigentlich möglichen Ausweisung aus Ermessensgründen Abstand genommen hat. Im Übrigen ermöglicht das neue Ausweisungsrecht eine volle gerichtliche Kontrolle der Ausweisungsentscheidung, so dass jedenfalls in der Gesamtschau eine Verschlechterung der Rechtspositionen eines durch Art. 13, 14 ARB 1/80 geschützten türkischen Staatsangehörigen nicht feststellbar ist.

2. Die Ausweisung des Klägers ist unter Berücksichtigung des dargelegten Maßstabs rechtmäßig, weil die vom Verwaltungsgericht angenommene Gefahr der Begehung erneuter gravierender Straftaten nach wie vor gegenwärtig besteht (2.1) und nach der erforderlichen Interessenabwägung die Ausweisung für die Wahrung dieses Grundinteresses der Gesellschaft unerlässlich ist (2.2).

2.1 Gemessen an den unter 1.1 dargestellten Grundsätzen kommt der Senat zu der Bewertung, dass nach dem Gesamtbild des Klägers, das in erster Linie durch sein Verhalten gekennzeichnet ist, mit hinreichender Wahrscheinlichkeit damit gerechnet werden muss, dass er erneut vergleichbare Straftaten begehen wird und damit gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellt. Die nach § 53 Abs. 1, 3 AufenthG vorausgesetzte erhöhte Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ist beim Kläger zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats in spezialpräventiver Hinsicht noch gegeben. Seine diesbezüglichen Einwendungen im Berufungsvorbringen greifen letztlich nicht durch. Die Ausweisungsentscheidung hat der Beklagte vor dem Hintergrund des nunmehr von § 53 Abs. 3 AufenthG geforderten persönlichen Verhaltens zu Recht nicht auf generalpräventive Gründe gestützt.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts haben Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichte bei einer spezialpräventiven Ausweisungsentscheidung und ihrer gerichtlichen Überprüfung eine eigenständige Prognose zur Wiederholungsgefahr zu treffen (vgl. z. B. BVerwG, U. v. 15.1.2013 - 1 C 10.12 - juris Rn. 18). Bei der Prognose, ob eine Wiederholung vergleichbarer Straftaten mit hinreichender Wahrscheinlichkeit droht, sind die besonderen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die Höhe der verhängten Strafe, die Schwere der konkreten Straftat, die Umstände ihrer Begehung, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts sowie die Persönlichkeit des Täters und seine Entwicklung und Lebensumstände bis zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt (vgl. BayVGH, U. v. 30.10.2012 - 10 B 11.2744 - juris Rn. 33 m. w. N.). An die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sind bei dieser Prognose umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist (st. Rspr.; vgl. z. B. BVerwG, U. v. 4.10.2012 - 1 C 13.11 - Rn. 18; BayVGH, U. v. 30.10.2012 - 10 B 11.2744 - juris Rn. 34 und B. v. 3.3.2016 - 10 ZB 14.844 - juris). Auch der Rang des bedrohten Rechtsguts ist dabei zu berücksichtigen; an die nach dem Ausmaß des möglichen Schadens differenzierende hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts dürfen andererseits keine zu geringen Anforderungen gestellt werden.

Gemessen an den dargestellten Grundsätzen ist der Senat zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt zu der Überzeugung (§ 108 Abs. 1 VwGO) gelangt, dass eine hinreichend konkrete Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass der Kläger erneut die öffentliche Sicherheit durch vergleichbare, insbesondere gegen die körperliche Unversehrtheit dritter Personen gerichtete Straftaten beeinträchtigen wird. Das vom Kläger insoweit geltend gemachte positive Verhalten während der Strafhaft, die dabei durchlaufene Entwicklung, weiter der Umstand, dass er erstmals eine Haftstrafe verbüßen musste, sowie die Aussagen im Bewährungsbeschlusses vom 9. August 2013, und schließlich die Erfüllung der ihm auferlegten Auflagen lassen die angenommene Wiederholungsgefahr nicht entfallen. Zu Recht hat demgegenüber das Verwaltungsgericht entscheidend darauf abgestellt, dass der Kläger eine ganze Reihe von Straftatbeständen gegenüber seiner ehemaligen Freundin und deren Angehörigen verwirklicht und dabei über einen erheblichen Zeitraum ein hohes Maß an Aggressivität an den Tag gelegt hat. Durch sein Verhalten mit sich steigernder Gewaltbereitschaft hat der Kläger Schutzgüter von hohem Rang (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) verletzt und den betroffenen Personen nicht nur körperliche, sondern auch erhebliche psychische Schäden zugefügt. Das vom Kläger ausgehende Gefährdungspotenzial berührt angesichts dessen ein Grundinteresse der Gesellschaft. Die Gefahrenprognose wird auch dadurch gestützt, dass er sich in den Jahren 2003 und 2005 zweimal der vorsätzlichen Gefährdung des Straßenverkehrs in massiver Weise durch rücksichtsloses Überholen schuldig gemacht hatte (vgl. Darstellung im Urteil des VG Augsburg v. 27.3.2013, S. 17, 18), wobei es einmal zu einem Frontalzusammenstoß kam. Es wurde deswegen eine Freiheitsstrafe auf Bewährung gegen ihn verhängt; die zudem ausgesprochene Entziehung der Fahrerlaubnis hat er offenbar nicht akzeptiert, wie eine weitere Verurteilung wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis beweist.

Triebfeder für das Verhalten des Klägers, das den den Anlass für die Ausweisung bildenden Taten zugrunde lag, war seine persönliche Unfähigkeit, die Beendigung der Beziehung durch seine Freundin zu akzeptieren und nicht gewaltsam auf die Rückgängigmachung ihres Entschlusses zu drängen. Die diesem Verhalten zugrunde liegende Disposition seiner Persönlichkeit hat der Kläger zwar in der Haft und auch anschließend entsprechend den ihm auferlegten Maßgaben bearbeitet; der Senat konnte gleichwohl nicht zu der Auffassung gelangen, dass der Kläger ein ähnliches Verhalten in einer vergleichbaren Situation nicht mehr zeigen wird. Zur Begründung ist insbesondere auf die neuerliche Verurteilung durch Urteil des Amtsgerichts Dillingen vom 10. Dezember 2015 wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte zu verweisen, der zwar offenbar keine aktiven Gewalthandlungen des Klägers zugrundelagen, als er sich der richterlich angeordneten Blutentnahme widersetzt hat und die Maßnahme nur nach Fixierung durch mehrere Polizeibeamte vollzogen werden konnte; auch hat er sich für sein Verhalten entschuldigt. Problematisch im Hinblick auf die hier anzustellende Gefahrenprognose ist seine in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat wiederholte Meinung, er habe ohne schriftliche richterliche Anordnung die Blutentnahme verweigern und danach handeln dürfen, weil er „im Recht gewesen“ sei. Die auch darin zum Ausdruck kommende Einstellung des Klägers lässt den Schluss zu, dass er auch künftig in bestimmten Konfliktsituationen im privaten wie im öffentlichen Raum - insbesondere wenn er sich „ungerecht behandelt fühlt“ - nach seinen eigenen rechtlichen und sonstigen Vorstellungen agieren wird und es so zu erneuten unkontrollierbaren Eskalationen für den Fall kommen kann, dass der Gegenüber nicht der Meinung des Klägers ist. In dieser Hinsicht haben die in und nach der Haft durchgeführten Therapiemaßnahmen (Persönlichkeits- und Antigewalttherapie), mit denen u. a. die vom Sachverständigen des Amtsgerichts Augsburg mit Gutachten vom 19. Dezember 2010 festgestellte erhebliche narzisstische Problematik bearbeitet werden sollte, noch keinen ausreichenden Erfolg gehabt.

Auch die im Bewährungsbeschlusses vom 9. August 2013 enthaltene Aussage, vor dem Hintergrund einer „deutlichen Nachreifung bei beanstandungsfreier Führung“ in der Haft und einer erfolgreichen Aufarbeitung der für die Straftaten maßgeblichen Defizite sei überwiegend wahrscheinlich, dass der Kläger künftig keine Straftaten mehr begehen werde, vermag nicht zu einer für ihn günstigen Gefahrenprognose zu führen. Bei ihrer Prognoseentscheidung sind die Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichte an die Feststellungen und Beurteilungen durch die Strafgerichte selbst dann nicht gebunden, wenn die Strafvollstreckungskammer zur Vorbereitung ihrer Entscheidung ein Sachverständigengutachten eingeholt hat. Bei der Frage, ob ein Strafrest nach § 57 StGB zur Bewährung ausgesetzt werden kann, geht es um die Frage, ob die Wiedereingliederung eines inhaftierten Straftäters weiterhin im Vollzug stattfinden muss oder durch vorzeitige Entlassung für die Dauer der Bewährungszeit in „offener Form“ inmitten der Gesellschaft verantwortet werden kann. Dabei stehen in erster Linie Gesichtspunkte der Resozialisierung im Vordergrund; zu prognostizieren ist, ob der Täter das Potenzial hat, sich während der Bewährungszeit straffrei zu führen. Im ausländerrechtlichen Ausweisungsverfahren geht es dagegen um die Frage, ob das Risiko eines Misserfolgs der Resozialisierung von der inländischen Gesellschaft getragen werden muss. Die ausweisungsrechtliche Prognoseentscheidung bezieht sich daher nicht nur auf die Dauer der Bewährungszeit, sondern hat einen längeren Zeithorizont in den Blick zu nehmen. Denn es geht dabei um die Beurteilung, ob dem Ausländer über den Bewährungszeitraum hinaus ein straffreies Leben im Bundesgebiet möglich sein wird. Entscheidend ist, ob er im maßgeblichen Zeitpunkt auf ausreichende Integrationsfaktoren verweisen kann; die beanstandungsfreie Führung während der Haft genügt für sich genommen nicht (BVerwG, U. v. 15.1.2013 - 1 C 10.12 - juris Rn. 19 f.; BayVGH, B. v. 3.3.2016 - 10 ZB 14.844 - juris).

Zu keinem anderen Ergebnis führt deshalb auch der vom Kläger in der mündlichen Verhandlung mitgeteilte Umstand, dass seine Bewährung nicht infolge der letzten strafrechtlichen Verurteilung widerrufen worden sei. Die soeben dargestellten Grundsätze zur unterschiedlichen Würdigung der Gefahrenprognose im Strafvollzugsrecht einerseits und Ausweisungsrecht andererseits können auch in der Situation des trotz erneuter Verurteilung unterbliebenen Widerrufs der Bewährung angewendet werden.

Auch wenn der Kläger nunmehr offenbar seiner ehemaligen Freundin nicht mehr nachstellt und sich mit den gegen sie und ihre Angehörigen gerichteten Taten, wegen derer er verurteilt wurde, auseinandergesetzt hat, genügt dieser Umstand dem Senat für eine positive Prognose alleine noch nicht. Ohne Überwindung der für das damalige Fehlverhalten maßgeblichen Persönlichkeitsdefizite besteht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit die gegenwärtige Gefahr der Begehung gleich oder ähnlich gelagerter Straftaten.

2.2 Die bei Vorliegen einer tatbestandsmäßigen Gefährdungslage nach § 53 Abs. 1 und 3 AufenthG unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise des Klägers mit den Interessen an seinem weiteren Verbleib im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an seiner Ausreise überwiegt und die Ausweisung auch für die Wahrung des (unter 2.1) dargestellten Grundinteresses der Gesellschaft unerlässlich ist.

Entgegen dem Vortrag im Berufungsverfahren ist die streitbefangene Ausweisung weder unter Berücksichtigung der in § 53 Abs. 2 AufenthG - allerdings nicht abschließend - aufgeführten Umstände noch mit Blick auf die Anforderungen der wertentscheidenden Grundsatznorm des Art. 6 Abs. 1 GG und des Art. 8 EMRK unverhältnismäßig. Der Beklagte und nachfolgend das Verwaltungsgericht haben bei der vom Kläger angegriffenen Entscheidung sämtliche entscheidungsrelevanten Gesichtspunkte berücksichtigt, die in diese Interessenabwägung einzustellen sind, und sie im Ergebnis in nicht zu beanstandender Weise gewichtet.

2.2.1 Ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse (i. S. v. § 53 Abs. 1 AufenthG) ist beim Kläger infolge seiner rechtskräftigen Verurteilung vom 2. März 2011 durch das Amtsgericht Augsburg zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zwei Monaten nach § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG gegeben. Zu seinen Gunsten ergibt sich ein besonders schwerwiegendes Bleibeinteresse nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG, weil er eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat.

Liegen darüber hinaus weitere Lebenssachverhalte vor, die noch andere Tatbestände eines besonders schwerwiegenden oder (nur) schwerwiegenden Ausweisungs- oder Bleibeinteresses erfüllen, sind diese erst bei der nachfolgenden Abwägung der einzelfallbezogenen Umstände im Rahmen des § 53 Abs. 2 AufenthG mit dem ihnen zukommenden Gewicht zu berücksichtigen; die Annahme eines „doppelt“ oder sogar mehrfach (besonders oder nur) schwerwiegenden Interesses ist weder systematisch geboten noch von seinem Sinngehalt her vorstellbar. Eine rein quantitative Gegenüberstellung der im Rahmen der Prüfung nach §§ 54, 55 AufenthG verwirklichten typisierten Interessen widerspräche auch dem Gebot der Abwägung aller Umstände des Einzelfalls. Deshalb kommt es an dieser Stelle nicht mehr darauf an, dass infolge der weiteren Verurteilung des Klägers durch das Amtsgericht Dillingen vom 4. Mai 2010 zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten auch der Tatbestand des § 54 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG verwirklicht ist. Entsprechendes gilt für die nicht den Anlass für die Ausweisung gebenden Verurteilungen durch das Amtsgericht Dillingen (vom 16.2.2004 und vom 2.5.2006), die möglicherweise für sich alleine gesehen - also ohne Vorliegen der zeitlich nachfolgenden Verurteilungen - ein schwerwiegendes Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG als strafbare Handlungen, die „einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften“ darstellen, begründen könnten.

2.2.2 Liegen also nach der durch die §§ 54, 55 AufenthG vorgegebenen typisierenden Betrachtung besonders schwerwiegende Gründe vor, die sowohl für die Ausreise des Klägers aus dem Bundesgebiet als auch für seinen weiteren Verbleib sprechen, fällt die in jedem Fall auch im Rahmen des § 53 Abs. 3 AufenthG vorzunehmende umfassende Abwägung der gegenläufigen Interessen (§ 53 Abs. 1, 2 AufenthG) hier zu Ungunsten des Klägers aus; danach ist seine Ausweisung für die Wahrung des betroffenen Grundinteresses der Gesellschaft unerlässlich.

Bei der Abwägungsentscheidung sind sämtliche nach den Umständen des Einzelfalls maßgeblichen Gesichtspunkte zu berücksichtigen, in erster Linie die Dauer des Aufenthalts, die Bindungen persönlicher, wirtschaftlicher und sonstiger Art im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat sowie die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige (§ 53 Abs. 2 AufenthG). Vor diesem Hintergrund hat das Verwaltungsgericht zu Recht darauf abgestellt, dass der Kläger ein „faktischer Inländer“ ist, der seine wesentliche Prägung und Entwicklung in Deutschland erfahren hat, und seit mehr als einem Jahrzehnt ein Daueraufenthaltsrecht im Bundesgebiet besitzt. Sämtliche nahe Verwandte, insbesondere der Vater des Klägers und seine Geschwister sowie Stiefgeschwister leben im näheren Umfeld. Allerdings hat der Kläger bisher keine eigene Familie gegründet und lebt auch nicht mehr - wie noch während der Haft geplant - mit seinem Vater zusammen, sondern hat eine eigene Wohnung. Unter dem Aspekt der Achtung des Privatlebens (Art. 8 Abs. 1, 2 EMRK) ist zu beachten, dass der Kläger eine neue Beziehung zu einer Frau eingegangen ist, über die er in der mündlichen Verhandlung berichtet hat. Zu seinen Gunsten spricht auch sein nach der Haftentlassung an den Tag gelegtes Bemühen, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, auch wenn er die zunächst begonnene Ausbildung zum Industriemechaniker abgebrochen hat. Seinen Bewährungsauflagen kommt er offensichtlich nach; er unterzieht sich nach wie vor einmal monatlich einer Persönlichkeits- und Antigewalttherapie.

Zulasten des Klägers ist insbesondere seine während offener Bewährung begangene Straftat am 31. März 2015 hervorzuheben, die auch beweist, dass ihn die erstmalige Inhaftierung offenbar doch nicht derart beeindruckt hat, dass er künftig ein straffreies Leben führen kann, wie dies in der Begründung der Berufung behauptet wird. Die erstmalige Verbüßung einer Haftstrafe ist zwar grundsätzlich geeignet, die persönliche Reifung eines Straftäters zu fördern (vgl. BayVGH, U. v. 30.10.2012 - 10 B 11.2744 - juris, Rn. 44); im vorliegenden Fall ist dies jedoch vor dem Hintergrund der nach wie vor problematischen Persönlichkeitsstruktur des Klägers zu verneinen. Das mit der Therapieauflage verfolgte Ziel, dem Kläger die Mittel für ein Leben ohne Straftaten an die Hand zu geben, ist noch nicht erreicht. Es bleibt daher auch im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Ausweisung bei der zentralen Bedeutung der Anlassstraftaten, mit denen er über einen langen Zeitraum ein hochaggressives Verhalten an den Tag gelegt hat, dem nicht einmal durch die erste Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe ohne Bewährung Einhalt geboten werden konnte. In diesem Zusammenhang sind auch die bereits dargestellten Straftaten des Klägers im öffentlichen Straßenverkehr zu nennen, mit denen er eine erhebliche Rücksichtslosigkeit im Hinblick auf die Gefährdung der körperlichen Unversehrtheit Dritter bewiesen hat. Auch die bisherige Erwerbsbiografie des Klägers spricht nicht zu seinen Gunsten; weder weist er eine abgeschlossene Berufsausbildung auf noch ist er in der Vergangenheit über einen längeren Zeitraum hinweg einer rentenversicherungspflichtigen Tätigkeit nachgegangen, woraus im angefochtenen Urteil nachvollziehbar gefolgert wird, dass der Kläger offenbar zum Aufbau einer gesicherten wirtschaftlichen Existenz im Bundesgebiet bisher nicht in der Lage war. Auch seine nach der Haftentlassung begonnene Ausbildung konnte er nicht zum Abschluss bringen. Der Senat ist der Auffassung, dass die von ihm bisher ein knappes Jahr lang ausgeübte selbstständige Tätigkeit (Handel mit Kfz-Teilen/Altreifenentsorgung), die durch öffentlichen Leistungen zur Existenzgründung unterstützt wird, noch nicht als dauerhaft nachgewiesene berufliche Existenz angesehen werden kann.

Schließlich hat das Verwaltungsgericht auch zu Recht angenommen, dass dem volljährigen Kläger trotz seiner ausschließlichen Sozialisierung in Deutschland zuzumuten ist, in das Land seiner Staatsangehörigkeit, dessen Sprache er zumindest spricht, zu übersiedeln. Dort wird er als 32-jähriger gesunder Mann trotz fehlender Beziehungen sein Auskommen finden können. Dabei ist hervorzuheben, dass von einer gelungenen sozialen und wirtschaftlichen Integration des Klägers schon in die hiesigen Verhältnisse trotz seines lebenslangen Aufenthalts im Bundesgebiet nicht ausgegangen werden kann; insoweit relativiert sich sein Einwand, er verfüge in der Türkei über keine wirtschaftlichen Beziehungen. Dass im Verlaufe des gerichtlichen Verfahrens inzwischen offenbar auch seine Großmutter in das Bundesgebiet übersiedelt ist und der Kläger damit eigenen Angaben zufolge keine Angehörigen in der Türkei mehr besitzt, erschwert zwar eine Eingewöhnung in die neuen Lebensumstände, führt aber nicht zur Unverhältnismäßigkeit der Ausweisungsentscheidung. Den Kontakt zum Bundesgebiet und seinen hier lebenden Angehörigen kann der Kläger von der Türkei aus aufrechterhalten, auch wenn dies mit erhöhten Schwierigkeiten verbunden ist.

Im Ergebnis der Gesamtabwägung stellt sich die Ausweisung als verhältnismäßige Maßnahme dar, die zur Abwehr schwerwiegender Gefahren für die verfassungsrechtlichen Schutzgüter von Leben und körperlicher Unversehrtheit unerlässlich ist.

2.3 Keinen rechtlichen Bedenken begegnet schließlich die Befristung der Wirkungen des aus der Ausweisung folgenden Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 AufenthG auf drei Jahre ab dem Zeitpunkt der Ausreise (vgl. Nr. 2 des angefochtenen Bescheids, S. 18). Die Befristungsentscheidung wurde in der mündlichen Verhandlung auf eine Entscheidung nach Ermessen umgestellt, ohne dass im Übrigen der Kläger Einwände gegen die Länge der Frist erhoben hat. Auch die unter Bestimmung einer Frist erfolgte Ausreiseaufforderung und die daran anknüpfende Abschiebungsandrohung (Nr. 4 des Bescheids) sind rechtmäßig. Die Anordnung der Abschiebung aus der Strafhaft (Nr. 3 des Bescheids) ist dagegen mit der Haftentlassung des Klägers gegenstandslos geworden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung stützt sich auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

Rechtsmittelbelehrung

Nach § 133 VwGO kann die Nichtzulassung der Revision durch Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig angefochten werden. Die Beschwerde ist beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (in München Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München; Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München; in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach) innerhalb eines Monats nach Zustellung dieser Entscheidung einzulegen und innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung zu begründen. Die Beschwerde muss die angefochtene Entscheidung bezeichnen. In der Beschwerdebegründung muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von der die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

Vor dem Bundesverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer in Prozess-kostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und Rechtslehrern an den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Hochschulen mit Befähigung zum Richteramt nur die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen. Für die in § 67 Abs. 4 Satz 5 VwGO genannten Angelegenheiten (u. a. Verfahren mit Bezügen zu Dienst- und Arbeitsverhältnissen) sind auch die dort bezeichneten Organisationen und juristischen Personen als Bevollmächtigte zugelassen. Sie müssen in Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln.

Beschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe:

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 2 GKG i. V. m. Nr. 8.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.

Gründe

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

Aktenzeichen: 10 B 13.1982

Im Namen des Volkes

Urteil

vom 28. Juni 2016

VG München, Entscheidung vom 18. Januar 2011, Az.: M 4 K 10.1960

10. Senat

Sachgebietsschlüssel: 600

Hauptpunkte: Ausweisung eines assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen; geänderte Rechtslage zum 1. Januar 2016; gegenwärtige, schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung; Gefahrenprognose; Wiederholungsgefahr (hier: verneint); Unerlässlichkeit der Ausweisung (hier: ebenfalls verneint); enge familiäre Bindungen; besonders schützenswerte Vater-Sohn-Beziehung

Rechtsquellen:

In der Verwaltungsstreitsache

gegen

Landeshauptstadt M.,

vertreten durch den Oberbürgermeister,

dieser vertreten durch … Ausländerangelegenheiten, R-str. …, M.,

- Beklagte -

beteiligt:

Landesanwaltschaft … als Vertreter des öffentlichen Interesses, L-str. …, M.,

wegen Ausweisung;

hier: Berufung des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 18. Januar 2011,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 10. Senat, durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Senftl, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Zimmerer, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dihm aufgrund mündlicher Verhandlung vom 27. Juni 2016 am 28. Juni 2016 folgendes

Urteil:

I.

Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 18. Januar 2011 und der Bescheid der Beklagten vom 25. März 2010 (mit Ausnahme der durch Änderungsbescheid der Beklagten vom 23. Juni 2016 geänderten Befristungsregelung) werden aufgehoben.

II.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung des vollsteckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrags leistet.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen seine Ausweisung aus dem Bundesgebiet.

Der 1979 in M. geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger, dem am 29. Mai 1995 eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis erteilt wurde. Er wuchs zusammen mit seinen drei Geschwistern bei den Eltern im Bundesgebiet auf und besuchte hier die Grund- und Hauptschule; letztere beendete er mit dem (normalen) Hauptschulabschluss. Anschließend arbeitete er im Imbissstand seines Vaters, jobbte bei verschiedenen Firmen und war als Gabelstaplerfahrer beschäftigt, zeitweise bezog er auch Sozialleistungen. Bis zu seiner Festnahme im November 2008 lebte er mit seiner (damaligen) deutschen Lebensgefährtin zusammen, mit der er zwei Kinder, eine am 30. Januar 1998 geborene Tochter und einen am 19. Januar 2001 geborenen Sohn, beide deutsche Staatsangehörige, hat.

Neben früheren, bereits aus dem Strafregister getilgten Verurteilungen wegen Diebstahls, Betäubungsmittel- und Körperverletzungsdelikten in den Jahren 1997 und 1998 trat der Kläger strafrechtlich insbesondere wie folgt in Erscheinung:

- Amtsgericht München, Urteil vom 12.2.2001, rechtskräftig seit 12.2.2001, wegen Unterschlagung und Bedrohung, Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 30 DM

- Amtsgericht München, Urteil vom 20.11.2001, rechtskräftig seit 28.11.2001, wegen gefährlicher Körperverletzung in einem minder schweren Fall, Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 50 DM

- Amtsgericht München, Strafbefehl vom 26.6.2002, rechtskräftig seit 2.8.2002, wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln, Geldstrafe von 70 Tagessätzen zu je 15 Euro

- Amtsgericht München, Urteil vom 24.9.2003, rechtskräftig seit 24.9.2003, wegen Bedrohung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, Freiheitsstrafe von 6 Monaten (zur Bewährung ausgesetzt, Bewährungszeit 2 Jahre)

- Amtsgericht München, Urteil vom 2.12.2003, rechtskräftig seit 2.12.2003, wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in Tatmehrheit mit vorsätzlichem unerlaubten Erwerb von Betäubungsmitteln, Gesamtfreiheitsstrafe (unter Einbeziehung des Urteils des Amtsgerichts München vom 24.9.2003) von 9 Monaten (zur Bewährung ausgesetzt, Bewährungszeit 2 Jahre)

- Amtsgericht München, Urteil vom 27.6.2005, rechtskräftig seit 16.2.2006, wegen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln in 3 Fällen, Gesamtfreiheitsstrafe von 7 Monaten

- Amtsgericht München, Urteil vom 30.5.2006, wegen Unterschlagung in 2 tatmehrheitlichen Fällen in Tatmehrheit mit vorsätzlicher Körperverletzung, im Rechtsfolgenausspruch abgeändert durch Urteil des Landgerichts München I vom 10.11.2006, rechtskräftig seit 10.11.2006, Gesamtfreiheitsstrafe von 12 Monaten (unter Einbeziehung des Urteils des Amtsgerichts München vom 27.6.2005)

- Landgericht München I, Urteil vom 12.5.2009, rechtskräftig seit 12.5.2009, wegen schweren Raubes, Freiheitsstrafe von 4 Jahren und 10 Monaten

Dem Urteil vom 12. Mai 2009 lag zugrunde, dass der Kläger und drei weitere von ihm ausgesuchte und mitgebrachte Männer am Abend des 5. November 2008 den Geschädigten, der unter einem Vorwand auf das Gelände der Ruderregattastrecke in M. gebracht worden war, verabredungsgemäß bedrohten, um ihn einzuschüchtern. Dabei hielt der Kläger, dessen Gesicht verdeckt war, einen Schlagstock dergestalt in der Hand, dass der Geschädigte diesen für eine scharfe Waffe hielt. Während der Geschädigte am Boden lag, wobei jeweils einer der vier Männer auf seinem Rücken kniete, drückte ihm der Kläger den Schlagstock so ins Genick, dass dieser meinte, ihm würde eine scharfe Waffe an den Kopf gehalten. Dem völlig verängstigten Geschädigten wurden dabei verschiedene Gegenstände (Personalausweis, zwei Handys, Taschenmesser, EC-Karte, Geldschein) entwendet. Der Kläger, der das Geschehen koordinierte und seinen Mittätern Anweisungen gab, drückte dem Geschädigten schließlich eine Pistolenpatrone in die Hand und äußerte sinngemäß, eine zweite Kugel würde in den Kopf des Geschädigten gehen, wenn er nochmals die Familie eines weiteren Mittäters, der das Geschehen aus der Entfernung beobachtete, bedrohte. Als der Geschädigte entgegen vorheriger Anweisung vom Boden aufstand, nachdem die Täter sich von ihm entfernt hatten, kehrte der Kläger zurück, riss dem Geschädigten eine Halskette vom Hals und sagte zu ihm: „Ich nimm dir alles, wenn es sein muss, auch dein Kind! Ich weiß alles über dich, und jetzt bleibt liegen, du Fotze.“ Der nicht ortskundige Geschädigte wurde dann in der Dunkelheit zurückgelassen.

Wegen dieser Tat wurde der Kläger am 12. November 2008 festgenommen und befand sich bis zu seiner Entlassung am 14. August 2013 in Haft.

Neun weitere Verfahren gegen den Kläger, unter anderem wegen Bedrohung und gefährlicher Körperverletzung, wurden gemäß §§ 153,154 StPO eingestellt. Der Kläger war von der Beklagten bereits mehrfach verwarnt und auf die ausländerrechtlichen Folgen strafrechtlicher Verurteilungen hingewiesen worden.

Nach erfolgter Anhörung wies die Beklagte den Kläger mit Bescheid vom 25. März 2010 aus der Bundesrepublik Deutschland aus, untersagte ihm (zunächst) die Wiedereinreise für sechs Jahre (ab Ausreise) unter der Bedingung, dass keine neuen Ausweisungsgründe verwirklicht und die Kosten der Abschiebung im Falle einer Abschiebung gemäß Leistungsbescheid beglichen werden, und drohte ihm im Fall der nicht fristgerechten Ausreise nach Haftentlassung und Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht die Abschiebung in die Türkei an. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Ausweisung erfolge aus spezialpräventiven Gründen im Wege einer Ermessensentscheidung nach § 55 AufenthG in Verbindung mit Art. 14 ARB 1/80. Der Kläger habe durch seine im Bereich der Schwerkriminalität anzusiedelnden Straftaten schwerwiegend gegen die öffentliche Ordnung der Bundesrepublik verstoßen. Es besteht die konkrete Gefahr weiterer schwerwiegender Straftaten nach seiner Haftentlassung. Die Abwägung der öffentlichen und privaten Interessen führe zu dem Ergebnis, dass der Schutz der in Deutschland lebenden Bevölkerung vor Beeinträchtigungen von Leben und Gesundheit höher anzusiedeln sei als die Interessen des Klägers am Schutz seines Privat- und Familienlebens im Bundesgebiet.

Die hiergegen erhobene Anfechtungsklage des Klägers hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 18. Januar 2011 abgewiesen. Der streitgegenständliche Bescheid sei rechtmäßig und verletze den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Ausweisung sei auch unter Berücksichtigung der dem Kläger zustehenden Rechtsposition nach Art. 7 Satz 1 1. Spiegelstrich ARB 1/80 gemäß Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 rechtlich nicht zu beanstanden. Bei den von ihm begangenen Straftaten handle es sich um eine besonders schwerwiegende, das Grundinteresse der Gemeinschaft berührende Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Durch die Ausweisung solle verhindert werden, dass der Kläger im Bundesgebiet weitere schwerwiegende Straftaten, insbesondere Gewalttaten, die Leben und Gesundheit anderer Menschen bedrohten, begehe. Es sei zu erwarten, dass der Kläger nach seiner Haftentlassung erneut solche schwerwiegenden Delikte begehen werde. Trotz zahlreicher Verurteilungen und der Verbüßung einer Freiheitsstrafe habe er sich von weiteren schweren Straftaten nicht abhalten lassen. Er habe bei seinen Taten erhebliche Gewaltbereitschaft und ein hohes Aggressionspotenzial gezeigt und sei auch früher schon durch nicht unerhebliche Körperverletzungsdelikte und Bedrohungen strafrechtlich in Erscheinung getreten. Weder habe der Kläger eine abgeschlossene Berufsausbildung noch habe er beruflich bisher ausreichend Fuß gefasst. Vor seinen Inhaftierungen in den Jahren 2006 und 2008 habe er von Sozialleistungen gelebt. Die Ausweisung sei auch unter Berücksichtigung des Rechts auf Achtung seines Familien- und Privatlebens nach Art. 6 GG und Art. 8 EMRK verhältnismäßig. Zwar stelle die Ausweisung einen massiven Eingriff in seine persönlichen und sozialen Verhältnisse dar. Der im Bundesgebiet geborene Kläger habe hier seither seinen Lebensmittelpunkt. Seine Eltern, Geschwister, seine (bisherige) deutsche Lebensgefährtin sowie seine beiden Kinder mit deutscher Staatsangehörigkeit, mit denen der Kläger vor seiner Inhaftierung in familiärer Gemeinschaft gelebt habe und mit denen er auch in der Haft regelmäßigen Brief- und Besuchskontakt pflege, lebten hier. Die familiären Bindungen zur (bisherigen) Lebensgefährtin, die inzwischen ein Kind von einem anderen Mann habe, seien jedoch nicht gefestigt. Es bestünden erhebliche Zweifel daran, dass der Kläger mit der Lebensgefährtin und seinen Kindern auch künftig in häuslicher Gemeinschaft leben werde. Er habe viele Jahre hinweg keine Verantwortung für seine Familie und seine Kinder übernommen und sich durch sie nicht von der Begehung von Straftaten abhalten lassen. Die Kinder hätten deshalb schon über mehrere Jahre hinweg ohne ihren Vater leben müssen. Auch finanziell habe der Kläger keine ausreichende Verantwortung für die Kinder übernommen; seiner Unterhaltspflicht sei er nicht nachgekommen. Der Kläger spreche fließend Türkisch, habe noch familiäre Bindungen zum Herkunftsstaat und sei in der Lage, in der Türkei zurechtzukommen. Nach alledem sei aufgrund der ernsthaften Gefahr der Begehung weiterer schwerwiegender Straftaten dem Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Rahmen der Interessenabwägung der Vorrang gegenüber den privaten Interessen einzuräumen. Auch die Ermessensausübung der Beklagten sei rechtlich nicht zu beanstanden.

Die vom Senat mit Beschluss vom 19. September 2013 zugelassene Berufung begründet der Kläger im Wesentlichen wie folgt: Mit Beschluss vom 12. Juni 2013 habe die zuständige Auswärtige Strafvollstreckungskammer des Landgerichts A. die Vollstreckung des Rests der Freiheitsstrafe ab dem 1. September 2013 zur Bewährung (mit einer Bewährungszeit von 4 Jahren) ausgesetzt, weil dies unter Berücksichtigung der Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit verantwortet werden könne. Am 14. August 2013 sei er aus der Haft entlassen worden. Er habe zunächst wieder bei seinen Eltern gewohnt. Seit etwa eineinhalb Jahren wohne er mit seiner (neuen) Lebensgefährtin, einer türkischen Staatsangehörigen, zusammen, die über eine Niederlassungserlaubnis verfüge und die er nach deren Scheidung heiraten wolle. Straftaten habe er nicht mehr begangen. Seinen türkischen Reisepass habe er bei der Beklagten abgegeben. Seine beiden Kinder lebten zwar bei ihrer Mutter, übernachteten jedoch auch bei ihm und seiner neuen Lebensgefährtin, mit der sie sich gut verstünden. Er sehe seine Kinder mindestens vier Mal jede Woche und übe nach wie vor das gemeinsame Sorgerecht mit der Mutter aus. Wirtschaftlich gehe es ihm nicht gut, da er bisher keine Arbeitserlaubnis erteilt bekommen habe. Gegenwärtig lebe er von Unterstützungen seiner Eltern und seiner jetzigen Lebensgefährtin; Geldleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz habe er aus eigenem Entschluss seit etwa acht Monaten nicht mehr in Anspruch genommen. Er habe, sofern er einen Aufenthaltstitel bekommen sollte, das schriftliche Angebot einer Beschäftigung als Objektleiter in einem Sicherheitsunternehmen. Seine Bewährungszeit habe er entsprechend der schriftlichen Stellungnahme seines Bewährungshelfers vom 10. Juni 2016 erfolgreich abgeschlossen. Es bestehe eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass er auch weiterhin straffrei leben werde. Die Ausweisung greife im Übrigen in unverhältnismäßiger Weise in sein Recht auf Achtung des Familienlebens aus Art. 8 EMRK ein. Dabei sei zu berücksichtigen, dass er sich hinsichtlich seiner Straftat reuig gezeigt und in der Haft sowie danach bewährt habe, sich auch während der Haftzeit stets intensiv um den Kontakt zu seinen Kindern bemüht und diesen gepflegt habe und diesen eine erneute Unterbrechung der intensiven Vater-Kind-Beziehung nicht zuzumuten sei. Durch seine Lebensgestaltung habe er unter Beweis gestellt, dass er zu einem straffreien Leben gewillt und in der Lage sei. Eine Wiedereingliederung in die Gesellschaft sei ohne Schwierigkeiten möglich. Dabei unterstützten ihn nicht zuletzt seine jetzige Lebensgefährtin und seine Eltern in jeglicher Weise.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 18. Januar 2011 und den Bescheid der Beklagten vom 25. März 2010 (mit Ausnahme der durch Änderungsbescheid der Beklagten vom 23.6.2016 geänderten Befristungsregelung) aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Nach der maßgeblichen Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Entscheidung des Berufungsgerichts sei nunmehr auf §§ 53 ff. AufenthG in der aktuellen Fassung abzustellen, wonach über die Ausweisung nicht mehr nach Ermessen, sondern aufgrund einer Abwägung zwischen dem Ausweisungsinteresse und dem Bleibeinteresse des Ausländers zu entscheiden sei. Die Befristung der Ausweisungswirkungen sei mit (dem hier nicht streitgegenständlichen) Änderungsbescheid vom 23. Juni 2016 der aktuellen Gesetzeslage angepasst worden. Die Bleibeinteressen des im Bundesgebiet geborenen Klägers würden zwar erhebliches Gewicht besitzen, da er sich nie über einen längeren Zeitraum im Heimatstaat aufgehalten habe und gewichtige familiäre Bindungen insbesondere zu den beiden Kindern bestünden, die sowohl die deutsche als auch die türkische Staatsangehörigkeit besäßen. Die Beklagte gehe jedenfalls im Fall des 15-jährigen Sohnes von einer engen Vater-Kind-Beziehung aus. Die beiden Kinder wohnten - jedenfalls gegenwärtig - in der Wohnung ihrer Mutter und besuchten den Vater lediglich, wobei der persönliche Kontakt zwischen Vater und Sohn deutlich intensiver sein solle. Den persönlichen Umgang mit seinen Kindern könne der Kläger aber auch durch E-Mail, Telefon, Briefe und gegebenenfalls Betretenserlaubnisse, die nach ständiger Praxis der Beklagten zum Besuch der Kinder erteilt würden, aufrechterhalten. Demgemäß sei die Ausweisung auch nicht wegen Verstoßes gegen Art. 8 EMRK unverhältnismäßig. Nach wie vor besäßen die Ausweisungsinteressen beim Kläger überwiegendes Gewicht, da die konkrete Gefahr weiterer schwerer Straftaten bestehe. Zwar seien seit der Haftentlassung am 13. August 2013 keine weiteren Strafverfahren anhängig geworden. Dies widerlege jedoch den Fortbestand einer konkreten Gefahr weiterer schwerer Straftaten nicht. Der Kläger sei besonders schwerwiegend strafrechtlich in Erscheinung getreten und insgesamt zu Jugend- oder Freiheitsstrafen von ca. 6,3 Jahren und Geldstrafen in Höhe von 350 Tagessätzen verurteilt worden. Maßgeblich für den Erlass der Ausweisungsverfügung sei ein schwerer Raub und damit ein besonders schwerwiegendes Delikt gewesen. Auch sei der Kläger über einen langen Zeitraum immer wieder strafrechtlich in Erscheinung getreten. Der Bewährungsbeschluss widerlege die Gefahrenprognose nicht, weil davon auszugehen sei, dass diese Entscheidung nicht aufgrund einer positiven Prognose, sondern vielmehr zwecks Erprobung des Klägers getroffen worden sei. Die angeordnete Bewährungsaufsicht werde zudem erst am 1. September 2017 auslaufen. Der Kläger habe bisher weder eine Gewalt- noch eine Sozialtherapie absolviert. Auch der bereits als Jugendlicher begonnene Konsum von Betäubungsmitteln sei zu keinem Zeitpunkt erfolgreich therapiert worden. Die Geburt seiner beiden Kinder habe beim Kläger offensichtlich keine Zäsur im Verhalten bewirken können. Aufgrund der schwerwiegenden Delinquenz und der fortbestehenden konkreten Wiederholungsgefahr überwiege das Ausweisungsinteresse das Bleibeinteresse trotz der familiären Bindungen.

Mit Beschluss vom 28. Oktober 2013 hat der Verwaltungsgerichtshof dem Kläger für das Berufungsverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt.

In der mündlichen Verhandlung am 27. Juni 2016 wurde mit den Beteiligten die Sach- und Rechtslage eingehend erörtert. Der Kläger und sein Sohn D. wurden zu den aktuellen Lebensverhältnissen und insbesondere der Vater-Sohn-Beziehung informatorisch angehört. Der Bevollmächtigte des Klägers erklärte, die mit Änderungsbescheid der Beklagten vom 23. Juni 2016 verfügte aktuelle Befristungsregelung nicht in das vorliegende Verwaltungsstreitverfahren mit einzubeziehen. Auf die Sitzungsniederschrift wird insoweit Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen, die Behördenakten sowie die beigezogenen Strafakten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache Erfolg. Seine auf Aufhebung des Bescheids der Beklagten vom 25. März 2010 (mit Ausnahme der durch Bescheid der Beklagten vom 23. Juni 2016 geänderten Befristungsregelung) gerichtete Klage ist begründet, weil die darin verfügte Ausweisung im für die rechtliche Beurteilung dieser Anordnung maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs (1.) gemessen an den in diesem Zeitpunkt maßgeblichen Regelungen der §§ 53 ff. AufenthG in der ab 1. Januar 2016 gültigen Fassung des Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 27. Juli 2015 (BGBl I S. 1386), zuletzt geändert durch das Gesetz zur erleichterten Ausweisung von straffälligen Ausländern und zum erweiterten Ausschluss der Flüchtlingsanerkennung bei straffälligen Asylbewerbern vom 11. März 2016 (BGBl I S. 394), rechtswidrig ist und den Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO; 2.). Daraus ergibt sich auch die Rechtswidrigkeit der weiter verfügten Abschiebungsandrohung.

1. Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung der angefochtenen Ausweisung und der noch nicht vollzogenen Abschiebungsandrohung ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder der Entscheidung des Berufungsgerichts (st. Rspr.; vgl. z. B. BVerwG, U.v. 15.1.2013 - 1 C 10.12 - juris Rn. 12; BayVGH, U.v. 8.3.2016 - 10 B 15.180 - juris Rn. 25).

2. Gemessen an den im Zeitpunkt Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs maßgeblichen Regelungen der §§ 53 ff. AufenthG in der aktuell gültigen Fassung (2.1.) erweist sich die angefochtene Ausweisung als rechtswidrig (2.2.).

2.1. Seit der Rechtsänderung zum 1. Januar 2016 differenziert das Aufenthaltsgesetz nicht mehr zwischen der zwingenden Ausweisung, der Ausweisung im Regelfall und der Ermessensausweisung, sondern verlangt für eine Ausweisung eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und eine Verhältnismäßigkeitsprüfung, die für ein Ermessen der Ausländerbehörde keinen Raum mehr lässt. Die Ausweisungsentscheidung ist durch das Gericht in vollem Umfang nachprüfbar (st. Rspr.; vgl. z. B. BayVGH, U.v. 8.3.2016 - 10 B 15.180 - juris Rn. 26; B.v. 11.7.2016 - 10 ZB 15.837 - Rn. 9; HessVGH, B.v. 15.2.2016 - 3 A 368/16.ZT u. 3 B 509/16 - InfAuslR 2016, 220/222; Welte, InfAuslR 2015, 426; Cziersky-Reis in Hofmann, Kommentar zum Aufenthaltsgesetz, 2. Aufl. 2016, § 53 Rn. 30; Bauer in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, Kommentar, 11. Aufl. 2016, Vorbem. §§ 53 - 56 Rn. 13 und § 53 Rn. 5 ff.). Eine - wie hier - nach altem Recht verfügte Ermessensausweisung (§ 55 Abs. 1 AufenthG a. F. i. V. m. Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80) wird nach Inkrafttreten der §§ 53 bis 55 AufenthG in ihrer Neufassung am 1. Januar 2016 nicht rechtsfehlerhaft, wenn sie den ab diesem Zeitpunkt geltenden gesetzlichen Anforderungen entspricht, also gemäß der zentralen Ausweisungsnorm des § 53 Abs. 1 AufenthG (als Grundtatbestand; vgl. die Gesetzesbegründung, BT-Drs. 18/4097 S. 49 f.) der weitere Aufenthalt des Ausländers im Bundesgebiet die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet und die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt. Steht dem Ausländer ein Aufenthaltsrecht nach dem Beschluss Nr. 1/80 des Assoziationsrats vom 19. September 1980 über die Entwicklung der Assoziation (ARB 1/80) zu, sind an die Qualität der erforderlichen Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung erhöhte Anforderungen zu stellen, denn er darf nach § 53 Abs. 3 AufenthG nur ausgewiesen werden, wenn sein persönliches Verhalten gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, und wenn die Ausweisung zur Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist. Damit gibt die Neufassung von § 53 Abs. 3 AufenthG exakt die Voraussetzungen wieder, die nach ständiger Rechtsprechung (z. B. EuGH, U.v. 8.12.2011 - Rs. C-371/08 Ziebell -, juris Rn. 80; BayVGH‚ U.v. 30.10.2012 - 10 B 11.2744 - juris) für die Ausweisung eines assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen erfüllt sein mussten (BayVGH, U.v. 8.3.2016 - 10 B 15.180 - juris Rn. 26; B.v. 11.7.2016 - 10 ZB 15.837 - Rn. 9).

Der Senat hat demgemäß bereits wiederholt entschieden, dass gegen die Anwendung der ab 1. Januar 2016 geltenden neuen Ausweisungsvorschriften auf assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige auch mit Blick auf Art. 13 ARB 1/80 (sog. Stillhalteklausel) keine Bedenken bestehen, weil sich die materiellen Anforderungen, unter denen diese Personen ausgewiesen werden dürfen, nicht zu ihren Lasten geändert haben und jedenfalls in der Gesamtschau eine Verschlechterung der Rechtspositionen eines durch Art. 13, 14 ARB 1/80 geschützten türkischen Staatsangehörigen nicht feststellbar ist (vgl. BayVGH, U.v. 8.3.2016 - 10 B 15.180 - juris Rn. 28; B.v. 13.5.2016 - 10 ZB 15.492 - juris Rn. 14; B.v. 11.7.2016 - 10 ZB 15.837 - Rn. 11 jeweils m. w. N.).

2.2. Nach diesen Maßstäben erweist sich die Ausweisung des Klägers, dem als Familienangehörigen seiner dem regulären Arbeitsmarkt der Bundesrepublik angehörenden Mutter (vgl. dazu auch die Feststellungen in der mündlichen Verhandlung vom 27.6.2016, Bl. 6 der Sitzungsniederschrift) unstreitig ein Aufenthaltsrecht nach Art. 7 ARB 1/80 zustand, als rechtswidrig. Denn eine gegenwärtige, tatsächliche und hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland geht von dem zu erwartenden persönlichen Verhalten des Klägers nach der aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung des Verwaltungsgerichtshofs (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) nicht mehr aus (2.2.1.). Selbst wenn man anders als der Senat noch von einer gegenwärtigen hinreichenden (Rest-)Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft ausginge, wäre die Ausweisung im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Senats rechtswidrig, weil sie zur Wahrung dieses Interesses jedenfalls nicht unerlässlich ist (2.2.2.).

2.2.1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts haben Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichte bei einer spezialpräventiven Ausweisungsentscheidung und ihrer gerichtlichen Überprüfung eine eigenständige Prognose zur Wiederholungsgefahr zu treffen (vgl. z. B. BVerwG, U.v. 15.1.2013 - 1 C 10.12 - juris Rn. 18). Bei der Prognose, ob eine Wiederholung vergleichbarer Straftaten mit hinreichender Wahrscheinlichkeit droht, sind die besonderen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die Höhe der verhängten Strafe, die Schwere der konkreten Straftat, die Umstände ihrer Begehung, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts sowie die Persönlichkeit des Täters und seine Entwicklung und Lebensumstände bis zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt (vgl. BayVGH, U.v. 8.3.2016 - 10 B 15.180 - juris Rn. 26; U.v. 30.10.2012 - 10 B 11.2744 - juris Rn. 33 m. w. N.). An die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sind bei dieser Prognose umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist (st. Rspr.; vgl. z. B. BVerwG, U.v. 4.10.2012 - 1 C 13.11 - Rn. 18; BayVGH, U.v. 8.3.2016 - 10 B 15.180 - juris Rn. 31; U.v. 30.10.2012 - 10 B 11.2744 - juris Rn. 34 und B.v. 3.3.2016 - 10 ZB 14.844 - juris Rn. 11). Auch der Rang des bedrohten Rechtsguts ist dabei zu berücksichtigen; an die nach dem Ausmaß des möglichen Schadens differenzierende hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts dürfen andererseits keine zu geringen Anforderungen gestellt werden.

Gemessen an diesen Vorgaben geht eine gegenwärtige, tatsächliche und hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft von dem zu erwartenden persönlichen Verhalten des Klägers nach der aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung des Verwaltungsgerichtshofs (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) nicht mehr aus.

Zwar würde die erneute Begehung vergleichbarer Straftaten, wie sie der angefochtenen Ausweisung zugrunde liegen, ohne Zweifel eine hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft darstellen. Denn die Körperverletzungs- und Gewaltdelikte des Klägers, zuletzt seine Verurteilung wegen schweren Raubes, gefährden das Schutzgut der körperlichen Unversehrtheit (s. Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG). Die Gesundheit der Bürger nimmt aber in der Hierarchie der in den Grundrechten enthaltenen Werteordnung einen hohen Rang ein; ihr Schutz ist daher ein Grundinteresse der Gesellschaft, das durch Straftaten, wie sie der Kläger über einen längeren Zeitraum begangen hat, erheblich beeinträchtigt wird (st. Rspr.; vgl. BVerwG, U.v. 13.12.2012 - 1 C 20.11 - juris Rn. 19; BayVGH, U.v. 3.2.2015 - 10 BV 13.421 - juris Rn. 57).

Insbesondere aufgrund nach der angefochtenen Behördenentscheidung eingetretener Umstände und des in der mündlichen Verhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks kommt der Senat zum maßgeblichen Zeitpunkt seiner Entscheidung zu der Bewertung, dass nach dem persönlichen Verhalten des Klägers aber nicht mehr mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit damit gerechnet werden muss, dass er erneut durch vergleichbare Delikte ein Grundinteresse der Gesellschaft gefährdet.

Angesichts der Entwicklung, die der Kläger seit der inzwischen über siebeneinhalb Jahre zurückliegenden Anlasstat genommen hat, besteht nach Überzeugung des Verwaltungsgerichtshofs nur noch die eher entfernte Möglichkeit, dass er erneut solche gravierenden Straftaten begehen wird. Der Kläger, bei dem durch Beschluss der Auswärtigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts A. beim Amtsgericht N. vom 12. Juni 2013 die Vollstreckung des Rests der Freiheitsstrafe (von 4 Jahren 10 Monaten) ab dem 1. September 2013 zur Bewährung (mit einer Bewährungszeit von 4 Jahren) ausgesetzt worden ist, hat inzwischen die für die Dauer von drei Jahren verfügte Unterstellung der Aufsicht und Leitung der für seinen Wohnsitz zuständigen Bewährungshilfe erfolgreich absolviert. Ausweislich der vorgelegten Stellungnahme seines Bewährungshelfers beim Landgericht M. I vom 10. Juni 2016 ist der Kläger dabei den Auflagen und Weisungen gewissenhaft nachgekommen, so dass von einem positiven Bewährungsverlauf gesprochen werden könne. Das soziale Umfeld scheine ausreichend stabil; der Kläger lebe in einer festen Partnerschaft und teile sich mit seiner ehemaligen Lebensgefährtin das Sorgerecht für die gemeinsamen Kinder. Nach Einschätzung des Bewährungshelfers habe in der Bewährungszeit ein Veränderungsprozess stattfinden können, bei dem der Kläger sein altes strafrechtliches Leben reflexiv habe bearbeiten können.

Auch nach Überzeugung des Senats bestehen mit der neuen Lebensgefährtin, der Familie des Klägers, insbesondere seinen Eltern, den beiden Kindern und vor allem dem 15-jährigen Sohn D. nunmehr offensichtlich die erforderlichen haltgebenden Strukturen, die es ihm ermöglichen, seit der Haftentlassung ein einigermaßen geordnetes und vor allem straffreies Leben zu führen. Der Kläger, der nach seiner Haftentlassung wieder bei seinen ihn nicht nur finanziell unterstützenden Eltern gewohnt hat, lebt seit ca. eineinhalb Jahren in einer festen Beziehung mit seiner neuen Lebensgefährtin zusammen, die er nach eigenen Angaben nach deren Scheidung heiraten will. Seine in der mündlichen Verhandlung anwesende Lebensgefährtin ist strafrechtlich nicht vorbelastet und in Vollzeit bei einem Sicherheitsdienst beschäftigt, bei dem der Kläger - allerdings ohne entsprechende Erlaubnis der Beklagten - ebenfalls bereits vorübergehend aushilfsweise beschäftigt war und bei dem er künftig eine feste Anstellung erhalten kann. Die während der Haft durch regelmäßige Besuche sowie ein Eltern-Kind-Seminar aufrecht erhaltene familiäre Beziehung zu seiner inzwischen volljährigen Tochter und seinem 15-jährigen Sohn wurde seit Haftende nochmals intensiviert. Insbesondere zwischen dem Kläger und seinem Sohn D. besteht zur Überzeugung des Senats auch emotional eine sehr enge Bindung. Dies haben der Kläger und sein Sohn D. bei ihrer informatorischen Anhörung im Rahmen der mündlichen Verhandlung glaubhaft geschildert. Danach finden zwischen den Kindern und dem Kläger, der mit seiner früheren Lebensgefährtin und Mutter der Kinder nach wie vor das gemeinsame Sorgerecht ausübt, häufige, im Fall des Sohnes D. fast tägliche Besuche und Kontakte statt. Der Kläger kümmert sich auch nach den überzeugenden Schilderungen seines Sohnes in der mündlichen Verhandlung offensichtlich sehr um die Belange seiner Kinder, nimmt intensiv an ihrem Leben teil und unterstützt sie in den verschiedensten Lebenssituationen. Auch das Verhältnis zur Mutter seiner Kinder, die inzwischen ebenfalls mit einem neuen Lebensgefährten zusammenlebt und mit diesem gemeinsame Kinder hat, ist offensichtlich zum Wohle der Kinder des Klägers gut.

Auch wenn das Verhalten des Klägers während der Zeit seines Strafvollzugs nicht beanstandungsfrei war (Disziplinarmaßnahme wegen unerlaubten Besitzes einer Tätowiermaschine und weiterer Gegenstände), hat er sich ansonsten in der Haft gut geführt, an seiner Gewaltproblematik durch die Teilnahme an einem Anti-Gewalt-Training gearbeitet und neben einem Seminar zur Stärkung persönlicher und sozialer Kompetenzen ein soziales Kompetenztraining absolviert. In gewalttätige Auseinandersetzungen während der Haftzeit war er jedenfalls nie verwickelt. Sein Verhalten gegenüber den Bediensteten der Justizvollzugsanstalt wurde als höflich und gegenüber seinen Mitgefangenen als friedlich geschildert. Zwar kommt einer positiven Führung während der Zeit des Strafvollzugs an sich keine erhebliche Bedeutung für die durch die Ausländerbehörde und die Gerichte anzustellende Gefahrenprognose zu. Findet wie hier das grundsätzlich positive Verhalten während der Haft nach deren Ende aber seine Fortsetzung, kann es bei der Gesamtbeurteilung entsprechend mit berücksichtigt werden. Auch während seiner 3-jährigen Unterstellung unter die Bewährungshilfe hat der vom zuständigen Bewährungshelfer beim Kläger festgestellte Veränderungsprozess (vgl. dessen Stellungnahme vom 10.6.2016) seit Oktober 2013 zu einem positiven Bewährungsverlauf geführt. Den Auflagen und Weisungen der Bewährungshilfe ist er gewissenhaft nachgekommen. Straftaten hat er seither nicht mehr begangen. Die Auffassung bzw. Einschätzung der Beklagten, angesichts einer hohen Dunkelziffer bei etlichen Strafdelikten komme dieser Feststellung nur eine geringe Aussagekraft zu, teilt der Verwaltungsgerichtshof nicht.

Gerade auch aufgrund des Eindrucks, den der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 27. Juni 2016 hinterlassen hat, geht der Senat davon aus, dass die verschiedenen verhaltensbezogenen therapeutischen Maßnahmen während der Haft, vor allem aber die engen familiären Bindungen und die ihm durch seine Eltern und Kinder während der Haft gewährte (psychische) Unterstützung einen Veränderungsprozess eingeleitet haben, der es ihm ermöglicht hat, nicht wieder straffällig zu werden. So hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung glaubhaft und überzeugend angegeben, für ihn sei es genauso wie für seine Kinder sehr schwer gewesen, dass sie ihn nur in der Haftanstalt hätten besuchen und sehen können; ihm sei dort deutlich vor Augen geführt worden, dass es so nicht weitergehen könne.

Auch wenn die zuständige Auswärtige Strafvollstreckungskammer im Bewährungsbeschluss vom 12. Juni 2013 (Bl. 178 ff. der VGH-Akte) keine ausdrückliche positive Prognose für den Kläger anstellt, sondern lediglich in den Gründen des Beschlusses feststellt, unter Berücksichtigung der übereinstimmend befürwortenden Stellungnahmen von Vollzugs- und Vollstreckungsbehörde könne bei Berücksichtigung der Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit die Aussetzung der Vollstreckung des Rests der Freiheitsstrafe zur Bewährung vom Gericht verantwortet werden, spricht dies jedenfalls nicht gegen die vom Senat aufgrund der weiteren Entwicklung getroffene Beurteilung.

Die von der Beklagten beim Kläger nach wie vor angenommene Drogenproblematik und den Bedarf einer entsprechenden Therapie sieht der Senat nicht. Zwar hat der Kläger bereits als Jugendlicher mit dem Konsum von Betäubungsmitteln begonnen und vor allem im Zeitraum 2002 bis 2005 Betäubungsmitteldelikte (unerlaubter Erwerb und Besitz) begangen. Eine Drogenproblematik bzw. einen Hang zum Drogenkonsum hat jedoch bereits das Landgericht M. I im Strafurteil vom 12. Mai 2009 beim Kläger verneint. Auch während der Zeit seines Strafvollzugs gab es keine Hinweise auf eine Drogenproblematik. Bewährungsauflagen hinsichtlich eines etwaigen Drogenkonsums enthält auch der Bewährungsbeschluss der Auswärtigen Strafvollstreckungskammer vom 12. Juni 2013 nicht. Schließlich hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof glaubhaft angegeben, bereits seit 2004 keine Drogen mehr zu konsumieren.

Auch wenn die Bewährungszeit von vier Jahren beim Kläger noch nicht vollständig abgelaufen ist, ist der Senat aufgrund der dargelegten Umstände und des in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Eindrucks zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger inzwischen reifer geworden ist und dass ihm die Situation, in die er sich und seine Familie durch seine schwerwiegenden Straftaten gebracht hat, klar geworden ist. Demgemäß muss zur Überzeugung des Senats inzwischen nicht mehr mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit damit gerechnet werden, dass er erneut durch vergleichbare Delikte ein Grundinteresse der Gesellschaft gefährdet.

2.2.2. Selbst wenn man jedoch anders als der Verwaltungsgerichtshof noch von einer gegenwärtigen hinreichenden (Rest-)Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft ausgeht, ist die Ausweisung im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Senats rechtswidrig, weil sie zur Wahrung dieses Interesses jedenfalls nicht im Sinne von § 53 Abs. 3 AufenthG unerlässlich ist.

Dabei ist im Rahmen der Prüfung der Unerlässlichkeit zu beachten, dass die Grundrechte des Betroffenen, insbesondere das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens, sowie der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt sein müssen, wobei sämtliche konkreten Umstände, die für die Situation des Betroffenen gekennzeichnet sind, zu berücksichtigen sind (vgl. BayVGH, U.v. 3.2.2015 - 10 BV 13.421 - juris Rn. 77 m.w. Rsprnachweisen). Auch im Rahmen des (neuen) § 53 Abs. 3 AufenthG ist unter Berücksichtigung des besonderen Gefährdungsmaßstabs für die darin bezeichneten Gruppen von Ausländern eine Abwägung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls nach § 53 Abs. 1 (i. V. m. Abs. 2) AufenthG durchzuführen (vgl. dazu die Gesetzesbegründung zu § 53 Abs. 3, BT-Drs. 18/4097 S. 50; BayVGH, U.v. 8.3.2016 - 10 B 15.180 - juris Rn. 37). Danach ist die Ausweisung zur Wahrung des hier betroffenen Grundinteresses der Gesellschaft nach Überzeugung des Verwaltungsgerichtshofs aber nicht (mehr) unerlässlich, weil die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmende Abwägung vor allem mit Blick auf die Anforderungen der wertentscheidenden Grundsatznormen des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG und des Art. 8 Abs. 1 EMRK ergibt, dass das Interesse des Klägers an einem weiteren Verbleib im Bundesgebiet das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

Ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Abs. 1 AufenthG ist beim Kläger infolge seiner rechtskräftigen Verurteilung vom 12. Mai 2009 zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und zehn Monaten nach § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG gegeben. Sein Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Abs. 1 AufenthG wiegt nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 4 AufenthG (ebenfalls) besonders schwer, weil er eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und er sein Umgangsrecht mit seinem minderjährigen ledigen deutschen Sohn D. ausübt; eine rein quantitative Gegenüberstellung der im Rahmen der Prüfung nach §§ 54 und 55 AufenthG verwirklichten typisierten Interessen hat dabei jedoch zu unterbleiben (BayVGH, U.v. 8.3.2016 - 10 B 15.180 - juris Rn. 40).

Zwar kommt dem mit der Ausweisung verfolgten Ziel, eine hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft - hier: Schutz der körperlichen Unversehrtheit der Bevölkerung - durch weitere Körperverletzungs- und Gewaltdelikte des Klägers abzuwehren, angesichts des hohen Rangs dieses Rechtsguts (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) großes Gewicht zu. Dieses Gewicht ist aber dadurch deutlich vermindert, dass die Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Kläger erneut derartige Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit begeht, nur sehr gering ist. Denn aufgrund der oben unter 2.2.1. dargelegten Umstände besteht beim Kläger allenfalls noch eine sehr geringe bzw. entfernte Gefahr der Begehung erneuter Körperverletzungs- oder anderer Gewaltdelikte.

Demgegenüber beeinträchtigt die Ausweisung des in Deutschland geborenen und seit mehr als 37 Jahren hier lebenden Klägers neben seinem Aufenthaltsrecht nach Art. 7 ARB 1/80 sein Recht auf Privatleben nach Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK, sein Recht auf Familienleben nach Art. 8 Abs. 1 EMRK und sein Recht auf Pflege und Erziehung seines Kindes nach Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG. Die Beeinträchtigung dieser Rechte, insbesondere aber des Rechts auf Familienleben (Art. 8 Abs. 1 EMRK) und des Rechts auf Pflege und Erziehung seines noch minderjährigen Sohnes D. (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG), wiegen dabei besonders schwer. Die in Art. 6 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG enthaltene wertentscheidende Grundsatznorm gebietet es, bei Entscheidungen über aufenthaltsbeendende Maßnahmen die familiären Bindungen an im Bundesgebiet lebende Personen angemessen zu berücksichtigen; dabei ist maßgeblich auf die Sicht des Kindes abzustellen (st. Rspr.; vgl. z. B. BayVGH, U.v. 3.2.2015 - 10 BV 13.421 - juris Rn. 83 m.w. Rsprnachweisen).

Zwischen dem Kläger und seinen Kindern, insbesondere seinem noch minderjährigen Sohn D., besteht - wie oben dargelegt - emotional eine sehr enge familiäre Bindung, die auch während der Haft durch regelmäßige Besuche sowie ein Eltern-Kind-Seminar aufrecht erhalten und seit Haftende nochmals intensiviert wurde. Der Senat konnte sich in der mündlichen Verhandlung einen unmittelbaren Eindruck davon verschaffen, wie wichtig der nahezu tägliche Kontakt zwischen Vater und Sohn nicht nur für den Kläger selbst, sondern vor allem auch für seinen Sohn D. ist. Im Gegensatz zu einem noch sehr kleinen Kind könnte D. die Folgen der Ausweisung und der damit verbundenen räumlichen Trennung zwar durchaus begreifen und diese deshalb nicht als endgültigen Verlust des Vaters erfahren. Gleichwohl haben die Folgen einer Trennung des Klägers von seinem Sohn auch nur für die Dauer des befristeten Wiedereinreiseverbots zur Überzeugung des Senats hier noch so großes Gewicht, dass sich die Ausweisung angesichts der (allenfalls) nur noch sehr geringen Wahrscheinlichkeit erneuter Körperverletzungs- oder anderer Gewaltdelikte durch den Kläger letztlich als unverhältnismäßig erweist und damit auch nicht zur Wahrung des betroffenen Grundinteresses der Gesellschaft unerlässlich ist.

Demgemäß ist auch die Abschiebungsandrohung (§ 59 AufenthG) im streitbefangenen Bescheid rechtswidrig, weil infolge der Aufhebung der Ausweisungsverfügung der Kläger nicht mehr ausreisepflichtig ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung stützt sich auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 ff. ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

Rechtsmittelbelehrung

Nach § 133 VwGO kann die Nichtzulassung der Revision durch Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig angefochten werden. Die Beschwerde ist beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (in München Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München; Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München; in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach) innerhalb eines Monats nach Zustellung dieser Entscheidung einzulegen und innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung zu begründen. Die Beschwerde muss die angefochtene Entscheidung bezeichnen. In der Beschwerdebegründung muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von der die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

Vor dem Bundesverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer in Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und Rechtslehrern an den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Hochschulen mit Befähigung zum Richteramt nur die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen. Für die in § 67 Abs. 4 Satz 5 VwGO genannten Angelegenheiten (u. a. Verfahren mit Bezügen zu Dienst- und Arbeitsverhältnissen) sind auch die dort bezeichneten Organisationen und juristischen Personen als Bevollmächtigte zugelassen. Sie müssen in Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln.

Beschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt (§ 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 Satz 1 und § 52 Abs. 2 GKG).

Tenor

I.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II.

Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens als Gesamtschuldner.

III.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 10.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

Mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgen die Kläger ihre in erster Instanz erfolglose Klage auf Aufhebung des Bescheids der Beklagten vom 28. Juni 2013 weiter, mit dem die Beklagte den Kläger (zu 1.) aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen, ihm die Wiedereinreise für (zunächst) acht Jahre untersagt und die Abschiebung aus der Haft nach Albanien angeordnet bzw. bei nicht fristgerechter Ausreise nach Haftentlassung angedroht hat.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet. Aus dem der rechtlichen Überprüfung durch den Senat allein unterliegenden Vorbringen im Zulassungsantrag ergeben sich nicht die allein geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils im Sinne dieser Bestimmung bestünden dann, wenn die Kläger im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Erstgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten infrage gestellt hätte (BVerfG, B.v. 10.9.2009 - 1 BvR 814/09 - juris Rn. 11). Das ist jedoch nicht der Fall.

Das Verwaltungsgericht hat die Ausweisung des Klägers für rechtmäßig erachtet. Es hat auf der Grundlage der §§ 53 ff. AufenthG in der bis zum 31. Dezember 2015 geltenden Fassung bei Vorliegen eines zwingenden Ausweisungsgrundes nach § 53 Nr. 1 AufenthG (durch die rechtskräftige Verurteilung des Klägers vom 24.11.2011 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und neun Monaten) und eines besonderen Ausweisungsschutzes beim Kläger nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 4 AufenthG anhand der gesetzlichen Regel des § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Sinne von § 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG bejaht. Dabei ist es in spezialpräventiver Hinsicht davon ausgegangen, dass beim Kläger auch in Zukunft eine schwere Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung durch neue Verfehlungen ernsthaft drohe und damit von ihm eine bedeutende Gefahr für ein wichtiges Schutzgut ausgehe. Daneben hat das Verwaltungsgericht schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung auch im Hinblick auf die generalpräventiv begründete Ausweisung des Klägers wegen der besonders schwerwiegenden Straftaten (schwerer Raub in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und Freiheitsberaubung) bejaht. Ausgehend von einem gleitenden Wahrscheinlichkeitsmaßstab (vgl. BVerwG, U.v. 10.7.2012 - 1 C 19.11 - juris) hat das Verwaltungsgericht bei seiner Prognose entscheidend darauf abgestellt, dass der Kläger in einem relativ kurzen Zeitraum (2005 bis 2008) mehrere schwere Gewaltdelikte begangen habe. Nach der am 5. bzw. 6. Januar 2005 begangenen Vergewaltigung habe er in noch offener Bewährungszeit am 16. November 2007 einen schweren Raub begangen, bei dem das gefesselte Opfer (mit überklebtem Mund) über mehrere Stunden in hilfloser Lage belassen worden sei, wobei nach den Feststellungen des Strafurteils eine abstrakte Lebensgefahr für das Opfer bestanden habe. Nach dieser Tat und einer längeren Untersuchungshaft habe er nur zwei Monate nach dem in erster Instanz am 12. September 2008 erfolgten Freispruch aus nichtigem Anlass seine damalige Freundin geschlagen und erheblich verletzt und damit sein hohes Gewaltpotenzial erneut bewiesen. Die erforderliche Auseinandersetzung mit seinen Taten sei durch den Kläger bis heute nicht erfolgt. Die gute Führung in der Strafhaft stehe der Annahme der Wiederholungsgefahr nicht entgegen. Auch der Umstand, dass der Kläger seit dem 30. November 2008 nicht mehr straffällig geworden sei, beseitige angesichts seiner Haftzeiten und der ihm nach Aufhebung des erstinstanzlichen freisprechenden Urteils durch den Bundesgerichtshof mit Urteil vom 18. August 2009 drohenden weiteren Verurteilung (wegen des Raubes) die Wiederholungsgefahr nicht.

Dagegen bringt der Kläger im Zulassungsverfahren vor, von ihm gehe gegenwärtig keine ernsthafte Gefahr für ein bedeutsames Schutzgut mehr aus. Er habe die Anlasstat im Alter von 23 Jahren begangen, sei aufgrund seines Alters in hohem Maße beeinflussbar gewesen, habe aber auch als junger Mann noch ein hohes Entwicklungspotenzial, weshalb seine Entwicklung während der Zeit des Strafvollzuges in besonderem Maße zu berücksichtigen sei. Er habe sich im Strafvollzug ausgezeichnet geführt, am 12. Dezember 2012 in der Justizvollzugsanstalt geheiratet und die Erfahrung gemacht, dass er trotz seiner Fehler in der Vergangenheit von seiner Ehefrau angenommen und gebraucht werde. Dies habe bei ihm einen Prozess der Reue und des Umdenkens in Gang gesetzt, weshalb er künftig seiner Verantwortung als Ehemann gerecht werden und keine Straftaten mehr begehen wolle. Er habe nach seiner Haftzeit eine unbefristete Arbeitsstelle in einem Café in Aussicht. Er habe in der Justizvollzugsanstalt erfolgreich an einem Rehabilitationsprogramm teilgenommen und Kompetenzen für ein zukünftiges straffreies Verhalten entwickelt. Auch der Umstand, dass es sich bei ihm um einen sogenannten Erstverbüßer handle, sei bei der Prognose nach ständiger Rechtsprechung besonders zu berücksichtigen. Berücksichtige man weiterhin seine familiären Bindungen zur Mutter und seiner Schwester, könne nicht vom Bestehen einer konkreten Wiederholungsgefahr ausgegangen werden. Greife die Ausweisung wie in seinem Fall in den Schutzbereich von Art. 8 EMRK ein, scheide die Generalprävention als Ausweisungszweck grundsätzlich aus. Dies habe das Verwaltungsgericht (ebenfalls) verkannt.

Ergänzend dazu verweist der Kläger auf das von ihm vorgelegte, im Auftrag der zuständigen Strafvollstreckungskammer erstellte forensisch-psychiatrische Sachverständigengutachten vom 12. Dezember 2015, wonach - unter bestimmten Prämissen - beim Kläger die durch die Taten zutage getretene Gefährlichkeit nicht mehr weiter bestehe.

Mit diesem Vorbringen wird aber die Annahme des Verwaltungsgerichts, der Kläger dürfe grundsätzlich wegen des Vorliegens schwerwiegender Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden, gemessen an den nunmehr maßgeblichen Regelungen der §§ 53 ff. AufenthG in der ab 1. Januar 2016 gültigen Fassung des Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 27. Juli 2015 (BGBl I S. 1386) im Ergebnis nicht ernsthaft in Zweifel gezogen.

Die Beurteilung, ob ein Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 VwGO vorliegt, richtet sich grundsätzlich nach dem Zeitpunkt der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts. Eine nachträgliche Änderung der Sach- und Rechtslage bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ist daher zu berücksichtigen. Die Änderung der Sach- und Rechtslage ist allerdings grundsätzlich nur in dem durch die Darlegung des Rechtsmittelführers vorgegebenen Prüfungsrahmen relevant (Seibert in Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 4. Aufl. 2014, § 124a Rn. 57; vgl. auch BVerwG, B.v. 15.12.2003 - 7 AV 2.03 - NVwZ 2004, 744). Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung einer Ausweisung ist nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Berufungsgerichts (vgl. z. B. BVerwG, U.v. 15.1.2013 - 1 C 10.12 - juris Rn. 12), also hier der Entscheidung über den Zulassungsantrag; Rechtsänderungen während des Zulassungsverfahrens sind zu beachten.

Der Senat hat daher die streitbefangene Ausweisungsverfügung (und das diese als rechtmäßig bestätigende verwaltungsgerichtliche Urteil) unter Berücksichtigung des Zulassungsvorbringens mangels entgegenstehender Übergangsregelung anhand der §§ 53 ff. AufenthG in der ab 1. Januar 2016 gültigen Fassung des Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 27. Juli 2015 (BGBl I S. 1386) zu überprüfen. Seit dieser Rechtsänderung differenziert das Aufenthaltsgesetz nicht mehr zwischen der zwingenden Ausweisung, der Ausweisung im Regelfall und der Ermessensausweisung, sondern verlangt für eine Ausweisung eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und eine Verhältnismäßigkeitsprüfung, die für ein Ermessen der Ausländerbehörde keinen Raum mehr lässt. Die Ausweisungsentscheidung ist durch das Gericht in vollem Umfang nachprüfbar (Welte, InfAuslR 2015, 426; Cziersky/Reis in Hoffmann, Kommentar zum Aufenthaltsgesetz, 2. Aufl. 2016, § 53 Rn. 30; Bauer in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, Kommentar, 11. Aufl. 2016, Vorb §§ 53 - 56 Rn. 13 und § 53 Rn. 5 ff.; a.A. Marx, ZAR 2015, 245/246). Eine nach altem Recht verfügte (Ermessens-)Ausweisung wird nach Inkrafttreten der §§ 53 bis 55 AufenthG in ihrer Neufassung am1. Januar 2016 nicht rechtsfehlerhaft, wenn sie den ab diesem Zeitpunkt geltenden gesetzlichen Anforderungen entspricht, also gemäß der zentralen Ausweisungsnorm des § 53 Abs. 1 AufenthG (als Grundtatbestand; vgl. die Gesetzesbegründung, BT-Drs. 18/4097 S. 49 f.) der weitere Aufenthalt des Ausländers im Bundesgebiet die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet und die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

Die nach § 53 Abs. 1 AufenthG vorausgesetzte Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ist unabhängig davon, dass eine Ausweisungsentscheidung - wie vorliegend erfolgt - nach § 53 Abs. 1 AufenthG grundsätzlich (auch) auf generalpräventive Gründe gestützt werden kann (vgl. Bauer, a. a. O., § 53 Rn. 34 unter Verweis auf die diesbezügliche ausdrückliche Entscheidung des Gesetzgebers; zur Zulässigkeit der Ausweisung allein aus generalpräventiven Gründen auch bei nachhaltig „verwurzelten“ Ausländern vgl. BVerwG, U.v. 14.2.2012 - 1 C 7.11 - juris), beim Kläger zum Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs auch in spezialpräventiver Hinsicht noch gegeben. Seine diesbezüglichen Einwendungen im Zulassungsvorbringen greifen letztlich nicht durch.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts haben Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichte bei spezialpräventiven Ausweisungsentscheidungen und deren gerichtlicher Überprüfung eine eigenständige Prognose zur Wiederholungsgefahr zu treffen (vgl. z. B. BVerwG, U.v. 15.1.2013 - 1 C 10.12 - juris Rn. 18). Bei der Prognose, ob eine Wiederholung vergleichbarer Straftaten mit hinreichender Wahrscheinlichkeit droht, sind die besonderen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die Höhe der verhängten Strafe, die Schwere der konkreten Straftat, die Umstände ihrer Begehung, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts sowie die Persönlichkeit des Täters und seine Entwicklung und Lebensumstände bis zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt (vgl. BayVGH, U.v. 30.10.2012 - 10 B 11.2744 - juris Rn. 33 m. w. N.). An die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sind bei dieser Prognose umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist (st. Rspr.; vgl. z. B. BayVGH, U.v. 30.10.2012 - 10 B 11.2744 - juris Rn. 34; BVerwG, U.v. 4.10.2012 - 1 C 13.11 - Rn. 18).

Gemessen an diesen Grundsätzen kommt der Senat zum maßgeblichen Zeitpunkt seiner Entscheidung zu der Bewertung, dass nach dem Verhalten des Klägers mit hinreichender Wahrscheinlichkeit damit gerechnet werden muss, dass er erneut durch vergleichbare Gewaltstraftaten die öffentliche Sicherheit beeinträchtigt. Das vom Kläger insoweit vor allem geltend gemachte Nachtatverhalten, seine beanstandungsfreie und grundsätzlich positiv zu bewertende Entwicklung während der Strafhaft, aber auch der Umstand der erstmaligen Verbüßung einer langen Haftstrafe lassen die vom Verwaltungsgericht angenommene Wiederholungsgefahr ebenso wenig entfallen wie der von ihm behauptete gute soziale Empfangsraum nach Beendigung der Haft. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht entscheidend darauf abgestellt, dass der Kläger mehrere gravierende Straftaten mit sich steigernder Gewaltbereitschaft begangen hat und sich dabei weder von einer Untersuchungshaft noch von den ihm angedrohten ausländerrechtlichen Konsequenzen hat beeindrucken lassen, sondern vielmehr den zuletzt abgeurteilten schweren Raub noch während laufender Bewährungszeit begangen hat. Ebenso hat das Erstgericht zutreffend festgestellt, dass angesichts der Verurteilung des Klägers wegen schweren Raubes und gefährlicher Körperverletzung sowie der vorangegangenen Verurteilungen wegen Vergewaltigung und vorsätzlicher Körperverletzung Schutzgüter von besonders hohem Rang (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) betroffen sind und für das Opfer des Raubes am 16. November 2007 sogar abstrakte Lebensgefahr bestanden hat.

Auch das im Auftrag der zuständigen Strafvollstreckungskammer erstellte forensisch-psychiatrische Sachverständigengutachten (über den Kläger) vom 12. Dezember 2015 rechtfertigt nicht, eine Wiederholungsgefahr beim Kläger zu verneinen. Bei ihrer Prognoseentscheidung sind die Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichte an die Feststellungen und Beurteilungen der Strafgerichte rechtlich nicht gebunden. Letzteres gilt selbst dann, wenn die Strafvollstreckungskammer zur Vorbereitung ihrer Entscheidung ein Sachverständigengutachten eingeholt hat. Denn auch dieses orientiert sich inhaltlich an den materiellen strafrechtlichen Voraussetzungen einer Aussetzungsentscheidung (vgl. z. B. BVerwG, U.v. 15.1.2013 - 1 C 10.12 - juris Rn. 18). Bei Aussetzungsentscheidungen nach § 57 StGB geht es um die Frage, ob die Wiedereingliederung eines in Haft befindlichen Straftäters weiter im Vollzug stattfinden muss oder durch vorzeitige Entlassung für die Dauer der Bewährungszeit gegebenenfalls unter Auflagen „offen“ inmitten der Gesellschaft verantwortet werden kann. Bei dieser Entscheidung stehen naturgemäß vor allem Resozialisierungsgesichtspunkte im Vordergrund; zu ermitteln ist, ob der Täter das Potenzial hat, sich während der Bewährungszeit straffrei zu führen. Demgegenüber geht es im ausländerrechtlichen Ausweisungsverfahren um die Frage, ob das Risiko eines Misslingens der Resozialisierung von der deutschen Gesellschaft oder von der Gesellschaft im Herkunftsstaat des Ausländers getragen werden muss. Die der Ausweisung zugrunde liegende Prognoseentscheidung bezieht sich folglich nicht nur auf die Dauer der Bewährungszeit, sondern hat einen längeren Zeithorizont in den Blick zu nehmen. Denn es geht hier um die Beurteilung, ob es dem Ausländer gelingen wird, über die Bewährungszeit hinaus ein straffreies Leben zu führen. Entscheidend ist, ob er im maßgeblichen Zeitpunkt auf tatsächlich vorhandene Integrationsfaktoren verweisen kann; die beanstandungsfreie Führung während der Haft ist nur ein solcher Faktor, genügt aber für sich genommen nicht (BVerwG, U.v. 15.1.2013 - 1 C 10.12 - juris Rn. 19 f.).

Folglich kann das vorgelegte Sachverständigengutachten für die gerichtliche Prognoseentscheidung allenfalls eine Hilfestellung bieten und zur Unterstützung der letztlich maßgeblichen richterlichen Überzeugungsbildung über das Bestehen einer Wiederholungsgefahr in Betracht kommen (vgl. BayVGH, U.v. 30.10.2012 - 10 B 11.2744 - juris Rn. 35). Die auf die vorzeitige bedingte Entlassung des Klägers bezogene Prognose in diesem Gutachten, dass beim Kläger die durch die Taten zu Tage getretene Gefährlichkeit nicht mehr weiter bestehe, wird von der Gutachterin allerdings nur unter den Prämissen angestellt, dass er in Deutschland verbleiben könne und der anvisierte soziale Empfangsraum mit einer psychotherapeutischen Begleitung und Drogenscreenings umgesetzt werden könne. Weiter spricht das Gutachten von „erforderlichen haltgebenden Strukturen“, die beim Kläger „für eine straffreie Zukunft unbedingt erforderlich sind“. Schließlich erscheint es der Gutachterin notwendig, innerhalb der (weiter erforderlichen) therapeutischen Einzelgespräche „auf die vom Kläger verdrängten, abgewehrten bzw. schambesetzten Handlungen bezüglich seiner Straftaten zu fokussieren, um seine Weichzeichnungen nicht als mögliche Bagatellisierungen zu belassen“. Letzteres bezieht sich offensichtlich darauf, dass der Kläger bei seinen abgeurteilten Gewaltstraftaten entweder zu seinen Taten selbst keine Angaben gemacht oder die Taten in völlig unangemessener Weise bagatellisiert hat. Dieser Hang zur Bagatellisierung ist auch noch aus den entsprechenden Angaben des Klägers zu seinen Straftaten gegenüber der Gutachterin eindeutig zu erkennen. Für den Senat ist dies aber ein wichtiges Indiz dafür, dass er sich mit seinen Taten immer noch nicht wirklich ernsthaft auseinandergesetzt und die volle Verantwortung dafür übernommen hat. Die Behauptung, er bereue seine Taten aufrichtig, wird dadurch jedenfalls ernsthaft erschüttert. Für die längerfristig angelegte ausländerrechtliche Prognose ist dies ein ungünstiger Aspekt.

Auch die Tatsache, dass der Kläger erstmals eine langjährige Haftstrafe verbüßt, spricht nicht gegen das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr. Zwar kann - worauf er hingewiesen hat - die erstmalige Verbüßung einer (längeren) Haftstrafe, insbesondere als erste massive Einwirkung auf einen jungen Menschen, unter Umständen seine Reifung fördern und die Gefahr eines neuen Straffälligwerdens mindern (st. Rspr.; vgl. z. B. BayVGH, B.v. 24.2.2016 - 10 ZB 15.2080 - juris Rn. 12 m. w. N.). Demgegenüber hat die Beklagte aber zu Recht darauf verwiesen, dass der Kläger in der Vergangenheit nicht nur zweimal während offener Bewährung erneut gravierende Straftaten begangen hat, sondern sich auch von einer 6-monatigen Untersuchungshaft nicht hat beeindrucken lassen; nur ca. zwei Monate nach der Entlassung aus dieser Untersuchungshaft infolge eines (zunächst) freisprechenden Urteils des Landgerichts M. II hat er eine vorsätzliche Körperverletzung begangen, indem er seiner früheren Freundin aus nichtigem Anlass mehrfach mit der Faust und der flachen Hand bzw. der Rückhand ins Gesicht geschlagen und ihr auch im Verlauf des Folgetages noch mehrmals Schläge und Tritte versetzt hat. Vor diesem Hintergrund geht der Senat nicht davon aus, dass die Verbüßung der aktuellen Freiheitsstrafe den Kläger bereits so nachhaltig beeindruckt und er sich mit seiner kriminellen Vergangenheit so auseinandergesetzt hat, dass es zu einem nachhaltigen Einstellungswandel gekommen ist und er keiner Bewältigungsstrategie in Form der Bagatellisierung seiner Taten mehr bedarf. Der noch inhaftierte Kläger hat sich außerhalb der Justizvollzugsanstalt noch nicht über einen längeren Zeitraum bewährt und durch gesetzeskonformes Verhalten gezeigt, dass er auch ohne den Druck des Strafvollzugs vor allem in Krisensituationen in der Lage ist, nicht erneut straffällig bzw. gewalttätig zu werden. Eine gute Führung während der Haft und die „erfolgreiche“ Teilnahme an einem Rehabilitationsprogramm (in 33 Gruppensitzungen), das Straftäter in die Lage versetzen soll, im Leben effektiver zu Recht zu kommen, reichen insoweit jedenfalls noch nicht.

Schließlich vermag der Senat nicht zu erkennen, dass beim Kläger nach der Haftentlassung ein geeigneter und realistischer sozialer Empfangsraum im Sinne der von der Gutachterin angesprochenen „erforderlichen haltgebenden Strukturen“ vorhanden wäre. Die Ehefrau des Klägers und Klägerin (zu 2.), mit der er nach seiner Haftentlassung - im Übrigen erstmals dauerhaft - in einer Lebensgemeinschaft zusammenleben will, leidet nach den vorgelegten ärztlichen Berichten an zahlreichen psychischen Störungen und Erkrankungen. So wurden bei ihr u. a. eine emotional-instabile Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typ, eine posttraumatische Belastungsstörung, eine schwere depressive Episode ohne psychotische Symptome, Opiatabhängigkeit, Opiatentzugssyndrom, Alkoholabhängigkeit, Verdacht auf ADHS und Verdacht auf sonstige generalisierte Epilepsie und epileptische Syndrome diagnostiziert. Nach dem Vorbringen im Zulassungsantrag ist die Klägerin deshalb selbst dringend auf die Unterstützung des Klägers angewiesen. Auch die Mutter des Klägers, bei der nach den im Zulassungsverfahren vorgelegten Attesten ebenfalls orthopädische Probleme, ein chronisches Schmerzsyndrom und eine reaktive Depression diagnostiziert wurden und bei der der Kläger zusammen mit seiner Ehefrau entsprechend seinen Angaben bei der forensisch-psychiatrischen Begutachtung offensichtlich wohnen will, ist nach dem Zulassungsvorbringen ebenfalls auf „die Anwesenheit und Unterstützung des Klägers angewiesen“. Seine Mutter war im Übrigen schon bislang nicht in der Lage, ihm die „erforderlichen haltgebenden Strukturen“ zu vermitteln. Dass das künftig zusammen mit der schwer suchtkranken und unter schwerwiegenden Persönlichkeitsstörungen leidenden Ehefrau des Klägers, der Klägerin (zu 2.), gelingen könnte, vermag der Senat nicht nachzuvollziehen. Das vorgelegte Angebot eines unbefristeten Arbeitsvertrags als Servicekraft in einem Café nach der Haftentlassung ist demgegenüber nicht von ausschlaggebender Bedeutung.

Die bei Vorliegen einer tatbestandsmäßigen Gefährdungslage nach § 53 Abs. 1 AufenthG unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise des Klägers mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Klägers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an seiner Ausreise überwiegt. Entgegen dem Zulassungsvorbringen ist die streitbefangene Ausweisung des Klägers weder unter Berücksichtigung der in § 53 Abs. 2 AufenthG - allerdings nicht abschließend - aufgeführten Umstände noch mit Blick auf die Anforderungen der wertentscheidenden Grundsatznorm des Art. 6 Abs. 1 GG und des Art. 8 EMRK unverhältnismäßig. Das Verwaltungsgericht hat bei der vom Kläger angegriffenen Entscheidung sämtliche entscheidungsrelevanten Gesichtspunkte berücksichtigt, die auch in diese Interessenabwägung einzustellen sind, und sie im Ergebnis in nicht zu beanstandender Weise gewichtet.

Ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Abs. 1 AufenthG ist beim Kläger infolge seiner rechtskräftigen Verurteilung vom 24. November 2011 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und neun Monaten nach § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG gegeben. Sein Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Abs. 1 AufenthG wiegt nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG besonders schwer, weil er eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat. Ein besonders schwerwiegendes Bleibeinteresse nach § 55 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG kann der Kläger dagegen für sich nicht in Anspruch nehmen, weil zum hier maßgeblichen Zeitpunkt ein eheliches Zusammenleben im Sinne einer tatsächlich gelebten ehelichen Lebensgemeinschaft nicht vorliegt. Das Verwaltungsgericht hat seiner Ehe mit der Klägerin (zu 2.) bei der Abwägung der gegenläufigen Interessen zu Recht kein großes Gewicht beigemessen, weil die Ehe erst während der Haft und im Wissen um die Straftaten und seiner durch die Ausländerbehörde bereits angekündigten Abschiebung, also einer unsicheren Aufenthaltsperspektive, geschlossen worden ist (vgl. BayVGH, U.v. 25.8.2014 - 10 B 13.715 - juris Rn. 50). Auch der Einwand, die Klägerin (zu 2.) sei auf die Unterstützung des Klägers angewiesen, greift nicht durch. Ungeachtet der verminderten Schutzwürdigkeit dieser Ehe ist weder nachvollziehbar dargelegt, dass und auf welche Lebenshilfeleistungen die erkrankte Klägerin tatsächlich angewiesen wäre, noch geltend gemacht oder sonst ersichtlich, dass der Kläger jemals solche Hilfeleistungen tatsächlich erbracht hätte. Demgemäß greift auch die Rüge, das Verwaltungsgericht habe verkannt bzw. fehlgewichtet, dass der Klägerin (zu 2.) als deutscher Staatsangehöriger ein Leben mit dem Kläger in Albanien nicht zumutbar sei, nicht durch. Das Verwaltungsgericht hat unter Berücksichtigung des aus den genannten Gründen stark geminderten Vertrauensschutzes vielmehr zu Recht darauf verwiesen, dass den Klägern nach der Ausreise des Klägers auch die Führung einer „Fernbeziehung“ beschränkt auf Kontakte mithilfe elektronischer Medien sowie auf gelegentliche Besuche zumutbar sei.

Auch die familiären Beziehungen des Klägers zu seiner Mutter und seiner Schwester, die beide die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, hat das Verwaltungsgericht mit dem ihnen zukommenden Gewicht in die Abwägung eingestellt. Die Rüge des Klägers, die Beklagte und das Verwaltungsgericht hätten nicht hinreichend berücksichtigt, dass auch seine Mutter, die ausweislich der vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen an einer reaktiven Depression, einem chronischen Schmerzsyndrom und mehreren orthopädischen Erkrankungen (insbesondere chronisch progrediente Gonarthrose links, Bandscheibenvorfall L5/S1, Fingerpolyarthrosen, multiple Tendinosen) leide, ihren Alltag nicht mehr alleine bewältigen könne und auf die Unterstützung durch ihre Familienangehörigen angewiesen sei, greift ebenfalls nicht durch. Denn auch bezüglich der Mutter ist weder dargelegt, auf welche Lebenshilfeleistungen diese tatsächlich angewiesen sein soll, noch geltend gemacht oder sonst ersichtlich, dass der Kläger jemals solche Hilfeleistungen tatsächlich erbracht hätte. Die pauschale und unsubstantiierte Feststellung im vorgelegten ärztlichen Attest des Arztes für Allgemeinmedizin/Psychotherapie Dr. B. C. vom 15. April 2014, wonach die Patientin im Alltag der Unterstützung durch die Angehörigen bedürfe, weil sie ihren Alltag nicht alleine bewältigen könne, reicht dafür jedenfalls nicht aus. In den vom Kläger weiter vorgelegten Attesten vom April und Mai 2015 ist im Übrigen von einer bei der Mutter erforderlichen Unterstützung im Alltag nicht die Rede.

Das Zulassungsvorbringen, der Kläger sei bei einer Rückkehr in Albanien wegen einer Familienfehde von Blutrache und damit dem Tod bedroht, ist schon nicht schlüssig. Insbesondere ist nicht nachvollziehbar, dass der Kläger, der sich mit seinen Eltern und seiner Schwester bereits seit 1993 in der Bundesrepublik Deutschland aufhält, entsprechend einer erstmals im Zulassungsverfahren vorgelegten Bescheinigung des Vereins zur Versöhnung der Blutrache Tirana vom 28. August 2014 sich in einer Fehde mit der Familiensippe S. befinden und insbesondere von den Bürgern A.S. und U.S. mit dem Tod bedroht werden solle, egal wo er sich befinde. Unabhängig davon könnte auch nicht angenommen werden, dass die behauptete Gefahr für den Kläger landesweit besteht und der albanische Staat grundsätzlich nicht willens und in der Lage ist, vor Übergriffen Schutz zu bieten bzw. dagegen vorzugehen (vgl. etwa OVG Saarl, B.v. 18.12.2015 - 2 A 128/15 - juris Rn. 12 m. w. N.).

Schließlich hat das Verwaltungsgericht auch zu Recht angenommen, dass dem Kläger trotz seines inzwischen 22-jährigen Aufenthalts in Deutschland und eingeschränkter albanischer Sprachkenntnisse zuzumuten sei, nach Albanien zurückzukehren, wo er als 31-jähriger gesunder Mann Arbeit und ein Auskommen finden könne. Dabei hat das Verwaltungsgericht zutreffend darauf abgestellt, dass der Kläger, der einen beachtlichen Teil seiner Kindheit in seinem Heimatland verbracht hat und dort auch zur Schule gegangen ist, zwar den ganz überwiegenden Teil seines Lebens in Deutschland gelebt hat, dass von einer gelungenen sozialen oder gar wirtschaftlichen Integration in die Verhältnisse in der Bundesrepublik jedoch gleichwohl nicht ausgegangen werden kann. Auch insoweit verfängt der klägerische Einwand, er verfüge in Albanien über keine tragfähigen sozialen Bindungen mehr und spreche nur noch gebrochen albanisch, letztlich nicht.

Einwände gegen die vom Verwaltungsgericht rechtlich nicht beanstandete Befristung der Wirkungen der Ausweisung des Klägers auf zuletzt sieben Jahre und die Abweisung der Klage der Klägerin (zu 2.) als unbegründet wurden im Zulassungsverfahren nicht erhoben.

Die Kostenentscheidung folgt nach alledem aus § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3, § 39 Abs. 1 und § 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

Senftl Zimmerer Dihm

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

Tenor

Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 9. September 2016 - 19 CS 16.1194 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes. Der Beschluss wird aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen.

Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

Der Freistaat Bayern hat dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen zu erstatten.

Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit wird für das Verfassungsbeschwerdeverfahren auf 10.000 € (in Worten: zehntausend Euro) und für das Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung auf 5.000 € (in Worten: fünftausend Euro) festgesetzt.

Gründe

I.

1

1. Der am 1. Januar 1989 geborene Beschwerdeführer ist türkischer Staatsangehöriger. Er lebte zunächst in der Türkei. Im Alter von drei Jahren zog er zu seinem Vater und dessen neuer Ehefrau in die Bundesrepublik Deutschland. Nach der Scheidung von Vater und Stiefmutter lebte er mit der Stiefmutter und deren zwei Kindern in Nürnberg. Er besuchte eine Förderschule bis zur neunten Klasse und verließ diese 2004 ohne Schulabschluss. Am 18. Januar 2005 erteilte ihm die Ausländerbehörde eine Niederlassungserlaubnis nach § 35 AufenthG. In der Folge nahm er ohne Erfolg an mehreren Bildungs- und Berufsvorbereitungsmaßnahmen teil. Im Jahr 2008 erlangte er den Hauptschulabschluss.

2

2. Er wurde mehrfach strafgerichtlich verurteilt: Am 9. März 2006 wurde er vom Amtsgericht wegen Diebstahls in zwei Fällen zu Freizeitarrest verurteilt. Am 11. August 2006 verurteilte ihn das Amtsgericht zu einem Kurzarrest von zwei Tagen und einer Geldauflage, weil er gemeinsam mit einem Freund die Verpackungen von X-Box-Spielen im Wert von 200 Euro aufgebrochen und diese an sich genommen hatte. Am 18. Juni 2007 wurde er vom Amtsgericht wegen gemeinschaftlicher räuberischer Erpressung, gemeinschaftlichen Diebstahls in einem besonders schweren Fall und Beleidigung zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren, die zur Bewährung ausgesetzt wurde, verurteilt. Er befand sich vom 28. Februar 2007 bis zum Tag der Verurteilung in Untersuchungshaft; die ihm auferlegten 250 Arbeitsstunden leistete er ab. Am 2. Oktober 2008 verurteilte ihn das Amtsgericht unter Einbeziehung der Verurteilung vom 18. Juni 2007 wegen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten, nachdem er erneut X-Box-Spiele entwendet hatte. Er verbüßte im Anschluss einen Teil der Strafe. Mit Urteil vom 25. Juli 2011 wurde er vom Amtsgericht wegen des unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen verurteilt.

3

Am 7. Mai 2012 verurteilte ihn das Amtsgericht zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und 3 Monaten wegen Handeltreibens mit Marihuana in 74 Fällen. Er hatte im Zeitraum von Juli bis Oktober 2011 in seiner Wohnung Marihuana angebaut, dieses in kleinen Mengen an einen Bekannten verkauft und im Übrigen bei sich eingelagert. Die mit Beschluss des Amtsgerichts vom 14. Februar 2013 gewährte Haftentlassung auf Bewährung wurde widerrufen, nachdem er erneut Marihuana konsumiert und nicht ausreichend Kontakt zu seinem Bewährungshelfer gehalten hatte. Er verbüßte seine Haftstrafe ab dem 22. April 2014.

4

3. Die Ausländerbehörde leitete am 8. Januar 2014 ein Ausweisungsverfahren ein. Sein Verfahrensbevollmächtigter teilte unter anderem mit, der Beschwerdeführer beabsichtige, eine Suchtmitteltherapie anzutreten. Mit Bescheid vom 6. Mai 2015 wies die Ausländerbehörde den Beschwerdeführer aus der Bundesrepublik Deutschland aus, ordnete die sofortige Vollziehung an, forderte ihn zur Ausreise bis zum 1. Juni 2015 auf und drohte die Abschiebung an. Er erfülle die zwingenden Ausweisungstatbestände des § 53 Nr. 1 und 2 AufenthG. Allerdings sei er Assoziationsberechtigter, weshalb eine Ausweisung nur als Ermessensausweisung möglich sei; das Ausweisungsinteresse überwiege sein Bleibeinteresse. Er sei wiederholt und schwer, unter anderem wegen Drogendelikten, straffällig geworden. Auch mehrfache Verurteilungen und Inhaftierungen hätten ihn nicht zu einem straffreien Leben anhalten können. Die Strafaussetzung zur Bewährung sei widerrufen worden. Es bestehe Wiederholungsgefahr. Demgegenüber könne er sich zwar auf den Assoziationsstatus berufen und sei im Wesentlichen in Deutschland aufgewachsen. Er habe sich hier jedoch nie wirtschaftlich integriert, und die von ihm ausgehenden Gefahren für höchste Rechtsgüter rechtfertigten die Schwierigkeiten, die er bei einer Rückkehr in die Türkei hinzunehmen habe. Die sofortige Vollziehung werde angeordnet, da er aus spezialpräventiven Gründen ausgewiesen werde und ein langwieriges Gerichtsverfahren nicht abzuwarten sei.

5

4. Der Beschwerdeführer erhob Klage gegen diesen Bescheid und beantragte die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage. Zur Begründung führte er insbesondere aus, dass kein besonderes Vollzugsinteresse gegeben sei. Die Ausländerbehörde habe bei zahlreichen anderen spezialpräventiven Ausweisungen von der Anordnung des Sofortvollzugs abgesehen. Das Verwaltungsverfahren habe über ein Jahr gedauert, so dass eine besondere Eilbedürftigkeit nicht erkennbar sei. Die Begründung der sofortigen Vollziehung bestehe aus bloßen Worthülsen. Im Übrigen, so machte er mit der Klagebegründung von demselben Tag geltend, sei der Bescheid jedenfalls rechtswidrig.

6

Das Verwaltungsgericht lehnte den Antrag mit Beschluss vom 18. August 2015 ab. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei nicht zu beanstanden, da die Ausländerbehörde auf die Gefahr der Begehung weiterer Straftaten abgestellt habe. Die Verfügung erweise sich bei summarischer Prüfung als rechtmäßig. Die Ausländerbehörde habe zutreffend festgestellt, dass der Beschwerdeführer schon seit seinem Jugendalter in sich steigerndem Maße straffällig geworden sei. Auch während laufender Bewährung habe er mehrfach weitere Straftaten begangen und gegen Bewährungsauflagen verstoßen. Die begonnene Drogentherapie habe er noch nicht erfolgreich abgeschlossen; im Übrigen bleibe die statistische Rückfallgefahr auch nach einer solchen hoch. Bei bedrohten Rechtsgütern von hervorgehobener Bedeutung gälten für die Feststellung einer Wiederholungsgefahr geringere Anforderungen. Es sei jedenfalls im Falle wiederholter Straffälligkeit nicht erforderlich gewesen, zur Frage der Wiederholungsgefahr ein Prognosegutachten einzuholen. Es sei dem Beschwerdeführer zumutbar, in die Türkei zurückzukehren, auch wenn er diese als Kleinkind verlassen habe. Auf Art. 6 GG könne er sich nicht berufen, da er erwachsen, unverheiratet und kinderlos sei. Ob die Befristung der Wirkungen der Ausweisung auf fünf Jahre rechtmäßig sei, spiele im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO keine Rolle.

7

5. Der Beschwerdeführer legte gegen den Beschluss Beschwerde ein. Das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass der Sofortvollzug der Ausweisung nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur bei einem das Ausweisungsinteresse übersteigenden Vollzugsinteresse angeordnet werden könne. Hierfür sei eine besondere Prognoseentscheidung zu treffen, die in der Entscheidung des Verwaltungsgerichts fehle. Dabei sei zu berücksichtigen gewesen, dass er die letzte abgeurteilte Straftat 2011 begangen habe und die letzte Verurteilung 2012 erfolgt sei. Die Grundinteressen der Gemeinschaft seien nicht bedroht. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass ein Handel mit Betäubungsmitteln erneut drohe, bestünden nicht. Der Erfolg der Klage sei offen, da es für die Rechtmäßigkeit der Ausweisungsentscheidung auf den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung ankomme, im Eilverfahren deshalb eine Prognose über die Sachlage im Zeitpunkt dieser Verhandlung hätte getroffen werden müssen. Das Verwaltungsgericht habe außerdem die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu der Bedeutung seines langjährigen Aufenthalts in Deutschland nicht hinreichend berücksichtigt.

8

Der Verwaltungsgerichtshof wies die Beschwerde zurück. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts sei sowohl bei ihrem Erlass - gestützt auf § 53 Nr. 1 und 2 AufenthG a. F. - als auch im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nach den §§ 53 ff. AufenthG n. F. rechtmäßig gewesen. Der Beschwerdeführer habe nach altem Recht zwingende Ausweisungstatbestände verwirklicht, doch habe der assoziationsrechtliche Ausweisungsschutz zu einer Herabstufung als Ermessensausweisung geführt. Der Vortrag, es bestehe keine Wiederholungsgefahr, sei angesichts seiner regelmäßig und sich steigernden Straffälligkeit nicht ausreichend. Die keineswegs jugendtypische Delinquenz belege vielmehr die Wiederholungsgefahr. Da er vielfach auch Eigentumsdelikte, teilweise unter Gewaltanwendung, begangen habe, bestehe weiterhin die Gefahr, dass er in Anbetracht seiner Drogenabhängigkeit solche Taten wiederholen werde. Im Übrigen könne bei einem Drogenabhängigen vom Wegfall der Wiederholungsgefahr nicht gesprochen werden, solange nicht eine Therapie abgeschlossen worden sei, deren Erfolg durch eine längere Zeit straffreien Verhaltens bestätigt sei. Die Ausweisungsverfügung sei auch bei Zugrundelegung des neuen Rechts rechtmäßig, da dieses die Rechtslage nach der früheren Rechtsprechung im Wesentlichen kodifiziert habe. Auch bei Zugrundelegung seines besonders schwerwiegenden Bleibeinteresses gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG bleibe es aus den zuvor dargestellten Gründen bei einem Überwiegen des Ausweisungsinteresses. Die Anordnung des Sofortvollzugs sei angesichts der zu bekämpfenden akuten Gefahren erforderlich. Die bei Aufschub des Vollzugs eintretenden konkreten Nachteile überwögen schließlich das Bleibeinteresse des Antragstellers bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens.

9

6. Unter dem 14. April 2016 beantragte der Beschwerdeführer bei dem Verwaltungsgericht die Abänderung des Beschlusses gemäß § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO. Er habe sich vom 17. Dezember 2015 bis zum 7. April 2016 zur stationären Behandlung seiner Abhängigkeitserkrankung in einem Therapiezentrum befunden und sei regulär entlassen worden. Die Prognose sei nach Angaben der behandelnden Therapeutin aufgrund seiner deutlichen Entscheidung für Abstinenz, seiner hohen Selbstreflexionsfähigkeit sowie der guten kognitiven Fähigkeiten günstig. Laut der vorgelegten Bescheinigung hatte der Beschwerdeführer in der Therapieeinrichtung zunächst Schwierigkeiten mit der Eingewöhnung. Er habe jedoch in der Folge einen guten Kontakt zu den Therapeuten aufgebaut, sich engagiert und habe auch schwierige Situationen, insbesondere Rückfälle anderer Patienten, gut gemeistert.

10

Die Ausländerbehörde trat dem Antrag entgegen und meinte insbesondere, veränderte relevante Umstände lägen nicht vor. Auch die Vertreterin des öffentlichen Interesses beantragte, den Antrag abzulehnen. Demgegenüber wies der Beschwerdeführer darauf hin, dass das Amtsgericht mit Beschluss vom 6. Mai 2016 die Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe gemäß § 36 Abs. 1 Satz 3 BtMG unter Auflagen zur Bewährung ausgesetzt habe. Von der in dieser Entscheidung zum Ausdruck kommenden Einschätzung könne nur aufgrund eines negativen kriminalprognostischen Gutachtens abgewichen werden.

11

Das Verwaltungsgericht lehnte den Antrag mit Beschluss vom 25. Mai 2016 ab. Die abgeschlossene Drogentherapie führe nicht zum Wegfall einer gegenwärtigen schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung. Eine etwaige Verhaltensänderung müsse sich erst im Anschluss an den Therapieabschluss beweisen. Statistisch sei von einer erheblichen Rückfallquote auszugehen. Auch die Strafaussetzungsentscheidung binde im ausländerrechtlichen Verfahren nicht, da bei ersterer die Resozialisierung des Täters im Vordergrund stünde.

12

7. Der Beschwerdeführer legte hiergegen unter dem 11. Juni 2016 Beschwerde zum Verwaltungsgerichtshof ein. Insbesondere habe das Verwaltungsgericht zu Unrecht ein besonderes Vollzugsinteresse bejaht, da jedenfalls eine akute Wiederholungsgefahr nicht mehr bestehe.

13

Mit Beschluss vom 9. September 2016 wies der Verwaltungsgerichtshof die Beschwerde zurück. Angesichts der tiefgreifenden und länger andauernden Suchtproblematik stelle die Therapie allenfalls einen Teilerfolg dar, der die Wiederholungsgefahr nicht entfallen lasse. Der Beschwerdeführer verfüge auch unabhängig von seiner Drogensucht über ein hohes Maß an krimineller Energie. Die Strafaussetzungsentscheidung nach § 36 BtMG, die wie eine Aussetzungsentscheidung nach § 57 StGB geringeres ausweisungsrechtliches Gewicht als eine Entscheidung nach § 56 StGB habe, stelle auf einen engeren strafvollzugsrechtlichen Prognosehorizont als die ausländerrechtliche Entscheidung ab. Der Sofortvollzug sei auch angesichts des schon einmal erfolgten Widerrufs der Strafaussetzung zur Bewährung notwendig.

II.

14

Der Beschwerdeführer hat am 18. September 2016 Verfassungsbeschwerde erhoben und zugleich einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs verletze ihn in seinem Recht aus Art. 2 Abs. 1 GG, welches in Ausweisungssituationen angesichts der gravierenden Folgen für den Ausländer besonderen Schutz vermittle. Dabei sei das von Art. 8 EMRK gewährleistete Grundrecht auf Privatleben zu beachten. Die angegriffenen Entscheidungen hätten rechtsfehlerhaft eine Wiederholungsgefahr bejaht, da nach der erfolgten Strafaussetzung zumindest ein Gutachten hätte eingeholt werden müssen. Eine regelmäßige und sich steigernde Intensität von Straftaten des Beschwerdeführers liege nicht vor, der Bewährungswiderruf sei nur wegen des Verstoßes gegen Bewährungsauflagen und nicht wegen der Begehung von Straftaten erfolgt. Angesichts der vorgelegten Therapiebescheinigung sei die Prognose positiv gewesen; hierüber hätten sich die Gerichte nicht einfach hinwegsetzen dürfen. Schließlich sei der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verletzt, da das Nachtatverhalten des Beschwerdeführers nicht ausreichend gewürdigt worden sei. In sich widersprüchlich sei dabei die Begründung, dass der Strafaussetzungsentscheidung ein kürzerer Prognosemaßstab als der ausländerrechtlichen Entscheidung zugrunde liege, da die Bewährungszeit wie die Befristung der Wirkung der Ausweisung auf fünf Jahre festgesetzt worden sei. Schließlich verstoße es gegen Art. 19 Abs. 4 GG, wenn die Gerichte Erlassinteresse und den Sofortvollzug nahezu wortgleich begründet hätten. Denn der Gesetzgeber habe gerade für Ausweisungen keinen Wegfall der aufschiebenden Wirkung von Gesetzes wegen angeordnet, so dass das Regel-Ausnahmeverhältnis verkannt worden sei. Das besondere, über das Erlassinteresse hinausgehende Vollzugsinteresse hätte die Ausländerbehörde darlegen und nicht etwa der Beschwerdeführer widerlegen müssen.

III.

15

Die Akten des Ausgangsverfahrens, die Ausländerakte und die Akten des Strafverfahrens haben dem Bundesverfassungsgericht vorgelegen. Der Freistaat Bayern hatte Gelegenheit zur Stellungnahme.

IV.

16

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt. Die Voraussetzungen des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG für eine stattgebende Kammerentscheidung liegen vor. Die Annahme der Verfassungsbeschwer-de ist zur Durchsetzung des Grundrechts des Beschwerdeführers aus Art. 2 Abs. 1 GG angezeigt. Die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen hat das Bundesverfassungsgericht bereits geklärt. Die zulässige (1.) Verfassungsbeschwerde ist in einem die Entscheidungskompetenz der Kammer eröffnenden Sinn offensichtlich begründet (2.).

17

1. Der Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs über die Beschwerde gegen die Entscheidung nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO ist tauglicher Beschwerdegegenstand. Der Beschwerdeführer war insoweit, nachdem im Hinblick auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs vom 21. März 2016 innerhalb der Verfassungsbeschwerdefrist geänderte Umstände aufgetreten waren, die den Antrag nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO eröffneten, aufgrund der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde gehalten, erst diesen Rechtsbehelf zu nutzen, bevor er Verfassungsbeschwerde einlegen konnte. Nachdem dieser Antrag von den Gerichten abgelehnt wurde, hat er innerhalb der Frist des § 93 Abs. 1 BVerfGG Verfassungsbeschwerde eingelegt.

18

2. Die angegriffene Entscheidung verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG. Die Beschränkung des Freizügigkeitsgrundrechts nach Art. 11 GG auf Deutsche schließt nicht aus, auf den Aufenthalt von Ausländern in der Bundesrepublik Deutschland Art. 2 Abs. 1 GG anzuwenden (vgl. BVerfGE 35, 382 <399>). Die Ausweisung ist ein Eingriff in das Recht auf die freie Entfaltung der Persönlichkeit des sich im Bundesgebiet aufhaltenden Ausländers (zu den Merkmalen eines Grundrechtseingriffs im Allgemeinen vgl. BVerfGE 105, 279 <299 f.>). Der Eingriff liegt im Entzug des Aufenthaltsrechts und der daraus folgenden Verpflichtung zur Ausreise (vgl. § 51 Abs. 1 Nr. 5, § 50 Abs. 1 AufenthG); auf weitere mit der Ausweisung verbundene Rechtsnachteile kommt es daneben - für die Frage des Vorliegens eines Grundrechtseingriffs - nicht an. Ausweisungen oder sonstige Maßnahmen zum Entzug oder zur Verkürzung eines bereits gewährten Aufenthaltsrechts sind aufgrund gesetzlicher Vorschriften grundsätzlich möglich. In materieller Hinsicht markiert in diesem Zusammenhang allerdings - vorbehaltlich besonderer verfassungsrechtlicher Gewährleistungen - der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit die verfassungsrechtliche Grenze für Einschränkungen des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 1 GG (vgl. BVerfGE 90, 145 <172>; vgl. auch BVerfGE 75, 108 <154 f.>; 80, 137 <153>).

19

Die einzelfallbezogene Würdigung der für die Ausweisung sprechenden öffentlichen Belange und der gegenläufigen Interessen des Ausländers sowie deren Abwägung gegeneinander ist den Verwaltungsgerichten übertragen. Das Bundesverfassungsgericht kann diese gerichtlichen Entscheidungen nicht in allen Einzelheiten, sondern nur auf die Beachtung der verfassungsrechtlichen Maßstäbe überprüfen (vgl. BVerfGE 27, 211 <219>; 76, 363 <389>). Die verfassungsgerichtliche Überprüfung erstreckt sich darauf, ob die Verwaltungsgerichte die für die Abwägung wesentlichen Umstände erkannt und ermittelt haben und ob die vorgenommene Gewichtung der Umstände den Vorgaben der Verfassung entspricht. Hierbei sind auch die Vorgaben der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten zu berücksichtigen (vgl. BVerfGK 11, 153 <159 ff.>). Danach besteht zwar für faktische Inländer kein generelles Ausweisungsverbot. Bei der Ausweisung hier geborener beziehungsweise als Kleinkinder nach Deutschland gekommener Ausländer ist aber im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung der besonderen Härte, die eine Ausweisung für diese Personengruppe darstellt, in angemessenem Umfang Rechnung zu tragen (vgl. BVerfGK 12, 37 <45>). Es ist im Rahmen der verfassungsrechtlich gebotenen Abwägung nicht ausreichend, wenn die Gerichte von der Begehung von Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz in jedem Fall ohne Weiteres auf die Gefährdung höchster Gemeinwohlgüter und auf eine kaum widerlegliche Rückfallgefahr schließen. Vielmehr ist der konkrete, der Verurteilung zugrundeliegende Sachverhalt ebenso zu berücksichtigen wie das Nachtatverhalten und der Verlauf von Haft und - gegebenenfalls - Therapie. Auch bei Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz darf ein allgemeines Erfahrungswissen nicht zu einer schematischen Gesetzesanwendung führen, die die im Einzelfall für den Ausländer sprechenden Umstände ausblendet (vgl. BVerfGK 12, 37 <41 f.>).

20

Diesen Maßstäben werden die gerichtlichen Entscheidungen ungeachtet des Umstands, dass im vorliegenden Fall starke Indizien für das Vorliegen hinreichender Gründe für eine Ausweisung und Abschiebung vorliegen dürften, nicht gerecht.

21

Zum einen hat der Verwaltungsgerichtshof im Verfahren über den Abänderungsantrag die Wiederholungsgefahr ausschließlich mit allgemeinen Erwägungen zur hohen Rückfallwahrscheinlichkeit bei Betäubungsmittelabhängigen begründet und die durchgeführte Drogentherapie sowie die Strafaussetzung zur Bewährung nach § 36 Abs. 1 Satz 3 BtMG für nicht entscheidend gehalten. Zwar trifft es im Ausgangspunkt zu, dass Ausländerbehörde und Verwaltungsgerichte für die Frage der Wiederholungsgefahr nicht an die Strafaussetzungsentscheidung der Strafvollstreckungskammern gebunden sind. Solchen Entscheidungen kommt jedoch eine erhebliche indizielle Bedeutung zu. Jedenfalls soweit die Prognose der Wiederholungsgefahr Bedeutung im Rahmen einer grundrechtlich erforderlichen Abwägung hat, bedarf es einer substantiierten Begründung, wenn von der strafgerichtlichen Einschätzung abgewichen werden soll (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 27. August 2010 - 2 BvR 130/10 -, juris, Rn. 36 m.w.N.). Auch die eher negative Bewertung der Therapiebescheinigung vom 7. April 2016 beruht auf der pauschalen Annahme, eine derartige Bescheinigung gewinne angesichts der statistisch erwiesenen hohen Rückfallquote erst "längere Zeit nach Straf- bzw. Therapieende" Bedeutung.

22

Nicht ausreichend ist es zum anderen, eine positive Entwicklung des Verurteilten ohne aussagekräftige Indizien darauf zurückzuführen, der Ausländer habe sich erst unter dem Druck des Ausweisungsverfahrens zur Therapie - beziehungsweise allgemeiner zu einem rechtstreuen Verhalten - entschlossen. Denn mit einem solchen Verhalten während und nach der Inhaftierung sowie in laufender Bewährungszeit wird der Ausländer dem vom deutschen Strafvollzug bezweckten Resozialisierungsziel gerecht. Es ist mit dem Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung nicht zu vereinbaren, wenn ein solches im Strafvollzug erwartetes und während laufender Bewährung gefordertes Verhalten ausländerrechtlich gegen den Betroffenen gewertet wird. Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn offensichtlich ist, dass die Bemühungen des Ausländers ausschließlich dem Ausweisungsverfahren geschuldet sind. Dies ist vorliegend jedoch nicht ersichtlich. Der Beschwerdeführer hatte sich vielmehr seit geraumer Zeit um eine Drogentherapie bemüht und hat diese nunmehr wie geplant abgeschlossen.

23

Schließlich fehlt es im angegriffenen Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs sowohl an einer individualisierten Auseinandersetzung mit dem Umstand, dass die nicht drogenbezogene Kriminalität des Beschwerdeführers zum Zeitpunkt der Entscheidung acht Jahre zurückliegt, als auch an einer ernsthaften Berücksichtigung des Umstands, dass der 27-jährige Beschwerdeführer seit 24 Jahren in Deutschland lebt und - auch im Hinblick auf das Erreichen des Hauptschulabschlusses - möglicherweise als faktischer Inländer betrachtet werden muss, so dass der Vollzug der Ausweisung einen Grundrechtseingriff von erheblichem Gewicht darstellen dürfte (vgl. im Übrigen zur möglichen Unverhältnismäßigkeit einer Ausweisung auch beim Handeltreiben mit nicht geringen Mengen an Marihuana BVerfGK 12, 37 <42>).

24

Wiegt das Bleibeinteresse des Ausländers besonders schwer, so wird sich nach einer Strafaussetzungsentscheidung der Strafvollstreckungskammer eine relevante Wiederholungsgefahr nur dann bejahen lassen, wenn die ausländerrechtliche Entscheidung auf einer breiteren Tatsachengrundlage als derjenigen der Strafvollstreckungskammer getroffen wird, etwa wenn Ausländerbehörde oder Gericht ein Sachverständigengutachten in Auftrag gegeben haben, welches eine Abweichung zulässt, oder wenn die vom Ausländer in der Vergangenheit begangenen Straftaten fortbestehende konkrete Gefahren für höchste Rechtsgüter erkennen lassen. Für eine derartige breitere Tatsachengrundlage ist vorliegend nichts ersichtlich. Ein Sachverständigengutachten haben Ausländerbehörde und Gerichte nicht eingeholt. Für die Annahme fortbestehender konkreter Gefahren für höchste Rechtsgüter hätte es konkreter Feststellungen zu den vom Beschwerdeführer drohenden Straftaten bedurft. Die vom Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluss vom 21. März 2016 gesehene Gefahr, dass zu befürchten sei, dass der Beschwerdeführer wieder Cannabis konsumieren werde und zur Finanzierung seiner Sucht weitere Straftaten begehen werde, entbehrt nach den eigenen Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs einer Grundlage im Verhalten des Beschwerdeführers.

25

Haben damit die Gerichte schon das Ausweisungsinteresse fehlerhaft bewertet, so ist die weitere Begründung, angesichts dieses Interesses müsse das Bleibeinteresse des Beschwerdeführers zurückstehen, verfassungsrechtlich nicht haltbar. Die tatsächlichen Feststellungen der Gerichte genügen insoweit den verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht, da sie eine Rückkehr des Beschwerdeführers schlicht für zumutbar halten, ohne Feststellungen zur Integrationsfähigkeit des Beschwerdeführers in der Türkei zu treffen, die er im Alter von drei Jahren verlassen hat.

26

3. Liegt mithin eine Verletzung des Art. 2 Abs. 1 GG vor, so bedarf es keiner Entscheidung, ob auch Art. 19 Abs. 4 GG verletzt worden ist.

V.

27

Mit der Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. Die Kammer geht davon aus, dass vor der erneuten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs keine Abschiebung stattfinden wird.


VI.

28

Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG. Die Festsetzung des Werts des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 RVG.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Der Aufenthaltstitel erlischt in folgenden Fällen:

1.
Ablauf seiner Geltungsdauer,
2.
Eintritt einer auflösenden Bedingung,
3.
Rücknahme des Aufenthaltstitels,
4.
Widerruf des Aufenthaltstitels,
5.
Ausweisung des Ausländers,
5a.
Bekanntgabe einer Abschiebungsanordnung nach § 58a,
6.
wenn der Ausländer aus einem seiner Natur nach nicht vorübergehenden Grunde ausreist,
7.
wenn der Ausländer ausgereist und nicht innerhalb von sechs Monaten oder einer von der Ausländerbehörde bestimmten längeren Frist wieder eingereist ist,
8.
wenn ein Ausländer nach Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß der §§ 22, 23 oder § 25 Abs. 3 bis 5 einen Asylantrag stellt;
ein für mehrere Einreisen oder mit einer Geltungsdauer von mehr als 90 Tagen erteiltes Visum erlischt nicht nach den Nummern 6 und 7.

(1a) Die Gültigkeit einer nach § 19 erteilten ICT-Karte erlischt nicht nach Absatz 1 Nummer 6 und 7, wenn der Ausländer von der in der Richtlinie 2014/66/EU vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch macht, einen Teil des unternehmensinternen Transfers in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union durchzuführen. Die Gültigkeit einer nach § 16b oder § 18d erteilten Aufenthaltserlaubnis erlischt nicht nach Absatz 1 Nummer 6 und 7, wenn der Ausländer von der in der Richtlinie (EU) 2016/801 vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch macht, einen Teil des Studiums oder des Forschungsvorhabens in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union durchzuführen.

(2) Die Niederlassungserlaubnis eines Ausländers, der sich mindestens 15 Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat sowie die Niederlassungserlaubnis seines mit ihm in ehelicher Lebensgemeinschaft lebenden Ehegatten erlöschen nicht nach Absatz 1 Nr. 6 und 7, wenn deren Lebensunterhalt gesichert ist und kein Ausweisungsinteresse nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 oder Absatz 2 Nummer 5 bis 7 besteht. Die Niederlassungserlaubnis eines mit einem Deutschen in ehelicher Lebensgemeinschaft lebenden Ausländers erlischt nicht nach Absatz 1 Nr. 6 und 7, wenn kein Ausweisungsinteresse nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 oder Absatz 2 Nummer 5 bis 7 besteht. Zum Nachweis des Fortbestandes der Niederlassungserlaubnis stellt die Ausländerbehörde am Ort des letzten gewöhnlichen Aufenthalts auf Antrag eine Bescheinigung aus.

(3) Der Aufenthaltstitel erlischt nicht nach Absatz 1 Nr. 7, wenn die Frist lediglich wegen Erfüllung der gesetzlichen Wehrpflicht im Heimatstaat überschritten wird und der Ausländer innerhalb von drei Monaten nach der Entlassung aus dem Wehrdienst wieder einreist.

(4) Nach Absatz 1 Nr. 7 wird in der Regel eine längere Frist bestimmt, wenn der Ausländer aus einem seiner Natur nach vorübergehenden Grunde ausreisen will und eine Niederlassungserlaubnis besitzt oder wenn der Aufenthalt außerhalb des Bundesgebiets Interessen der Bundesrepublik Deutschland dient. Abweichend von Absatz 1 Nummer 6 und 7 erlischt der Aufenthaltstitel eines Ausländers nicht, wenn er die Voraussetzungen des § 37 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 erfüllt, rechtswidrig mit Gewalt oder Drohung mit einem empfindlichen Übel zur Eingehung der Ehe genötigt und von der Rückkehr nach Deutschland abgehalten wurde und innerhalb von drei Monaten nach Wegfall der Zwangslage, spätestens jedoch innerhalb von zehn Jahren seit der Ausreise, wieder einreist.

(5) Die Befreiung vom Erfordernis des Aufenthaltstitels entfällt, wenn der Ausländer ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben wird; § 11 Absatz 2 bis 5 findet entsprechende Anwendung.

(6) Räumliche und sonstige Beschränkungen und Auflagen nach diesem und nach anderen Gesetzen bleiben auch nach Wegfall des Aufenthaltstitels oder der Aussetzung der Abschiebung in Kraft, bis sie aufgehoben werden oder der Ausländer seiner Ausreisepflicht nachgekommen ist.

(7) Im Falle der Ausreise eines Asylberechtigten oder eines Ausländers, dem das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge unanfechtbar die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt hat, erlischt der Aufenthaltstitel nicht, solange er im Besitz eines gültigen, von einer deutschen Behörde ausgestellten Reiseausweises für Flüchtlinge ist. Der Ausländer hat auf Grund seiner Anerkennung als Asylberechtigter oder der unanfechtbaren Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge keinen Anspruch auf erneute Erteilung eines Aufenthaltstitels, wenn er das Bundesgebiet verlassen hat und die Zuständigkeit für die Ausstellung eines Reiseausweises für Flüchtlinge auf einen anderen Staat übergegangen ist.

(8) Vor der Aufhebung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 38a Abs. 1, vor einer Ausweisung eines Ausländers, der eine solche Aufenthaltserlaubnis besitzt und vor dem Erlass einer gegen ihn gerichteten Abschiebungsanordnung nach § 58a gibt die zuständige Behörde in dem Verfahren nach § 91c Absatz 2 über das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge dem Mitgliedstaat der Europäischen Union, in dem der Ausländer die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten besitzt, Gelegenheit zur Stellungnahme, wenn die Abschiebung in ein Gebiet erwogen wird, in dem diese Rechtsstellung nicht erworben werden kann. Geht die Stellungnahme des anderen Mitgliedstaates rechtzeitig ein, wird sie von der zuständigen Behörde berücksichtigt.

(8a) Soweit die Behörden anderer Schengen-Staaten über Entscheidungen nach Artikel 34 der Verordnung (EG) Nr. 810/2009, die durch die Ausländerbehörden getroffen wurden, zu unterrichten sind, erfolgt dies über das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Die mit der polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs beauftragten Behörden unterrichten die Behörden anderer Schengen-Staaten unmittelbar über ihre Entscheidungen nach Artikel 34 der Verordnung (EG) Nr. 810/2009.

(9) Die Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU erlischt nur, wenn

1.
ihre Erteilung wegen Täuschung, Drohung oder Bestechung zurückgenommen wird,
2.
der Ausländer ausgewiesen oder ihm eine Abschiebungsanordnung nach § 58a bekannt gegeben wird,
3.
sich der Ausländer für einen Zeitraum von zwölf aufeinander folgenden Monaten außerhalb des Gebiets aufhält, in dem die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten erworben werden kann; der Zeitraum beträgt 24 aufeinanderfolgende Monate bei einem Ausländer, der zuvor im Besitz einer Blauen Karte EU war, und bei seinen Familienangehörigen, die zuvor im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 30, 32, 33 oder 36 waren,
4.
sich der Ausländer für einen Zeitraum von sechs Jahren außerhalb des Bundesgebiets aufhält oder
5.
der Ausländer die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union erwirbt.
Auf die in Satz 1 Nr. 3 und 4 genannten Fälle sind die Absätze 2 bis 4 entsprechend anzuwenden.

(10) Abweichend von Absatz 1 Nummer 7 beträgt die Frist für die Blaue Karte EU und die Aufenthaltserlaubnisse nach den §§ 30, 32, 33 oder 36, die den Familienangehörigen eines Inhabers einer Blauen Karte EU erteilt worden sind, zwölf Monate. Gleiches gilt für die Niederlassungserlaubnis eines Ausländers, der sich mindestens 15 Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat sowie die Niederlassungserlaubnis eines mit ihm in ehelicher Lebensgemeinschaft lebenden Ehegatten, wenn sie das 60. Lebensjahr vollendet haben.

(1) Widerspruch und Klage gegen

1.
die Ablehnung eines Antrages auf Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels,
1a.
Maßnahmen nach § 49,
2.
die Auflage nach § 61 Absatz 1e, in einer Ausreiseeinrichtung Wohnung zu nehmen,
2a.
Auflagen zur Sicherung und Durchsetzung der vollziehbaren Ausreisepflicht nach § 61 Absatz 1e,
3.
die Änderung oder Aufhebung einer Nebenbestimmung, die die Ausübung einer Erwerbstätigkeit betrifft,
4.
den Widerruf des Aufenthaltstitels des Ausländers nach § 52 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 in den Fällen des § 75 Absatz 2 Satz 1 des Asylgesetzes,
5.
den Widerruf oder die Rücknahme der Anerkennung von Forschungseinrichtungen für den Abschluss von Aufnahmevereinbarungen nach § 18d,
6.
die Ausreiseuntersagung nach § 46 Absatz 2 Satz 1,
7.
die Befristung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11,
8.
die Anordnung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Absatz 6 sowie
9.
die Feststellung nach § 85a Absatz 1 Satz 2
haben keine aufschiebende Wirkung.

Die Klage gegen die Anordnung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Absatz 7 hat keine aufschiebende Wirkung.

(2) Widerspruch und Klage lassen unbeschadet ihrer aufschiebenden Wirkung die Wirksamkeit der Ausweisung und eines sonstigen Verwaltungsaktes, der die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts beendet, unberührt. Für Zwecke der Aufnahme oder Ausübung einer Erwerbstätigkeit gilt der Aufenthaltstitel als fortbestehend, solange die Frist zur Erhebung des Widerspruchs oder der Klage noch nicht abgelaufen ist, während eines gerichtlichen Verfahrens über einen zulässigen Antrag auf Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung oder solange der eingelegte Rechtsbehelf aufschiebende Wirkung hat. Eine Unterbrechung der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts tritt nicht ein, wenn der Verwaltungsakt durch eine behördliche oder unanfechtbare gerichtliche Entscheidung aufgehoben wird.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.