Gericht

Verwaltungsgericht München

Tenor

I.

Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 2. Mai 2016 wird angeordnet.

II.

Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.

Der Antragsteller wendet sich im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die von der Antragsgegnerin mit Bescheid vom 2. Mai 2016 verfügte Anordnung der Abschiebung nach Ungarn im Rahmen eines sogenannten „Dublin-Verfahrens“.

Der Antragsteller ist nach eigenen Angaben iranischer Staatsangehöriger und wurde am ... April 2016 an der Bundesstraße ... in Nähe der Ortschaft ... von Beamten der Bundespolizei angetroffen und überprüft. Nach seinen eigenen Angaben gegenüber der Bundespolizei ist der Antragsteller gemeinsam mit einem weiteren iranischen Staatsangehörigen mit einem Taxi von Wien nach Deutschland eingereist. Im Rahmen einer Beschuldigtenvernehmung am 7. April 2016 gab der Antragsteller an, sein Reiseziel sei Schweden. Er wolle dort heiraten, auch seine Familie lebe dort. Er haben den Iran vor drei Monaten verlassen und sei über die Türkei, Griechenland, Mazedonien, Ungarn und Österreich nach Deutschland gekommen. Gemeinsam mit einem Freund sei er mit einem Pkw in die Türkei gebracht worden, wo er sich ca. 10 Tage aufgehalten habe. Dann sei er mit einem Schlauchboot nach Griechenland gefahren, wo er sich ca. 10 Tage aufgehalten habe. Anschließend sei er mit dem Zug nach Mazedonien gefahren, wo er sich, da die Grenzen geschlossen waren, ca. 1 Monat aufgehalten habe. Mit Hilfe eines Schleusers seien er und sein Freund nach Ungarn gebracht worden, wo sie von der Polizei festgenommen und in ein Camp gebracht worden seien. Dort seien ihnen Fingerabdrücke genommen und Bilder gemacht worden. Von Ungarn aus seien die beiden von Schleusern nach Österreich gebracht worden, wo sie sich ca. 10 Tage - vermutlich in Wien - aufgehalten hätten. Schließlich seien sie mit einem Kfz nach Deutschland gebracht worden.

Eine EURODAC-Recherche durch die Bundespolizei ergab einen Treffer der ersten Kategorie für Ungarn, EURODAC-Nr. ... vom 8. März 2016.

Nach der Niederschrift über ein persönliches Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates zur Durchführung des Asylverfahrens, der sich weder das Datum noch der Mitarbeiter des Bundesamts ... (Bundesamt) entnehmen lässt, gab der Antragsteller an, er wolle nach Schweden, wo sich ein Bruder und eine Schwester aufhielten. Er wolle nicht nach Ungarn. Die Frage, ob der Antragsteller in Deutschland Asyl beantragt habe, wurde mit „Nein“ beantwortet.

Am 11. April 2016 wurde vom Bundesamt ein Wiederaufnahmegesuch an Ungarn gerichtet. Im Akt findet sich hierzu lediglich eine Eingangsbestätigung Ungarns vom 11. April 2016. Eine weitergehende Antwort ist in der vorgelegten Akte des Bundesamts nicht enthalten.

Mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 2. Mai 2016 wurde in Ziffer 1. die Abschiebung nach Ungarn angeordnet und in Ziffer 2. das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf sechs Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet. In den Bescheidsgründen wird ausgeführt, nach den Erkenntnissen des Bundesamts (EURODAC-Datenbankabgleich) lägen Anhaltspunkte für die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union gemäß der Verordnung Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin-III-VO) vor. Am 11. April 2016 sei ein Wiederaufnahmeersuchen gemäß Art. 18 Abs. 1d Dublin-III-VO an Ungarn gerichtet worden. Bis zum 25. April 2016 habe keine Antwort der ungarischen Behörden festgestellt werden können, daher sei gemäß Art. 25 Abs. 2 Dublin-III-VO davon auszugehen, dass die ungarischen Behörden dem Wiederaufnahmegesuch stattgegeben hätten und die im Bescheid genannte Person wieder aufnehmen würden. Die Abschiebung nach Ungarn sei gemäß § 34a Abs. 1 Satz 2 AsylG anzuordnen, da dieser Staat gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin-III-VO für die Bearbeitung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig sei. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die gegen eine Überstellung nach Ungarn sprächen, seien nicht ersichtlich. Im Rahmen der Beschuldigtenvernehmung habe der Antragsteller angegeben, zu Familienmitgliedern nach Schweden reisen zu wollen und dort eine Ehe schließen zu wollen. Ein Schutzersuchen sei nicht geäußert worden. Bei den Familienmitgliedern handle es sich um eine volljährige Schwester und um einen volljährigen Bruder. Die Dublin-III-VO definiere diese Personengruppe lediglich als Verwandte. Eine schützenswerte Familieneinheit liege demnach nicht vor. Dem Antragsteller sei es zuzumuten, in Ungarn das Verfahren der Familienzusammenführung zu betreiben. Bezüglich der beabsichtigten Eheschließung wird ausgeführt, dass die voreheliche Verbindung im Herkunftsland noch nicht bestanden habe und auch deshalb keine schützenswerte Familieneinheit vorliege. Die Antragsgegnerin sei verpflichtet, die Überstellung nach Ungarn als zuständigem Mitgliedstaat innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach Annahme des Aufnahme- oder Wiederaufnahmeersuchens durch Ungarn oder der endgültigen negativen Entscheidung über einen Rechtsbehelf oder einer Überprüfung, wenn diese aufschiebende Wirkung habe, durchzuführen (Art. 29 Abs. 1 Satz 1 Dublin-III-VO). Eine Abschiebung habe gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG zur Folge, dass der Drittstaatsangehörige nicht erneut in das Bundesgebiet einreisen und sich dort aufhalten dürfe. Das Bundesamt habe das Einreiseverbot gemäß § 75 Ziffer 12 AufenthG im Fall einer Abschiebungsanordnung nach § 34a AsylG gemäß § 11 Abs. 2 AufenthG zu befristen.

Nach der Postzustellungsurkunde wurde der Bescheid am 9. Mai 2016 zugestellt.

Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 12. Mai 2016, am selben Tag bei Gericht eingegangen, hat der Antragsteller beantragt,

1. den Bescheid der Beklagten vom 2. Mai 2016 aufzuheben;

2. die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.

Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, die Abschiebungsanordnung sei rechtswidrig und verletze den Antragsteller in seinen Rechten, da in Ungarn systemische Mängel im Asylverfahren herrschten, so dass eine Abschiebung nicht zumutbar sei. Das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen in Ungarn wiesen systemische Schwachstellen im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union auf (EuGH, U.v. 21.12.2011 - C 411/10 u. a.), die eine Rücküberstellung verbieten würden. Unter Hinweis auf die Rechtsprechung zahlreicher Verwaltungsgerichte und auf Grundlage von weiteren Erkenntnismitteln sei davon auszugehen, dass dem Antragsteller aufgrund der zum 1. Juli 2013 in Kraft getretenen Gesetzesänderung in Ungarn im Falle seiner Rücküberstellung eine mehrmonatige Inhaftierung drohe, ohne dass effektiver Rechtsschutz zur Verfügung stehe. Bei Einschaltung eines Rechtsanwalts gebe es ein System der Verlängerung der Haft, ohne dass die Eingabe des Rechtsanwalts oder individuelle Gründe berücksichtigt würden, was mit den EU-rechtlichen Vorgaben des Flüchtlingsschutzes nicht zu vereinbaren sei und einer Überstellung entgegenstehe. Unter Hinweis auf eine Veröffentlichung des European Council on Refugees and Exiles (ecre) und unter Bezugnahme auf die Änderung des ungarischen Asylrechts zum 1. August 2015 wird dargelegt, dass sich die Situation in Ungarn erheblich verschlechtert habe. Aus einem Bericht von Human Rights Watch vom 1. Dezember 2015 ergebe sich, dass Asylsuchende und Migranten auf der Grundlage des neuen Asylgesetzes wochenlang inhaftiert würden. Durch die geänderte Gesetzeslage würden Asylsuchende faktisch von der Möglichkeit ausgeschlossen, Schutz zu bekommen.

Mit Schreiben vom 13. Mai 2016 wurden vom Bundesamt die Verfahrensakten übersandt. Eine ausdrückliche Antragstellung erfolgte nicht.

Mit Schriftsatz vom 2. Juni 2016 haben die Bevollmächtigten des Antragstellers einen Beweisbeschluss des Verwaltungsgerichts Potsdam im Verfahren VG 6 K 1775/15.A vorgelegt.

Der Sachbearbeiter des Bundesamtes teilte der Geschäftsstelle telefonisch mit, der Antragsteller sei versehentlich am 31. Mai 2016 nach Ungarn abgeschoben worden, werde aber vom Bundesamt wieder zurückgeholt. Auf Nachfrage des Einzelrichters vom 5. Juli 2016 teilte das Bundesamt mit E-Mail vom 7. Juli 2016 mit, Ungarn sei um schnelle Rückführung gebeten worden, die Rückführungskosten würden durch das Bundesamt übernommen. Aufgrund von nicht durch das Bundesamt zu vertretenden Verzögerungen auf ungarischer Seite habe der Antragsteller bislang noch nicht nach Deutschland zurückgeführt werden können, die Bemühungen zur Rückführung liefen weiter.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichts- sowie die vorgelegte Behördenakte des Bundesamts Bezug genommen.

II.

Der zulässige, insbesondere innerhalb der Wochenfrist des § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG eingelegte Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 2. Mai 2016 hat in der Sache Erfolg.

1. Entfaltet ein Rechtsbehelf - wie hier - von Gesetzes wegen keine aufschiebende Wirkung (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i. V. m. § 75 Abs. 1 AsylG), kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ganz oder teilweise anordnen. Das Gericht trifft dabei eine eigene Ermessensentscheidung, bei der es abzuwägen hat zwischen dem sich aus § 75 AsylG ergebenden öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfes. Dabei sind insbesondere die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt die im Eilverfahren gebotene summarische Prüfung, dass die Klage voraussichtlich erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid schon bei kursorischer Prüfung als rechtswidrig, so besteht kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei einer allgemeinen Interessenabwägung.

Gemessen an diesen Grundsätzen überwiegt vorliegend das persönliche Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seiner Klage das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung, da die Klage im Hauptsacheverfahren voraussichtlich Erfolg haben wird. Nach der hier gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) davon auszugehen, dass sich der angefochtene Bescheid im Hauptsacheverfahren als rechtswidrig erweisen wird und der Antragsteller hierdurch in seinen Rechten verletzt ist. Die erfolgte Abschiebungsanordnung auf der Grundlage des § 34a AsylG ist voraussichtlich rechtswidrig. Deren Rechtswidrigkeit hat auch die Rechtswidrigkeit der Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbotes gemäß § 11 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) zur Folge.

2. In materieller Hinsicht ordnet das Bundesamt auf der Grundlage des § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG die Abschiebung eines Ausländers in einen sicheren Drittstaat (§ 26a AsylG) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27a AsylG) an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Gemäß § 34a Abs. 1 Satz 2 AsylG gilt dies auch, wenn der Ausländer den Asylantrag in einem anderen, aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat gestellt oder vor der Entscheidung des Bundesamtes zurückgenommen hat. Gemäß § 34a Abs. 1 Satz 3 AsylG bedarf es keiner vorherigen Androhung und Fristsetzung.

2.1 Vorliegend ist zunächst fraglich, ob der Antragsteller vom Anwendungsbereich des § 34a AsylG bzw. dem Anwendungsbereich des AsylG erfasst wird. Nach § 1 Abs. 1 AsylG gilt dieses Gesetz für Ausländer, die Schutz vor politischer Verfolgung nach Art. 16a Abs. 1 Grundgesetz (GG) oder internationalen Schutz nach der RL 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 beantragen. Gemäß § 13 Abs. 1 AsylG liegt ein Asylantrag vor, wenn sich dem schriftlich, mündlich oder auf andere Weise geäußerten Willen des Ausländers entnehmen lässt, dass er im Bundesgebiet Schutz vor politischer Verfolgung sucht oder dass er Schutz vor einer Abschiebung oder einer sonstigen Rückführung in einen Staat begehrt, in dem ihm eine Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG oder ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylG droht.

Auch ohne Asylantrag in Deutschland wird der Antragsteller als sog. „Aufgriffsfall“ vom Anwendungsbereich des § 34a Abs. 1 Satz 2 AsylG erfasst. Im Rahmen der Änderung des Asylverfahrensgesetzes im Jahr 2013 wurde zur Umsetzung der Qualifikationsrichtlinie (2011/95/EU) in § 34a Abs. 1 AsylG Satz 2 in seiner auch jetzt noch geltenden Fassung ausdrücklich mit der Begrünung eingefügt, dass diese Vorschrift eine gesetzliche Aufgabenzuweisung für das Bundesamt darstellt und der Erfassung der so genannten „Aufgriffsfälle“ dienen soll, in denen ein Ausländer im Inland angetroffen wird, der in einem anderen Staat - in dem die Dublin-VO Anwendung findet - einen Asylantrag gestellt hat, nicht aber in Deutschland (BT-Drs. 17/13556, S. 7).

2.2 Geht man daher davon aus, dass die so genannten „Aufgriffsfälle“ über § 34a Abs. 1 Satz 2 AsylG erfasst sind, obwohl das AsylG an sich nur auf Personen Anwendung findet, die in Deutschland einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt haben (vgl. Müller, in: Hofmann [Hrsg.], Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016, § 34a AsylVfG/AsylG, Rn. 10), so ist weiter zu prüfen, ob die Tatbestandsvoraussetzungen einer entsprechenden Abschiebungsanordnung vorliegen. Voraussetzung ist hiernach, dass der Antragsteller einen Asylantrag in Ungarn gestellt hat und es muss feststehen, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann.

Bei dem ermittelten EURODAC-Treffer „...“ handelt es sich um einen Treffer der Kategorie 1 im Sinne von Art. 24 Abs. 4 Satz 3 der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 (ABl. L 180 vom 29.06.2013, S. 1), wonach der Antragsteller am 8. März 2016 in Ungarn einen Asylantrag gestellt hat.

Nach Art. 18 Abs. 1b Dublin-III-VO hat der nach dieser Verordnung zuständige Mitgliedstaat die Verpflichtung, einen Antragsteller, der während der Prüfung seines Antrages in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates ohne Aufenthaltstitel aufhält, nach Maßgabe der Art. 23, 24, 25 und 29 Dublin-III-VO wieder aufzunehmen. Allerdings ergibt sich aus Art. 18 Dublin-III-VO keine unmittelbare Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens; vielmehr bestimmt sich diese zunächst nach den Bestimmungen des Kap. III, weshalb sich eine Zuständigkeit Ungarns aus den Art. 7 ff. Dublin-III-VO ergeben müsste, an die dann die weiteren Pflichten des zuständigen Mitgliedstaates in Kap. V und das Aufnahme- und Wiederaufnahmeverfahren in Kap. IV anknüpfen.

Vorliegend kann sich eine Zuständigkeit Ungarns aus Art. 13 Abs. 1 Dublin-III-VO ergeben. Darin ist geregelt, dass für den Fall, dass auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Art. 22 Abs. 3 Dublin-III-VO genannten Verzeichnissen einschließlich der Daten nach der VO (EU) Nr. 603/2013 festgestellt wird, dass ein Antragsteller aus einem Drittstaat kommend, die Land-, See- oder Luftgrenze eines Mitgliedstaates illegal überschritten hat, dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Gemäß Art. 13 Abs. 1 Satz 2 Dublin-III-VO endet diese Zuständigkeit 12 Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertrittes.

2.3 Der Erlass einer Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 AsylG setzt weiter voraus, dass die Durchführbarkeit der Rückführung feststeht. Sie muss daher rechtlich zulässig und zeitnah tatsächlich möglich sein, wobei die praktische Möglichkeit der Rückführung vor allem von der Einhaltung der Fristen im Rahmen der Dublin-III-VO und von der Zustimmung des Staates abhängt, in den abgeschoben werden soll (vgl. Müller, in: Hoffmann [Hrsg.], Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016, § 34a AsylVfG/AsylG Rn. 11).

Fraglich ist, ob das Bundesamt ein Wiederaufnahmegesuch nach Art. 23 Dublin-III-VO oder nach Art. 24 Dublin-III-VO gestellt hat. Während Art. 23 zur Anwendung kommt, wenn im ersuchenden Mitgliedstaat ein erneuter Asylantrag gestellt wurde, regelt Art. 24 den Fall, dass im ersuchenden Mitgliedstaat kein neuer Antrag gestellt wurde. Im Formular für Wiederaufnahmegesuche findet sich lediglich der Eintrag, der Antrag erfolge nach Art. 18 Abs. 1d Dublin-III-VO. Nach beiden Vorschriften (Art. 23 Abs. 2 Dublin-III-VO bzw. Art. 24 Abs. 2 Dublin-III-VO) ist jedenfalls eine Zweimonats-Frist zu beachten, die mit dem Wiederaufnahmegesuch vom 11. April 2016 grundsätzlich eingehalten wurde. Da Ungarn auf das Wiederaufnahmegesuch nicht innerhalb von 2 Wochen geantwortet hat, ist gemäß Art. 25 Abs. 2 Dublin-III-VO davon auszugehen, dass Ungarn dem Wiederaufnahmegesuch stattgegeben hat, was gleichzeitig die Verpflichtung nach sich zieht, die betreffende Person wieder aufzunehmen und angemessene Vorkehrungen für die Ankunft zu treffen.

Allerdings ist für Aufnahmeersuchen nach Art. 21 Dublin-III-VO anerkannt, dass ein solches nur dann fristwahrend angebracht worden ist, wenn das Gesuch alle dem ersuchenden Staat bekannten Informationen und Hinweise enthält, die für eine Zuständigkeitsentscheidung erheblich sein können (vgl. Bruns, in: Hoffmann [Hrsg.], Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016, § 27a AsylVfG/AsylG Rn. 15). In Art. 21 Abs. 3 Dublin-III-VO ist vorgesehen, dass für das Gesuch um Aufnahme durch einen anderen Mitgliedstaat ein Formblatt zu verwenden ist, das Beweismittel oder Indizien gemäß den beiden in Artikel 22 Absatz 3 genannten Verzeichnissen und/oder sachdienliche Angaben aus der Erklärung des Antragstellers enthalten muss, anhand deren die Behörden des ersuchten Mitgliedstaats prüfen können, ob ihr Staat gemäß den in dieser Verordnung definierten Kriterien zuständig ist. Ist das Aufnahmeersuchen unvollständig bzw. weist es inhaltliche Fehler auf, wird damit die Frist für die Anbringung des Aufnahmegesuches nicht gewahrt (gegen eine Fristwahrung VG Frankfurt/Oder, B.v. 31.8.2011 - 7 L 235/11.A - juris; vgl. auch Bruns, a. a. O., m. w. N. gegenteiliger, aber nicht veröffentlichter Entscheidungen für eine Fristwahrung auch in diesen Fällen). Nach Ansicht des Verwaltungsgerichts Frankfurt/Oder setzt der Eintritt der Fiktionswirkung des Art. 20 Abs. 1c Dublin-II-VO (entspricht Art. 25 Abs. 2 der Dublin-III-VO) und damit die Begründung der Zuständigkeit des angefragten Mitgliedstaates voraus, dass in dem Wiederaufnahmegesuch Hinweise enthalten sind, aus denen der ersuchte Mitgliedstaat entnehmen kann, dass er zuständig ist. Dies könne nur sinnvoll dahingehend verstanden werden, dass die entsprechenden Hinweise richtig und vollständig sein müssten (VG Frankfurt/Oder, B.v. 31.8.2011 - 7 L 235/11.A - juris Rn. 6). Im konkreten Fall kam das Verwaltungsgericht Frankfurt/Oder zu dem Ergebnis, dass bei einem Wiederaufnahmegesuch die vollständige Angabe des Reiseweges des Antragstellers zu den erforderlichen Angaben gehört, weshalb das damalige Wiederaufnahmegesuch für unvollständig gehalten wurde, so dass im Ergebnis die Zuständigkeit der Antragsgegnerin bejaht wurde.

Für das Wiederaufnahmegesuch regelt Art. 25 Abs. 5 Dublin-III-VO, dass ein Standardformblatt zu verwenden ist, das Beweismittel oder Indizien im Sinne der beiden Verzeichnisse nach Artikel 22 Absatz 3 und/oder sachdienliche Angaben aus der Erklärung der Person enthalten muss, anhand deren die Behörden des ersuchten Mitgliedstaats prüfen können, ob ihr Staat auf Grundlage der in dieser Verordnung festgelegten Kriterien zuständig ist. Insoweit ist die Situation im Wiederaufnahmeverfahren durchaus mit der in einem Aufnahmeverfahren vergleichbar, so dass die hierzu entwickelten Grundsätze herangezogen werden können.

Vorliegend wurde im Wiederaufnahmeformular der Reiseweg des Antragstellers nicht angegeben, obwohl der Antragsteller diesen im Rahmen seiner Beschuldigtenvernehmung vollständig angegeben hatte. Damit stellt sich das Wiederaufnahmegesuch im Hinblick auf die fehlenden Angaben zum Reiseweg voraussichtlich als unvollständig dar. Damit wurde aber mit dem Wiederaufnahmeersuchen voraussichtlich nicht die Zweimonats-Frist des Art. 24 Abs. 2 UAbs. 1 Dublin-III-VO gewahrt, so dass gemäß Art. 24 Abs. 3 Dublin-III-VO die Antragsgegnerin dem Antragsteller voraussichtlich Gelegenheit zu geben hat, einen neuen Asylantrag zu stellen.

Zu Art. 19 Abs. 2 der Dublin-II-VO (Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist, ABl. L 50 vom 25.02.2003, S. 1-10) hatte der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil vom 10. Dezember 2013, (C-394/12 - Abdullahi) noch entschieden, dass diese Bestimmung dahin auszulegen war, dass ein Asylbewerber der Zuständigkeit eines Mitgliedstaats als des Mitgliedstaats der ersten Einreise dieses Asylbewerbers in das Gebiet der Europäischen Union nur damit entgegentreten kann, dass er systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat geltend macht, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass er tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte ausgesetzt zu werden. Nunmehr hat der Europäische Gerichtshof zu Art. 27 Abs. 1 Dublin-III-VO in seinem Urteil vom 7. Juni 2016 entschieden, dass diese Bestimmung im Licht des 19. Erwägungsgrundes dieser Verordnung dahin auszulegen ist, dass ein Asylbewerber im Rahmen eines Rechtsbehelfs gegen eine Entscheidung über seine Überstellung die fehlerhafte Anwendung eines in Kapitel III dieser Verordnung festgelegten Zuständigkeitskriteriums und insbesondere des in Art. 12 der Verordnung festgelegten Kriteriums einer Visumserteilung geltend machen kann (C-63/15 - juris Tz. 61). Der Europäische Gerichtshof konstatiert in diesem Urteil, dass sich der Unionsgesetzgeber im Rahmen der Dublin-III-VO nicht darauf beschränkt hat, organisatorische Regeln nur für die Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten zu normieren, um den zuständigen Mitgliedstaat bestimmen zu können, sondern sich dafür entschieden hat, die Asylbewerber an diesem Verfahren zu beteiligen, indem er die Mitgliedstaaten dazu verpflichtete, die Asylbewerber über die Zuständigkeitskriterien zu unterrichten, ihnen Gelegenheit zur Mitteilung der Informationen zu geben, die die fehlerfreie Anwendung dieser Kriterien erlauben, und ihnen einen wirksamen Rechtsbehelf gegen die am Ende des Verfahrens möglicherweise ergehende Überstellungsentscheidung zu gewährleisten (EuGH, U.v. 7.6.2016 - C-63/15 - juris Tz. 51). Im Hinblick auf die vorgenannte Entscheidung vom 7. Juni 2016 ist der Antragsteller somit nicht gehindert, über das Vorliegen systemischer Mängel im ersuchten Aufnahmeland hinaus auch sonstige Fehler im Vollzug der Dublin-III-VO geltend zu machen.

2.4 Hinzu kommt, dass eine Überstellung an Ungarn, sollte dies der nach der Dublin-III-VO zuständige Mitgliedstaat sein, sich zur Überzeugung des Gerichts gemäß Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2 Dublin-III-VO wegen systemischer Schwachstellen des ungarischen Asylsystems derzeit als unmöglich erweist. Gemäß Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2 Dublin-III-VO hat der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat für den Fall, dass es sich als unmöglich erweist, einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, da es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die die Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der EU-Grundrechtecharta mit sich bringen, die Prüfung der in Kap. III vorgesehenen Kriterien fortzusetzen, um festzustellen, ob ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann. Gemäß Art. 3 Abs. 2 UAbs. 3 Dublin-III-VO wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat der zuständige Mitgliedstaat, wenn keine Überstellung gemäß diesem Absatz an einen aufgrund der Kriterien des Kap. III bestimmten Mitgliedstaat oder an den ersten Mitgliedstaat, in dem der Antrag gestellt wurde, vorgenommen werden kann.

Die Antragsgegnerin ist daher voraussichtlich gehalten, die Prüfung der in Kapitel III der Dublin-III-VO vorgesehenen Kriterien fortzusetzen, um festzustellen, ob ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann (Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2 Dublin-III-VO) oder ob sie selbst für das Asylverfahren zuständig geworden ist (Art. 3 Abs. 2 UAbs. 3 Dublin-III-VO).

Nach Art 3 Abs. 2 UAbs. 2 Dublin-III-VO ist die Überstellung unmöglich, wenn es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in Ungarn systemische Schwachstellen aufweisen, die die Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikel 4 der EU-Grundrechtscharta (GRCh) mit sich bringen. Der Regelung liegt die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zugrunde, wonach die im Gemeinsamen Europäischen Asylsystem grundsätzlich aufgrund des Prinzips gegenseitigen Vertrauens bestehende Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Europäischen Grundrechtecharta (GRCh), der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) und der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) steht, nicht unwiderleglich ist, sondern für den Fall, dass dem überstellenden Mitgliedstaat nicht unbekannt sein kann, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, widerlegt werden kann (EuGH, U.v. 21.12.2011 - C-411/10, C-493/10 - N.S. u. a., NVwZ 2012, 417 - juris Rn. 79 ff.; vgl. auch EuGH, U.v. 14.11.2013 - C-4/11 - Puid, NVwZ 2014, 129). Die Schwachstellen bzw. Mängel des Asylsystems müssen dabei nicht kumulativ Asylverfahren und Aufnahmebedingungen betreffen, sondern können auch alternativ vorliegen (vgl. BVerwG, B.v. 19.3.2014 - 10 B 6/14 - juris Rn. 9: „Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen“; VG München, B.v. 18.1.2016 - M 24 S 15.50827 u. a. - juris Rn. 25).

Eine Widerlegung der Vermutung ist allerdings an hohe Hürden geknüpft. Nicht jede drohende Grundrechtsverletzung oder geringste Verstöße gegen die einschlägigen EU-Richtlinien genügen, um die Überstellung an den zuständigen Mitgliedstaat zu verhindern (EuGH, a.a.O; BVerwG, B.v. 19.3.2014 - 10 B 6/14 - juris Rn.6). Ein hinreichend schwerer Verstoß gegen das Verbot der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung des Art. 4 GRCh (bzw. des inhaltsgleichen Art. 3 EMRK, vgl. Art. 52 52 Abs. 3 S. 1 GRCh) ist im asylrechtlichen Zusammenhang etwa gegeben bei einer systemischen Nichtbeachtung des Refoulementverbots. Es können aber auch die allgemeinen Haft- und Lebensbedingungen für Asylbewerber eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung darstellen (EGMR, U.v. 21.1.2011 − M.S. S./Belgien u. Griechenland, 30696/09 - NVwZ 2011, 413 Rn. 286 ff. und 342 ff.; EGMR, U.v. 3.7.2014 - Mohammadi/Austria, 71932/12 - abrufbar unter http://hudoc.echr.coe.int/eng?i=001-145233, Rn. 60 und 71 ff.). Systemische Schwachstellen liegen also insbesondere dann vor, wenn dem Betroffenen in dem Mitgliedstaat, in den er überstellt werden soll, der Zugang zu einem Asylverfahren, welches nicht mit grundlegenden Mängeln behaftet ist, verwehrt oder massiv erschwert wird, wenn das Asylverfahren an grundlegenden Mängeln leidet oder wenn er während der Dauer des Asylverfahrens wegen einer grundlegend defizitären Ausstattung mit den notwendigen Mitteln elementare Grundbedürfnisse des Menschen (wie z. B. Unterkunft, Nahrungsaufnahme und Hygienebedürfnisse) nicht in einer noch zumutbaren Weise befriedigen kann (OVG NRW, U.v. 7.3.2014 - 1 A 21/12.A - juris Rn. 126; VG München, B.v. 18.1.2016 - M 24 S 15.50827 u. a. - juris Rn. 26; U.v. 11.9.2015 - M 23 K 15.50045 - juris Rn. 24).

„Systemisch“ sind Schwachstellen, die den Einzelnen in dem zuständigen Mitgliedstaat nicht unvorhersehbar oder schicksalhaft treffen, sondern die sich aus Sicht der deutschen Behörden und Gerichte wegen ihrer systemimmanenten Regelhaftigkeit verlässlich prognostizieren lassen. Dies setzt voraus, dass das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedstaat aufgrund größerer Funktionsstörungen regelhaft so defizitär sind, dass anzunehmen ist, dass dort auch dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht (vgl. BVerwG, B.v. 19.3.2014 - 10 B 6/14 - juris Rn. 9).

2.4.1 Auf der Grundlage der aktuellen Erkenntnismittel sprechen wesentliche Gründe dafür, dass das ungarische Asylsystem derzeit wegen der zum 1. August 2015 in Kraft getretenen Änderungen der ungarischen Asylgesetzgebung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Dublin-Rückkehrern den Zugang zu einem Asylverfahren verwehrt, das die materielle Prüfung ihres Asylantrages gewährleistet (VG München, B.v. 18.1.2016 - M 24 S 15.50827 u. a. - juris Rn. 28). Insbesondere besteht nach summarischer Prüfung im Hinblick auf die Regelungen zum sicheren Drittstaat und die Einstufung Serbiens als sicherer Drittstaat die Gefahr, dass der Antragsteller, der nach eigenen Angaben über Serbien nach Ungarn eingereist ist, ohne inhaltliche Prüfung seines Antrags nach Serbien abgeschoben und damit gegen das Refoulment-Verbot des Art. 33 GFK verstoßen wird.

Das ungarische Parlament hat am 6. Juli 2015 weitreichende Verschärfungen des ungarischen Asylrechts und weitgehende Beschleunigungen des Asylverfahrens sowie Hindernisse im Zugang zum Asylverfahren beschlossen, die zum 1. August 2015 in Kraft getreten sind und am 4. September 2015 weitere Maßnahmen beschlossen, die am 15. September 2015 in Kraft getreten sind (vgl. hierzu das Helsinki Committe Ungarn: No Country for Refugees - Information Note vom 18.9.2015, abrufbar unter: http://helsinki.hu/en/nocountryforrefugeesinformationnote; Building a Legal Fence - Information Note vom 7.8.2015, abrufbar unter: http://helsinki.hu/wpcontent/uploads/HHC-HU-asylumlawamendment-2015-Augustinfonote.pdf; zum ungarischen Asylrecht, insbesondere zur Regelung sicherer Drittstaaten, vgl. die deutschsprachige Wiedergabe der Bestimmungen in EuGH, U.v. 17.3.2016 - C-695/15 PPU - juris Rn. 15 ff.; zur Rechtslage in Ungarn vgl. auch Prof. Dr. Küpper, Rechtsgutachten über ungarisches Asylrecht vom 2. Oktober 2015, Institut für Ostrecht München, erstattet für das VG Düsseldorf im Verfahren 22 K 3263/15.A). Danach soll unter anderem das Asylverfahren annulliert werden, wenn Asylsuchende die ihnen zugewiesenen Aufenthaltsorte länger als 48 Stunden verlassen; gleichzeitig dürfen Flüchtlinge bis zum Ende ihres Asylverfahrens inhaftiert werden.

Durch die ungarische Regierung wurde im Verordnungswege eine Liste für sichere Drittstaaten beschlossen, darunter Serbien als Beitrittskandidat für die Europäische Union. Nach § 2 der ungarischen Regierungsverordnung Nr. 191/2015 zur Bestimmung der als sicher eingestuften Herkunftsstaaten und der sicheren Drittstaaten auf nationaler Ebenevom 21. Juli 2015 (191/2015. [VII. 21.] kormányrendelet a nemzeti szinten biztonságosnak nyilvánított származási országok és biztonságos harmadik országok meghatározásáról; im Folgenden: ungarische Regierungsverordnung vom 21. Juli 2015) sind sichere Drittstaaten im Sinne von § 2 Buchst. i des ungarischen Asylgesetzes u. a. die Mitgliedstaaten der Europäischen Union und deren Beitrittskandidaten - mit Ausnahme der Türkei -, die Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums sowie die Bundesstaaten der Vereinigten Staaten von Amerika, die die Todesstrafe nicht anwenden.

§ 3 Abs. 2 der Regierungsverordnung vom21. Juli 2015 regelt: „Hatte sich der Antragsteller, bevor er in das Hoheitsgebiet Ungarns eingereist ist, im Hoheitsgebiet eines sicheren Drittstaats im Sinne der Liste der sicheren Drittstaaten der Europäischen Union oder des § 2 aufgehalten oder dessen Hoheitsgebiet durchquert, so kann er im Asylverfahren nach dem Asylgesetz nachweisen, dass in seiner besonderen Situation in diesem Land keine Möglichkeit wirksamen Schutzes im Sinne von § 2 Buchst. i des Asylgesetzes bestand.“

Nach § 51 Abs. 1 des Gesetzes Nr. LXXX von 2007 über das Asylrecht (Menedékjogról szóló 2007. évi LXXX. törvény, Magyar Közlöny 2007/83, im Folgenden: ungarisches Asylgesetz) entscheidet die Asylbehörde über die Zulässigkeit des Antrags sowie darüber, ob die Voraussetzungen vorliegen, um über die Begründetheit des Antrags im beschleunigten Verfahren zu entscheiden, wenn die Voraussetzungen für die Anwendung der Dublin-Verordnungen nicht vorliegen.

Nach § 51 Abs. 2 Buchst. e ungarisches Asylgesetz ist der Antrag ist unzulässig, wenn es für den Antragsteller einen Drittstaat gibt, der für ihn einen sicheren Drittstaat darstellt. Nach § 51 Abs. 4 ungarisches Asylgesetz darf der Antrag nur dann nach Abs. 2 Buchst. e für unzulässig erklärt werden, wenn der Antragsteller

a) sich in einem sicheren Drittstaat aufgehalten hat und es ihm in diesem Staat möglich gewesen wäre, wirksamen Schutz entsprechend den Bestimmungen von § 2 Buchst. i in Anspruch zu nehmen,

b) das Hoheitsgebiet eines solchen Staates durchquert hat und es ihm in diesem Staat möglich gewesen wäre, wirksamen Schutz entsprechend den Bestimmungen von § 2 Buchst. i in Anspruch zu nehmen,

c) dort über verwandtschaftliche Verbindungen verfügt und in das Gebiet dieses Staates einreisen darf oder

d) ein sicherer Drittstaat die Auslieferung des Antragstellers beantragt.

Es besteht in Ungarn aufgrund der Aufnahme von Serbien in die Liste der sicheren Drittstaaten und die vorstehenden Bestimmungen damit die Gefahr, dass der Antragsteller nach einer Überstellung nach Ungarn dort keinen Zugang zu einem Asylverfahren erhält, in dem eine inhaltliche Prüfung seiner Fluchtgründe vorgenommen wird, sondern er stattdessen ohne inhaltliche Prüfung seiner Fluchtgründe nach europäischen Mindeststandards nach Serbien abgeschoben wird (VG München, B.v. 18.1.2016 - M 24 S 15.50827 u. a. - juris Rn. 41; VG Düsseldorf, Gerichtsbescheid v. 2.12.2015 - 22 K 3263/15.A - juris Rn. 56; VG Düsseldorf, Gerichtsbescheid v. 21.09.2015 - 8 K 5062/15.A - juris Rn. 30 ff.; VG München, U.v. 18.9.2015 - M 23 K 15.50045 - juris Rn. 26 ff.; B.v. 22.6.2016 - M 8 S 16.50295, BA S. 20).

2.4.2Diese Einschätzung wird auch durch die neueren Erkenntnismittel bestätigt (vgl. etwa die Nachweise in VG München, B.v. 18.1.2016 - M 24 S 15.50827 u. a. - juris Rn. 40 f.: Asylum Information Database (AIDA), Country Report: Hungary, 1. November 2015, abrufbar unter: http://www.asylumineurope.org/reports/country/hungary; Amnesty International (AI), Fenced Out - Hungarys violations of the rights of refugees and migrants, 7.Oktober 2015, abrufbar unter: https://www.amnesty.org/en/documents/eur27/2614/2015/en/; European Council on Refugees and Exiles (ecre), Crossing Bundaries - The new asylum procedure at the border and restrictions to accessing protection in Hungary, 1. Oktober 2015, abrufbar unter: http://ecre.org/component/downloads/downloads/1056; Hungarian Helsinki Commitee (HHC), No Country for Refugees, New asylum rules deny protection to refugees and lead to unprecedented human rights violations in Hungary, Information Note, 18. September 2015, abrufbar unter: http://helsinki.hu/wpcontent/uploads/HHC_Hungary_Info_Note_Sept-2015_No_country_for_refugees.pdf). Danach ist die Drittstaatenregelung, insbesondere im Hinblick auf Serbien, als ernstzunehmendes Hindernis für die Durchführung eines den Mindestanforderungen entsprechenden Asylverfahrens anzusehen. Es besteht die Besorgnis, dass die Qualifizierung von Serbien als sicherem Drittstaat für Dublin-Rückkehrer gleichsam zu einer automatischen Ablehnung des Asylantrags ohne materielle Prüfung der Fluchtgründe führt. Einen wirksamen Rechtsbehelf gegen eine auf die Drittstaatenregelung gestützte Ablehnung sieht das ungarische Rechtssystem nicht vor. Für Dublin-Rückkehrer, die über Serbien nach Ungarn gelangt sind, was bis September 2015 auf 99% der Asylsuchenden zutrifft, besteht demnach die beachtliche Gefahr einer Kettenabschiebung nach Serbien, die ein indirektes Refoulement nach sich ziehen kann (AIDA, a. a. O. S. 24 f., 44 ff.; AI, a. a. O. S. 16; ecre a. a. O. S. 37; HHC a. a. O. S. 1 f.). Weiter ist den genannten Erkenntnismitteln zu entnehmen, dass die am 1. August 2015 in Kraft getretene Drittstaatenregelung in der Praxis auch rückwirkend auf Asylanträge angewandt werden soll, die vor dem Inkrafttreten der Neuregelung gestellt worden sind (AIDA, a. a. O. S.24; vgl. auch das Rechtsgutachten über ungarisches Asylrecht vom 2. Oktober 2015, a. a. O., S. 21 f.).

2.4.3Vor allem aber hat der UNHCR, dessen Wertungen im Kontext der Prüfung des Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2 Dublin-III-VO von besonderer Relevanz sind (EuGH, U.v. 30.5.2013 - C-528/11 - Halaf vs. Bulgarien, NVwZ-RR 2013, 660 - juris Tz. 44), bereits im Vorfeld Gesetzesänderungen Bedenken angemeldet und sich insoweit als „tief besorgt“ bezeichnet (vgl. UNHCR vom 3.7.2015: UNHCR urges Hungary not to amend asylum system in haste, abrufbar unter: http://www.unhcr.org/559641846.html). Bereits diese Stellungnahme bestätigte, dass die Empfehlung, die der UNHCR bereits im August 2012 ausgesprochen hatte, nämlich von Rücküberstellungen von Asylsuchenden nach Serbien abzusehen und Serbien nicht als sicheren Drittstaat zu betrachten (UNHCR, Serbia as a Country of Asylum - Observations on the Situation of Asylum-Seekers ans Beneficiaries of International Protection in Serbia, August 2012, abrufbar unter: http://www.unhcrcentraleurope.org/pdf/resources/legaldocuments/unhcrhandbooksrecommendationsandguidelines/serbiaasacountryofasylum-2012.html), nach wie vor Gültigkeit hat.

In seinem jüngsten Bericht „Hungary as a Country of Asylum - Observations on restrictive legal measures and subsequent practice implemented between July 2015 and March 2016“ vom Mai 2016 (abrufbar unter http://www.refworld.org/docid/57319d514.html) hat der UNHCR in Tz. 71 ausdrücklich an seiner damaligen Empfehlung festgehalten, dass Asylsuchende nicht nach Serbien zurückgebracht werden sollten. Insoweit ist auch in Serbien eine sehr weitgehende Regelung sicherer Drittstaaten, die etwa auch die Türkei - trotz deren geografischen Vorbehalt bei der Ratifizierung der GFK -, Griechenland und die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien umfasst, problematisch. Diese Regelung hat nach dem vom European Council on Refugees and Exiles (ecre) herausgegebenen Landesbericht vom März 2016 dazu geführt, dass über die Jahre zahlreiche Asylanträge abgelehnt wurden, ohne dass die zuständige Asylbehörde die Begründetheit des Anspruchs geprüft hätte (aida - Asylum Information Database, Country Report: Serbia, March 2016 abrufbar unter http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/reportdownload/aida_sr.pdf). Letztendlich bestehen auch an der Leistungsfähigkeit des Asylverfahrens in Serbien erhebliche Zweifel. Nach dem vorstehenden Länderbericht vom März 2016 wurden 2015 583 Asylanträge gestellt, von denen 58 verbeschieden wurden (16 mit Zuerkennung des Flüchtlingsstatus, 14 mit Zuerkennung subsidiären Schutzes, 28 Ablehnungen).

Hinzu kommt, dass nach einer Meldung auf der aida-Homepage vom 12. Mai 2016 Ungarn Rücküberstellungen im Rahmen der Dublin-III-VO nach Griechenland angeordnet hat, obwohl seit den Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Europäischen Gerichtshofs aus dem Jahr 2011 kein anderer Mitgliedstaat Überstellungen nach Griechenland vornimmt (abrufbar unter http://www.asylumineurope.org/news/29-05-2016/hungarydecisionsreinstatingdublintransfersgreece).

2.4.4 Soweit jüngere Entscheidungen das Vorliegen systemischer Mängel des ungarischen Asylrechts im Hinblick auf die Einstufung Serbiens als sicheren Drittstaat ablehnen, stützen sich diese in erster Linie auf die Auskunft des Auswärtigen Amts an das Verwaltungsgericht Regensburg vom 27. Januar 2016 im Verfahren RO 4 K 15.50580 (VG Osnabrück, U.v. 18.5.2016 - 5 A 68/16 - juris Rn. 38; VG München, B.v. 17.3.2016 - M 1 S 16.50032 - juris Rn. 19). Nach der Auskunft vom 27. Januar 2016 lehne Serbien die Übernahme von Drittstaatsangehörigen aus Ungarn im Wege der Einzelfallprüfung ab, wenn nicht nachgewiesen werden könne, dass die Antragsteller tatsächlich über Serbien nach Ungarn eingereist seien. Da Serbien in der Regel keine Registrierung der durchreisenden Flüchtlinge vorgenommen habe und Ungarn auch keine Nachweise vorlägen, könne dieser Nachweis in der Regel nicht erbracht werden. Die Asylbehörde sei in diesen Fällen von Gesetzes wegen verpflichtet, die Entscheidung aufzuheben und das Asylverfahren weiter zu betreiben, wenn der sichere Drittstaat die Übernahme ablehne.

Gegen den Befund, dass eine Rückführung nach Serbien tatsächlich nicht möglich sei, bestehen aber insoweit Bedenken, als nach den Ausführungen des UNHCR in seinem Bericht vom Mai 2016 (a. a. O., S. 25) zwischen 15. September 2015 und 31. März 2016 220 Personen von Ungarn nach Serbien im Rahmen der Wiederzulassungsvereinbarung überstellt wurden. Der UNHCR führt hierzu weiter aus, dass es hinsichtlich Asylsuchender, deren Asylanträge wegen der Drittstaatenregelung für unzulässig erklärt worden sind und die ihre Rückkehr nach Serbien erwarten, unklar bleibt, wie lange diese warten müssen, bis die zuständige Behörde ihre Entscheidung in ihrem Fall zur Unzulässigkeit aufhebt und in der Sache selbst prüft, ob sie die Voraussetzungen des Flüchtlingsstatus oder subsidiären Schutzes erfüllen. Sofern solche Personen inhaftiert sind, ist die Gesetzmäßigkeit ihrer Inhaftierung nach dem UNHCR ebenfalls ein Problem, da nach der Rückführungsrichtlinie Haft aus Gründen der Abschiebung nur als letzte Maßnahme und nur dann in Betracht kommt, wenn eine angemessene Aussicht auf Abschiebung besteht.

Angesichts der Tatsache, dass tatsächlich Abschiebungen nach Serbien stattfinden, erscheint es nicht vertretbar, darauf zu vertrauen, der Antragsteller werde tatsächlich hiervon nicht betroffen. Nach den rechtlichen Vorgaben in Ungarn ist eine Abschiebung nach Serbien als sicherem Drittstaat als Regelfall vorgesehen. Diesen systemischen Mangel kann eine vermeintliche tatsächliche Unabschiebbarkeit und damit die normative Kraft des Faktischen jedenfalls im Eilverfahren nicht beseitigen. Gegebenenfalls sind im Hauptsacheverfahren weitere Erkenntnisse bzw. Auskünfte über die Vollzugspraxis in Ungarn und über den Umfang von Abschiebungen sowie den hiervon betroffenen Personenkreis, insbesondere ob Dublin-Rückkehrer betroffen sind, einzuholen bzw. auszuwerten.

2.4.5 Dieser aktuellen Einschätzung stehen die Entscheidungen des EuGH (U.v. 10.12.2013 - C-394/12, Abdullahi - juris), des EGMR (U.v. 3.7.2014 - Nr. 71932/12, Mohammadi /Österreich) und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (B.v. 12.6.2015 - 13a ZB 15.50097 - juris), die das Vorliegen systemischer Schwachstellen verneint haben, nicht entgegen, da sie von den neueren Entwicklungen der ungarischen Asylgesetzgebung zum 1. August 2015 überholt wurden. Das Risiko eines möglichen Refoulements nach Serbien bestand seinerzeit nicht, da Ungarn nach dem damals geltenden Recht von der Drittstaatenregelung Abstand genommen hatte. Die diesen Entscheidungen zugrundeliegenden Umstände haben sich durch die Rückkehr Ungarns zur Drittstaatenregelung maßgeblich geändert, so dass nach derzeitiger Sachlage wieder beachtliche Gründe für systemische Schwachstellen sprechen (VG München, B.v. 18.1.2016 - M 24 S 15.50827 u. a. - juris Rn. 44).

2.4.6 Ebenso stehen dieser Einschätzung weder das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 17. März 2016 (C-695/15 PPU, NVwZ 2016, 753 - juris) noch die Beschlüsse des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 9. Mai 2016 (20 ZB 16.50034 - juris; 20 ZB 16.50036 - juris; 20 ZB 16.50037 - juris) entgegen.

In seinem Urteil in einem Eilvorabentscheidungsverfahren nach Art. 107 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs hat der Europäische Gerichtshof auf Vorlage eines ungarischen Gerichts sich zur Anwendung und Auslegung von Art. 3 Abs. 3 Dublin-III-VO geäußert. Nach Art. 3 Abs. 3 Dublin-III-VO behält jeder Mitgliedstaat das Recht, einen Antragsteller nach Maßgabe der Bestimmungen und Schutzgarantien der Richtlinie 32/2013/EU in einen sicheren Drittstaat zurück- oder auszuweisen. Nach dem Urteil vom 17. März 2016 ist Art. 3 Abs. 3 Dublin-III-VO dahin auszulegen, dass ein Mitgliedstaat das Recht, eine Person, die um internationalen Schutz nachsucht, in einen sicheren Drittstaat zurück- oder auszuweisen, auch ausüben kann, nachdem er im Rahmen eines Wiederaufnahmeverfahrens anerkannt hat, dass er nach Dublin-III-VO für die Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist, der von einer Person gestellt wurde, die diesen Mitgliedstaat verließ, bevor über ihren ersten Antrag auf internationalen Schutz in der Sache entschieden worden war. Zudem ist Art. 3 Abs. 3 der Verordnung Nr. 604/2013 dahin auszulegen, dass er der Zurück- oder Ausweisung einer Person, die um internationalen Schutz nachsucht, in einen sicheren Drittstaat nicht entgegensteht, wenn der Mitgliedstaat, der diese Person in den zuständigen Mitgliedstaat überstellt, während des Wiederaufnahmeverfahrens weder über die im letztgenannten Mitgliedstaat bestehende Regelung der Zurück- oder Ausweisung von Antragstellern in sichere Drittstaaten noch über die Praxis seiner zuständigen Behörden in diesem Bereich unterrichtet wurde. Schließlich ist Art. 18 Abs. 2 Dublin-III-VO dahin auszulegen, dass er im Fall der Wiederaufnahme einer Person, die um internationalen Schutz nachsucht, nicht vorschreibt, dass das Verfahren zur Prüfung ihres Antrags in dem Stadium wieder aufgenommen wird, in dem es eingestellt worden war.

Im Kern hat der Europäische Gerichtshof damit bestätigt, dass der Vorbehalt des Art. 3 Abs. 3 Dublin-III-VO auch dann greift, wenn im Rahmen des Dublin-Verfahrens ein Antragsteller von einem anderen Mitgliedstaat nach Ungarn überstellt wird. Der Europäische Gerichtshof hat sich in diesem Urteil aber nicht dazu geäußert, ob Serbien einen sicheren Drittstaat im Sinne dieser Bestimmung darstellt (vgl. dazu auch die kritische Anmerkung von Gutmann, NVwZ 2016, 756 f.).

Lediglich die Generalanwältin hat in ihren Schlussanträgen zu diesem Verfahren vom 8. März 2016 ausgeführt, dass Art. 33 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (ABl. L 180 vom 29.6.2013, S. 60) Bestimmung nur dann einschlägig sein und es Ungarn ermöglichen könne, den Antrag als unzulässig zurückzuweisen, wenn Serbien als ein „sicherer Drittstaat“ im Sinne von Art. 38 der Richtlinie 2013/32 angesehen werden könne und darauf hingewiesen, dass die im nationalen Recht enthaltene Einstufung Serbiens als sicherer Drittstaat den mit der Sache befassten Richter nicht davon freistelle, eine eigene Analyse vorzunehmen, um sich davon zu überzeugen, dass eine Person in dem betreffenden Drittstaat nach den in Art. 38 der Richtlinie 2013/32 aufgeführten Grundsätzen behandelt werde (Schlussanträge der Generalanwältin Kokott v. 8.3.2016 - juris Tz. 53). Zu Art. 39 der Richtlinie 2013/32 hat sie darauf hingewiesen, dass diese Vorschrift eine vereinfachte Regelung vorsehe, um Anträge von Antragstellern aus sicheren europäischen Drittstaaten zurückzuweisen, wenn sie unrechtmäßig in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats gelangt sind. Damit Serbien einen sicheren europäischen Drittstaat darstellt, müssten nach Art. 39 der Richtlinie 2013/32 kumulativ drei Voraussetzungen vorliegen: Erstens müsse das Land die Genfer Flüchtlingskonvention ohne geografischen Vorbehalt ratifiziert haben und deren Bestimmungen einhalten, zweitens müsse es über ein gesetzlich festgelegtes Asylverfahren verfügen, und drittens müsse es die Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten ratifiziert haben und die darin enthaltenen Bestimmungen, einschließlich der Normen über wirksame Rechtsbehelfe, einhalten. In diesem Zusammenhang weist die Generalanwältin abschließend darauf hin, nur wenn diese Voraussetzungen kumulativ vorlägen, könne Ungarn sich zum einen auf Art. 39 der Richtlinie berufen, um von einer umfassenden Prüfung des Antrags abzusehen, und zum anderen in Erwägung ziehen, den Antragsteller gemäß Art. 3 Abs. 3 der Dublin-III-Verordnung nach Serbien auszuweisen. Soweit § 2 der ungarischen Regierungsverordnung hierzu keine einschlägigen Informationen enthalte, sei es Sache des mit dem Antrag befassten Gerichts, vorab zu prüfen, ob diese drei Voraussetzungen auf Serbien zutreffen (Schlussanträge der Generalanwältin Kokott v. 8.3.2016 - juris Tz. 56).

Auch die Nichtzulassungsbeschlüsse des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 9. Mai 2016 (20 ZB 16.50034 - juris; 20 ZB 16.50036 - juris; 20 ZB 16.50037 - juris) kommen nicht zu dem Ergebnis, dass Serbien ein sicherer Drittstaat sei, sondern führen unter Bezugnahme auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 17. März 2016 (C-695/15 PPU) aus, warum Serbien unter Zugrundelegung der Genfer Flüchtlingskonvention nicht als sicherer Drittstaat eingestuft werden könne, sei vom Kläger nicht in der für eine Nichtzulassungsbeschwerde erforderlichen Weise dargelegt worden. Mit den Beschlüssen wurden die Nichtzulassungsbeschwerden hinsichtlich der in den Verfahren aufgeworfenen Frage, ob die Gefahr einer Abschiebung nach Serbien gegen das in Art. 33 der Genfer Flüchtlingskonvention völkerrechtlich anerkannte Prinzip des Non-Refoulement verstoße, letztendlich deshalb abgelehnt, da insoweit eine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG nicht dargelegt worden sei.

3. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts stellt Art. 19 Abs. 4 GG in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 und Art. 1 Abs. 1 GG an eine ablehnende Entscheidung in einem Asyl-Eilverfahren erhöhte Anforderungen, wenn die Auskunftslage zwischenzeitlich von einer Vielzahl anderer Verwaltungsgerichte für eine stattgebende Entscheidung als hinreichend angesehen wird (BVerfG, B.v. 214.2016 - 2 BvR 273/16 - juris Rn. 14). Jedenfalls in Fällen, in denen die Auskunftslage dem im Eilverfahren zuständigen Einzelrichter als nicht hinreichend eindeutig erscheinen darf, wird eine weitere Sachaufklärung im Hauptsacheverfahren und eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung geboten sein oder zumindest nahe liegen. Denn in einer solchen Situation ist es nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts mit der Gewährung effektiven Rechtsschutzes nicht vereinbar, wenn das im Eilverfahren erst- und letztinstanzlich zuständige Verwaltungsgericht ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsanordnung im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO beziehungsweise das Bestehen eines Anordnungsanspruchs im Verfahren nach § 123 Abs. 1 VwGO verneint und es damit ermöglicht, dass praktisch kaum rückgängig zu machende Fakten geschaffen werden (BVerfG, B.v. 21.4.2016 - 2 BvR 273/16 - juris Rn. 14).

Unter Berücksichtigung dieser verfassungsrechtlichen Vorgaben erscheint daher vorliegend im Eilverfahren die Anordnung der aufschiebenden Wirkung geboten (vgl. auch VG Frankfurt/Oder, B.v. 31.5.2016 - 7 L 75/16.A - juris Rn. 23; VG Frankfurt/Oder, B.v. 31.5.2016 - 7 L 14/16.A - juris Rn. 23; VG Frankfurt/Oder, B.v. 31.5.2016 - 7 L 58/16.A - juris Rn. 21, wo bei offenen Erfolgsaussichten der Hauptsache die aufschiebende Wirkung angeordnet wurde).

4. Nachdem der Antrag vollumfänglich Erfolg hat, sind die Kosten der Antragsgegnerin gemäß § 154 Abs. 1 VwGO aufzuerlegen.

Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben.

5. Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylG unanfechtbar.

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 80


(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 123


(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Ant

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(1) Die Klage gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz hat nur in den Fällen des § 38 Absatz 1 sowie des § 73b Absatz 7 Satz 1 aufschiebende Wirkung. Die Klage gegen Maßnahmen des Verwaltungszwangs (§ 73b Absatz 5) hat keine aufschiebende Wirkung.

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(1) Ein Asylantrag liegt vor, wenn sich dem schriftlich, mündlich oder auf andere Weise geäußerten Willen des Ausländers entnehmen lässt, dass er im Bundesgebiet Schutz vor politischer Verfolgung sucht oder dass er Schutz vor Abschiebung oder einer s

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Tenor I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt. II. Der Kläger hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Gründe Der Zulassungsantrag bleibt o

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 09. Mai 2016 - 20 ZB 16.50036

bei uns veröffentlicht am 09.05.2016

Tenor I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt. II. Die Kläger haben die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Gründe Der Zulassungsantrag b

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 09. Mai 2016 - 20 ZB 16.50034

bei uns veröffentlicht am 09.05.2016

Tenor I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt. II. Der Kläger hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Gründe Der Zulassungsantrag ble

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 12. Juni 2015 - 13a ZB 15.50097

bei uns veröffentlicht am 12.06.2015

Tenor I. Der Antrag wird abgelehnt. II. Der Kläger hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Gründe Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung g

Verwaltungsgericht München Beschluss, 17. März 2016 - M 1 S 16.50032

bei uns veröffentlicht am 17.03.2016

Tenor I. Der Antrag wird abgelehnt. II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens. III. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe wird für dieses Verfahren (M 1 S 16.50032) abgelehnt. Gründe

Verwaltungsgericht München Urteil, 11. Sept. 2015 - M 23 K 15.50045

bei uns veröffentlicht am 11.09.2015

Gründe Bayerisches Verwaltungsgericht München M 23 K 15.50045 Im Namen des Volkes Urteil vom 11. September 2015 23. Kammer Sachgebiets-Nr. 710 Hauptpunkte: Dublin-III-Verfahren; Vorrangiges Asylver

Verwaltungsgericht München Beschluss, 22. Juni 2016 - M 8 S 16.50295

bei uns veröffentlicht am 22.06.2016

Tenor I. Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 25. April 2016 wird angeordnet. II. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gründe I.

Bundesverfassungsgericht Stattgebender Kammerbeschluss, 21. Apr. 2016 - 2 BvR 273/16

bei uns veröffentlicht am 21.04.2016

Tenor Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 8. Januar 2016 - 23 L 3974/15.A - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes.

Verwaltungsgericht Düsseldorf Gerichtsbescheid, 21. Sept. 2015 - 8 K 5062/15.A

bei uns veröffentlicht am 21.09.2015

Tenor Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 2. Juli 2015 wird aufgehoben. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Di

Bundesverwaltungsgericht Beschluss, 19. März 2014 - 10 B 6/14

bei uns veröffentlicht am 19.03.2014

Gründe I. 1 Der Kläger, ein malischer Staatsangehöriger, reiste im Mai 2009 über den Se

Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Urteil, 07. März 2014 - 1 A 21/12.A

bei uns veröffentlicht am 07.03.2014

Tenor Das angefochtene Urteil wird geändert. Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, in beiden Rechtszügen. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläg
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Verwaltungsgericht München Beschluss, 08. Juli 2016 - M 8 S 16.50302.

Verwaltungsgericht München Beschluss, 13. Okt. 2016 - M 26 S 16.50664

bei uns veröffentlicht am 13.10.2016

Tenor I. Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen Nr. 1 des Bescheids der Beklagten vom 24. August 2016 wird angeordnet. II. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gründe

Referenzen

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) Soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Absatz 1 Nummer 1) abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies gilt auch, wenn der Ausländer den Asylantrag in einem anderen auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat gestellt oder vor der Entscheidung des Bundesamtes zurückgenommen hat. Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht. Kann eine Abschiebungsanordnung nach Satz 1 oder 2 nicht ergehen, droht das Bundesamt die Abschiebung in den jeweiligen Staat an.

(2) Anträge nach § 80 Absatz 5 der Verwaltungsgerichtsordnung gegen die Abschiebungsanordnung sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Abschiebung ist bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig. Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots durch das Bundesamt nach § 11 Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Vollziehbarkeit der Abschiebungsanordnung bleibt hiervon unberührt.

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) Soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Absatz 1 Nummer 1) abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies gilt auch, wenn der Ausländer den Asylantrag in einem anderen auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat gestellt oder vor der Entscheidung des Bundesamtes zurückgenommen hat. Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht. Kann eine Abschiebungsanordnung nach Satz 1 oder 2 nicht ergehen, droht das Bundesamt die Abschiebung in den jeweiligen Staat an.

(2) Anträge nach § 80 Absatz 5 der Verwaltungsgerichtsordnung gegen die Abschiebungsanordnung sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Abschiebung ist bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig. Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots durch das Bundesamt nach § 11 Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Vollziehbarkeit der Abschiebungsanordnung bleibt hiervon unberührt.

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) Soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Absatz 1 Nummer 1) abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies gilt auch, wenn der Ausländer den Asylantrag in einem anderen auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat gestellt oder vor der Entscheidung des Bundesamtes zurückgenommen hat. Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht. Kann eine Abschiebungsanordnung nach Satz 1 oder 2 nicht ergehen, droht das Bundesamt die Abschiebung in den jeweiligen Staat an.

(2) Anträge nach § 80 Absatz 5 der Verwaltungsgerichtsordnung gegen die Abschiebungsanordnung sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Abschiebung ist bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig. Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots durch das Bundesamt nach § 11 Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Vollziehbarkeit der Abschiebungsanordnung bleibt hiervon unberührt.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Die Klage gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz hat nur in den Fällen des § 38 Absatz 1 sowie des § 73b Absatz 7 Satz 1 aufschiebende Wirkung. Die Klage gegen Maßnahmen des Verwaltungszwangs (§ 73b Absatz 5) hat keine aufschiebende Wirkung.

(2) Die Klage gegen Entscheidungen des Bundesamtes, mit denen die Anerkennung als Asylberechtigter oder die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft widerrufen oder zurückgenommen worden ist, hat in folgenden Fällen keine aufschiebende Wirkung:

1.
bei Widerruf oder Rücknahme wegen des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder des § 3 Absatz 2,
2.
bei Widerruf oder Rücknahme, weil das Bundesamt nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen hat.
Dies gilt entsprechend bei Klagen gegen den Widerruf oder die Rücknahme der Gewährung subsidiären Schutzes wegen Vorliegens der Voraussetzungen des § 4 Absatz 2. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung bleibt unberührt.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Die Klage gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz hat nur in den Fällen des § 38 Absatz 1 sowie des § 73b Absatz 7 Satz 1 aufschiebende Wirkung. Die Klage gegen Maßnahmen des Verwaltungszwangs (§ 73b Absatz 5) hat keine aufschiebende Wirkung.

(2) Die Klage gegen Entscheidungen des Bundesamtes, mit denen die Anerkennung als Asylberechtigter oder die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft widerrufen oder zurückgenommen worden ist, hat in folgenden Fällen keine aufschiebende Wirkung:

1.
bei Widerruf oder Rücknahme wegen des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder des § 3 Absatz 2,
2.
bei Widerruf oder Rücknahme, weil das Bundesamt nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen hat.
Dies gilt entsprechend bei Klagen gegen den Widerruf oder die Rücknahme der Gewährung subsidiären Schutzes wegen Vorliegens der Voraussetzungen des § 4 Absatz 2. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung bleibt unberührt.

(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. § 74 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(2) Das Gericht kann außer in den Fällen des § 38 Absatz 1 und des § 73b Absatz 7 bei Klagen gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz im schriftlichen Verfahren durch Urteil entscheiden, wenn der Ausländer anwaltlich vertreten ist. Auf Antrag eines Beteiligten muss mündlich verhandelt werden. Hierauf sind die Beteiligten von dem Gericht hinzuweisen.

(3) Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, soweit es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt oder soweit die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichten.

(4) Wird während des Verfahrens der streitgegenständliche Verwaltungsakt, mit dem ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, durch eine Ablehnung als unbegründet oder offensichtlich unbegründet ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das Bundesamt übersendet dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts. Nimmt der Kläger die Klage daraufhin unverzüglich zurück, trägt das Bundesamt die Kosten des Verfahrens. Unterliegt der Kläger ganz oder teilweise, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen.

(1) Soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Absatz 1 Nummer 1) abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies gilt auch, wenn der Ausländer den Asylantrag in einem anderen auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat gestellt oder vor der Entscheidung des Bundesamtes zurückgenommen hat. Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht. Kann eine Abschiebungsanordnung nach Satz 1 oder 2 nicht ergehen, droht das Bundesamt die Abschiebung in den jeweiligen Staat an.

(2) Anträge nach § 80 Absatz 5 der Verwaltungsgerichtsordnung gegen die Abschiebungsanordnung sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Abschiebung ist bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig. Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots durch das Bundesamt nach § 11 Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Vollziehbarkeit der Abschiebungsanordnung bleibt hiervon unberührt.

(1) Ein Ausländer, der aus einem Drittstaat im Sinne des Artikels 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes (sicherer Drittstaat) eingereist ist, kann sich nicht auf Artikel 16a Abs. 1 des Grundgesetzes berufen. Er wird nicht als Asylberechtigter anerkannt. Satz 1 gilt nicht, wenn

1.
der Ausländer im Zeitpunkt seiner Einreise in den sicheren Drittstaat im Besitz eines Aufenthaltstitels für die Bundesrepublik Deutschland war,
2.
die Bundesrepublik Deutschland auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages mit dem sicheren Drittstaat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist oder
3.
der Ausländer auf Grund einer Anordnung nach § 18 Abs. 4 Nr. 2 nicht zurückgewiesen oder zurückgeschoben worden ist.

(2) Sichere Drittstaaten sind außer den Mitgliedstaaten der Europäischen Union die in Anlage I bezeichneten Staaten.

(3) Die Bundesregierung bestimmt durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates, dass ein in Anlage I bezeichneter Staat nicht mehr als sicherer Drittstaat gilt, wenn Veränderungen in den rechtlichen oder politischen Verhältnissen dieses Staates die Annahme begründen, dass die in Artikel 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes bezeichneten Voraussetzungen entfallen sind. Die Verordnung tritt spätestens sechs Monate nach ihrem Inkrafttreten außer Kraft.

(1) Soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Absatz 1 Nummer 1) abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies gilt auch, wenn der Ausländer den Asylantrag in einem anderen auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat gestellt oder vor der Entscheidung des Bundesamtes zurückgenommen hat. Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht. Kann eine Abschiebungsanordnung nach Satz 1 oder 2 nicht ergehen, droht das Bundesamt die Abschiebung in den jeweiligen Staat an.

(2) Anträge nach § 80 Absatz 5 der Verwaltungsgerichtsordnung gegen die Abschiebungsanordnung sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Abschiebung ist bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig. Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots durch das Bundesamt nach § 11 Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Vollziehbarkeit der Abschiebungsanordnung bleibt hiervon unberührt.

(1) Dieses Gesetz gilt für Ausländer, die Folgendes beantragen:

1.
Schutz vor politischer Verfolgung nach Artikel 16a Absatz 1 des Grundgesetzes oder
2.
internationalen Schutz nach der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. L 337 vom 20.12.2011, S. 9); der internationale Schutz im Sinne der Richtlinie 2011/95/EU umfasst den Schutz vor Verfolgung nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560) und den subsidiären Schutz im Sinne der Richtlinie; der nach Maßgabe der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. L 304 vom 30.9.2004, S. 12) gewährte internationale Schutz steht dem internationalen Schutz im Sinne der Richtlinie 2011/95/EU gleich; § 104 Absatz 9 des Aufenthaltsgesetzes bleibt unberührt.

(2) Dieses Gesetz gilt nicht für heimatlose Ausländer im Sinne des Gesetzes über die Rechtsstellung heimatloser Ausländer im Bundesgebiet in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 243-1, veröffentlichten bereinigten Fassung in der jeweils geltenden Fassung.

(1) Ein Asylantrag liegt vor, wenn sich dem schriftlich, mündlich oder auf andere Weise geäußerten Willen des Ausländers entnehmen lässt, dass er im Bundesgebiet Schutz vor politischer Verfolgung sucht oder dass er Schutz vor Abschiebung oder einer sonstigen Rückführung in einen Staat begehrt, in dem ihm eine Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 oder ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Absatz 1 droht.

(2) Mit jedem Asylantrag wird die Anerkennung als Asylberechtigter sowie internationaler Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 beantragt. Der Ausländer kann den Asylantrag auf die Zuerkennung internationalen Schutzes beschränken. Er ist über die Folgen einer Beschränkung des Antrags zu belehren. § 24 Absatz 2 bleibt unberührt.

(3) Ein Ausländer, der nicht im Besitz der erforderlichen Einreisepapiere ist, hat an der Grenze um Asyl nachzusuchen (§ 18). Im Falle der unerlaubten Einreise hat er sich unverzüglich bei einer Aufnahmeeinrichtung zu melden (§ 22) oder bei der Ausländerbehörde oder der Polizei um Asyl nachzusuchen (§ 19). Der nachfolgende Asylantrag ist unverzüglich zu stellen.

(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich

1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,
a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,
2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder
3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
Satz 1 gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.

(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er

1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder
2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
Wird der Schutz oder Beistand nach Satz 1 Nummer 1 nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig erklärt worden ist, sind die Absätze 1 und 2 anwendbar.

(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.

(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:

1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,
2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine schwere Straftat begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
Diese Ausschlussgründe gelten auch für Ausländer, die andere zu den genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.

(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.

(1) Soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Absatz 1 Nummer 1) abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies gilt auch, wenn der Ausländer den Asylantrag in einem anderen auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat gestellt oder vor der Entscheidung des Bundesamtes zurückgenommen hat. Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht. Kann eine Abschiebungsanordnung nach Satz 1 oder 2 nicht ergehen, droht das Bundesamt die Abschiebung in den jeweiligen Staat an.

(2) Anträge nach § 80 Absatz 5 der Verwaltungsgerichtsordnung gegen die Abschiebungsanordnung sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Abschiebung ist bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig. Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots durch das Bundesamt nach § 11 Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Vollziehbarkeit der Abschiebungsanordnung bleibt hiervon unberührt.

Gründe

I.

1

Der Kläger, ein malischer Staatsangehöriger, reiste im Mai 2009 über den Seeweg nach Italien ein und stellte dort einen Asylantrag. Im Juli 2009 stellte er in der Schweiz einen weiteren Asylantrag und entzog sich der Überstellung nach Italien. Auf seinen am 1. Oktober 2010 in Österreich gestellten Asylantrag überstellten ihn die österreichischen Behörden im Juli 2011 nach Italien. Im November 2011 wurde der Kläger in Deutschland aufgegriffen und stellte erneut einen Asylantrag. Dem Übernahmeersuchen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) stimmten die italienischen Behörden im Februar 2012 zu. Daraufhin entschied das Bundesamt mit Bescheid vom 7. Mai 2012, dass der Asylantrag unzulässig sei und ordnete die Abschiebung des Klägers nach Italien an. Das Verwaltungsgericht hat seiner dagegen gerichteten Klage stattgegeben, das Oberverwaltungsgericht hat sie auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. Es hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen wendet sich der Kläger mit der Beschwerde.

II.

2

Die Beschwerde, mit der der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) sowie einen Gehörsverstoß des Berufungsgerichts (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 108 Abs. 2 VwGO) rügt, hat keinen Erfolg.

3

1. Die Beschwerde wirft als grundsätzlich bedeutsam die Frage auf,

"welchen rechtlichen Anforderungen der Begriff der 'systemischen Mängel' unterliegt, insbesondere welcher Wahrscheinlichkeits- und Beweismaßstab für die Annahme erforderlich ist, dass für einen Asylbewerber eine tatsächliche Gefahr besteht, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ausgesetzt zu werden."

4

Diese Frage rechtfertigt mangels Klärungsbedürftigkeit nicht die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Denn sie lässt sich, soweit sie nicht bereits in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union geklärt ist, auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung und des nationalen Prozessrechts ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens beantworten.

5

Gemäß Art. 3 Abs. 1 Satz 2 der im vorliegenden Verfahren (noch) maßgeblichen Verordnung Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (ABl EU Nr. L 50 S. 1) - Dublin-II-Verordnung - wird ein Asylantrag von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird. Wie sich aus ihren Erwägungsgründen 3 und 4 ergibt, besteht einer der Hauptzwecke der Dublin-II-Verordnung in der Schaffung einer klaren und praktikablen Formel für die Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats, um den effektiven Zugang zu den Verfahren zur Bestimmung der Flüchtlingseigenschaft und eine zügige Bearbeitung der Asylanträge zu gewährleisten. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem gründet sich auf das Prinzip gegenseitigen Vertrauens, dass alle daran beteiligten Staaten die Grundrechte sowie die Rechte beachten, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der EMRK finden (EuGH - Große Kammer, Urteil vom 21. Dezember 2011 - Rs. C-411/10 und Rs. C-493/10, N.S. u.a. - Slg. 2011, I-13905 Rn. 78 f. = NVwZ 2012, 417). Daraus hat der Gerichtshof die Vermutung abgeleitet, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta (GR-Charta) sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK steht (EuGH a.a.O. Rn. 80).

6

Dabei hat der Gerichtshof nicht verkannt, dass dieses System in der Praxis auf größere Funktionsstörungen in einem bestimmten Mitgliedstaat stoßen kann, so dass die ernstzunehmende Gefahr besteht, dass Asylbewerber bei einer Überstellung an den nach Unionsrecht zuständigen Mitgliedstaat auf unmenschliche oder erniedrigende Weise behandelt werden. Deshalb geht er davon aus, dass die Vermutung, die Rechte der Asylbewerber aus der Grundrechte-Charta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention würden in jedem Mitgliedstaat beachtet, widerlegt werden kann (EuGH a.a.O. Rn. 104). Eine Widerlegung der Vermutung hat er aber wegen der gewichtigen Zwecke des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems an hohe Hürden geknüpft: Nicht jede drohende Grundrechtsverletzung oder geringste Verstöße gegen die Richtlinien 2003/9, 2004/83 oder 2005/85 genügen, um die Überstellung eines Asylbewerbers an den normalerweise zuständigen Mitgliedstaat zu vereiteln (EuGH a.a.O. Rn. 81 ff.). Ist hingegen ernsthaft zu befürchten, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 GR-Charta zur Folge haben, ist eine Überstellung mit dieser Bestimmung unvereinbar (EuGH a.a.O. Rn. 86 und 94).

7

Der Gerichtshof hat seine Überlegungen dahingehend zusammengefasst, dass es den Mitgliedstaaten einschließlich der nationalen Gerichte obliegt, einen Asylbewerber nicht an den "zuständigen Mitgliedstaat" im Sinne der Dublin-II-Verordnung zu überstellen, wenn ihnen nicht unbekannt sein kann, dass die systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 GR-Charta ausgesetzt zu werden (EuGH a.a.O. Rn. 106 und LS 2; ebenso Urteil der Großen Kammer vom 14. November 2013 - Rs. C-4/11, Puid - NVwZ 2014, 129 Rn. 30). Schließlich hat er für den Fall, dass der zuständige Mitgliedstaat der Aufnahme zustimmt, entschieden, dass der Asylbewerber mit dem in Art. 19 Abs. 2 der Dublin-II-Verordnung vorgesehenen Rechtsbehelf gegen die Überstellung der Heranziehung des in Art. 10 Abs. 1 der Verordnung niedergelegten Zuständigkeitskriteriums nur mit dem o.g. Einwand systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber entgegentreten kann (EuGH - Große Kammer, Urteil vom 10. Dezember 2013 - Rs. C-394/12, Abdullahi - NVwZ 2014, 208 Rn. 60). Diese Rechtsprechung des Gerichtshofs liegt auch Art. 3 Abs. 2 der Neufassung der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26. Juni 2013 (ABl EU L Nr. 180 S. 31) - Dublin-III-Verordnung - zugrunde.

8

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat derartige systemische Mängel für das Asylverfahren wie für die Aufnahmebedingungen der Asylbewerber in Griechenland in Fällen der Überstellung von Asylbewerbern im Rahmen des Dublin-Systems der Sache nach bejaht (EGMR - Große Kammer, Urteil vom 21. Januar 2011 - Nr. 30696/09, M.S.S./Belgien und Griechenland - NVwZ 2011, 413) und in Folgeentscheidungen insoweit ausdrücklich auf das Kriterium des systemischen Versagens ("systemic failure") abgestellt (EGMR, Entscheidungen vom 2. April 2013 - Nr. 27725/10, Mohammed Hussein u.a./Niederlande und Italien - ZAR 2013, 336 Rn. 78; vom 4. Juni 2013 - Nr. 6198/12, Daytbegova u.a./Österreich - Rn. 66; vom 18. Juni 2013 - Nr. 53852/11, Halimi/Österreich und Italien - ZAR 2013, 338 Rn. 68; vom 27. August 2013 - Nr. 40524/10, Mohammed Hassan/Niederlande und Italien - Rn. 176 und vom 10. September 2013 - Nr. 2314/10, Hussein Diirshi/Niederlande und Italien - Rn. 138).

9

Für das in Deutschland - im Unterschied zu anderen Rechtssystemen - durch den Untersuchungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) geprägte verwaltungsgerichtliche Verfahren hat das Kriterium der systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union Bedeutung für die Gefahrenprognose im Rahmen des Art. 4 GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK. Der Tatrichter muss sich zur Widerlegung der auf dem Prinzip gegenseitigen Vertrauens unter den Mitgliedstaaten gründenden Vermutung, die Behandlung der Asylbewerber stehe in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK, die Überzeugungsgewissheit (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) verschaffen, dass der Asylbewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d.h. überwiegender Wahrscheinlichkeit (vgl. Urteil vom 27. April 2010 - BVerwG 10 C 5.09 - BVerwGE 136, 377 Rn. 22 m.w.N. = Buchholz 451.902 Europ. Ausl.- u. Asylrecht Nr. 39) einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird. Die Fokussierung der Prognose auf systemische Mängel ist dabei, wie sich aus den Erwägungen des Gerichtshofs zur Erkennbarkeit der Mängel für andere Mitgliedstaaten ergibt (EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 - Rs. C-411/10 und Rs. C-493/10 - a.a.O. Rn. 88 bis 94), Ausdruck der Vorhersehbarkeit solcher Defizite, weil sie im Rechtssystem des zuständigen Mitgliedstaates angelegt sind oder dessen Vollzugspraxis strukturell prägen. Solche Mängel treffen den Einzelnen in dem zuständigen Mitgliedstaat nicht unvorhersehbar oder schicksalhaft, sondern lassen sich aus Sicht der deutschen Behörden und Gerichte wegen ihrer systemimmanenten Regelhaftigkeit verlässlich prognostizieren. Die Widerlegung der o.g. Vermutung aufgrund systemischer Mängel setzt deshalb voraus, dass das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedstaat aufgrund größerer Funktionsstörungen regelhaft so defizitär sind, dass anzunehmen ist, dass dort auch dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht. Dann scheidet eine Überstellung an den nach der Dublin-II-Verordnung zuständigen Mitgliedstaat aus. Diesen Maßstab hat das Berufungsgericht der angefochtenen Entscheidung erkennbar zugrunde gelegt.

10

2. Mit der Gehörsrüge macht die Beschwerde geltend, das Berufungsgericht habe zusammen mit seiner Ankündigung vom 8. Oktober 2013, dass erwogen werde, ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss gemäß § 130a VwGO zu entscheiden, darauf hingewiesen, dass der 3. Senat des Gerichts in vergleichbaren Fällen ebenso entschieden habe. Trotz entsprechender Aufforderung habe das Berufungsgericht die damals noch nicht abgesetzten Entscheidungen des anderen Senats nicht zugänglich gemacht und auch die Frist zur Stellungnahme nicht verlängert. Die Gehörsrüge greift nicht durch.

11

Aus Art. 103 Abs. 1 GG und § 108 Abs. 2 VwGO ergibt sich, dass eine gerichtliche Entscheidung nur auf solche Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden darf, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten. Die Verwertung tatsächlicher Feststellungen aus anderen Verfahren für den zur Entscheidung anstehenden Rechtsstreit unterliegt - nicht anders als andere tatsächliche Feststellungen - dem Gebot des rechtlichen Gehörs (Urteil vom 8. Februar 1983 - BVerwG 9 C 847.82 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 132 = InfAuslR 1983, 184). Dagegen verstößt ein Gericht, wenn es anstelle einer eigenen Beweiserhebung auf Entscheidungen mit umfangreichen tatsächlichen Feststellungen verweist, ohne die Entscheidungen den Beteiligten so zugänglich zu machen, dass sie sich dazu hätten äußern können. Zieht ein Gericht aber andere Entscheidungen nur als bestätigenden Beleg dafür heran, dass andere Gerichte die Lage (einer bestimmten Gruppe) in einem Land tatrichterlich in ähnlicher Weise gewürdigt und deshalb rechtlich die gleichen Schlussfolgerungen gezogen haben, unterliegen solche Bezugnahmen nicht den besonderen Anforderungen des § 108 Abs. 2 VwGO (Urteil vom 22. März 1983 - BVerwG 9 C 860.82 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 133; Beschluss vom 12. Juli 1985 - BVerwG 9 CB 104.84 - Buchholz 310 § 103 VwGO Nr. 8 = NJW 1986, 3154).

12

An diesem Maßstab gemessen erweist sich die Gehörsrüge als unbegründet. Das Berufungsgericht hat in der angefochtenen Entscheidung die Lage der Asylbewerber in Italien unter Auswertung verschiedener Quellen selbstständig tatrichterlich gewürdigt. Es hat die in dem Schreiben vom 8. Oktober 2013 genannten Entscheidungen des 3. Senats des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt ausweislich der Entscheidungsgründe nicht verwertet. Daher ist nicht ersichtlich, wie die angefochtene Entscheidung durch die - sicherlich prozessual ungeschickte - Vorgehensweise des Berufungsgerichts das rechtliche Gehör des Klägers hätte verletzen können. Denn die Auskunftsquellen als Grundlagen der tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts waren dem Kläger mit dem gerichtlichen Schreiben vom 8. Oktober 2013 bekannt gegeben worden, so dass er sich dazu äußern konnte.

13

Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).

Tenor

Das angefochtene Urteil wird geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, in beiden Rechtszügen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 vom Hundert des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 vom Hundert des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.


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Gründe

Bayerisches Verwaltungsgericht München

M 23 K 15.50045

Im Namen des Volkes

Urteil

vom 11. September 2015

23. Kammer

Sachgebiets-Nr. 710

Hauptpunkte:

Dublin-III-Verfahren; Vorrangiges Asylverfahren in Ungarn; Änderung der ungarischen Asylgesetze zum 1. August 2015; Systemische Mängel (bejaht)

Rechtsquellen:

In der Verwaltungsstreitsache

..., geb. ...1989 alias ..., geb. ... 1989 Gasthof ...

- Kläger -

bevollmächtigt: ...

gegen

...

vertreten durch:

Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Außenstelle ...,

- Beklagte -

beteiligt:

Regierung von ..., Vertreter des öffentlichen Interesses B-str. ..., M.

wegen Asylrecht

erlässt das Bayerische Verwaltungsgericht München, 23. Kammer, durch die Richterin am Verwaltungsgericht ... als Einzelrichterin ohne mündliche Verhandlung

am 11. September 2015

folgendes Urteil:

I.

Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom ... Januar 2015 wird aufgehoben.

II.

Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

Der nach seinen eigenen Angaben am ... 1989 in Aleppo geborene Kläger ist syrischer Staatsangehöriger. Er reiste vermutlich am ... Oktober 2014 in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am ... Dezember 2014 bei dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) einen Asylantrag.

Bei dem persönlichen Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats zur Durchführung des Asylverfahrens am ... Dezember 2014 gab der Kläger gegenüber dem Bundesamt an, dass ihm in Ungarn Ende September 2014 Fingerabdrücke abgenommen worden seien. Im Rahmen des beschleunigten schriftlichen Verfahrens verzichtete der Kläger auf die Prüfung seines Anspruchs auf Asyl.

Aufgrund eines Eurodac-Treffers der Kategorie I bezüglich des Klägers für Ungarn sandte das Bundesamt am ... Dezember 2014 ein Wiederaufnahmeersuchen an die ungarischen Behörden. Diese teilten am ... Dezember 2014 mit, dass das mit Antrag vom ... Oktober 2014 eingeleitete Asylverfahren wegen des Verschwindens des Klägers beendet worden sei. Weiter erklärten die ungarischen Behörden die Bereitschaft zur Wiederaufnahme des Klägers.

Mit Bescheid vom ... Januar 2015 - zugestellt am ... Januar 2015 - stellte das Bundesamt fest, dass der Asylantrag unzulässig sei (Nr. 1 des Bescheids) und ordnete die Abschiebung nach Ungarn an (Nr. 2 des Bescheids). Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Asylantrag gem. § 27a AsylVfG unzulässig sei, da Ungarn aufgrund des dort bereits gestellten Asylantrags gem. Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin-III-VO für die Behandlung des Asylantrags zuständig sei. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Bundesrepublik Deutschland veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht gem. Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO auszuüben, seien nicht ersichtlich. Das Bundesamt gehe davon aus, dass in Ungarn keine systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen vorlägen. Deutschland sei verpflichtet, die Überstellung nach Ungarn als zuständigem Mitgliedstaat innerhalb der in Art. 29 Abs. 1 Satz 1 Dublin-III-VO festgesetzten Fristen durchzuführen. Die Anordnung der Abschiebung nach Ungarn beruhe auf § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG.

Mit Schreiben vom 23. Januar 2015 erhoben die Bevollmächtigten des Klägers Klage zum Verwaltungsgericht München und beantragten:

Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom ...01.2015, Az. ..., wird aufgehoben.

Weiterhin beantragten sie, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen (Az.: M 23 S 15.50047).

Zur Begründung trugen sie unter Verweis auf umfangreiche Rechtsprechung und Stellungnahmen insbesondere vor, dass in Ungarn systemische Mängel vorlägen und dem Kläger in Ungarn die Inhaftierung drohe.

Die Akten des Bundesamts wurden mit Schreiben vom 27. Januar 2015 vorab übersandt. Eine Antragsstellung erfolgte nicht.

Mit Beschluss vom 3. Februar 2015 ordnete das Gericht im Verfahren M 23 S 15.50047 die aufschiebende Wirkung der Klage an.

Mit Schreiben vom 9. Februar 2015 beantragten die Bevollmächtigten Prozesskostenhilfe für den Kläger.

Durch Beschluss der Kammer vom 1. Juni 2015 wurde der Rechtsstreit dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen (§ 76 Abs. 1 AsylVfG).

Mit Schreiben vom 10. Juni 2015 verzichteten die Bevollmächtigten des Klägers auf mündliche Verhandlung und machten ergänzende Ausführungen zur Lage in Ungarn.

Mit Schreiben vom 22. Juni 2015 verzichtete das Bundesamt auf mündliche Verhandlung.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, die Gerichtsakte im Verfahren M 23 S 15.50047 sowie die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Über die Klage konnte mit Zustimmung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden (§ 101 Abs. 2 VwGO).

Die zulässige Klage ist begründet. Der angefochtene Bescheid des Bundesamts vom ... Januar 2015 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Er war daher aufzuheben, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Maßgeblich für die Entscheidung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG).

Die isolierte Anfechtungsklage ist gegen den Bescheid des Bundesamts, mit dem der Asylantrag nach § 27a AsylVfG als unzulässig abgelehnt und die Abschiebung angeordnet wird, die statthafte Klageart (vgl. BayVGH, U.v. 29.1.2015 - 13a B 14.50039 - juris m. w. N.).

Das Bundesamt hat den Asylantrag des Klägers zu Unrecht gemäß § 27a AsylVfG als unzulässig abgelehnt.

Gemäß § 27a AsylVfG ist ein Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. In diesem Fall kann das Bundesamt gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG die Abschiebung in den für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat anordnen, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann.

Vorliegend hat der Kläger zunächst in Ungarn Asyl beantragt; Ungarn hat auch mit Schreiben vom ... Dezember 2014 der Wiederaufnahme des Antragstellers gemäß § 18 Abs. 1 Ziff. b Dublin-III-VO zugestimmt. Damit wäre grundsätzlich Ungarn für die Durchführung des Asylverfahrens des Klägers zuständig.

Allerdings bestimmt Art. 3 Abs. 2 Unterabsätze 2 und 3 Dublin III-VO in Umsetzung des Urteils des EuGH vom 21. Dezember 2011 (EuGH, U.v. 21. Dezember 2011 - C-411/10, C-493/10 - juris), dass dann, wenn es sich als unmöglich erweist, einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, weil es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen und entwürdigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der EU-Grundrechtecharta mit sich bringen, und der Betroffene folglich im zuständigen Mitgliedstaat den vorgenannten Gefahren ausgesetzt ist, der Mitgliedstaat zur Prüfung verpflichtet ist, ob ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann oder, soweit dies nicht möglich ist, er selbst die Zuständigkeit zu übernehmen hat.

Nach der zur Rechtslage unter der Dublin-II-VO ergangenen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (U.v. 21.12.2011 - C-411/10 und C-493/10 - juris Rn. 80) gilt eine widerlegbare Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedsstaat mit den Erfordernissen der EUGRCh sowie der Genfer Flüchtlingskonvention - GF - und der Europäischen Menschenrechtskonvention - EMRK - in Einklang steht. Die Vermutung ist dann widerlegt, wenn das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedsstaat aufgrund größerer Funktionsmängel regelhaft so defizitär sind, dass dort auch dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht (vgl. BVerwG, B. v. 19.03.2014 - 10 B 6.14 - juris Rn. 9). An diese Feststellung sind hohe Anforderungen zu stellen (OVG Lüneburg, B. v. 18.03.2014 - 13 LA 75/13 - juris Rn. 14). Einzelne Missstände stellen noch keine systemischen Schwachstellen dar. Diese liegen vielmehr erst dann vor, wenn dem Betroffenen in dem Mitgliedsstaat, in den er überstellt werden soll, der Zugang zu einem Asylverfahren verwehrt oder massiv erschwert wird, das Asylverfahren an grundlegenden Mängeln leidet oder wenn der Mitgliedsstaat während der Dauer des Asylverfahrens wegen einer grundlegend defizitären Ausstattung mit den notwendigen Mitteln elementare Grundbedürfnisse des Menschen (wie z. B. Unterkunft, Nahrungsaufnahme und Hygienebedürfnisse) nicht in einer noch zumutbaren Weise befriedigen kann (vgl. OVG NW, U. v. 07.03.2014 - 1 A 21/12.A - juris Rn. 126). Es besteht allerdings keine allgemeine Verpflichtung, jedermann mit einer Wohnung zu versorgen, Flüchtlingen finanzielle Unterstützung zu gewähren oder ihnen einen bestimmten Lebensstandard zu ermöglichen (OVG NW, a. a. O., Rn. 118f. m. w. N.).

Die Rechtsprechung beurteilte die Frage des Vorliegens systemischer Mängel im oben beschriebenen Sinn im ungarischen Asylsystem bis zur letzten Änderung der ungarischen Asylgesetze unterschiedlich (vgl. OVG Lüneburg, B.v. 15.5.2015 - 8 LA 85/15; zuletzt ablehnend VG München, U.v. 1.7.2015 - M 12 K 15. 50491, VG Augsburg, U.v. 20.7.2015 - Au 5 K 15.50316, VG Düsseldorf, U.v. 26.6.2015 - 13 K 787/14.A; zuletzt bejahend VG Köln, U.v. 15.7.2015 - 3 K 2005/15.A; VG Münster, B.v. 7.7.15 - 2 L 858/15.A; VG Bremen, B.v. 1.4.15 - 3 V 145/15 - jeweils juris m. w. N.).

Insbesondere aufgrund der zum 1. August 2015 in Kraft getretenen - und damit bei der gerichtlichen Entscheidung zu berücksichtigenden - Änderung des ungarischen Asylrechts gibt es nach Überzeugung des erkennenden Gerichts wesentliche Gründe für die Annahme, dass in Ungarn systemische Schwachstellen des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung i. S. v. Art. 4 der EU-Grundrechtecharta mit sich bringen, vorliegen und folgt insoweit der soweit erkennbar überwiegenden Meinung in der Rechtsprechung (vgl. VG Augsburg, U.v. 18.8.2015 - Au 6 K 15.50155 - bisher unveröffentlicht; VG Düsseldorf, B.v. 20.8.2015 - 15 L 2556715.A; VG Saarland, B.v. 12.8.2015 - 3 L 816/15; VG Kassel, B.v. 7.8.2015 - 3 L 1303/15.KS.A - jeweils juris). Obergerichtliche Rechtsprechung zu der seit 1. August 2015 geänderten ungarischen Rechtslage existiert hierzu soweit ersichtlich nicht.

Nach den vorliegenden aktuellen Erkenntnissen sind mit dieser Gesetzesänderung sowohl die Verfahren zur Bestimmung der Zuständigkeit nach der Dublin-III-VO und zur Prüfung eines Asylgesuchs in Zuständigkeit des ungarischen States sowohl vor den ungarischen Behörden wie vor den ungarischen Gerichten etwa durch die Verkürzung von Fristen und die an Fristversäumnisse angeknüpften Sanktionen sowie neu gefasste Beweislastregeln in einer Weise verändert worden, die die Einhaltung der Mindestanforderungen nicht mehr gewährleisten (vgl. VG Düsseldorf, B.v. 20.8.2015 - 15 L 2556/15.A - juris Rn. 27).

Das Verwaltungsgericht Augsburg (U.v. 18.8.2015 - Au 6 K 15.50155 - bisher unveröffentlicht), dem das erkennende Gericht vollumfänglich folgt, führt hierzu aus:

„Sowohl das Hungarian Helsinki Committee als auch der UNHCR erklären sich nach der Änderung der ungarischen Gesetzeslage zum 1. August 2015 und der tatsächlichen Aufnahmebedingungen zu tiefst besorgt („deeply concerned“) über die Entwicklung und Verschärfung des Asylrechts in Ungarn, und fordern Ungarn auf, ihr Asylrecht unter Beachtung der Flüchtlingsrechte, des EU-Rechts und des internationalen Rechts zu handhaben. Das Hungarian Helsinki Committee führt zu der zum 1. August 2015 in Kraft getretenen Änderung des ungarischen Asylrechts in seiner Stellungnahme vom 7. August 2015 (abrufbar unter: HYPERLINK http://he...pdf) aus, dass Ungarn eine Liste von sicheren Drittstaaten beschlossen habe, zu denen unter anderem auch Serbien zähle. Diese Einschätzung stehe in Widerspruch zu der aktuell gültigen Position des UNHCR, des Helsinki Committees selbst und Amnesty International. Kein anderes Land in der EU betrachte Serbien für Asylsuchende als sicheres Drittland. Aufgrund dieser Festlegung sei es der ungarischen Immigrationsbehörde (Office of Immigration and Nationality (OIN) möglich, alle Asylsuchenden, die über Serbien nach Ungarn einreisen, das seien ca. 99% der Asylbewerber, ohne Prüfung und Anhörung ihrer Fluchtsituation abzulehnen. Eine Ausnahme bestehe nur, wenn der Asylbewerber beweisen könne, dass es ihm in Serbien nicht möglich gewesen sei, Asyl zu beantragen. Ein Nachweis sei dem Asylbewerber in der Praxis jedoch aus tatsächlichen Gründen nicht möglich, zudem hätten Asylsuchende regelmäßig keinen Zugang zu professioneller Rechtsberatung, die jedoch für die Nachweisführung notwendig sei. Zudem existiere in Serbien in der Realität kein funktionierendes Asylsystem. Weiterhin werde auch Griechenland als sicheres Drittland angesehen, ein Land, in das die EU-Mitgliedstaaten seit 2011 wegen der dort herrschenden Verhältnisse keine Dublin-Überstellungen mehr durchführen. Mit dieser Haltung verstoße Ungarn in der Praxis gegen das Gebot des „non-refoulement“, das in der Flüchtlingskonvention von 1951, in Art. 3 der EMRK und in Art. 18 und 19 der EU-GRcharta verankert sei (HHC, Stellungnahme vom 7.8.2015, a. a. O. S. 2). Gegen eine ablehnende Entscheidung als unzulässig, die z. B. bereits bei einer Einreise über einen sicheren Drittstaat (wie Serbien) erfolge, könne eine gerichtliche Überprüfung nur innerhalb einer Frist von drei Tagen erfolgen, eine Frist, die sowohl gegen EU-Recht, als auch gegen die gefestigte Rechtsprechung des EGMR verstoße, die beide eine Mindestfrist von einer Woche vorsähen (HHC, Stellungnahme vom 7.8.2015, a. a. O. S. 4 m. w. N.). Auch die Möglichkeiten einer Inhaftierung insbesondere in den sog. Dublin-Fällen sei im Verhältnis zur vorherigen Rechtslage wieder verschärft worden. Zudem sollen Flüchtlinge bis zum Ende ihres Asylverfahrens inhaftiert werden dürfen. Die neue Gesetzeslage entspricht somit in weiten Teilen der Rechtlage, die im Jahr 2012 den UNHCR zu seiner Empfehlung veranlasste, nach den Dublin-II-Bestimmungen keine Asylbewerber nach Ungarn zu überstellen.

Auch das UNHCR, dessen Wertungen im Rahmen der Prüfung des Art. 3 Abs. 2 Unterabsatz 2 Dublin-III-VO maßgebliches Gewicht zukommt (vgl. EuGH, U.v. 30.5.2013 - C-528/11, juris Rn. 44), hatte bereits in seiner Stellungnahme vom 3. Juli 2015 im Vorfeld der zwischenzeitlich beschlossenen Gesetzesänderungen Bedenken angemeldet und sich insoweit als „tief besorgt“ (deeply concerned) bezeichnet (abrufbar unter: http://www.u...org/...html). Das Asylsystem Ungarns sei bereits vor der Novelle immer restriktiver geworden und es werde befürchtet, dass die neuen Vorschläge es Flüchtlingen unmöglich machen wird, in diesem Land Sicherheit zu suchen. Rund 80% der Asylsuchenden kämen aus den Konfliktzonen Syrien, Afghanistan, Irak und bedürften internationalen Schutz. Hier ist anzufügen, dass nach österreichischen Angaben von den im Jahr 2013 in Ungarn gestellten 44.000 Asylanfragen nur 550 positiv verbeschieden worden sind (http://www.s...de/p...).“

Ergänzend hierzu führt das Gericht aus, dass das Hungarian Helsinki Committee in seiner Stellungnahme des Weitern bemängelt, dass in den meisten Fällen ein beschleunigtes Verfahren zulässig werde, in dem innerhalb von 15 Tagen eine Entscheidung erfolgen solle. Es bestehe ein hohes Risiko, dass dieses Verfahren aufgrund der benannten Voraussetzungen zum Regelfall würde. Die 15-Tage-Frist sei ein Verstoß gegen EU-Recht, da sie keinen effektiven Zugang zu Asylverfahren mehr gewähre (HHC, Stellungnahme vom 7.8.2015, .a.aO., S. 3f). Auch der gerichtliche Schutz für diese - bis zu 99% aller Asylverfahren betreffenden - beschleunigten Verfahren sei, insbesondere auch durch die nicht mehr zwingend vorgesehene persönliche Anhörung, unzureichend und Verstoße gegen EU-Recht (HHC, Stellungnahme vom 7.8.2015, a. a. O., S. 4).

Darüber hinaus bestehen in Ungarn massive Kapazitätsprobleme aufgrund der enormen Zunahme von Flüchtlingszahlen. Während in Ungarn im Jahre 2012 lediglich 2.157 Asylanträge gestellt wurden, stieg die Anzahl der Asylbewerber im Jahre 2013 auf 18.900 an und verdoppelte sich im Jahre 2014 auf 42.777. Vom 1. Januar 2015 bis zum 1. März 2015 registrierten die ungarischen Behörden bereits eine Anzahl von 28.535 Personen (Vgl. Hungarian Helsinki Committee, Bericht vom 4. März 2015, abrufbar unter http://h...hu/wp-c...pdf.). Bis zu 72.000 Flüchtlinge sollen bereits in diesem Jahr nach Angaben der ungarischen Regierung in das Land gelangt sein. Demgegenüber stehen in ganz Ungarn weniger als 2.500 Aufnahmeplätze in staatlichen Unterbringungseinrichtungen zu Verfügung. Hinzu kommt die ablehnende Haltung der ungarischen Regierung gegenüber dem Dublin-System (vgl. hierzu VG Münster, B.v. 7.7.2015 - 2 L 858/15.A - juris), so dass auch mit einer entsprechend zügigen Erweiterung der Aufnahmekapazitäten mit zumutbarer Ausstattung nicht zu rechnen ist. Auch kann das Gericht keine Anhaltspunkte dafür erkennen, dass die ungarische behördliche und gerichtliche Praxis die verschärften gesetzlichen Vorgaben nicht befolgen wird.

Das Gericht macht sich ergänzend die Einschätzungen des Verwaltungsgerichts Düsseldorf (B.v. 20.8.2015 - 15 L 2556/15.A - juris), des Verwaltungsgerichts Saarland (B.v. 12.8.2015 - 3 L 816/15 - juris) sowie des Verwaltungsgerichts Kassel (B.v. 7.8.2015 - 3 L 1303/15.KS.A -juris) zu Eigen. Demnach bestehen (zumindest) bei der Zusammenschau der in jüngerer Zeit entstandenen Kapazitätsprobleme einerseits und der gegenüber der bisherigen Rechtslage zulasten der Asylbewerber im Asylverfahrensablauf sowie bei den Inhaftierungsmöglichkeiten vorgenommenen Verschlechterungen derzeit systemische Schwachstellen des ungarischen Asylverfahrens sowie der Aufnahmebedingungen, die mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i. S. v. Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRCh) bergen.

Angesichts der somit wegen Art. 3 Abs. 2 Satz Unterabsatz 2 Dublin-III-VO anzunehmenden Unzuständigkeit Ungarns sind sowohl die in Nr. 1 des streitgegenständlichen Bescheids ausgesprochene Ablehnung des Asylantrags als unzulässig als auch die Abschiebungsandrohung nach Ungarn in Nr. 2 des Bescheids rechtswidrig und aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gemäß § 83b AsylVfG gerichtskostenfrei.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung stützt sich auf § 167 Abs. 1 und 2 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen dieses Urteil können die Beteiligten die Zulassung der Berufung innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München

Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder

Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München

schriftlich beantragen. Dem Antrag sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.

Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. In dem Antrag sind die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, darzulegen. Die Berufung kann nur zugelassen werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder ein in § 138 der Verwaltungsgerichtsordnung bezeichneter Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt.

Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.

Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.

Beschluss:

Dem Kläger wird für das Verfahren Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwältin ... beigeordnet.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (§ 114 ZPO) und Beiordnung der bevollmächtigten Rechtsanwältin des Klägers (§ 121 Abs. 2 ZPO) hat Erfolg.

Gemäß § 166 VwGO i. V. m. § 114 ZPO ist einer Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Diese Voraussetzungen sind im Fall der Kläger erfüllt.

Aus der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse und den beigefügten Belegen (§ 166 VwGO i. V. m. § 117 Abs. 2 S. 1 ZPO) ergibt sich, dass der Kläger die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann.

Die beabsichtigte Rechtsverfolgung hatte im maßgeblichen Zeitpunkt auch hinreichende Aussicht auf Erfolg im Sinne des § 176 VwGO i. V. m. § 114 ZPO. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Prüfung der Erfolgsaussicht ist der Zeitpunkt der Entscheidungsreife der Prozesskostenhilfe-Sache. Im Zeitpunkt der Stellung des Antrages auf Prozesskostenhilfe am 9. Februar 2015 waren die Erfolgsaussichten des Klageantrags zumindest offen. Insoweit wird auf die Ausführungen im Beschluss vom 3. Februar 2015 im Verfahren M 23 S 15.50047 verwiesen.

Dem Kläger war daher die beantragte Prozesskostenhilfe zu bewilligen und die bevollmächtigte Rechtsanwältin beizuordnen.

Die Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag ist gerichtsgebührenfrei. Auslagen werden nicht erstattet.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).

Gründe

I.

1

Der Kläger, ein malischer Staatsangehöriger, reiste im Mai 2009 über den Seeweg nach Italien ein und stellte dort einen Asylantrag. Im Juli 2009 stellte er in der Schweiz einen weiteren Asylantrag und entzog sich der Überstellung nach Italien. Auf seinen am 1. Oktober 2010 in Österreich gestellten Asylantrag überstellten ihn die österreichischen Behörden im Juli 2011 nach Italien. Im November 2011 wurde der Kläger in Deutschland aufgegriffen und stellte erneut einen Asylantrag. Dem Übernahmeersuchen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) stimmten die italienischen Behörden im Februar 2012 zu. Daraufhin entschied das Bundesamt mit Bescheid vom 7. Mai 2012, dass der Asylantrag unzulässig sei und ordnete die Abschiebung des Klägers nach Italien an. Das Verwaltungsgericht hat seiner dagegen gerichteten Klage stattgegeben, das Oberverwaltungsgericht hat sie auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. Es hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen wendet sich der Kläger mit der Beschwerde.

II.

2

Die Beschwerde, mit der der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) sowie einen Gehörsverstoß des Berufungsgerichts (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 108 Abs. 2 VwGO) rügt, hat keinen Erfolg.

3

1. Die Beschwerde wirft als grundsätzlich bedeutsam die Frage auf,

"welchen rechtlichen Anforderungen der Begriff der 'systemischen Mängel' unterliegt, insbesondere welcher Wahrscheinlichkeits- und Beweismaßstab für die Annahme erforderlich ist, dass für einen Asylbewerber eine tatsächliche Gefahr besteht, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ausgesetzt zu werden."

4

Diese Frage rechtfertigt mangels Klärungsbedürftigkeit nicht die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Denn sie lässt sich, soweit sie nicht bereits in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union geklärt ist, auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung und des nationalen Prozessrechts ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens beantworten.

5

Gemäß Art. 3 Abs. 1 Satz 2 der im vorliegenden Verfahren (noch) maßgeblichen Verordnung Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (ABl EU Nr. L 50 S. 1) - Dublin-II-Verordnung - wird ein Asylantrag von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird. Wie sich aus ihren Erwägungsgründen 3 und 4 ergibt, besteht einer der Hauptzwecke der Dublin-II-Verordnung in der Schaffung einer klaren und praktikablen Formel für die Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats, um den effektiven Zugang zu den Verfahren zur Bestimmung der Flüchtlingseigenschaft und eine zügige Bearbeitung der Asylanträge zu gewährleisten. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem gründet sich auf das Prinzip gegenseitigen Vertrauens, dass alle daran beteiligten Staaten die Grundrechte sowie die Rechte beachten, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der EMRK finden (EuGH - Große Kammer, Urteil vom 21. Dezember 2011 - Rs. C-411/10 und Rs. C-493/10, N.S. u.a. - Slg. 2011, I-13905 Rn. 78 f. = NVwZ 2012, 417). Daraus hat der Gerichtshof die Vermutung abgeleitet, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta (GR-Charta) sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK steht (EuGH a.a.O. Rn. 80).

6

Dabei hat der Gerichtshof nicht verkannt, dass dieses System in der Praxis auf größere Funktionsstörungen in einem bestimmten Mitgliedstaat stoßen kann, so dass die ernstzunehmende Gefahr besteht, dass Asylbewerber bei einer Überstellung an den nach Unionsrecht zuständigen Mitgliedstaat auf unmenschliche oder erniedrigende Weise behandelt werden. Deshalb geht er davon aus, dass die Vermutung, die Rechte der Asylbewerber aus der Grundrechte-Charta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention würden in jedem Mitgliedstaat beachtet, widerlegt werden kann (EuGH a.a.O. Rn. 104). Eine Widerlegung der Vermutung hat er aber wegen der gewichtigen Zwecke des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems an hohe Hürden geknüpft: Nicht jede drohende Grundrechtsverletzung oder geringste Verstöße gegen die Richtlinien 2003/9, 2004/83 oder 2005/85 genügen, um die Überstellung eines Asylbewerbers an den normalerweise zuständigen Mitgliedstaat zu vereiteln (EuGH a.a.O. Rn. 81 ff.). Ist hingegen ernsthaft zu befürchten, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 GR-Charta zur Folge haben, ist eine Überstellung mit dieser Bestimmung unvereinbar (EuGH a.a.O. Rn. 86 und 94).

7

Der Gerichtshof hat seine Überlegungen dahingehend zusammengefasst, dass es den Mitgliedstaaten einschließlich der nationalen Gerichte obliegt, einen Asylbewerber nicht an den "zuständigen Mitgliedstaat" im Sinne der Dublin-II-Verordnung zu überstellen, wenn ihnen nicht unbekannt sein kann, dass die systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 GR-Charta ausgesetzt zu werden (EuGH a.a.O. Rn. 106 und LS 2; ebenso Urteil der Großen Kammer vom 14. November 2013 - Rs. C-4/11, Puid - NVwZ 2014, 129 Rn. 30). Schließlich hat er für den Fall, dass der zuständige Mitgliedstaat der Aufnahme zustimmt, entschieden, dass der Asylbewerber mit dem in Art. 19 Abs. 2 der Dublin-II-Verordnung vorgesehenen Rechtsbehelf gegen die Überstellung der Heranziehung des in Art. 10 Abs. 1 der Verordnung niedergelegten Zuständigkeitskriteriums nur mit dem o.g. Einwand systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber entgegentreten kann (EuGH - Große Kammer, Urteil vom 10. Dezember 2013 - Rs. C-394/12, Abdullahi - NVwZ 2014, 208 Rn. 60). Diese Rechtsprechung des Gerichtshofs liegt auch Art. 3 Abs. 2 der Neufassung der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26. Juni 2013 (ABl EU L Nr. 180 S. 31) - Dublin-III-Verordnung - zugrunde.

8

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat derartige systemische Mängel für das Asylverfahren wie für die Aufnahmebedingungen der Asylbewerber in Griechenland in Fällen der Überstellung von Asylbewerbern im Rahmen des Dublin-Systems der Sache nach bejaht (EGMR - Große Kammer, Urteil vom 21. Januar 2011 - Nr. 30696/09, M.S.S./Belgien und Griechenland - NVwZ 2011, 413) und in Folgeentscheidungen insoweit ausdrücklich auf das Kriterium des systemischen Versagens ("systemic failure") abgestellt (EGMR, Entscheidungen vom 2. April 2013 - Nr. 27725/10, Mohammed Hussein u.a./Niederlande und Italien - ZAR 2013, 336 Rn. 78; vom 4. Juni 2013 - Nr. 6198/12, Daytbegova u.a./Österreich - Rn. 66; vom 18. Juni 2013 - Nr. 53852/11, Halimi/Österreich und Italien - ZAR 2013, 338 Rn. 68; vom 27. August 2013 - Nr. 40524/10, Mohammed Hassan/Niederlande und Italien - Rn. 176 und vom 10. September 2013 - Nr. 2314/10, Hussein Diirshi/Niederlande und Italien - Rn. 138).

9

Für das in Deutschland - im Unterschied zu anderen Rechtssystemen - durch den Untersuchungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) geprägte verwaltungsgerichtliche Verfahren hat das Kriterium der systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union Bedeutung für die Gefahrenprognose im Rahmen des Art. 4 GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK. Der Tatrichter muss sich zur Widerlegung der auf dem Prinzip gegenseitigen Vertrauens unter den Mitgliedstaaten gründenden Vermutung, die Behandlung der Asylbewerber stehe in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK, die Überzeugungsgewissheit (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) verschaffen, dass der Asylbewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d.h. überwiegender Wahrscheinlichkeit (vgl. Urteil vom 27. April 2010 - BVerwG 10 C 5.09 - BVerwGE 136, 377 Rn. 22 m.w.N. = Buchholz 451.902 Europ. Ausl.- u. Asylrecht Nr. 39) einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird. Die Fokussierung der Prognose auf systemische Mängel ist dabei, wie sich aus den Erwägungen des Gerichtshofs zur Erkennbarkeit der Mängel für andere Mitgliedstaaten ergibt (EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 - Rs. C-411/10 und Rs. C-493/10 - a.a.O. Rn. 88 bis 94), Ausdruck der Vorhersehbarkeit solcher Defizite, weil sie im Rechtssystem des zuständigen Mitgliedstaates angelegt sind oder dessen Vollzugspraxis strukturell prägen. Solche Mängel treffen den Einzelnen in dem zuständigen Mitgliedstaat nicht unvorhersehbar oder schicksalhaft, sondern lassen sich aus Sicht der deutschen Behörden und Gerichte wegen ihrer systemimmanenten Regelhaftigkeit verlässlich prognostizieren. Die Widerlegung der o.g. Vermutung aufgrund systemischer Mängel setzt deshalb voraus, dass das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedstaat aufgrund größerer Funktionsstörungen regelhaft so defizitär sind, dass anzunehmen ist, dass dort auch dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht. Dann scheidet eine Überstellung an den nach der Dublin-II-Verordnung zuständigen Mitgliedstaat aus. Diesen Maßstab hat das Berufungsgericht der angefochtenen Entscheidung erkennbar zugrunde gelegt.

10

2. Mit der Gehörsrüge macht die Beschwerde geltend, das Berufungsgericht habe zusammen mit seiner Ankündigung vom 8. Oktober 2013, dass erwogen werde, ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss gemäß § 130a VwGO zu entscheiden, darauf hingewiesen, dass der 3. Senat des Gerichts in vergleichbaren Fällen ebenso entschieden habe. Trotz entsprechender Aufforderung habe das Berufungsgericht die damals noch nicht abgesetzten Entscheidungen des anderen Senats nicht zugänglich gemacht und auch die Frist zur Stellungnahme nicht verlängert. Die Gehörsrüge greift nicht durch.

11

Aus Art. 103 Abs. 1 GG und § 108 Abs. 2 VwGO ergibt sich, dass eine gerichtliche Entscheidung nur auf solche Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden darf, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten. Die Verwertung tatsächlicher Feststellungen aus anderen Verfahren für den zur Entscheidung anstehenden Rechtsstreit unterliegt - nicht anders als andere tatsächliche Feststellungen - dem Gebot des rechtlichen Gehörs (Urteil vom 8. Februar 1983 - BVerwG 9 C 847.82 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 132 = InfAuslR 1983, 184). Dagegen verstößt ein Gericht, wenn es anstelle einer eigenen Beweiserhebung auf Entscheidungen mit umfangreichen tatsächlichen Feststellungen verweist, ohne die Entscheidungen den Beteiligten so zugänglich zu machen, dass sie sich dazu hätten äußern können. Zieht ein Gericht aber andere Entscheidungen nur als bestätigenden Beleg dafür heran, dass andere Gerichte die Lage (einer bestimmten Gruppe) in einem Land tatrichterlich in ähnlicher Weise gewürdigt und deshalb rechtlich die gleichen Schlussfolgerungen gezogen haben, unterliegen solche Bezugnahmen nicht den besonderen Anforderungen des § 108 Abs. 2 VwGO (Urteil vom 22. März 1983 - BVerwG 9 C 860.82 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 133; Beschluss vom 12. Juli 1985 - BVerwG 9 CB 104.84 - Buchholz 310 § 103 VwGO Nr. 8 = NJW 1986, 3154).

12

An diesem Maßstab gemessen erweist sich die Gehörsrüge als unbegründet. Das Berufungsgericht hat in der angefochtenen Entscheidung die Lage der Asylbewerber in Italien unter Auswertung verschiedener Quellen selbstständig tatrichterlich gewürdigt. Es hat die in dem Schreiben vom 8. Oktober 2013 genannten Entscheidungen des 3. Senats des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt ausweislich der Entscheidungsgründe nicht verwertet. Daher ist nicht ersichtlich, wie die angefochtene Entscheidung durch die - sicherlich prozessual ungeschickte - Vorgehensweise des Berufungsgerichts das rechtliche Gehör des Klägers hätte verletzen können. Denn die Auskunftsquellen als Grundlagen der tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts waren dem Kläger mit dem gerichtlichen Schreiben vom 8. Oktober 2013 bekannt gegeben worden, so dass er sich dazu äußern konnte.

13

Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).

Tenor

Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 2. Juli 2015 wird aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.


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Gründe

Bayerisches Verwaltungsgericht München

M 23 K 15.50045

Im Namen des Volkes

Urteil

vom 11. September 2015

23. Kammer

Sachgebiets-Nr. 710

Hauptpunkte:

Dublin-III-Verfahren; Vorrangiges Asylverfahren in Ungarn; Änderung der ungarischen Asylgesetze zum 1. August 2015; Systemische Mängel (bejaht)

Rechtsquellen:

In der Verwaltungsstreitsache

..., geb. ...1989 alias ..., geb. ... 1989 Gasthof ...

- Kläger -

bevollmächtigt: ...

gegen

...

vertreten durch:

Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Außenstelle ...,

- Beklagte -

beteiligt:

Regierung von ..., Vertreter des öffentlichen Interesses B-str. ..., M.

wegen Asylrecht

erlässt das Bayerische Verwaltungsgericht München, 23. Kammer, durch die Richterin am Verwaltungsgericht ... als Einzelrichterin ohne mündliche Verhandlung

am 11. September 2015

folgendes Urteil:

I.

Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom ... Januar 2015 wird aufgehoben.

II.

Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

Der nach seinen eigenen Angaben am ... 1989 in Aleppo geborene Kläger ist syrischer Staatsangehöriger. Er reiste vermutlich am ... Oktober 2014 in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am ... Dezember 2014 bei dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) einen Asylantrag.

Bei dem persönlichen Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats zur Durchführung des Asylverfahrens am ... Dezember 2014 gab der Kläger gegenüber dem Bundesamt an, dass ihm in Ungarn Ende September 2014 Fingerabdrücke abgenommen worden seien. Im Rahmen des beschleunigten schriftlichen Verfahrens verzichtete der Kläger auf die Prüfung seines Anspruchs auf Asyl.

Aufgrund eines Eurodac-Treffers der Kategorie I bezüglich des Klägers für Ungarn sandte das Bundesamt am ... Dezember 2014 ein Wiederaufnahmeersuchen an die ungarischen Behörden. Diese teilten am ... Dezember 2014 mit, dass das mit Antrag vom ... Oktober 2014 eingeleitete Asylverfahren wegen des Verschwindens des Klägers beendet worden sei. Weiter erklärten die ungarischen Behörden die Bereitschaft zur Wiederaufnahme des Klägers.

Mit Bescheid vom ... Januar 2015 - zugestellt am ... Januar 2015 - stellte das Bundesamt fest, dass der Asylantrag unzulässig sei (Nr. 1 des Bescheids) und ordnete die Abschiebung nach Ungarn an (Nr. 2 des Bescheids). Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Asylantrag gem. § 27a AsylVfG unzulässig sei, da Ungarn aufgrund des dort bereits gestellten Asylantrags gem. Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin-III-VO für die Behandlung des Asylantrags zuständig sei. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Bundesrepublik Deutschland veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht gem. Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO auszuüben, seien nicht ersichtlich. Das Bundesamt gehe davon aus, dass in Ungarn keine systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen vorlägen. Deutschland sei verpflichtet, die Überstellung nach Ungarn als zuständigem Mitgliedstaat innerhalb der in Art. 29 Abs. 1 Satz 1 Dublin-III-VO festgesetzten Fristen durchzuführen. Die Anordnung der Abschiebung nach Ungarn beruhe auf § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG.

Mit Schreiben vom 23. Januar 2015 erhoben die Bevollmächtigten des Klägers Klage zum Verwaltungsgericht München und beantragten:

Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom ...01.2015, Az. ..., wird aufgehoben.

Weiterhin beantragten sie, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen (Az.: M 23 S 15.50047).

Zur Begründung trugen sie unter Verweis auf umfangreiche Rechtsprechung und Stellungnahmen insbesondere vor, dass in Ungarn systemische Mängel vorlägen und dem Kläger in Ungarn die Inhaftierung drohe.

Die Akten des Bundesamts wurden mit Schreiben vom 27. Januar 2015 vorab übersandt. Eine Antragsstellung erfolgte nicht.

Mit Beschluss vom 3. Februar 2015 ordnete das Gericht im Verfahren M 23 S 15.50047 die aufschiebende Wirkung der Klage an.

Mit Schreiben vom 9. Februar 2015 beantragten die Bevollmächtigten Prozesskostenhilfe für den Kläger.

Durch Beschluss der Kammer vom 1. Juni 2015 wurde der Rechtsstreit dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen (§ 76 Abs. 1 AsylVfG).

Mit Schreiben vom 10. Juni 2015 verzichteten die Bevollmächtigten des Klägers auf mündliche Verhandlung und machten ergänzende Ausführungen zur Lage in Ungarn.

Mit Schreiben vom 22. Juni 2015 verzichtete das Bundesamt auf mündliche Verhandlung.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, die Gerichtsakte im Verfahren M 23 S 15.50047 sowie die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Über die Klage konnte mit Zustimmung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden (§ 101 Abs. 2 VwGO).

Die zulässige Klage ist begründet. Der angefochtene Bescheid des Bundesamts vom ... Januar 2015 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Er war daher aufzuheben, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Maßgeblich für die Entscheidung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG).

Die isolierte Anfechtungsklage ist gegen den Bescheid des Bundesamts, mit dem der Asylantrag nach § 27a AsylVfG als unzulässig abgelehnt und die Abschiebung angeordnet wird, die statthafte Klageart (vgl. BayVGH, U.v. 29.1.2015 - 13a B 14.50039 - juris m. w. N.).

Das Bundesamt hat den Asylantrag des Klägers zu Unrecht gemäß § 27a AsylVfG als unzulässig abgelehnt.

Gemäß § 27a AsylVfG ist ein Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. In diesem Fall kann das Bundesamt gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG die Abschiebung in den für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat anordnen, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann.

Vorliegend hat der Kläger zunächst in Ungarn Asyl beantragt; Ungarn hat auch mit Schreiben vom ... Dezember 2014 der Wiederaufnahme des Antragstellers gemäß § 18 Abs. 1 Ziff. b Dublin-III-VO zugestimmt. Damit wäre grundsätzlich Ungarn für die Durchführung des Asylverfahrens des Klägers zuständig.

Allerdings bestimmt Art. 3 Abs. 2 Unterabsätze 2 und 3 Dublin III-VO in Umsetzung des Urteils des EuGH vom 21. Dezember 2011 (EuGH, U.v. 21. Dezember 2011 - C-411/10, C-493/10 - juris), dass dann, wenn es sich als unmöglich erweist, einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, weil es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen und entwürdigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der EU-Grundrechtecharta mit sich bringen, und der Betroffene folglich im zuständigen Mitgliedstaat den vorgenannten Gefahren ausgesetzt ist, der Mitgliedstaat zur Prüfung verpflichtet ist, ob ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann oder, soweit dies nicht möglich ist, er selbst die Zuständigkeit zu übernehmen hat.

Nach der zur Rechtslage unter der Dublin-II-VO ergangenen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (U.v. 21.12.2011 - C-411/10 und C-493/10 - juris Rn. 80) gilt eine widerlegbare Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedsstaat mit den Erfordernissen der EUGRCh sowie der Genfer Flüchtlingskonvention - GF - und der Europäischen Menschenrechtskonvention - EMRK - in Einklang steht. Die Vermutung ist dann widerlegt, wenn das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedsstaat aufgrund größerer Funktionsmängel regelhaft so defizitär sind, dass dort auch dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht (vgl. BVerwG, B. v. 19.03.2014 - 10 B 6.14 - juris Rn. 9). An diese Feststellung sind hohe Anforderungen zu stellen (OVG Lüneburg, B. v. 18.03.2014 - 13 LA 75/13 - juris Rn. 14). Einzelne Missstände stellen noch keine systemischen Schwachstellen dar. Diese liegen vielmehr erst dann vor, wenn dem Betroffenen in dem Mitgliedsstaat, in den er überstellt werden soll, der Zugang zu einem Asylverfahren verwehrt oder massiv erschwert wird, das Asylverfahren an grundlegenden Mängeln leidet oder wenn der Mitgliedsstaat während der Dauer des Asylverfahrens wegen einer grundlegend defizitären Ausstattung mit den notwendigen Mitteln elementare Grundbedürfnisse des Menschen (wie z. B. Unterkunft, Nahrungsaufnahme und Hygienebedürfnisse) nicht in einer noch zumutbaren Weise befriedigen kann (vgl. OVG NW, U. v. 07.03.2014 - 1 A 21/12.A - juris Rn. 126). Es besteht allerdings keine allgemeine Verpflichtung, jedermann mit einer Wohnung zu versorgen, Flüchtlingen finanzielle Unterstützung zu gewähren oder ihnen einen bestimmten Lebensstandard zu ermöglichen (OVG NW, a. a. O., Rn. 118f. m. w. N.).

Die Rechtsprechung beurteilte die Frage des Vorliegens systemischer Mängel im oben beschriebenen Sinn im ungarischen Asylsystem bis zur letzten Änderung der ungarischen Asylgesetze unterschiedlich (vgl. OVG Lüneburg, B.v. 15.5.2015 - 8 LA 85/15; zuletzt ablehnend VG München, U.v. 1.7.2015 - M 12 K 15. 50491, VG Augsburg, U.v. 20.7.2015 - Au 5 K 15.50316, VG Düsseldorf, U.v. 26.6.2015 - 13 K 787/14.A; zuletzt bejahend VG Köln, U.v. 15.7.2015 - 3 K 2005/15.A; VG Münster, B.v. 7.7.15 - 2 L 858/15.A; VG Bremen, B.v. 1.4.15 - 3 V 145/15 - jeweils juris m. w. N.).

Insbesondere aufgrund der zum 1. August 2015 in Kraft getretenen - und damit bei der gerichtlichen Entscheidung zu berücksichtigenden - Änderung des ungarischen Asylrechts gibt es nach Überzeugung des erkennenden Gerichts wesentliche Gründe für die Annahme, dass in Ungarn systemische Schwachstellen des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung i. S. v. Art. 4 der EU-Grundrechtecharta mit sich bringen, vorliegen und folgt insoweit der soweit erkennbar überwiegenden Meinung in der Rechtsprechung (vgl. VG Augsburg, U.v. 18.8.2015 - Au 6 K 15.50155 - bisher unveröffentlicht; VG Düsseldorf, B.v. 20.8.2015 - 15 L 2556715.A; VG Saarland, B.v. 12.8.2015 - 3 L 816/15; VG Kassel, B.v. 7.8.2015 - 3 L 1303/15.KS.A - jeweils juris). Obergerichtliche Rechtsprechung zu der seit 1. August 2015 geänderten ungarischen Rechtslage existiert hierzu soweit ersichtlich nicht.

Nach den vorliegenden aktuellen Erkenntnissen sind mit dieser Gesetzesänderung sowohl die Verfahren zur Bestimmung der Zuständigkeit nach der Dublin-III-VO und zur Prüfung eines Asylgesuchs in Zuständigkeit des ungarischen States sowohl vor den ungarischen Behörden wie vor den ungarischen Gerichten etwa durch die Verkürzung von Fristen und die an Fristversäumnisse angeknüpften Sanktionen sowie neu gefasste Beweislastregeln in einer Weise verändert worden, die die Einhaltung der Mindestanforderungen nicht mehr gewährleisten (vgl. VG Düsseldorf, B.v. 20.8.2015 - 15 L 2556/15.A - juris Rn. 27).

Das Verwaltungsgericht Augsburg (U.v. 18.8.2015 - Au 6 K 15.50155 - bisher unveröffentlicht), dem das erkennende Gericht vollumfänglich folgt, führt hierzu aus:

„Sowohl das Hungarian Helsinki Committee als auch der UNHCR erklären sich nach der Änderung der ungarischen Gesetzeslage zum 1. August 2015 und der tatsächlichen Aufnahmebedingungen zu tiefst besorgt („deeply concerned“) über die Entwicklung und Verschärfung des Asylrechts in Ungarn, und fordern Ungarn auf, ihr Asylrecht unter Beachtung der Flüchtlingsrechte, des EU-Rechts und des internationalen Rechts zu handhaben. Das Hungarian Helsinki Committee führt zu der zum 1. August 2015 in Kraft getretenen Änderung des ungarischen Asylrechts in seiner Stellungnahme vom 7. August 2015 (abrufbar unter: HYPERLINK http://he...pdf) aus, dass Ungarn eine Liste von sicheren Drittstaaten beschlossen habe, zu denen unter anderem auch Serbien zähle. Diese Einschätzung stehe in Widerspruch zu der aktuell gültigen Position des UNHCR, des Helsinki Committees selbst und Amnesty International. Kein anderes Land in der EU betrachte Serbien für Asylsuchende als sicheres Drittland. Aufgrund dieser Festlegung sei es der ungarischen Immigrationsbehörde (Office of Immigration and Nationality (OIN) möglich, alle Asylsuchenden, die über Serbien nach Ungarn einreisen, das seien ca. 99% der Asylbewerber, ohne Prüfung und Anhörung ihrer Fluchtsituation abzulehnen. Eine Ausnahme bestehe nur, wenn der Asylbewerber beweisen könne, dass es ihm in Serbien nicht möglich gewesen sei, Asyl zu beantragen. Ein Nachweis sei dem Asylbewerber in der Praxis jedoch aus tatsächlichen Gründen nicht möglich, zudem hätten Asylsuchende regelmäßig keinen Zugang zu professioneller Rechtsberatung, die jedoch für die Nachweisführung notwendig sei. Zudem existiere in Serbien in der Realität kein funktionierendes Asylsystem. Weiterhin werde auch Griechenland als sicheres Drittland angesehen, ein Land, in das die EU-Mitgliedstaaten seit 2011 wegen der dort herrschenden Verhältnisse keine Dublin-Überstellungen mehr durchführen. Mit dieser Haltung verstoße Ungarn in der Praxis gegen das Gebot des „non-refoulement“, das in der Flüchtlingskonvention von 1951, in Art. 3 der EMRK und in Art. 18 und 19 der EU-GRcharta verankert sei (HHC, Stellungnahme vom 7.8.2015, a. a. O. S. 2). Gegen eine ablehnende Entscheidung als unzulässig, die z. B. bereits bei einer Einreise über einen sicheren Drittstaat (wie Serbien) erfolge, könne eine gerichtliche Überprüfung nur innerhalb einer Frist von drei Tagen erfolgen, eine Frist, die sowohl gegen EU-Recht, als auch gegen die gefestigte Rechtsprechung des EGMR verstoße, die beide eine Mindestfrist von einer Woche vorsähen (HHC, Stellungnahme vom 7.8.2015, a. a. O. S. 4 m. w. N.). Auch die Möglichkeiten einer Inhaftierung insbesondere in den sog. Dublin-Fällen sei im Verhältnis zur vorherigen Rechtslage wieder verschärft worden. Zudem sollen Flüchtlinge bis zum Ende ihres Asylverfahrens inhaftiert werden dürfen. Die neue Gesetzeslage entspricht somit in weiten Teilen der Rechtlage, die im Jahr 2012 den UNHCR zu seiner Empfehlung veranlasste, nach den Dublin-II-Bestimmungen keine Asylbewerber nach Ungarn zu überstellen.

Auch das UNHCR, dessen Wertungen im Rahmen der Prüfung des Art. 3 Abs. 2 Unterabsatz 2 Dublin-III-VO maßgebliches Gewicht zukommt (vgl. EuGH, U.v. 30.5.2013 - C-528/11, juris Rn. 44), hatte bereits in seiner Stellungnahme vom 3. Juli 2015 im Vorfeld der zwischenzeitlich beschlossenen Gesetzesänderungen Bedenken angemeldet und sich insoweit als „tief besorgt“ (deeply concerned) bezeichnet (abrufbar unter: http://www.u...org/...html). Das Asylsystem Ungarns sei bereits vor der Novelle immer restriktiver geworden und es werde befürchtet, dass die neuen Vorschläge es Flüchtlingen unmöglich machen wird, in diesem Land Sicherheit zu suchen. Rund 80% der Asylsuchenden kämen aus den Konfliktzonen Syrien, Afghanistan, Irak und bedürften internationalen Schutz. Hier ist anzufügen, dass nach österreichischen Angaben von den im Jahr 2013 in Ungarn gestellten 44.000 Asylanfragen nur 550 positiv verbeschieden worden sind (http://www.s...de/p...).“

Ergänzend hierzu führt das Gericht aus, dass das Hungarian Helsinki Committee in seiner Stellungnahme des Weitern bemängelt, dass in den meisten Fällen ein beschleunigtes Verfahren zulässig werde, in dem innerhalb von 15 Tagen eine Entscheidung erfolgen solle. Es bestehe ein hohes Risiko, dass dieses Verfahren aufgrund der benannten Voraussetzungen zum Regelfall würde. Die 15-Tage-Frist sei ein Verstoß gegen EU-Recht, da sie keinen effektiven Zugang zu Asylverfahren mehr gewähre (HHC, Stellungnahme vom 7.8.2015, .a.aO., S. 3f). Auch der gerichtliche Schutz für diese - bis zu 99% aller Asylverfahren betreffenden - beschleunigten Verfahren sei, insbesondere auch durch die nicht mehr zwingend vorgesehene persönliche Anhörung, unzureichend und Verstoße gegen EU-Recht (HHC, Stellungnahme vom 7.8.2015, a. a. O., S. 4).

Darüber hinaus bestehen in Ungarn massive Kapazitätsprobleme aufgrund der enormen Zunahme von Flüchtlingszahlen. Während in Ungarn im Jahre 2012 lediglich 2.157 Asylanträge gestellt wurden, stieg die Anzahl der Asylbewerber im Jahre 2013 auf 18.900 an und verdoppelte sich im Jahre 2014 auf 42.777. Vom 1. Januar 2015 bis zum 1. März 2015 registrierten die ungarischen Behörden bereits eine Anzahl von 28.535 Personen (Vgl. Hungarian Helsinki Committee, Bericht vom 4. März 2015, abrufbar unter http://h...hu/wp-c...pdf.). Bis zu 72.000 Flüchtlinge sollen bereits in diesem Jahr nach Angaben der ungarischen Regierung in das Land gelangt sein. Demgegenüber stehen in ganz Ungarn weniger als 2.500 Aufnahmeplätze in staatlichen Unterbringungseinrichtungen zu Verfügung. Hinzu kommt die ablehnende Haltung der ungarischen Regierung gegenüber dem Dublin-System (vgl. hierzu VG Münster, B.v. 7.7.2015 - 2 L 858/15.A - juris), so dass auch mit einer entsprechend zügigen Erweiterung der Aufnahmekapazitäten mit zumutbarer Ausstattung nicht zu rechnen ist. Auch kann das Gericht keine Anhaltspunkte dafür erkennen, dass die ungarische behördliche und gerichtliche Praxis die verschärften gesetzlichen Vorgaben nicht befolgen wird.

Das Gericht macht sich ergänzend die Einschätzungen des Verwaltungsgerichts Düsseldorf (B.v. 20.8.2015 - 15 L 2556/15.A - juris), des Verwaltungsgerichts Saarland (B.v. 12.8.2015 - 3 L 816/15 - juris) sowie des Verwaltungsgerichts Kassel (B.v. 7.8.2015 - 3 L 1303/15.KS.A -juris) zu Eigen. Demnach bestehen (zumindest) bei der Zusammenschau der in jüngerer Zeit entstandenen Kapazitätsprobleme einerseits und der gegenüber der bisherigen Rechtslage zulasten der Asylbewerber im Asylverfahrensablauf sowie bei den Inhaftierungsmöglichkeiten vorgenommenen Verschlechterungen derzeit systemische Schwachstellen des ungarischen Asylverfahrens sowie der Aufnahmebedingungen, die mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i. S. v. Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRCh) bergen.

Angesichts der somit wegen Art. 3 Abs. 2 Satz Unterabsatz 2 Dublin-III-VO anzunehmenden Unzuständigkeit Ungarns sind sowohl die in Nr. 1 des streitgegenständlichen Bescheids ausgesprochene Ablehnung des Asylantrags als unzulässig als auch die Abschiebungsandrohung nach Ungarn in Nr. 2 des Bescheids rechtswidrig und aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gemäß § 83b AsylVfG gerichtskostenfrei.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung stützt sich auf § 167 Abs. 1 und 2 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen dieses Urteil können die Beteiligten die Zulassung der Berufung innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München

Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder

Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München

schriftlich beantragen. Dem Antrag sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.

Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. In dem Antrag sind die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, darzulegen. Die Berufung kann nur zugelassen werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder ein in § 138 der Verwaltungsgerichtsordnung bezeichneter Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt.

Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.

Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.

Beschluss:

Dem Kläger wird für das Verfahren Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwältin ... beigeordnet.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (§ 114 ZPO) und Beiordnung der bevollmächtigten Rechtsanwältin des Klägers (§ 121 Abs. 2 ZPO) hat Erfolg.

Gemäß § 166 VwGO i. V. m. § 114 ZPO ist einer Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Diese Voraussetzungen sind im Fall der Kläger erfüllt.

Aus der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse und den beigefügten Belegen (§ 166 VwGO i. V. m. § 117 Abs. 2 S. 1 ZPO) ergibt sich, dass der Kläger die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann.

Die beabsichtigte Rechtsverfolgung hatte im maßgeblichen Zeitpunkt auch hinreichende Aussicht auf Erfolg im Sinne des § 176 VwGO i. V. m. § 114 ZPO. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Prüfung der Erfolgsaussicht ist der Zeitpunkt der Entscheidungsreife der Prozesskostenhilfe-Sache. Im Zeitpunkt der Stellung des Antrages auf Prozesskostenhilfe am 9. Februar 2015 waren die Erfolgsaussichten des Klageantrags zumindest offen. Insoweit wird auf die Ausführungen im Beschluss vom 3. Februar 2015 im Verfahren M 23 S 15.50047 verwiesen.

Dem Kläger war daher die beantragte Prozesskostenhilfe zu bewilligen und die bevollmächtigte Rechtsanwältin beizuordnen.

Die Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag ist gerichtsgebührenfrei. Auslagen werden nicht erstattet.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).

Tenor

I.

Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 25. April 2016 wird angeordnet.

II.

Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.

Der Antragsteller wendet sich im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die von der Antragsgegnerin mit Bescheid vom 25. April 2016 verfügte Anordnung der Abschiebung nach Ungarn im Rahmen eines so genannten „Dublin-Verfahrens“.

Der Antragsteller ist pakistanischer Staatsangehöriger und reiste nach eigenen Angaben - nachdem er am 18. März 2015 sein Heimatland verlassen hatte - über den Iran, die Türkei, Griechenland, Mazedonien, Serbien, Ungarn und Österreich am 31. August 2015 in die Bundesrepublik Deutschland ein.

Am 12. Februar 2016 wurde er angetroffen, ohne im Besitz eines gültigen Aufenthaltstitels zu sein. Im englisch-sprachigen Fragebogen zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates zur Durchführung eines Asylverfahrens vom 12. Februar 2016 hat der Antragsteller die Fragen, ob er bereits in einem anderen Mitgliedstaat einen Asylantrag gestellt habe und ob ihm in einem anderen Staat Fingerabdrücke genommen worden seien, jeweils verneint.

Eine Abfrage des Bundesamtes ... (Bundesamt) bei der EURODAC-Datenbank ergab 3 Treffer, darunter den Treffer ... aus Ungarn mit dem Datum vom 15. November 2015. Das Datum der Abfrage lässt sich den Akten nicht entnehmen.

Unter dem 16. März 2016 wurde vom Bundesamt an Ungarn ein Wiederaufnahmegesuch gerichtet, zu dem in den Akten lediglich eine automatisch generierte elektronische Eingangsbestätigung Ungarns vorliegt. Eine ausdrückliche Beantwortung des Wiederaufnahmegesuchs erfolgte nicht.

Mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 25. April 2016 wurde in Ziff. 1 die Abschiebung nach Ungarn angeordnet und in Ziff. 2 das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes auf 6 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet. In den Bescheidsgründen wird ausgeführt, nach den Erkenntnissen des Bundesamtes (Abgleich der Fingerabdrücke in der EURODAC-Datenbank) lägen Anhaltspunkte für die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union gemäß VO (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlamentes und des Rates (Dublin-III-VO) vor. Am 16. März 2016 sei ein Wiederaufnahmeersuchen gemäß Art. 18 Abs. 1b Dublin-III-VO an Ungarn gerichtet worden. Die ungarischen Behörden hätten mit Wirkung vom 31. März 2016 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Antrages auf internationalen Schutz gemäß Art. 25 Abs. 2 Dublin-III-VO erklärt, indem das Ersuchen innerhalb der vorgegebenen Frist unbeantwortet geblieben sei. Die Abschiebung nach Ungarn sei gemäß § 34a Abs. 1 Satz 2 AsylG anzuordnen, da dieser Staat gemäß Art. 25 Abs. 2 Dublin-III-VO für die Bearbeitung des Antrages auf internationalen Schutz zuständig sel. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die gegen eine Überstellung nach Ungarn sprächen, seien nicht ersichtlich. Die Antragsgegnerin sei verpflichtet, die Überstellung nach Ungarn als zuständigem Mitgliedstaat innerhalb einer Frist von 6 Monaten nach Annahme des Aufnahme- oder Wiederaufnahmeersuchens durch Ungarn oder der endgültigen negativen Entscheidung über einen Rechtsbehelf oder einer Überprüfung, wenn diese aufschiebende Wirkung habe, durchzuführen (Art. 29 Abs. 1 Satz 1 Dublin-III-VO). Eine Abschiebung habe gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG zur Folge, dass der Drittstaatsangehörige nicht erneut in das Bundesgebiet einreisen und sich dort aufhalten dürfe. Das Bundesamt habe das Einreiseverbot gemäß § 75 Ziff. 12 AufenthG im Fall einer Abschiebungsanordnung nach § 34a AsylG gemäß § 11 Abs. 2 AufenthG zu befristen.

Nach dem von den Bevollmächtigten des Antragstellers in Kopie vorgelegten Vermerk auf dem Umschlag des Bescheides erfolgte die förmliche Zustellung am 4. Mai 2016.

Mit Schriftsatz vom 11. Mai 2016 haben die Bevollmächtigen des Antragstellers gegen den Bescheid vom 25. April 2016 Klage erhoben und zugleich beantragt:

Die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.

Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, der Bescheid der Beklagten sei rechtswidrig und verletze den Kläger in seinen Rechten.

Der Antragsteller habe in Ungarn keinen Asylantrag stellen wollen; er habe lediglich Fingerabdrücke abgeben müssen, um einer Verhaftung zu entgehen. Er sei deswegen im September 2015 nach Deutschland eingereist und habe sich als Asylsuchender gemeldet. Bereits zuvor sei er im März 2015 nach Griechenland gereist und habe auch dort unfreiwillig seine Fingerabdrücke abgeben müssen.

Unabhängig davon, ob der Antragsteller in Ungarn einen wirksamen Asylantrag gestellt habe oder nicht, so hätte jedenfalls die Antragsgegnerin - auch bei Unterstellung eines Asylantrages in Ungarn - von ihrem humanitären Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen müssen. Dies hätte unabhängig davon erfolgen müssen, ob davon ausgegangen werde, dass in dem Asylsystem Ungarns systemische Mängel vorlägen oder nicht. Im Herbst letzten Jahres habe die Bundeskanzlerin der Antragsgegnerin den Flüchtlingen aus Ungarn freie Einreise gewährt, weshalb es gegen Treu und Glauben verstoße, wenn man nunmehr diese Flüchtlinge, denen man freie Einreise gewährt habe, wieder nach Ungarn zurückschiebe.

Darüber hinaus lägen im Asylsystem Ungarns - entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin - systemische Mängel vor, da ernstzunehmende Anhaltspunkte dafür bestünden, dass dem Antragsteller im Falle einer Abschiebung die ernsthafte Gefahr einer unmenschlichen und entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 EU-GR-Charta bzw. des Art. 3 EMRK drohe. Aufgrund des am 6. Juli 2015 beschlossenen und am 1. August 2015 geänderten ungarischen Asylrechts ergäben sich belastbare Anhaltspunkte für systemische Mängel. Demnach seien die Verfahren zur Bestimmung der Zuständigkeiten nach dem Dublin-III-Abkommen zur Prüfung eines Asyl-gesuchs in der Zuständigkeit des ungarischen Staates sowohl vor den ungarischen Behörden wie auch vor den ungarischen Gerichten - etwa durch die Verkürzung von Fristen und die an Fristversäumnisse geknüpften Sanktionen sowie neugefasste Beweislastregeln - formell wie materiell geändert worden. Diese Neuerungen ließen ernsthaft befürchten, dass seit dem 1. August 2015 das ungarische Asylrecht hinter den Verfahrensgarantien gemäß Art. 25 ff. Dublin-III-VO und den Vorgaben der RL 2011/95/EG vom 13. Dezember 2011 über die Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status der Flüchtlinge oder für Personen mit einem Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes zurückbleibt (Hungarian-Helsinki-Komitee v. 7.8.2015, Information im englischsprachigen Internetangebot der ungarischen Regierung; UNHCR v. 3.7.2015 „UNHCR urges Hungary not to amend asylum system in haste“). Auch sei nicht ausgeschlossen, dass das ungarische Asylrecht die in Ungarn Schutzsuchenden in Rechten verletzt, die ihnen auf europäischer Ebene grundsätzlich verbürgt seien. Insbesondere rechtfertige die durch die Asylrechtsnovelle bewirkte Aufnahme Serbiens in den Kreis der aus Sicht des ungarischen Staates sicheren Drittstaaten die ernsthafte Besorgnis, dass Schutzsuchende in Ungarn ohne inhaltliche Prüfung ihrer Fluchtgründe in Staaten abgeschoben werden, für die zumindest zweifelhaft sei, dass die dortigen Asylverfahren dem europäischen Mindestanforderungen entsprechen und sicherstellten, dass eine Abschiebung in andere, nicht sichere Drittstaaten oder eine Rückführung in das Herkunftsland des Schutzsuchenden unter Verstoß gegen das Refoulement-Verbot ausgeschlossen seien (vgl. VG Düsseldorf, B. v. 7.8.2015 - 22 L 616/15.A). Dass die zum 1. August 2015 in Ungarn geänderten asylrechtlichen Bestimmungen auf Dublin-III-VO-Rückkehrer keine Anwendung fänden, lasse sich nicht verlässlich feststellen.

Mit Schreiben vom 13. Mai 2016 hat das Bundesamt die Asylakten vorgelegt. Ein gesonderter Antrag wurde nicht gestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichts- sowie die vorgelegte Behördenakte des Bundesamtes Bezug genommen.

II.

Der zulässige, insbesondere innerhalb der Wochenfrist des § 34a Abs. 2 Satz 1 Asylgesetz (AsylG) eingelegte Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 25. April 2016, hat in der Sache Erfolg.

1. Entfaltet ein Rechtsbehelf - wie hier - von Gesetzes wegen keine aufschiebende Wirkung (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i. V. m. § 75 Abs. 1 AsylG), kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ganz oder teilweise anordnen. Das Gericht trifft dabei eine eigene Ermessensentscheidung, bei der es abzuwägen hat zwischen dem sich aus § 75 AsylG ergebenden öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfes. Dabei sind insbesondere die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt die im Eilverfahren gebotene summarische Prüfung, dass die Klage voraussichtlich erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid schon bei kursorischer Prüfung als rechtswidrig, so besteht kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei einer allgemeinen Interessenabwägung.

Gemessen an diesen Grundsätzen überwiegt vorliegend das persönliche Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seiner Klage das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung, da die Klage im Hauptsacheverfahren voraussichtlich Erfolg haben wird. Nach der hier gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) davon auszugehen, dass sich der angefochtene Bescheid im Hauptsacheverfahren als rechtswidrig erweisen wird und der Antragsteller hierdurch in seinen Rechten verletzt ist. Die erfolgte Abschiebungsanordnung auf der Grundlage des § 34a AsylG ist voraussichtlich rechtswidrig. Deren Rechtswidrigkeit hat auch die Rechtswidrigkeit der Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbotes gemäß § 11 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) zur Folge.

2. Für das Eilverfahren kann offen bleiben, ob die Abschiebungsanordnung bereits deswegen verfahrensfehlerhaft und damit formell rechtswidrig ist, weil das nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 der Verordnung Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 (ABl. L 180 vom 29.6.2013, S. 31 - Dublin-III-VO) vorgeschriebene persönliche Gespräch nicht durchgeführt wurde (vgl. VG Freiburg, B. v. 16.2.2016 - A 1 K 278/16 - juris Rn. 5 ff.; VG Frankfurt/Oder, B. v. 31.5.2016 - 7 L 75/16.A - juris Rn. 7; VG Frankfurt/Oder, B. v. 31.5.2016 - 7 L 14/16.A - juris Rn. 9; VG Frankfurt/Oder, B. v. 31.5.2016 - 7 L 58/16.A - juris Rn. 7). In der vorgelegten Behördenakte befinden sich lediglich zwei englischsprachige Fragebögen (vgl. Bl. 10 bis 15 d. A.), die dem Antragsteller laut Dublin-Aushändigungsbestätigung (Bl. 3 d. A.) am 12. Februar 2016 ausgehändigt worden sind. Allerdings ist in der Dublin-Aushändigungsbestätigung vermerkt, dass die Fragebögen in Deutsch und Urdu ausgehändigt worden seien. Es ist nach derzeitigem Erkenntnisstand nichts dafür ersichtlich, dass die Voraussetzungen für einen Verzicht auf das persönliche Gespräch nach Art. 5 Abs. 2 Dublin-III-VO vorgelegen haben.

3. In materieller Hinsicht ordnet das Bundesamt auf der Grundlage des § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG die Abschiebung eines Ausländers in einen sicheren Drittstaat (§ 26a AsylG) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27a AsylG) an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Gemäß § 34a Abs. 1 Satz 2 AsylG gilt dies auch, wenn der Ausländer den Asylantrag in einem anderen, aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat gestellt oder vor der Entscheidung des Bundesamtes zurückgenommen hat. Gemäß § 34a Abs. 1 Satz 3 AsylG bedarf es keiner vorherigen Androhung und Fristsetzung.

3.1 Entgegen der Auffassung der Bevollmächtigten des Antragstellers steht der Anwendung des § 34a AsylG sowie der Dublin-III-VO nicht das Gebot von Treu und Glauben (§ 242 BGB) entgegen. Die kurzzeitige faktische Nichtanwendung der Dublin-Regeln im September/Oktober 2015 konnte nicht zu einer für das Gericht normativ beachtlichen Außerkraftsetzung der Dublin-Verordnung führen, da diese gem. Art. 288 Abs. 2 AEUV verbindlich ist und unmittelbar in jedem EU-Mitgliedstaat gilt (vgl. BVerwG, U. v. 22.3.2016 - 1 C 10/15 - juris Rn. 13). Damit ist aber auch eine Unanwendbarkeit dieser Bestimmungen unter Berufung auf Treu und Glauben ausgeschlossen.

3.2 Vorliegend ist aber schon fraglich, ob der Antragsteller vom Anwendungsbereich des § 34a AsylG bzw. dem Anwendungsbereich des AsylG erfasst wird. Nach § 1 Abs. 1 AsylG gilt dieses Gesetz für Ausländer, die Schutz vor politischer Verfolgung nach Art. 16a Abs. 1 Grundgesetz (GG) oder internationalen Schutz nach der RL 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 beantragen. Gemäß § 13 Abs. 1 AsylG liegt ein Asylantrag vor, wenn sich dem schriftlich, mündlich oder auf andere Weise geäußerten Willen des Ausländers entnehmen lässt, dass er im Bundesgebiet Schutz vor politischer Verfolgung sucht oder dass er Schutz vor einer Abschiebung oder einer sonstigen Rückführung in einen Staat begehrt, in dem ihm eine Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG oder ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylG droht.

Nach der vorgelegten Akte des Bundesamtes ist unklar, ob der Antragsteller einen Asylantrag in Deutschland gestellt hat oder nicht. Auf dem Erfassungsbogen (Bl. 16 d. A.) ist unter Nr. 18 „Art des Asylantrages“ vermerkt, „DÜ-Ab Aufgriffsfall (k.AsylAN)“. Demgegenüber ist im Formular für Wiederaufnahmegesuche (Bl. 23 d. A.) unter „Bemerkungen“ vermerkt: „Aboved named person was apprehended in Germany on 12.02.2016. On the same day he applied for asylum in Germany.”.

Sollte der Antragsteller in Deutschland bislang keinen Asylantrag gestellt haben, wird sein Fall als sog. „Aufgriffsfall“ vom Anwendungsbereich des § 34a Abs. 1 Satz 2 AsylG erfasst. Im Rahmen der Änderung des Asylverfahrensgesetzes im Jahr 2013 wurde zur Umsetzung der Qualifikationsrichtlinie (2011/95/EU) in § 34a Abs. 1 AsylG Satz 2 in seiner auch jetzt noch geltenden Fassung ausdrücklich mit der Begrünung eingefügt, dass diese Vorschrift eine gesetzliche Aufgabenzuweisung für das Bundesamt darstellt und der Erfassung der so genannten „Aufgriffsfälle“ dienen soll, in denen ein Ausländer im Inland angetroffen wird, der in einem anderen Staat - in dem die Dublin-VO Anwendung findet - einen Asylantrag gestellt hat, nicht aber in Deutschland (BT-Drs. 17/13556, S. 7).

3.3 Geht man daher davon aus, dass die so genannten „Aufgriffsfälle“ über § 34a Abs. 1 Satz 2 AsylG erfasst sind, obwohl das AsylG an sich nur auf Personen Anwendung findet, die in Deutschland einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt haben (vgl. Müller, in: Hofmann [Hrsg.], Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016, § 34a AsylVfG/AsylG, Rn. 10), so ist weiter zu prüfen, ob die Tatbestandsvoraussetzungen einer entsprechenden Abschiebungsanordnung vorliegen. Voraussetzung ist hiernach, dass der Antragsteller einen Asylantrag in Ungarn gestellt hat und es muss feststehen, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann.

Bei dem vom Bundesamt ermittelten EURODAC-Treffer „...“ handelt es sich um einen Treffer der Kategorie 1 im Sinne von Art. 24 Abs. 4 Satz 3 der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 (ABl. L 180 vom 29.06.2013, S. 1), wonach der Antragsteller am 15. November 2015 in Ungarn einen Asylantrag gestellt hat.

Nach Art. 18 Abs. 1b Dublin-III-VO hat der nach dieser Verordnung zuständige Mitgliedstaat die Verpflichtung, einen Antragsteller, der während der Prüfung seines Antrages in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates ohne Aufenthaltstitel aufhält, nach Maßgabe der Art. 23, 24, 25 und 29 Dublin-III-VO wieder aufzunehmen. Allerdings ergibt sich aus Art. 18 Dublin-III-VO keine unmittelbare Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens; vielmehr bestimmt sich diese zunächst nach den Bestimmungen des Kap. III, weshalb sich eine Zuständigkeit Ungarns aus den Art. 7 ff. Dublin-III-VO ergeben müsste, an die dann die weiteren Pflichten des zuständigen Mitgliedstaates in Kap. V und das Aufnahme- und Wiederaufnahmeverfahren in Kap. IV anknüpfen.

Vorliegend kann sich eine Zuständigkeit Ungarns aus Art. 13 Abs. 1 Dublin-III-VO ergeben. Darin ist geregelt, dass für den Fall, dass auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Art. 22 Abs. 3 Dublin-III-VO genannten Verzeichnissen einschließlich der Daten nach der VO (EU) Nr. 603/2013 festgestellt wird, dass ein Antragsteller aus einem Drittstaat kommend, die Land-, See- oder Luftgrenze eines Mitgliedstaates illegal überschritten hat, dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Gemäß Art. 13 Abs. 1 Satz 2 Dublin-III-VO endet diese Zuständigkeit 12 Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertrittes.

3.4 Der Erlass einer Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 AsylG setzt weiter voraus, dass die Durchführbarkeit der Rückführung feststeht. Sie muss daher rechtlich zulässig und zeitnah tatsächlich möglich sein, wobei die praktische Möglichkeit der Rückführung vor allem von der Einhaltung der Fristen im Rahmen der Dublin-III-VO und von der Zustimmung des Staates abhängt, in den abgeschoben werden soll (vgl. Müller, in: Hoffmann [Hrsg.], Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016, § 34a AsylVfG/AsylG Rn. 11).

Fraglich ist, ob das Bundesamt ein Wiederaufnahmegesuch nach Art. 23 Dublin-III-VO oder nach Art. 24 Dublin-III-VO gestellt hat. Während Art. 23 zur Anwendung kommt, wenn im ersuchenden Mitgliedstaat ein erneuter Asylantrag gestellt wurde, regelt Art. 24 den Fall, dass im ersuchenden Mitgliedstaat kein neuer Antrag gestellt wurde. Im Formular für Wiederaufnahmegesuche findet sich lediglich der Eintrag, der Antrag erfolge nach Art. 18 Abs. 1b Dublin-III-VO. Nach beiden Vorschriften (Art. 23 Abs. 2 Dublin-III-VO bzw. Art. 24 Abs. 2 Dublin-III-VO) ist jedenfalls eine Zweimonats-Frist zu beachten, die mit dem Wiederaufnahmegesuch vom 16. März 2016 des grundsätzlich eingehalten wurde. Zwar lässt sich der vorgelegten Akte das Datum der EURODAC-Abfrage nicht entnehmen, jedoch kann die Frist frühestens am 12. Februar 2016 zu laufen begonnen haben, so dass die Frist am 16. März 2016 noch nicht abgelaufen war. Da Ungarn auf das Wiederaufnahmegesuch nicht innerhalb von 2 Wochen geantwortet hat, ist gemäß Art. 25 Abs. 2 Dublin-III-VO davon auszugehen, dass Ungarn dem Wiederaufnahmegesuch stattgegeben hat, was gleichzeitig die Verpflichtung nach sich zieht, die betreffende Person wieder aufzunehmen und angemessene Vorkehrungen für die Ankunft zu treffen.

Allerdings ist für Aufnahmeersuchen nach Art. 21 Dublin-III-VO anerkannt, dass ein solches nur dann fristwahrend angebracht worden ist, wenn das Gesuch alle dem ersuchenden Staat bekannten Informationen und Hinweise enthält, die für eine Zuständigkeitsentscheidung erheblich sein können (vgl. Bruns, in: Hoffmann [Hrsg.], Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016, § 27a AsylVfG/AsylG Rn. 15). In Art. 21 Abs. 3 Dublin-III-VO ist vorgesehen, dass für das Gesuch um Aufnahme durch einen anderen Mitgliedstaat ein Formblatt zu verwenden ist, das Beweismittel oder Indizien gemäß den beiden in Artikel 22 Absatz 3 genannten Verzeichnissen und/oder sachdienliche Angaben aus der Erklärung des Antragstellers enthalten muss, anhand deren die Behörden des ersuchten Mitgliedstaats prüfen können, ob ihr Staat gemäß den in dieser Verordnung definierten Kriterien zuständig ist. Ist das Aufnahmeersuchen unvollständig bzw. weist es inhaltliche Fehler auf, wird damit die Frist für die Anbringung des Aufnahmegesuches nicht gewahrt (gegen eine Fristwahrung VG Frankfurt/Oder, B. v. 31.8.2011 - 7 L 235/11.A; - juris; vgl. auch Bruns: a. a. O., m. w. N. gegenteiliger, aber nicht veröffentlichter Entscheidungen für eine Fristwahrung auch in diesen Fällen). Nach Ansicht des Verwaltungsgerichts Frankfurt/Oder setzt der Eintritt der Fiktionswirkung des Art. 20 Abs. 1c Dublin-II-VO (entspricht Art. 25 Abs. 2 der Dublin-III-VO) und damit die Begründung der Zuständigkeit des angefragten Mitgliedstaates voraus, dass in dem Wiederaufnahmegesuch Hinweise enthalten sind, aus denen der ersuchte Mitgliedstaat entnehmen kann, dass er zuständig ist. Dies könne nur sinnvoll dahingehend verstanden werden, dass die entsprechenden Hinweise richtig und vollständig sein müssten (VG Frankfurt/Oder, B. v. 31.8.2011 - 7 L 235/11.A - juris Rn. 6). Im konkreten Fall kam das Verwaltungsgericht Frankfurt/Oder zu dem Ergebnis, dass bei einem Wiederaufnahmegesuch die vollständige Angabe des Reiseweges des Antragstellers zu den erforderlichen Angaben gehört, weshalb das damalige Wiederaufnahmegesuch für unvollständig gehalten wurde, so dass im Ergebnis die Zuständigkeit der Antragsgegnerin bejaht wurde.

Für das Wiederaufnahmegesuch regelt Art. 25 Abs. 5 Dublin-III-VO, dass ein Standardformblatt zu verwenden ist, das Beweismittel oder Indizien im Sinne der beiden Verzeichnisse nach Artikel 22 Absatz 3 und/oder sachdienliche Angaben aus der Erklärung der Person enthalten muss, anhand deren die Behörden des ersuchten Mitgliedstaats prüfen können, ob ihr Staat auf Grundlage der in dieser Verordnung festgelegten Kriterien zuständig ist. Insoweit ist die Situation im Wiederaufnahmeverfahren durchaus mit der in einem Aufnahmeverfahren vergleichbar, so dass die hierzu entwickelten Grundsätze herangezogen werden können.

Vorliegend wurde im Wiederaufnahmeformular der Reiseweg des Antragstellers nicht angegeben, obwohl der Antragsteller im Fragebogen seinen Reiseweg vollständig angegeben hatte. Hinzu kommt, dass unter „Bemerkungen“ ausdrücklich ausgeführt wurde, der Antragsteller habe in Deutschland Asyl beantragt. Damit stellt sich das Wiederaufnahmegesuch im Hinblick auf die fehlenden Angaben zum Reiseweg voraussichtlich als unvollständig und im Hinblick auf die Angaben zu einem in Deutschland gestellten Asylantrag voraussichtlich als unrichtig dar. Damit wurde aber mit dem Wiederaufnahmeersuchen voraussichtlich nicht die Zweimonats-Frist des Art. 24 Abs. 2 UAbs. 1 Dublin-III-VO gewahrt, so dass gemäß Art. 24 Abs. 3 Dublin-III-VO die Antragsgegnerin dem Antragsteller voraussichtlich Gelegenheit zu geben hat, einen neuen Asylantrag zu stellen. Sollte der Antragsteller in Deutschland einen Asylantrag gestellt haben, wäre damit die Frist des Art. 23 Abs. 2 Dublin-III-VO abgelaufen und die Antragsgegnerin nach Art. 23 Abs. 3 Dublin-III-VO zuständig geworden.

3.5 Hinzu kommt, dass eine Überstellung an Ungarn, sollte dies der nach der Dublin-III-VO zuständige Mitgliedstaat sein, sich zur Überzeugung des Gerichts gemäß Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2 Dublin-III-VO wegen systemischer Schwachstellen des ungarischen Asylsystems derzeit als unmöglich erweist. Gemäß Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2 Dublin-III-VO hat der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat für den Fall, dass es sich als unmöglich erweist, einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, da es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die die Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der EU-Grundrechtecharta mit sich bringen, die Prüfung der in Kap. III vorgesehenen Kriterien fortzusetzen, um festzustellen, ob ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann. Gemäß Art. 3 Abs. 2 UAbs. 3 Dublin-III-VO wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat der zuständige Mitgliedstaat, wenn keine Überstellung gemäß diesem Absatz an einen aufgrund der Kriterien des Kap. III bestimmten Mitgliedstaat oder an den ersten Mitgliedstaat, in dem der Antrag gestellt wurde, vorgenommen werden kann.

Die Antragsgegnerin ist daher voraussichtlich gehalten, die Prüfung der in Kapitel III der Dublin-III-VO vorgesehenen Kriterien fortzusetzen, um festzustellen, ob ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann (Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2 Dublin-III-VO) oder ob sie selbst für das Asylverfahren zuständig geworden ist (Art. 3 Abs. 2 UAbs. 3 Dublin-III-VO).

Nach Art 3 Abs. 2 UAbs. 2 Dublin-III-VO ist die Überstellung unmöglich, wenn es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in Ungarn systemische Schwachstellen aufweisen, die die Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikel 4 der EU-Grundrechtscharta (GRCh) mit sich bringen. Der Regelung liegt die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zugrunde, wonach die im Gemeinsamen Europäischen Asylsystem grundsätzlich aufgrund des Prinzips gegenseitigen Vertrauens bestehende Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Europäischen Grundrechtecharta (GRCh), der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) und der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) steht, nicht unwiderleglich ist, sondern für den Fall, dass dem überstellenden Mitgliedstaat nicht unbekannt sein kann, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, widerlegt werden kann (EuGH, U. v. 21.12.2011 - C-411/10, C-493/10 - N.S. u. a., NVwZ 2012, 417 - juris Rn. 79 ff.; vgl. auch EuGH, U. v. 14.11.2013 - C-4/11 - Puid, NVwZ 2014, 129). Die Schwachstellen bzw. Mängel des Asylsystems müssen dabei nicht kumulativ Asylverfahren und Aufnahmebedingungen betreffen, sondern können auch alternativ vorliegen (vgl. BVerwG, B. v. 19.3.2014 - 10 B 6/14 - juris Rn. 9: „Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen“; VG München, B. v. 18.1.2016 - M 24 S 15.50827 u. a. - juris Rn. 25).

Eine Widerlegung der Vermutung ist allerdings an hohe Hürden geknüpft. Nicht jede drohende Grundrechtsverletzung oder geringste Verstöße gegen die einschlägigen EU-Richtlinien genügen, um die Überstellung an den zuständigen Mitgliedstaat zu verhindern (EuGH, a.a.O; BVerwG, B. v. 19.3.2014 - 10 B 6/14 - juris Rn.6). Ein hinreichend schwerer Verstoß gegen das Verbot der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung des Art. 4 GRCh (bzw. des inhaltsgleichen Art. 3 EMRK, vgl. Art. 52 52 Abs. 3 S. 1 GRCh) ist im asylrechtlichen Zusammenhang etwa gegeben bei einer systemischen Nichtbeachtung des Refoulementverbots. Es können aber auch die allgemeinen Haft- und Lebensbedingungen für Asylbewerber eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung darstellen (EGMR, U. v. 21.1.2011 − M.S. S./Belgien u. Griechenland, 30696/09 - NVwZ 2011, 413 Rn. 286 ff. und 342 ff.; EGMR, U. v. 3.7.2014 - Mohammadi/Austria, 71932/12 - abrufbar unter http://hudoc.echr.coe.int/eng?i=001-145233, Rn. 60 und 71 ff.). Systemische Schwachstellen liegen also insbesondere dann vor, wenn dem Betroffenen in dem Mitgliedstaat, in den er überstellt werden soll, der Zugang zu einem Asylverfahren, welches nicht mit grundlegenden Mängeln behaftet ist, verwehrt oder massiv erschwert wird, wenn das Asylverfahren an grundlegenden Mängeln leidet oder wenn er während der Dauer des Asylverfahrens wegen einer grundlegend defizitären Ausstattung mit den notwendigen Mitteln elementare Grundbedürfnisse des Menschen (wie z. B. Unterkunft, Nahrungsaufnahme und Hygienebedürfnisse) nicht in einer noch zumutbaren Weise befriedigen kann (OVG NRW, U. v. 7.3.2014 - 1 A 21/12.A - juris Rn. 126; VG München, B. v. 18.1.2016 - M 24 S 15.50827 u. a. - juris Rn. 26; U. v. 11.9.2015 - M 23 K 15.50045 - juris Rn. 24).

„Systemisch“ sind Schwachstellen, die den Einzelnen in dem zuständigen Mitgliedstaat nicht unvorhersehbar oder schicksalhaft treffen, sondern die sich aus Sicht der deutschen Behörden und Gerichte wegen ihrer systemimmanenten Regelhaftigkeit verlässlich prognostizieren lassen. Dies setzt voraus, dass das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedstaat aufgrund größerer Funktionsstörungen regelhaft so defizitär sind, dass anzunehmen ist, dass dort auch dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht (vgl. BVerwG, B. v. 19.3.2014 - 10 B 6/14 - juris Rn. 9).

3.5.1 Auf der Grundlage der aktuellen Erkenntnismittel sprechen wesentliche Gründe dafür, dass das ungarische Asylsystem derzeit wegen der zum 1. August 2015 in Kraft getretenen Änderungen der ungarischen Asylgesetzgebung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Dublin-Rückkehrern den Zugang zu einem Asylverfahren verwehrt, das die materielle Prüfung ihres Asylantrages gewährleistet (VG München, B. v. 18.1.2016 - M 24 S 15.50827 u. a. - juris Rn. 28). Insbesondere besteht nach summarischer Prüfung im Hinblick auf die Regelungen zum sicheren Drittstaat und die Einstufung Serbiens als sicherer Drittstaat die Gefahr, dass der Antragsteller, der nach eigenen Angaben über Serbien nach Ungarn eingereist ist, ohne inhaltliche Prüfung seines Antrags nach Serbien abgeschoben und damit gegen das Refoulment-Verbot des Art. 33 GFK verstoßen wird.

Das ungarische Parlament hat am 6. Juli 2015 weitreichende Verschärfungen des ungarischen Asylrechts und weitgehende Beschleunigungen des Asylverfahrens sowie Hindernisse im Zugang zum Asylverfahren beschlossen, die zum 1. August 2015 in Kraft getreten sind und am 4. September 2015 weitere Maßnahmen beschlossen, die am 15. September 2015 in Kraft getreten sind (vgl. hierzu das Helsinki Committe Ungarn: No Country for Refugees - Information Note vom 18.9.2015, abrufbar unter: http://helsinki.hu/en/no-country-for-refugees-information-note; Building a Legal Fence - Information Note vom 7.8.2015, abrufbar unter: http://helsinki.hu/wp-content/uploads/HHC-HU-asylum-law-amendment-2015-August-info-note.pdf; zum ungarischen Asylrecht, insbesondere zur Regelung sicherer Drittstaaten, vgl. die deutschsprachige Wiedergabe der Bestimmungen in EuGH, U. v. 17.3.2016 - C-695/15 PPU - juris Rn. 15 ff.; zur Rechtslage in Ungarn vgl. auch Prof. Dr. Küpper, Rechtsgutachten über ungarisches Asylrecht vom 2. Oktober 2015, Institut für Ostrecht München, erstattet für das VG Düsseldorf im Verfahren 22 K 3263/15.A). Danach soll unter anderem das Asylverfahren annulliert werden, wenn Asylsuchende die ihnen zugewiesenen Aufenthaltsorte länger als 48 Stunden verlassen; gleichzeitig dürfen Flüchtlinge bis zum Ende ihres Asylverfahrens inhaftiert werden.

Durch die ungarische Regierung wurde im Verordnungswege eine Liste für sichere Drittstaaten beschlossen, darunter Serbien als Beitrittskandidat für die Europäische Union. Nach § 2 der ungarischen Regierungsverordnung Nr. 191/2015 zur Bestimmung der als sicher eingestuften Herkunftsstaaten und der sicheren Drittstaaten auf nationaler Ebenevom 21. Juli 2015 (191/2015. [VII. 21.] kormányrendelet a nemzeti szinten biztonságosnak nyilvánított származási országok és biztonságos harmadik országok meghatározásáról; im Folgenden: ungarische Regierungsverordnung vom 21. Juli 2015) sind sichere Drittstaaten im Sinne von § 2 Buchst. i des ungarischen Asylgesetzes u. a. die Mitgliedstaaten der Europäischen Union und deren Beitrittskandidaten - mit Ausnahme der Türkei -, die Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums sowie die Bundesstaaten der Vereinigten Staaten von Amerika, die die Todesstrafe nicht anwenden.

§ 3 Abs. 2 der Regierungsverordnung vom21. Juli 2015 regelt: „Hatte sich der Antragsteller, bevor er in das Hoheitsgebiet Ungarns eingereist ist, im Hoheitsgebiet eines sicheren Drittstaats im Sinne der Liste der sicheren Drittstaaten der Europäischen Union oder des § 2 aufgehalten oder dessen Hoheitsgebiet durchquert, so kann er im Asylverfahren nach dem Asylgesetz nachweisen, dass in seiner besonderen Situation in diesem Land keine Möglichkeit wirksamen Schutzes im Sinne von § 2 Buchst. i des Asylgesetzes bestand.“

Nach § 51 Abs. 1 des Gesetzes Nr. LXXX von 2007 über das Asylrecht (Menedékjogról szóló 2007. évi LXXX. törvény, Magyar Közlöny 2007/83, im Folgenden: ungarisches Asylgesetz) entscheidet die Asylbehörde über die Zulässigkeit des Antrags sowie darüber, ob die Voraussetzungen vorliegen, um über die Begründetheit des Antrags im beschleunigten Verfahren zu entscheiden, wenn die Voraussetzungen für die Anwendung der Dublin-Verordnungen nicht vorliegen.

Nach § 51 Abs. 2 Buchst. e ungarisches Asylgesetz ist der Antrag ist unzulässig, wenn es für den Antragsteller einen Drittstaat gibt, der für ihn einen sicheren Drittstaat darstellt. Nach § 51 Abs. 4 ungarisches Asylgesetz darf der Antrag nur dann nach Abs. 2 Buchst. e für unzulässig erklärt werden, wenn der Antragsteller

a) sich in einem sicheren Drittstaat aufgehalten hat und es ihm in diesem Staat möglich gewesen wäre, wirksamen Schutz entsprechend den Bestimmungen von § 2 Buchst. i in Anspruch zu nehmen,

b) das Hoheitsgebiet eines solchen Staates durchquert hat und es ihm in diesem Staat möglich gewesen wäre, wirksamen Schutz entsprechend den Bestimmungen von § 2 Buchst. i in Anspruch zu nehmen,

c) dort über verwandtschaftliche Verbindungen verfügt und in das Gebiet dieses Staates einreisen darf oder

d) ein sicherer Drittstaat die Auslieferung des Antragstellers beantragt.

Es besteht in Ungarn aufgrund der Aufnahme von Serbien in die Liste der sicheren Drittstaaten und die vorstehenden Bestimmungen damit die Gefahr, dass der Antragsteller nach einer Überstellung nach Ungarn dort keinen Zugang zu einem Asylverfahren erhält, in dem eine inhaltliche Prüfung seiner Fluchtgründe vorgenommen wird, sondern er stattdessen ohne inhaltliche Prüfung seiner Fluchtgründe nach europäischen Mindeststandards nach Serbien abgeschoben wird (VG München, B. v. 18.1.2016 - M 24 S 15.50827 u. a. - juris Rn. 41; VG Düsseldorf, Gerichtsbescheid v. 2.12.2015 - 22 K 3263/15.A - juris Rn. 56; VG Düsseldorf, Gerichtsbescheid v. 21.09.2015 - 8 K 5062/15.A - juris Rn. 30 ff.; VG München, U. v. 18.9.2015 - M 23 K 15.50045 - juris Rn. 26 ff.).

3.5.2 Diese Einschätzung wird auch durch die neueren Erkenntnismittel bestätigt (vgl. etwa die Nachweise in VG München, B. v. 18.1.2016 - M 24 S 15.50827 u. a. - juris Rn. 40 f.: Asylum Information Database (AIDA), Country Report: Hungary, 1. November 2015, abrufbar unter: http://www.asylumineurope.org/reports/country/hungary; Amnesty International (AI), Fenced Out - Hungarys violations of the rights of refugees and migrants, 7.Oktober 2015, abrufbar unter: https://www.amnesty.org/en/documents/eur27/2614/2015/en/; European Council on Refugees and Exiles (ecre), Crossing Bundaries - The new asylum procedure at the border and restrictions to accessing protection in Hungary, 1. Oktober 2015, abrufbar unter: http://ecre.org/component/downloads/downloads/1056; Hungarian Helsinki Commitee (HHC), No Country for Refugees, New asylum rules deny protection to refugees and lead to unprecedented human rights violations in Hungary, Information Note, 18. September 2015, abrufbar unter: http://helsinki.hu/wp-content/uploads/HHC_Hungary_Info_Note_Sept-2015_No_country_for_refugees.pdf). Danach ist die Drittstaatenregelung, insbesondere im Hinblick auf Serbien, als ernstzunehmendes Hindernis für die Durchführung eines den Mindestanforderungen entsprechenden Asylverfahrens anzusehen. Es besteht die Besorgnis, dass die Qualifizierung von Serbien als sicherem Drittstaat für Dublin-Rückkehrer gleichsam zu einer automatischen Ablehnung des Asylantrags ohne materielle Prüfung der Fluchtgründe führt. Einen wirksamen Rechtsbehelf gegen eine auf die Drittstaatenregelung gestützte Ablehnung sieht das ungarische Rechtssystem nicht vor. Für Dublin-Rückkehrer, die über Serbien nach Ungarn gelangt sind, was bis September 2015 auf 99% der Asylsuchenden zutrifft, besteht demnach die beachtliche Gefahr einer Kettenabschiebung nach Serbien, die ein indirektes Refoulement nach sich ziehen kann (AIDA, a. a. O. S. 24 f., 44 ff.; AI, a. a. O. S. 16; ecre a. a. O. S. 37; HHC a. a. O. S. 1 f.). Weiter ist den genannten Erkenntnismitteln zu entnehmen, dass die am 1. August 2015 in Kraft getretene Drittstaatenregelung in der Praxis auch rückwirkend auf Asylanträge angewandt werden soll, die vor dem Inkrafttreten der Neuregelung gestellt worden sind (AIDA, a. a. O. S.24; vgl. auch das Rechtsgutachten über ungarisches Asylrecht vom 2. Oktober 2015, a. a. O., S. 21 f.).

3.5.3 Vor allem aber hat der UNHCR, dessen Wertungen im Kontext der Prüfung des Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2 Dublin-III-VO von besonderer Relevanz sind (EuGH, U. v. 30.5.2013 - C-528/11 - Halaf vs. Bulgarien, NVwZ-RR 2013, 660 - juris Tz. 44), bereits im Vorfeld Gesetzesänderungen Bedenken angemeldet und sich insoweit als „tief besorgt“ bezeichnet (vgl. UNHCR vom 3.7.2015: UNHCR urges Hungary not to amend asylum system in haste, abrufbar unter: http://www.unhcr.org/559641846.html). Bereits diese Stellungnahme bestätigte, dass die Empfehlung, die der UNHCR bereits im August 2012 ausgesprochen hatte, nämlich von Rücküberstellungen von Asylsuchenden nach Serbien abzusehen und Serbien nicht als sicheren Drittstaat zu betrachten (UNHCR, Serbia as a Country of Asylum - Observations on the Situation of Asylum-Seekers ans Beneficiaries of International Protection in Serbia, August 2012, abrufbar unter: http://www.unhcr-centraleurope.org/pdf/resources/legal-documents/unhcr-handbooks-recommendations-and-guidelines/serbia-as-a-country-of-asylum-2012.html), nach wie vor Gültigkeit hat.

In seinem jüngsten Bericht „Hungary as a Country of Asylum - Observations on restrictive legal measures and subsequent practice implemented between July 2015 and March 2016“ vom Mai 2016 (abrufbar unter http://www.refworld.org/docid/57319d514.html) hat der UNHCR in Tz. 71 ausdrücklich an seiner damaligen Empfehlung festgehalten, dass Asylsuchende nicht nach Serbien zurückgebracht werden sollten. Insoweit ist auch in Serbien eine sehr weitgehende Regelung sicherer Drittstaaten, die etwa auch die Türkei - trotz deren geografischen Vorbehalt bei der Ratifizierung der GFK -, Griechenland und die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien umfasst, problematisch. Diese Regelung hat nach dem vom European Council on Refugees and Exiles (ecre) herausgegebenen Landesbericht vom März 2016 dazu geführt, dass über die Jahre zahlreiche Asylanträge abgelehnt wurden, ohne dass die zuständige Asylbehörde die Begründetheit des Anspruchs geprüft hätte (aida - Asylum Information Database, Country Report: Serbia, March 2016 abrufbar unter http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_sr.pdf).

Hinzu kommt, dass nach einer Meldung auf der aida-Homepage vom 12. Mai 2016 Ungarn Rücküberstellungen im Rahmen der Dublin-III-VO nach Griechenland angeordnet hat, obwohl seit den Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Europäischen Gerichtshofs aus dem Jahr 2011 kein anderer Mitgliedstaat Überstellungen nach Griechenland vornimmt (abrufbar unter http://www.asylumineurope.org/news/29-05-2016/hungary-decisions-reinstating-dublin-transfers-greece).

3.5.4 Soweit jüngere Entscheidungen das Vorliegen systemischer Mängel des ungarischen Asylrechts im Hinblick auf die Einstufung Serbiens als sicheren Drittstaat ablehnen, stützen sich diese in erster Linie auf die Auskunft des Auswärtigen Amts an das Verwaltungsgericht Regensburg vom 27. Januar 2016 im Verfahren RO 4 K 15.50580 (VG Osnabrück, U. v. 18.5.2016 - 5 A 68/16 - juris Rn. 38; VG München, B. v. 17.3.2016 - M 1 S 16.50032 - juris Rn. 19). Nach der Auskunft vom 27. Januar 2016 lehne Serbien die Übernahme von Drittstaatsangehörigen aus Ungarn im Wege der Einzelfallprüfung ab, wenn nicht nachgewiesen werden könne, dass die Antragsteller tatsächlich über Serbien nach Ungarn eingereist seien. Da Serbien in der Regel keine Registrierung der durchreisenden Flüchtlinge vorgenommen habe und Ungarn auch keine Nachweise vorlägen, könne dieser Nachweis in der Regel nicht erbracht werden. Die Asylbehörde sei in diesen Fällen von Gesetzes wegen verpflichtet, die Entscheidung aufzuheben und das Asylverfahren weiter zu betreiben, wenn der sichere Drittstaat die Übernahme ablehne.

Gegen den Befund, dass eine Rückführung nach Serbien tatsächlich nicht möglich sei, bestehen aber insoweit Bedenken, als nach den Ausführungen des UNHCR in seinem Bericht vom Mai 2016 (a. a. O., S. 25) zwischen 15. September 2015 und 31. März 2016 220 Personen von Ungarn nach Serbien im Rahmen der Wiederzulassungsvereinbarung überstellt wurden. Der UNHCR führt hierzu weiter aus, dass es hinsichtlich Asylsuchender, deren Asylanträge wegen der Drittstaatenregelung für unzulässig erklärt worden sind und die ihre Rückkehr nach Serbien erwarten, unklar bleibt, wie lange diese warten müssen, bis die zuständige Behörde ihre Entscheidung in ihrem Fall zur Unzulässigkeit aufhebt und in der Sache selbst prüft, ob sie die Voraussetzungen des Flüchtlingsstatus oder subsidiären Schutzes erfüllen. Sofern solche Personen inhaftiert sind, ist die Gesetzmäßigkeit ihrer Inhaftierung nach dem UNHCR ebenfalls ein Problem, da nach der Rückführungsrichtlinie Haft aus Gründen der Abschiebung nur als letzte Maßnahme und nur dann in Betracht kommt, wenn eine angemessene Aussicht auf Abschiebung besteht.

Angesichts der Tatsache, dass tatsächlich Abschiebungen nach Serbien stattfinden, erscheint es nicht vertretbar, darauf zu vertrauen, der Antragsteller werde tatsächlich hiervon nicht betroffen. Nach den rechtlichen Vorgaben in Ungarn ist eine Abschiebung nach Serbien als sicherem Drittstaat als Regelfall vorgesehen. Diesen systemischen Mangel kann eine vermeintliche tatsächliche Unabschiebbarkeit und damit die normative Kraft des Faktischen jedenfalls im Eilverfahren nicht beseitigen. Gegebenenfalls sind im Hauptsacheverfahren weitere Erkenntnisse bzw. Auskünfte über die Vollzugspraxis in Ungarn und über den Umfang von Abschiebungen sowie den hiervon betroffenen Personenkreis, insbesondere ob Dublin-Rückkehrer betroffen sind, einzuholen bzw. auszuwerten.

3.5.5 Dieser aktuellen Einschätzung stehen die Entscheidungen des EuGH (U. v. 10.12.2013 - C-394/12, Abdullahi - juris), des EGMR (U. v. 3.7.2014 - Nr. 71932/12, Mohammadi /Österreich) und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (B. v. 12.6.2015 - 13a ZB 15.50097 - juris), die das Vorliegen systemischer Schwachstellen verneint haben, nicht entgegen, da sie von den neueren Entwicklungen der ungarischen Asylgesetzgebung zum 1. August 2015 überholt wurden. Das Risiko eines möglichen Refoulements nach Serbien bestand seinerzeit nicht, da Ungarn nach dem damals geltenden Recht von der Drittstaatenregelung Abstand genommen hatte. Die diesen Entscheidungen zugrundeliegenden Umstände haben sich durch die Rückkehr Ungarns zur Drittstaatenregelung maßgeblich geändert, so dass nach derzeitiger Sachlage wieder beachtliche Gründe für systemische Schwachstellen sprechen (VG München, B. v. 18.1.2016 - M 24 S 15.50827 u. a. - juris Rn. 44).

3.5.6 Ebenso stehen dieser Einschätzung weder das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 17. März 2016 (C-695/15 PPU, NVwZ 2016, 753 - juris) noch die Beschlüsse des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 9. Mai 2016 (20 ZB 16.50034 - juris; 20 ZB 16.50036 - juris; 20 ZB 16.50037 - juris) entgegen.

In seinem Urteil in einem Eilvorabentscheidungsverfahren nach Art. 107 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs hat der Europäische Gerichtshof auf Vorlage eines ungarischen Gerichts sich zur Anwendung und Auslegung von Art. 3 Abs. 3 Dublin-III-VO geäußert. Nach Art. 3 Abs. 3 Dublin-III-VO behält jeder Mitgliedstaat das Recht, einen Antragsteller nach Maßgabe der Bestimmungen und Schutzgarantien der Richtlinie 32/2013/EU in einen sicheren Drittstaat zurück- oder auszuweisen. Nach dem Urteil vom 17. März 2016 ist Art. 3 Abs. 3 Dublin-III-VO dahin auszulegen, dass ein Mitgliedstaat das Recht, eine Person, die um internationalen Schutz nachsucht, in einen sicheren Drittstaat zurück- oder auszuweisen, auch ausüben kann, nachdem er im Rahmen eines Wiederaufnahmeverfahrens anerkannt hat, dass er nach Dublin-III-VO für die Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist, der von einer Person gestellt wurde, die diesen Mitgliedstaat verließ, bevor über ihren ersten Antrag auf internationalen Schutz in der Sache entschieden worden war. Zudem ist Art. 3 Abs. 3 der Verordnung Nr. 604/2013 dahin auszulegen, dass er der Zurück- oder Ausweisung einer Person, die um internationalen Schutz nachsucht, in einen sicheren Drittstaat nicht entgegensteht, wenn der Mitgliedstaat, der diese Person in den zuständigen Mitgliedstaat überstellt, während des Wiederaufnahmeverfahrens weder über die im letztgenannten Mitgliedstaat bestehende Regelung der Zurück- oder Ausweisung von Antragstellern in sichere Drittstaaten noch über die Praxis seiner zuständigen Behörden in diesem Bereich unterrichtet wurde. Schließlich ist Art. 18 Abs. 2 Dublin-III-VO dahin auszulegen, dass er im Fall der Wiederaufnahme einer Person, die um internationalen Schutz nachsucht, nicht vorschreibt, dass das Verfahren zur Prüfung ihres Antrags in dem Stadium wieder aufgenommen wird, in dem es eingestellt worden war.

Im Kern hat der Europäische Gerichtshof damit bestätigt, dass der Vorbehalt des Art. 3 Abs. 3 Dublin-III-VO auch dann greift, wenn im Rahmen des Dublin-Verfahrens ein Antragsteller von einem anderen Mitgliedstaat nach Ungarn überstellt wird. Der Europäische Gerichtshof hat sich in diesem Urteil aber nicht dazu geäußert, ob Serbien einen sicheren Drittstaat im Sinne dieser Bestimmung darstellt (vgl. dazu auch die kritische Anmerkung von Gutmann, NVwZ 2016, 756 f.).

Lediglich die Generalanwältin hat in ihren Schlussanträgen zu diesem Verfahren vom 8. März 2016 ausgeführt, dass Art. 33 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (ABl. L 180 vom 29.6.2013, S. 60) Bestimmung nur dann einschlägig sein und es Ungarn ermöglichen könne, den Antrag als unzulässig zurückzuweisen, wenn Serbien als ein „sicherer Drittstaat“ im Sinne von Art. 38 der Richtlinie 2013/32 angesehen werden könne und darauf hingewiesen, dass die im nationalen Recht enthaltene Einstufung Serbiens als sicherer Drittstaat den mit der Sache befassten Richter nicht davon freistelle, eine eigene Analyse vorzunehmen, um sich davon zu überzeugen, dass eine Person in dem betreffenden Drittstaat nach den in Art. 38 der Richtlinie 2013/32 aufgeführten Grundsätzen behandelt werde (Schlussanträge der Generalanwältin Kokott v. 8.3.2016 - juris Tz. 53). Zu Art. 39 der Richtlinie 2013/32 hat sie darauf hingewiesen, dass diese Vorschrift eine vereinfachte Regelung vorsehe, um Anträge von Antragstellern aus sicheren europäischen Drittstaaten zurückzuweisen, wenn sie unrechtmäßig in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats gelangt sind. Damit Serbien einen sicheren europäischen Drittstaat darstellt, müssten nach Art. 39 der Richtlinie 2013/32 kumulativ drei Voraussetzungen vorliegen: Erstens müsse das Land die Genfer Flüchtlingskonvention ohne geografischen Vorbehalt ratifiziert haben und deren Bestimmungen einhalten, zweitens müsse es über ein gesetzlich festgelegtes Asylverfahren verfügen, und drittens müsse es die Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten ratifiziert haben und die darin enthaltenen Bestimmungen, einschließlich der Normen über wirksame Rechtsbehelfe, einhalten. In diesem Zusammenhang weist die Generalanwältin abschließend darauf hin, nur wenn diese Voraussetzungen kumulativ vorlägen, könne Ungarn sich zum einen auf Art. 39 der Richtlinie berufen, um von einer umfassenden Prüfung des Antrags abzusehen, und zum anderen in Erwägung ziehen, den Antragsteller gemäß Art. 3 Abs. 3 der Dublin-III-Verordnung nach Serbien auszuweisen. Soweit § 2 der ungarischen Regierungsverordnung hierzu keine einschlägigen Informationen enthalte, sei es Sache des mit dem Antrag befassten Gerichts, vorab zu prüfen, ob diese drei Voraussetzungen auf Serbien zutreffen (Schlussanträge der Generalanwältin Kokott v. 8.3.2016 - juris Tz. 56).

Auch die Nichtzulassungsbeschlüsse des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 9. Mai 2016 (20 ZB 16.50034 - juris; 20 ZB 16.50036 - juris; 20 ZB 16.50037 - juris) kommen nicht zu dem Ergebnis, dass Serbien ein sicherer Drittstaat sei, sondern führen unter Bezugnahme auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 17. März 2016 (C-695/15 PPU) aus, warum Serbien unter Zugrundelegung der Genfer Flüchtlingskonvention nicht als sicherer Drittstaat eingestuft werden könne, sei vom Kläger nicht in der für eine Nichtzulassungsbeschwerde erforderlichen Weise dargelegt worden. Mit den Beschlüssen wurden die Nichtzulassungsbeschwerden hinsichtlich der in den Verfahren aufgeworfenen Frage, ob die Gefahr einer Abschiebung nach Serbien gegen das in Art. 33 der Genfer Flüchtlingskonvention völkerrechtlich anerkannte Prinzip des Non-Refoulement verstoße, letztendlich deshalb abgelehnt, da insoweit eine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG nicht dargelegt worden sei.

4. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts stellt Art. 19 Abs. 4 GG in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 und Art. 1 Abs. 1 GG an eine ablehnende Entscheidung in einem Asyl-Eilverfahren erhöhte Anforderungen, wenn die Auskunftslage zwischenzeitlich von einer Vielzahl anderer Verwaltungsgerichte für eine stattgebende Entscheidung als hinreichend angesehen wird (BVerfG, B. v. 214.2016 - 2 BvR 273/16 - juris Rn. 14). Jedenfalls in Fällen, in denen die Auskunftslage dem im Eilverfahren zuständigen Einzelrichter als nicht hinreichend eindeutig erscheinen darf, wird eine weitere Sachaufklärung im Hauptsacheverfahren und eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung geboten sein oder zumindest nahe liegen. Denn in einer solchen Situation ist es nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts mit der Gewährung effektiven Rechtsschutzes nicht vereinbar, wenn das im Eilverfahren erst- und letztinstanzlich zuständige Verwaltungsgericht ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsanordnung im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO beziehungsweise das Bestehen eines Anordnungsanspruchs im Verfahren nach § 123 Abs. 1 VwGO verneint und es damit ermöglicht, dass praktisch kaum rückgängig zu machende Fakten geschaffen werden (BVerfG, B. v. 21.4.2016 - 2 BvR 273/16 - juris Rn. 14).

Unter Berücksichtigung dieser verfassungsrechtlichen Vorgaben erscheint daher vorliegend im Eilverfahren die Anordnung der aufschiebenden Wirkung geboten (vgl. auch VG Frankfurt/Oder, B. v. 31.5.2016 - 7 L 75/16.A - juris Rn. 23; VG Frankfurt/Oder, B. v. 31.5.2016 - 7 L 14/16.A - juris Rn. 23; VG Frankfurt/Oder, B. v. 31.5.2016 - 7 L 58/16.A - juris Rn. 21, wo bei offenen Erfolgsaussichten der Hauptsache die aufschiebende Wirkung angeordnet wurde).

5. Nachdem der Antrag vollumfänglich Erfolg hat, sind die Kosten der Antragsgegnerin gemäß § 154 Abs. 1 VwGO aufzuerlegen.

Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben.

6. Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylG unanfechtbar.

...

Tenor

I.

Der Antrag wird abgelehnt.

II.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

III.

Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe wird für dieses Verfahren (M 1 S 16.50032) abgelehnt.

Gründe

I.

Der am ... Januar 1997 geborene Antragsteller ist afghanischer Staatsangehöriger und reiste nach eigenen Angaben am 8. Juli 2015 in das Bundesgebiet ein. Er beantragte am 5. Oktober 2015 die Anerkennung als Asylberechtigter.

Bei seiner Befragungen durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 5. Oktober 2015 gab der er an, in keinem anderen Staat Asyl beantragt oder zuerkannt bekommen zu haben. Er habe keine Familienangehörigen oder Verwandte in Deutschland oder in einem anderen Mitgliedstaat und sei u. a. über Serbien und Ungarn nach Deutschland eingereist. Auf das Übernahmeersuchen des Bundesamts vom 9. November 2015 antworteten die ungarischen Behörden mit E-Mail vom selben Tag, die E-Mail des Bundesamts erhalten zu haben.

Mit Bescheid vom 16. Januar 2016, zugestellt am 19. Januar 2016, lehnte das Bundesamt den Asylantrag als unzulässig ab und ordnete die Abschiebung nach Ungarn an. Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 des Gesetzes über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (Aufenthaltsgesetz - AufenthG) wurde auf sechs Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet. Der Asylantrag sei gemäß § 27a Asylgesetz (AsylG) unzulässig, da Ungarn aufgrund der illegalen Einreise nach Art. 13 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 (Dublin-III-VO) für die Behandlung des Antrags zuständig sei. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Antragsgegnerin veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO auszuüben, seien nicht ersichtlich. Die Anordnung der Abschiebung beruhe auf § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG. Die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots richte sich nach § 75 Nr. 12, § 11 Abs. 2 AufenthG.

Gegen den Bescheid hat der Antragsteller am .... Januar 2016 Klage erhoben und beantragt außerdem,

die sofortige Vollziehbarkeit des Bescheids vom 16. Januar 2016 bis zur rechtskräftigen Entscheidung über das Hauptsacheverfahren außer Vollzug zu setzen.

Im Fall der Abschiebung nach Ungarn sei das Hauptsacheverfahren abzuwarten und die sofortige Vollziehbarkeit bis zum Ende des Hauptsacheverfahrens auszusetzen. Außerdem habe der Antragsteller maßgebliche Asylgründe.

Die Antragsgegnerin legte am 3. Februar 2016 die Behördenakten vor und stellte bisher keinen Antrag.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

II.

Der Antrag hat keinen Erfolg.

1. Er ist gemäß §§ 122 Abs. 1, 88 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) dahin auszulegen, dass der Antragsteller die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage (M 1 K 16.50031) begehrt.

2. Der nach § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG i. V. m. § 80 Abs. 5 VwGO zulässige Antrag ist unbegründet.

Die vom Antragsteller eingelegte Klage entfaltet von Gesetzes wegen keine aufschiebende Wirkung, § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, § 75 Abs. 1 AsylG. Das Gericht der Hauptsache kann nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO auf Antrag die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Grundlage dieser Entscheidung ist eine eigene Interessenabwägung zwischen dem Aussetzungsinteresse des Antragstellers und dem Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin, wobei die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens ein gewichtiges Indiz darstellen. Vorliegend überwiegt das Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin das Aussetzungsinteresse des Antragstellers, da die Abschiebungsanordnung gemäß § 34a Abs. 1 i. V. m. § 27a AsylG nach der im Eilverfahren erforderlichen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung rechtmäßig ist und den Antragsteller nicht in seinen Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Nach § 27a AsylG ist ein Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland unzulässig, wenn ein anderer Staat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Soll der Ausländer in einen solchen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt nach § 34a Abs. 1 AsylG die Abschiebung des Ausländers in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Diese Voraussetzungen sind gegeben.

Vorliegend ist grundsätzlich Ungarn nach Art. 13 Abs. 1, 22 Abs. 7 Dublin-III-VO für die Bearbeitung des Asylantrags des Antragstellers zuständig, da er nach eigenen Angaben über Serbien nach Ungarn eingereist ist und seitens der ungarischen Behörden keine rechtzeitige Beantwortung des Aufnahmegesuchs erfolgte. Damit ist davon auszugehen, dass Ungarn dem Aufnahmegesuch stattgibt.

Die Abschiebung nach Ungarn kann gemäß § 34a Abs. 1 AsylG auch durchgeführt werden. Es liegen keine Gründe i. S. d. Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin-III-VO vor, die der Überstellung des Antragstellers nach Ungarn entgegenstünden.

Nach dem Konzept der normativen Vergewisserung (vgl. BVerfG, U. v. 14.5.1996 - 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 - juris) und dem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens (vgl. EuGH, U. v. 21.12.2011 - C-411/10, C-493/10 - juris) gilt die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat der Europäischen Union in Einklang mit den Erfordernissen der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Grundrechtscharta), der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) und der Europäischen Konvention für Menschenrechte (EMRK) steht. Diese Vermutung ist jedoch nicht unwiderleglich. Den nationalen Gerichten obliegt vielmehr die Prüfung, ob ernsthaft zu befürchten ist, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber i. S. d. Art. 4 der Grundrechtscharta implizieren (EuGH v. 21.12.2011 a. a. O. Rn. 86). Dabei ist die Vermutung nicht schon bei einzelnen einschlägigen Regelverstößen der zuständigen Mitgliedstaaten widerlegt. Vielmehr ist von systemischen Mängeln nur dann auszugehen, wenn das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber regelhaft so defizitär sind, dass zu erwarten ist, dass dem Asylbewerber auch im konkret zu entscheidenden Einzelfall dort mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht (BVerwG, B. v. 19.3.2014 - 10 B 6.14 - juris; B. v. 6.6.2014 - 10 B 35.14 - juris). Zur Widerlegung der auf dem Prinzip gegenseitigen Vertrauens gründenden Vermutung muss sich das Gericht die volle Überzeugungsgewissheit i. S. d. § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO verschaffen (BVerwG, B.v. 6.6.2014 - 10 B 35/14 - juris Rn. 5).

Gemessen an diesem Maßstab stehen auf Grundlage der aus öffentlichen Quellen zugänglichen Informationen, unter Berücksichtigung des Rechtsgutachtens des Sachverständigen ... vom 2. Oktober 2015 gegenüber dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (G.v. 2.12.2015 - 22 K 3263/15.A - juris) sowie unter Berücksichtigung der Stellungnahme des Auswärtigen Amts vom 27. Januar 2016 gegenüber dem Verwaltungsgericht Augsburg der Rückführung des Antragstellers nach Ungarn keine systemischen Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber entgegen. Die vorhandenen, nicht unerheblichen Mängel des ungarischen Aufnahme- und Versorgungssystems sind nicht derart gravierend, dass von einem grundlegenden, systemischen Versagen Ungarns in dem Sinne ausgegangen werden könnte, dass Asylsuchende mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i. S. v. Art. 4 der Grundrechtscharta zu rechnen hätten.

Hinsichtlich der Inhaftierungspraxis besteht nicht die Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung des Antragstellers. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat in seiner Entscheidung vom 3. Juli 2014 das Vorhandensein systemischer Mängel in Ungarn hinsichtlich der Inhaftierungspraxis verneint (U. v. 3.7.2014 - 71932/12 Mohammadi vs. Austria, Rn. 74). Auch der UNHCR hat bislang keine generellen Feststellungen zum Asylverfahren und den Aufnahmebedingungen in Ungarn getroffen und auch keine generelle Empfehlung ausgesprochen, im Rahmen des Dublin-Verfahrens Asylbewerber nicht nach Ungarn zu überstellen. Diesem Fehlen einer generellen Empfehlung des UNHCR kommt unter Berücksichtigung der besonderen Relevanz des durch die Genfer Flüchtlingskonvention übertragenen Amts des UNHCR für die Auslegung des unionsrechtlichen Asylverfahrens besondere Bedeutung zu (vgl. EuGH, U. v. 30.5.2013 - C 528/11 Halaf vs. Bulgarien - NVwZ-RR 2013, 660 Rn. 44; vgl. hierzu VG Würzburg, B. v. 25.8.2014 - W 6 S 14.50100 - juris Rn. 20; VG Ansbach, B. v. 10.12.2015 - AN 3 S 15.50559 - juris 28; vgl. BayVGH, B.v. 12.6.2015 - 13a ZB 15.50097 - juris).

Auch bezüglich der seit 1. August 2015 in Ungarn geltenden Rechtslage ergeben sich keine systemischen Mängel des ungarischen Asylsystems. Zwar werden nach dem Rechtsgutachten des ... vom 2. Oktober 2015 gegenüber dem Verwaltungsgericht Düsseldorf Serbien als sicherer Drittstaat behandelt, das Asylverfahren verkürzt und Anträge abgelehnt, wenn sich ein Asylbewerber länger als 48 Stunden aus der ihm zugewiesenen Unterkunft entfernt. Auf dieser Grundlage wurde vom Verwaltungsgericht Düsseldorf von systemischen Mängeln im ungarischen Asylsystem insbesondere aufgrund eines Verstoßes gegen das sich aus Art. 33 Abs. 1 GFK ergebenden Refoulement-Verbots ausgegangen (G.v. 2.12.2015 - 22 K 3263/15.A - juris Rn. 43, 56). Entgegen dieser Einschätzung kann jedoch nicht allein aufgrund der Auswertung der geänderten Rechtslage in Ungarn ohne Erkenntnisse über die konkrete Handhabung von systemischen Mängeln ausgegangen werden. Es liegen dem Gericht für die Behandlung von Rückkehrern im Dublin-Verfahren keinerlei auf Tatsachen gestützten Erkenntnisse vor, die Anlass dazu gäben, systemische Mängel im ungarischen Asylverfahren oder in den Aufnahmebedingungen anzunehmen. Insbesondere liegen keine auf Tatsachen beruhenden Erkenntnisse darüber vor, dass Dublin-Rückkehrer systematisch von Ungarn nach Serbien abgeschoben würden (VG Ansbach, B. v. 10.12.2015 - AN 3 S 15.50559 - juris Rn. 33). Dass dem Antragsteller, der selbst angibt, über Serbien nach Ungarn eingereist zu sein, konkret eine Überstellung nach Serbien droht, kann den aktuellen Berichten nicht entnommen werden. Insbesondere schreibt das Auswärtige Amt in seiner Stellungnahme vom 27. Januar 2016 gegenüber dem Verwaltungsgericht Augsburg, dass Serbien die Übernahme von Drittstaatsangehörigen aus Ungarn im Wege der Einzelfallprüfung ablehne, wenn nicht nachgewiesen werden könne, dass die Antragsteller tatsächlich über Serbien nach Ungarn eingereist seien. Da Serbien in der Regel keine Registrierung der durchreisenden Flüchtlinge vorgenommen habe und Ungarn auch keine Nachweise vorlägen, könne dieser Nachweis in der Regel nicht erbracht werden. Die Asylbehörde sei in diesen Fällen von Gesetzes wegen verpflichtet, die Entscheidung aufzuheben und das Asylverfahren weiter zu betreiben, wenn der sichere Drittstaat die Übernahme ablehne. Hieraus ergibt sich, dass für den Antragsteller im Falle seiner Rückkehr nach Ungarn gerade keine konkrete Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung droht, da Abschiebungen nach Serbien tatsächlich nicht durchgeführt werden. Die Überstellung des Antragstellers in einen Staat, dessen Asyl- und Aufnahmesystem möglicherweise nicht den europäischen Mindeststandards genügt, ist damit nicht hinreichend wahrscheinlich. Die theoretische Möglichkeit der Abschiebung nach Ungarn begründet keinen systemischen Mangel des ungarischen Asylsystems (vgl. VG Stade, B. v. 4.11.2015 - 1 B 1749/15 - juris Rn. 14; VG München, U.v. 17.2.2016 - M 15 K 15.50140 - bisher unveröffentlicht).

Darüber hinaus sind außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Antragsgegnerin zur Ausübung ihres Selbsteintrittsrechts verpflichten würden, nicht ersichtlich.

3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben, § 83b AsylG.

4. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt ... bleibt ebenfalls ohne Erfolg.

Prozesskostenhilfe ist nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. §§ 114 ff. Zivilprozessordnung (ZPO) einer Partei auf Antrag zu gewähren, wenn diese nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Gemäß den obigen Ausführungen bietet der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, so dass der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe abzulehnen ist.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylG.

Tenor

I.

Der Antrag wird abgelehnt.

II.

Der Kläger hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 15. Januar 2015 ist unbegründet, weil die geltend gemachten Voraussetzungen des § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG nicht vorliegen.

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung im Sinn von § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG. Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass die im Zulassungsantrag dargelegte konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war, ihre Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist und ihr eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124 Rn. 36).

Der Kläger wirft als grundsätzlich klärungsbedürftig die Frage auf, ob das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen in Ungarn im Hinblick auf die seit 1. Juni 2013 bestehenden Regelungen zur Asylhaft systemische Mängel aufweisen. Zwar habe der Europäische Gerichtshof in seiner Entscheidung vom 10. Dezember 2013 systemische Mängel im Hinblick auf Ungarn verneint. Es gebe aber zwischenzeitlich neue Erkenntnismittel, die systembedingte Mängel belegen würden, nämlich Schreiben des UNHCR vom 9. Mai 2014 und vom 30. September 2014 sowie von Pro Asyl vom 31. Oktober 2014 jeweils an das Verwaltungsgericht Düsseldorf und Berichte von AIDA und des Ungarischen Helsinki Committees vom April bzw. Mai 2014. Auch das Verwaltungsgericht Berlin sowie eine andere Kammer des Verwaltungsgerichts München würden die Auffassung vertreten, die exzessive Anwendung der sog. Asylhaft in Ungarn, die regelmäßig alle Dublin-Rückkehrer betreffe, verstoße gegen Art. 6 GR-Charta und Art. 5 EMRK.

Dieser Vortrag rechtfertigt nicht die Zulassung der Berufung. Mit dem Hinweis auf abweichende Entscheidungen einzelner erstinstanzlicher Verwaltungsgerichte wird bereits kein grundsätzlicher Klärungsbedarf aufgezeigt (OVG NW, B. v. 8. 9. 2014 -13 A 1347/14.A - AuAS 2014, 237 Rn. 21). Abgesehen davon gehen sowohl das Verwaltungsgericht Berlin (B. v. 15.1.2015 - 23 L 899.14 A - Asylmagazin 2015, 80 = juris) wie das Verwaltungsgericht München (B. v. 20.2.2015 - M 24 S 15.50091 - juris) nicht von einem systemischen Verstoß gegen Art. 4 EU-Grundrechtecharta aus, wie in Art. 3 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin III-VO), bestimmt ist. Bei beiden erstinstanzlichen Gerichten gilt, dass sie offenbar einen anderen als den in Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2 der Dublin III-VO festgelegten Prüfungsmaßstab („Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der EU-Grundrechtecharta“) zugrunde gelegt haben (vgl. auch OVG SH, B. v. 13.4.2015 - 2 LA 39/15 - juris). Diesen Maßstab hat der Gerichtshof der Europäischen Union bereits für die Dublin II-VO verbindlich festgelegt, indem er ausgeführt hat, dass nicht jede Verletzung eines Grundrechts durch den zuständigen Mitgliedstaat genügt, um die Annahme systemischen Versagens zu tragen (EuGH, U. v. 21.12.2011 - N.S. u. a., C-411/10 u. a. - NVwZ 2012, 417 Rn. 82; vgl. auch BVerwG, B. v. 6.6.2014 - 10 B 35.14 - NVwZ 2014, 1677). Im Übrigen verneint auch der Großteil der nationalen Verwaltungsgerichte systemische Mängel bzw. Schwachstellen des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen in Ungarn.

Soweit der Kläger auf die neueren Auskünfte von UNHCR und Pro Asyl verweist ergibt sich hieraus nichts anderes. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf, auf dessen Veranlassung diese eingeholt wurden, ist nach Auswertung der Stellungnahmen zu dem Ergebnis gelangt, dass sich nicht feststellen ließe, dass ein Kläger Gefahr liefe, nach seiner Rücküberstellung nach Ungarn einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i. S. v. Art. 4 EU-GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK zu unterfallen (VG Düsseldorf, U. v. 20.3.2015 - 13 K 501/14.A - juris Rn. 50). Die Tatsache, dass das ungarische Asylrecht Inhaftierungsgründe für Asylbewerber enthalte und Ungarn auf dieser Grundlage Dublin-Rückkehr inhaftiere, sei für sich genommen noch kein begründeter Anhaltspunkt für das Vorliegen systemischer Mängel des Asylsystems (VG Düsseldorf a. a. O. Rn. 81). Auch der Kläger zeigt nicht weiter auf, welche Verstöße gegen Art. 4 EU-GR-Charta sich aus den neueren Erkenntnismitteln ergeben sollen.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) ist ebenfalls zu der Einschätzung gelangt, dass zum maßgeblichen Zeitpunkt seiner Entscheidung ein Asylsuchender nicht mehr einer tatsächlichen und persönlichen Gefahr unterliege, bei einer Überstellung nach Ungarn im Rahmen der Dublin-VO einer Behandlung ausgesetzt zu werden, die Art. 3 EMRK verletzen würde (U. v. 6.6.2013 - Mohammed ./. Österreich, Nr. 2283/12 - InfAuslR 2014, 197, und U. v. 3.7.2014 - Mohammadi ./. Österreich, Nr. 71932/12 - NLMR - Newsletter Menschenrechte - 2014, 282). In dem Urteil vom 3. Juli 2014 hält der EGMR an seiner Bewertung im Urteil vom 6. Juni 2013 fest. Seither seien keine neuen Umstände bekannt geworden, die nunmehr zu dem Schluss führen könnten, dass das ungarische Asyl- und Asylhaftsystem systemische Mängel aufweise und für den Antragsteller die reale Gefahr einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung bestehe (Rn. 74 f.). Zwar zeigten Länderberichte, dass es noch eine Praxis der Inhaftierung von Asylbewerbern gebe und auch Dublin-Rückkehrer davon betroffen wären. Auch seien die Haftgründe vage formuliert und es gebe kein Rechtsmittel gegen Asylhaft. Aus den Berichten würde sich allerdings auch ergeben, dass es keine systematische Inhaftierung von Asylsuchenden mehr gebe und jetzt im Gesetz Alternativen zur Haft vorgesehen seien. Die Höchstdauer des Gewahrsams sei auf sechs Monate beschränkt. Hinsichtlich der Haftbedingungen sei anzumerken, dass es zwar immer noch Berichte über Mängel gebe, in einer Gesamtschau aber von Verbesserungen auszugehen sei (Rn. 68). Erneut weist der Gerichtshof darauf hin, dass sich auch der UNHCR bisher nicht generell gegen Rücküberstellungen nach Ungarn ausgesprochen habe (Rn. 69). Zudem verweist er in seiner Entscheidung im Übrigen ausdrücklich auf die Stellungnahmen von AIDA und dem Ungarischen Helsinki Committee (Rn. 33 ff.).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylVfG.

Tenor

I.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II.

Der Kläger hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Zulassungsantrag bleibt ohne Erfolg, weil der geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) nicht in einer den Anforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG genügenden Weise dargetan ist bzw. nicht vorliegt.

Die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache erfordert, dass der Rechtsmittelführer eine konkrete Tatsachen- oder Rechtsfrage formuliert und aufzeigt, weshalb diese Frage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich und klärungsbedürftig ist. Ferner muss dargelegt werden, weshalb der Frage eine allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124a, Rn. 72). Hierfür ist eine Auseinandersetzung mit den Ausführungen des Verwaltungsgerichts erforderlich (vgl. Berlit in GK-AsylVfG, RdNrn. 592, 607 und 609 zu § 78).

Bei der vom Kläger aufgeworfenen Frage, ob die Gefahr einer Abschiebung nach Serbien gegen das in Art. 33 der Genfer Flüchtlingskonvention völkerrechtlich anerkannte Prinzip des Non-Refoulement verstößt, hat der Kläger eine grundsätzliche Bedeutung nicht dargelegt. Hierbei ist die neuere Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes zu berücksichtigen (U. v. 8.3.2016 - 17.3.2016 - C-695/15 PPU - BeckRS 2016, 80581), dass nach Artikel 3 Abs. 3 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 der danach zuständige Mitgliedstaat (Ungarn) das Recht, eine Person, die um internationalen Schutz nachsucht, in einen sicheren Drittstaat (Serbien) zurück- oder auszuweisen, auch ausüben kann, nachdem er im Rahmen eines Wiederaufnahmeverfahrens anerkannt hat, dass er nach der Verordnung für die Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist, der von einer Person gestellt wurde, die diesen Mitgliedstaat verließ, bevor über ihren ersten Antrag auf internationalen Schutz in der Sache entschieden worden war. Warum Serbien unter Zugrundelegung der Genfer Flüchtlingskonvention nicht als sicherer Drittstaat eingestuft werden kann, hat der Kläger jedoch nicht in der erforderlichen Weise dargelegt. Die bloße Bezugnahme auf eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Aachen und die von diesem zugrunde gelegten tatsächlichen Erwägungen genügt hierfür nicht. Das gilt auch für die weiteren Ausführungen des Klägers in seinem Antrag auf Zulassung der Berufung. Das Verwaltungsgericht hat in seiner Entscheidung unter Zugrundelegung der maßgeblichen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes das Vorliegen systemischer Mängel im Asylverfahren in Ungarn verneint. Es hat in seiner Entscheidung das ungarische Asylsystem in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht gewürdigt und hat insbesondere die zum 1. August 2015 in Kraft getretenen Änderungen des ungarischen Asylrechts ausführlich gewürdigt. Dem ist der Kläger im Wesentlichen mit einer im Stile einer Berufungsbegründung gehaltenen Argumentation, warum systemische Mängel vorlägen, und der Nennung einer großen Menge von dies bejahenden Gerichtsentscheidungen entgegen getreten. Durch den bloßen Verweis auf anders lautende Entscheidungen wird jedoch kein grundsätzlicher Klärungsbedarf aufgezeigt (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, B. v. 8.9.2014 - 13 A 1347/14.A - juris Rn. 21; OVG Schleswig-Holstein, B. v. 13.4.2015 - 2 LA 39/15 - juris; BayVGH, B. v. 12.6.2015 - 13a ZB 15.50097 - BeckRS 2015, 48019). Denn mit dem alleinigen Bestreiten der Auffassung des Verwaltungsgerichts in Form einer Berufungsbegründung wird eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht dargelegt. Bei grundsätzlichen Tatsachenfragen, wie der hier gestellten, muss die Antragsbegründung erkennen lassen, warum das Verwaltungsgericht die tatsächlichen Verhältnisse unzutreffend beurteilt haben soll. Eine hierzu notwendige und ausreichende Auseinandersetzung mit der Begründung des Verwaltungsgerichts fehlt. Es ist aber Aufgabe des Rechtsmittelführers, durch die Benennung bestimmter Auskünfte oder sonstiger Erkenntnisquellen zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür darzulegen, dass nicht die Einschätzungen des Verwaltungsgerichts, sondern - mit der Folge der Durchführung eines Berufungsverfahrens - seine gegenteilige Bewertung in dem Antrag zutreffend ist (OVG Sachsen-Anhalt, B. v. 28.1.2016 - 4 L 16/16 - juris). Damit werden die Anforderungen an die Darlegung des Berufungszulassungsgrundes nicht erfüllt.

Die vom Kläger weiter aufgeworfene Frage, „ob das Urteil rechtmäßig ohne Beteiligung eines Rechtsanwalts an der mündlichen Verhandlung ergangen ist, weil das Verwaltungsgericht dem Kläger den Zugang zum Rechtsmittel Klage durch die Ablehnung der Prozesskostenhilfeanträge verwehrt hat“, ist nicht grundsätzlich klärungsbedürftig. Es ist bereits nicht ersichtlich, welche grundsätzliche, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung diese Frage haben soll. Tatsächlich stellt der Kläger vielmehr mit seiner Rüge den grundsätzlichen Beschwerdeausschluss nach § 80 AsylG infrage. Diese Entscheidung des Gesetzgebers, den Beschwerdeweg einzuschränken, ist jedoch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. BVerfG U. v. 14.5.1996 - 2 BvR 1516/93 - BVerfGE 94, 166 <189 ff>). Warum hierin auch ein Verstoß gegen die Grundsätze des rechtlichen Gehörs liegen soll, hat der Kläger nicht in der nach § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG erforderlichen Weise dargelegt. Die Rüge, das rechtliche Gehör (§ 108 Abs. 2 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG) sei verletzt, erfordert regelmäßig, dass substantiiert dargelegt wird, welches entscheidungserhebliche Vorbringen das Verwaltungsgericht nicht zur Kenntnis genommen oder nicht in Erwägungen gezogen haben soll (BVerwG B. v. 27.10.1998 - 8 B 132.98 - NJW 1999, 1493) oder zu welchen entscheidungserheblichen Tatsachen oder Beweisergebnissen der Kläger sich nicht hat äußern können. Sie erfordert außerdem, dass substantiiert dargelegt wird, was der Kläger vorgetragen hätte, wenn ihm ausreichendes Gehör gewährt worden wäre, und inwiefern der weitere Vortrag zur Klärung des geltend gemachten Anspruchs geeignet gewesen wäre (BVerwG B. v. 9.10.1984 - 9 B 138.84 - InfAuslR 1985, 83; B. v. 19.8.1997 - 7 B 261.97 - NJW 1997, 3328). Diese Anforderungen sind hier offensichtlich nicht erfüllt.

Soweit der Kläger die Frage aufwirft, ob Dublin-Rückkehrer nach mehr als neun Monaten Aufenthalt in einem Mitgliedstaat (hier: Deutschland) in Ungarn ein Asylverfahren durchlaufen, welches eine materiell-rechtliche Prüfung des Asylvorbringens enthält, kann letztlich dahinstehen, ob der Kläger damit eine klärungsfähige Frage überhaupt ordnungsgemäß formuliert hat. Nach der Rechtsprechung des EuGH (U. v. 8.3.2016 - 17.3.2016 - C-695/15 PPU - BeckRS 2016, 80581) ist Art. 18 Abs. 2 der Verordnung Nr. 604/2013 jedenfalls dahin auszulegen, dass er im Fall der Wiederaufnahme einer Person, die um internationalen Schutz nachsucht, nicht vorschreibt, dass das Verfahren zur Prüfung ihres Antrags in dem Stadium wieder aufgenommen wird, in dem es eingestellt worden war. (amtlicher Leitsatz).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.

Mit der Ablehnung des Antrags wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).

Tenor

I.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II.

Die Kläger haben die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Zulassungsantrag bleibt ohne Erfolg, weil der geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) nicht in einer den Anforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG genügenden Weise dargetan ist bzw. nicht vorliegt.

Die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache erfordert, dass der Rechtsmittelführer eine konkrete Tatsachen- oder Rechtsfrage formuliert und aufzeigt, weshalb diese Frage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich und klärungsbedürftig ist. Ferner muss dargelegt werden, weshalb der Frage eine allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124a, Rn. 72). Hierfür ist eine Auseinandersetzung mit den Ausführungen des Verwaltungsgerichts erforderlich (vgl. Berlit in GK-AsylVfG, Rn. 592, 607 und 609 zu § 78).

Bei der von den Klägern aufgeworfenen Frage, ob die Gefahr einer Abschiebung nach Serbien gegen das in Art. 33 der Genfer Flüchtlingskonvention völkerrechtlich anerkannte Prinzip des Non-Refoulement verstößt, haben die Kläger eine grundsätzliche Bedeutung nicht dargelegt. Hierbei ist die neuere Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes zu berücksichtigen (U. v. 8.3.2016 - 17.3.2016 - C-695/15 PPU - BeckRS 2016, 80581), dass nach Artikel 3 Abs. 3 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 der danach zuständige Mitgliedstaat (Ungarn) das Recht, eine Person, die um internationalen Schutz nachsucht, in einen sicheren Drittstaat (Serbien) zurück- oder auszuweisen, auch ausüben kann, nachdem er im Rahmen eines Wiederaufnahmeverfahrens anerkannt hat, dass er nach der Verordnung für die Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist, der von einer Person gestellt wurde, die diesen Mitgliedstaat verließ, bevor über ihren ersten Antrag auf internationalen Schutz in der Sache entschieden worden war. Warum Serbien unter Zugrundelegung der Genfer Flüchtlingskonvention nicht als sicherer Drittstaat eingestuft werden kann, haben die Kläger jedoch nicht in der erforderlichen Weise dargelegt. Die bloße Bezugnahme auf eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Aachen und die von diesem zugrunde gelegten tatsächlichen Erwägungen genügt hierfür nicht. Das gilt auch für die weiteren Ausführungen der Kläger in ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung. Das Verwaltungsgericht hat in seiner Entscheidung unter Zugrundelegung der maßgeblichen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes das Vorliegen systemischer Mängel im Asylverfahren in Ungarn verneint. Es hat in seiner Entscheidung das ungarische Asylsystem in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht gewürdigt und hat insbesondere die zum 1. August 2015 in Kraft getretenen Änderungen des ungarischen Asylrechts ausführlich gewürdigt. Dem sind die Kläger im Wesentlichen mit einer im Stile einer Berufungsbegründung gehaltenen Argumentation, warum systemische Mängel vorlägen, und der Nennung einer großen Menge von dies bejahenden Gerichtsentscheidungen entgegengetreten. Durch den bloßen Verweis auf anders lautende Entscheidungen wird jedoch kein grundsätzlicher Klärungsbedarf aufgezeigt (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, B. v. 8.9.2014 - 13 A 1347/14.A - juris Rn. 21; OVG Schleswig-Holstein, B. v. 13.4.2015 - 2 LA 39/15 - juris; BayVGH, B. v. 12.6.2015 - 13a ZB 15.50097 - BeckRS 2015, 48019). Denn mit dem alleinigen Bestreiten der Auffassung des Verwaltungsgerichts in Form einer Berufungsbegründung wird eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht dargelegt. Bei grundsätzlichen Tatsachenfragen, wie der hier gestellten, muss die Antragsbegründung erkennen lassen, warum das Verwaltungsgericht die tatsächlichen Verhältnisse unzutreffend beurteilt haben soll. Eine hierzu notwendige und ausreichende Auseinandersetzung mit der Begründung des Verwaltungsgerichts fehlt. Es ist aber Aufgabe des Rechtsmittelführers, durch die Benennung bestimmter Auskünfte oder sonstiger Erkenntnisquellen zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür darzulegen, dass nicht die Einschätzungen des Verwaltungsgerichts, sondern - mit der Folge der Durchführung eines Berufungsverfahrens - seine gegenteilige Bewertung in dem Antrag zutreffend ist (OVG Sachsen-Anhalt, B. v. 28.1.2016 - 4 L 16/16 - juris). Damit werden die Anforderungen an die Darlegung des Berufungszulassungsgrundes nicht erfüllt.

Die von den Klägern weiter aufgeworfene Frage, „ob das Urteil rechtmäßig ohne Beteiligung eines Rechtsanwalts an der mündlichen Verhandlung ergangen ist, weil das Verwaltungsgericht dem Kläger den Zugang zum Rechtsmittel Klage durch die Ablehnung der Prozesskostenhilfeanträge verwehrt hat“, ist nicht grundsätzlich klärungsbedürftig. Es ist bereits nicht ersichtlich, welche grundsätzliche, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung diese Frage haben soll. Tatsächlich stellen die Kläger vielmehr mit ihrer Rüge den grundsätzlichen Beschwerdeausschluss nach § 80 AsylG infrage. Diese Entscheidung des Gesetzgebers, den Beschwerdeweg einzuschränken, ist jedoch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. BVerfG, U. v. 14.5.1996 - 2 BvR 1516/93 - BVerfGE 94, 166 <189 ff>). Warum hierin auch ein Verstoß gegen die Grundsätze des rechtlichen Gehörs liegen soll, haben die Kläger nicht in der nach § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG erforderlichen Weise dargelegt. Die Rüge, das rechtliche Gehör (§ 108 Abs. 2 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG) sei verletzt, erfordert regelmäßig, dass substantiiert dargelegt wird, welches entscheidungserhebliche Vorbringen das Verwaltungsgericht nicht zur Kenntnis genommen oder nicht in Erwägungen gezogen haben soll (BVerwG, B. v. 27.10.1998 - 8 B 132.98 - NJW 1999, 1493) oder zu welchen entscheidungserheblichen Tatsachen oder Beweisergebnissen der Kläger sich nicht hat äußern können. Sie erfordert außerdem, dass substantiiert dargelegt wird, was der Kläger vorgetragen hätte, wenn ihm ausreichendes Gehör gewährt worden wäre, und inwiefern der weitere Vortrag zur Klärung des geltend gemachten Anspruchs geeignet gewesen wäre (BVerwG, B. v. 9.10.1984 - 9 B 138.84 - InfAuslR 1985, 83; B. v. 19.8.1997 - 7 B 261.97 - NJW 1997, 3328). Diese Anforderungen sind hier offensichtlich nicht erfüllt.

Soweit die Kläger die Frage aufwerfen, ob Dublin-Rückkehrer nach mehr als neun Monaten Aufenthalt in einem Mitgliedstaat (hier: Deutschland) in Ungarn ein Asylverfahren durchlaufen, welches eine materiell-rechtliche Prüfung des Asylvorbringens enthält, kann letztlich dahinstehen, ob die Kläger damit eine klärungsfähige Frage überhaupt ordnungsgemäß formuliert haben. Nach der Rechtsprechung des EuGH (U. v. 8.3.2016 - 17.3.2016 - C-695/15 PPU - BeckRS 2016, 80581) ist Art. 18 Abs. 2 der Verordnung Nr. 604/2013 jedenfalls dahin auszulegen, dass er im Fall der Wiederaufnahme einer Person, die um internationalen Schutz nachsucht, nicht vorschreibt, dass das Verfahren zur Prüfung ihres Antrags in dem Stadium wieder aufgenommen wird, in dem es eingestellt worden war. (amtlicher Leitsatz).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.

Mit der Ablehnung des Antrags wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).

Tenor

I.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II.

Der Kläger hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Zulassungsantrag bleibt ohne Erfolg, weil der geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) nicht in einer den Anforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG genügenden Weise dargetan ist bzw. nicht vorliegt.

Die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache erfordert, dass der Rechtsmittelführer eine konkrete Tatsachen- oder Rechtsfrage formuliert und aufzeigt, weshalb diese Frage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich und klärungsbedürftig ist. Ferner muss dargelegt werden, weshalb der Frage eine allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124a, Rn. 72). Hierfür ist eine Auseinandersetzung mit den Ausführungen des Verwaltungsgerichts erforderlich (vgl. Berlit in GK-AsylVfG, RdNrn. 592, 607 und 609 zu § 78).

Bei der vom Kläger aufgeworfenen Frage, ob die Gefahr einer Abschiebung nach Serbien gegen das in Art. 33 der Genfer Flüchtlingskonvention völkerrechtlich anerkannte Prinzip des Non-Refoulement verstößt, hat der Kläger eine grundsätzliche Bedeutung nicht dargelegt. Hierbei ist die neuere Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes zu berücksichtigen (U. v. 8.3.2016 - 17.3.2016 - C-695/15 PPU - BeckRS 2016, 80581), dass nach Artikel 3 Abs. 3 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 der danach zuständige Mitgliedstaat (Ungarn) das Recht, eine Person, die um internationalen Schutz nachsucht, in einen sicheren Drittstaat (Serbien) zurück- oder auszuweisen, auch ausüben kann, nachdem er im Rahmen eines Wiederaufnahmeverfahrens anerkannt hat, dass er nach der Verordnung für die Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist, der von einer Person gestellt wurde, die diesen Mitgliedstaat verließ, bevor über ihren ersten Antrag auf internationalen Schutz in der Sache entschieden worden war. Warum Serbien unter Zugrundelegung der Genfer Flüchtlingskonvention nicht als sicherer Drittstaat eingestuft werden kann, hat der Kläger jedoch nicht in der erforderlichen Weise dargelegt. Die bloße Bezugnahme auf eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Aachen und die von diesem zugrunde gelegten tatsächlichen Erwägungen genügt hierfür nicht. Das gilt auch für die weiteren Ausführungen des Klägers in seinem Antrag auf Zulassung der Berufung. Das Verwaltungsgericht hat in seiner Entscheidung unter Zugrundelegung der maßgeblichen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes das Vorliegen systemischer Mängel im Asylverfahren in Ungarn verneint. Es hat in seiner Entscheidung das ungarische Asylsystem in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht gewürdigt und hat insbesondere die zum 1. August 2015 in Kraft getretenen Änderungen des ungarischen Asylrechts ausführlich gewürdigt. Dem ist der Kläger im Wesentlichen mit einer im Stile einer Berufungsbegründung gehaltenen Argumentation, warum systemische Mängel vorlägen, und der Nennung einer großen Menge von dies bejahenden Gerichtsentscheidungen entgegen getreten. Durch den bloßen Verweis auf anders lautende Entscheidungen wird jedoch kein grundsätzlicher Klärungsbedarf aufgezeigt (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, B. v. 8.9.2014 - 13 A 1347/14.A - juris Rn. 21; OVG Schleswig-Holstein, B. v. 13.4.2015 - 2 LA 39/15 - juris; BayVGH, B. v. 12.6.2015 - 13a ZB 15.50097 - BeckRS 2015, 48019). Denn mit dem alleinigen Bestreiten der Auffassung des Verwaltungsgerichts in Form einer Berufungsbegründung wird eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht dargelegt. Bei grundsätzlichen Tatsachenfragen, wie der hier gestellten, muss die Antragsbegründung erkennen lassen, warum das Verwaltungsgericht die tatsächlichen Verhältnisse unzutreffend beurteilt haben soll. Eine hierzu notwendige und ausreichende Auseinandersetzung mit der Begründung des Verwaltungsgerichts fehlt. Es ist aber Aufgabe des Rechtsmittelführers, durch die Benennung bestimmter Auskünfte oder sonstiger Erkenntnisquellen zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür darzulegen, dass nicht die Einschätzungen des Verwaltungsgerichts, sondern - mit der Folge der Durchführung eines Berufungsverfahrens - seine gegenteilige Bewertung in dem Antrag zutreffend ist (OVG Sachsen-Anhalt, B. v. 28.1.2016 - 4 L 16/16 - juris). Damit werden die Anforderungen an die Darlegung des Berufungszulassungsgrundes nicht erfüllt.

Die vom Kläger weiter aufgeworfene Frage, „ob das Urteil rechtmäßig ohne Beteiligung eines Rechtsanwalts an der mündlichen Verhandlung ergangen ist, weil das Verwaltungsgericht dem Kläger den Zugang zum Rechtsmittel Klage durch die Ablehnung der Prozesskostenhilfeanträge verwehrt hat“, ist nicht grundsätzlich klärungsbedürftig. Es ist bereits nicht ersichtlich, welche grundsätzliche, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung diese Frage haben soll. Tatsächlich stellt der Kläger vielmehr mit seiner Rüge den grundsätzlichen Beschwerdeausschluss nach § 80 AsylG infrage. Diese Entscheidung des Gesetzgebers, den Beschwerdeweg einzuschränken, ist jedoch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. BVerfG, U. v. 14.5.1996 - 2 BvR 1516/93 - BVerfGE 94, 166 <189 ff>). Warum hierin auch ein Verstoß gegen die Grundsätze des rechtlichen Gehörs liegen soll, hat der Kläger nicht in der nach § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG erforderlichen Weise dargelegt. Die Rüge, das rechtliche Gehör (§ 108 Abs. 2 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG) sei verletzt, erfordert regelmäßig, dass substantiiert dargelegt wird, welches entscheidungserhebliche Vorbringen das Verwaltungsgericht nicht zur Kenntnis genommen oder nicht in Erwägungen gezogen haben soll (BVerwG, B. v. 27.10.1998 - 8 B 132.98 - NJW 1999, 1493) oder zu welchen entscheidungserheblichen Tatsachen oder Beweisergebnissen der Kläger sich nicht hat äußern können. Sie erfordert außerdem, dass substantiiert dargelegt wird, was der Kläger vorgetragen hätte, wenn ihm ausreichendes Gehör gewährt worden wäre, und inwiefern der weitere Vortrag zur Klärung des geltend gemachten Anspruchs geeignet gewesen wäre (BVerwG, B. v. 9.10.1984 - 9 B 138.84 - InfAuslR 1985, 83; B. v. 19.8.1997 - 7 B 261.97 - NJW 1997, 3328). Diese Anforderungen sind hier offensichtlich nicht erfüllt.

Soweit der Kläger die Frage aufwirft, ob Dublin-Rückkehrer nach mehr als neun Monaten Aufenthalt in einem Mitgliedstaat (hier: Deutschland) in Ungarn ein Asylverfahren durchlaufen, welches eine materiell-rechtliche Prüfung des Asylvorbringens enthält, kann letztlich dahinstehen, ob der Kläger damit eine klärungsfähige Frage überhaupt ordnungsgemäß formuliert hat. Nach der Rechtsprechung des EuGH (U. v. 8.3.2016 - 17.3.2016 - C-695/15 PPU - BeckRS 2016, 80581) ist Art. 18 Abs. 2 der Verordnung Nr. 604/2013 jedenfalls dahin auszulegen, dass er im Fall der Wiederaufnahme einer Person, die um internationalen Schutz nachsucht, nicht vorschreibt, dass das Verfahren zur Prüfung ihres Antrags in dem Stadium wieder aufgenommen wird, in dem es eingestellt worden war (amtlicher Leitsatz).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.

Mit der Ablehnung des Antrags wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).

(1) Das Urteil des Verwaltungsgerichts, durch das die Klage in Rechtsstreitigkeiten nach diesem Gesetz als offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet abgewiesen wird, ist unanfechtbar. Das gilt auch, wenn nur das Klagebegehren gegen die Entscheidung über den Asylantrag als offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet, das Klagebegehren im Übrigen hingegen als unzulässig oder unbegründet abgewiesen worden ist.

(2) In den übrigen Fällen steht den Beteiligten die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zu, wenn sie von dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(3) Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein in § 138 der Verwaltungsgerichtsordnung bezeichneter Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt.

(4) Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. In dem Antrag sind die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, darzulegen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss, der keiner Begründung bedarf. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) § 134 der Verwaltungsgerichtsordnung findet keine Anwendung, wenn das Urteil des Verwaltungsgerichts nach Absatz 1 unanfechtbar ist.

(7) Ein Rechtsbehelf nach § 84 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung ist innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Gerichtsbescheids zu erheben.

(8) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht abweichend von § 132 Absatz 1 und § 137 Absatz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung auch zu, wenn das Oberverwaltungsgericht

1.
in der Beurteilung der allgemeinen asyl-, abschiebungs- oder überstellungsrelevanten Lage in einem Herkunfts- oder Zielstaat von deren Beurteilung durch ein anderes Oberverwaltungsgericht oder durch das Bundesverwaltungsgericht abweicht und
2.
die Revision deswegen zugelassen hat.
Eine Nichtzulassungsbeschwerde kann auf diesen Zulassungsgrund nicht gestützt werden. Die Revision ist beschränkt auf die Beurteilung der allgemeinen asyl-, abschiebungs- oder überstellungsrelevanten Lage in einem Herkunfts- oder Zielstaat. In dem hierfür erforderlichen Umfang ist das Bundesverwaltungsgericht abweichend von § 137 Absatz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung nicht an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden. Das Bundesverwaltungsgericht berücksichtigt für die Beurteilung der allgemeinen Lage diejenigen herkunfts- oder zielstaatsbezogenen Erkenntnisse, die von den in Satz 1 Nummer 1 genannten Gerichten verwertet worden sind, die ihm zum Zeitpunkt seiner mündlichen Verhandlung oder Entscheidung (§ 77 Absatz 1) von den Beteiligten vorgelegt oder die von ihm beigezogen oder erhoben worden sind. Die Anschlussrevision ist ausgeschlossen.

(8a) Das Bundesministerium des Innern und für Heimat evaluiert im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Justiz die Revision nach Absatz 8 drei Jahre nach Inkrafttreten.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

Tenor

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 8. Januar 2016 - 23 L 3974/15.A - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes.

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Düsseldorf wird aufgehoben und die Sache wird an das Verwaltungsgericht Düsseldorf zurückverwiesen.

Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

Das Land Nordrhein-Westfalen hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen zu erstatten.

Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit wird für das Verfassungsbeschwerdeverfahren auf 10.000 € (in Worten: zehntausend Euro) und für den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung auf 5.000 € (in Worten: fünftausend Euro) festgesetzt.

Gründe

I.

1

1. Der am 19. Dezember 1990 geborene Beschwerdeführer ist syrischer Staatsangehöriger. Er reiste nach eigenen Angaben am 26. August 2014 in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte am 27. Oktober 2014 Asyl. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) stellte fest, dass er schon in Bulgarien Asyl begehrt hatte. Bulgarien lehnte das daraufhin gestellte Wiederaufnahmegesuch mit der Begründung ab, dass der Beschwerdeführer dort subsidiären Schutz erhalten habe.

2

Das Bundesamt stellte mit Bescheid vom 21. November 2014 fest, dass dem Beschwerdeführer in der Bundesrepublik Deutschland kein Asylrecht zustehe, da er schon in Bulgarien subsidiären Schutz erhalten habe. Es ordnete die Abschiebung nach Bulgarien an. Bulgarien stimmte der Rücküberstellung des Beschwerdeführers auf der Grundlage eines bilateralen Rücknahmeabkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Bulgarien zu. Der Beschwerdeführer erhob am 2. September 2015 Klage gegen diesen Bescheid und beantragte die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes. Er behauptete, den Bescheid nicht erhalten zu haben. Den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes lehnte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 4. September 2015 mit der Begründung ab, der Bescheid sei bestandskräftig geworden. Das Hauptsacheverfahren wurde am 14. Oktober 2015 durch Beschluss eingestellt, da der Beschwerdeführer das Verfahren trotz entsprechender Aufforderung des Verwaltungsgerichts nicht betrieben habe.

3

2. Am 30. November 2015 beantragte der Beschwerdeführer die Aufhebung des Bescheids vom 21. November 2014. Der Bescheid sei rechtswidrig geworden, da nach aktuellen Erkenntnismitteln eine Rückführung anerkannt Schutzberechtigter nach Bulgarien nicht möglich sei. Diese müssten dort auf der Straße leben, hätten keinen Zugang zu Krankenversicherung oder Arbeit und würden durch die Bevölkerung diskriminiert. Das Bundesamt reagierte auf diesen Antrag nicht.

4

3. Am 10. Dezember 2015 stellte der Beschwerdeführer bei dem Verwaltungsgericht einen Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO, das Bundesamt zu verpflichten, der für die Abschiebung zuständigen Ausländerbehörde mitzuteilen, dass vorläufig nicht aufgrund der früheren Mitteilung und der bestandskräftigen Abschiebungsanordnung nach Bulgarien abgeschoben werden dürfe. Es lägen neue Erkenntnisse zu der Lage anerkannter Flüchtlinge in Bulgarien vor, die einer Abschiebung im Wege stünden. In Bulgarien bestünde für diese die Gefahr einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung. Er nahm Bezug auf eine Auskunft des Auswärtigen Amts vom 23. Juli 2015 an das Verwaltungsgericht Stuttgart und auf die Auskunft einer bulgarischen Anwältin an den Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg. Auch das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen habe nunmehr in Eilverfahren seine Rechtsprechung geändert. Im Übrigen sei zwischenzeitlich die Frist des deutsch-bulgarischen Rücknahmeübereinkommens abgelaufen.

5

Das Verwaltungsgericht lehnte den Antrag mit Beschluss vom 8. Januar 2016 ab. Gründe für ein Wiederaufgreifen lägen nicht vor. Die neuen Auskünfte beruhten nicht auf einer veränderten Sachlage, so dass sie ein Wiederaufgreifen nicht rechtfertigten. Auch der sich abzeichnende Rechtsprechungswandel sei kein Wiederaufgreifensgrund. Der Beschwerdeführer habe schuldhaft die Antragsfristen gegen den ursprünglichen Bescheid versäumt. Es sei unerheblich, dass sein Antrag zum damaligen Zeitpunkt aufgrund der entgegenstehenden Rechtsprechung voraussichtlich erfolglos geblieben wäre. Der Ablauf der Rücküberstellungsfrist sei ebenfalls unerheblich. Ein Anspruch auf ein Wiederaufgreifen im weiteren Sinne nach § 51 Abs. 5 VwVfG in Verbindung mit § 48 VwVfG bestehe schon deshalb nicht, weil das Ermessen nicht auf Null reduziert gewesen sei.

6

4. Der Beschwerdeführer hat am 8. Februar 2016 Verfassungsbeschwerde erhoben und den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Er rügt eine Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 3, Art. 16a, Art. 19 Abs. 4, Art. 20 Abs. 3, Art. 101 Abs. 1 Satz 2 und Art. 104 GG. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts verletze ihn in seiner Menschenwürde, da das Gericht eine Abschiebung nach Bulgarien ermögliche. Dort drohe ihm jedoch, wie es zwischenzeitlich zahlreiche Verwaltungsgerichte entschieden hätten und auch das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in einem Beschluss nach § 80 Abs. 7 VwGO angenommen habe, eine unmenschliche und erniedrigende Behandlung. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts verstoße weiterhin gegen das Willkürverbot. Die Annahme, die Tatsachenlage habe sich seit April 2014 nicht verändert, sei willkürlich. In dem Bericht aus dem Jahre 2014 habe der UNHCR auf die generelle Empfehlung verzichtet, von Rücküberführungen nach Bulgarien abzusehen, da das Land konkrete Änderungen in Aussicht gestellt habe. Dies sei aber bis Ende 2015 nicht umgesetzt worden, so dass sich die für das Gericht entscheidungserhebliche Grundlage durch die neu beigebrachten Länderberichte sehr wohl verändert habe. Selbst wenn die Annahme des Verwaltungsgerichts zuträfe, wäre angesichts der Gefährdung der Menschenwürde des Beschwerdeführers eine Rücküberführung zu unterlassen. Im Übrigen habe das Verwaltungsgericht zu Unrecht den Ablauf der Rücküberstellungsfrist nicht als maßgeblich angesehen. Dies verletze auch Art. 19 Abs. 4 GG. Schließlich sei eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof zu Unrecht unterblieben.

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5. Das Land Nordrhein-Westfalen und das Bundesamt hatten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Akten des Ausgangsverfahrens und des Asylverfahrens haben dem Bundesverfassungsgericht vorgelegen.

II.

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Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt. Die Voraussetzungen des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG für eine stattgebende Kammerentscheidung liegen vor. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist zur Durchsetzung des Grundrechts des Beschwerdeführers aus Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG angezeigt. Die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen hat das Bundesverfassungsgericht bereits geklärt (vgl. BVerfGE 96, 44 <51 f.>). Die zulässige (1.) Verfassungsbeschwerde ist offensichtlich begründet (2.). Der Beschluss des Verwaltungsgerichts verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als allgemeinem Willkürverbot.

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1. Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig. Sie ist insbesondere innerhalb der Frist des § 93 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG erhoben. Dem steht nicht entgegen, dass einzelne Anlagen der Beschwerdeschrift per Fax erst ab 0:00 Uhr am 9. Februar 2016 und damit nach Ablauf der Monatsfrist am 8. Februar 2016 um 23:59 Uhr eingegangen sind. Denn diese Anlagen waren, soweit sie für die Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit der Entscheidung relevant sind - insbesondere die Stellungnahmen des Auswärtigen Amts vom 23. Juli 2015 und die Auskunft von Dr. Valeria Illareva - schon in der Beschwerdeschrift ihrem wesentlichen Inhalt nach wiedergegeben worden. Hiervon unabhängig wäre von Amts wegen gemäß § 93 Abs. 2 Satz 4 2. Halbsatz BVerfGG Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Denn die Prozessbevollmächtigten hatten um 20:39 Uhr mit der Übermittlung des Fax begonnen, so dass sie auch unter Berücksichtigung eines über die voraussichtliche Dauer des eigentlichen Faxvorgangs hinausgehenden zwanzigminütigen Sicherheitszuschlags (vgl. BVerfGE 135, 126 <139 f.>) davon ausgehen konnten, dass dieses zum Fristablauf vollständig vorliegen würde.

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2. Die Verfassungsbeschwerde ist offensichtlich begründet. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts verstößt gegen das in Art. 3 Abs. 1 GG verankerte Willkürverbot. Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (vgl. BVerfGE 1, 14 <52>; 98, 365 <385>; stRspr). Aus ihm ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für die Ausübung öffentlicher Gewalt, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen (vgl. BVerfGE 88, 5 <12>; 88, 87 <96>; 101, 54 <101>; 107, 27 <45>). Der allgemeine Gleichheitssatz wendet sich nicht nur an den Gesetzgeber, sondern bindet auch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung. Allerdings zieht Art. 3 Abs. 1 GG der Rechtsprechung bei der Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts - im Sinne eines Willkürverbots - nur gewisse äußerste Grenzen (vgl. BVerfGE 42, 64 <73>; 62, 189 <192>). Nicht jede fehlerhafte Anwendung des einfachen Rechts stellt daher auch einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz dar. Von Willkür kann nicht gesprochen werden, wenn das Gericht sich mit der Rechtslage eingehend auseinandersetzt und seine Auffassung nicht jedes sachlichen Grundes entbehrt (vgl. BVerfGE 87, 273 <278 f.>; 96, 189 <203>). Ein Richterspruch ist jedoch willkürlich und verstößt damit gegen Art. 3 Abs. 1 GG, wenn er unter keinem rechtlichen Aspekt vertretbar ist (vgl. BVerfGE 70, 93 <97>; 96, 189 <203>).

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Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts hält einer Überprüfung an diesem Maßstab nicht stand. Die Frage, ob einem in einem anderen Mitgliedstaat anerkannt Schutzberechtigten eine unmenschliche oder entwürdigende Behandlung droht, die ein Abschiebungsverbot auslöst, erfordert, wie die Feststellung systemischer Mängel im Asylsystem, eine aktuelle Gesamtwürdigung der zu der jeweiligen Situation vorliegenden Berichte und Stellungnahmen. Dabei kommt regelmäßigen und übereinstimmenden Berichten von internationalen Nichtregierungsorganisationen besondere Bedeutung zu (vgl. EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 - C-411/10, C-493/10 -, NVwZ 2012, S. 417 <420>). Vor diesem Hintergrund sind gerade Berichte, die eine schon zuvor dargestellte Lage in der Zeit fortschreiben, für die Feststellung solcher Mängel besonders relevant, so dass ihnen nicht ohne weiteres die Eignung als neues Beweismittel im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG abgesprochen werden kann. Dabei ist zu beachten, dass die zu beantwortende Frage Höchstgüter des deutschen und europäischen Verfassungsrechts betrifft, so dass es besonders sorgfältiger Prüfung bedarf, ob neue Stellungnahmen tatsächlich ohne Relevanz bleiben.

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Vorliegend hätten deshalb die Stellungnahmen des Auswärtigen Amts vom 23. Juli 2015 an das Verwaltungsgericht Stuttgart und die Auskunft von Dr. Valeria Illareva, einer bulgarischen Anwältin, an den Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg vom 27. August 2015, näherer Prüfung unterzogen werden müssen. Dies gilt umso mehr, da der Bericht des UNHCR vom April 2014 durchaus positive Veränderungen der Situation erwartet hatte, so dass die Frage, ob diese (nur) erwarteten Veränderungen auch eingetreten seien, zwingend zu beantworten war. Weiterhin befasste er sich auf nur einer Seite spezifisch mit der Situation anerkannter Schutzberechtigter und wies insoweit nur allgemein auf Probleme hin. Die beiden vom Beschwerdeführer vorgelegten Berichte legten hingegen über ein Jahr später dar, dass keine positiven Veränderungen eingetreten seien, dass die Situation von anerkannt Schutzberechtigten vielmehr noch problematischer geworden sei als zuvor. Außerdem wurden spezifische Probleme der Krankenversorgung, des Zugangs zum Arbeits- und Wohnungsmarkt und der allgemeinen Diskriminierung Schutzberechtigter beschrieben. Vor diesem Hintergrund war es unter keinem Gesichtspunkt vertretbar, die neuen Stellungnahmen ohne weiteres für unerheblich zu erachten.

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3. Hat die Verfassungsbeschwerde damit schon wegen des Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG in der Ausprägung als allgemeinem Willkürverbot Erfolg, bedarf es keiner abschließenden Prüfung, ob die weiteren gerügten Grundrechtsverstöße vorliegen.

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Es bedarf insbesondere keiner Entscheidung, ob die Ablehnung des Antrags durch das Verwaltungsgericht auch deshalb zu beanstanden ist, weil auf der Grundlage der Auskunftslage, wie vom Beschwerdeführer gerügt, von Verfassungs wegen die Rückführung nach Bulgarien bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache ausgesetzt werden musste. Allgemein gilt, dass Art. 19 Abs. 4 GG in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 und Art. 1 Abs. 1 GG an eine ablehnende Entscheidung im Asyl-Eilverfahren erhöhte Anforderungen stellt, wenn - wie vorliegend - die Auskunftslage zwischenzeitlich von einer Vielzahl anderer Verwaltungsgerichte für eine stattgebende Entscheidung als hinreichend angesehen wird. Jedenfalls in Fällen, in denen die Auskunftslage dem im Eilverfahren zuständigen Einzelrichter als nicht hinreichend eindeutig erscheinen darf, wird eine weitere Sachaufklärung im Hauptsacheverfahren und eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung geboten sein oder zumindest nahe liegen. Dies gilt im Besonderen dann, wenn die Rechtsprechung des im Hauptsacheverfahren zuständigen Oberverwaltungsgerichts Rücküberstellungen in das betreffende Land als rechtswidrig beurteilt hat. Denn in einer solchen Situation ist es mit der Gewährung effektiven Rechtsschutzes nicht vereinbar, wenn das im Eilverfahren erst- und letztinstanzlich zuständige Verwaltungsgericht ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsanordnung im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO beziehungsweise das Bestehen eines Anordnungsanspruchs im Verfahren nach § 123 Abs. 1 VwGO verneint und es damit ermöglicht, dass praktisch kaum rückgängig zu machende Fakten geschaffen werden.

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Offen bleiben kann schließlich auch die Frage, ob das Verwaltungsgericht zu den in der Verfassungsbeschwerde benannten entscheidungserheblichen Rechtsfragen zum Begriff und zur Reichweite systemischer Mängel eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs hätte herbeiführen müssen und ob dieser Umstand zur Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes hätte führen müssen, so dass auch eine Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG vorliegt.

III.

16

Das Land Nordrhein-Westfalen hat dem Beschwerdeführer gemäß § 34a Abs. 2 BVerfGG die notwendigen Auslagen zu erstatten. Die Festsetzung des Werts des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 RVG (vgl. dazu auch BVerfGE 79, 365 <366 ff.>).

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.

Entscheidungen in Rechtsstreitigkeiten nach diesem Gesetz können vorbehaltlich des § 133 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung nicht mit der Beschwerde angefochten werden.