Verwaltungsgericht München Urteil, 27. Feb. 2019 - M 22 K 18.32189

bei uns veröffentlicht am27.02.2019

Gericht

Verwaltungsgericht München

Tenor

I. Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 8. Dezember 2017 wird aufgehoben.

II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger, ein syrischer Staatsangehöriger, wendet sich gegen den Widerruf der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft durch den angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) vom 8. Dezember 2017.

Am 26. November 2012 stellte der Kläger einen Asylantrag. Bei seiner Anhörung gab er u.a. an, bereits im Jahr 2009 oder 2010 in Deutschland gewesen zu sein. Man habe ihn damals nach Schweden zurückgeschickt. Nach seiner Rückkehr nach Syrien habe er ab März 2011 bis zu seiner Flucht im März 2012 Militärdienst geleistet und sei dann desertiert. Er habe schon vorher versucht, zwei Mal zu fliehen und sei deswegen auch inhaftiert gewesen und misshandelt worden. Aus dem Land geflohen sei er, weil er weder mit der Armee des Regimes noch mit der Freien Syrischen Armee etwas zu tun haben wolle.

Mit Bescheid vom 20. Juni 2013 lehnte das Bundesamt den Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter ab (Tenor Nr. 1), erkannte dem Kläger aber die Flüchtlingseigenschaft zu (Tenor Nr. 2).

Anlässlich der sog. Regelüberprüfung nach § 73 Abs. 2a Satz 1 AsylG entschied das Bundesamt am 6. Juli 2016, dass die Voraussetzungen für einen Widerruf bzw. eine Rücknahme nicht vorliegen.

Mit Schreiben vom 19. Dezember 2016 wandte sich die Ausländerbehörde der Landeshauptstadt München (im Folgenden: Ausländerbehörde) an das Bundesamt mit der Bitte um Mitteilung, ob wegen eines gegen den Kläger eingeleiteten Ermittlungsverfahrens aufgrund des Verdachtes der gewerbsmäßigen Einschleusung von Ausländern und mit Blick auf eine Erkenntnismitteilung des Bundespolizeipräsidiums zum Verlust von deutschen Reiseausweisen für Flüchtlinge die Einleitung eines Widerrufsverfahrens in Betracht komme. Es werde um Eile gebeten, da der Kläger sich derzeit noch in der Türkei befinde und einen Antrag auf Wiedereinreise in die Bundesrepublik Deutschland gestellt habe.

In der Anlage beigefügt war ein Schreiben des Bundespolizeipräsidiums vom 13. Dezember 2016, dem u.a. zu entnehmen ist, dass der Kläger beim Deutschen Generalkonsulat in Istanbul einen Wiedereinreiseantrag gestellt hatte. Weiter war beigefügt ein Schreiben der Bundespolizeidirektion München vom 2. Juni 2016, in dem ausgeführt wird, dass gegen den Kläger ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachtes der gewerbsmäßigen Einschleusung von Ausländern sowie wegen des Verdachtes des Betruges eingeleitet worden sei. Die Ermittlungen hierzu würden noch andauern. Eine Abgabe an die Staatsanwaltschaft sei noch nicht erfolgt.

Zu einer Anfrage des Bundesamtes vom 27. Dezember 2016 teilte die Ausländerbehörde mit Schreiben vom selben Tage u.a. mit, der Kläger sei seit 1. Juli 2016 als nach unbekannt verzogen gemeldet. Vorher habe er in der …-Straße 20 in … gewohnt. Für den Fall des Widerrufs sei die Einleitung aufenthaltsbeendender Maßnahmen beabsichtigt. Der Kläger halte sich derzeit „lt. Aussage“ noch in der Türkei auf. Seinen Reiseausweis und den Aufenthaltstitel habe dessen Ehefrau am 27. Dezember 2016 bei der Landeshauptstadt München persönlich abgegeben.

Zu einer weiteren Nachfrage des Bundesamtes teilte die Ausländerbehörde mit E-Mail vom 17. Januar 2017 u.a. mit, der Kläger habe laut eigener Aussage eine Ehefrau (die schwanger sei) in München. Nach den Angaben in der Ausländerakte sei er jedoch als geschieden gemeldet.

Vor seiner Ausreise in die Türkei habe er Leistungen vom Jobcenter bezogen.

Das Verfahren wegen Schleusung sei noch nicht abgeschlossen.

Der Kläger habe bereits im Dezember 2015 versucht, in die Türkei zu reisen. Er sei von den türkischen Sicherheitsbehörden zurückgewiesen worden, da er im Rahmen einer Risikoanalyse verdächtig gewesen sei. Am 16. Dezember 2015 sei er wieder nach Deutschland eingereist. Am 1. August 2016 sei er dann per Auto in die Türkei gereist, wo er sich bis heute aufhalte. Daher sei eine Einschätzung, ob er gut integriert sei, schwer zu beurteilen. Nach den Aussagen seiner Ehefrau und seines Bruders sei es ihm in Deutschland nicht so gut gegangen, weshalb er in die Türkei gereist sei, um sich zu erholen.

Der dem Kläger ausgestellte Reiseausweis sei am 8. August 2016 abgelaufen.

Der E-Mail beigefügt war die Kopie eines vom Amtsgericht Laufen gegen den Kläger am 21. Juli 2016 erlassenen Haftbefehls (Haftgrund: Fluchtgefahr). Dieser bezieht sich auf den Vorwurf des gewerbsmäßigen Einschleusens von Ausländern in Mittäterschaft (wobei sich das Tatgeschehen am 15.09.2015 zugetragen haben soll).

Mit weiterer E-Mail vom 2. Mai 2017 teilte die Ausländerbehörde mit, dass der Kläger im Jahr 2016 einen neuen Reiseausweis für Flüchtlinge beantragt habe, der auch zur Abholung bereit liege, jedoch bislang nicht abgeholt worden sei.

Mit Schreiben vom 16. Oktober 2017 (versandt mit PZU) hörte das Bundesamt den Kläger zu dem beabsichtigten Widerruf der Flüchtlingseigenschaft an. Das Schreiben wurde an die letzte dem Bundesamt bekannte Wohnadresse des Klägers verschickt und von der Deutschen Post mit dem Vermerk, man habe erfahren, dass der Empfänger verzogen sei, wieder zurückgereicht. Des Weiteren wurde das Schreiben auch öffentlich zugestellt.

Mit Bescheid vom 8. Dezember 2017 widerrief das Bundesamt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Tenor Nr. 1) und lehnte die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus ab (Tenor Nr. 2).

In den Bescheidsgründen wurde ausgeführt, der Kläger sei kein Flüchtling mehr. Er sei seit 1. Juli 2016 unbekannten Aufenthalts. Weiter sei er nicht im Besitz eines gültigen Reiseausweises für Flüchtlinge und eines Aufenthaltstitels. Der Reiseausweis sei 2016 neu beantragt worden. Dieser liege noch zur Abholung bereit, allerdings seien der Reiseausweis und der elektronische Aufenthaltstitel nie abgeholt worden.

Dieses Verhalten zeige, dass der Kläger selbst den Schutz des Asylrechts für entbehrlich halte. Insoweit sei eine Sachlagenänderung gegeben. Der Verzicht seit rund eineinhalb Jahren auf asylrechtlichen Schutz rechtfertige einen Widerruf.

Es handle sich insoweit um einen Fall des Widerrufs nach Ermessen, weil bereits die Regelüberprüfung durchgeführt worden sei. Das notwendige Ermessen stehe einem Widerruf nicht entgegen. Ein Abwägen der persönlichen Belange gegenüber dem durch die Straffälligkeit gegebenen öffentlichen Interesse erübrige sich durch den Fortzug ins Ausland. Zwingende auf früheren Verfolgungen beruhende Gründe gemäß § 73 Abs. 1 Satz 3 AsylG, aufgrund derer der Kläger die Rückkehr in seinen Herkunftsstaat ablehnen könnte, seien nicht ersichtlich.

Der Bescheid wurde mittels Postzustellungsurkunde unter der früheren Adresse des Klägers am 15. Dezember 2017 zugestellt (Einwurf in den Briefkasten), in der Folge aber von der Deutschen Post, weil der Empfänger verzogen sei, an das Bundesamt zurückgereicht.

Am 1. Juni 2018 ließ der Kläger durch seinen früheren Bevollmächtigten Klage erheben. Er beantragt,

den Bescheid des Bundesamtes vom 8. Dezember 2017 aufzuheben.

Weiter wurde vorsorglich beantragt, dem Kläger wegen einer etwaigen Fristversäumung Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

Zur Klagebegründung wurde im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:

Es treffe zu, dass der Kläger im August 2016 das Bundesgebiet verlassen habe und in die Türkei gereist sei. Erst im Oktober 2017 sei er nach Deutschland zurückgekehrt. Durch dieses Verhalten habe der Kläger aber nicht zeigen wollen, dass er selbst den Schutz des Asylrechts für entbehrlich halte.

Er habe beabsichtigt, Ende Juli 2016 in die Türkei zu reisen. Der Grund dafür sei gewesen, dass der IS die Stadt, in der seine Eltern leben würden (Manbij), bedroht habe. Er sei der Meinung gewesen, dass er eventuell in der Türkei die Möglichkeit habe, seine Eltern dabei zu unterstützen, aus der Stadt herauszukommen. Er habe sich nur kurzzeitig in der Türkei aufhalten wollen, auch zumal seine Frau schwanger gewesen sei und er bei der Geburt seiner Tochter in München habe dabei sein wollen. Er habe insoweit auf die Aussagen der Ausländerbehörde vertraut, die ihm und seiner Ehefrau versichert habe, dass die Ehefrau seine unbefristete Aufenthaltserlaubnis und den Flüchtlingsausweis ausgehändigt bekommen würde.

Eine Vorsprache beim türkischen Generalkonsulat in München habe ergeben, dass er zur Einreise in die Türkei einen Flüchtlingsausweis und eine Aufenthaltserlaubnis von mindestens noch sechs Monaten Gültigkeit benötige. Seine Aufenthaltserlaubnis und der Reiseausweis seien aber nur noch bis ca. Mitte August 2016 gültig gewesen.

Die Ausländerbehörde habe sich in der Folge entgegen einer früheren Zusage geweigert, den neuen Reiseausweis und Aufenthaltstitel vor Ablauf der Geltungsdauer des alten Reiseausweises bzw. Titels auszuhändigen. Ihm sei erklärt worden, dass seine Ehefrau zu gegebener Zeit bei Vorlage einer Vollmacht den neuen Reiseausweis und Titel ausgehändigt bekommen werde.

Er sei dann aus der großen Not heraus Ende Juli/Anfang August in die Türkei gereist. Etwa Mitte bzw. Ende August hätten ihm seine Eltern mitgeteilt, dass sie am Leben seien und keine Unterstützung benötigten, da es ihnen inzwischen gelungen sei, aus Manbij aufs Land zu flüchten.

Er habe dann seine Ehefrau kontaktiert, damit sie den Reiseausweis und die Aufenthaltserlaubnis abholen möge. Der Ausländerbehörde hätten aber die vorgelegten Vollmachten nicht genügt. Aus diesem Grunde sei es ihm unmöglich gewesen, in kurzer Frist aus der Türkei auszureisen. Mitarbeiter des deutschen Konsulats in Istanbul hätten ihm erklärt, dass man ihm eventuell ein einmonatiges Visum ausstellen könne. Dazu müsse man aber die Ausländerbehörde kontaktieren und eine Zustimmung einholen. Das diesbezügliche Verfahren sei viele Monate hin und her gegangen, da die Ausländerbehörde keine Zustimmung zur Einreise erteilt habe.

Schließlich sei er aus Verzweiflung aus der Türkei nach Griechenland ausgereist und habe versucht über die dortige deutsche Vertretung Dokumente oder ein Visum zu erhalten. Nachdem auch dies gescheitert sei, sei er schließlich ohne Papiere nach Deutschland weitergereist.

Bei seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung dazu befragt, gab der Kläger an, bei seinem Versuch, wieder nach Deutschland einzureisen, sei er für etwa drei Wochen in Österreich in Haft genommen und dann an die deutschen Behörden überstellt worden. Der Kläger hat hierzu einen Entlassungsschein der Justizvollzugsanstalt Bad Reichenhall vom 13. Dezember 2017 vorgelegt, aus dem zu entnehmen ist, dass er sich dort vom 8. November 2017 bis einschließlich 13. Dezember 2017 in Untersuchungshaft befunden hat.

Der Kläger hat im Verfahren mehrere Schreiben der Landeshauptstadt München (Sozialreferat) mit diversen Anlagen vorgelegt, in denen u.a. darauf hingewiesen wird, das Bundesamt habe in einer E-Mail vom 18. Dezember 2017 gegenüber der Ausländerbehörde erklärt, dass der Widerrufsbescheid aufgehoben werden müsse, sollte der Eintrag im Ausländerzentralregister, wonach der Kläger nach wie vor unbekannten Aufenthalts sei, unzutreffend sein. Als Anlagen waren u.a. beigefügt eine Telefonnotiz über ein Gespräch zwischen Mitarbeitern der Ausländerbehörde und des Bundesamtes, ebenfalls vom 18. Dezember 2017, der entnommen werden kann, dass den Gesprächspartnern bekannt war, dass sich der Kläger zum damaligen Zeitpunkt bereits wieder in Deutschland aufhielt, sowie ein Schreiben der Justizvollzugsanstalt Bernau vom 31. Januar 2019, in dem mitgeteilt wird, dass sich der Sozialdienst der Justizvollzugsanstalt am 22. November 2017 an die Ausländerbehörde mit der Bitte gewandt hatte, dem Kläger den Reiseausweis für Flüchtlinge in die Justizvollzugsanstalt zu übersenden.

Zum vorsorglich gestellten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde ausgeführt, der Kläger habe erstmals am 30. Mai 2018 vom Inhalt des Bescheides Kenntnis nehmen können. Er habe im Dezember 2017 nicht in der …-Straße 20, sondern in einer Unterkunft in der …straße 1 gewohnt, weshalb ihn der Bescheid nicht auf dem Postweg habe erreichen können.

Am 13. April 2018 habe er zum Zweck der Verlängerung seiner Fiktionsbescheinigung bei der Ausländerbehörde vorgesprochen. Dort sei er auf die Existenz eines Widerrufsbescheides hingewiesen worden. Trotz seiner Bitte sei ihm aber keine Kopie ausgehändigt worden. Der Kläger habe daraufhin den Bevollmächtigten mit seiner anwaltlichen Vertretung beauftragt. Mit Schriftsatz vom 19. April 2018 habe der Bevollmächtigte seine Vertretung angezeigt und Akteneinsicht beantragt. Die Akteneinsicht sei am 29. Mai 2018 gewährt worden. Eine Kopie des Bescheides sei dem Kläger am 30. Mai 2018 ausgehändigt worden.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Klage sei bereits unzulässig, da sie erst nach Ablauf der Klagefrist erhoben worden sei. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand komme nicht in Betracht, da nicht davon ausgegangen werden könne, dass das Fristversäumnis unverschuldet gewesen sei. Seine Adresse in der Waltramstraße habe der Kläger der Beklagten nicht mitgeteilt; des Weiteren sei offenbar auch keine offizielle Meldung unter dieser Adresse erfolgt. Vor dem Versand des streitgegenständlichen Bescheides habe sich die Beklagte über die aktuelle Anschrift des Klägers im Ausländerzentralregister versichert. Die Zustellung an die zuletzt bekannte Anschrift des Klägers sei folglich zulässig gewesen.

Selbst wenn die Klage zulässig sein sollte, wäre sie jedenfalls unbegründet. Dazu werde auf die Gründe des angefochtenen Bescheides verwiesen.

Weiter sei darauf hinzuweisen, dass für die Beklagte weder nachvollziehbar noch überprüfbar sei, welche Absprachen und Zusagen angeblich von der Ausländerbehörde gegenüber dem Kläger getätigt worden seien. Fakt sei, dass gerade die Ausländerbehörde das vorstehende Widerrufsverfahren eingeleitet habe.

Der Sachvortrag des Klägers widerspreche auch seinen Angaben gegenüber der Ausländerbehörde und sei folglich unglaubhaft. Es stelle sich im Übrigen die Frage, wie der Kläger ohne gültige Papiere in die Türkei habe einreisen können.

Auch der Hinweis auf eine E-Mail des seinerzeit zuständigen Mitarbeiters beim Bundesamt vom 18. Dezember 2017 ändere an der Rechtmäßigkeit des erlassenen Bescheides nichts. Laut dem Eintrag im Ausländerzentralregister sei der Kläger am 8. Dezember 2017, zum Zeitpunkt der Behördenentscheidung, mit Fortzug nach unbekannt gemeldet gewesen.

Mit Beschluss vom 21. Februar 2019 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.

In der mündlichen Verhandlung übergab der Klägerbevollmächtigte zwei den Kläger betreffende Strafurteile, ein Urteil des Amtsgericht Laufen vom 13. Dezember 2017, mit dem der Kläger wegen des Einschleusens von Ausländern in Mittäterschaft zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten unter Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt wurde, sowie ein Urteil des Amtsgerichts München vom 25. Juni 2018, mit dem der Kläger unter Einbeziehung des Urteils des Amtsgerichts Laufen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten (wiederum unter Aussetzung der Vollstreckung zur Bewährung) erneut wegen des Einschleusens von Ausländern verurteilt wurde. Die in dem zweiten Urteil behandelten Schleusungen betrafen Verwandte des Klägers und dessen Ehefrau.

Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sachverhalt und zum Vortrag der Beteiligten wird ergänzend auf die Gerichtsakte und die vorgelegten Behördenakten (zum Erst- und zum Widerrufsverfahren) Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg, da der angefochtene Bescheid rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt (vgl. § 113 Abs. 1 VwGO).

1. Die Klage ist zulässig.

Die Beklagte ist vorliegend davon ausgegangen, dass im Rahmen des Zustellungsverfahrens die Regelungen des § 10 Abs. 2 Satz 1 und 4 AsylG zur Anwendung kommen konnten und mithin der Zustellversuch unter der letzten dem Bundesamt bekannten Adresse des Klägers zur Folge hatte, dass von einer fingierten Zustellung (mit der Aufgabe des Schreibens zur Post) auszugehen sei.

Die besonderen Zustellungsvorschriften des § 10 AsylG sind aber nur im Asylverfahren anzuwenden und nicht auch in einem Widerrufsverfahren nach § 73 AsylG (vgl. BayVGH, U.v. 11.1.2010 - 9 B 08.30223 - juris Rn. 14; Funke-Kaiser in: Gemeinschaftskommentar AsylG, Stand April 2016, § 73 Rn. 71), da diese Regelungen auf anhängige Asylverfahren ausgerichtet sind und dem Asylgesetz nicht zu entnehmen ist, dass Statusberechtigte, jedenfalls nach Eintritt der Unanfechtbarkeit der Entscheidung eine Verpflichtung treffen sollte, das Bundesamt fortwährend über jeglichen Adresswechsel zu informieren.

Für Zustellungen im Widerrufsverfahren gelten danach ausschließlich die Vorschriften des Verwaltungszustellungsgesetzes.

Die hier erfolgte Ersatzzustellung durch Einlegen in den Briefkasten (vgl. § 3 Abs. 2 Satz 1 VwZG, § 180 Satz 1 ZPO) war daher unzulässig (da der Kläger unter dieser Adresse nicht mehr wohnte) und konnte keinerlei Rechtswirkungen in Bezug auf eine Bekanntgabe sowie den Lauf der Klagefrist entfalten.

Dahinstehen kann, ob dieser Mangel durch die Fertigung einer Kopie des Bescheides durch den Klägerbevollmächtigten im Rahmen der Akteneinsicht am 29. Mai 2018 geheilt wurde (vgl. § 8 VwZG) oder ob in derartigen Fällen davon auszugehen wäre, dass mit der Erhebung der Anfechtungsklage der Kläger auf das Recht, die fehlerhafte Bekanntgabe zu rügen, verzichtet hat, er damit aber die betreffende Regelungswirkung anerkannt hat, so dass der Bescheid ihm gegenüber, allerdings frühestens ab diesem Zeitpunkt (Klageerhebung) als wirksam angesehen werden muss (vgl. hierzu BayVGH, B.v. 22.2.2018 - 5 ZB 17.31905 - juris Rn. 7 f.). In beiden Fällen wäre davon auszugehen, dass die Klage zulässig ist. Im ersten Falle wäre die Klagefrist ersichtlich gewahrt. Im zweiten Falle wäre die Frist zum Zeitpunkt der Klageerhebung noch gar nicht angelaufen gewesen. Im Übrigen ist auch nichts dafür ersichtlich, dass der Kläger sein Klagerecht verwirkt haben könnte.

2. Die Klage ist auch begründet, da das Bundesamt die Flüchtlingseigenschaft zu Unrecht widerrufen hat.

2.1 Die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist unverzüglich zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen für sie nicht mehr vorliegen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn der Ausländer nach Wegfall der Umstände, die zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft geführt haben, es nicht ablehnen kann, den Schutz des Staates in Anspruch zu nehmen, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt (§ 73 Abs. 1 Satz 1 und 2 AsylG).

Die Prüfung, ob die Voraussetzungen für einen Widerruf vorliegen, hat spätestens nach Ablauf von drei Jahren nach Unanfechtbarkeit der Entscheidung zu erfolgen (§ 73 Abs. 2a Satz 1 AsylG). Ist nach der Prüfung ein Widerruf nicht erfolgt, steht eine spätere Entscheidung über den Widerruf im Ermessen, es sei denn, der Widerruf (oder die Rücknahme) erfolgt, weil die Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG oder des § 3 Abs. 2 AsylG vorliegen oder weil das Bundesamt nach § 60 Abs. 8 Satz 3 AufenthG von der Anwendung des § 60 Abs. 1 AufenthG abgesehen hat (§ 73 Abs. 2a Satz 5 AsylG).

Die beabsichtigte Entscheidung über den Widerruf ist dem Ausländer schriftlich mitzuteilen und ihm ist Gelegenheit zur Äußerung zu geben. Weiter kann ihm aufgegeben werden, sich innerhalb eines Monats schriftlich zu äußern. Hat sich der Ausländer innerhalb dieser Frist nicht geäußert, ist nach Aktenlage zu entscheiden (§ 73 Abs. 4 AsylG).

Mitteilungen oder Entscheidungen des Bundesamtes, die eine Frist in Lauf setzen, sind dem Ausländer zuzustellen (§ 73 Abs. 5 AsylG).

2.2 Dies vorausgeschickt ist zunächst festzustellen, dass der Bescheid formell rechtswidrig ist, weil keine ordnungsgemäße Anhörung durchgeführt wurde, und bereits dies seine Aufhebung rechtfertigt.

Da dem Kläger eine Frist zur Stellungnahme gesetzt wurde, hätte die Mitteilung gemäß § 73 Abs. 5 AsylG zugestellt werden müssen. Wie bereits ausgeführt ist in Widerrufsverfahren aber eine Zustellung nach den Regelungen des § 10 AsylG nicht zulässig. Die Zustellung an die frühere Adresse des Klägers (vgl. § 10 Abs. 2 Satz 1 AsylG) war daher unwirksam. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass die weiter verfügte öffentliche Zustellung nicht statthaft war, da das Bundesamt vor der Veranlassung einer solchen verpflichtet gewesen wäre, bezüglich des Aufenthaltsortes bzw. der Adresse des Klägers weitere Ermittlungen anzustellen und sich nicht mit einer Abfrage der Angaben im Ausländerzentralregister begnügen durfte. Dass für diesen Fall (etwa über eine Kontaktierung der Ehefrau) ein Kontakt mit dem Kläger hätte hergestellt werden können, liegt jedenfalls nahe (zur Zulässigkeit einer Auslandszustellung im Widerrufsverfahren vgl. Marx, AsylVfG, 8. Aufl. 2014, § 73 Rn. 117).

Dieser Verfahrensfehler wurde auch nicht durch Nachholung der Anhörung (vgl. § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG) nachträglich geheilt, so dass von einer fortbestehenden formellen Rechtswidrigkeit des Bescheides auszugehen ist, die nach den Umständen des Falles bereits die Aufhebung der Verfügung rechtfertigt. Eine Unbeachtlichkeit des Verfahrensfehlers nach § 46 VwVfG kann nicht angenommen werden, da über den Widerruf nach Ermessen zu entscheiden war und nicht offensichtlich ist, dass für den Fall, dass eine ordnungsgemäße Anhörung durchgeführt worden wäre, keine andere Entscheidung in der Sache ergangen wäre. Tatsächlich wäre bei ordnungsgemäßer Anhörung aller Voraussicht nach das Verfahren eingestellt worden.

2.3 Der angefochtene Bescheid kann unabhängig von vorstehenden Ausführungen auch deshalb keinen Bestand haben, weil die materiellen Voraussetzungen für einen Widerruf nicht vorliegen.

Ein obligatorischer Widerruf nach § 73 Abs. 2a Satz 5 AsylG in Verbindung mit den dort in Bezug genommenen Vorschriften kommt ersichtlich nicht in Betracht (zur Prüfung vom Bundesamt nicht angeführter Widerrufsgründe im Klageverfahren vgl. BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 17/12 - juris Rn. 9). Insbesondere ist darauf hinzuweisen, dass die Verurteilung des Klägers zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten durch das Amtsgericht München bezüglich des Strafrahmens unterhalb der Schwelle liegt (mindestens drei Jahre), bei der nach § 60 Abs. 8 Satz 1 Alt. 2 AufenthG die Bestimmung des § 60 Abs. 1 AufenthG (Abschiebungsverbot zugunsten von Flüchtlingen im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention) keine Anwendung findet, wenn weiter davon auszugehen ist, das der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet.

Eine Widerrufsentscheidung nach Ermessen ist wie bereits ausgeführt zulässig, wenn die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht mehr vorliegen (§ 73 Abs. 2a Satz 5 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 und 2 AsylG). Das ist insbesondere dann der Fall, wenn die Gefahr politischer Verfolgung im Herkunftsland nicht mehr besteht, was voraussetzt, dass sich die zum Zeitpunkt der Anerkennung maßgeblichen Verhältnisse nachträglich erheblich geändert haben.

Auf diese sog. Wegfall-der-Umstände-Klausel hat sich das Bundesamt bei seiner Entscheidung aber nicht gestützt. Es ist im Übrigen auch nichts dafür ersichtlich, dass sich die Verhältnisse in Syrien seit dem Zeitpunkt der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gegenüber dem Kläger in relevanter Weise geändert hätten (zur aktuellen Situation in Syrien siehe insbesondere Auswärtiges Amt, Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien, Stand: November 2018, zum Militärdienst S. 11 ff.; zur Menschenrechtslage S. 14 ff. und zu Rückkehrfragen S. 21 ff.).

Das Bundesamt hat den Widerruf vielmehr damit begründet, der Kläger habe, weil er den neu ausgestellten Reiseausweis über einen längeren Zeitraum nicht abgeholt hat, zu erkennen gegeben habe, dass er des Flüchtlingsschutzes nicht mehr bedürfe.

Hierzu ist vorab anzumerken, dass vereinzelt in Literatur und der älteren Rechtsprechung die Auffassung vertreten wird, ein Widerruf könne neben dem Wegfall der Umstände in Bezug auf die Verhältnisse im Herkunftsstaat und über die Fallgestaltungen hinaus, die nach § 72 AsylG aufgrund von in der Person des Berechtigten liegenden Umständen ein Erlöschen der Anerkennung zur Folge haben, auch auf (sonstige) Umstände gestützt werden, die der Sphäre des Betroffenen zuzurechnen seien. Diese müssten aber hinreichend verlässlich einen Fortfall der Verfolgungsfurcht als maßgeblichem Kriterium für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft dokumentieren (Hocks/Leuschner in Hofmann: Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016, Rn. 19 ff. m.w.N.).

Ob dieser Auffassung gefolgt werden könnte, erscheint im Hinblick auf die verbindlichen gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben zu den Erlöschensgründen (vgl. Art. 11 Abs. 1 Richtlinie 2011/95EU), die die hier in Rede stehende Fallgestaltung nicht vorsehen, zweifelhaft. Im Ergebnis kann das aber dahinstehen, denn auch wenn man einen derartigen Widerrufsgrund - nachweislicher Fortfall der Verfolgungsfurcht aufgrund von Umständen aus der Sphäre des Berechtigten - für zulässig erachten wollte, verhält es sich doch so, dass im vorliegenden Fall dessen Voraussetzungen eindeutig nicht vorliegen würden. Die Nichtabholung eines bereits ausgestellten Reiseausweises reicht hierfür für sich betrachtet ebenso wenig aus wie etwa das Unterlassen der Beantragung eines solchen Ausweises oder ein längerer Auslandsaufenthalt, da ein solches Verhalten durch eine Vielzahl von Umständen begründet sein kann, die keinerlei Bezug zur Frage der Verfolgungsfurcht haben. Das belegt gerade der zu entscheidende Fall mit aller Deutlichkeit.

Das Gericht zweifelt nicht daran, dass der Kläger sich nur für einen kürzeren Zeitraum in der Türkei aufhalten und alsbald wieder in das Bundesgebiet zurückkehren wollte. Vor allem aber ist offensichtlich, dass der Kläger darum bemüht war, in den Besitz eines gültigen Reiseausweises zu gelangen. Die Nichtabholung des neuen Reiseausweises war augenscheinlich Folge des Umstands, dass es dem Kläger nicht gelungen ist, in der Türkei bzw. später in Griechenland sich Papiere für eine legale Wiedereinreise nach Deutschland zu beschaffen. Dass der Kläger wieder in das Bundesgebiet einreisen wollte, war der zuständigen Ausländerbehörde bekannt, die dies auch dem Bundesamt mitgeteilt hatte, wird doch im Schreiben vom 19. Dezember 2016, mit dem die Einleitung eines Widerrufsverfahrens angeregt wurde, u.a. auch mitgeteilt, es werde um Eile gebeten, da der Kläger sich derzeit noch in der Türkei befinde und einen Antrag auf Wiedereinreise in die Bundesrepublik Deutschland gestellt habe.

Möglicherweise hat das Bundesamt diesen Aspekt bei der Entscheidung über die Einleitung des Widerrufsverfahrens übersehen, wobei diese (vermutete) Fehlvorstellung auch durch die Anfrage der Ausländerbehörde vom 2. Mai 2017 (E-Mail) befördert worden sein könnte, in der ausgeführt wird, der Kläger sei schon seit Juli 2016 als nach unbekannt verzogen gemeldet, halte sich nach dem Kenntnisstand der Behörde immer noch in der Türkei auf und habe den zur Abholung bereit liegenden Reisepass nie abgeholt. Insoweit wäre es aber geboten gewesen, dass in der Anfrage auch über den Stand des Verfahrens auf Gestattung einer Wiedereinreise berichtet wird (um klarzustellen, ob denn die Nichtabholung wie die Formulierung im Schreiben der Ausländerbehörde insinuiert auf Freiwilligkeit beruht oder ob andere Gründe hierfür ursächlich waren) bzw. das Bundesamt hierzu nachfragt. Bei einer entsprechenden Information hätte sich aber zweifellos herausgestellt, dass sich aus der Nichtabholung des Reisepasses und der Meldung als unbekannt verzogen keine Anhaltspunkte dafür entnehmen lassen, dass der Kläger selbst davon ausgehe, dass er des Flüchtlingsschutzes nicht mehr bedürfe.

Zu den Gründen, weshalb es dem Kläger nicht gelungen ist, sich Dokumente für eine legale Wiedereinreise in das Bundesgebiet zu beschaffen, lässt sich nach Aktenlage keine abschließende Aussage treffen. (Der Kläger hat im Verfahren allerdings diverse Unterlagen vorgelegt, die belegen, dass er mit dem Konsulat in Istanbul Kontakt hatte und bemüht war, den Forderungen der Ausländerbehörde, etwa im Hinblick auf die Vorlage von Vollmachten, nachzukommen.) Hierauf kommt es für die Beurteilung der Streitsache auch nicht an. Gleichwohl sei bemerkt, dass es mehr als befremdlich erscheint, dass die verwaltungsmäßigen Voraussetzungen für eine legale Wiedereinreise anscheinend nicht herbeigeführt werden konnten, obwohl auf der Hand liegt, dass dem Kläger als in Deutschland anerkanntem Flüchtling (und weiter mit Blick auch auf familiäre Belange) ein Anspruch auf Gestattung der Wiedereinreise zugestanden hat.

2.4 Im Ergebnis bleibt jedenfalls festzuhalten, dass Umstände, die auf einen Wegfall der Verfolgungsfurcht schließen lassen könnten, zu keinem Zeitpunkt vorgelegen haben und der Kläger offenkundig weiter die Flüchtlingseigenschaft beanspruchen kann. Der angefochtene Bescheid - die Widerrufsentscheidung wie auch die Ablehnung des subsidiären Schutzes als Folgeregelung - ist daher rechtswidrig, verletzt den Kläger auch in seinen Rechten und war antragsgemäß aufzuheben.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit im Kostenpunkt beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

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(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalit

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Aufenthaltsgesetz - AufenthG

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(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich1.aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen

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(1) Eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften, die nicht den Verwaltungsakt nach § 44 nichtig macht, ist unbeachtlich, wenn 1. der für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderliche Antrag nachträglich gestellt wird;2. die erforderliche Be

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(1) Der Ausländer hat während der Dauer des Asylverfahrens vorzusorgen, dass ihn Mitteilungen des Bundesamtes, der zuständigen Ausländerbehörde und der angerufenen Gerichte stets erreichen können; insbesondere hat er jeden Wechsel seiner Anschrift de

Zivilprozessordnung - ZPO | § 180 Ersatzzustellung durch Einlegen in den Briefkasten


Ist die Zustellung nach § 178 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 nicht ausführbar, kann das Schriftstück in einen zu der Wohnung oder dem Geschäftsraum gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung eingelegt werden, die der Adressat für den Postempfang e

Verwaltungszustellungsgesetz - VwZG 2005 | § 3 Zustellung durch die Post mit Zustellungsurkunde


(1) Soll durch die Post mit Zustellungsurkunde zugestellt werden, übergibt die Behörde der Post den Zustellungsauftrag, das zuzustellende Dokument in einem verschlossenen Umschlag und einen vorbereiteten Vordruck einer Zustellungsurkunde. (2) Für di

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 73 Widerrufs- und Rücknahmegründe


(1) Die Anerkennung als Asylberechtigter oder die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen für sie nicht mehr vorliegen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn der Ausländer1.sich freiwillig erneut dem Schutz d

Verwaltungszustellungsgesetz - VwZG 2005 | § 8 Heilung von Zustellungsmängeln


Lässt sich die formgerechte Zustellung eines Dokuments nicht nachweisen oder ist es unter Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften zugegangen, gilt es als in dem Zeitpunkt zugestellt, in dem es dem Empfangsberechtigten tatsächlich zugegangen ist

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 72 Erlöschen


(1) Die Anerkennung als Asylberechtigter und die Zuerkennung des internationalen Schutzes erlöschen, wenn der Ausländer1.eindeutig, freiwillig und schriftlich gegenüber dem Bundesamt auf sie verzichtet oder2.auf seinen Antrag die deutsche Staatsangeh

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Verwaltungsgericht München Urteil, 27. Feb. 2019 - M 22 K 18.32189 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).

Verwaltungsgericht München Urteil, 27. Feb. 2019 - M 22 K 18.32189 zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 22. Feb. 2018 - 5 ZB 17.31905

bei uns veröffentlicht am 22.02.2018

Tenor I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt. II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Gründe 1. Der Antrag auf Zulassung der Ber

Bundesverwaltungsgericht Urteil, 31. Jan. 2013 - 10 C 17/12

bei uns veröffentlicht am 31.01.2013

Tatbestand 1 Der 1973 geborene Kläger ist syrisch-orthodoxer Christ türkischer Staatsangehörigkeit. Er reiste im Alter von sechs Jahren in die Bundesrepublik Deutschland

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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Der Ausländer hat während der Dauer des Asylverfahrens vorzusorgen, dass ihn Mitteilungen des Bundesamtes, der zuständigen Ausländerbehörde und der angerufenen Gerichte stets erreichen können; insbesondere hat er jeden Wechsel seiner Anschrift den genannten Stellen unverzüglich anzuzeigen.

(2) Der Ausländer muss Zustellungen und formlose Mitteilungen unter der letzten Anschrift, die der jeweiligen Stelle auf Grund seines Asylantrags oder seiner Mitteilung bekannt ist, gegen sich gelten lassen, wenn er für das Verfahren weder einen Bevollmächtigten bestellt noch einen Empfangsberechtigten benannt hat oder diesen nicht zugestellt werden kann. Das Gleiche gilt, wenn die letzte bekannte Anschrift, unter der der Ausländer wohnt oder zu wohnen verpflichtet ist, durch eine öffentliche Stelle mitgeteilt worden ist. Der Ausländer muss Zustellungen und formlose Mitteilungen anderer als der in Absatz 1 bezeichneten öffentlichen Stellen unter der Anschrift gegen sich gelten lassen, unter der er nach den Sätzen 1 und 2 Zustellungen und formlose Mitteilungen des Bundesamtes gegen sich gelten lassen muss. Kann die Sendung dem Ausländer nicht zugestellt werden, so gilt die Zustellung mit der Aufgabe zur Post als bewirkt, selbst wenn die Sendung als unzustellbar zurückkommt.

(3) Betreiben Familienangehörige im Sinne des § 26 Absatz 1 bis 3 ein gemeinsames Asylverfahren und ist nach Absatz 2 für alle Familienangehörigen dieselbe Anschrift maßgebend, können für sie bestimmte Entscheidungen und Mitteilungen in einem Bescheid oder einer Mitteilung zusammengefasst und einem Familienangehörigen zugestellt werden, sofern er volljährig ist. In der Anschrift sind alle volljährigen Familienangehörigen zu nennen, für die die Entscheidung oder Mitteilung bestimmt ist. In der Entscheidung oder Mitteilung ist ausdrücklich darauf hinzuweisen, gegenüber welchen Familienangehörigen sie gilt.

(4) In einer Aufnahmeeinrichtung hat diese Zustellungen und formlose Mitteilungen an die Ausländer, die nach Maßgabe des Absatzes 2 Zustellungen und formlose Mitteilungen unter der Anschrift der Aufnahmeeinrichtung gegen sich gelten lassen müssen, vorzunehmen. Postausgabe- und Postverteilungszeiten sind für jeden Werktag durch Aushang bekannt zu machen. Der Ausländer hat sicherzustellen, dass ihm Posteingänge während der Postausgabe- und Postverteilungszeiten in der Aufnahmeeinrichtung ausgehändigt werden können. Zustellungen und formlose Mitteilungen sind mit der Aushändigung an den Ausländer bewirkt; im Übrigen gelten sie am dritten Tag nach Übergabe an die Aufnahmeeinrichtung als bewirkt.

(5) Die Vorschriften über die Ersatzzustellung bleiben unberührt.

(6) Müsste eine Zustellung außerhalb des Bundesgebiets erfolgen, so ist durch öffentliche Bekanntmachung zuzustellen. Die Vorschriften des § 10 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 des Verwaltungszustellungsgesetzes finden Anwendung.

(7) Der Ausländer ist bei der Antragstellung schriftlich und gegen Empfangsbestätigung auf diese Zustellungsvorschriften hinzuweisen.

(1) Soll durch die Post mit Zustellungsurkunde zugestellt werden, übergibt die Behörde der Post den Zustellungsauftrag, das zuzustellende Dokument in einem verschlossenen Umschlag und einen vorbereiteten Vordruck einer Zustellungsurkunde.

(2) Für die Ausführung der Zustellung gelten die §§ 177 bis 182 der Zivilprozessordnung entsprechend. Im Fall des § 181 Abs. 1 der Zivilprozessordnung kann das zuzustellende Dokument bei einer von der Post dafür bestimmten Stelle am Ort der Zustellung oder am Ort des Amtsgerichts, in dessen Bezirk der Ort der Zustellung liegt, niedergelegt werden oder bei der Behörde, die den Zustellungsauftrag erteilt hat, wenn sie ihren Sitz an einem der vorbezeichneten Orte hat. Für die Zustellungsurkunde, den Zustellungsauftrag, den verschlossenen Umschlag nach Absatz 1 und die schriftliche Mitteilung nach § 181 Abs. 1 Satz 3 der Zivilprozessordnung sind die Vordrucke nach der Zustellungsvordruckverordnung zu verwenden.

Ist die Zustellung nach § 178 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 nicht ausführbar, kann das Schriftstück in einen zu der Wohnung oder dem Geschäftsraum gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung eingelegt werden, die der Adressat für den Postempfang eingerichtet hat und die in der allgemein üblichen Art für eine sichere Aufbewahrung geeignet ist. Mit der Einlegung gilt das Schriftstück als zugestellt. Der Zusteller vermerkt auf dem Umschlag des zuzustellenden Schriftstücks das Datum der Zustellung.

Lässt sich die formgerechte Zustellung eines Dokuments nicht nachweisen oder ist es unter Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften zugegangen, gilt es als in dem Zeitpunkt zugestellt, in dem es dem Empfangsberechtigten tatsächlich zugegangen ist, im Fall des § 5 Abs. 5 in dem Zeitpunkt, in dem der Empfänger das Empfangsbekenntnis zurückgesendet hat.

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

1. Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die Berufung ist nicht gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.

Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung setzt voraus, dass eine konkrete, bisher höchstrichterlich oder obergerichtlich nicht beantwortete Rechts- oder Tatsachenfrage formuliert wird, die für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung (entscheidungserheblich) war, deren Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder Weiterentwicklung des Rechts geboten ist und der eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124a Rn. 72).

Der Kläger wirft sinngemäß die Frage auf, ob die Übergabe einer Kopie des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) an den Asylbewerber durch die zuständige Ausländerbehörde den tatsächlichen Zugang des Bescheids ersetzen bzw. ob ein Mangel der Zustellung nach § 8 VwZG – hier auch unter Berücksichtigung von § 6 Abs. 1 Satz 1 VwZG – geheilt werden kann.

Es kann offen bleiben, ob der Kläger die grundsätzliche Bedeutung dieser Frage ausreichend dargelegt hat (§ 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG). Er setzt sich zwar kritisch mit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts, nicht jedoch mit der zahlreich zu dieser Thematik vorhandenen Rechtsprechung auseinander. Denn die Frage ist hier nicht entscheidungserheblich, ihre Klärung in einem Berufungsverfahren daher nicht zu erwarten, weil der Bescheid des Bundesamts gegenüber dem Kläger jedenfalls hier rechtswirksam geworden ist.

a) Zwar wurde der Bescheid des Bundesamts vom 13. April 2017 nicht wirksam zugestellt. Der Kläger bzw. sein Vormund sind im Vorfeld und während der Zustellung des Bescheids mehrmals umgezogen bzw. es sind dem Bundesamt mehrmals andere Adressen des Klägers bzw. seines Vormund mitgeteilt worden, so dass auch der letzte Zustellversuch an die letztlich “gültige“ Adresse am 26. April 2017 scheiterte. Dabei kann offen bleiben, ob die Erklärung des Klägers in der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts, seine Wohnung sei bei dem (letzten) Zustellungsversuch am 26. April 2017 ordnungsgemäß „mit Namen und Klingelschild etc.“ ausgezeichnet gewesen, die Beweiskraft der Postzustellungsurkunde als öffentliche Urkunde hätte erschüttern bzw. widerlegen können, wie das Verwaltungsgericht angenommen hat. Denn der Bescheid war zutreffend an den nach § 6 Abs. 1 Satz 1 VwZG zuständigen Vormund adressiert, so dass es nicht darauf ankommt, ob der Name des Klägers auf einem zur Wohnung gehörenden Briefkasten oder einer ähnlichen Vorrichtung angebracht war. Die Zustellung ist hier schon deshalb fehlerhaft, weil die Zustellungsfiktion des § 10 AsylG bei Zustellung an einen Vormund, der sich - wie hier - nicht zusammen mit dem Kläger im Asylverfahren befindet, nicht greift, dem Vormund aber auch kein Bescheid zugestellt wurde.

b) Der Bescheid des Bundesamts ist dennoch gegenüber dem Kläger rechtswirksam geworden. Denn seine fehlerhafte Zustellung ist geheilt. Nach § 8 VwZG gilt ein Dokument, dessen formgerechte Zustellung sich nicht nachweisen lässt oder das unter Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften zugegangen ist, in dem Zeitpunkt als zugestellt, in dem es dem Empfangsberechtigten tatsächlich zugegangen ist. Nach § 2 Abs. 1 VwZG ist Zustellung die Bekanntgabe eines schriftlichen oder elektronischen Dokuments in der in diesem Gesetz bestimmten Form.

aa) Die Frage, ob auch eine Fotokopie des zuzustellenden Dokuments, die das Original nach Inhalt und Fassung vollständig wiedergibt und die dem Betroffenen mit Zustellungswillen der erlassenden Behörde zugeht, für den tatsächlichen Zugang in diesem Sinn ausreichen kann, ist umstritten (vgl. bejahend z.B. BVerwG, U.v. 18.4.1997 – 8 C 43.95 – juris Rn. 29 zur früher gleichlautenden Vorschrift in § 9 Abs. 1 VwZG a.F. einerseits; andererseits die Gesetzesbegründung zur Novellierung des Verwaltungszustellungsrechts durch Gesetz vom 12.8.2005, BGBl I S. 2354, in der BT-Drs. 15/5216 S. 11 zu § 2 VwZG: „Bei der Zustellung eines Dokuments ist wie bisher die Urschrift, eine Ausfertigung oder eine beglaubigte Abschrift zu übermitteln; die Übersendung einer bloßen Fotokopie genügt somit nicht“). Auch die Rechtsprechung zu § 189 ZPO, dem die Vorschrift des § 8 VwZG weitgehend angepasst wurde (vgl. BT-Drs., a.a.O., S. 14), hierzu ist nicht einheitlich (vgl. z.B. OLG München, U.v. 14.9.2017 – 6 U 1864/17 – juris Rn. 46 m.w.N.; OLG Frankfurt, B.v. 6.2.2017 – 19 U 190/16 – juris Rn. 14 f.; vgl. auch BGH, U.v. 13.9.2017 – IV ZR 26/16 – juris Rn. 17 f.; B.v. 13.10.2016 – V ZB 174/15 – juris Rn. 21 ff. jeweils zur Zustellung einer Abschrift).

bb) Die Klärung dieser Frage kann hier aber offen bleiben. Denn der Kläger hat die Aushändigung einer Kopie des Bescheids des Bundesamts durch die Ausländerbehörde, die das Original nach Inhalt und Fassung vollständig wiedergibt, zum Anlass genommen, durch Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 20. Juni 2017 unter Vorlage einer Vollmacht seines Vormunds vom 6. Juni 2017 Versagungsgegenklage (Aufhebung des Bescheids und Gewährung des beantragten Schutzstatus) zum Verwaltungsgericht Würzburg zu erheben, ohne sich gegen die unterlassene Zustellung des Bescheids zu wenden. Damit dürfte er zwar nicht für die Vergangenheit auf das Recht, die fehlerhafte Bekanntgabe zu rügen, verzichtet haben; er hat damit aber die ihn betreffende Regelungswirkung anerkannt, so dass der Bescheid ihm gegenüber, allerdings frühestens ab diesem Zeitpunkt, als wirksam angesehen werden muss (vgl. BVerwG, U.v. 25.4.2013 – 3 C 19.12 – Buchholz 428.2 § 2 VZOG Nr. 21 = juris Rn. 17). Das Fehlen einer Rechtsbehelfsbelehrung:steht der Vollständigkeit der Bescheidskopie nicht entgegen; daraus folgt lediglich, dass anstelle der vorgesehenen Rechtsbehelfsfrist die Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO gilt.

cc) Dass das Bundesamt Zustellungswillen hatte, ergibt sich ohne weiteres aus seinen missglückten Zustellungs- und Bekanntgabeversuchen. Zur Heilung ist nicht erforderlich, dass auch die nachträgliche Kenntniserlangung durch den Adressaten oder Empfangsberechtigten vom Willen der erlassenden Behörde erfasst wird, wenn der Bescheid mit Wissen und Wollen dieser Behörde in der Absicht, Rechtsfolgen auszulösen, aus dem internen Bereich herausgegeben wurde (vgl. BVerwG, U.v. 18.4.1997 – 8 C 42.95 – juris Rn. 29 m.w.N.), was bereits bei einem Zustellungsversuch der Fall ist.

dd) Der Bescheid ist hier auch unabhängig davon wirksam geworden, ob die Kopie des Bescheids dem empfangszuständigen (vgl. § 6 Abs. 1 VwZG) Vormund des Klägers bekanntgeworden ist. Wird eine Bescheidskopie, die einem Dritten, hier dem minderjährigen Kläger, ausgehändigt wurde, nicht an die empfangsberechtigte Person weitergereicht, jedoch einem von der empfangsberechtigten Person bevollmächtigten Rechtsanwalt übergeben, ist die mangelhafte oder fehlende Zustellung durch tatsächliche Bekanntgabe ebenfalls geheilt (vgl. BVerwG, U.v. 18.4.1997 – 8 C 42.95 – juris Rn. 28).

c) Der Kläger war zwar nicht daran gehindert, in der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts am 15. September 2017, nachdem er ursprünglich mit dem Klageschriftsatz vom 20. Juni 2017 die Aufhebung des Bescheids des Bundesamts und Schutzgewährung begehrt hat, zu beantragen, festzustellen, dass der Bescheid des Bundesamts dem Kläger nicht zugestellt wurde und deshalb keine Rechtwirkungen gegenüber ihm entfaltet, und die Versagungsgegenklage nur hilfsweise zu erheben. Die Berufung auf die mangelnde Wirksamkeit des Bescheids erfolgte aber erst, nachdem der Kläger durch Erhebung der Versagungsgegenklage mit Schriftsatz vom 20. Juni 2017 dessen Rechtswirksamkeit anerkannt hatte. Sie kam daher zu spät und die Klage wurde insoweit zu Recht vom Verwaltungsgericht abgewiesen.

2. Gegen die Abweisung der Klage im Hilfsantrag (Versagungsgegenklage) wurden in der Zulassungsbegründung keine Zulassungsgründe dargelegt.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).

4. Dieser Beschluss, mit dem die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig wird (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG), ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich

1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,
a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,
2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder
3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
Satz 1 gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.

(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er

1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder
2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
Wird der Schutz oder Beistand nach Satz 1 Nummer 1 nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig erklärt worden ist, sind die Absätze 1 und 2 anwendbar.

(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Der Ausländer hat während der Dauer des Asylverfahrens vorzusorgen, dass ihn Mitteilungen des Bundesamtes, der zuständigen Ausländerbehörde und der angerufenen Gerichte stets erreichen können; insbesondere hat er jeden Wechsel seiner Anschrift den genannten Stellen unverzüglich anzuzeigen.

(2) Der Ausländer muss Zustellungen und formlose Mitteilungen unter der letzten Anschrift, die der jeweiligen Stelle auf Grund seines Asylantrags oder seiner Mitteilung bekannt ist, gegen sich gelten lassen, wenn er für das Verfahren weder einen Bevollmächtigten bestellt noch einen Empfangsberechtigten benannt hat oder diesen nicht zugestellt werden kann. Das Gleiche gilt, wenn die letzte bekannte Anschrift, unter der der Ausländer wohnt oder zu wohnen verpflichtet ist, durch eine öffentliche Stelle mitgeteilt worden ist. Der Ausländer muss Zustellungen und formlose Mitteilungen anderer als der in Absatz 1 bezeichneten öffentlichen Stellen unter der Anschrift gegen sich gelten lassen, unter der er nach den Sätzen 1 und 2 Zustellungen und formlose Mitteilungen des Bundesamtes gegen sich gelten lassen muss. Kann die Sendung dem Ausländer nicht zugestellt werden, so gilt die Zustellung mit der Aufgabe zur Post als bewirkt, selbst wenn die Sendung als unzustellbar zurückkommt.

(3) Betreiben Familienangehörige im Sinne des § 26 Absatz 1 bis 3 ein gemeinsames Asylverfahren und ist nach Absatz 2 für alle Familienangehörigen dieselbe Anschrift maßgebend, können für sie bestimmte Entscheidungen und Mitteilungen in einem Bescheid oder einer Mitteilung zusammengefasst und einem Familienangehörigen zugestellt werden, sofern er volljährig ist. In der Anschrift sind alle volljährigen Familienangehörigen zu nennen, für die die Entscheidung oder Mitteilung bestimmt ist. In der Entscheidung oder Mitteilung ist ausdrücklich darauf hinzuweisen, gegenüber welchen Familienangehörigen sie gilt.

(4) In einer Aufnahmeeinrichtung hat diese Zustellungen und formlose Mitteilungen an die Ausländer, die nach Maßgabe des Absatzes 2 Zustellungen und formlose Mitteilungen unter der Anschrift der Aufnahmeeinrichtung gegen sich gelten lassen müssen, vorzunehmen. Postausgabe- und Postverteilungszeiten sind für jeden Werktag durch Aushang bekannt zu machen. Der Ausländer hat sicherzustellen, dass ihm Posteingänge während der Postausgabe- und Postverteilungszeiten in der Aufnahmeeinrichtung ausgehändigt werden können. Zustellungen und formlose Mitteilungen sind mit der Aushändigung an den Ausländer bewirkt; im Übrigen gelten sie am dritten Tag nach Übergabe an die Aufnahmeeinrichtung als bewirkt.

(5) Die Vorschriften über die Ersatzzustellung bleiben unberührt.

(6) Müsste eine Zustellung außerhalb des Bundesgebiets erfolgen, so ist durch öffentliche Bekanntmachung zuzustellen. Die Vorschriften des § 10 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 des Verwaltungszustellungsgesetzes finden Anwendung.

(7) Der Ausländer ist bei der Antragstellung schriftlich und gegen Empfangsbestätigung auf diese Zustellungsvorschriften hinzuweisen.

(1) Eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften, die nicht den Verwaltungsakt nach § 44 nichtig macht, ist unbeachtlich, wenn

1.
der für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderliche Antrag nachträglich gestellt wird;
2.
die erforderliche Begründung nachträglich gegeben wird;
3.
die erforderliche Anhörung eines Beteiligten nachgeholt wird;
4.
der Beschluss eines Ausschusses, dessen Mitwirkung für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderlich ist, nachträglich gefasst wird;
5.
die erforderliche Mitwirkung einer anderen Behörde nachgeholt wird.

(2) Handlungen nach Absatz 1 können bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden.

(3) Fehlt einem Verwaltungsakt die erforderliche Begründung oder ist die erforderliche Anhörung eines Beteiligten vor Erlass des Verwaltungsaktes unterblieben und ist dadurch die rechtzeitige Anfechtung des Verwaltungsaktes versäumt worden, so gilt die Versäumung der Rechtsbehelfsfrist als nicht verschuldet. Das für die Wiedereinsetzungsfrist nach § 32 Abs. 2 maßgebende Ereignis tritt im Zeitpunkt der Nachholung der unterlassenen Verfahrenshandlung ein.

Die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nach § 44 nichtig ist, kann nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat.

Tatbestand

1

Der 1973 geborene Kläger ist syrisch-orthodoxer Christ türkischer Staatsangehörigkeit. Er reiste im Alter von sechs Jahren in die Bundesrepublik Deutschland ein und lebte zunächst bei seinen Eltern. Ihm wurde ein befristeter Aufenthaltstitel erteilt und in der Folge mehrfach verlängert; mehrere Geschwister haben inzwischen die deutsche Staatsangehörigkeit erworben. Seine Schulausbildung beendete er ohne Abschluss. Seit seinem 13. Lebensjahr konsumierte er Drogen und wurde vielfach straffällig. Im Zeitraum zwischen 1991 und 2010 verbrachte er insgesamt etwa 15 Jahre in Untersuchungs- und Strafhaft; maßgeblich hierfür waren überwiegend Verurteilungen zu Freiheitsstrafen von jeweils bis zu zwei Jahren. Eine höhere Freiheitsstrafe, nämlich eine Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren, war lediglich durch das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 24. Januar 2001 ausgesprochen worden. Diesem Urteil lagen eine am 30. Oktober 2000 begangene versuchte schwere räuberische Erpressung in Tateinheit mit versuchter gefährlicher Körperverletzung in einem minderschweren Fall (Einzelstrafe zwei Jahre zehn Monate) und eine am 1. Juli 2000 begangene Bedrohung in Tateinheit mit Beleidigung (Einzelstrafe sechs Monate) zu Grunde.

2

Die Ausländerbehörde der Stadt Hamburg hörte den Kläger seit 1992 mehrfach zu einer beabsichtigten Ausweisung an. Durch Bescheid vom 29. Dezember 1999 wies sie ihn aus, weil er innerhalb von fünf Jahren zu mehreren Freiheitsstrafen von zusammen mindestens drei Jahren verurteilt worden sei (§ 47 Abs. 1 Nr. 1 AuslG 1990). Seine hiergegen gerichtete Anfechtungsklage blieb erfolglos. In der Folge wurden ihm Duldungen erteilt. Einen im Jahre 1996 aus der Haft heraus gestellten Asylantrag lehnte die Beklagte als offensichtlich unbegründet ab, wurde jedoch durch das zuständige Verwaltungsgericht verpflichtet, den Kläger wegen seiner Zugehörigkeit zur Gruppe der syrisch-orthodoxen Christen als asylberechtigt anzuerkennen.

3

Durch Bescheid vom 25. Januar 2006 widerrief die Beklagte die Anerkennung des Klägers als Asylberechtigter (Ziffer 1 des Bescheids) sowie die Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorlägen (Ziffer 2). Zusätzlich stellte sie fest, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG offensichtlich nicht vorlägen (Ziffer 3). Zur Begründung verwies sie auf die Verurteilung des Klägers zu einer dreijährigen Freiheitsstrafe (§ 60 Abs. 8 Satz 1 Alt. 2 AufenthG). Die weitere Feststellung, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorlägen (Ziffer 4), begründete sie damit, dass syrisch-orthodoxe Christen in der Türkei nicht mehr mit Verfolgung oder menschenrechtswidriger Behandlung rechnen müssten.

4

Das Verwaltungsgericht Hamburg wies die gegen diesen Bescheid gerichtete Anfechtungsklage durch Urteil vom 11. Dezember 2008 ab. Das Oberverwaltungsgericht hat auf die Berufung des Klägers das Urteil des Verwaltungsgerichts durch Beschluss vom 2. Januar 2012 geändert und den Bescheid der Beklagten aufgehoben. Ein Widerrufsgrund könne nicht nur dann vorliegen, wenn nachträglich die Anerkennungsvoraussetzungen wegfielen, sondern auch dann, wenn nachträglich Ausschlussgründe verwirklicht worden seien, etwa wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden sei. Ein solcher Fall sei hier jedoch nicht gegeben. Denn § 60 Abs. 8 Satz 1 Alt. 2 AufenthG erfasse nicht den Fall, dass im Wege der Gesamtstrafenbildung auf eine dreijährige Freiheitsstrafe erkannt worden sei. Dies folge aus dem Wortlaut der Norm und werde durch Entstehungsgeschichte und Gesetzeszweck bestätigt. Die Möglichkeit eines Widerrufs der Asyl- und Flüchtlingsanerkennung als Folge einer Gesamtstrafenbildung könne im Übrigen zu Gleichheitsverstößen führen. Denn derjenige Straftäter, bei dem die Ahndung mehrerer Straftaten verbunden werde und in eine dreijährige Gesamtstrafe münde, werde ohne sachlichen Grund gegenüber demjenigen benachteiligt, bei dem dieselben Straftaten verfahrensmäßig getrennt und mit Strafen von jeweils unter drei Jahren abgeurteilt würden. Die Frage, ob der Widerruf der Asylanerkennung auch darauf gestützt werden könne, dass dem Kläger bei einer Rückkehr in die Türkei auf Grund einer Veränderung der Umstände keine asylrelevante Verfolgung oder Folter bzw. unmenschliche Behandlung mehr drohe, habe die Beklagte in ihren Bescheid weder angesprochen noch habe sie entsprechende Überlegungen im Gerichtsverfahren vorgetragen. Die Möglichkeit einer derartigen Veränderung der maßgeblichen Umstände in der Türkei liege auch nicht ohne Weiteres auf der Hand.

5

Die Beklagte rügt mit der Revision die Verletzung materiellen Rechts sowie die Verletzung der Amtsaufklärungspflicht. Sie ist der Auffassung, dass auch die Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von mindestens drei Jahren den Widerruf der Asyl- und Flüchtlingseigenschaft begründen könne.

6

Der Kläger verteidigt die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts und hält hilfsweise sein Begehren auf Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung unionsrechtlicher bzw. nationaler Abschiebungsverbote aufrecht.

7

Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht beteiligt sich an dem Verfahren und unterstützt die Revision.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision ist begründet. Das Berufungsgericht hat allerdings ohne Verstoß gegen revisibles Recht entschieden, dass die Beklagte den Widerruf der Asyl- und Flüchtlingsanerkennung des Klägers nicht auf § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG, § 60 Abs. 8 Satz 1 Alt. 2 AufenthG stützen durfte. Es hat jedoch die im Verfahren ebenfalls aufgeworfene Frage, ob der Widerruf stattdessen auf den Wegfall der verfolgungsbegründenden Umstände gestützt werden konnte (§ 73 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG), nicht im Einklang mit revisiblem Recht beantwortet. Da hinreichende Sachverhaltsfeststellungen hierzu fehlen, kann der Senat die Frage, ob sich die Berufungsentscheidung aus anderen Gründen als richtig erweist (§ 144 Abs. 4 VwGO), nicht abschließend beantworten. Der Rechtsstreit ist deshalb zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO.

9

1. Gegenstand des Verfahrens ist der Widerrufsbescheid der Beklagten vom 25. Januar 2006. Auf die Anfechtungsklage des Klägers ist die Rechtmäßigkeit dieses Bescheids uneingeschränkt zu überprüfen. Eine Beschränkung der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle auf einen von mehreren möglichen Widerrufsgründen würde der Verpflichtung des Verwaltungsgerichts widersprechen, die Rechtmäßigkeit eines angefochtenen unteilbaren Verwaltungsakts umfassend zu prüfen. Dabei muss das Verwaltungsgericht zum einen auch solche Anfechtungsgründe berücksichtigen, die der Kläger nicht geltend gemacht hat (stRspr seit Urteil vom 20. Februar 1956 - BVerwG 5 C 36.55 - NJW 1956, 804; vgl. auch Urteil vom 24. Februar 2011 - BVerwG 10 C 3.10 - BVerwGE 139, 109, Rn. 14 a.E. im Anschluss an EuGH, Urteil vom 2. März 2010 - Rs. C-175/08 u.a., Abdulla u.a. - NVwZ 2010, 505 Rn. 76). Zum anderen hat es die Rechtmäßigkeit eines nicht im Ermessen der Behörde stehenden Verwaltungsakts auch unter Gesichtspunkten zu prüfen, die von der Behörde im Bescheid oder im Gerichtsverfahren nicht angeführt worden sind. Denn die Aufhebung eines solchen Verwaltungsakts setzt nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO u.a. seine objektive Rechtswidrigkeit voraus; daran fehlt es auch dann, wenn er unter einem im Bescheid oder im Verfahren nicht angesprochenen Grund rechtmäßig ist. Die vorliegende Klage ist also nicht schon dann begründet, wenn der im Widerrufsbescheid allein angeführte Widerrufsgrund des § 60 Abs. 8 AufenthG nicht vorliegt, sondern nur dann, wenn der Bescheid auch unter anderen rechtlichen Gesichtspunkten nicht haltbar ist und er den Adressaten in seinen Rechten verletzt, insbesondere also wenn auch andere in Betracht kommende Widerrufsgründe ausscheiden. Nur diese Sichtweise wird im Übrigen der im Asylverfahren geltenden Konzentrations- und Beschleunigungsmaxime gerecht, nach der alle in einem Asylprozess typischerweise relevanten Fragen in einem Prozess abschließend geklärt werden sollen (Urteil vom 8. September 2011 - BVerwG 10 C 14.10 - BVerwGE 140, 319 Rn. 10; Beschluss vom 10. Oktober 2011 - BVerwG 10 B 24.11 - juris Rn. 4).

10

2. Ohne Verstoß gegen revisibles Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass die Beklagte den Widerruf der Asyl- und Flüchtlingsanerkennung im vorliegenden Fall zu Unrecht auf § 60 Abs. 8 AufenthG gestützt hat.

11

Nach § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG müssen die Anerkennung als Asylberechtigter und die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft unverzüglich widerrufen werden, wenn die Voraussetzungen für sie nicht mehr vorliegen. Dies ist u.a. dann der Fall, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland (§ 60 Abs. 8 Satz 1 Alt. 1 AufenthG) oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist (§ 60 Abs. 8 Satz 1 Alt. 2 AufenthG). Im letztgenannten Fall muss zusätzlich eine konkrete Wiederholungsgefahr bestehen. Diese liegt nur vor, wenn von dem Ausländer in Zukunft neue vergleichbare Straftaten ernsthaft drohen (vgl. Urteil vom 16. November 2000 - BVerwG 9 C 6.00 - BVerwGE 112, 185 <188 ff.> noch zu § 51 Abs. 3 Alt. 2 AuslG 1990).

12

Die nach § 60 Abs. 8 Satz 1 Alt. 2 AufenthG erforderliche rechtskräftige Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren kann grundsätzlich unabhängig davon vorliegen, ob die verhängte Freiheitsstrafe auf tateinheitlich oder tatmehrheitlich begangene und gleichzeitig abgeurteilte Delikte (§ 52 oder §§ 53 bis 55 StGB) zurückgeht. Bei der Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe ist jedoch erforderlich, dass zumindest eine der Einzelstrafen, aus denen die Gesamtstrafe gemäß §§ 54 oder 55 StGB gebildet wird, eine wenigstens dreijährige Freiheitsstrafe ist. Falls hingegen die Gesamtfreiheitsstrafe ausschließlich aus Einzelstrafen hervorgegangen ist, die jeweils für sich genommen die Mindestdauer von drei Jahren nicht erreichen, ist der Anwendungsbereich des § 60 Abs. 8 Satz 1 Alt. 2 AufenthG nicht eröffnet. Dies folgt aus dem Wortlaut der Norm und einer teleologisch-systematischen Auslegung im Einklang mit den relevanten völker- und unionsrechtlichen Vorschriften (anders OVG Lüneburg, Urteil vom 8. Februar 2012 - 13 LB 50/09 - und OVG Schleswig, Urteil vom 21. Juni 2012 - 1 LB 10/10).

13

Nach dem Wortlaut des § 60 Abs. 8 Satz 1 Alt. 2 AufenthG stellt ein Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit dar, wenn er wegen "eines" Verbrechens oder besonders schweren Vergehens verurteilt worden ist; ein entsprechender Sprachgebrauch findet sich auch in Art. 14 Abs. 4 Buchst. b der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 (vormals Richtlinie 2004/83/EG, "wegen einer besonders schweren Straftat rechtskräftig verurteilt") sowie in Art. 33 Abs. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK, "weil er wegeneines Verbrechens oder eines besonderes schweren Vergehens rechtskräftig verurteilt wurde"). Im Hinblick darauf, dass das Aufenthaltsgesetz in einem vergleichbaren Zusammenhang Rechtsfolgen ausdrücklich an das Vorliegen "einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten" knüpft (§ 53 Nr. 1, § 54 Nr. 1 AufenthG), spricht der Wortlaut des § 60 Abs. 8 Satz 1 Alt. 2 AufenthG eher für als gegen die Annahme, dass die Gefahrenschwelle der Vorschrift nicht überschritten wird, wenn die Verurteilung zu einer mindestens dreijährigen Gesamtstrafe auf einer Zusammenfassung mehrerer Freiheitsstrafen von jeweils unter dreijähriger Dauer beruht.

14

Diese Annahme wird durch den Zweck der Vorschrift bestätigt. Sie geht auf Art. 14 Abs. 4 Buchst. b der Richtlinie 2004/83/EG zurück, der Art. 33 Abs. 2 GFK und der darin normierten Ausnahme vom völkerrechtlichen Refoulement-Verbot nachgebildet ist: Sie soll Gefahren von dem Aufnahmestaat eines Flüchtlings abwehren, die durch dessen kriminelles Verhalten verursacht werden. Im Hinblick darauf, dass § 60 Abs. 8 Satz 1 Alt. 2 AufenthG und Art. 14 Abs. 4 Buchst. b der Richtlinie 2011/95/EU darüber hinausgehend sogar die Möglichkeit eines Widerrufs der Asyl- und Flüchtlingsanerkennung vorsehen (krit. dazu Hailbronner, EU Immigration and Asylum Law, Kap. IV 3, S. 1133 f. Rn. 15; Marx, Handbuch zum Flüchtlingsschutz, 2. Aufl. 2012, § 37 Rn. 47 ff.), muss die Vorschrift jedoch restriktiv so ausgelegt werden, dass die Sicherungen insbesondere des völkerrechtlichen Flüchtlingsrechts gegen eine Abschiebung in den Verfolgerstaat nicht relativiert werden. Der Widerruf der Asyl- und Flüchtlingsgewährung kann deshalb gegenüber kriminellen Flüchtlingen nur als ultima ratio in Betracht kommen, wenn ihr kriminelles Verhalten die Schwelle der besonders schweren Strafbarkeit überschreitet (vgl. Urteil vom 7. Oktober 1975 - BVerwG 1 C 46.69 - BVerwGE 49, 202 <208 ff.> zu § 14 Abs. 1 Satz 2 AuslG 1965).

15

Aus diesen Gründen kommt es nach der Konzeption des deutschen Rechts für die Anwendung des § 60 Abs. 8 AufenthG unabhängig davon, dass die Umsetzung der Mindestgewährleistung des Art. 14 Abs. 4 Buchst. b der Richtlinie 2004/83/EG in nationales Recht durch die Mitgliedstaaten eine erhebliche Bandbreite aufweist (vgl. European Council on Refugees and Exilies, The Impact oft the EU Qualification Directive on International Protection, 2008, S. 171 ff., 179 bis 182 mit einer Zusammenstellung der Umsetzungsmaßnahmen, vgl. auch ebda. S. 33 f.), im Übrigen auch nicht auf die abstrakte Strafdrohung, sondern auf die konkret verhängte Freiheitsstrafe an. Denn die Mindeststrafenregelung soll sicherstellen, dass der Entzug des Asyl- und Flüchtlingsstatus nur gegenüber besonders gefährlichen Tätern in Betracht kommt. Nur sie bedeuten eine Gefahr für die Allgemeinheit, die gegenüber dem Ziel des Flüchtlingsschutzes im Ausnahmefall überwiegen kann, nicht aber solche Täter, die sich zwar eines mit hoher Strafdrohung bewehrten Vergehens oder Verbrechens schuldig gemacht haben, dabei aber im unteren oder mittleren Bereich der Strafbarkeit geblieben sind, so dass sie eine Freiheitsstrafe von weniger als drei Jahren verwirkt haben. Ist ein Flüchtling rechtskräftig zu einer mindestens dreijährigen (Einzel-)Freiheitsstrafe verurteilt worden, ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles weiter zu prüfen, ob diese Verurteilung die Annahme rechtfertigt, dass er tatsächlich eine Gefahr für die Allgemeinheit im Sinne des § 60 Abs. 8 Satz 1 Alt. 2 AufenthG darstellt.

16

Aus demselben Grund reicht es nicht aus, wenn ein Täter nur deshalb zu einer mindestens dreijährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden ist, weil mehrere von ihm begangene Taten geringeren oder mittleren Gewichts im Rahmen eines einzigen Strafverfahrens oder - wenn eine frühere Strafe noch nicht vollstreckt ist - im Wege der nachträglichen Gesamtstrafenbildung abgeurteilt worden sind. Die von der Beklagten für richtig gehaltene Auslegung des § 60 Abs. 8 Satz 1 Alt. 2 AufenthG würde hingegen dazu führen, dass die von rein verfahrenspraktischen Aspekten, nicht aber von der Gefährlichkeit des Täters abhängige Frage, ob eine Straftat in einem Strafverfahren für sich genommen oder zusammen mit anderen Straftaten abgeurteilt wird, ausschlaggebend dafür werden könnte, ob der Täter die Voraussetzungen für einen Widerruf seines Asyl- oder Flüchtlingsstatus erfüllt oder nicht.

17

Auch die Entstehungsgeschichte der Genfer Flüchtlingskonvention (vgl. Takkenberg/Tahbaz, The collected travaux préparatoires of the 1951 Geneva convention relating to the status of refugees, 1990, III S. 89 f., 344 ff., sowie Weis, The travaux préparatoires analysed with a commentary, abrufbar bei www.unhcr.org/4ca34be29.html, ab Seite 233) bestätigt die Erforderlichkeit einer restriktiven Auslegung des § 60 Abs. 8 Satz 1 Alt. 2 AufenthG. Während im ursprünglichen Textentwurf eine Einschränkung des Refoulement-Verbots (Art. 28 des Entwurfs) noch nicht vorgesehen war, setzte sich der Gedanke, dass Staaten zur Hinnahme von Gefahren für ihre Sicherheit oder für die Allgemeinheit nicht unbeschränkt gezwungen sein dürften, erst nach einer intensiven Debatte über die Grenzen des Refoulement-Schutzes durch. Der schließlich verabschiedeten Textfassung lag die Einschätzung zu Grunde, dass die Abschiebung eines Flüchtlings nur ausnahmsweise und als Reaktion auf besonders schwerwiegendes kriminelles Verhalten des Flüchtlings zulässig sei, wenn eine Gefahr für die nationale Sicherheit oder der Allgemeinheit bestehe. Die Auffassung des Vertreters des Bundesinteresses, auch in derartigen Fällen könne über die Merkmale einer Gefahr für die Allgemeinheit oder der Wiederholungsgefahr im Rahmen einer Einzelfallwürdigung eine Unterschreitung des völker- und unionsrechtlich gebotenen Mindeststandards verhindert werden (ebenso OVG Schleswig a.a.O. Rn. 45), wird diesen Anforderungen nicht gerecht. Denn sie verschiebt die untere Grenze für die Möglichkeit eines Widerrufs der Asyl- und Flüchtlingsanerkennung in einen Bereich, der bereits die durch eine Mehrzahl von Taten der mittleren Kriminalität ausgelösten Gefahren erfasst und sich damit gerade nicht auf Fälle besonders schwerer Verbrechen (Art. 14 Abs. 4 Buchst. b Richtlinie 2011/95/EU) beschränkt.

18

Aus der Entstehungsgeschichte des § 60 Abs. 8 AufenthG ergibt sich nichts Abweichendes. Die Mindeststrafengrenze des § 60 Abs. 8 Satz 1 Alt. 2 AufenthG war weder im Ausländergesetz vom 28. April 1965 (AuslG 1965, dort § 14 Abs. 1 Satz 2, gültig bis Ende 1990) noch in der bis Oktober 1997 gültigen Fassung des Ausländergesetzes vom 9. Juli 1990 (AuslG 1990, dort § 51 Abs. 4) enthalten und fehlt auch in Art. 33 Abs. 2 der durch das AuslG 1965 in Bezug genommenen Genfer Flüchtlingskonvention. Sie wurde erst durch Gesetz vom 29. Oktober 1997 als § 51 Abs. 3 AuslG (gültig bis Ende 2004) mit der Begründung in das Gesetz eingefügt, die bisher nur selten angewandte Vorschrift solle konkretisiert und ihre praktische Anwendung angesichts der aktuellen politischen Lage erleichtert werden (BTDrucks 13/4948 S. 9). Weder durch das Aufenthaltsgesetz in der Fassung vom 30. Juli 2004 noch durch das erste Richtlinienumsetzungsgesetz vom 19. August 2007 ist sie nachfolgend geändert worden. Aus diesem Ablauf lässt sich lediglich die Absicht des Normgebers ableiten, die Ausweisung von Straftätern durch eine leicht handhabbare Regelung zu erleichtern, nicht aber eine Aussage zu der - in den Materialien nicht angesprochenen - Frage, ob die Mindeststrafengrenze auch durch eine aus mehreren Einzelstrafen von jeweils unter drei Jahren gebildete Gesamtstrafe erfüllt werden sollte oder nicht. Vielmehr folgt aus der ausdrücklichen Bezugnahme auf Art. 33 Abs. 2 GFK in der Begründung für die Einführung einer Mindestfreiheitsstrafe (BTDrucks 13/4948 S. 9), dass die dort verbindlich vereinbarte hohe Schwelle für eine Relativierung des Flüchtlingsschutzes nicht angetastet werden sollte.

19

3. Das Berufungsgericht hat jedoch die im vorliegenden Verfahren ebenfalls aufgeworfene Frage, ob der angegriffene Widerrufsbescheid auf § 73 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG gestützt werden kann, nicht im Einklang mit revisiblem Recht beantwortet. Dabei kann offenbleiben, ob das Berufungsgericht dieser Frage überhaupt nicht nachgegangen ist oder ob es die Frage zwar aufgeworfen, aber unter Verstoß gegen § 86 Abs. 1 VwGO - da ohne jede Sachverhaltsaufklärung - beantwortet hat.

20

Der Widerruf der Asyl- und Flüchtlingsanerkennung nach § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ist auch dann geboten, wenn der Ausländer es nach Wegfall der Umstände, die zur Anerkennung als Asylberechtigter oder zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft geführt haben, nicht mehr ablehnen kann, den Schutz des Staates in Anspruch zu nehmen, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt (§ 73 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG). Nach der Rechtsprechung kann dies allerdings erst dann angenommen werden, wenn sich die verfolgungsbegründenden Umstände erheblich und dauerhaft verändert haben (Urteile vom 1. Juni 2011 - BVerwG 10 C 25.10 - BVerwGE 140, 22 und vom 24. Februar 2011 a.a.O. Rn. 16 ff.; EuGH, Urteil vom 2. März 2010 - Rs. C-175/08 u.a., Abdulla u.a. - NVwZ 2010, 505 Rn. 72 ff.). Die bei der Anerkennung als Asylberechtigter oder der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft festgestellte Verfolgungsgefahr fällt also erst weg, wenn durch neue Tatsachen eine signifikant und entscheidungserheblich veränderte und zugleich stabile Grundlage für die Verfolgungsprognose entstanden ist, so dass keine beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung des Betroffenen nach seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat mehr besteht. Die einen Wegfall der Verfolgungslage begründenden Tatsachen müssen zur Überzeugung des Gerichts feststehen, wenn auch nicht - wie das Berufungsgericht es formuliert hat - "auf der Hand liegen".

21

4. Das Berufungsgericht hat keine Tatsachen festgestellt, aus denen sich ein Wegfall der Verfolgungslage ableiten ließe. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass im angegriffenen Bescheid Ausführungen zur Situation von Angehörigen der syrisch-orthodoxen Kirche in der Türkei enthalten sind, wenn auch lediglich im Zusammenhang mit einem denkbaren Anspruch des Klägers auf subsidiären Schutz. Denn es wäre Aufgabe des Verwaltungsgerichts und des Berufungsgerichts gewesen, die Richtigkeit dieser Ausführungen durch eigene tatsächliche Feststellungen zu überprüfen. Deshalb kann der Senat die Frage, ob die Berufungsentscheidung aus anderen Gründen richtig ist (§ 144 Abs. 4 VwGO) nicht beantworten und auch nicht zu Lasten des Klägers in der Sache selbst entscheiden. Vielmehr ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, um diesem die Gelegenheit zu geben, die für § 73 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG maßgeblichen Tatsachen aufzuklären.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Die Anerkennung als Asylberechtigter und die Zuerkennung des internationalen Schutzes erlöschen, wenn der Ausländer

1.
eindeutig, freiwillig und schriftlich gegenüber dem Bundesamt auf sie verzichtet oder
2.
auf seinen Antrag die deutsche Staatsangehörigkeit erworben hat.
Satz 1 Nummer 2 gilt entsprechend für die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Absatz 5 oder 7 des Aufenthaltsgesetzes.

(2) Der Ausländer hat einen Anerkennungs-, Zuerkennungs- oder Feststellungsbescheid und einen Reiseausweis unverzüglich bei der Ausländerbehörde abzugeben.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.