Verwaltungsgericht München Beschluss, 04. Aug. 2016 - M 24 S 16.50492

published on 04/08/2016 00:00
Verwaltungsgericht München Beschluss, 04. Aug. 2016 - M 24 S 16.50492
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Tenor

I.

Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsanordnung im Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom ... Juni 2016 wird angeordnet.

II.

Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.

Der Antragsteller wendet sich im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die von der Antragsgegnerin verfügte Anordnung der Abschiebung nach Ungarn im Rahmen eines sog. Dublinverfahrens.

Der Antragsteller ist syrischer Staatsangehöriger. Er reiste seinen Angaben zufolge am ... August 2015 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte dort am ... Februar 2016 einen Asylantrag beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt).

Bei seiner Anhörung im Rahmen des Verfahrens zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates für die Durchführung des Asylverfahrens am ... Februar 2016 gab der Antragsteller an, sein Herkunftsland im Jahr 2014 verlassen zu haben. Er sei über die Türkei (1,5 bis 2 Jahre), Griechenland (Einreise am ... August 2015, Aufenthalt 2 Tage), Mazedonien, Serbien, Ungarn und Österreich am ... August 2015 nach Deutschland eingereist. Ihm seien im August 2015 in Ungarn Fingerabdrücke abgenommen worden. In Deutschland lebe seine Mutter.

Die EURODAC-Abfrage des Bundesamtes ergab am ... Februar 2016 einen Treffer für Ungarn (Bl. 55 und 57 der Behördenakte). Das Bundesamt richtete am ... Februar 2016 ein Wiederaufnahmeersuchen zur Durchführung des Asylverfahrens an Ungarn. Die zuständige ungarische Behörde äußerte sich nicht zu dem Ersuchen.

Mit Schreiben vom ... Februar 2016 (Bl. 60 der Behördenakte) führte der Antragsteller zum Dublinverfahren aus, dass er am ... August 2015 auf seiner Flucht von Syrien nach Deutschland nach Ungarn gekommen sei. Er habe an der Grenze seine Fingerabdrücke abgeben müssen. Hierzu sei er unter Anwendung von Gewalt (Stockschläge) gezwungen worden. Am ... August 2015 sei er von der ungarischen Polizei festgenommen und für drei Tage inhaftiert worden. Die Situation sei für ihn bedrohlich und traumatisch gewesen. Er sei in Ungarn nicht menschenwürdig behandelt worden.

Im Rahmen der Zweitbefragung zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates für die Durchführung des Asylverfahrens am ... April 2016 gab der Antragsteller an, dass seine ganze Familie (seine Mutter und zwei Schwestern) in Deutschland sei.

Mit streitgegenständlichem Bescheid vom ... Juni 2016, dem Antragsteller zugestellt am ... Juli 2016, lehnte das Bundesamt den Asylantrag als unzulässig ab (Nr. 1 des Bescheides) und ordnete die Abschiebung nach Ungarn an (Nr. 2). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) wurde auf 6 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 3).

Zur Begründung wurde ausgeführt, der Asylantrag sei gemäß § 27a des Asylgesetzes (AsylG) unzulässig, da Ungarn aufgrund des dort bereits gestellten Asylantrags gem. Art. 18 Abs. 1b Dublin-III-VO für das Asylverfahren zuständig sei. Außergewöhnliche humanitäre Gründe für die Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO seien nicht ersichtlich. In Ungarn lägen keine systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs vor. Gründe, die einer Überstellung nach Ungarn entgegenstehen könnten, wurden weder vorgetragen noch sei derartiges aus dem Akteninhalt ersichtlich. Die Anordnung der Abschiebung beruhe auf § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG. Gründe, das für den Fall der Abschiebung bestehende Einreise- und Aufenthaltsverbot auf weniger als 6 Monate zu befristen, wurden nicht vorgetragen noch sind solche sonst ersichtlich.

Mit am 6. Juli 2016 bei Gericht eingegangenem Telefax vom selben Tag erhob der Antragsteller durch seine Prozessbevollmächtigte Klage mit dem Antrag, den Bescheid der Beklagten vom ... Juni 2016 aufzuheben. Über die unter dem Aktenzeichen ... anhängige Klage ist noch nicht entschieden worden.

Zugleich wurde beantragt,

die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom ... Juni 2016 anzuordnen.

Der Eilantrag sei zulässig und begründet, da eine Überstellung nach Ungarn rechtswidrig wäre, da in Ungarn systemische Mängel im Asylverfahren bestünden, die vor allem seit den Gesetzesänderungen ab August 2015 die Bedingungen für Asylbewerber unzumutbar gemacht hätten. Dem Antragsteller würden in Ungarn Zustände drohen, die die Rechte aus Art. 4 EU-Grundrechtecharta verletzten würden.

Die Antragsgegnerin legte mit Schreiben vom ... Juli 2016 die elektronische Bundesamtsakte vor, stellte aber keinen Antrag.

Mit Schreiben vom ... Juli 2016 führte die Bevollmächtigte des Antragstellers aus, dass die Familieneinheit nach Art. 9 und Art. 10 der Dublin-III-VO zu wahren sei, da sich die Mutter und die beiden Schwestern in Deutschland aufhielten, wie der Antragsteller bereits beim Bundesamt vorgetragen habe. Systemische Mängel im ungarischen Asylsystem bestünden schon deshalb, da Ungarn mit den Gesetzesänderungen ab ... August 2015 Serbien zum sicheren Drittstaat erklärt hat und deswegen beim Antragsteller eine Rückschiebung nach Serbien drohe, ohne dass der nach europäischer Rechtslage erforderliche Flüchtlingsschutz eingehalten wäre. Der Antragsteller habe selbst schon vorgetragen, wie menschenunwürdig die Behandlung durch die ungarische Polizei während der Inhaftierung gewesen sei. Vor dem politischen Hintergrund der Grenzöffnung Ende August/Anfang September 2015 sollten auch Traumatisierungen, die sich bei den Flüchtlingen eingeprägt hätten, ein gewichtiger humanitärer Umstand sein für die Verpflichtung der Bundesrepublik, vom Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen.

Mit Schreiben vom ... Juli 2016 wurde ergänzend eine Kopie des Familienbuchs der Eltern und der Geschwister des Antragstellers, Kopien der Aufenthaltsgestattungen der Mutter und einer Schwester des Antragstellers und die Kopie der Aufenthaltserlaubnis einer weiteren Schwester des Antragstellers vorgelegt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten des Klage- sowie des Eilverfahrens sowie auf die vorgelegte Bundesamtsakte Bezug genommen.

II.

1. Der Antrag im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.

Der Antrag ist gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i. V. m. § 75 Abs. 1 AsylG zulässig, insbesondere rechtzeitig innerhalb der Wochenfrist (§ 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG) bei Gericht gestellt worden. Der Antrag ist auch begründet.

1.1. Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage im Fall des hier einschlägigen gesetzlichen Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i. V. m. § 75 Abs. 1 AsylG) ganz oder teilweise anordnen. Hierbei hat das Gericht selbst abzuwägen, ob die Interessen, die für einen gesetzlich angeordneten sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsakts streiten oder die, die für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung sprechen, höher zu bewerten sind. Im Rahmen dieser Interessenabwägung sind auch die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache als wesentliches, aber nicht als alleiniges Indiz zu berücksichtigen (beispielsweise BVerwG, B. v. 25.3.1993 - 1 ER 301/92 - NJW 1993, 3213, juris Rn. 3). Wird der in der Hauptsache erhobene Rechtsbehelf bei der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nur möglichen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung voraussichtlich erfolgreich sein, weil er zulässig und begründet ist, so wird im Regelfall nur die Anordnung der aufschiebenden Wirkung in Betracht kommen. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid bei summarischer Prüfung als offensichtlich rechtmäßig, besteht ein öffentliches Interesse an seiner sofortigen Vollziehung und der Antrag bleibt erfolglos. Sind die Erfolgsaussichten bei summarischer Prüfung als offen zu beurteilen, findet eine eigene gerichtliche Abwägung der für und gegen den Sofortvollzug sprechenden Interessen statt.

Gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 AsylG kommt es für den vorliegenden Beschluss im Eilverfahren, der ohne mündliche Verhandlung ergeht, maßgeblich auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung an.

1.2. Nach derzeitiger Sach- und Rechtslage wird die in der Hauptsache erhobene Anfechtungsklage gegen die Abschiebungsanordnung aller Voraussicht nach Erfolg haben. Damit überwiegt das Aussetzungsinteresse des Antragstellers das Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin.

Die Anfechtungsklage gegen die Abschiebungsanordnung ist zulässig, insbesondere innerhalb der Wochenfrist des § 74 Abs. 1 Halbs. 2 AsylG erhoben worden. Die Klage ist auch begründet, da das Bundesamt zu Unrecht die Abschiebung nach Ungarn angeordnet hat.

1.3. Rechtsgrundlage für die Abschiebungsanordnung ist § 34a Abs. 1 AsylG. Danach ordnet das Bundesamt die Abschiebung des Ausländers in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27a AsylG) an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Nach § 27a AsylG ist ein Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrags für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist.

Maßgeblich für die Bestimmung des zuständigen Staates ist die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 (Dublin-III-VO). Die Dublin-III-VO ist gem. Art. 49 Unterabs. 2 Satz 1 Alternative 2 Dublin-III-VO auf den vorliegenden Fall anwendbar, da der Antrag auf internationalen Schutz nach dem 1. Januar 2014 gestellt wurde.

Im vorliegenden Fall ist Ungarn gemäß Art. 13 Abs. 1 Dublin-III-VO ausweislich des EURODAC-Treffers für die Prüfung des Asylantrags zuständig. Eine nach der gem. Art. 7 Abs. 1 Dublin-III-VO verbindlichen Rangfolge des Zuständigkeitskriterienkatalogs vorrangige Zuständigkeit der Antragsgegnerin oder eines anderen Staates ist nicht ersichtlich. Insbesondere sind die Vorrausetzungen des Art. 9 und des Art. 10 Dublin-III-VO vorliegend nicht erfüllt, da die Mutter und die Schwestern des Antragstellers nach der bindenden Definition in Art. 2 lit. g) Dublin-III-VO im Verhältnis zu dem am 1. Januar 1989 geborenen und damit volljährigen Antragsteller keine Familienangehörigen sind.

Die Zuständigkeit Ungarns ist auch nicht aus verfahrensbezogenen Gründen auf die Bundesrepublik Deutschland (oder einen anderen Mitgliedstaat) übergegangen. Das Bundesamt hat sein Wiederaufnahmegesuch innerhalb der von Art. 23 Abs. 2 Dublin-III-VO vorgesehenen, wegen der zugrunde liegenden EURODAC-Treffermeldung gemäß Art. 23 Abs. 2 Unterabs. 1 hier 2-monatigen Frist an Ungarn gerichtet. Da Ungarn innerhalb der 2-wöchigen Antwortfrist keine Antwort erteilte, trat somit die Stattgabefiktion ein (Art. 25 Abs. 2 i. V. m. Art. 25 Abs. 1 Satz 2 Dublin-III-VO).

1.4. Eine Überstellung an Ungarn als den nach der Dublin-III-VO zuständigen Mitgliedstaat erweist sich zur Überzeugung des Gerichts jedoch gemäß Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin-III-VO wegen systemischer Schwachstellen des ungarischen Asylsystems derzeit als unmöglich. Die Antragsgegnerin ist daher gehalten, die Prüfung der in Kapitel III der Dublin-III-VO vorgesehenen Kriterien fortzusetzen, um festzustellen, ob ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann (Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin-III-VO) oder ob sie selbst für das Asylverfahren zuständig geworden ist (Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 3 Dublin-III-VO).

Nach Art 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin-III-VO ist die Überstellung unmöglich, wenn es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in Ungarn systemische Schwachstellen aufweisen, die die Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikel 4 der EU-Grundrechtscharta (GRCh) mit sich bringen. Der Regelung liegt die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zugrunde, wonach die im Gemeinsamen Europäischen Asylsystem grundsätzlich aufgrund des Prinzips gegenseitigen Vertrauens bestehende Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Europäischen Grundrechtecharta (GRCh), der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) und der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) steht, nicht unwiderleglich ist, sondern für den Fall, dass dem überstellenden Mitgliedstaat nicht unbekannt sein kann, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, widerlegt werden kann (EuGH, U. v. 21.12.2011 - C-411/10 u. a. - juris Rn. 79 ff). Die Schwachstellen bzw. Mängel des Asylsystems müssen dabei nicht kumulativ Asylverfahren und Aufnahmebedingungen betreffen, sondern können auch alternativ vorliegen (Marx, AsylVfG, 8. Aufl. 2014, § 27a Rn. 47; vgl. auch BVerwG, B. v. 19.3.2014 - 10 B 6/14 - juris Rn. 9: „Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen“).

Eine Widerlegung der Vermutung ist allerdings an hohe Hürden geknüpft. Nicht jede drohende Grundrechtsverletzung oder geringste Verstöße gegen die einschlägigen EU-Richtlinien genügen, um die Überstellung an den zuständigen Mitgliedstaat zu verhindern (EuGH, a.a.O; BVerwG, B. v. 19.3.2014 - 10 B 6/14 - juris Rn. 6). Ein hinreichend schwerer Verstoß gegen das Verbot der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung des Art. 4 GRCh (bzw. des inhaltsgleichen Art. 3 EMRK) ist im asylrechtlichen Zusammenhang etwa gegeben bei einer systemischen Nichtbeachtung des Refoulementverbots. Es können aber auch die allgemeinen Haft- und Lebensbedingungen für Asylbewerber eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung darstellen (BeckOK AuslR/Günther AsylG § 27a Rn. 24-25; zum im Rahmen von Art. 3 EMRK zu prüfenden Refoulementverbot siehe auch: EGMR, U. v. 21. 1. 2011 − M.S. S./Belgien u. Griechenland, 30696/09 - NVwZ 2011, 413 Rn. 286 ff und 342 ff; EGMR, U. v. 3.7.2014 - Mohammadi/Österreich, 71932/12 - abrufbar unter http://www.ris.bka.gv.at, Rn. 60 und 71 ff). Systemische Schwachstellen liegen also insbesondere dann vor, wenn dem Betroffenen in dem Mitgliedstaat, in den er überstellt werden soll, der Zugang zu einem Asylverfahren, welches nicht mit grundlegenden Mängeln behaftet ist, verwehrt oder massiv erschwert wird, wenn das Asylverfahren an grundlegenden Mängeln leidet oder wenn er während der Dauer des Asylverfahrens wegen einer grundlegend defizitären Ausstattung mit den notwendigen Mitteln elementare Grundbedürfnisse des Menschen (wie z. B. Unterkunft, Nahrungsaufnahme und Hygienebedürfnisse) nicht in einer (noch) zumutbaren Weise befriedigen kann (OVG NRW, U. v. 7. März 2014 - 1 A 21/12.A - juris Rn. 126).

„Systemisch“ sind Schwachstellen, die den Einzelnen in dem zuständigen Mitgliedstaat nicht unvorhersehbar oder schicksalhaft treffen, sondern die sich aus Sicht der deutschen Behörden und Gerichte wegen ihrer systemimmanenten Regelhaftigkeit verlässlich prognostizieren lassen. Dies setzt voraus, dass das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedstaat aufgrund größerer Funktionsstörungen regelhaft so defizitär sind, dass anzunehmen ist, dass dort auch dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht (vgl. BVerwG, B. v. 19.3.2014 - 10 B 6/14 - juris Rn. 9). Für die Annahme systemischer Mängel kann ausreichend sein, dass der Asylbewerber einer Gruppe von Personen angehört, für deren Mitglieder sich die unmenschliche oder erniedrigende Behandlung systemimmanent regelhaft prognostizieren lässt (BeckOK AuslR/Günther, AsylG § 27a Rn. 24-25).

1.5. Das Gericht geht davon aus, dass auf der Grundlage der aktuellen Erkenntnismittel wesentliche Gründe dafür sprechen, dass das ungarische Asylsystem derzeit wegen der zum 1. August 2015 in Kraft getretenen Änderungen der ungarischen Asylgesetzgebung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Dublin-Rückkehrern den Zugang zu einem Asylverfahren verwehrt, das die materielle Prüfung ihres Asylantrages gewährleistet.

1.5.1. Das ungarische Parlament hat am 6. Juli 2015 weitreichende Verschärfungen des ungarischen Asylrechts und weitgehende Beschleunigungen des Asylverfahrens sowie Hindernisse im Zugang zum Asylverfahren beschlossen, die zum 1. August 2015 in Kraft getreten sind (vgl. beckaktuell, „Ungarn verschärft Asylrecht“ vom 7.7.2015, becklink 2000486), sowie am 4. September 2015 weitere Maßnahmen beschlossen, die am 15. September 2015 in Kraft getreten sind (vgl. zu den Verschärfungen, Beschleunigung und Hürden die detaillierteren Ausführungen des Helsinki Committe Ungarn: No Country for Refugees - Information Note vom 18.9.2015, abrufbar unter: http://helsinki.hu/en/nocountryforrefugeesinformationnote; Building a Legal Fence - Information Note vom 7.8.2015, abrufbar unter: http://helsinki.hu/wpcontent/uploads/HHC-HU-asylumlawamendment-2015-Augustinfonote.pdf).

Danach soll unter anderem das Asylverfahren annulliert werden, wenn Asylsuchende die ihnen zugewiesenen Aufenthaltsorte länger als 48 Stunden verlassen; gleichzeitig sollen Flüchtlinge bis zum Ende ihres Asylverfahrens inhaftiert werden dürfen. Gleichzeitig wurde eine nationale Liste für sichere Länder angenommen, darunter ist Serbien - als Staat mit candidate status of the European Union - in Section 2 des Government Decree 191/2015 (VII.21) gelistet (vgl. http://helsinki.hu/en/latesttextofasylumlawandrelatedrulesaugust-2015).

Mit der Betrachtung Serbiens als sicherer Drittstaat für Asylsuchende führt dies zu einer quasiautomatischen Ablehnung von über 99% der Asylanträge, ohne jegliche Berücksichtigung des Schutzbedarfs.

1.5.2. Das erkennende Gericht folgt insoweit vollumfänglich den nachfolgenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts Düsseldorf (VG Düsseldorf, Gerichtsbescheid v. 21.09.2015 - 8 K 5062/15.A - juris Rn. 30 ff) und macht diese einschließlich der zitierten, im Internet verfügbaren Erkenntnismittel zum Gegenstand dieser Entscheidung:

„Nach diesen Maßgaben ergeben sich systemische Mängel im ungarischen Asylverfahren aus den zum 1. August 2015 in Kraft getretenen Änderungen des ungarischen Asylrechts.

Vgl. ausführlich Hungarian Helsinki Commitee, Building a legal fence - Changes to Hungarian asylum law jeopardise access to protection in Hungary, http://helsinki.hu/wpcontent/uploads/HHC-HU-asylumlawamendment-2015-Augustinfonote.pdf; Information im englischsprachigen Internetangebot der ungarischen Regierung, http://www.kormany.hu/en/news/governmenthasidentifiedlistofsafecountries; UNHCR vom 2. Juli 2015, "UNHCR urges Hungary not to amend asylum system in haste", http://www.unhcr.org/559641846.html; aida: "Hungary adopts list of safe countries of origin and safe third countries", http://www.asylumineurope.org/news/23-07-2015/hungaryadoptslistsafecountriesoriginandsafethirdcountries; amnesty international: "Hungary: Change to Asylum Law puts tens of thousands at risk", https://www.amnesty.org/en/latest/news/2015/07/hungarychangetoasylumlawputstensofthousandsatrisk/.

Es besteht insbesondere durch die Aufnahme von Serbien - neben allen anderen an Ungarn angrenzenden Staaten - in die Liste der sicheren Drittstaaten die Gefahr, dass der Kläger nach einer Überstellung nach Ungarn dort keinen Zugang zu einem Asylverfahren erhält, in dem eine inhaltliche Prüfung seiner Fluchtgründe vorgenommen wird, sondern er stattdessen ohne inhaltliche Prüfung seiner Fluchtgründe nach europäischen Mindeststandards nach Serbien abgeschoben wird. Nach den Feststellungen des Europäischen Kommissars für Menschenrechte bestehen jedoch jedenfalls hinsichtlich Serbien erhebliche Zweifel daran, dass das dortige Asylverfahren den europäischen Mindestanforderungen entsprechen.

Vgl. Schreiben an den serbischen Premierminister und Innenminister vom 27. November 2013, https://wcd.coe.int/com.instranet.InstraServlet?command=com.instranet.CmdBlobGet&InstranetImage=2444713&SecMode=1&DocId=2108062&Usage=2.

Zudem sind die Verfahren zur Bestimmung der Zuständigkeiten nach der Dublin III-Verordnung und zur Prüfung eines Asylgesuchs in Zuständigkeit des ungarischen Staates etwa durch die Verkürzung von Fristen und die an Fristversäumnisse angeknüpften Sanktionen sowie neu gefasste Beweislastregeln formell wie materiell in einer Weise verändert worden, dass ernsthaft zu befürchten steht, dass das ungarische Asylrecht seit dem 1. August 2015 hinter den Verfahrensgarantien der Dublin III-Verordnung und den Vorgaben der Qualifikationsrichtlinie zurückbleibt.

Damit besteht für den Kläger bei einer Überstellung nach Ungarn die ernsthafte Gefahr, dass er keinen Zugang zu einem den europäischen Mindestanforderungen entsprechenden Asylverfahren erhält.

Vgl. Verwaltungsgericht Düsseldorf, Beschlüsse vom 11. September 2015 - 8 L 2757/15.A -, vom 10. September 2015 - 8 L 2206/15.A - und vom 2. September 2015 - 8 L 2806/15.A -; Beschluss vom 20. August 2015 - 15 L 2556/15.A -; Beschluss vom 21. August 2015 - 8 L 2811/15.A -; Beschluss vom 7. August 2015 - 22 L 616/15.A -;“

1.5.3. Diese Einschätzung wird auch durch die neueren Erkenntnismittel bestätigt (Bordermonitoring.eu.e.V und Pro Asyl e.V. vom Juli 2016: „Gänzlich unerwünscht, Entrechtung, Kriminalisierung und Inhaftierung von Flüchtlingen in Ungarn“, abrufbar unter: http://bordermonitoring.eu/category/ungarn/, Asylum Information Database (AIDA), Country Report: Hungary, 1. November 2015, abrufbar unter: http://www.asylumineurope.org/reports/country/hungary; Amnesty International (AI), Fenced Out - Hungarys violations of the rights of refugees and migrants, 7. Oktober 2015, abrufbar unter: https://www.amnesty.org/en/documents/eur27/2614/2015/en/; European Council on Refugees and Exiles (ecre), Crossing Bundaries - The new asylum procedure at the border and restrictions to accessing protection in Hungary, 1. Oktober 2015, abrufbar unter: http://ecre.org/component/downloads/downloads/ 1056; Hungarian Helsinki Commitee (HHC), No Country for Refugees, New asylum rules deny protection to refugees and lead to unprecedented human rights violations in Hungary, Information Note, 18. September 2015, abrufbar unter: http://helsinki.hu/wpcontent/uploads/HHC_Hungary_Info_Note_Sept-2015_No_ country_for_refugees.pdf). Danach ist die Drittstaatenregelung, insbesondere im Hinblick auf Serbien, als ernstzunehmendes Hindernis für die Durchführung eines den Mindestanforderungen entsprechenden Asylverfahrens anzusehen. Es besteht die Besorgnis, dass die Qualifizierung von Serbien als sicherem Drittstaat für Dublin-Rückkehrer gleichsam zu einer automatischen Ablehnung des Asylantrags ohne materielle Prüfung der Fluchtgründe führt. Einen wirksamen Rechtsbehelf gegen eine auf die Drittstaatenregelung gestützte Ablehnung sieht das ungarische Rechtssystem nicht vor. Für Dublin-Rückkehrer, die über Serbien nach Ungarn gelangt sind, was bis September 2015 auf 99% der Asylsuchenden, so auch auf den Antragsteller, zutrifft, besteht demnach die beachtliche Gefahr („real risk“) einer Kettenabschiebung nach Serbien, die ein indirektes Refoulement nach sich ziehen kann (AIDA, a. a. O. S. 24 f., 44ff; AI, a. a. O. S. 16; ecre a. a. O. S. 37; HHC a. a. O. S. 1 f.). Weiter ist den genannten Erkenntnismitteln zu entnehmen, dass die am 1. August 2015 in Kraft getretene Drittstaatenregelung in der Praxis nach Auskunft der ungarischen Asylbehörde (OIN) auch rückwirkend auf Asylanträge angewandt werden soll, die vor dem Inkrafttreten der Neuregelung gestellt worden sind (AIDA, a. a. O. S.24).

1.5.4. Dazu kommt, dass der UNHCR, dessen Wertungen im Kontext der Prüfung des Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin-III-VO maßgebliches Gewicht zukommt (EuGH, U. v. 30.5.2013 - C-528/11 - Rn. 44, NVwZ-RR 2013, 660), bereits im Vorfeld der zwischenzeitlich beschlossenen Gesetzesänderungen Bedenken angemeldet und sich insoweit als „tief besorgt“ (deeply concerned) bezeichnet hatte (vgl. den im Internet veröffentlichten englischsprachigen Kommentar vom 3.7.2015: UNHCR urges Hungary not to amend asylum system in haste, abrufbar unter: http://www.unhcr.org/559641846.html). Dies bestätigt, dass die Empfehlung, die der UNHCR bereits im August 2012 ausgesprochen hatte, nämlich von Rücküberstellungen von Asylsuchenden nach Serbien abzusehen und Serbien nicht als sicheren Drittstaat zu betrachten, nach wie vor Gültigkeit hat (UNHCR, Serbia As a Country of Asylum - Observations on the Situation of Asylum-Seekers ans Beneficiaries of International Protection in Serbia, August 2012, abrufbar unter: http://www.unhcrcentraleurope.org/pdf/resources/legaldocuments/unhcrhandbooksrecommendationsandguidelines/serbiaasacountryofasylum-2012.html). Diese Position entspricht im Übrigen auch den Leitlinien des ungarischen obersten Gerichts (Kúria). Auch in seinem jüngsten Bericht „Hungary as a Country of Asylum - Observations on restrictive legal measures and subsequent practice implemented between July 2015 and March 2016“ vom Mai 2016 (abrufbar unter http://www.refworld.org/docid/57319d514.html) hat der UNHCR in Nr. 71 ausdrücklich an seiner damaligen Empfehlung festgehalten, dass Asylsuchende nicht nach Serbien zurückgebracht werden sollten.

1.5.5. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass sich aus dem Umstand, dass das deutsche Asylrecht seit dem 24. Oktober 2015 Serbien als „sicheren Herkunftsstaat“ i. S. v. § 29a i. V. m. Anlage II Asylgesetz (vgl. Art. 1 Nr. 35 des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes vom 20. Oktober 2015, BGBl. I S. 1722) auflistet, kein Widerspruch zu der Einschätzung ergibt, dass Serbien kein sicherer Drittstaat sei. Denn die Sicherheitsbeurteilung für Herkunfts- und Drittstaat knüpft an unterschiedliche Fragestellungen an. So geht es beim sicheren Herkunftsstaat um die Frage, ob Serbien für serbische, also eigene Staatsangehörige, die in Deutschland einen Asylantrag stellen, Sicherheit vor Verfolgung bietet. Dagegen liegt der Drittstaatenregelung die ganz andere Fragestellung zugrunde, ob Serbien für nichtserbische, also fremde Staatsangehörige, die ihrerseits in Serbien Schutz vor Verfolgung in ihrem jeweiligen Herkunftsstaat suchen, Sicherheit bietet.

1.5.6. Die Entscheidungen des EuGH (U. v. 10.12.2013 - C-394/12, Abdullahi - juris), des EGMR (U. v. 3.7.2014 - Nr. 71932/12, Mohammadi /Österreich - NLMR - Newsletter Menschenrechte - 2014,282) und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (B. v. 12.6.2015 - 13a ZB 15.50097 - juris), die das Vorliegen systemischer Schwachstellen verneint haben, stehen der aktuellen Einschätzung des Gerichts nicht entgegen, da sie von den neueren Entwicklungen der ungarischen Asylgesetzgebung zum 1. August 2015 überholt wurden. Das Risiko eines möglichen Refoulements nach Serbien bestand seinerzeit nicht, da Ungarn nach damals dort geltendem Recht von der Drittstaatenregelung Abstand genommen hatte. Die diesen Entscheidungen zugrundeliegenden Umstände haben sich durch die Rückkehr Ungarns zur Drittstaatenregelung maßgeblich geändert, so dass nach derzeitiger Sachlage wieder beachtliche Gründe für systemische Schwachstellen sprechen.

1.6. Die Gefahr, einem Refoulement und damit einem Verstoß gegen Art. 4 GRCh bzw. Art. 3 EMRK ausgesetzt zu sein, trifft mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit im konkreten Fall auch den Antragsteller, der seinen Angaben im Rahmen der Anhörung zufolge über Serbien nach Ungarn eingereist ist.

Wegen systemischen Schwachstellen des ungarischen Asylverfahrens i. S. v. Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin-III-VO kommt daher derzeit die Überstellung des Antragstellers nach Ungarn nicht in Betracht. Die Abschiebungsanordnung nach Ungarn in Nr. 2 des streitgegenständlichen Bescheides erweist sich damit als rechtswidrig, so dass die hiergegen erhobene Anfechtungsklage Erfolg haben wird. Im überwiegenden Interesse des Antragstellers war daher die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.

2. Nachdem der Antrag vollumfänglich Erfolg hat, sind die Kosten der Antragsgegnerin aufzuerlegen (§ 154 Abs. 1 VwGO). Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).

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Tenor Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 2. Juli 2015 wird aufgehoben. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Di
published on 21/08/2015 00:00

Tenor Der Beschluss vom 17. Juli 2015 im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes 8 L 1895/15.A wird geändert. Die aufschiebende Wirkung der Klage 8 K 3925/15.A gegen Ziffer 2 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 18. Mai
published on 20/08/2015 00:00

Tenor Die aufschiebende Wirkung der Klage 15 K 5237/15.A gegen den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 20. Juli 2015 wird angeordnet, soweit dort unter Ziffer 2 die Abschiebung des Antragstellers nach Ungarn angeor
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published on 13/10/2016 00:00

Tenor I. Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen Nr. 1 des Bescheids der Beklagten vom 24. August 2016 wird angeordnet. II. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gründe
published on 16/09/2016 00:00

Tenor I. Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 21. Juni 2016, Geschäftszeichen: ... wird aufgehoben. III. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. IV. Die Kostenentscheid
published on 26/10/2016 00:00

Tenor Der Antragstellerin wird für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt Dr. H.        aus L.    beigeordnet. Die aufschiebende Wirkung der Klage 12 K 11578/16.A hinsichtlich Ziffer 3 des Bescheid
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Annotations

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) Soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Absatz 1 Nummer 1) abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies gilt auch, wenn der Ausländer den Asylantrag in einem anderen auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat gestellt oder vor der Entscheidung des Bundesamtes zurückgenommen hat. Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht. Kann eine Abschiebungsanordnung nach Satz 1 oder 2 nicht ergehen, droht das Bundesamt die Abschiebung in den jeweiligen Staat an.

(2) Anträge nach § 80 Absatz 5 der Verwaltungsgerichtsordnung gegen die Abschiebungsanordnung sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Abschiebung ist bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig. Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots durch das Bundesamt nach § 11 Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Vollziehbarkeit der Abschiebungsanordnung bleibt hiervon unberührt.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Die Klage gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz hat nur in den Fällen des § 38 Absatz 1 sowie des § 73b Absatz 7 Satz 1 aufschiebende Wirkung. Die Klage gegen Maßnahmen des Verwaltungszwangs (§ 73b Absatz 5) hat keine aufschiebende Wirkung.

(2) Die Klage gegen Entscheidungen des Bundesamtes, mit denen die Anerkennung als Asylberechtigter oder die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft widerrufen oder zurückgenommen worden ist, hat in folgenden Fällen keine aufschiebende Wirkung:

1.
bei Widerruf oder Rücknahme wegen des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder des § 3 Absatz 2,
2.
bei Widerruf oder Rücknahme, weil das Bundesamt nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen hat.
Dies gilt entsprechend bei Klagen gegen den Widerruf oder die Rücknahme der Gewährung subsidiären Schutzes wegen Vorliegens der Voraussetzungen des § 4 Absatz 2. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung bleibt unberührt.

(1) Soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Absatz 1 Nummer 1) abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies gilt auch, wenn der Ausländer den Asylantrag in einem anderen auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat gestellt oder vor der Entscheidung des Bundesamtes zurückgenommen hat. Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht. Kann eine Abschiebungsanordnung nach Satz 1 oder 2 nicht ergehen, droht das Bundesamt die Abschiebung in den jeweiligen Staat an.

(2) Anträge nach § 80 Absatz 5 der Verwaltungsgerichtsordnung gegen die Abschiebungsanordnung sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Abschiebung ist bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig. Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots durch das Bundesamt nach § 11 Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Vollziehbarkeit der Abschiebungsanordnung bleibt hiervon unberührt.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Die Klage gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz hat nur in den Fällen des § 38 Absatz 1 sowie des § 73b Absatz 7 Satz 1 aufschiebende Wirkung. Die Klage gegen Maßnahmen des Verwaltungszwangs (§ 73b Absatz 5) hat keine aufschiebende Wirkung.

(2) Die Klage gegen Entscheidungen des Bundesamtes, mit denen die Anerkennung als Asylberechtigter oder die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft widerrufen oder zurückgenommen worden ist, hat in folgenden Fällen keine aufschiebende Wirkung:

1.
bei Widerruf oder Rücknahme wegen des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder des § 3 Absatz 2,
2.
bei Widerruf oder Rücknahme, weil das Bundesamt nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen hat.
Dies gilt entsprechend bei Klagen gegen den Widerruf oder die Rücknahme der Gewährung subsidiären Schutzes wegen Vorliegens der Voraussetzungen des § 4 Absatz 2. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung bleibt unberührt.

(1) Soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Absatz 1 Nummer 1) abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies gilt auch, wenn der Ausländer den Asylantrag in einem anderen auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat gestellt oder vor der Entscheidung des Bundesamtes zurückgenommen hat. Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht. Kann eine Abschiebungsanordnung nach Satz 1 oder 2 nicht ergehen, droht das Bundesamt die Abschiebung in den jeweiligen Staat an.

(2) Anträge nach § 80 Absatz 5 der Verwaltungsgerichtsordnung gegen die Abschiebungsanordnung sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Abschiebung ist bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig. Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots durch das Bundesamt nach § 11 Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Vollziehbarkeit der Abschiebungsanordnung bleibt hiervon unberührt.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.

Entscheidungen in Rechtsstreitigkeiten nach diesem Gesetz können vorbehaltlich des § 133 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung nicht mit der Beschwerde angefochten werden.