Verwaltungsgericht München Urteil, 21. Mai 2015 - M 12 K 14.4768

bei uns veröffentlicht am21.05.2015

Gericht

Verwaltungsgericht München

Gründe

Bayerisches Verwaltungsgericht München

M 12 K 14.4768

Im Namen des Volkes

Urteil

vom 21. Mai 2015

(§§ 116 Abs. 1, 117 Abs. 6 VwGO)

12. Kammer

Urkundsbeamter des Bayerischen Verwaltungsgerichts München ...

Sachgebiets-Nr. 600

Hauptpunkte:

Nachträglicher Erwerb der Unionsbürgerschaft durch einen nach dem Aufenthaltsgesetz ausgewiesenen Ausländer; Befristung der Sperrwirkungen der Ausweisung

Rechtsquellen:

In der Verwaltungsstreitsache

... - Kläger -

bevollmächtigt: Rechtsanwälte ...

gegen

Landeshauptstadt München KVR HA II, Ausländerangelegenheiten ...

- Beklagte -

wegen Befristung der Sperrwirkung der Ausweisung

erlässt das Bayerische Verwaltungsgericht München, 12. Kammer, durch die Vorsitzende Richterin am Verwaltungsgericht ..., den Richter am Verwaltungsgericht ..., die Richterin ..., die ehrenamtliche Richterin ..., die ehrenamtliche Richterin ... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 21. Mai 2015

am 21. Mai 2015

folgendes Urteil:

I.

Die Klage wird abgewiesen.

II.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

Der am ... geborene, ehemals jugoslawischer Staatsangehörige, lebte bis zu seiner erstmaligen Einreise in das Bundesgebiet am 16. September 2001 bei seinen Großeltern väterlicherseits. Sein Vater beantragte am 22. August 2000 bei der deutschen Botschaft in Belgrad seine Einreise in das Bundesgebiet im Rahmen des Familiennachzugs. Am 18. September 2001 erhielt der Kläger eine befristete Aufenthaltserlaubnis, die in der Folgezeit bis zum 12. Mai 2011 verlängert wurde. Die Schule hat der Kläger ohne Abschluss verlassen. Das Zusammenleben mit seinem Vater war von Gewalt ihm gegenüber geprägt sowie von sexuellen Übergriffen Dritter, deren Zeuge der Kläger wurde. In der Zeit vom 30. Januar 2008 bis zum 27. März 2008 war der Kläger daher im „... Heim“ untergebracht. Da auch eine weitere ambulante Betreuung keinerlei Besserung zeigte, lebte der Kläger daran anschließend in der ... in ... Dort begann er im Schuljahr 2009/2010 ein Berufsgrundschuljahr. Aufgrund einer Straftat musste der Kläger die Einrichtung noch im Jahr 2009 verlassen und war in der Zeit vom 11. September 2009 bis zum 13. November 2009 nach § 35 SGB VIII stationär untergebracht. Mit Bestellung vom ... April 2010 wurde das ... e.V. zum Ergänzungspfleger bestellt. Nach seiner Festnahme befand sich der Kläger nochmals aufgrund psychischer Probleme ab dem 23. August 2010 bis zum 31. Januar 2011 im ...

Der Kläger ist wie folgt strafrechtlich in Erscheinung getreten:

1. Mit Verfügung vom ... November 2008 sah die Staatsanwaltschaft in einem Verfahren wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis gemäß § 45 Abs. 2 JGG von der Verfolgung ab.

2. Mit Urteil vom ... Dezember 2009 wurde der Kläger vom Amtsgericht ... wegen Diebstahls verurteilt. Er wurde angewiesen, sich für 6 Monate einer Weisungsbetreuung zu unterstellen und den Weisungen seines Betreuers hinsichtlich Arbeit, Berufsausbildung, stationärer Jugendhilfemaßnahmen und Freizeitgestaltung pünktlich und zuverlässig Folge zu leisten. Außerdem wurden ihm 60 Stunden Sozialdienst nach Weisung der „... e.V.“ auferlegt. Da sich der Kläger weder mit seinem Betreuer noch mit der „... e.V.“ in Verbindung setzte bzw. Termine nicht wahrnahm, wurden mit Beschluss vom ... Januar 2010 4 Tage Ungehorsamsarrest gegen ihn verhängt. Dieser wurde vollzogen; von den 60 auferlegten Stunden leistete er dennoch nur 18 Stunden ab.

3. Unter Einbeziehung des Urteils des Amtsgerichts ... vom ... Dezember 2009 verurteilte das Landgericht ... den Kläger am ... Juli 2010 wegen gemeinschaftlichen Diebstahls in Tatmehrheit mit versuchtem gemeinschaftlichen Diebstahl in Tatmehrheit mit gemeinschaftlich versuchtem schweren Raub in Tateinheit mit gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung zu einer Jugendstrafe von 3 Jahren.

4. In einem Verfahren wegen des Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz sah die Staatsanwaltschaft ... mit Verfügung vom ... Juni 2011 gemäß § 154 Abs. 1 StPO von der Verfolgung ab.

5. Mit Urteil des Amtsgerichts ... vom ... Juni 2012 wurde der Kläger unter Einbeziehung des Urteils des ... vom ... Juli 2010 wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Einheitsjugendstrafe von 3 Jahren und 3 Monaten verurteilt.

Seit 10. Mai 2011 befand sich der Kläger in Haft.

Mit Bescheid der Beklagten vom ... April 2012 wurde der Kläger aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen und die Ausweisungswirkung unter der Bedingung, dass keine neuen Ausweisungsgründe verwirklicht werden, auf 5 Jahre befristet.

Gegen diesen Bescheid hat der Kläger durch seinen damaligen Bevollmächtigten Klage erhoben. In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht München am 26. Juli 2012 wurde im Rahmen einer außergerichtlichen Einigung vereinbart, dass die in Nr. 3 des Bescheides genannte Frist von 5 Jahren auf 2,5 Jahre gegen Klagerücknahme unter der Bedingung verkürzt wird, dass der Kläger zum Befristungszeitpunkt durch eine amtliche Bescheinigung nachweist, in welchem Land und in welchem Ort er sich im Ausweisungszeitraum aufgehalten hat, und einen Strafregisterauszug des Aufenthaltsstaates vorlegt, aus dem sich keine Eintragung ergeben darf.

Mit Bescheid vom ... Februar 2013 sah das Amtsgericht ... von der weiteren Vollstreckung der Einheitsjugendstrafe gemäß § 456 a Abs. 1 StPO i. V. m. § 2 JGG zum Zeitpunkt der Abschiebung aus der Bundesrepublik Deutschland - frühestens zum 15. März 2013 - ab. Die Abschiebung des Klägers nach Serbien erfolgte am 15. März 2013.

Mit Schreiben seines damaligen Bevollmächtigten vom ... Februar 2014 wurde der Beklagten mitgeteilt, dass der Kläger mittlerweile die rumänische Staatsangehörigkeit innehabe. Es wurde darum gebeten, die Ausschreibung aus dem Schengener-Informationssystem zu löschen. Dem kam die Beklagte umgehend nach. Des Weiteren wurde beantragt, die Sperrwirkung der Ausweisung nachträglich zu befristen. Aufgrund der rumänischen Staatsangehörigkeit des Klägers solle die nachträgliche Befristung der Ausweisungswirkungen neu überdacht werden.

Mit Schreiben vom ... März 2014 teilte die Beklagte dem damaligen Bevollmächtigten mit, dass sie im Fall des Klägers einen Befristungszeitraum von 2,5 Jahren immer noch für angemessen halte. Auf den vor dem Verwaltungsgericht München geschlossenen Vergleich und den noch offenen Strafrest von 510 Tagen wurde hingewiesen.

Mit Schreiben vom ... August 2014 erklärte der derzeitige Klägerbevollmächtigte, dass durch den Erwerb der rumänischen Staatsangehörigkeit in jedem Fall ein Grund vorliege, die Sperrwirkung der Ausweisung und Abschiebung zwingend auf jetzt zu befristen. Dies gelte unabhängig davon, dass gegebenenfalls ein noch zu vollstreckender Strafrest vorhanden sei. Der Umgang mit dem Strafrest sei mit der Staatsanwaltschaft zu klären und hier gegebenenfalls ein Antrag auf Reststrafenaussetzung zu betreiben.

Mit Bescheid der Beklagten vom ... September 2014 wurde der Antrag vom ... Februar 2014, ergänzt durch Schreiben vom ... August 2014, auf sofortige Befristung der Sperrwirkung der Ausweisungsverfügung vom ... April 2012 abgelehnt (Nr. 1) und die Wirkungsdauer der Sperrwirkung nachträglich auf 4 Jahre befristet (Nr. 2). Die Wirkungsdauer der Sperrwirkung werde auf 2 Jahre und 6 Monate verkürzt und ende somit am 14. September 2015, sofern der Kläger die vereinbarten Voraussetzungen aus dem gerichtlichen Vergleich vom ... Juli 2012 erfüllt (Nr. 3).

Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass durch den Erwerb der rumänischen Staatsbürgerschaft für den Antrag auf nachträgliche Befristung der Sperrwirkung nunmehr § 7 Abs. 2 FreizügG/EU maßgeblich sei. Die Wirksamkeit der „Altausweisung“ sei jedoch nicht mit dem Erwerb der rumänischen Staatsangehörigkeit entfallen. Die an die Altausweisung anknüpfenden gesetzlichen Sperrwirkungen blieben bestehen. Die Beklagte halte daher nach wie vor an dem vor dem Bayerischen Verwaltungsgericht München geschlossenen Vergleich fest. Die Befristung erfolge nach Vorlage einer Meldebescheinigung sowie eines eintragsfreien Strafregisterauszuges zum 14. September 2015. Dem Antrag auf Befristung müsse nur entsprochen werden, wenn Gründe, die zur Ausweisung führten, keine Feststellung des Verlustes der Freizügigkeit nach § 6 FreizügG/EU begründen könnten. Im Fall des Klägers lägen solche Gründe jedoch vor. Das Landgericht ... habe den Kläger wegen gemeinschaftlichen Diebstahls in Tatmehrheit mit versuchtem gemeinschaftlichem Diebstahl in Tatmehrheit mit gemeinschaftlich versuchtem schwerem Raub in Tateinheit mit gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung zu einer Jugendstrafe von 3 Jahren verurteilt. Durch ein in der Haft begangenes Körperverletzungsdelikt sei die Einheitsjugendstrafe von 3 Jahren und 3 Monaten verhängt worden. Bei der Bestimmung der Länge der Frist seien das Gewicht des Grundes der Aufenthaltsbeendigung und der mit der Feststellung des Rechtsverlustes verfolgte Zweck zu berücksichtigen. Es bedürfe der prognostischen Einschätzung im jeweiligen Einzelfall, wie lange das Verhalten des Klägers das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr mit Blick auf die im vorliegenden Fall bedeutsame Gefahrenschwelle des § 6 Abs. 1 und 2 FreizügG/EU zu tragen vermöge. Die sich an der Erreichung des Zwecks der Aufenthaltsbeendigung orientierende Höchstfrist müsse sich an höherrangigem Recht messen und gegebenenfalls relativieren lassen. Der Antrag vom ... Februar 2014 auf sofortige Befristung der Sperrwirkung der Ausweisungsverfügung sei daher abzulehnen gewesen. Der Kläger sei im Oktober 2009 mit Freunden auf der Suche nach Gegenständen, die sich zu Geld machen ließen, zunächst in ein verriegeltes Gartenhaus eingestiegen. Von dem Haus hätten sie gemeinsam mehrere Werkzeuge und Stangen entwendet. An dem Aufbruch eines Zigarettenautomaten mittels eines ihrer Werkzeuge seien sie gescheitert. Deshalb hätten alle beschlossen den nächsten vorbeikommenden Passanten „abzuziehen“, indem einer ihrer Freunde diesen mit einer Holzstange von hinten niederschlagen sollte, damit dem Opfer in der Folge mit Unterstützung der übrigen Personen sein Bargeld abgenommen werden konnte. Absprachewidrig habe einer der Freunde dem Geschädigten mit der Holzstange von vorne mit erheblicher Wucht in das Gesicht geschlagen. Durch diesen Schlag habe der Geschädigte die Sehfähigkeit auf dem rechten Auge verloren. Aufgrund der offenbaren Widerstandsbereitschaft des Opfers auch nach dem Schlag hätten sie alle von ihrem Vorhaben abgelassen und seien geflüchtet. Das Gericht habe damals festgestellt, dass der Kläger in seinem Sozialverhalten beeinträchtigt und erhebliche Probleme in der Kontrolle seiner Impulsivität habe. Dies spiegle sich auch in dem erneut während der damaligen Haftzeit begangenen Körperverletzungsdelikt wieder. Die Beklagte sehe nach wie vor ein hohes Gewaltpotential in der Person des Klägers. Wegen des Gewichtes der gefährdeten Rechtsgüter sowie der festgestellten hohen Wiederholungsgefahr erachte die Beklagte - auch im Hinblick auf die familiären und persönlichen Bindungen des Klägers - einen Zeitraum von 4 Jahren bzw. unter den vereinbarten Voraussetzungen von 2 Jahren und 6 Monaten für erforderlich, um dem hohen Gefahrenpotential Rechnung tragen zu können. Vor dem Hintergrund der allgemeinen Rückfallgefahr bei den vom Kläger verübten Straftaten sei nicht zu erwarten, dass er die hier maßgebliche Gefahrenschwelle des § 6 FreizügG/EU vor Ablauf der festgesetzten Frist unterschreite. Außer dem Erwerb der rumänischen Staatsangehörigkeit sei vom Kläger seitdem nicht dargelegt worden, aus welchem Grund der Befristungszeitraum verkürzt werden solle. Nach Abwägung und Berücksichtigung aller Umstände erscheine ein Betretungsverbot von 4 Jahren bzw. von 2,5 Jahren als geeignetes, erforderliches und angemessenes Mittel, weitere Beeinträchtigungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung abzuwenden.

Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom ... Oktober 2014, bei Gericht eingegangen am 21. Oktober 2014 eingegangen, hat der Kläger Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München erhoben und beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom ... September 2014 aufzuheben und diese zu verpflichten, die Sperrwirkung der Ausweisung vom ... April 2012 auf einen Zeitpunkt vor dem ... September 2014 nachträglich zu befristen.

Zur Begründung wurde ausgeführt, der angegriffene Bescheid sei rechtswidrig und verletze den Kläger in seinen Rechten. Durch den Erwerb der Staatsangehörigkeit eines europäischen Staates im Jahr 2013 - nach Rechtskraft der Ausweisungsverfügung und Vollzug der Abschiebung - habe sich die Sachlage in tatsächlicher Hinsicht relevant verändert. Im Übrigen sei die Sperrwirkung noch nicht befristet gewesen. Die von dem Kläger im jugendlichen Alter im Oktober 2009 begangenen Straftaten rechtfertigten die Entscheidung der Beklagten nicht.

Mit Schreiben vom ... November 2014 hat die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

1. Die Verpflichtungsklage ist zulässig, insbesondere fehlt der Klage nicht das Rechtsschutzbedürfnis. Die auf der Grundlage des Aufenthaltsgesetzes verfügte Ausweisung des Klägers vom ... April 2012 hat nach § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG ein gesetzliches Verbot der Wiedereinreise und des erneuten Aufenthalts im Bundesgebiet zur Folge.

Dieses Verbot ist nicht durch den zwischenzeitlichen Erwerb der rumänischen Staatsangehörigkeit durch den Kläger entfallen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bleiben die an eine „Altausweisung“ eines nunmehrigen Unionsbürgers anknüpfenden gesetzlichen Sperrwirkungen auch nach dem Beitritt des Landes seiner Staatsangehörigkeit zur Europäischen Union wirksam (BVerwG, U.v. 25.3.2015 - 1 C 18/14 - juris). Nichts anderes kann gelten, wenn ein vormaliger Drittstaatsangehöriger die Staatsangehörigkeit eines EU-Mitgliedstaates erwirbt. Zwar können Unionsbürger nach dem Freizügigkeitsgesetz/EU nicht ausgewiesen werden. § 7 Abs. 2 Satz 1 FreizügG/EU sieht im Anschluss an eine Verlustfeststellung gemäß § 6 Abs. 1 FreizügG/EU, die bei Unionsbürgern an die Stelle der Ausweisung getreten ist, aber ebenfalls ein Einreise- und Aufenthaltsverbot vor.

Dem gemeinschaftsrechtlichen Freizügigkeitsrecht wird dadurch Rechnung getragen, dass der Ausländer spätestens bei Fortfall der die Einschränkung der Freizügigkeit rechtfertigenden Gründe die Befristung der Ausweisungswirkungen verlangen kann (BVerwG, U.v. 7.12.1999 - 1 C 13.99 - juris).

Schließlich fehlt es auch nicht am Rechtsschutzbedürfnis, weil der Kläger im Jahr 2013 abgeschoben worden ist, was nach § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG ebenfalls zu einem Einreise- und Aufenthaltsverbot führte. Denn diese gesetzliche Wirkung ist mit Erwerb der rumänischen Staatsangehörigkeit entfallen. Wie sich aus § 7 Abs. 2 FreizügG/EU ergibt, führt bei Unionsbürgern die Abschiebung zu keinem Einreise- und Aufenthaltsverbot.

2. Die Klage ist jedoch unbegründet.

Der Bescheid der Beklagten vom ... September 2014 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Kläger hat keinen Anspruch auf Befristung der Sperrwirkung der Ausweisungsverfügung auf einen Zeitpunkt vor dem ... September 2014 (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

Die mit Bescheid vom ... September 2014 verfügte Befristung der Sperrwirkung der Ausweisung auf 4 Jahre bzw. - für den Fall der Erfüllung der Voraussetzungen aus der außergerichtlichen Einigung vom 26. Juli 2012 - auf 2 Jahre und 6 Monate ist rechtmäßig.

Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung der begehrten Befristung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (vgl. BVerwG, U.v. 6.3.2014 - 1 C 2.13 - juris).

Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Befristungsanspruch ist § 7 Abs. 2 Satz 5 FreizügG/EU, der auf den Kläger als ehemaligen Drittstaatsangehörigen und nunmehrigen Unionsbürger sinngemäß anzuwenden ist. Danach ist eine Verlustfeststellung nach § 6 Abs. 1 FreizügG/EU bereits mit Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Vorschrift gewährt Unionsbürgern einen strikten Rechtsanspruch auf Befristung („ob“). Nach § 7 Abs. 2 Satz 6 FreizügG/EU ist die Frist unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles festzusetzen und darf die Dauer von fünf Jahren nur in den Fällen des § 6 Abs. 1 FreizügG/EU überschreiten. Weitergehende Vorgaben für die Bestimmung der Dauer der Frist ergeben sich auch nicht aus dem Unionsrecht. Nach der Rechtsprechung des EuGH darf das Einreise- und Aufenthaltsverbot nicht auf Lebenszeit verhängt werden, seine Berechtigung ist vielmehr nach Ablauf angemessener Fristen auf Antrag des Betroffenen zu überprüfen. Dabei ist jeweils auf die aktuelle Tatsachenlage im Zeitpunkt der Überprüfungsentscheidung abzustellen. Eine derartige Überprüfung der zunächst auf 5 Jahre befristeten Sperrwirkung der Ausweisung hat der Kläger vorliegend beantragt.

Bei der Bemessung der Frist ist in einem ersten Schritt eine an dem Gewicht des Grundes für die Verlustfeststellung sowie dem mit der Maßnahme verfolgten spezialpräventiven Zweck orientierte äußerste Frist zu bestimmen. Hierzu bedarf es der prognostischen Einschätzung im jeweiligen Einzelfall, wie lange das Verhalten des Betroffenen, das der zu spezialpräventiven Zwecken verfügten Verlustfeststellung zugrunde liegt, das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr mit Blick auf die im vorliegenden Fall bedeutsame Gefahrenschwelle des § 6 Abs. 1 FreizügG/EU zu tragen vermag. Im Fall einer langfristig fortbestehenden Rückfall- bzw. Gefährdungsprognose ist ein langfristiger Ausschluss der Wiedereinreise nicht ausgeschlossen (BVerwG, U.v. 4.9.2007 - 1 C 21.07 - juris). Vom gleichen Ansatz ausgehend hat das Bundesverwaltungsgericht zum Befristungsanspruch nach § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG ausgeführt, dass in der Regel ein Zeitraum von maximal zehn Jahren den Zeithorizont darstellt, für den eine Prognose realistischerweise noch gestellt werden kann. Weiter in die Zukunft lässt sich die Persönlichkeitsentwicklung - insbesondere jüngerer Menschen - kaum abschätzen, ohne spekulativ zu werden (BVerwG, U.v. 13.12.2012 - 1 C 14.12 - juris). Dies gilt auch für die im Rahmen von § 7 Abs. 2 Satz 5 FreizügG/EU zu treffende Prognose.

Die sich an der Erreichung des Zwecks der Verlustfeststellung orientierende äußerste Frist muss sich in einem zweiten Schritt an höherrangigem Recht, d. h. unionsrechtlichen Vorgaben und verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen messen und gegebenenfalls relativieren lassen. Dieses normative Korrektiv bietet ein rechtsstaatliches Mittel dafür, fortwirkende einschneidende Folgen des Einreise- und Aufenthaltsverbot für die persönliche Lebensführung des Betroffenen zu begrenzen. Dabei sind insbesondere die in § 6 Abs. 3 FreizügG/EU genannten schutzwürdigen Belange des Unionsbürgers in den Blick zu nehmen. Die Abwägung nach Maßgabe des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, die auf der Grundlage der Umstände des Einzelfalls nach Gewichtung der jeweiligen Belange vorzunehmen ist, kann im Extremfall auch zu einer Befristung auf den Jetzt-Zeitpunkt führen (BVerwG, U.v. 4.9.2007 - a. a. O.).

Die Rechtsprechung zu § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG, die hinsichtlich der Dauer der Frist von einer gebundenen Verwaltungsentscheidung ausgeht, ist nach der Neufassung des § 7 Abs. 2 FreizügG/EU im Dezember 2014 und der durch sie bewirkten Aufwertung der Rechtsstellung des Freizügigkeitsberechtigten angesichts des offenen Wortlauts der Vorschrift auch auf die Fristbemessung der Einreisesperre nach dem Freizügigkeitsgesetz/EU zu übertragen (BVerwG, U.v. 25.3.2015 - a.a.O).

Vor diesem Hintergrund ist die Befristung der Wirkungen der Ausweisung auf vier Jahre rechtmäßig.

Nachdem der Kläger zuvor bereits wegen Diebstahls verurteilt wurde, hat ihn das Landgericht ... ... wegen gemeinschaftlichen Diebstahls in Tatmehrheit mit versuchtem gemeinschaftlichem Diebstahl in Tatmehrheit mit gemeinschaftlich versuchtem schwerem Raub in Tateinheit mit gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung zu einer Jugendstrafe von 3 Jahren verurteilt. Durch ein in der Haft begangenes Körperverletzungsdelikt wurde die Einheitsjugendstrafe von 3 Jahren und 3 Monaten verhängt worden.

Der Kläger hat somit eine Vielzahl von Straftaten begangen, die sich gegen das Eigentum, aber auch gegen die körperliche Unversehrtheit anderer richteten. Im Falle des Klägers ist konkret zu befürchten, dass er im Falle seiner Rückkehr in das Bundesgebiet erneut derartige Straftaten begehen wird. Der Kläger hat weder einen Schulabschluss noch eine abgeschlossene Berufsausbildung. Vorangegangene Verurteilungen hat sich der Kläger nicht zur Warnung dienen lassen. Sogar in der Strafhaft ist der Kläger erneut straffällig geworden, indem er gegenüber einem Mitgefangenen tätlich geworden ist. Dies zeigt, dass der Kläger sein Aggressionspotenzial in keiner Weise im Griff hat und nicht gewillt ist, sich an die Rechtsordnung in der Bundesrepublik Deutschland zu halten. Im Strafurteil vom ... Juli 2010 wurden zudem schädliche Neigungen des Klägers festgestellt. Im Hinblick auf die Anzahl und die Schwere der Straftaten, insbesondere der mit besonderer Brutalität begangenen Gewalttat des versuchten gemeinschaftlichen schweren Raubes, an der der Kläger als Mittäter maßgeblich beteiligt war, und der erheblichen Wiederholungsgefahr ist das Gericht der Auffassung, dass nach prognostischer Einschätzung zur Gefahrenabwehr eine Wiedereinreisesperre von sechs Jahren sachgerecht wäre.

Unter Berücksichtigung höherrangigen Rechts, insbesondere von Art. 8 EMRK, gebietet jedoch die Verwurzelung des Klägers als faktischer Inländer, der in das Bundesgebiet im Alter von sieben Jahren eingereist ist und bis zu seiner Abschiebung nahezu 2/3 seines Lebens in Deutschland verbracht hat, eine Reduzierung des im ersten Schritt als notwendig angesehen Befristungszeitraums. Dabei ist zugunsten des Klägers auch zu berücksichtigen, dass soziale Beziehungen des Klägers in Deutschland bestehen, da sein Vater und seine fünf Stiefgeschwister im Bundesgebiet leben. Andererseits ist der Kläger mittlerweile volljährig, so dass er nicht mehr auf den Beistand seiner Familie angewiesen ist. Insgesamt ist das Gericht unter Berücksichtigung der persönlichen Umstände des Klägers deshalb der Überzeugung, dass eine Befristung der Wirkungen der Ausweisung auf vier Jahre einen sachgerechten Ausgleich zwischen dem öffentlichen Interesse an der Fernhaltung des Klägers vom Bundesgebiet und seinem persönlichen Interesse am Schutz seiner persönlichen Bindungen darstellt. Sollte der Kläger die maßgebliche Gefahrenschwelle bereits vor dieser Zeit unterschreiten, indem er den Nachweis für seine Straffreiheit seit der Abschiebung erbringt und damit die anzunehmende Wiederholungsgefahr in der Prognose aufgrund nachgewiesener Straffreiheit über einen angemessenen Zeitraum hinweg als weniger gewichtig als nach derzeitiger Sachlage erscheint, ist eine Verkürzung der Frist auf 2,5 Jahre nicht zu beanstanden.

Eine Verkürzung der Frist auf einen Zeitpunkt vor dem ... September 2014 bzw. auf einen Zeitpunkt vor Ablauf der mit Bescheid vom ... September 2014 verfügten Fristen gebietet auch der Erwerb der Unionsbürgerschaft durch den Kläger nicht. Denn beim Kläger liegen angesichts der Anzahl und Schwere der begangenen Straftaten und der erheblichen Wiederholungsgefahr schwerwiegende Gründe der öffentlichen Ordnung und Sicherheit vor, die auch eine Verlustfeststellung nach § 6 Abs. 1 FreizügG/EU rechtfertigen. Gründe, aus denen sich ein Fortfall der die Einschränkung der Freizügigkeit rechtfertigenden Gründe ergeben könnte, sind weder vorgetragen worden noch ersichtlich (s.o.). Das Freizügigkeitsrecht gebietet somit keine Verkürzung der Sperrfrist.

3. Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.

4. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

Rechtsmittelbelehrung:

Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,

Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder

Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München

schriftlich beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.

Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,

Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder

Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München

Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach

einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.

Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.

Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf EUR 2.500,- festgesetzt (§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz -GKG-).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,-- übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,

Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder

Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München

schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.

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Gründe Bayerisches Verwaltungsgericht München M 12 K 14.4768 Im Namen des Volkes Urteil vom 21. Mai 2015 (§§ 116 Abs. 1, 117 Abs. 6 VwGO) 12. Kammer Urkundsbeamter des Bayerischen Verwaltungsgerichts Mün

Bundesverwaltungsgericht Urteil, 25. März 2015 - 1 C 18/14

bei uns veröffentlicht am 25.03.2015

Tatbestand 1 Der im Juli 1968 geborene Kläger ist polnischer Staatsangehöriger. Er begehrt die Befristung der gegen ihn im Jahr 2000 verfügten Ausweisung mit sofortiger
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Verwaltungsgericht München Urteil, 21. Mai 2015 - M 12 K 14.4768

bei uns veröffentlicht am 21.05.2015

Gründe Bayerisches Verwaltungsgericht München M 12 K 14.4768 Im Namen des Volkes Urteil vom 21. Mai 2015 (§§ 116 Abs. 1, 117 Abs. 6 VwGO) 12. Kammer Urkundsbeamter des Bayerischen Verwaltungsgerichts Mün

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(1) Das Urteil wird, wenn eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, in der Regel in dem Termin, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen wird, verkündet, in besonderen Fällen in einem sofort anzuberaumenden Termin, der nicht über zwei Wochen hinaus angesetzt werden soll. Das Urteil ist den Beteiligten zuzustellen.

(2) Statt der Verkündung ist die Zustellung des Urteils zulässig; dann ist das Urteil binnen zwei Wochen nach der mündlichen Verhandlung der Geschäftsstelle zu übermitteln.

(3) Entscheidet das Gericht ohne mündliche Verhandlung, so wird die Verkündung durch Zustellung an die Beteiligten ersetzt.

Intensive sozialpädagogische Einzelbetreuung soll Jugendlichen gewährt werden, die einer intensiven Unterstützung zur sozialen Integration und zu einer eigenverantwortlichen Lebensführung bedürfen. Die Hilfe ist in der Regel auf längere Zeit angelegt und soll den individuellen Bedürfnissen des Jugendlichen Rechnung tragen.

(1) Der Staatsanwalt kann ohne Zustimmung des Richters von der Verfolgung absehen, wenn die Voraussetzungen des § 153 der Strafprozeßordnung vorliegen.

(2) Der Staatsanwalt sieht von der Verfolgung ab, wenn eine erzieherische Maßnahme bereits durchgeführt oder eingeleitet ist und er weder eine Beteiligung des Richters nach Absatz 3 noch die Erhebung der Anklage für erforderlich hält. Einer erzieherischen Maßnahme steht das Bemühen des Jugendlichen gleich, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.

(3) Der Staatsanwalt regt die Erteilung einer Ermahnung, von Weisungen nach § 10 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4, 7 und 9 oder von Auflagen durch den Jugendrichter an, wenn der Beschuldigte geständig ist und der Staatsanwalt die Anordnung einer solchen richterlichen Maßnahme für erforderlich, die Erhebung der Anklage aber nicht für geboten hält. Entspricht der Jugendrichter der Anregung, so sieht der Staatsanwalt von der Verfolgung ab, bei Erteilung von Weisungen oder Auflagen jedoch nur, nachdem der Jugendliche ihnen nachgekommen ist. § 11 Abs. 3 und § 15 Abs. 3 Satz 2 sind nicht anzuwenden. § 47 Abs. 3 findet entsprechende Anwendung.

(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,

1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder
2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.

(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.

(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.

(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.

(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.

(1) Die Anwendung des Jugendstrafrechts soll vor allem erneuten Straftaten eines Jugendlichen oder Heranwachsenden entgegenwirken. Um dieses Ziel zu erreichen, sind die Rechtsfolgen und unter Beachtung des elterlichen Erziehungsrechts auch das Verfahren vorrangig am Erziehungsgedanken auszurichten.

(2) Die allgemeinen Vorschriften gelten nur, soweit in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt ist.

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

Tatbestand

1

Der im Juli 1968 geborene Kläger ist polnischer Staatsangehöriger. Er begehrt die Befristung der gegen ihn im Jahr 2000 verfügten Ausweisung mit sofortiger Wirkung nach § 7 Abs. 2 FreizügG/EU (Befristung auf Null).

2

Der Kläger reiste im Juli 1984 zusammen mit seiner Mutter und Schwester zu seinem in Deutschland arbeitenden Vater ein und erhielt im Juli 1992 einen unbefristeten Aufenthaltstitel. Seine im November 1990 geschlossene Ehe mit einer brasilianischen Staatsangehörigen scheiterte. Seine Ehefrau kehrte mit der im April 1992 geborenen gemeinsamen Tochter im April 1994 nach Brasilien zurück. Die Ehe wurde im April 1999 geschieden. Der Kläger leidet seit dem 8. Lebensjahr an einer paranoid-halluzinatorischen Psychose und fiel immer wieder durch aggressives Verhalten bis hin zu Gewalttätigkeiten gegen sich selbst, seine Eltern, Nachbarn, behandelnde Ärzte und Mitpatienten auf. Wegen seiner Krankheit war er mehrmals stationär in psychiatrischen Krankenhäusern untergebracht.

3

1999 wurde er vom Landgericht Stuttgart zur Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus verurteilt. Der Entscheidung lag ein Mordversuch des Klägers an seinem Vater zugrunde, der infolge eines Messerstichs in den Kopf schwerstpflegebedürftig wurde. Mit Bescheid vom 10. Januar 2000 wies das Regierungspräsidium Stuttgart den Kläger unbefristet aus Deutschland aus. Im Mai 2000 wurde er nach Polen abgeschoben. Seine geschiedenen Eltern und seine Schwester leben weiterhin in Deutschland.

4

In Polen war der Kläger nach erneuter Straffälligkeit (Messerattacke auf einen Nachbarn) von 2005 bis 2013 in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht. Das Amtsgericht in Bialystok hob mit Beschluss vom 1. Juli 2013 die Sicherungsmaßregel gegen den Kläger auf. Der Begründung ist zu entnehmen, dass zwei Gerichtsgutachten zu dem Ergebnis gekommen sind, dass beim Kläger wegen seines psychischen Gesundheitszustandes weiterhin mit großer Wahrscheinlichkeit die Gefahr der Begehung einer Straftat mit öffentlicher Gefährdung bestehe. Eine weitere stationäre Unterbringung des Klägers hat das Amtsgericht aber als unverhältnismäßig angesehen.

5

Auf den 2013 gestellten Antrag auf Befristung des bestehenden Einreise- und Aufenthaltsverbots auf Null verfügte der Beklagte im Mai 2014 eine Befristung zum 21. Mai 2024. Diese Entscheidung begründete er damit, dass vom Kläger auch in den nächsten zehn Jahren wegen seiner paranoid-halluzinatorischen Psychose erhebliche Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgingen und deshalb ein starkes Interesse bestehe, ihn vom Bundesgebiet fernzuhalten.

6

Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten zur Befristung auf sofort verpflichtet. Ein solcher Anspruch ergebe sich für den Kläger als Unionsbürger aus § 7 Abs. 2 FreizügG/EU. Zwar gehe vom Kläger weiterhin eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung aus, wie sich mit hinreichender Deutlichkeit aus dem Beschluss des Amtsgerichts Bialystok vom 1. Juli 2013 ergebe. Dennoch habe er einen Anspruch auf Befristung ohne weitere Sperre angesichts der Gesamtdauer des durch die Ausweisungsentscheidung bewirkten Einreiseverbots von nunmehr 14 Jahren. Das Verwaltungsgericht verweist hierzu auf die neuere Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Mannheim, wonach - unabhängig von der Fortdauer des Ausweisungszwecks - eine Ausweisung grundsätzlich auf höchstens zehn Jahre zu befristen sei und diese Frist mit der Ausreise beginne (vgl. VGH Mannheim, Urteil vom 30. April 2014 - 11 S 244/14 - InfAuslR 2014, 365 Rn. 83). Die Aufrechterhaltung eines Einreiseverbots von mehr als zehn Jahren sei hier auch unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten nicht zu rechtfertigen.

7

Gegen das Urteil wendet sich der Beklagte mit seiner vom Verwaltungsgericht zugelassenen Sprungrevision und rügt eine Verletzung des § 7 Abs. 2 FreizügG/EU. Er hält die Auffassung des Verwaltungsgerichts für rechtsfehlerhaft, dass für die Befristung eine allgemeine Höchstfrist von zehn Jahren gelte, die auch in den Fällen einer erst nachträglichen Befristungsentscheidung immer vom Zeitpunkt der Ausreise an zu rechnen sei und nicht verlängert werden dürfe.

8

Der Kläger verteidigt das verwaltungsgerichtliche Urteil. Ergänzend verweist er darauf, dass Unionsbürger nicht schlechter behandelt werden dürften als Drittstaatsangehörige. Die nach § 7 Abs. 2 FreizügG/EU zu bemessende Frist dürfe daher nicht länger sein als eine nach § 11 Abs. 1 Satz 4 AufenthG zu setzende Frist. Insofern müsse die für Drittstaatsangehörige geltende Rückführungsrichtlinie auch zu Gunsten von Unionsbürgern angewendet werden. In tatsächlicher Hinsicht ergebe sich aus einem neueren Beschluss des Amtsgerichts Bialystok vom November 2014, dass mittlerweile eine erhebliche Verbesserung seines psychischen Zustandes eingetreten sei.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige (Sprung-)Revision des Beklagten hat Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat der Festsetzung der Frist für das Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 7 Abs. 2 FreizügG/EU einen Maßstab zugrunde gelegt, der Bundesrecht verletzt (§ 137 Abs. 1 VwGO). Mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen im verwaltungsgerichtlichen Urteil zu den für die Befristung maßgeblichen Umständen kann der Senat weder zugunsten noch zulasten des Klägers selbst abschließend entscheiden. Daher ist das Verfahren zur weiteren Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

10

Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung der begehrten Befristung ist hier die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 6. März 2014 - 1 C 2.13 - Buchholz 402.242 § 25 AufenthG Nr. 20 Rn. 6). Rechtsänderungen während des Revisionsverfahrens sind allerdings zu beachten, wenn das Tatsachengericht - entschiede es anstelle des Bundesverwaltungsgerichts - sie zu berücksichtigen hätte (Urteil vom 6. März 2014 - 1 C 2.13 - Buchholz 402.242 § 25 AufenthG Nr. 20 Rn. 6). Als Anspruchsgrundlage für das Befristungsbegehren ist daher nunmehr § 7 Abs. 2 FreizügG/EU i.d.F. des am 9. Dezember 2014 in Kraft getretenen Gesetzes zur Änderung des Freizügigkeitsgesetzes/EU und weiterer Vorschriften vom 2. Dezember 2014 (BGBl. I 2014 S. 1922) heranzuziehen.

11

1. Die Verpflichtungsklage ist zulässig. Der Kläger hat ein Rechtsschutzbedürfnis für sein Begehren. Die auf der Grundlage von § 45 Abs. 1 i.V.m. § 46 Nr. 2 AuslG 1990 verfügte Ausweisung des Klägers vom Januar 2000 hatte nach § 8 Abs. 2 Satz 1 AuslG 1990 ein gesetzliches Verbot der Wiedereinreise und des erneuten Aufenthalts im Bundesgebiet zur Folge. Dieses Verbot ist weder durch den EU-Beitritt Polens zum 1. Mai 2004 (a), noch durch das Inkrafttreten des Freizügigkeitsgesetzes/EU zum 1. Januar 2005 (b), noch durch die bis zum 24. Dezember 2010 umzusetzende Rückführungsrichtlinie 2008/115/EG (c) entfallen. Von der im Mai 2000 erfolgten Abschiebung des Klägers geht indes inzwischen keine Sperrwirkung mehr aus (d).

12

a) Die Wirkungen der Ausweisung des Klägers sind zunächst nicht bereits durch den EU-Beitritt Polens zum 1. Mai 2004 entfallen, auch wenn der Kläger damit die Unionsbürgerschaft erlangt hat. Nach der Rechtsprechung des Senats zur früheren Rechtslage erstreckten sich die Rechtswirkungen einer Ausweisung nach § 8 Abs. 2 Satz 1 AuslG 1990 auch auf die aufenthaltsrechtliche Stellung von EG-Bürgern nach dem Aufenthaltsgesetz/EWG. Das Ausländergesetz 1990 und das Aufenthaltsgesetz/EWG bildeten eine rechtliche Einheit, sodass sich die Sperrwirkungen des § 8 Abs. 2 AuslG 1990 auch im Anwendungsbereich des Aufenthaltsgesetzes/EWG auswirkten. Dem gemeinschaftsrechtlichen Freizügigkeitsrecht war dadurch Rechnung getragen, dass der Ausländer spätestens bei Fortfall der die Einschränkung der Freizügigkeit rechtfertigenden Gründe die Befristung der Ausweisungswirkungen verlangen konnte (BVerwG, Urteil vom 7. Dezember 1999 - 1 C 13.99 - BVerwGE 110, 140, 149 f.). An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten. Sie steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, wonach eine Einschränkung des primärrechtlichen Freizügigkeitsrechts nicht auf unbegrenzte Zeit gelten darf und ein Gemeinschaftsangehöriger deshalb das Recht hat, eine erneute Prüfung seines Falles zu verlangen, wenn die Umstände, die das Einreiseverbot gerechtfertigt hatten, seines Erachtens entfallen sind (EuGH, Urteil vom 17. Juni 1997 - C-65/95, C-111/95 [ECLI:EU:C:1997:300], Shingara und Radiom - Rn. 40).

13

b) Das gegenüber dem Kläger bestehende Einreise- und Aufenthaltsverbot ist auch nicht durch das Inkrafttreten des Freizügigkeitsgesetzes/EU am 1. Januar 2005 erloschen. Seitdem können Unionsbürger zwar nicht mehr ausgewiesen werden. § 7 Abs. 2 Satz 1 FreizügG/EU sieht im Anschluss an eine Verlustfeststellung gemäß § 6 Abs. 1 FreizügG/EU, die bei Unionsbürgern an die Stelle der Ausweisung getreten ist, aber ebenfalls ein Einreise- und Aufenthaltsverbot vor. Der Senat hat bereits entschieden, dass nach der Übergangsregelung in § 102 Abs. 1 Satz 1 AufenthG und der Rückverweisung in § 11 Abs. 2 FreizügG/EU die Wirkungen der "Altausweisung" eines Unionsbürgers grundsätzlich auch nach dem Inkrafttreten des Freizügigkeitsgesetzes/EU fortbestehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 4. September 2007 - 1 C 21.07 - BVerwGE 129, 243 Rn. 14 f.). Dies gilt auch dann, wenn die Ausweisung - wie hier - erfolgt ist, bevor der Unionsbürger eine Freizügigkeitsberechtigung erlangt hatte und noch nach den für Drittstaatsangehörige geltenden Regeln ausgewiesen worden war (vgl. OVG Hamburg, Beschluss vom 19. März 2012 - 3 Bs 234/11 - InfAuslR 2012, 247 Rn. 25 ff. für die nachträgliche Erlangung des Freizügigkeitsrechts eines Familienangehörigen; a.A. OVG Bremen, Urteil vom 28. September 2010 - 1 A 116/09 - InfAuslR 2011, 2 Rn. 44; VGH München, Beschluss vom 9. August 2012 - 19 CE 11.1893 - InfAuslR 2012, 404 Rn. 33).

14

Nichts anderes ergibt sich aus der Unionsbürgerrichtlinie 2004/38/EG, an der auf unionsrechtlicher Ebene die fortgeltenden gesetzlichen Rechtswirkungen der Altausweisung zu messen sind (vgl. EuGH, Urteil vom 19. September 2013 - C-297/12 [ECLI:EU:C:2013:569], Filev und Osmani - Rn. 40 f. zur intertemporalen Geltung der Rückführungsrichtlinie für die fortgeltenden Wirkungen vor ihrem Inkrafttreten ergriffener aufenthaltbeendender Maßnahmen). Insbesondere genügt die Befristungsregelung in § 7 Abs. 2 FreizügG/EU, die in sinngemäßer Anwendung auch die fortwirkenden Rechtsfolgen einer Altausweisung erfasst (vgl. BVerwG, Urteil vom 4. September 2007 - 1 C 21.07 - BVerwGE 129, 243 Rn. 17 zu § 7 Abs. 2 Satz 2 FreizügG/EU a.F.), den Vorgaben in Art. 32 der Unionsbürgerrichtlinie hinsichtlich der zeitlichen Wirkungen eines Aufenthaltsverbots.

15

c) An der Fortgeltung des an die Ausweisung des Klägers geknüpften gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots hat schließlich auch die Rückführungsrichtlinie nichts geändert. Diese Richtlinie und ihre nationale Umsetzung in § 11 Abs. 1 AufenthG finden auf den Kläger als Unionsbürger keine Anwendung (aa). Der Kläger hat auch keinen Anspruch, aufenthaltsrechtlich nicht schlechter behandelt zu werden als ein Drittstaatsangehöriger in einer vergleichbaren Situation (bb). Dessen ungeachtet erfüllt er auch nicht die Voraussetzungen, unter denen einem ausgewiesenen Drittstaatsangehörigen das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot unabhängig von einer Befristung nicht mehr entgegengehalten werden dürfte (cc).

16

aa) Der personale Anwendungsbereich der Rückführungsrichtlinie erfasst nach Art. 2 Abs. 1 nur Drittstaatsangehörige; auf Unionsbürger ist sie nicht anwendbar. Gleiches gilt für die nationale Umsetzung der Rückführungsrichtlinie in § 11 Abs. 1 AufenthG1 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG i.V.m. § 1 FreizügG/EU). Diese findet für nicht (mehr) freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger auch über die Rückverweisung in § 11 Abs. 2 FreizügG/EU keine Anwendung. Denn die Befristungsregelung in § 7 Abs. 2 FreizügG/EU stellt eine Sonderregelung im Sinne des § 11 Abs. 2 FreizügG/EU dar (vgl. BVerwG, Urteil vom 4. September 2007 - 1 C 21.07 - BVerwGE 129, 243 Rn. 17 zu § 7 Abs. 2 FreizügG/EU a.F.). Der Kläger kann sich insoweit auch nicht auf das Günstigkeitsprinzip des § 11 Abs. 1 Satz 11 FreizügG/EU berufen. Danach findet das Aufenthaltsgesetz auch dann Anwendung, wenn es eine günstigere Rechtsstellung vermittelt als das Freizügigkeitsgesetz/EU. Dies ist hier schon deshalb nicht der Fall, weil es nach § 11 Abs. 1 AufenthG ebenfalls einer Befristungsentscheidung bedarf. Ob und in welchem Umfang sich in bestimmten Konstellationen bei Drittstaatsangehörigen in unmittelbarer Anwendung der Rückführungsrichtlinie ein automatischer Wegfall des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots ergibt, kann in diesem Zusammenhang dahinstehen, da sich das Günstigkeitsprinzip nur auf das Aufenthaltsgesetz bezieht und nicht auf eventuell vorrangig anzuwendendes Unionsrecht. Im Übrigen kommt es bei dem Günstigkeitsvergleich auf eine Gesamtschau an. Bei der danach gebotenen Gesamtbetrachtung fehlt es hier an einer schlechteren Rechtsstellung. Denn das an die Ausweisung geknüpfte Einreiseverbot führt bei einem Drittstaatsangehörigen regelmäßig zu einer Ausschreibung zur Einreiseverweigerung im Schengener Informationssystem (SIS) nach Art. 96 Abs. 3 Schengener Durchführungsübereinkommen (SDÜ) und damit zu einer Einreisesperre für das gesamte Gebiet der Schengen-Staaten (vgl. 11.1.0 der AVwV zum AufenthG), während das Einreiseverbot nach dem Freizügigkeitsgesetz/EU nur für den Aufnahmemitgliedstaat gilt. Außerdem können Unionsbürger nach dessen Ablauf ohne erneute behördliche Gebietszulassungsentscheidung wieder von ihrem Freizügigkeitsrecht Gebrauch machen, während bei Drittstaatsangehörigen nur die Titelerteilungssperre des § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG entfällt, das alte Aufenthaltsrecht aber nicht automatisch wieder auflebt.

17

bb) Eine Anwendung der für Drittstaatsangehörige geltenden Bestimmungen ist auch nicht zur Vermeidung einer unzulässigen Diskriminierung geboten. Denn das unionsrechtliche Diskriminierungsverbot aus Gründen der Staatsangehörigkeit (Art. 18 Abs. 1 AEUV) bezieht sich lediglich auf eine Ungleichbehandlung zwischen Unionsbürgern, nicht aber auf die hier vom Kläger gerügte Ungleichbehandlung zwischen Unionsbürgern und Drittstaatsangehörigen (EuGH, Urteil vom 4. Juni 2009 - C-22/08 [ECLI:EU:C:2009:344], Vatsouras und Koupatantze - Rn. 51 f. zu Art. 12 Abs. 1 EG). Ebenso wenig verstößt die Ungleichbehandlung von Unionsbürgern und Drittstaatsangehörigen gegen das in Art. 24 Abs. 1 der Unionsbürgerrichtlinie enthaltene Gebot der Gleichbehandlung, das nach der Rechtsprechung des EuGH als sekundärrechtliche Konkretisierung des in Art. 18 AEUV in allgemeiner Weise niedergelegten Diskriminierungsverbots zu verstehen ist (EuGH, Urteil vom 11. November 2014 - C-333/13 [ECLI:EU:C:2014:2358], Dano - Rn. 61). Die Vorschrift ist schon nach ihrem ausdrücklichen Wortlaut auf Ungleichbehandlungen zwischen Unionsbürgern und den eigenen Staatsangehörigen des betreffenden Mitgliedstaates beschränkt. Einer hierzu vom Kläger angeregten Vorlage an den EuGH zur Vorabentscheidung bedarf es nicht, weil die Rechtslage insoweit geklärt und die aufgeworfene Frage außerdem nicht entscheidungserheblich ist. Soweit der Bundesgerichtshof für den Vollzug der Abschiebungshaft bei einem ausreisepflichtigen Unionsbürger die Regelungen der Rückführungsrichtlinie herangezogen hat (BGH, Beschluss vom 25. September 2014 - V ZB 194/13), betrifft diese Entscheidung die richtlinienkonforme Auslegung von § 62a AufenthG und verhält sich nicht generell zur Gleichstellung von Unionsbürgern mit Drittstaatsangehörigen. Auch aus dem nationalen Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG ergibt sich kein Anspruch auf Gleichbehandlung, da die gesetzgeberische Differenzierung zwischen Unionsbürgern und Drittstaatsangehörigen auf unterschiedlichen unionsrechtlichen Vorgaben und damit auf einem hinreichenden sachlichen Grund beruht. Entsprechendes gilt für das Diskriminierungsverbot des Art. 14 EMRK.

18

cc) Dessen ungeachtet wären selbst bei Anwendung der für Drittstaatangehörige geltenden Bestimmungen die Wirkungen der gegen den Kläger verfügten Ausweisung nicht automatisch nach Ablauf von fünf Jahren ab Ausreise entfallen. Denn im vorliegenden Fall liegen die Voraussetzungen des § 11 Abs. 1 Satz 4 AufenthG i.V.m. Art. 11 Abs. 2 der Rückführungsrichtlinie für ein über fünf Jahre dauerndes Einreise- und Aufenthaltsverbot vor. Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie verbietet zwar grundsätzlich die Aufrechterhaltung der Wirkungen unbefristeter Einreiseverbote, die - wie hier - vor dem Zeitpunkt der Anwendbarkeit der Richtlinie verhängt wurden, soweit sie über die in dieser Bestimmung vorgesehene Höchstdauer von fünf Jahren hinausgehen. Dies gilt aber nicht, wenn diese Verbote gegen Drittstaatsangehörige verhängt wurden, die eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung, die öffentliche Sicherheit oder die nationale Sicherheit darstellen (EuGH, Urteil vom 19. September 2013 - C-297/12 - Rn. 44). Das ist hier der Fall.

19

Die gegen den Kläger verfügte Ausweisungsverfügung war darauf gestützt, dass vom Kläger eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausging. Eine solche schwerwiegende Gefahr bestand nach den in der angefochtenen Entscheidung getroffenen tatsächlichen Feststellungen (UA S. 8 oben) auch noch im hier maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt des Verwaltungsgerichts im Juli 2014. Daher kann auch bei Anwendung der für Drittstaatsangehörige geltenden Bestimmungen nicht von einem Erlöschen der Sperrwirkungen der Ausweisung aus dem Jahr 2000 ausgegangen werden. Der Einwand des Klägers, das Verwaltungsgericht habe die vorliegende Erkenntnislage fehlerhaft und ohne eigene Sachkenntnis gewürdigt, bleibt im Revisionsverfahren unberücksichtigt, da der Senat nach § 137 Abs. 2 VwGO an die tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts gebunden ist.

20

d) Schließlich fehlt es auch nicht am Rechtsschutzbedürfnis, weil der Kläger im Jahr 2000 abgeschoben worden ist, was nach § 8 Abs. 2 Satz 1 AuslG 1990 ebenfalls zu einem Einreise- und Aufenthaltsverbot führte. Denn diese gesetzliche Wirkung ist mit Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes am 1. Januar 2005 entfallen. Wie sich aus § 7 Abs. 2 FreizügG/EU ergibt, führt bei Unionsbürgern nur eine Verlustfeststellung nach § 6 Abs. 1 FreizügG/EU oder in Fällen, in denen das Nichtbestehen des Freizügigkeitsrechts festgestellt worden ist, inzwischen auch eine ausdrückliche Untersagung nach § 7 Abs. 2 Satz 3 FreizügG/EU, nicht jedoch allein die Abschiebung zu einem Einreise- und Aufenthaltsverbot. Aufgrund dieser abschließenden Regelung im Freizügigkeitsgesetz scheidet hinsichtlich der Wirkungen einer vor dem 1. Januar 2005 erfolgten Abschiebung daher ein Rückgriff auf die Übergangsregelung in § 102 Abs. 1 Satz 1 AufenthG über die Rückverweisung in § 11 Abs. 2 FreizügG/EU aus.

21

2. Ob die Verpflichtungsklage begründet ist, lässt sich auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts nicht abschließend entscheiden. Die Auslegung von § 7 FreizügG/EU a.F. durch das Verwaltungsgericht verletzt Bundesrecht.

22

a) Als Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Befristungsanspruch kommt nur § 7 Abs. 2 Satz 5 FreizügG/EU in seiner - während des Revisionsverfahrens in Kraft getretenen - aktuellen Fassung in Betracht, der auf den Kläger als ehemaligen Drittstaatsangehörigen und nunmehrigen Unionsbürger sinngemäß anzuwenden ist. Danach ist eine Verlustfeststellung nach § 6 Abs. 1 FreizügG/EU bereits mit Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Vorschrift gewährt Unionsbürgern einen strikten Rechtsanspruch auf Befristung ("ob"). Dies entspricht der bisherigen Rechtsprechung des Senats zu § 7 Abs. 2 Satz 2 FreizügG/EU a.F. (BVerwG, Urteil vom 4. September 2007 - 1 C 21.07 - BVerwGE 129, 243 Rn. 18). Nach der gesetzlichen Systematik handelt es sich aber weiterhin bei der Verlustfeststellung und der Befristung ihrer Wirkungen um zwei getrennte Verwaltungsakte (vgl. zum vergleichbaren Verhältnis zwischen der Ausweisung und der Befristung ihrer Wirkungen BVerwG, Urteile vom 14. Februar 2012 - 1 C 7.11 - BVerwGE 142, 29 Rn. 30 und vom 10. Juli 2012 - 1 C 19.11 - BVerwGE 143, 277 Rn. 39). Bei einer nach alter Rechtslage unbefristet ergangenen Verlustfeststellung ist die (nach neuem Recht gebotene) Befristung von Amts wegen nachzuholen. Entsprechendes gilt für eine vor Inkrafttreten des Freizügigkeitsgesetzes gegen einen Unionsbürger unbefristet verfügte Ausweisung.

23

Nach § 7 Abs. 2 Satz 6 FreizügG/EU ist die Frist unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles festzusetzen und darf die Dauer von fünf Jahren nur in den Fällen des § 6 Abs. 1 FreizügG/EU überschreiten. Bei dem Gebot zur Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls handelt es sich nach der Intention des Gesetzgebers lediglich um eine Klarstellung (vgl. BT-Drs. 18/2581 S. 17 zu Nr. 5 Buchstabe c). Der materiellrechtliche Prüfungsmaßstab hat sich hierdurch gegenüber der durch die Vorinstanz berücksichtigten Rechtslage nicht geändert. Die neu eingeführte Höchstfrist von fünf Jahren betrifft nur Fälle, in denen nach § 2 Abs. 7 FreizügG/EU festgestellt worden ist, dass ein Recht auf Einreise und Aufenthalt nicht besteht und dem Betroffenen deshalb nach § 7 Abs. 2 Satz 2 FreizügG/EU untersagt worden ist, erneut in das Bundesgebiet einzureisen und sich darin aufzuhalten. Für Verlustfeststellungen nach § 6 Abs. 1 FreizügG/EU und ihnen gleichzustellende Altausweisungen ist weiterhin keine Höchstfrist vorgesehen. Der Gesetzgeber geht nach der Gesetzesbegründung zum Zuwanderungsgesetz davon aus, dass bei Unionsbürgern ein langfristiger Ausschluss der Wiedereinreise bei fortbestehender Rückfall- bzw. Gefährdungsprognose nicht ausgeschlossen ist (BT-Drs. 15/420 S. 105 zu § 7). Dies gilt auch für die Neufassung. Ein Wertungswiderspruch liegt in den unterschiedlichen Regelungen zur Höchstfrist nicht, weil die Verlustfeststellung nach § 6 Abs. 1 FreizügG/EU materiell eine vom Unionsbürger ausgehende Gefahr für die öffentliche Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit voraussetzt, was bei § 2 Abs. 7 FreizügG/EU nicht der Fall ist. Die Gründe für die Einschränkung des Freizügigkeitsrechts wiegen damit im Fall einer Verlustfeststellung schwerer als in den Fällen des § 2 Abs. 7 FreizügG/EU.

24

Weitergehende Vorgaben für die Bestimmung der Dauer der Frist ergeben sich auch nicht aus dem Unionsrecht. Nach der Rechtsprechung des EuGH darf das Einreise- und Aufenthaltsverbot nicht auf Lebenszeit verhängt werden, seine Berechtigung ist vielmehr nach Ablauf angemessener Fristen auf Antrag des Betroffenen zu überprüfen. Dabei ist jeweils auf die aktuelle Tatsachenlage im Zeitpunkt der Überprüfungsentscheidung abzustellen (vgl. EuGH, Urteil vom 17. Juni 1997 - C-65/95, C-111/95 - Rn. 39 ff.). Diese Rechtsprechung wird im 27. Erwägungsgrund der Unionsbürgerrichtlinie 2004/38/EG aufgegriffen, in dem es heißt:

"Im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs, wonach die Mitgliedstaaten gegen die Begünstigten dieser Richtlinie kein Aufenthaltsverbot auf Lebenszeit verhängen dürfen, sollte bestätigt werden, dass ein Unionsbürger oder einer seiner Familienangehörigen, gegen den ein Mitgliedstaat ein Aufenthaltsverbot verhängt hat, nach einem angemessenen Zeitraum, in jedem Fall aber nach Ablauf von drei Jahren nach Vollstreckung des endgültigen Aufenthaltsverbots, einen neuen Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbots stellen kann."

25

Diesem Anliegen entspricht die Regelung in Art. 32 der Unionsbürgerrichtlinie zu den zeitlichen Wirkungen eines Aufenthaltsverbots. Aus der Rechtsprechung des EuGH und aus der Unionsbürgerrichtlinie ergibt sich damit für die Bemessung der Sperrfrist nur die Vorgabe, dass diese nicht auf Lebenszeit ohne Möglichkeit der Verkürzung festgesetzt werden darf (vgl. auch Hailbronner, Ausländerrecht, Stand: September 2013, § 7 FreizügG/EU, Rn. 21 - 23). Dem wird durch die Möglichkeit der nachträglichen Verkürzung in § 7 Abs. 2 Satz 8 FreizügG/EU Rechnung getragen.

26

b) Angesichts der auch nach neuer Rechtslage weitgehend unverändert gebliebenen normativen Vorgaben für die Bestimmung der Dauer der Frist kann zur weiteren Konkretisierung auf die Rechtsprechung des Senats zum Befristungsanspruch nach § 7 Abs. 2 Satz 2 FreizügG/EU a.F. zurückgegriffen werden.

27

Hiernach ist in einem ersten Schritt eine an dem Gewicht des Grundes für die Verlustfeststellung sowie dem mit der Maßnahme verfolgten spezialpräventiven Zweck orientierte äußerste Frist zu bestimmen. Hierzu bedarf es der prognostischen Einschätzung im jeweiligen Einzelfall, wie lange das Verhalten des Betroffenen, das der zu spezialpräventiven Zwecken verfügten Verlustfeststellung zugrunde liegt, das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr mit Blick auf die im vorliegenden Fall bedeutsame Gefahrenschwelle des § 6 Abs. 1 FreizügG/EU zu tragen vermag. Im Fall einer langfristig fortbestehenden Rückfall- bzw. Gefährdungsprognose ist ein langfristiger Ausschluss der Wiedereinreise nicht ausgeschlossen (BVerwG, Urteil vom 4. September 2007 - 1 C 21.07 - BVerwGE 129, 243 Rn. 19). Vom gleichen Ansatz ausgehend hat der Senat zum Befristungsanspruch nach § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG ausgeführt, dass in der Regel ein Zeitraum von maximal zehn Jahren den Zeithorizont darstellt, für den eine Prognose realistischerweise noch gestellt werden kann. Weiter in die Zukunft lässt sich die Persönlichkeitsentwicklung - insbesondere jüngerer Menschen - kaum abschätzen, ohne spekulativ zu werden (BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2012 - 1 C 14.12 - Buchholz 402.242 § 11 AufenthG Nr. 10 Rn. 14). Dies gilt auch für die im Rahmen von § 7 Abs. 2 Satz 5 FreizügG/EU zu treffende Prognose.

28

Die sich an der Erreichung des Zwecks der Verlustfeststellung orientierende äußerste Frist muss sich in einem zweiten Schritt an höherrangigem Recht, d.h. unionsrechtlichen Vorgaben und verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen messen und gegebenenfalls relativieren lassen. Dieses normative Korrektiv bietet ein rechtsstaatliches Mittel dafür, fortwirkende einschneidende Folgen des Einreise- und Aufenthaltsverbot für die persönliche Lebensführung des Betroffenen zu begrenzen. Dabei sind insbesondere die in § 6 Abs. 3 FreizügG/EU genannten schutzwürdigen Belange des Unionsbürgers in den Blick zu nehmen. Die Abwägung nach Maßgabe des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, die auf der Grundlage der Umstände des Einzelfalls nach Gewichtung der jeweiligen Belange vorzunehmen ist, kann im Extremfall auch zu einer Befristung auf den Jetzt-Zeitpunkt führen (BVerwG, Urteil vom 4. September 2007 - 1 C 21.07 - BVerwGE 129, 243 Rn. 20).

29

c) Der Senat ist in seiner Rechtsprechung zu § 7 Abs. 2 Satz 2 FreizügG/EU a.F. davon ausgegangen, dass der Ausländerbehörde für die Bestimmung der Länge des Einreise- und Aufenthaltsverbots ein Auswahlermessen zusteht (BVerwG, Urteil vom 4. September 2007 - 1 C 21.07 - BVerwGE 129, 243 Rn. 19). Bei Befristungen nach § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG geht der Senat hingegen seit dem Inkrafttreten des Richtlinienumsetzungsgesetzes 2011 von einer auch hinsichtlich der Dauer der Frist gebundenen Verwaltungsentscheidung aus, die gerichtlich voll überprüfbar ist (BVerwG, Urteil vom 14. Februar 2012 - 1 C 7.11 - BVerwGE 142, 29 Rn. 33). Die für den Senat dabei maßgeblichen Erwägungen gelten auch hier. Daher ist die Rechtsprechung zu § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG nach der Neufassung des § 7 Abs. 2 FreizügG/EU im Dezember 2014 und der durch sie bewirkten Aufwertung der Rechtsstellung des Freizügigkeitsberechtigten angesichts des offenen Wortlauts der Vorschrift auch auf die Fristbemessung der Einreisesperre nach dem Freizügigkeitsgesetz/EU zu übertragen.

30

d) Die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts, für die Bemessung der Frist nach § 7 Abs. 2 FreizügG/EU gelte eine Höchstfrist von zehn Jahren ab Ausreise, verstößt gegen Bundesrecht.

31

Der Senat hat bereits zur Befristungsentscheidung nach § 7 Abs. 2 FreizügG/EU a.F. entschieden, dass diese auf der Grundlage der aktuellen Tatsachengrundlage zu treffen und hierbei auch das Verhalten des Betroffenen nach der Ausweisung zu würdigen ist (BVerwG, Urteil vom 4. September 2007 - 1 C 21.07 - BVerwGE 129, 243 Rn. 19). Damit ist die Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht vereinbar, wonach es nach einer Frist von zehn Jahren ab Ausreise nicht mehr auf eine aktuelle Gefahrenprognose ankomme. Das Verwaltungsgericht kann sich zur Stützung seiner Rechtsauffassung nicht auf die Rechtsprechung des Senats zu § 11 Abs. 1 AufenthG berufen, wonach in der Regel ein Zeitraum von maximal zehn Jahren den Zeithorizont darstellt, für den eine Prognose realistischerweise noch gestellt werden kann (so BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2012 - 1 C 14.12 - Buchholz 402.242 § 11 AufenthG Nr. 10 Rn. 14). Denn diese zeitliche Grenze ergibt sich allein aus der begrenzten Prognosefähigkeit und ist daher immer vom Zeitpunkt der Prognoseentscheidung aus zu berechnen. Das verkennen das Verwaltungsgericht und der Verwaltungsgerichtshof Mannheim, auf den sich das Verwaltungsgericht beruft, wenn sie die Zehn-Jahres-Frist von dem in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt der Ausreise berechnen und es nach Fristablauf nicht mehr darauf ankommen soll, ob der Ausweisungszweck noch fortdauert (vgl. VGH Mannheim, Urteil vom 30. April 2014 - 11 S 244/14 - InfAuslR 2014, 365 Rn. 83). Der Senat stellt hingegen bei der Befristungsentscheidung immer auf den aktuellen Entscheidungszeitpunkt ab mit der Folge, dass auch in Fällen, in denen keine Ausreise stattgefunden hat - z.B. wegen Ausreisehindernissen aufgrund der Verfolgungsgefahr für einen Flüchtling - ggf. eine Befristung auf Null ohne Ausreise erfolgen muss (vgl. BVerwG, Urteil vom 6. März 2014 - 1 C 2.13 - Buchholz 402.242 § 25 AufenthG Nr. 20 Rn. 13 f. m.w.N.).

32

e) Wendet man die für die Fristbestimmung nach § 7 Abs. 2 Satz 5 FreizügG/EU maßgeblichen Grundsätze auf die in dem angefochtenen Bescheid bestimmte Frist für die Geltung des Einreise- und Aufenthaltsverbots bis zum 21. Mai 2024 an, erweist sich diese - entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts - nicht von vornherein als unverhältnismäßig. Dies gilt auch mit Blick auf den Umstand, dass das Einreiseverbot im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts seit über 14 Jahren bestand und schon zu einem früheren Zeitpunkt hätte befristet werden können. Denn bei fortbestehender Gefährdung kann, jedenfalls bei Vorliegen der für eine Verlustfeststellung erforderlichen Gefahrenlage, eine einmal getroffene Befristung von der Ausländerbehörde nachträglich auch verlängert werden. Umgekehrt hat der Kläger bei einer zukünftigen Veränderung der tatsächlichen Umstände zu seinen Gunsten nach Maßgabe des § 7 Abs. 2 Satz 8 FreizügG/EU einen Anspruch auf Aufhebung oder Verkürzung der Frist.

33

Für eine abschließende Entscheidung fehlen dem Senat die erforderlichen Tatsachenfeststellungen zur Dauer der vom Kläger weiterhin ausgehenden Gefahr und zu seinem persönlichen Interesse an einem Aufenthalt in Deutschland. Dieser Feststellungen bedarf es, um die angemessene Sperrfrist zu bestimmen. Das Verwaltungsgericht hat unter Bezugnahme auf den Beschluss des Amtsgerichts Bialystok vom 1. Juli 2013 lediglich festgestellt, dass vom Kläger weiterhin eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht (UA S. 8 oben). Es fehlt aber schon die gebotene prognostische Einschätzung, wie lange die vom Kläger ausgehende schwerwiegende Gefahr voraussichtlich noch andauern wird. Hierzu ist dem Beschluss des Amtsgerichts nichts zu entnehmen. Denn das Amtsgericht zitiert zunächst aus den ihm vorliegenden Gutachten, nach denen vom Kläger weiterhin mit großer Wahrscheinlichkeit die Gefahr der Begehung einer Straftat mit öffentlicher Gefährdung ausgehe, teilt die Einschätzung der Gutachter aber nicht und kommt zu dem Ergebnis, dass keine Notwendigkeit einer weiteren Unterbringung des Klägers mehr bestehe.

34

3. Das Verfahren ist mangels hinreichender gerichtlicher Feststellungen für die Fristbemessung nach § 7 Abs. 2 Satz 5 FreizügG/EU zur weiteren Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung erfolgt an den Verwaltungsgerichtshof in Mannheim, weil die Entscheidung des Verwaltungsgerichts maßgeblich auf dessen Rechtsprechung beruht (§ 144 Abs. 5 VwGO). Für die neue Entscheidung wird insbesondere Folgendes zu berücksichtigen sein:

35

a) Der Verwaltungsgerichtshof wird zunächst auf aktueller Tatsachengrundlage aufzuklären haben, ob und gegebenenfalls welche konkrete Gefahr vom Kläger noch ausgeht. Hierbei sind auch für den Kläger nachteilige Veränderungen der tatsächlichen Verhältnisse zu berücksichtigen. Soweit der Verwaltungsgerichtshof in seinem Urteil vom 30. April 2014 - 11 S 244/14 - (InfAuslR 2014, 365 Rn. 74) davon ausgeht, dass bei Befristungsentscheidungen nach § 7 Abs. 2 FreizügG/EU nach Ablauf von sechs Monaten ab Antragstellung eingetretene Veränderungen der tatsächlichen Verhältnisse nicht mehr zu Lasten des Ausländers berücksichtigt werden dürften, steht dem bereits entgegen, dass § 7 Abs. 2 FreizügG/EU in seiner nunmehr maßgebenden Neufassung nicht für die - hier im Streit stehende - erstmalige Befristung (§ 7 Abs. 2 Satz 5 FreizügG/EU), sondern nur für spätere Verkürzungsanträge (§ 7 Abs. 2 Satz 8 FreizügG/EU) eine Bescheidungsfrist vorsieht. Dessen ungeachtet ergeben sich weder aus § 7 Abs. 2 FreizügG/EU noch aus Art. 32 Abs. 1 der Unionsbürgerrichtlinie Anhaltspunkte für eine Festschreibung der tatsächlichen Entscheidungsgrundlagen zu Gunsten des Klägers. Insbesondere kann den einschlägigen Bestimmungen nicht entnommen werden, dass es sich bei der Sechs-Monats-Frist um mehr als eine bloße Bearbeitungsfrist zur effektiven Sicherung des unionsrechtlichen Anspruchs auf erneute Prüfung eines Einreiseverbots nach Änderung der maßgeblichen Umstände handelt.

36

Sollten vom Kläger weiterhin auf nicht absehbare Zeit schwerwiegende Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgehen, könnte dies die Aufrechterhaltung des Einreise- und Aufenthaltsverbots bis zum 21. Mai 2024 rechtfertigen. Ausschlaggebend ist hierfür zunächst das Gewicht der durch den Kläger bedrohten Rechtsgüter (Leib und Leben). Allerdings kann die Abwägung zu einem anderen Ergebnis führen, wenn aufgrund der Ergebnisse einer im Herbst 2014 in Polen erfolgten erneuten Begutachtung des Klägers davon auszugehen ist, dass von ihm keine oder allenfalls eine geringe Gefahr ausgeht. Das Amtsgericht Bialystok kommt in seinem jüngsten Beschluss vom 26. November 2014 lediglich zu dem Ergebnis, dass vom Kläger "zurzeit keine hohe Wahrscheinlichkeit der Begehung" einer "Tat mit erheblichem sozialen Schädlichkeitsgrad besteht". Der Verwaltungsgerichtshof wird zu klären haben, ob bzw. mit welchem Grad der Wahrscheinlichkeit vom Kläger weiterhin eine Gefahr für bedeutende Rechtsgüter wie Leben und Gesundheit ausgeht und für welchen Zeitraum diese Gefahrenprognose gilt.

37

b) Sollte das Gericht zu dem Ergebnis kommen, dass vom Kläger weiterhin eine erhebliche Gefahr ausgeht, und es eine Prognose zu der Dauer der Gefährdung getroffen haben, wäre die zur Gefahrenabwehr als erforderlich angesehene Sperrfrist für die Wiedereinreise des Klägers in einem zweiten Schritt unter Berücksichtigung schützenswerter Interessen des Klägers gegebenenfalls zu relativieren. Hierzu wird der Verwaltungsgerichtshof die zu schützenden Belange zu ermitteln und zu gewichten haben. Dabei ist zu berücksichtigen, dass für eine Verkürzung der Frist auf der zweiten Stufe die zu schützenden persönlichen Belange umso gewichtiger sein müssen, je größer die vom Kläger ausgehende Gefahr ist.

38

Als schützenswertes Interesse kommt hier im Wesentlichen die Möglichkeit des Klägers zu einem Leben in Freiheit unter Betreuung durch seine in der Bundesrepublik lebende Mutter in Betracht. Es bedarf der Feststellung, ob die Mutter zu einer solchen Betreuung bereit und in der Lage ist. Zudem wird zu berücksichtigen sein, dass die Mutter in der Vergangenheit nicht in der Lage war, die Ausbrüche der psychischen Erkrankung des Klägers und die daraus resultierenden Gewaltakte zu verhindern. Insofern wird gegebenenfalls darzulegen sein, welche Umstände sich mittlerweile maßgeblich verändert haben. Der Gerichtshof wird sich zudem mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob eine ambulante Betreuung des Klägers in Polen möglich ist. Sollte er zu dem Ergebnis kommen, dass der Kläger gerade auf die Betreuung durch seine Mutter angewiesen ist, wird er zu prüfen haben, ob der Mutter zugemutet werden kann, die Pflege in Polen zu erbringen, zumindest für eine ein- oder zweijährige Übergangszeit (vgl. zur Angewiesenheit auf persönliche Betreuung: BVerwG, Urteil vom 18. April 2013 - 10 C 10.12 - BVerwGE 146, 198 Rn. 37 - 39).

39

c) Was das Verhältnis des Klägers zu seiner heute erwachsenen Tochter anbelangt, ist nach Lage der Akten nicht ersichtlich, dass hier noch ein Kontakt besteht und ob sie sich überhaupt in der Bundesrepublik aufhält. Weiter ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass durch das Verbot der Wiedereinreise in die Bundesrepublik ein fortbestehendes Verhältnis des Klägers zu seiner Schwester und zu seinem Vater berührt sein könnte, die beide in der Bundesrepublik leben.

40

d) Hinsichtlich der Bindungen des Klägers an Deutschland wird zu berücksichtigen sein, dass der Kläger seit mittlerweile mehr als 14 Jahren nicht mehr in der Bundesrepublik lebt. Seine Ausweisung aus der Bundesrepublik ist seinerzeit auch auf sein Beitreiben hin erfolgt, wohl weil er dadurch vorzeitig der durch das Landgericht Stuttgart angeordneten Unterbringung in einer psychiatrischen Einrichtung entgehen wollte. Außerdem gehört der Kläger nicht zu der Gruppe der Einwanderer der zweiten Generation, deren Bindungen an die Bundesrepublik besonders Rechnung zu tragen wäre. Er ist in Polen geboren und dort bis zum Alter von immerhin 16 Jahren aufgewachsen.

41

4. Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(1) Die Beteiligten können vor dem Verwaltungsgericht den Rechtsstreit selbst führen.

(2) Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Darüber hinaus sind als Bevollmächtigte vor dem Verwaltungsgericht vertretungsbefugt nur

1.
Beschäftigte des Beteiligten oder eines mit ihm verbundenen Unternehmens (§ 15 des Aktiengesetzes); Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen,
2.
volljährige Familienangehörige (§ 15 der Abgabenordnung, § 11 des Lebenspartnerschaftsgesetzes), Personen mit Befähigung zum Richteramt und Streitgenossen, wenn die Vertretung nicht im Zusammenhang mit einer entgeltlichen Tätigkeit steht,
3.
Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, Personen und Vereinigungen im Sinne der §§ 3a und 3c des Steuerberatungsgesetzes im Rahmen ihrer Befugnisse nach § 3a des Steuerberatungsgesetzes, zu beschränkter geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen nach den §§ 3d und 3e des Steuerberatungsgesetzes berechtigte Personen im Rahmen dieser Befugnisse sowie Gesellschaften im Sinne des § 3 Satz 1 Nummer 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch Personen im Sinne des § 3 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes handeln, in Abgabenangelegenheiten,
3a.
Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, Personen und Vereinigungen im Sinne der §§ 3a und 3c des Steuerberatungsgesetzes im Rahmen ihrer Befugnisse nach § 3a des Steuerberatungsgesetzes, zu beschränkter geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen nach den §§ 3d und 3e des Steuerberatungsgesetzes berechtigte Personen im Rahmen dieser Befugnisse sowie Gesellschaften im Sinne des § 3 Satz 1 Nummer 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch Personen im Sinne des § 3 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes handeln, in Angelegenheiten finanzieller Hilfeleistungen im Rahmen staatlicher Hilfsprogramme zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie, wenn und soweit diese Hilfsprogramme eine Einbeziehung der Genannten als prüfende Dritte vorsehen,
4.
berufsständische Vereinigungen der Landwirtschaft für ihre Mitglieder,
5.
Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
6.
Vereinigungen, deren satzungsgemäße Aufgaben die gemeinschaftliche Interessenvertretung, die Beratung und Vertretung der Leistungsempfänger nach dem sozialen Entschädigungsrecht oder der behinderten Menschen wesentlich umfassen und die unter Berücksichtigung von Art und Umfang ihrer Tätigkeit sowie ihres Mitgliederkreises die Gewähr für eine sachkundige Prozessvertretung bieten, für ihre Mitglieder in Angelegenheiten der Kriegsopferfürsorge und des Schwerbehindertenrechts sowie der damit im Zusammenhang stehenden Angelegenheiten,
7.
juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in den Nummern 5 und 6 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
Bevollmächtigte, die keine natürlichen Personen sind, handeln durch ihre Organe und mit der Prozessvertretung beauftragten Vertreter.

(3) Das Gericht weist Bevollmächtigte, die nicht nach Maßgabe des Absatzes 2 vertretungsbefugt sind, durch unanfechtbaren Beschluss zurück. Prozesshandlungen eines nicht vertretungsbefugten Bevollmächtigten und Zustellungen oder Mitteilungen an diesen Bevollmächtigten sind bis zu seiner Zurückweisung wirksam. Das Gericht kann den in Absatz 2 Satz 2 Nr. 1 und 2 bezeichneten Bevollmächtigten durch unanfechtbaren Beschluss die weitere Vertretung untersagen, wenn sie nicht in der Lage sind, das Sach- und Streitverhältnis sachgerecht darzustellen.

(4) Vor dem Bundesverwaltungsgericht und dem Oberverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht oder einem Oberverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind nur die in Absatz 2 Satz 1 bezeichneten Personen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen. Vor dem Bundesverwaltungsgericht sind auch die in Absatz 2 Satz 2 Nr. 5 bezeichneten Organisationen einschließlich der von ihnen gebildeten juristischen Personen gemäß Absatz 2 Satz 2 Nr. 7 als Bevollmächtigte zugelassen, jedoch nur in Angelegenheiten, die Rechtsverhältnisse im Sinne des § 52 Nr. 4 betreffen, in Personalvertretungsangelegenheiten und in Angelegenheiten, die in einem Zusammenhang mit einem gegenwärtigen oder früheren Arbeitsverhältnis von Arbeitnehmern im Sinne des § 5 des Arbeitsgerichtsgesetzes stehen, einschließlich Prüfungsangelegenheiten. Die in Satz 5 genannten Bevollmächtigten müssen durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln. Vor dem Oberverwaltungsgericht sind auch die in Absatz 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 bezeichneten Personen und Organisationen als Bevollmächtigte zugelassen. Ein Beteiligter, der nach Maßgabe der Sätze 3, 5 und 7 zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten.

(5) Richter dürfen nicht als Bevollmächtigte vor dem Gericht auftreten, dem sie angehören. Ehrenamtliche Richter dürfen, außer in den Fällen des Absatzes 2 Satz 2 Nr. 1, nicht vor einem Spruchkörper auftreten, dem sie angehören. Absatz 3 Satz 1 und 2 gilt entsprechend.

(6) Die Vollmacht ist schriftlich zu den Gerichtsakten einzureichen. Sie kann nachgereicht werden; hierfür kann das Gericht eine Frist bestimmen. Der Mangel der Vollmacht kann in jeder Lage des Verfahrens geltend gemacht werden. Das Gericht hat den Mangel der Vollmacht von Amts wegen zu berücksichtigen, wenn nicht als Bevollmächtigter ein Rechtsanwalt auftritt. Ist ein Bevollmächtigter bestellt, sind die Zustellungen oder Mitteilungen des Gerichts an ihn zu richten.

(7) In der Verhandlung können die Beteiligten mit Beiständen erscheinen. Beistand kann sein, wer in Verfahren, in denen die Beteiligten den Rechtsstreit selbst führen können, als Bevollmächtigter zur Vertretung in der Verhandlung befugt ist. Das Gericht kann andere Personen als Beistand zulassen, wenn dies sachdienlich ist und hierfür nach den Umständen des Einzelfalls ein Bedürfnis besteht. Absatz 3 Satz 1 und 3 und Absatz 5 gelten entsprechend. Das von dem Beistand Vorgetragene gilt als von dem Beteiligten vorgebracht, soweit es nicht von diesem sofort widerrufen oder berichtigt wird.

(1) Kammerrechtsbeistände stehen in den nachfolgenden Vorschriften einem Rechtsanwalt gleich:

1.
§ 79 Absatz 1 Satz 2 und Absatz 2 Satz 1, § 88 Absatz 2, § 121 Absatz 2 bis 4, § 122 Absatz 1, den §§ 126, 130d und 133 Absatz 2, den §§ 135, 157 und 169 Absatz 2, den §§ 174, 195 und 317 Absatz 5 Satz 2, § 348 Absatz 1 Satz 2 Nummer 2 Buchstabe d, § 397 Absatz 2 und § 702 Absatz 2 Satz 2 der Zivilprozessordnung,
2.
§ 10 Absatz 2 Satz 1, § 11 Satz 4, § 13 Absatz 4, den §§ 14b und 78 Absatz 2 bis 4 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit,
3.
§ 11 Absatz 2 Satz 1 und § 46g des Arbeitsgerichtsgesetzes,
4.
den §§ 65d und 73 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 6 Satz 5 des Sozialgerichtsgesetzes, wenn nicht die Erlaubnis das Sozial- und Sozialversicherungsrecht ausschließt,
5.
den §§ 55d und 67 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 6 Satz 4 der Verwaltungsgerichtsordnung,
6.
den §§ 52d und 62 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 6 Satz 4 der Finanzgerichtsordnung, wenn die Erlaubnis die geschäftsmäßige Hilfeleistung in Steuersachen umfasst.

(2) Registrierte Erlaubnisinhaber stehen im Sinn von § 79 Abs. 2 Satz 1 der Zivilprozessordnung, § 10 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, § 11 Abs. 2 Satz 1 des Arbeitsgerichtsgesetzes, § 73 Abs. 2 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes, § 67 Abs. 2 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung und § 62 Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung einem Rechtsanwalt gleich, soweit ihnen die gerichtliche Vertretung oder das Auftreten in der Verhandlung

1.
nach dem Umfang ihrer bisherigen Erlaubnis,
2.
als Prozessagent durch Anordnung der Justizverwaltung nach § 157 Abs. 3 der Zivilprozessordnung in der bis zum 30. Juni 2008 geltenden Fassung,
3.
durch eine für die Erteilung der Erlaubnis zum mündlichen Verhandeln vor den Sozialgerichten zuständige Stelle,
4.
nach § 67 der Verwaltungsgerichtsordnung in der bis zum 30. Juni 2008 geltenden Fassung oder
5.
nach § 13 des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit in der bis zum 30. Juni 2008 geltenden Fassung
gestattet war. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 bis 3 ist der Umfang der Befugnis zu registrieren und im Rechtsdienstleistungsregister bekanntzumachen.

(3) Das Gericht weist registrierte Erlaubnisinhaber, soweit sie nicht nach Maßgabe des Absatzes 2 zur gerichtlichen Vertretung oder zum Auftreten in der Verhandlung befugt sind, durch unanfechtbaren Beschluss zurück. Prozesshandlungen eines nicht vertretungsbefugten Bevollmächtigten und Zustellungen oder Mitteilungen an diesen Bevollmächtigten sind bis zu seiner Zurückweisung wirksam. Das Gericht kann registrierten Erlaubnisinhabern durch unanfechtbaren Beschluss die weitere Vertretung oder das weitere Auftreten in der Verhandlung untersagen, wenn sie nicht in der Lage sind, das Sach- und Streitverhältnis sachgerecht darzustellen.§ 335 Abs. 1 Nr. 5 der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.