Verwaltungsgericht München Beschluss, 26. Okt. 2018 - M 13 E 18.5254

bei uns veröffentlicht am26.10.2018

Tenor

I. Der Antragsgegner wird verpflichtet, die Versammlung der Antragstellerin im befriedeten Bezirk des Bayerischen Landtags am 5. November 2018 auf der Grünfläche vor der Westpforte des Bayerischen Landtags (um den Springbrunnen) zuzulassen.

II. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

III. Der Streitwert wird auf 2.500,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin, eine gemeinnützige Unternehmergesellschaft, begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung die Zulassung einer Versammlung im befriedeten Bezirk des Bayerischen Landtags. Zweck der Antragstellerin ist laut ihrer Satzung u.a. der Schutz natürlicher Lebensgrundlagen, die Förderung des Naturschutzes und der Landschaftspflege, des Umweltschutzes und der Kultur des Bewusstseins für Wildnis, Wildheit, Ursprünglichkeit und Freiraum. Der Satzungszweck soll u.a. durch Lobbytätigkeit und Öffentlichkeitsarbeit verwirklicht werden.

1. Mit E-Mail vom … Oktober 2018 beantragte die Antragstellerin beim Bayerischen Staatsministerium des Innern und für Integration die Zulassung einer Versammlung im befriedeten Bezirk des Bayerischen Landtags zum Thema "…" Diese solle am 5. November 2018 am Osteingang des Bayerischen Landtags stattfinden. Die Antragstellerin führte in ihrem Antrag erklärend aus, sich für naturnahe Erholungsräume einzusetzen, wozu ein ungestörtes Naturerlebnis für alle Menschen gehöre.

Politische Kämpfe störten den Charakter des Landschaftsschutzgebiets und seien durch die Landschaftsschutzverordnung verboten. Besucher des Landschaftsschutzgebiets sollten sich nicht Meinungen aussetzen müssen, die nicht die ihren seien und sie emotional belasteten. Der befriedete Bezirk rund um den Landtag schütze deshalb die Interessen der stillen Naturgenießer. Abschließend wurde unter Berufung auf den Gleichheitssatz darauf hingewiesen, dass am selben Tag bereits eine Demonstration im befriedeten Bezirk stattfinde und in der Vergangenheit offensichtlich einer anderen politischen Gruppe eine Demonstration genehmigt worden sei.

Am selben Tag zeigte die Antragstellerin die von ihr am 5. November 2018 zwischen 7 und 21 Uhr beabsichtigte Versammlung bei der Landeshauptstadt M. an. Sie gab dabei an, dass neben dem Leiter der Versammlung mit drei gleichzeitig teilnehmenden Personen zu rechnen und die Verwendung eines Infotisches sowie von Plakaten geplant sei. Die Landeshauptstadt M. hat auf diese Anzeige hin bislang keinen Bescheid erlassen.

Mit Schreiben vom 23. Oktober 2018 versagte die Präsidentin des Bayerischen Landtags das Einvernehmen zu einer Zulassung der von der Antragstellerin beabsichtigten Versammlung am 5. November 2018. Der Entscheidung liege im Wesentlichen die Erwägung zugrunde, dass die beabsichtigte Versammlung am Tag der konstituierenden Sitzung des 18. Bayerischen Landtags im östlichen Eingangsbereich des Ma., dessen Hauptzugang, stattfinden solle. Am Tag der geplanten Versammlung würden die am 14. Oktober 2018 gewählten Kandidatinnen und Kandidaten des 18. Bayerischen Landtags zur konstituierenden Sitzung zusammenkommen. Vorher würden aller Voraussicht nach die mittlerweile sechs Fraktionen zu ihren jeweiligen Sitzungen zusammentreten. Im Anschluss an die konstituierende Sitzung werde ein feierlicher Empfang im Landtag stattfinden. Teilnehmen würden Familienmitglieder der gewählten Kandidatinnen und Kandidaten, die Spitzen der Verfassungsorgane, Vertreterinnen und Vertreter der Obersten Landesbehörden, Kirchenvertreterinnen und -vertreter und weitere hochrangige Gäste. Hinzukämen Vertreterinnen und Vertreter der lokalen und überregionalen sowie womöglich der internationalen Presse. Damit sei eine Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit des Parlaments durch eine im östlichen Eingangsbereich des Ma. stattfindende Versammlung ernsthaft zu besorgen.

Mit Bescheid vom 23. Oktober 2018 lehnte der Antragsgegner den Antrag auf Zulassung der Versammlung innerhalb des befriedeten Bezirks des Bayerischen Landtags ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass Versammlungen innerhalb des befriedeten Bezirks nach Art. 18 Satz 1 Bayerisches Versammlungsgesetz verboten seien. Sie könnten nach Art. 19 Abs. 3 Bayerisches Versammlungsgesetz nur im Einvernehmen mit der Präsidentin des Bayerischen Landtags zugelassen werden. Die Präsidentin des Bayerischen Landtags habe ihr Einvernehmen zur Durchführung der von der Antragstellerin beabsichtigten Versammlung nicht erteilt. Diese Entscheidung ergehe im Interesse der Arbeits- und Funktionsfähigkeit des Gesetzgebungsorgans. Ihr liege im Wesentlichen die Erwägung zu Grunde, dass am Tag der Versammlung (5. November 2018) die konstituierende Plenarsitzung des Bayerischen Landtags stattfinden werde. Im Folgenden wurde im Wesentlichen das Schreiben der Präsidentin des Bayerischen Landtags vom 23. Oktober 2018 zitiert. Zudem wurde ausgeführt, dass die ernsthafte Besorgnis bestehe, dass die Landtagsabgeordneten und viele geladene Ehrengäste durch die Versammlung am freien Zugang zum Landtag, insbesondere auch zur Tiefgarageneinfahrt, gehindert würden. Daher komme eine Zulassung der von der Antragstellerin angezeigten öffentlichen Versammlung innerhalb des befriedeten Bezirks nicht in Betracht. Der von der Antragstellerin angesprochene Gleichheitsgrundsatz werde vorliegend nicht berührt, da keine Genehmigung für eine parallele Veranstaltung am 5. November 2018 von „… e.V.“ beziehungsweise den „…, auf deren Facebook-Seite und dortige Ankündigung einer Versammlung für den 5. November 2018 auf der Maximiliansbrücke die Antragstellerin in ihrem Antrag vom 18. Oktober 2018 Bezug genommen hat, erteilt worden sei. Insofern liege dem Antragsgegner bislang auch kein entsprechender Antrag vor.

2. Mit Schreiben vom … Oktober 2018 hat die Antragstellerin den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt.

Zur Begründung verwies sie zunächst auf die Beschlüsse des Verwaltungsgerichts München vom 12. April 2017 im Verfahren M 13 E 17.1488 und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 12. April 2017 im Verfahren 10 CE 17.751. Des Weiteren führte sie aus, dass weder eine Beeinträchtigung der Tätigkeit des Landtags noch eine Behinderung des freien Zugangs zum Landtagsgebäude ernsthaft zu besorgen sei. Es handele sich um ein unzulässiges generelles Verbot einer Versammlung. Der Einzelfall sei nicht geprüft worden. Beispielsweise könne niemand an der Einfahrt in die Tiefgarage gehindert werden, da sich diese an der Westauffahrt befinde und die Antragstellerin die Versammlung an der Ostpforte abhalten wolle. Auch gebe es eine Fläche an der Ostpforte, die seitlich des Eingangs groß genug sei, um durch einfache Absperrungen den Zugang zu sichern. Es sei zudem nicht geprüft worden, dass maximal mit einer Teilnehmerzahl von 20 Personen zu rechnen sei. Die Antragstellerin vertrete die stillen Naturgenießer, die keine Freunde von Massenveranstaltungen seien. Sie sei weder vom Innenministerium noch von der Landeshauptstadt M. näher befragt worden. Es handele sich um eine generelle, ungeprüfte Ablehnung. Natürlich könne die Antragstellerin die Versammlung auch an der Westpforte abhalten. Sie habe jedoch an die Trambahn gedacht, die sehr nahe daran vorbeifahre. Sie berufe sich auch auf den Gleichheitssatz. Im Internet, insbesondere bei Facebook, riefen „… e.V.“ und „die …“ zu einer Demonstration „…“ auf der Maximilianbrücke auf. Geworben werde mit einem Bild des Landschaftsschutzgebietes … Die Antragstellerin wolle ausdrücklich für die Erhaltung des Landschaftsschutzgebietes und den Schutz der stillen Naturgenießer vor einer Ausweitung der … zur politischen Kampfzone werben. Ihre Versammlung laute ... Laut Internet sei die Versammlung … bereits angezeigt. Es bestehe eine mit an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit, dass diese Versammlung im befriedeten Bezirk abgehalten werde. Daher wäre eine Zulassung unter der Bedingung möglich, dass auch andere Versammlungen zugelassen bzw. geduldet würden. Dann wäre dem Gleichheitssatz Genüge getan.

Mit Beschluss des Gerichts vom 25. Oktober 2018 wurde der Bayerische Landtag gem. § 65 Verwaltungsgerichtsordnung zum Verfahren beigeladen.

Der Antragsgegner nahm mit Schriftsatz vom 24. Oktober 2018, eingegangen am 25. Oktober 2018, zu dem Antrag Stellung und beantragte,

den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen.

Zur Begründung wurde ergänzend zum Bescheid vom 23. Oktober 2018 u.a. ausgeführt, dass die Antragstellerin keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht habe. Sie haben keinen Anspruch auf Zulassung der streitgegenständlichen Versammlung innerhalb des befriedeten Bereichs um den Bayerischen Landtag. Gemäß Art. 18 Bayerisches Versammlungsgesetz seien Versammlungen unter freiem Himmel innerhalb des befriedeten Bezirks grundsätzlich verboten. Dieser Verbotsregelung liege die gesetzgeberische Erwägung zugrunde, dass im Interesse der generellen Gewährleistung der Arbeits- und Funktionsfähigkeit des Landtags Versammlungen in einem eng räumlich umgrenzten Gebiet um den Bayerischen Landtag zurückzustehen hätten. Der Gesetzgeber treffe damit die grundlegende Abwägungsentscheidung, dass am konkreten Ort die Arbeits- und Funktionsfähigkeit des Parlaments in der Regel für höher gewichtet werde als die Versammlungsfreiheit des Einzelnen.

Wegen der hohen verfassungsrechtlichen Bedeutung der Arbeits- und Funktionsfähigkeit des Landtags dürften öffentliche Versammlungen unter freiem Himmel innerhalb des befriedeten Bezirks nur dann zugelassen werden, wenn eine Einschränkung der Arbeits- und Funktionsfähigkeit des Landtags nicht zu besorgen sei (vgl. LTDrucks 15/10181). Vorliegend habe die Antragstellerin nicht - wie geboten -glaubhaft gemacht, dass durch die von ihr geplante Versammlung eine Beeinträchtigung der Arbeits- und Funktionsfähigkeit des Landtags nicht zu besorgen sei. Die Zulassung der Versammlung setze gemäß Art. 19 Abs. 3 BayVersG zwingend das Einvernehmen der Landtagspräsidentin voraus. Das Einvernehmen sei jedoch vorliegend mit Schreiben vom 23. Oktober 2018 verweigert worden. Die Landtagspräsidentin habe ihr Einvernehmen zudem auch zu Recht verweigert. Ihrer Entscheidung liege im Wesentlichen die Erwägung zu Grunde, dass am Tag der Versammlung die konstituierende Plenarsitzung des Bayerischen Landtags stattfinden werde, sich der Landtag also gerade nicht in einer sitzungsfreien Woche befinde. In dieser Sitzung wähle der Landtag das Präsidium und stelle fest, ob und in welchem Umfang die Geschäftsordnung der vorausgegangenen Legislaturperiode übernommen werde (§ 2 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 4 Geschäftsordnung des Bayerischen Landtags). Sie sei mithin für die Arbeit des Landtags von grundlegender Bedeutung, weil sie erst zu seiner Existenz führe. Könnte die konstituierende Sitzung wegen Störungen durch Versammlungen im befriedeten Bezirk nicht ordnungsgemäß durchgeführt werden, wären Neuwahlen nötig, da der 5. November 2018 der letztmögliche Termin sei, um die 22-Tage-Frist gemäß Art. 16 Abs. 2 Bayerische Verfassung einzuhalten. Daher sei es besonders wichtig, dass die konstituierende Sitzung störungsfrei stattfinden könne.

Soweit im Schreiben vom 23. Oktober 2018 ausgeführt worden sei, dass der freie Zugang zum Landtag, insbesondere durch die Tiefgaragenzufahrt, ernsthaft beeinträchtigt sei, werde dies, da die Zufahrt zur Tiefgarage richtigerweise am Westeingang des Geländes liege, dahingehend berichtigt, dass ein Teil der geladenen Gäste den Landtag auch durch die Ostpforte anfahren werde, so dass auch hier Behinderungen zu befürchten seien. Soweit die Antragstellerin eine Fläche an der Ostpforte anspreche, die seitlich des Eingangs groß genug sei, um durch einfache Absperrungen den Zugang zu sichern, sei einzuwenden, dass durch den Landtag zwischenzeitlich ein Shuttle-Service für den Gottesdienst organisiert worden sei. Dies habe zur Folge, dass ab 10:15 Uhr regelmäßig bis zu vier Busse auf dem kleinen Platz vor der Ostpforte stehen würden - mithin genau im Versammlungsbereich. Ebenso sei es bei den Veranstaltungen rund um die konstituierende Sitzung des Landtags üblich, dass seitens des Fernsehens berichtet werde und LiveÜbertragungswägen im Bereich der Ostpforte stehen würden. Es verbleibe daher die ernsthafte Besorgnis, dass die Landtagsabgeordneten und viele geladene Ehrengäste durch die Versammlung am freien Zugang zum Landtag gehindert würden. Hieran ändere auch die vergleichsweise kleine Größe der beantragten Versammlung nichts.

Der Beigeladene trug in seiner Stellungnahme vom 25. Oktober 2018 vor, dass der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung in Form einer Zulassung der von der Antragstellerin für den 5. November 2018 geplanten Versammlung abzulehnen sein werde, da ein Anspruch auf Zulassung der Versammlung nach Art. 19 Abs. 1 Bayerisches Versammlungsgesetz nicht bestehe und damit schon kein Anordnungsanspruch gegeben sei. Ergänzend zu dem Schreiben vom 23. Oktober 2018, mit dem die Präsidentin des Bayerischen Landtags das Einvernehmen gemäß Art. 19 Abs. 3 Bayerisches Versammlungsgesetz abgelehnt hatte, verwies auch der Beigeladene auf die vom Antragsgegner beschriebenen zwischenzeitlich vorangeschrittenen Planungen für den Tag der konstituierenden Sitzung in Form des Shuttle-Services zwischen der Ostpforte des Bayerischen Landtags und der St. Matthäus-Kirche sowie die zwei Live-Übertragungswägen für die Fernsehübertragung der konstituierenden Sitzung im Bereich der Ostpforte. Bei der Entscheidung über das Einvernehmen sei berücksichtigt worden, dass dieses im Hinblick auf Art. 8 Grundgesetz dann nicht versagt werden dürfe, wenn keine konkrete Gefahr für das Schutzgut des befriedeten Bezirks bestehe. Vorliegend wäre bei Zulassung der Versammlung eine Beeinträchtigung der Arbeits- und Funktionsfähigkeit des Landtags ernsthaft zu besorgen. Die beabsichtigte Versammlung solle am Tag der konstituierenden Sitzung des 18. Bayerischen Landtags von 7 bis 21 Uhr mit bis zu 20 Teilnehmern im östlichen Eingangsbereich des Ma., dessen Hauptzugang, stattfinden. Erst mit diesem ersten Zusammentritt beginne die neue 18. Wahlperiode und würden die gewählten Kandidatinnen und Kandidaten zu Mitgliedern des Landtags. Diese Sitzung müsse gem. Art. 16 Abs. 2 Bayerische Verfassung spätestens am 5. November 2018 stattfinden. Zudem stelle der Landtag in dieser Sitzung fest, ob und in welchem Umfang die Geschäftsordnung der vorausgehenden Legislaturperiode übernommen werde, und es erfolge die Wahl eines der wichtigsten Gremien des Landtags, des Präsidiums. Aufgrund der Tatsache, dass es infolge des Wahlergebnisses zu einer Koalitionsregierung kommen werde sowie im Hinblick auf das Hinzutreten zweier im Landtag der 17. Legislaturperiode nicht vertretener Fraktionen seien sowohl bezüglich der Wahl des Präsidiums als auch insbesondere bezüglich der Geschäftsordnung lebhafte und zeitlich nicht abschätzbare Debatten zu erwarten. Zudem sei damit zu rechnen, dass es durch die geplante Versammlung im östlichen Zugangsbereich zu Behinderungen des Zugangs kommen werde. Dies betreffe sowohl den Zugang zu Fuß als auch die Zufahrt mit Dienstwägen. Im östlichen Eingangsbereich sei nicht nur die in der Anlage eingezeichnete Zu- und Abfahrt über den Süden in jedem Fall freizuhalten. Die Zu- und Abfahrtsmöglichkeit über den Norden sei daneben ebenso erforderlich. Insbesondere in Kombination mit dem geplanten Shuttle-Service mit bis zu vier Bussen sei mit erheblichen Behinderungen durch eine Versammlung mit bis zu 20 Teilnehmern zu rechnen. Hinzukomme, dass zwei sogenannte Übertragungswägen des Bayerischen Rundfunks in diesem Bereich untergebracht werden müssten, was im Hinblick auf die gegebene technische Infrastruktur alternativlos sei. Auch müsse die Zulassung der Versammlung auf oder vor der von der Antragstellerin nunmehr in Betracht gezogenen sog. Westauffahrt ausscheiden. Hiermit wäre eine Behinderung der Tiefgaragenzu- und -abfahrt verbunden. Die in der weiteren Anlage insoweit angegebenen Flächenangaben berücksichtigten noch nicht den Platzverlust, der aufgrund von Absperrungen (Verhindern des Übertritts in die Zu- und Abfahrt sowie die dort verlaufenden Tramgleise) erforderlich wäre.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen.

II.

Der vorliegende, nicht näher spezifizierte Antrag gem. § 123 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ist nach dem erkennbaren Begehren der Antragstellerin gem. § 122 Abs. 1, § 88 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) auf die Regelung eines (vorläufigen) Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis im Sinne von § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO gerichtet, d.h. konkret auf die Zulassung der von ihr beabsichtigten Versammlung am 5. November 2018 im befriedeten Bezirk des Bayerischen Landtags im Sinne von Art. 19 Abs. 1 Bayerisches Versammlungsgesetz (BayVersG). Bei der Entscheidung über diesen Antrag ist zudem davon auszugehen, dass jedenfalls im Verlauf des behördlichen und gerichtlichen Verfahrens die Antragstellerin die Zulassung der von ihr beabsichtigten Versammlung sowohl vor dem Osteingang als auch vor dem Westeingang des Bayerischen Landtags beantragt hat, der Beigeladene für beide Versammlungsorte sein Einvernehmen nicht erteilt hat und der Antragsgegner für beide Versammlungsorte die beantragte Zulassung abgelehnt hat.

1. Der Antrag auf Erlass einer sog. Regelungsanordnung im Sinne von § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO ist zulässig. Insbesondere ist ein solcher Antrag gem. § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO bereits vor der Erhebung einer in der Hauptsache statthaften Verpflichtungsklage in Form der Versagungsgegenklage statthaft. Ferner ist es unschädlich, dass die Antragstellerin nur allgemein den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt hat, ohne den Inhalt der begehrten Regelung näher zu präzisieren. Denn gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 938 Zivilprozessordnung bestimmt das Gericht nach freiem Ermessen, welche Anordnung zur Erreichung des Zwecks erforderlich ist.

2. Der Antrag auf Erlass der begehrten Regelungsanordnung im Sinne von § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO ist auch begründet. Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO ist eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Dies setzt gem. § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO voraus, dass der jeweilige Antragsteller die Tatsachen, aus denen sich der sog. Anordnungsanspruch, d.h. im Fall des § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO das regelungsbedürftige Rechtsverhältnis und die im Rahmen dessen drohende Rechtsverletzung, und der sog. Anordnungsgrund, d.h. die Dringlichkeit der begehrten Regelung, ergeben, glaubhaft macht. Auf der Grundlage der glaubhaft gemachten Tatsachen muss - im Versammlungsrecht nach grundsätzlich nicht nur summarischer, sondern möglichst umfassender Prüfung (vgl. BVerfG, B.v. 20.12.2012 - 1 BvR 2797/10 - juris Rn. 18) - eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für das Bestehen eines Anordnungsanspruchs sprechen (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2010 - 11 CE 10.262 - juris Rn. 20) und ein Anordnungsgrund bestehen. Maßgebend sind dabei die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts.

a) Vorliegend ist ein Anordnungsgrund gegeben. Ein Anordnungsgrund besteht, wenn es dem Rechtsschutzsuchenden nicht zugemutet werden kann, die Rechtsverletzung abzuwarten und der im Hauptsacheverfahren eröffnete Rechtsschutz die drohende Rechtsverletzung nicht mehr rechtzeitig zu verhindern vermag. Dies ist im Versammlungsrecht anzunehmen, wenn schon die kurzfristige Hinnahme der geltend gemachten Handlungsweise der Behörde geeignet ist, den Betroffenen in seinen Rechten besonders schwerwiegend zu beeinträchtigen, weil eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung von Grundrechten, insbesondere von Art. 8 Abs. 1 Grundgesetz (GG) droht, die mit einer Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann. Dabei ist eine Durchbrechung des Grundsatzes des Verbots der Vorwegnahme der Hauptsache (vgl. BVerwG, B.v. 13.8.1999 - 2 VR 1/99 - juris Rn. 24; BayVGH, B.v. 6.11.2000 - 4 ZE 00.3018 - juris Rn. 10; OVG Münster B.v. 28.2.1995 - 25 B 3185/94 - juris Rn. 4) bei zeitlich gebundenen Begehren, um die es sich bei der Durchführung einer für einen bestimmten Zeitpunkt geplanten Versammlung regelmäßig handelt, zur Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes im Sinne von Art. 19 Abs. 4 GG regelmäßig hinzunehmen (vgl. Dürig-Friedl, in: Dürig-Friedl/Enders, Versammlungsrecht, Einl. Rn. 137 f.; vgl. auch BVerfG, B.v. 20.12.2012 - 1 BvR 2794/10 - juris Rn. 18).

Vorliegend ist die von der Antragstellerin beabsichtigte Versammlung in ein Gesamtprogramm eingebunden, das zeitlich fixiert ist. Sie will bei der konstituierenden Sitzung des neu gewählten Landtags, in dem neue politische Weichen gestellt werden, mit örtlichem und zeitlichem Bezug hierzu auf ihre Anliegen aufmerksam machen. Der Veranstalter einer Versammlung hat gem. Art. 8 Abs. 1 GG das Recht, Zeit und Ort seiner Versammlung frei zu wählen und daher die Durchführung der von ihm geplanten Versammlung an dem Ort und zu der Zeit durchzusetzen, den er für den Zeitpunkt der Versammlung als Ort ausreichender Kommunikation bewertet (vgl. BVerfG, B.v. 14.5.1985 -1 BvR 233/81, 1 BvR 31 BvR 341/81 - juris Rn. 99; BVerfG, U.v. 29.10.1992 - 7 C 34/91 - juris Rn. 14). Die Versagung der Zulassung der für den 5. November 2018 vor der West- oder Ostpforte des Bayerischen Landtags beabsichtigten Versammlung betrifft damit offensichtlich nicht nur einen Randbereich von Art. 8 Abs. 1 GG. Die Veranstaltung der Versammlung an einem anderen Ort und/oder zu einer anderen Zeit hätte aufgrund des Wegfalls des unmittelbaren örtlichen und/oder zeitlichen Bezugs der Versammlung zur konstituierenden Sitzung des Landtags jedenfalls eine andere Bedeutung, so dass eine Eilbedürftigkeit für die vorliegende Entscheidung anzunehmen ist.

b) Es besteht auch die erforderliche überwiegende Wahrscheinlichkeit für das Bestehen eines Anordnungsanspruchs.

aa) In Beschränkung von Art. 8 Abs. 1 GG sind unter Nutzung des Gesetzesvorbehalts in Art. 8 Abs. 2 GG nach Art. 18 Satz 1 Bayerisches Versammlungsgesetz (BayVersG) Versammlungen unter freiem Himmel innerhalb des in Art. 17 BayVersG näherdefinierten befriedeten Bezirks des Bayerischen Landtags verboten. Die Bereiche vor den Pforten des Bayerischen Landtags liegen im Zentrum dieses befriedeten Bezirks. Gemäß Art. 19 Abs. 1, Abs. 3 BayVersG können nicht (bereits gem. Art. 15 BayVersG) verbotene Versammlungen in diesem Bereich durch das Bayerische Staatsministerium des Innern und für Integration (ehemals: des Innern, für Bau und Verkehr) im Einvernehmen mit der Präsidentin des Landtags zugelassen werden (vgl. LTDrucks 15/10181, S. 25; Dürig-Friedl, in: Dürig-Friedl/Enders, Versammlungsrecht, § 16 VersammlG Rn. 29).

Das generelle Verbot von Versammlungen unter freiem Himmel in unmittelbarer Nähe des Bayerischen Landtags gemäß Art. 18 Satz 1 BayVersG dient entsprechend der Gesetzesbegründung allein dem Schutz der Funktionsfähigkeit des Bayerischen Landtags (vgl. BayVGH, B.v. 12.4.2017 - 10 CE 17.751 - juris Rn. 8). Mögliche sonstige von der geplanten Versammlung für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgehende Gefahren sind hier dagegen nicht relevant (vgl. VG Hamburg, B.v. 12.10.1984 - 1 VG 2930/84 - NVwZ 1985, S. 678 <678>; Dürig-Friedl, in: Dürig-Friedl/Enders, Versammlungsgesetze, § 16 VersammlG Rn. 19). Neben dem Schutz vor physischen Einwirkungen dient das Verbot auch dem Schutz vor nicht hinzunehmenden mittelbaren Einwirkungen auf die Entscheidungsfreiheit der Abgeordneten, beispielsweise durch massive verbale Attacken oder bedrohliche Inszenierungen bei emotionalisierten Großdemonstrationen in unmittelbarer Nähe des Landtags (vgl. LTDrucks. 15/10181, S. 25; vgl. Werner, NVwZ 2000, S. 369 <370> allgemein zur Funktion von Bannmeilen). Durch das Verbot gem. Art. 18 Satz 1 BayVersG sollen folglich - im Interesse der Funktionsfähigkeit des Bayerischen Landtags - unmittelbare und mittelbare Einwirkungen auf die Abgeordneten ausgeschlossen werden.

Von diesem Verbot können gemäß Art. 19 Abs. 1 BayVersG Ausnahmen zugelassen werden. Bei der insoweit zu treffenden Ermessensentscheidung sind der Gewährleistungsgehalt und die Bedeutung von Art. 8 Abs. 1 GG und dabei insbesondere das Gebot der Verhältnismäßigkeit (so ausdrücklich auch OVG Münster, U.v. 22.12.1993 - 23 A 865/91 - NVwZ-RR 1994, S. 391 <391, 392>) von Eingriffen in den Schutzbereich von Art. 8 Abs. 1 GG zu beachten.

Unter Berücksichtigung des erläuterten Zwecks des grundsätzlichen Versammlungsverbots nach Art. 18 Satz 1 BayVersG ist das Ermessen gemäß Art. 19 Abs. 1 BayVersG auf Null reduziert, wenn eine Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit des Bayerischen Landtags, deren Vermeidung Art. 18 Satz 1 BayVersG dient, durch die beabsichtigte Versammlung nicht ernsthaft zu erwarten ist, also keine Gefahr für die Funktionsfähigkeit des Bayerischen Landtags besteht (vgl. BayVGH, B.v. 12.4.2017 - 10 CE 17.751 - juris Rn. 9; VG Hamburg, B.v. 12.10.1984 - 1 VG 2930/84 - NVwZ 1985, S. 678 <678>; VG München, B.v. 12.4.2017 - M 13 E 17.1488 - BeckRS 2017, 107807 Rn. 27; Werner, NVwZ 2000, S. 369 <371>; LTDrucks 15/10181, S. 25, wo jedoch auch für diesen Fall angenommen wird, dass eine Versammlung zugelassen werden „kann“). In Rechtsprechung und Literatur ist insoweit geklärt, dass der Zulassungsbehörde bei der Entscheidung über die Zulassung einer Versammlung im befriedeten Bezirk im Sinne von Art. 19 Abs. 3 BayVersG kein Ermessen zusteht. Für den Fall, dass eine Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit des Landtags nicht zu besorgen ist, ist die Versammlung im befriedeten Bezirk zwingend zuzulassen (vgl. Merk, in: Wächtler/Heinhold/Merk, Bayerisches Versammlungsgesetz, Art. 17-19 Rn. 6; Kniesel, in: Dietel/Gintzel/Kniesel, Versammlungsgesetze, 17. Aufl. 2016, § 16 Rn. 10; Dürig-Friedl, in: Dürig-Friedl/Enders, Versammlungsrecht, § 16 VersammlG Rn. 23, 31). Kann durch die beabsichtigte Versammlung die Funktionsfähigkeit des Bayerischen Landtags ernsthaft beeinträchtigt werden, ist im Rahmen der Ermessensentscheidung gem. Art. 19 Abs. 1 BayVersG eine Abwägung zwischen der Funktionsfähigkeit des Landtags und der Versammlungsfreiheit sowie gegebenenfalls sonstigen betroffenen Grundrechten vorzunehmen (vgl. BayVGH, B.v. 12.4.2017 - 10 CE 17.751 - juris Rn. 9; Dürig-Friedl, in: Dürig-Friedl/Enders, Versammlungsrecht, § 16 VersammlG Rn. 22; Merk, in: Wächtler/Heinhold/Merk, Bayerisches Versammlungsgesetz, Art. 17-19 Rn. 8).

bb) In Anwendung dieser Grundsätze ist der Antragsgegner vorliegend im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die von der Antragstellerin beantragte Zulassung einer Versammlung für die Grünfläche vor der Westpforte des Bayerischen Landtags (um den dortigen Springbrunnen herum) zu erteilen.

Nach den dem Gericht im Zeitpunkt seiner Entscheidung bekannten Sachverhalt besteht bei der von der Antragstellerin beabsichtigten Versammlung am 5. November 2018 vor der Westpforte des Bayerischen Landtags - anders als vor der Ostpforte - keine ernstliche Gefahr der Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit des Bayerischen Landtags.

Zwar findet an diesem Tag und gerade auch während der beabsichtigten Versammlung die konstituierende Sitzung des am 14. Oktober 2018 neu gewählten Bayerischen Landtags statt und liegt die geplante Versammlung - anders als in dem der von der Antragstellerin in Bezug genommenen Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 12. April 2017 zugrunde liegenden Sachverhalt (M 13 E 17.1488) - nicht in einer sitzungsfreien Woche. Dennoch ist nicht davon auszugehen, dass die durch Art. 18 BayVersG allein geschützte Funktionsfähigkeit des Bayerischen Landtags als Gesetzgebungsorgan durch die von der Antragstellerin geplante Versammlung am 5. November 2018 im Falle ihrer Durchführung auf der Grünfläche vor der Westpforte des Bayerischen Landtags ernsthaft beeinträchtigt wird.

(1) Es ist nicht erkennbar, dass es durch die geplante Versammlung im Falle ihrer Durchführung auf der Grünfläche vor der Westpforte des Bayerischen Landtags - anders als auf der Freifläche vor der Ostpforte - zu einer die Funktionsfähigkeit des Landtags gefährdenden physischen Einwirkung auf die Abgeordneten, Mitarbeiter und die während und im Anschluss an die konstituierende Sitzung des neu gewählten Landtags zum feierlichen Empfang anwesenden Gäste kommen wird. Insofern kann dahinstehen, ob der Schutzzweck der Bannmeile um den Bayerischen Landtag repräsentative Anlässe, wie den im Anschluss an die konstituierende Sitzung stattfindenden Empfang, überhaupt umfasst (jedenfalls zweifelnd Werner, NVwZ 2000, S. 369 <372>). Zwar kann es durch die Versammlung auf der Grünfläche vor der Westpforte des Bayerischen Landtags - insbesondere durch die sich auf dem Weg zur und von der Versammlung befindlichen Teilnehmer an derselben - grundsätzlich zu Behinderungen bei der Zu- und Ausfahrt aus der Tiefgarage des Landtags kommen. Angesichts der geringen Zahl der zu erwartenden Versammlungsteilnehmer -laut Anzeige der Versammlung an die Landeshauptstadt M. vier gleichzeitig teilnehmende Personen, laut Ausführungen der Antragstellerin in der Antragsschrift maximal 20 Teilnehmer (vgl. Werner, NVwZ 2000, S. 369 <372>, der davon ausgeht, dass eine kleine Versammlung von 3 bis 25 Personen aufgrund der geringen physischen Zwangswirkung regelmäßig zuzulassen ist) - und des sehr beschränkten Einsatzes von Versammlungshilfs- und Kundgebungsmitteln (ein Infotisch und Plakate) sind diese jedoch nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht nur zeitlich kurzfristig, sondern auch zahlenmäßig gering. Hierbei ist zudem zu berücksichtigen, dass sich im Bereich der Ein- und Ausfahrt zur Tiefgarage, insbesondere am Tag der konstituierenden Sitzung, unabhängig vom Stattfinden einer Versammlung Fußgänger aufhalten können, auf die der motorisierte Verkehr Rücksicht nehmen muss. Zudem kann die Zuund Abfahrt zur Tiefgarage durch entsprechende Auflagen zu den von den Versammlungsteilnehmern einzuhaltenden Versammlungs- und Aufstellungsflächen, Auf- und Abbauzeiten sowie Zugangswegen und ggf. auch -zeiten gesichert werden (vgl. auch hierzu auch Werner, NVwZ 2000, S. 369 <372>).

Dasselbe gilt grundsätzlich auch im Hinblick auf von einer Versammlung ausgehende akustische Beeinträchtigungen der Parlamentsarbeit, die jedoch vorliegend aufgrund der geringen Teilnehmerzahl und des Verzichts auf akustische Kundgebungs- und Versammlungshilfsmittel soweit ersichtlich ohnehin nicht ernsthaft zu befürchten sind. Hierzu dient gerade die Notwendigkeit der parallelen Anzeige der Versammlung gem. Art. 13 BayVersG bei der Versammlungsbehörde im Sinne von Art. 24 Abs. 2 Satz 1 BayVersG (vgl. Art. 19 Abs. 4 BayVersG und LTDrucks 15/10181, S. 25). Die sich aus der sehr nahe am Beginn des westlichen Zugangs zum Gelände des Bayerischen Landtags verlaufenden Trambahn ergebende Problematik einer möglichen Gefährdung von Verkehrsteilnehmern und möglicherweise auch der Versammlungsteilnehmer auf ihrem Weg von und zum Versammlungsort ist im Rahmen der Entscheidung nach Art. 19 Abs. 1 BayVersG nicht relevant. Diese Frage ist im Rahmen des Art. 15 BayVersG zu lösen.

(2) Auch eine die Funktionsfähigkeit des Landtags gefährdende mittelbare Einwirkung auf die Entscheidungsfreiheit der Abgeordneten durch die geplante Versammlung ist für das Gericht nicht erkennbar.

Zwar bezweckt die Versammlung mit dem Thema „…" durchaus eine Einflussnahme auf die Haltung der Abgeordneten zum Thema „…“ bzw. zumindest allgemein zu naturschutzrechtlichen Themen. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass das Grundgesetz, insbesondere Art. 8 Abs. 1 GG, die Einflussnahme des Bürgers auf die politische Willensbildung auch jenseits von Wahlen durch die Veranstaltung von und Teilnahme an Demonstrationen schützt - auch wenn sie in Hör- und Sichtweite des Parlaments stattfinden. Art. 8 Abs. 1 GG schützt auch den „Druck von der Straße“ (vgl. Kniesel, in: Dietel/Gintzel/Kniesel, Versammlungsgesetze, 17. Aufl. 2016, § 16 Rn. 9). Insoweit kann eine im Rahmen von Art. 18, 19 BayVersG relevante Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit des Parlaments jedenfalls nur dann angenommen werden, wenn - wovon auch die Gesetzesbegründung ausgeht (LTDrucks 15/10181, S. 25) - der „Druck von der Straße“ eine gewisse Erheblichkeit erreicht bzw. zu erreichen droht, z.B. in Form massiver verbaler Attacken oder bedrohlicher Inszenierungen bei emotionalisierten Großdemonstrationen (auf die Massivität des Drucks abstellend auch OVG Münster, U.v. 22.12.1993 - 23 A 865/91 - NVwZ-RR 1994, S. 391 <392>). Bei der vorliegend geplanten - aufgrund des Verzichts auf akustische Versammlungshilfs- und Kundgebungsmittel eher „stillen“ Versammlung mit maximal 20 Teilnehmern und der Verwendung von lediglich einem Infotisch und von Plakaten als Versammlungshilfs- und Kundgebungsmittel zum Thema „…" ist nicht ersichtlich, dass von ihr ein massiver Druck auf die Abgeordneten ausgehen könnte (vgl. Werner, NVwZ 2000, S. 369 <372>, der davon ausgeht, dass eine kleine Versammlung von 3 bis 25 Personen aufgrund der geringen psychischen Zwangswirkung regelmäßig zuzulassen ist). Es kommt hinzu, dass sich die für den 5. November 2018 geplante Versammlung nicht auf Themen bezieht, die einen Bezug zu der an diesem Tag aktuellen parlamentarischen Arbeit im Landtag aufweisen (vgl. zu diesem Aspekt OVG Münster, U.v. 22.12.1993 - 23 A 865/91 - NVwZ-RR 1994, S. 391 <392>; Merk, in: Wächtler/Heinhold/Merk, Bayerisches Versammlungsgesetz, Art. 17-19 Rn. 7; Werner, NVwZ 2000, S. 369 <371 f.>). In der konstituierenden Sitzung des neu gewählten Landtags am 5. November 2018 werden keine Entscheidungen zu Sachthemen getroffen. Zweck dieser Sitzung ist die Wahl der Präsidentin bzw. des Präsidenten des Landtags und der weiteren Präsidiumsmitglieder (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Geschäftsordnung des Bayerischen Landtags). Zudem gibt sich der Landtag eine (neue) Geschäftsordnung (§ 2 Abs. 4 Geschäftsordnung des Bayerischen Landtags). Mangels Bezugs zu einem am 5. November 2018 im Bayerischen Landtag aktuellen Beratungs- oder Beschlussthema geht der von der geplanten Versammlung ausgehende mittelbare Einfluss auf die Entscheidungsfreiheit der Abgeordneten nicht über das Maß hinaus, dem sie auch sonst, d.h. ohne unmittelbaren zeitlichen und örtlichen Bezug zur unmittelbaren Parlamentsarbeit und zu einer in deren Rahmen unmittelbar anstehenden Entscheidung allgemein im Wahlkreis und der sonstigen Öffentlichkeit bei Veranstaltungen verschiedenster Art, durch Lobbyarbeit, durch Presseberichterstattung u.Ä. ausgesetzt sind.

(3) Daraus wird deutlich, dass eine ins Gewicht fallende Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit des Bayerischen Landtags durch die von der Antragstellerin geplante Versammlung im Fall ihrer Veranstaltung auf der Grünfläche vor der Westpforte des Bayerischen Landtags praktisch ausgeschlossen ist. Daher steht die mit der Aufrechterhaltung des Versammlungsverbots gemäß Art. 18 Satz 1 BayVersG verbundene Einschränkung der Wahl des Versammlungsortes außer Verhältnis zur Bedeutung des Verbots für die Funktionsfähigkeit des Bayerischen Landtags und ist die von der Antragstellerin am 5. November 2018 geplante Versammlung auf der Grünfläche vor der Westpforte des Bayerischen Landtags gemäß Art. 19 Abs. 1 BayVersG zuzulassen.

Dem steht nicht entgegen, dass der Beigeladene das Einvernehmen zu einer Zulassung der beabsichtigten Versammlung der Antragstellerin am 5. November 2018 auch im Hinblick auf eine Fläche vor dem Westeingang nicht erteilt hat und der Antrag nach § 123 VwGO nicht auch gegen den Beigeladenen gerichtet wurde. Zwar bindet die Verweigerung des Einvernehmens gem. Art. 19 Abs. 3 BayVersG den Antragsgegner bei der von ihm nach Art. 19 Abs. 1 BayVersG zu treffenden Entscheidung. Sie steht jedoch einer gerichtlichen Überprüfung der Verweigerung der Zulassung im Verfahren gegen den Antragsgegner nicht im Wege. Denn bei sog. „mehrstufigen“ Verwaltungsakten wie der Zulassung gem. Art. 19 Abs. 1, Abs. 3 BayVersG kann nur die Entscheidung des nach außen handelnden Antragsgegners zum Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens gemacht werden. Erweist sich dabei die interne (aber gleichwohl bindende) Entscheidung des mitwirkungspflichtigen Beigeladenen als rechtswidrig, wird sie durch die gerichtliche Entscheidung ersetzt (vgl. VG Hamburg, B.v. 12.10.1984 - 1 VG 2930/84 - NVwZ 1985, S. 678 <678 f.> m.w.N.)

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

4. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG) i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs.

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Verwaltungsgericht München Beschluss, 12. Apr. 2017 - M 13 E 17.1488

bei uns veröffentlicht am 12.04.2017

Tenor I. Der Antragsgegner zu 1 wird verpflichtet, die Versammlung des Antragstellers im befriedeten Bezirk des Bayerischen Landtags am 12. April 2017 zuzulassen. Die Zulassung erfolgt nur mit der Maßgabe, dass Mitführen von Orig

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 12. Apr. 2017 - 10 CE 17.751

bei uns veröffentlicht am 12.04.2017

Tenor I. Unter Abänderung des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 12. April 2017 wird die Maßgabe in I. Satz 2 des Beschlusstenors aufgehoben. Die Anschlussbeschwerde des Antragsgegners wird zurückgewiesen.

Bundesverfassungsgericht Stattgebender Kammerbeschluss, 20. Dez. 2012 - 1 BvR 2794/10

bei uns veröffentlicht am 20.12.2012

Tenor 1. Die Beschlüsse des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 15. Oktober 2010 - 3 L 1556/10 - und des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 15. Oktober 2010 - 3 B 307/10 - verletzen die Beschwerde

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Tenor

I. Der Antragsgegner zu 1 wird verpflichtet, die Versammlung des Antragstellers im befriedeten Bezirk des Bayerischen Landtags am 12. April 2017 zuzulassen.

Die Zulassung erfolgt nur mit der Maßgabe, dass Mitführen von Original- und/oder nachgebildeten Waffen (auch historische) im Bereich des befriedeten Bezirks des Bayerischen Landtags untersagt ist.

Die Antragsgegnerin zu 2 wird verpflichtet, die Versammlung zu dulden.

II. Der Antragsgegner zu 1 trägt die Kosten des Verfahrens.

III. Der Streitwert wird auf 2.500,-- EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung die Zulassung einer Versammlung im befriedeten Bezirk des Bayerischen Landtags.

1. Mit Schreiben vom … März 2017 beantragte der Antragsteller beim Bayerischen Staatsministerium des Inneren, für Bau und Verkehr die Zulassung einer Versammlung im befriedeten Bereich des Bayerischen Landtags für den Nachmittag des 12. April 2017 mit dem Titel „Deutscher Oktober 1918 - 1923 - Revolution statt Krieg“.

Gleichzeitig wurde der Antrag als versammlungsrechtliche Anmeldung an das Kreisverwaltungsreferat der Landeshauptstadt München gerichtet. Die Versammlungsbehörde hat über den Antrag noch nicht entschieden.

Dem Antrag war eine Beschreibung des Ablaufs der geplanten Versammlung beigefügt.

Danach beabsichtigen die Antragsteller Versammlungen am 12., 13. und 29. April 2017 innerhalb des Stadtgebiets an etwa zehn Orten sowie Aufzügen an diesen Tagen in mehreren Stadtteilen. Für den 12. April 2017 ist im Rahmen dieses Gesamtprojekts zwischen 16.30 und 17.30 Uhr am Haupteingang des Bayerischen Landtags beabsichtigt, einen „künstlerischen Zug“ mit etwa 80 Mitwirkenden aufzustellen, insgesamt wird mit etwa 100 Teilnehmern gerechnet. Der Zug soll insbesondere aus einem historischen Fahrzeug - kleiner Pritschenwagen mit Darstellern -, eine als Holzbau nachgebaute historische Requisite einer Kanone sowie „Schauspieler“, die Holzgewehre aus historischer Darstellung mit sich führen, und weiteren historischen Darstellungen bestehen. Auf den Antrag und die Anlagen dazu wird im Einzelnen verwiesen.

Mit Bescheid vom 6. April 2017 lehnte der Antragsgegner zu 1 den Antrag auf Zulassung der Versammlung innerhalb des befriedeten Bereichs des Bayerischen Landtags ab.

Innerhalb des befriedeten Bereichs seien Versammlungen nach Art. 18 Satz 1 BayVersG verboten. Sie könnten dort nur mit Zustimmung der Präsidentin des Bayerischen Landtags nach Art. 19 Abs. 3 BayVersG zugelassen werden. Die Präsidentin habe ihr Einvernehmen für die Durchführung der angemeldeten Versammlung innerhalb des befriedeten Bereichs nicht erteilt, um die Arbeits- und Funktionsfähigkeit des Gesetzgebungsorgans zu sichern. Die Versammlung solle nicht nur am Rande, sondern im Kernbereich des befriedeten Bezirks stattfinden. Aufgrund der Teilnehmerzahl sei mit eine Erschwerung oder Verhinderung des Zutritts zum Parlamentsgebäude zu rechnen. Da die mitgeführten Requisiten auch ein entsprechendes Drohpotential, insbesondere durch die Schusswaffen, darstel len könnten, sei auch aus diesem Grund das Einvernehmen versagt worden. Zudem sei der Bayerische Landtag als Verfassungsorgan für die im Rahmen der Versammlung beabsichtigte Übergabe des Porträts des ersten Bayerischen Ministerpräsidenten nicht der richtige Adressat. Auf den Bescheid wird im Einzelnen verwiesen.

2. Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom … April 2017 ließ der Antragsteller den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragen.

Die Nichterteilung des Einvernehmens durch die Präsidentin des Bayerischen Landtags und die Zurückweisung des Antrags durch den Antragsgegner zu 1 sei rechtswidrig. Der Antragsteller könne aus Art. 5 Abs. 3 und Art. 8 GG einen Anspruch auf die Genehmigung der als Kunstaktion anzusehenden Versammlung geltend machen. Art. 19 BayVersG sei verfassungsgemäß einschränkend auszulegen. Versammlungen im befriedeten Bezirk seien zulässig, soweit dadurch nicht der Geschäftsbetrieb des Landtags beeinträchtigt werde. Dies sei hier nicht der Fall, der Bayerische Landtag befinde sich am Versammlungstag in einer sitzungsfreien Woche. Auch werde durch die Requisiten, die die Versammlung mitführe, keine Bedrohung für die Landtagsarbeit aufgebaut. Vielmehr werde in künstlerischer Art und Weise an das Revolutionsgeschehen erinnert, das in Bayern im Übrigen absolut unblutig verlaufen sei. Dass die Landtagspräsidentin das Bild des ersten bayerischen Ministerpräsidenten nicht entgegen nehmen wolle, ändere nichts an der Zulässigkeit der Versammlung.

Die ausreichende Eilbedürftigkeit des Antrags sei zu bejahen. Durch die Versammlung werde an das Revolutionsgeschehen im Zusammenhang mit der Oktoberrevolution und dem Entstehen der Münchner Räterepublik erinnert. Diese Erinnerungsdaten seien nicht verschiebbar, der Ausgang eines Hauptsacheverfahrens könne nicht abgewartet werden. Auf den Antragsschriftsatz wird Bezug genommen.

Der Antragsteller lässt beantragen,

  • 1.den Antragsgegner zu 1 im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die im Rahmen der Kunstaktion „Deutscher Oktober 1918 -1923 - Revolution statt Krieg“ angemeldete Kundgebung mit Kunstcharakter am 12. April 2017 von 16.30 bis 17.30 Uhr im befriedeten Bezirk des Landtages - Haupteingang Max-Planck Straße 1 - zuzulassen

  • 2.die Antragsgegnerin zu 2 im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr Einvernehmen zu der Zulassung der Kunstaktion im befriedeten Bezirk des Landtages zu erteilen.

Der Antragsgegner zu 1 nahm mit Schriftsatz vom 11. April 2017 zum Antrag Stellung und beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Der Antragsteller könne keinen Anspruch auf die Zulassung der Versammlung im befriedeten Bereich des Landtags geltend machen. Es sei bereits nicht auszuschließen, dass der Landtag am Versammlungstag trotz der sitzungsfreien Woche zu einer kurzfristig einberufenen Sondersitzung zusammentrete. Jedenfalls wären aber Mitarbeiter der Landtagsverwaltung und die laufenden Baumaßnahmen am Landtag von der Versammlung beeinträchtigt. Art. 18 BayVersG verbiete Versammlungen innerhalb des befriedeten Bereichs des Landtags, um die Funktionsfähigkeit des Parlaments zu sichern und das freie Mandat des einzelnen Abgeordneten zu schützen. In Abwägung dazu müsse das Versammlungsrecht des Antragstellers zurücktreten, da er nicht glaubhaft gemacht habe, dass Beeinträchti gungen dieser Schutzgüter nicht zu besorgen seien. Es stehe zu vermuten, dass der Zugang zum Parlament für einen nicht nur unerheblichen Zeitraum beeinträchtigt und blockiert werde. Weiter ergäben sich aus den Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden Bedenken, ob die Versammlung gewaltfrei ablaufen werde. Eine vergleichbare Versammlung in Nürnberg sei vom dortigen Veranstalter entgegen versammlungsrechtlicher Auflagen durchgeführt worden, mit dem Versammlungsleiter habe eine sinnvolle Kommunikation nicht stattfinden können. Auf die Antragserwiderung des Antragsgegners zu 1 wird im Einzelnen verwiesen.

Die Bevollmächtigte des Antragstellers nahm mit Schriftsatz vom … April 2017 zur Antragserwiderung umfassend Stellung. Darauf wird im Einzelnen verwiesen.

Der Antragsgegner zu 2 beantragt mit Schriftsatz vom 11. April 2017, den Antrag abzulehnen.

Der Antrag sei jedenfalls wegen der fehlenden Passivlegitimation des Antragsgegners zu 2 unbegründet. Der Antragsgegner zu 2 sei nicht richtiger Antragsgegner, er wirke nur intern im Rahmen der Beteiligung nach Art. 19 Abs. 3 BayVersG gegenüber dem Antragsgegner zu 1 mit. Gegenüber dem Antragsteller trete der Antragsgegner zu 2 nach außen nicht auf, der Antrag sei auch nur gegenüber dem Antragsteller zu 1 nach Art. 19 Abs. 2 Satz 1 BayVersG zu richten. Jedenfalls sei der Antrag aber aus den Gründen abzulehnen, die der Antragsgegner zu 1 in seinem Schriftsatz vom 11. April 2017 dargelegt habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der gesamten Gerichtsakte Bezug genommen.

II.

Der nach § 123 Abs. 1, Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) gestellte Antrag ist zulässig erhoben, soweit er gegen den Antragsgegner zu 1 gerichtet ist.

Gegen den Antragsgegner zu 2 bedarf es dagegen keiner eigenen Antragstellung, da der Antragsgegner zu 2 nur im Rahmen der internen Beteiligung an der Entscheidung des Antragsgegners zu 1 nach Art. 19 Abs. 3 Bayerisches Versammlungsgesetz (BayVersG) mitwirkt. Die gerichtliche Entscheidung gegenüber dem Antragsgegner zu 1 bindet insoweit auch den Antragsgegner zu 2. Aus Gründen der Rechtssicherheit geht das Gericht jedoch für das vorliegende Eilverfahren davon aus, dass der ausdrücklich gestellte Antrag die gleichen Rechtswirkungen wie eine Beiladung des Antragsgegners zu 2 entfaltet und durch eine Tenorierung im vorgenommenen Umfang entsprechend zum Ausdruck kommt.

Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht auch schon vor der Klageerhebung eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf den Streitgegenstand treffen. Dieser Antrag setzt voraus, dass der Antragsteller die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung, den sog. Anordnungsgrund, sowie den Anordnungsanspruch, das Bestehen des zu sichernden Rechts, glaubhaft macht (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Maßgebend sind dabei die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts.

1. Ein Anordnungsgrund ist im Versammlungsrecht dann zu bejahen, wenn es dem Rechtsschutzsuchenden nicht zugemutet werden kann, Rechtsschutz gegen die Versagung der beantragten Versammlung erst im Hauptsacheverfahren zu erlan gen. Wird durch die versammlungsrechtliche Entscheidung der Kernbereich des dem Antragsteller zustehenden Grundrechts aus Art. 8 Abs. 1 Grundgesetz (GG) beeinträchtigt, und kann diese Verletzung des Grundrechts durch die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden, ist das Vorliegen eines Anordnungsgrund zu bejahen (Dürig-Friedl in Dürig-Friedl/Enders, Versammlungsrecht, 2016, Einl. Rn. 137). Dabei ist bei den zeitlich gebundenen Begehren, um die es sich regelmäßig bei der Durchführung von einer vom Antragsteller für einen bestimmten Zeitpunkt geplanten Versammlung handelt, hinzunehmen, dass die gerichtliche Entscheidung notwendig mit einer Vorwegnahme der Hauptsache verbunden ist (Dürig-Friedl, Versammlungsrecht, Einl. Rn. 138; Happ in Eyer-mann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 123 Rn. 66 c; vgl. auch BVerfG (Kammer), B.v. 20.12.2012 - 1 BvR 2794/10 - NVwZ 2013, 570 Rn. 18 zu der mit dem im Versammlungsrecht im Rahmen des Eilverfahrens gebotenen umfassenden Prüfung).

Vorliegend ist die vom Antragsteller angemeldete Versammlung in ein Gesamtprogramm eingebunden, das zeitlich fixiert ist. Eine Verschiebung ist damit nicht möglich, so dass eine Eilbedürftigkeit für die vorliegende Entscheidung zu bejahen ist.

Für das Gericht ist zwar nicht ohne weiteres nachvollziehbar, dass die Versammlung als historischer Zug mit dem Thema „Revolution statt Krieg“ als einen Versammlungsort den Eingang zum Bayerischen Landtag als Bezugsort wählt, während ansonsten die Aktion auf Orte mit Bezug zu Arbeitnehmern bzw. Arbeiterräten abzielt. Allerdings ist es dem Veranstalter einer Versammlung grundsätzlich zuzubilligen, Zeit und Ort seiner Versammlung frei zu wählen. Dieses durch Art. 8 Abs. 1 GG geschützte Grundrecht betrifft damit auch das Recht des Antragstellers, die Durchführung der von ihm geplanten Versammlung an dem Ort durchzusetzen, den er für den Zeitpunkt der Versammlung als Ort ausreichender Kommunikation bewertet (vgl. BVerfG (Kammer), B.v. 20.6.2014 - 1 BvR 980/13 - NJW 2014, 2706 Rn. 19: „Danach war in der vorliegenden Situation auf dem Friedhof ein kommunikativer Verkehr eröffnet“).

2. Der Antragsteller kann auch einen Anordnungsanspruch geltend machen, soweit er die Zulassung der Versammlung im befriedeten Bereich des Bayerischen Landtags begehrt. Allerdings ist zum Schutz des Landtags die Zulassung nur unter Maßgaben zu erteilen.

a) Nach Art. 18 Satz 1 BayVersG sind Versammlungen unter freiem Himmel innerhalb des befriedeten Bezirks des Bayerischen Landtags (Art. 17 BayVersG) verboten. Nicht verbotene Versammlungen in diesem Bereich können nach Art. 19 Abs. 1 BayVersG durch das Staatsministerium des Inneren im Einvernehmen mit der Präsidentin des Bayerischen Landtags (Art. 19 Abs. 3 BayVersG) zugelassen werden.

Nach der Gesetzesbegründung zu Art. 18 BayVersG (abdruckt bei Wächtler/Heinhold/Merk, Bayerisches Versammlungsgesetz, 2011, zu Art. 17 - 19) hat die Festlegung des befriedeten Bezirks die Funktionsfähigkeit des Landtages zum Ziel. Neben dem Schutz vor physischen Einwirkungen auf die Landtagsabgeordneten soll vor allem auch der Schutz der Entscheidungsfreiheit des Parlaments gewährleistet werden. Verboten sind somit sämtliche unmittelbare und mittelbare Einwirkungen auf das Parlament.

Von diesem Verbot ist aber unter Beachtung des durch Art. 8 Abs. 1 GG geschützten Grundrechts der Versammlungsfreiheit zwingend eine Ausnahme zuzulassen, wenn die vorbeschriebenen Auswirkungen durch die Versammlung nicht zu erwarten sind. In Rechtsprechung und Literatur ist insoweit geklärt, dass bei der Entscheidung über die Zulassung einer Versammlung im befriede ten Bezirk der Zulassungsbehörde kein Ermessensspielraum zusteht. Für den Fall, dass eine Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit des Landtages nicht zu besorgen ist, ist die Versammlung auch im befriedeten Bereich zuzulassen (Merk in Wächtler/Heinhold/Merk, BayVersG, Art. 17 - 19 Rn. 6; Kniesel in Die-tel/Gintzel/Kniesel, Versammlungsgesetze, 17. Aufl. 2016, Rn. 10, 12; Dürig-Friedl in Dürig-Friedl/Enders, Versammlungsrecht, § 16 VersammlG Rn. 2 und 23).

b) In Anwendung dieser Grundsätze ist der Antragsgegner zu 1 zu verpflichten, die beantragte Zulassung zu erteilen.

Nach dem dem Gericht im Zeitpunkt seiner Entscheidung bekannten Sachverhalt besteht keine Gefahr der unmittelbaren oder mittelbaren Einwirkung auf die Funktionsfähigkeit des Landtags durch die Versammlung.

aa) Der Landtag hat am Versammlungstag keine Sitzung, das Parlament befindet sich in einer sitzungsfreien Woche.

Dies führt zwar entgegen der Auffassung der Antragstellerseite nicht dazu, damit per se jede Einwirkung auf das Parlament oder den einzelnen Abgeordneten zu verneinen. Denn auch in diesem Zeitraum ist natürlich von der Anwesenheit von (einzelnen) Abgeordneten und deren Mitarbeitern am Parlamentssitz auszugehen. Gleichzeitig ist auch durch die Gewährleistung des freien Zugangs zum Landtag dessen allgemeine Arbeitsfähigkeit sicherzustellen.

Andererseits ist aufgrund dieser Situation nicht davon auszugehen, dass die durch Art. 18 BayVersG alleine geschützte Funktionsfähigkeit des Land tags als Gesetzgebungsorgan durch die Versammlung beeinträchtigt wird. Es ist nach dem Vorbringen der Parteien nicht erkennbar, dass eine unmittelbare Einwirkung auf die Entscheidungsfreiheit der Abgeordneten zu erwarten ist. Der Zugang zum Parlamentsgebäude kann durch entsprechende Auflagen zu den von den Versammlungsteilnehmern einzuhaltenen Aufstellungsflächen (vgl. zur Notwendigkeit der parallelen Beantragung einer versammlungsrechtlichen Erlaubnis bei der Versammlungsbehörde und der von dieser zu treffenden Entscheidung die Gesetzesbegründung zu Art. 19 BayVersG und die Regelung in Art. 19 Abs. 4 BayVersG) gesichert werden. Angesichts der Versammlungsfläche auf der Ostseite des Landtagsgebäudes und den dort zur Verfügung stehenden Flächen ist auch nicht damit zu rechnen, dass eine „Blockade“ des Zugangs zum Parlamentsgebäude erfolgt.

bb) Auch eine mittelbare Einwirkung auf die Funktionsfähigkeit des Landtags ist für das Gericht nicht erkennbar.

Nach der in der Literatur unter Berücksichtigung des Grundrechts aus Art. 8 Abs. 1 GG vertretenen Auffassung, ist die Einflussnahme auf die politische Willensbildung durch Versammlungen auch in Sicht- und Hörweite des Parlaments grundsätzlich zulässig. Erst wenn durch eine der „Druck der Straße“ alleine dem Zweck dient, das Parlament in seiner Entscheidungsfin-dung zu beeinflussen, gebietet der Schutzzweck des Art. 18 BayVersG die Ablehnung der Zulassung der Versammlung innerhalb des befriedeten Bereichs (Kniesel, Versammlungsgesetze, § 16 VersammlG Rn. 9).

Vorliegend bezieht sich die Versammlung nicht auf Themen, die der Zuständigkeit des Bayerischen Landtags unterliegen. Die vom Antragsteller in den Mittelpunkt der Versammlung gestellte generelle Thematik der sog. Münchner Räterepublik hat zwar einen Bezug zu Fragen der parlamentarischen Demokratie. Gegenstand der Versammlung ist aber eine historische Betrachtung und nicht die konkrete Entscheidungsfindung im Parlament.

Damit ist aber eine mittelbare Einwirkung auf die Beschlussfassungen des Landtags bereits deshalb ausgeschlossen. Auch wenn die Versammlung vor dem Besuchereingang zum Parlamentsgebäude stattfindet, ist dessen Arbeit dadurch auch nicht mittelbar berührt.

cc) Es ist nach den von den Parteien vorgelegten Unterlagen für das Gericht auch nicht erkennbar, dass die Friedlichkeit der Versammlung nicht gewährleistet ist. Jedoch ist das Mitführen von Waffen - sei es als Originale oder in Form von (historischen) Nachbildungen - auszuschließen.

Soweit der Antragsgegner auf die in der Stadt Nürnberg durchgeführte Versammlung zur gleichen Thematik hinweist, ist dies vorliegend ohne durchgreifende Bedeutung. Der dortige Versammlungsleiter ist nach den dem Gericht von den Parteien dargelegten Umständen nicht in die Durchführung der hier zu beurteilenden Versammlung involviert. Erkenntnisse aus der Versammlung in Nürnberg lassen sich somit nicht übertragen. Eine generelle Unfriedlichkeit der Versammlung ist nicht erkennbar.

Allerdings sollen bei der Versammlung auch Waffen als historische Requisiten mitgeführt werden. Dies kann beim unbefangenen Betrachter - wenn dies auch nicht Zweck der Versammlung ist - den Eindruck von Bedrohung hervorrufen. Wegen dieser nicht auszuschließenden Gefahr war das Mitfüh ren dieser Waffen bei gleichzeitiger Zulassung der Versammlung im befriedeten Bezirk zu untersagen.

Aufgrund der Eilbedürftigkeit der vorliegenden Entscheidung war diese Untersagung über die beantragte Zulassung hinaus durch die Maßgabeentscheidung durch das Gericht zu verfügen, da eine weitere Beteiligung der Versammlungsbehörde, die im Rahmen der versammlungsrechtlichen Genehmigung über notwendige Auflagen zu entscheiden hat, im Hinblick auf den Zeitablauf nicht gewährleistet werden kann.

Gleichzeitig stellt diese Maßgabe nur einen als geringfügig anzusehenden Eingriff in den Versammlungsablauf dar. Zweck der Versammlung ist es nach den Ausführungen des Antragstellers, an die Oktoberrevolution 1917 und die sog. Münchner Räterepublik zu erinnern. Diese durch die Teilnehmer und ihre weiteren Requisiten erinnerten Umstände werden durch die Untersagung des Mitführens von Waffen nicht tangiert, zumal durch die mitgeführten Transparente etc. eine sachgerechte und ausreichende Darstellung des Versammlungsgegenstandes gewährleistet ist.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG) i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs.

Tenor

I. Unter Abänderung des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 12. April 2017 wird die Maßgabe in I. Satz 2 des Beschlusstenors aufgehoben. Die Anschlussbeschwerde des Antragsgegners wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsgegner.

III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Mit Beschluss vom 12. April 2017 hat das Verwaltungsgericht München den Antragsgegner verpflichtet, die Versammlung des Antragstellers im befriedeten Bezirk des Bayerischen Landtags am 12. April 2017 zuzulassen; die Zulassung erfolgt mit der Maßgabe, dass das Mitführen von Original- und/oder nachgebildeten Waffen (auch historische) im Bereich des befriedeten Bezirks des Bayerischen Landtags untersagt ist.

Mit der Beschwerde wendet sich der Antragsteller gegen die Maßgabe I. Satz 2 des Beschlusstenors. Es handle sich um einen nicht gerechtfertigten Eingriff in das Grundrecht der Kunstfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 GG; es gebe bei realistischer Betrachtung des Sachverhalts überhaupt keine Gefährdung eines anderen Rechtsgutes durch das Mitführen der Schein-Holz-Waffen im Rahmen der künstlerischen Aktion.

Der Antragsgegner hatte Gelegenheit zur Stellungnahme und hat Anschlussbeschwerde mit dem Ziel der vollständigen Antragsablehnung erhoben.

Ergänzend wird auf die Gerichtsakte des Beschwerdeverfahrens Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde des Antragstellers ist begründet. Die vom Antragsteller dargelegten Gründe, die der Verwaltungsgerichtshof nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO allein zu prüfen hat, rechtfertigen die Abänderung des angefochtenen Beschlusses im tenorierten Umfang.

Gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 938 Abs. 1 ZPO steht es im freien Ermessen des Gerichts, welche Anordnungen zur Erreichung des mit dem Antrag verfolgten Zwecks erforderlich sind; insofern darf das Gericht seine Entscheidung auch durch Maßgaben wie Auflagen oder Bedingungen ergänzen (Kuhla in Beck’scher Online-Kommentar VwGO, Stand 1.4.2016, § 123 Rn. 139 ff.).

Dieses Ermessen ist allerdings mit Blick auf Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG und die hier betroffenen Grundrechte des Antragstellers (Art. 8 Abs. 1 GG, Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG) beschränkt. Soweit eine solche gerichtliche Maßgabe eine nicht völlig unerhebliche Beeinträchtigung dieser Rechte bewirkt, überschreitet sie dieses „freie Ermessen“.

So verhält es sich nach summarischer Prüfung aber hier, weil für den Senat weder ersichtlich ist, dass das Mitführen der nachgebildeten historischen Waffen die Friedlichkeit der Versammlung in Frage stellt, noch dadurch bei objektiver Betrachtung auch eines unbefangenen Betrachters eine Bedrohungssituation hervorgerufen wird. Auch der Schutzzweck der Art. 18 f. BayVersG (Verhinderung unzulässiger Einwirkungen auf die Funktionsfähigkeit des Bayerischen Landtags) gebietet eine derartige Einschränkung dieser grundrechtlich geschützten Versammlung im konkreten Fall nicht.

Die Anschlussbeschwerde des Antragsgegners ist im Wesentlichen aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts als unbegründet zurückzuweisen. Als Ausnahme vom generellen Verbot von Versammlungen innerhalb des befriedeten Bezirks ist die grundsätzlich im Ermessen der zuständigen Behörde stehende Zulassungsentscheidung unter Berücksichtigung der betroffenen bzw. einschlägigen Grundrechte zu treffen. Ist - wie hier - eine Beeinträchtigung der Tätigkeit des Landtags und seiner Fraktionen sowie seiner Organe und Gremien und eine Behinderung des freien Zugangs zum Landtagsgebäude nicht ernsthaft zu besorgen (insbesondere in der sitzungsfreien Zeit), kommt die Zulassung der Versammlung in Betracht (vgl. Gesetzesbegründung LT-Drs. 15/10181 zu Art. 19). Das eingeräumte Ermessen wird im vorliegenden Fall durch den hohen Stellenwert der hier betroffenen Grundrechte des Antragstellers (Art. 8 Abs. 1 GG, Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG) soweit eingeschränkt, dass die konkrete Versammlung zuzulassen ist. Entgegen der Auffassung des Antragsgegners weist Art. 19 BayVersG dem Präsidenten des Bayerischen Landtags bei der Entscheidung über das in Art. 19 Abs. 3 BayVersG vorgesehene Einvernehmen keinen gerichtlich nicht überprüfbaren Beurteilungsspielraum zu. Nicht überzeugend ist auch die Auffassung des Antragsgegners, der Antragsteller müsse glaubhaft machen, „dass die Verwirklichung seines Versammlungszweckes nur dadurch erreicht werden kann, indem er die Versammlung zwingend innerhalb des befriedeten Bezirks durchführt“. Denn dies verkennt die Bedeutung des Grundrechts der Versammlungsfreiheit und die daraus grundsätzlich resultierende Gestaltungsfreiheit des Veranstalters. Der Veranstalter muss auch nicht etwa die „Schlüssigkeit“ des gewählten Versammlungsortes nachweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und 2 VwGO. Der Beigeladene trägt etwaige Kosten selbst.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

(1) Das Gericht kann, solange das Verfahren noch nicht rechtskräftig abgeschlossen oder in höherer Instanz anhängig ist, von Amts wegen oder auf Antrag andere, deren rechtliche Interessen durch die Entscheidung berührt werden, beiladen.

(2) Sind an dem streitigen Rechtsverhältnis Dritte derart beteiligt, daß die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann, so sind sie beizuladen (notwendige Beiladung).

(3) Kommt nach Absatz 2 die Beiladung von mehr als fünfzig Personen in Betracht, kann das Gericht durch Beschluß anordnen, daß nur solche Personen beigeladen werden, die dies innerhalb einer bestimmten Frist beantragen. Der Beschluß ist unanfechtbar. Er ist im Bundesanzeiger bekanntzumachen. Er muß außerdem in Tageszeitungen veröffentlicht werden, die in dem Bereich verbreitet sind, in dem sich die Entscheidung voraussichtlich auswirken wird. Die Bekanntmachung kann zusätzlich in einem von dem Gericht für Bekanntmachungen bestimmten Informations- und Kommunikationssystem erfolgen. Die Frist muß mindestens drei Monate seit Veröffentlichung im Bundesanzeiger betragen. In der Veröffentlichung in Tageszeitungen ist mitzuteilen, an welchem Tage die Frist abläuft. Für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Versäumung der Frist gilt § 60 entsprechend. Das Gericht soll Personen, die von der Entscheidung erkennbar in besonderem Maße betroffen werden, auch ohne Antrag beiladen.

(4) Der Beiladungsbeschluß ist allen Beteiligten zuzustellen. Dabei sollen der Stand der Sache und der Grund der Beiladung angegeben werden. Die Beiladung ist unanfechtbar.

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

(1) §§ 88, 108 Abs. 1 Satz 1, §§ 118, 119 und 120 gelten entsprechend für Beschlüsse.

(2) Beschlüsse sind zu begründen, wenn sie durch Rechtsmittel angefochten werden können oder über einen Rechtsbehelf entscheiden. Beschlüsse über die Aussetzung der Vollziehung (§§ 80, 80a) und über einstweilige Anordnungen (§ 123) sowie Beschlüsse nach Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache (§ 161 Abs. 2) sind stets zu begründen. Beschlüsse, die über ein Rechtsmittel entscheiden, bedürfen keiner weiteren Begründung, soweit das Gericht das Rechtsmittel aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.

Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden.

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

(1) Das Gericht bestimmt nach freiem Ermessen, welche Anordnungen zur Erreichung des Zweckes erforderlich sind.

(2) Die einstweilige Verfügung kann auch in einer Sequestration sowie darin bestehen, dass dem Gegner eine Handlung geboten oder verboten, insbesondere die Veräußerung, Belastung oder Verpfändung eines Grundstücks oder eines eingetragenen Schiffes oder Schiffsbauwerks untersagt wird.

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

(1) Das Gesuch soll die Bezeichnung des Anspruchs unter Angabe des Geldbetrages oder des Geldwertes sowie die Bezeichnung des Arrestgrundes enthalten.

(2) Der Anspruch und der Arrestgrund sind glaubhaft zu machen.

(3) Das Gesuch kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden.

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

Tenor

1. Die Beschlüsse des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 15. Oktober 2010 - 3 L 1556/10 - und des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 15. Oktober 2010 - 3 B 307/10 - verletzen die Beschwerdeführer in ihrem Grundrecht aus Artikel 8 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 19 Absatz 4 Satz 1 des Grundgesetzes.

2. Die Kostenentscheidungen der Beschlüsse werden aufgehoben. Das Verfahren wird insoweit an das Sächsische Oberverwaltungsgericht zur erneuten Entscheidung über die Kosten des Verfahrens zurückverwiesen.

3. ...

4. Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit im Verfassungsbeschwerdeverfahren wird auf 8.000 € (in Worten: achttausend Euro) festgesetzt.

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die verwaltungsgerichtliche Versagung vorläufigen Rechtsschutzes gegen eine versammlungsrechtliche Auflage.

I.

2

1. Die Beschwerdeführer meldeten Anfang September 2010 bei der Stadt L. ihr Vorhaben an, am 16. Oktober 2010 (von 12.00 Uhr bis 20.00 Uhr) in L. eine Versammlung unter freiem Himmel durchzuführen. Die geplante Versammlung sollte aus drei Aufzügen und einer Abschlusskundgebung in der Innenstadt von L. bestehen. Die Teilnehmerzahl wurde von den Beschwerdeführern bei der Anmeldung auf 600 Personen geschätzt. Das Motto der geplanten Versammlung lautete "Recht auf Zukunft". Es bezog sich auf eine am 17. Oktober 2009 in L. von der Beschwerdeführerin zu 4), einer Unterorganisation der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD), veranstaltete Versammlung, bei der es im Zusammenhang mit einer Versammlungsblockade durch Gegendemonstranten zu gewalttätigen Auseinandersetzungen und letztlich zu einer polizeilichen Auflösung der Versammlung kam.

3

Angesichts dieser Vorgeschichte und der Anmeldung von zahlreichen Gegendemonstrationen kam es zwischen der Anmeldung und der Durchführung der geplanten Versammlung zu umfangreichen Verhandlungen zwischen den Beschwerdeführern und der Stadt L., die unter anderem in Kooperationsgesprächen am 4., am 6. und am 13. Oktober 2010 eingehend die polizeilich sicherbare Anzahl der geplanten Aufzüge und die konkrete Streckenführung erörterten. In einer Gefährdungsanalyse am 4. Oktober 2010 bekundete die Polizeidirektion L. dabei laut den tatsächlichen Feststellungen des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts, dass der Schutz von zwei der angemeldeten Aufzüge mit den zur Verfügung stehenden Einsatzkräften gewährleistet werden könne. Am 11. Oktober 2010 teilte der Beschwerdeführer zu 1) der Stadt schließlich mit, dass am 16. Oktober 2010 nunmehr lediglich ein einziger Aufzug stattfinden solle. Am 12. Oktober 2010 ergänzte die Polizeidirektion L. ihre Gefahrprognose insofern, dass nunmehr nur eine maximal vierstündige stationäre Kundgebung durchführbar sei, weil nach den Erfahrungen des Versammlungsgeschehens vom 17. Oktober 2009 mit einer höheren als der angemeldeten Teilnehmerzahl zu rechnen sei und jeweils ca. 10 bis 20 % der Teilnehmer der angemeldeten Demonstration und der Gegendemonstrationen als gewaltbereit einzustufen seien.

4

2. Mit Bescheid vom 13. Oktober 2010 untersagte die Stadt L. die Durchführung der Versammlung als Aufzug, verfügte die Durchführung als stationäre Kundgebung in der Zeit von 13.00 Uhr bis 17.00 Uhr in einem Bereich am L. Hauptbahnhof und ordnete die sofortige Vollziehung dieser Auflage an. Die Polizeidirektion L. habe in ihrer Gefahrprognose vom 12. Oktober 2010 dargelegt, dass im Zeitraum vom 15. bis zum 17. Oktober 2010 aufgrund von zahlreichen Versammlungsanmeldungen widerstreitender politischer Lager eine latente Gefährdungssituation vorhanden sei, die einen außerordentlich hohen Kräfteeinsatz der Polizei erfordere. Es sei davon auszugehen, dass sich die Teilnehmer der Aufzüge bei Angriffen durch Personen der linksextremistischen Klientel provozieren ließen und darauf entsprechend reagierten. Die Polizei habe glaubhaft dargelegt, dass sie kräftetechnisch außerstande sei, einen Aufzug zu begleiten, da trotz bundesweiter Anfragen nur 29 der für erforderlich gehaltenen 44 Polizeihundertschaften, also nur 66 % der geplanten Polizeikräfte, zur Verfügung stünden. Die Ausübung der Versammlungsfreiheit werde trotz der Beschränkungen nicht vereitelt, da der zugewiesene Ort eine hinreichende Öffentlichkeitswirksamkeit und eine räumliche Trennung der gegensätzlichen politischen Lager gewährleiste.

5

3. Dagegen erhoben die Beschwerdeführer noch am gleichen Tag Widerspruch und stellten beim Verwaltungsgericht Leipzig die Anträge, die aufschiebende Wirkung ihrer Widersprüche gegen die Auflage, nur eine stationäre Kundgebung durchzuführen, wiederherzustellen sowie im Wege einer einstweiligen Anordnung ein Verbot sämtlicher Versammlungen in einem Umkreis von 300 m um die angemeldeten Aufzugstrecken anzuordnen. Das Verwaltungsgericht Leipzig lehnte die Eilanträge mit Beschluss vom 15. Oktober 2010 ab und begründete dies im Wesentlichen damit, dass der Bescheid vom 13. Oktober 2010 rechtmäßig sei und somit das öffentliche Interesse am Sofortvollzug des Bescheids die Interessen der Beschwerdeführer überwiege. Die Antragsgegnerin des Ausgangsverfahrens, die Stadt L., sei auf der Grundlage der Einschätzung der Polizeidirektion L. nachvollziehbar davon ausgegangen, dass infolge zahlreicher Gegenaktionen und -demonstrationen bei Durchführung des im Zuge der Kooperation der Beschwerdeführer zuletzt noch geplanten einzigen Aufzuges eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung bestehe. Bei der Vielzahl der angemeldeten und geplanten Veranstaltungen am 16.10.2010, unter anderem ein Fußballspiel, und in Anbetracht der beschriebenen begrenzten Kräftelage der Polizei sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit mit einhergehenden Personen- und Sachschäden zu rechnen, denen nur mit der Beschränkung auf eine stationäre Kundgebung begegnet werden könne. Dieser Gefahr könne in Anbetracht der besonderen Veranstaltungssituation am 16. Oktober 2010 auch nicht durch Maßnahmen gegen potentielle Störer begegnet werden.

6

4. Gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts legten die Beschwerdeführer Beschwerde ein. Das Sächsische Oberverwaltungsgericht wies die Beschwerde mit Beschluss vom 15. Oktober 2010 zurück. Ob ein polizeilicher Notstand vorliege, sei im Rahmen der summarischen Prüfung nicht abschließend zu beurteilen. Der Einschätzung der Polizeidirektion lasse sich entnehmen, dass aufgrund des Versammlungsgeschehens im Vorjahr mit gewalttätigen Auseinandersetzungen einer Anzahl von 10 bis 20 % der Teilnehmer sowohl auf Seiten der Beschwerdeführer wie auf Seiten linker Demonstranten gerechnet werde. Zwar erschließe sich dem Gericht nicht, wodurch sich das Gefährdungspotential innerhalb kurzer Zeit so erhöht haben solle, dass statt der zwei Aufzüge, die die Polizeidirektion ursprünglich noch mit den zur Verfügung stehenden Einsatzkräften für sicherbar gehalten habe, nunmehr nur noch eine stationäre Kundgebung möglich sein solle. Wegen der fehlenden Überprüfungsmöglichkeit sei aufgrund einer Folgenabwägung zu entscheiden. Danach sei die Beschwerde zurückzuweisen, weil für den Antragsteller die mit der Durchführung einer nur stationären Kundgebung verbundenen Beeinträchtigungen hinnehmbar seien.

7

5. Die Beschwerdeführer beantragten sodann beim Bundesverfassungsgericht zunächst den Erlass einer einstweiligen Anordnung. Diesen Antrag hat die Kammer aufgrund der besonderen Voraussetzungen der Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes durch das Bundesverfassungsgericht abgelehnt, dabei jedoch zugleich auf die Möglichkeit der Klärung der aufgeworfenen Fragen in einem verfassungsgerichtlichen Hauptsachverfahren hingewiesen (BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 16. Oktober 2010 - 1 BvQ 39/10 -, juris).

8

6. Hieraufhin erhoben die Beschwerdeführer gegen die Beschlüsse des Verwaltungsgerichts Leipzig und des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts fristgemäß Verfassungsbeschwerde mit der Rüge, durch die angegriffenen Entscheidungen in ihren Rechten aus Art. 8 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG verletzt zu sein.

9

7. Das Bundesverfassungsgericht hat der Stadt L. als Gegnerin des Ausgangsverfahrens, dem Sächsischen Staatsministerium der Justiz und für Europa sowie der Präsidentin des Bundesverwaltungsgerichts Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.

10

Nach Auffassung des Rechtsamtes der Stadt L. liegen die Voraussetzungen für die Annahme der Verfassungsbeschwerde nicht vor. Das Sächsische Staatsministerium hat von einer Stellungnahme abgesehen. Die Präsidentin des Bundesverwaltungsgerichts hat eine Stellungnahme des unter anderem für das Versammlungsrecht zuständigen 6. Revisionssenats übersandt, in der dieser Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der angegriffenen Entscheidungen äußert.

II.

11

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung von Art. 8 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung liegen vor (§ 93c BVerfGG). Das Bundesverfassungsgericht hat die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen Fragen bereits entschieden (vgl. insbesondere BVerfGE 69, 315 <340 ff.>; 110, 77 <83 ff.>). Nach diesen Maßstäben ist die Verfassungsbeschwerde gegen die Beschlüsse des Verwaltungsgerichts Leipzig und des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts zulässig und begründet.

12

1. Der Zulässigkeit der Rüge der Verletzung des Art. 8 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG steht weder der Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde noch das Erfordernis eines Rechtsschutzinteresses entgegen.

13

a) Der Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde verlangt die Erschöpfung des Rechtswegs in der Hauptsache nur, soweit die geltend gemachte Verletzung von Freiheitsrechten oder von Art. 19 Abs. 4 GG durch die Entscheidung der Gerichte in der Hauptsache noch ausgeräumt werden kann (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senat vom 21. April 1998 - 1 BvR 2311/94 -, NVwZ 1998, S. 834 <835>). Hier rügen die Beschwerdeführer allerdings gerade die Missachtung der Anforderungen des Art. 8 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG bei der Zurückweisung ihres Antrags auf vorläufigen Rechtsschutz, die im Hauptsacheverfahren nicht mehr behandelt werden würde.

14

b) Auch ein Rechtsschutzbedürfnis der Beschwerdeführer besteht, obwohl der Demonstrationstermin verstrichen und damit der Sofortvollzug der strittigen Auflagen gegenstandslos geworden ist. Sind verfassungsrechtliche Fragen von grundsätzlicher Bedeutung nicht (mehr) zu klären, besteht ein Rechtsschutzbedürfnis auch nach Erledigung des ursprünglichen Begehrens im Falle einer Wiederholungsgefahr, also wenn ein Gericht die bereits herausgearbeiteten verfassungsrechtlichen Maßstäbe nicht beachtet hat und bei hinreichend bestimmter Gefahr einer gleichartigen Entscheidung bei gleichartiger Sach- und Rechtslage zu befürchten ist, dass es diese auch in Zukunft verkennt (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 21. April 1998 - 1 BvR 2311/94 -, NVwZ 1998, S. 834 <835>). Hier führten die Beschwerdeführer bereits konflikthafte Versammlungen in L. durch und planen auch in Zukunft die Durchführung von Versammlungen in L., bei denen sie mit ähnlichen Konfliktsituationen rechnen und gegebenenfalls gleichartige Entscheidungen des Verwaltungsgerichts und des Oberverwaltungsgerichts befürchten müssten.

15

2. Die Verfassungsbeschwerde ist begründet. Die angegriffenen Beschlüsse verletzen die Beschwerdeführer in ihrem Grundrecht aus Art. 8 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG.

16

a) Art. 8 Abs. 1 GG schützt die Freiheit, mit anderen Personen zum Zwecke einer gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung örtlich zusammen zu kommen (vgl. BVerfGE 104, 92 <104>; 128, 226 <250>). Als Freiheit zur kollektiven Meinungskundgabe, die auch und vor allem andersdenkenden Minderheiten zugutekommt, ist die Versammlungsfreiheit für eine freiheitlich demokratische Staatsordnung konstituierend (vgl. BVerfGE 69, 315 <344 f.>; 128, 226 <250>) und wird im Vertrauen auf die Kraft der freien öffentlichen Auseinandersetzung grundsätzlich auch den Gegnern der Freiheit gewährt (vgl. BVerfGE 124, 300 <320>). Damit die Bürger selbst entscheiden können, wann, wo und unter welchen Modalitäten sie ihr Anliegen am wirksamsten zur Geltung bringen können, gewährleistet Art. 8 Abs. 1 GG nicht nur die Freiheit, an einer öffentlichen Versammlung teilzunehmen oder ihr fern zu bleiben, sondern umfasst zugleich ein Selbstbestimmungsrecht über die Durchführung der Versammlung als Aufzug, die Auswahl des Ortes und die Bestimmung der sonstigen Modalitäten der Versammlung (vgl. BVerfGE 69, 315 <343> oder <355 ff.>; 128, 226 <250 f.>).

17

Beschränkungen der Versammlungsfreiheit bedürfen gemäß Art. 8 Abs. 2 GG zu ihrer Rechtfertigung einer gesetzlichen Grundlage (vgl. BVerfGE 69, 315 <350 f.>; BVerfGK 17, 303 <307>). Nach § 15 des Gesetzes über Versammlungen und Aufzüge (Versammlungsgesetz) vom 24. Juli 1953 in der Fassung vom 8. Dezember 2008 (BGBl I S. 2366; im Folgenden: VersG) kann die zuständige Behörde die Versammlung von bestimmten Auflagen abhängig machen, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung unmittelbar gefährdet ist. Danach kann im Einzelfall auch die Festlegung geboten sein, dass eine ursprünglich als Aufzug angemeldete Versammlung nur als ortsfeste Versammlung durchgeführt werden darf (vgl. BVerfGK 2, 1 <8>). Unter Berücksichtigung der Bedeutung der Versammlungsfreiheit darf die Behörde allerdings auch bei dem Erlass von Auflagen keine zu geringen Anforderungen an die Gefahrenprognose stellen. Als Grundlage der Gefahrenprognose sind konkrete und nachvollziehbare tatsächliche Anhaltspunkte erforderlich; bloße Verdachtsmomente oder Vermutungen reichen hierzu nicht aus (BVerfGE 69, 315 <353 f.>; BVerfGK 17, 303 <307>). Ferner gilt, dass, soweit sich der Veranstalter und die Versammlungsteilnehmer grundsätzlich friedlich verhalten und Störungen der öffentlichen Sicherheit vorwiegend aufgrund des Verhaltens Dritter - insbesondere von Gegendemonstrationen - zu befürchten sind, die Durchführung der Versammlung zu schützen ist und behördliche Maßnahmen primär gegen die Störer zu richten sind (vgl. BVerfGE 69, 315 <360 f.>; BVerfGK 8, 79 <81>; BVerfG , Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 1. September 2000 - 1 BvQ 24/00, NVwZ 2000, S. 1406 <1407>). Gegen die friedliche Versammlung selbst kann dann nur unter den besonderen Voraussetzungen des polizeilichen Notstandes eingeschritten werden (vgl. BVerfGE 69, 315 <360 f.>; BVerfGK 17, 303 <308>). Dies setzt voraus, dass die Versammlungsbehörde mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anderenfalls wegen der Erfüllung vorrangiger staatlicher Aufgaben und trotz des Bemühens, gegebenenfalls externe Polizeikräfte hinzuzuziehen, zum Schutz der von dem Antragsteller angemeldeten Versammlung nicht in der Lage wäre; eine pauschale Behauptung dieses Inhalts reicht allerdings nicht (vgl. BVerfGK 8, 79 <82>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 24. März 2001 - 1 BvQ 13/01 -, NJW 2001, S. 2069 <2072>). Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen von Gründen für ein Verbot oder eine Auflage liegt grundsätzlich bei der Behörde (vgl. BVerfGK 17, 303 <308>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 4. September 2009 - 1 BvR 2147/09 -, NJW 2010, S. 141 <142>).

18

b) Art. 19 Abs. 4 GG garantiert einen effektiven und möglichst lückenlosen richterlichen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt (vgl. BVerfGE 67, 43 <58>; 96, 27 <39>). Im Verfahren auf Wiederherstellung oder Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs, das für den Regelfall sicherstellt, dass die Verwaltungsbehörden keine irreparablen Maßnahmen durchführen, bevor die Gerichte deren Rechtmäßigkeit geprüft haben, ist der Rechtsschutzanspruch des Bürgers umso stärker, je schwerwiegender die ihm auferlegte Belastung wiegt und je mehr die Maßnahmen der Verwaltung Unabänderliches bewirken (vgl. BVerfGE 35, 382 <401 f.>; 69, 315 <363>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senat vom 21. April 1998 - 1 BvR 2311/94 -, NVwZ 1998, S. 834 <835>). Insbesondere im Bereich des Versammlungsrechts muss das verwaltungsgerichtliche Eilverfahren angesichts der Zeitgebundenheit von Versammlungen zum Teil Schutzfunktionen übernehmen, die sonst das Hauptsacheverfahren erfüllt (vgl. BVerfGE 69, 315 <363 f.>; 110, 77 <87>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senat vom 23. März 2004 - 1 BvR 745/01 -, juris, Rn. 13). Die einstweilige Anordnung im verfassungsgerichtlichen Verfahren als außerhalb der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG liegender Rechtsbehelf kann die primäre Rechtsschutzfunktion der Fachgerichte ebenfalls nicht übernehmen. Angesichts der Aufgaben des Bundesverfassungsgerichts und im Hinblick auf die weitreichenden Folgen, die eine einstweilige Anordnung auslösen kann, ist hierbei zudem ein strenger, von den verwaltungsgerichtlichen Kriterien grundsätzlich unterschiedener Maßstab anzulegen (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senat vom 16. Oktober 2010 - 1 BvQ 39/10 -, juris, Rn. 4). Daher müssen die Verwaltungsgerichte zum Schutz von Versammlungen, die auf einen einmaligen Anlass bezogen sind, schon im Eilverfahren durch eine intensivere Prüfung dem Umstand Rechnung tragen, dass der Sofortvollzug der umstrittenen Maßnahme in der Regel zur endgültigen Verhinderung der Versammlung in der beabsichtigten Form führt. Soweit möglich, ist als Grundlage der gebotenen Interessenabwägung die Rechtmäßigkeit der Maßnahme in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht nicht nur summarisch zu prüfen (vgl. BVerfGE 69, 315 <363 f.>; 110, 77 <87>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senat vom 21. April 1998 - 1 BvR 2311/94 -, NVwZ 1998, S. 834 <835>). Sofern dies nicht möglich ist, haben die Fachgerichte jedenfalls eine sorgfältige Folgenabwägung vorzunehmen und diese hinreichend substantiiert zu begründen, da ansonsten eine Umgehung der beschriebenen strengen Voraussetzungen für Beschränkungen der Versammlungsfreiheit möglich erschiene.

19

3. Diese Maßstäbe haben das Verwaltungsgericht Leipzig und das Sächsische Oberverwaltungsgericht bei den ihnen obliegenden Entscheidungen über die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nicht hinreichend berücksichtigt. Beide Entscheidungen werden den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Art. 8 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG im Hinblick auf die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen versammlungsbeschränkende behördliche Maßnahmen nicht gerecht.

20

a) Die vom Verwaltungsgericht Leipzig herangezogenen Umstände sind nicht geeignet, die Annahme einer von der Versammlung selbst ausgehenden unmittelbaren Gefährdung für die öffentliche Sicherheit zu tragen, die die Verhinderung der Versammlung in Form eines Aufzugs hätte rechtfertigen können. Das Verwaltungsgericht legt insofern bereits nicht hinreichend deutlich dar, ob seiner Auffassung nach auch von der Versammlung selbst eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgeht oder diese Gefahr ausschließlich aufgrund der zahlreichen Gegendemonstrationen und den hieraus zu erwartenden Störungen der Versammlung besteht. Dass das Verwaltungsgericht in seiner Entscheidung zur Begründung seines Standpunktes im Wesentlichen lediglich auf die Einschätzung der Polizeidirektion L., die ohne nähere Erläuterung 10 bis 20 % der Teilnehmer der angemeldeten Demonstration dem gewaltbereiten Klientel zurechnete, verweist, genügt den Anforderungen des Art. 8 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG insofern jedenfalls nicht.

21

Auch im Hinblick auf eine Inanspruchnahme der Veranstalter als Nichtstörer im Wege des polizeilichen Notstandes genügen die tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts den Anforderungen des Art. 8 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG nicht. Das Verwaltungsgericht weist insofern zur Begründung des Vorliegens einer nicht durch Maßnahmen gegen potentielle Störer abwendbaren Gefahr, insbesondere auf die besondere Veranstaltungssituation am 16. Oktober 2010 und die deswegen nur begrenzt zur Verfügung stehenden Polizeikräfte, hin und beruft sich dabei pauschal auf die Einschätzung der Polizeidirektion L. vom 13. Oktober 2010. Berücksichtigt man aber den Umstand, dass die Polizeidirektion in ihrer Gefährdungsanalyse vom 4. Oktober 2010 offenbar noch zwei der angemeldeten Aufzüge mit den ihr voraussichtlich zur Verfügung stehenden Kräften für sicherbar hielt, erfüllt diese pauschale Bezugnahme auf die Einschätzung der Polizeidirektion vom 13. Oktober 2010 nicht die den Anforderungen an die entsprechend obigen Maßstäben bereits im Eilverfahren gebotene intensivere Rechtmäßigkeitsprüfung. Vielmehr hätte die kurzfristige Änderung der polizeilichen Einschätzung, die sich nicht ohne weiteres erschließt, das Verwaltungsgericht zu einer substantiierteren Prüfung der veränderten polizeilichen Einschätzung und zur Nachfrage einer genaueren Begründung ihrer Entscheidung veranlassen müssen. Dass dies vorliegend aus zeitlichen Gründen nicht möglich gewesen wäre, ist nicht erkennbar. Auch im Übrigen hätte es dezidierterer Feststellungen bedurft, aufgrund welcher konkreter Gefahren für die öffentliche Sicherheit und aufgrund welcher konkreter, vorrangig zu schützender sonstiger Veranstaltungen keine ausreichenden Polizeikräfte mehr zum Schutz der angemeldeten Versammlung und der Rechtsgüter Dritter zur Verfügung gestanden hätten. Die behauptete Bindung von Polizeikräften durch die zeitgleich stattfindenden Gegendemonstrationen kann nach obigen Maßstäben jedenfalls nicht ohne weiteres als hinreichendes Argument dafür herangezogen werden. Auch die Bindung von Polizeikräften aufgrund eines parallel stattfindenden Fußballspiels und sonstiger Veranstaltungen, deren vorrangige Schutzwürdigkeit sich nicht ohne weiteres erschließt, reicht hierfür nicht aus.

22

b) Die angegriffene Entscheidung des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts hält den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Art. 8 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG ebenfalls nicht stand. Zwar hat das Sächsische Oberverwaltungsgericht deutliche Bedenken am Vorliegen der Voraussetzungen eines für die Rechtfertigung der versammlungsrechtlichen Auflage erforderlichen polizeilichen Notstandes geäußert und nachvollziehbar dargelegt, dass sich ihm nicht erschließe, wodurch sich das Gefährdungspotential innerhalb des kurzen Zeitraumes zwischen der Gefährdungsanalyse der Polizeidirektion L. vom 4. Oktober 2010 und dem Erlass der Auflage am 13. Oktober 2010 so erhöht haben soll, dass statt der zwei Aufzüge, die ursprünglich noch mit den zur Verfügung stehenden Einsatzkräften für sicherbar gehalten wurden, nunmehr nur noch eine stationäre Kundgebung möglich sein solle. Auch erscheint es nachvollziehbar, dass dem Sächsischen Oberverwaltungsgericht in der Kürze der ihm zur Verfügung stehenden Zeit die Vornahme der hier grundsätzlich gebotenen und soweit als möglich nicht lediglich summarischen Rechtmäßigkeitskontrolle der behördlichen Auflage nicht mehr möglich war. Allerdings hätte es dem Sächsischen Oberverwaltungsgericht in dieser Konstellation, um der Freiheitsvermutung zugunsten der Versammlungsfreiheit zumindest in der Sache Rechnung zu tragen, oblegen, eine besonders sorgfältige Folgenabwägung vorzunehmen und diese in der Begründung seiner Entscheidung hinreichend offenzulegen. Vorliegend hat sich das Sächsische Oberverwaltungsgericht in der Begründung seiner Entscheidung jedoch im Wesentlichen darauf beschränkt, auf die vermeintlich geringe Beeinträchtigung des Grundrechts der Versammlungsfreiheit hinzuweisen, ohne auch nur ansatzweise ausreichend auf das Bestehen einer die Beeinträchtigung der Versammlungsfreiheit überwiegenden potentiellen Beeinträchtigung anderer Rechtsgüter einzugehen.

23

4. Demgemäß ist festzustellen, dass sowohl der angegriffene Beschluss des Verwaltungsgerichts Leipzig als auch der angegriffene Beschluss des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts die Beschwerdeführer in ihrem Grundrecht aus Art. 8 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG verletzen. Einer Aufhebung der Entscheidungen und Zurückverweisung zur erneuten Entscheidung bedarf es darüberhinausgehend nur bezüglich der Kostenentscheidungen, da in der Sache selbst Erledigung eingetreten ist (vgl. Schemmer, in: Umbach/Clemens/Dollinger, 2. Aufl. 2005, BVerfGG, § 93c Rn. 33).

24

5. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG. Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG (vgl. BVerfGE 79, 365 <366 ff.>).

(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

(1) Öffentliche Versammlungen unter freiem Himmel und Aufzüge sind innerhalb des befriedeten Bannkreises der Gesetzgebungsorgane der Länder verboten. Ebenso ist es verboten, zu öffentlichen Versammlungen unter freiem Himmel oder Aufzügen nach Satz 1 aufzufordern.

(2) Die befriedeten Bannkreise für die Gesetzgebungsorgane der Länder werden durch Landesgesetze bestimmt.

(3) Das Weitere regeln die Bannmeilengesetze der Länder.

Tenor

I. Unter Abänderung des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 12. April 2017 wird die Maßgabe in I. Satz 2 des Beschlusstenors aufgehoben. Die Anschlussbeschwerde des Antragsgegners wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsgegner.

III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Mit Beschluss vom 12. April 2017 hat das Verwaltungsgericht München den Antragsgegner verpflichtet, die Versammlung des Antragstellers im befriedeten Bezirk des Bayerischen Landtags am 12. April 2017 zuzulassen; die Zulassung erfolgt mit der Maßgabe, dass das Mitführen von Original- und/oder nachgebildeten Waffen (auch historische) im Bereich des befriedeten Bezirks des Bayerischen Landtags untersagt ist.

Mit der Beschwerde wendet sich der Antragsteller gegen die Maßgabe I. Satz 2 des Beschlusstenors. Es handle sich um einen nicht gerechtfertigten Eingriff in das Grundrecht der Kunstfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 GG; es gebe bei realistischer Betrachtung des Sachverhalts überhaupt keine Gefährdung eines anderen Rechtsgutes durch das Mitführen der Schein-Holz-Waffen im Rahmen der künstlerischen Aktion.

Der Antragsgegner hatte Gelegenheit zur Stellungnahme und hat Anschlussbeschwerde mit dem Ziel der vollständigen Antragsablehnung erhoben.

Ergänzend wird auf die Gerichtsakte des Beschwerdeverfahrens Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde des Antragstellers ist begründet. Die vom Antragsteller dargelegten Gründe, die der Verwaltungsgerichtshof nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO allein zu prüfen hat, rechtfertigen die Abänderung des angefochtenen Beschlusses im tenorierten Umfang.

Gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 938 Abs. 1 ZPO steht es im freien Ermessen des Gerichts, welche Anordnungen zur Erreichung des mit dem Antrag verfolgten Zwecks erforderlich sind; insofern darf das Gericht seine Entscheidung auch durch Maßgaben wie Auflagen oder Bedingungen ergänzen (Kuhla in Beck’scher Online-Kommentar VwGO, Stand 1.4.2016, § 123 Rn. 139 ff.).

Dieses Ermessen ist allerdings mit Blick auf Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG und die hier betroffenen Grundrechte des Antragstellers (Art. 8 Abs. 1 GG, Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG) beschränkt. Soweit eine solche gerichtliche Maßgabe eine nicht völlig unerhebliche Beeinträchtigung dieser Rechte bewirkt, überschreitet sie dieses „freie Ermessen“.

So verhält es sich nach summarischer Prüfung aber hier, weil für den Senat weder ersichtlich ist, dass das Mitführen der nachgebildeten historischen Waffen die Friedlichkeit der Versammlung in Frage stellt, noch dadurch bei objektiver Betrachtung auch eines unbefangenen Betrachters eine Bedrohungssituation hervorgerufen wird. Auch der Schutzzweck der Art. 18 f. BayVersG (Verhinderung unzulässiger Einwirkungen auf die Funktionsfähigkeit des Bayerischen Landtags) gebietet eine derartige Einschränkung dieser grundrechtlich geschützten Versammlung im konkreten Fall nicht.

Die Anschlussbeschwerde des Antragsgegners ist im Wesentlichen aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts als unbegründet zurückzuweisen. Als Ausnahme vom generellen Verbot von Versammlungen innerhalb des befriedeten Bezirks ist die grundsätzlich im Ermessen der zuständigen Behörde stehende Zulassungsentscheidung unter Berücksichtigung der betroffenen bzw. einschlägigen Grundrechte zu treffen. Ist - wie hier - eine Beeinträchtigung der Tätigkeit des Landtags und seiner Fraktionen sowie seiner Organe und Gremien und eine Behinderung des freien Zugangs zum Landtagsgebäude nicht ernsthaft zu besorgen (insbesondere in der sitzungsfreien Zeit), kommt die Zulassung der Versammlung in Betracht (vgl. Gesetzesbegründung LT-Drs. 15/10181 zu Art. 19). Das eingeräumte Ermessen wird im vorliegenden Fall durch den hohen Stellenwert der hier betroffenen Grundrechte des Antragstellers (Art. 8 Abs. 1 GG, Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG) soweit eingeschränkt, dass die konkrete Versammlung zuzulassen ist. Entgegen der Auffassung des Antragsgegners weist Art. 19 BayVersG dem Präsidenten des Bayerischen Landtags bei der Entscheidung über das in Art. 19 Abs. 3 BayVersG vorgesehene Einvernehmen keinen gerichtlich nicht überprüfbaren Beurteilungsspielraum zu. Nicht überzeugend ist auch die Auffassung des Antragsgegners, der Antragsteller müsse glaubhaft machen, „dass die Verwirklichung seines Versammlungszweckes nur dadurch erreicht werden kann, indem er die Versammlung zwingend innerhalb des befriedeten Bezirks durchführt“. Denn dies verkennt die Bedeutung des Grundrechts der Versammlungsfreiheit und die daraus grundsätzlich resultierende Gestaltungsfreiheit des Veranstalters. Der Veranstalter muss auch nicht etwa die „Schlüssigkeit“ des gewählten Versammlungsortes nachweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und 2 VwGO. Der Beigeladene trägt etwaige Kosten selbst.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

(1) Öffentliche Versammlungen unter freiem Himmel und Aufzüge sind innerhalb des befriedeten Bannkreises der Gesetzgebungsorgane der Länder verboten. Ebenso ist es verboten, zu öffentlichen Versammlungen unter freiem Himmel oder Aufzügen nach Satz 1 aufzufordern.

(2) Die befriedeten Bannkreise für die Gesetzgebungsorgane der Länder werden durch Landesgesetze bestimmt.

(3) Das Weitere regeln die Bannmeilengesetze der Länder.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

Tenor

I. Unter Abänderung des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 12. April 2017 wird die Maßgabe in I. Satz 2 des Beschlusstenors aufgehoben. Die Anschlussbeschwerde des Antragsgegners wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsgegner.

III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Mit Beschluss vom 12. April 2017 hat das Verwaltungsgericht München den Antragsgegner verpflichtet, die Versammlung des Antragstellers im befriedeten Bezirk des Bayerischen Landtags am 12. April 2017 zuzulassen; die Zulassung erfolgt mit der Maßgabe, dass das Mitführen von Original- und/oder nachgebildeten Waffen (auch historische) im Bereich des befriedeten Bezirks des Bayerischen Landtags untersagt ist.

Mit der Beschwerde wendet sich der Antragsteller gegen die Maßgabe I. Satz 2 des Beschlusstenors. Es handle sich um einen nicht gerechtfertigten Eingriff in das Grundrecht der Kunstfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 GG; es gebe bei realistischer Betrachtung des Sachverhalts überhaupt keine Gefährdung eines anderen Rechtsgutes durch das Mitführen der Schein-Holz-Waffen im Rahmen der künstlerischen Aktion.

Der Antragsgegner hatte Gelegenheit zur Stellungnahme und hat Anschlussbeschwerde mit dem Ziel der vollständigen Antragsablehnung erhoben.

Ergänzend wird auf die Gerichtsakte des Beschwerdeverfahrens Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde des Antragstellers ist begründet. Die vom Antragsteller dargelegten Gründe, die der Verwaltungsgerichtshof nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO allein zu prüfen hat, rechtfertigen die Abänderung des angefochtenen Beschlusses im tenorierten Umfang.

Gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 938 Abs. 1 ZPO steht es im freien Ermessen des Gerichts, welche Anordnungen zur Erreichung des mit dem Antrag verfolgten Zwecks erforderlich sind; insofern darf das Gericht seine Entscheidung auch durch Maßgaben wie Auflagen oder Bedingungen ergänzen (Kuhla in Beck’scher Online-Kommentar VwGO, Stand 1.4.2016, § 123 Rn. 139 ff.).

Dieses Ermessen ist allerdings mit Blick auf Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG und die hier betroffenen Grundrechte des Antragstellers (Art. 8 Abs. 1 GG, Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG) beschränkt. Soweit eine solche gerichtliche Maßgabe eine nicht völlig unerhebliche Beeinträchtigung dieser Rechte bewirkt, überschreitet sie dieses „freie Ermessen“.

So verhält es sich nach summarischer Prüfung aber hier, weil für den Senat weder ersichtlich ist, dass das Mitführen der nachgebildeten historischen Waffen die Friedlichkeit der Versammlung in Frage stellt, noch dadurch bei objektiver Betrachtung auch eines unbefangenen Betrachters eine Bedrohungssituation hervorgerufen wird. Auch der Schutzzweck der Art. 18 f. BayVersG (Verhinderung unzulässiger Einwirkungen auf die Funktionsfähigkeit des Bayerischen Landtags) gebietet eine derartige Einschränkung dieser grundrechtlich geschützten Versammlung im konkreten Fall nicht.

Die Anschlussbeschwerde des Antragsgegners ist im Wesentlichen aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts als unbegründet zurückzuweisen. Als Ausnahme vom generellen Verbot von Versammlungen innerhalb des befriedeten Bezirks ist die grundsätzlich im Ermessen der zuständigen Behörde stehende Zulassungsentscheidung unter Berücksichtigung der betroffenen bzw. einschlägigen Grundrechte zu treffen. Ist - wie hier - eine Beeinträchtigung der Tätigkeit des Landtags und seiner Fraktionen sowie seiner Organe und Gremien und eine Behinderung des freien Zugangs zum Landtagsgebäude nicht ernsthaft zu besorgen (insbesondere in der sitzungsfreien Zeit), kommt die Zulassung der Versammlung in Betracht (vgl. Gesetzesbegründung LT-Drs. 15/10181 zu Art. 19). Das eingeräumte Ermessen wird im vorliegenden Fall durch den hohen Stellenwert der hier betroffenen Grundrechte des Antragstellers (Art. 8 Abs. 1 GG, Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG) soweit eingeschränkt, dass die konkrete Versammlung zuzulassen ist. Entgegen der Auffassung des Antragsgegners weist Art. 19 BayVersG dem Präsidenten des Bayerischen Landtags bei der Entscheidung über das in Art. 19 Abs. 3 BayVersG vorgesehene Einvernehmen keinen gerichtlich nicht überprüfbaren Beurteilungsspielraum zu. Nicht überzeugend ist auch die Auffassung des Antragsgegners, der Antragsteller müsse glaubhaft machen, „dass die Verwirklichung seines Versammlungszweckes nur dadurch erreicht werden kann, indem er die Versammlung zwingend innerhalb des befriedeten Bezirks durchführt“. Denn dies verkennt die Bedeutung des Grundrechts der Versammlungsfreiheit und die daraus grundsätzlich resultierende Gestaltungsfreiheit des Veranstalters. Der Veranstalter muss auch nicht etwa die „Schlüssigkeit“ des gewählten Versammlungsortes nachweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und 2 VwGO. Der Beigeladene trägt etwaige Kosten selbst.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

I. Der Antragsgegner zu 1 wird verpflichtet, die Versammlung des Antragstellers im befriedeten Bezirk des Bayerischen Landtags am 12. April 2017 zuzulassen.

Die Zulassung erfolgt nur mit der Maßgabe, dass Mitführen von Original- und/oder nachgebildeten Waffen (auch historische) im Bereich des befriedeten Bezirks des Bayerischen Landtags untersagt ist.

Die Antragsgegnerin zu 2 wird verpflichtet, die Versammlung zu dulden.

II. Der Antragsgegner zu 1 trägt die Kosten des Verfahrens.

III. Der Streitwert wird auf 2.500,-- EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung die Zulassung einer Versammlung im befriedeten Bezirk des Bayerischen Landtags.

1. Mit Schreiben vom … März 2017 beantragte der Antragsteller beim Bayerischen Staatsministerium des Inneren, für Bau und Verkehr die Zulassung einer Versammlung im befriedeten Bereich des Bayerischen Landtags für den Nachmittag des 12. April 2017 mit dem Titel „Deutscher Oktober 1918 - 1923 - Revolution statt Krieg“.

Gleichzeitig wurde der Antrag als versammlungsrechtliche Anmeldung an das Kreisverwaltungsreferat der Landeshauptstadt München gerichtet. Die Versammlungsbehörde hat über den Antrag noch nicht entschieden.

Dem Antrag war eine Beschreibung des Ablaufs der geplanten Versammlung beigefügt.

Danach beabsichtigen die Antragsteller Versammlungen am 12., 13. und 29. April 2017 innerhalb des Stadtgebiets an etwa zehn Orten sowie Aufzügen an diesen Tagen in mehreren Stadtteilen. Für den 12. April 2017 ist im Rahmen dieses Gesamtprojekts zwischen 16.30 und 17.30 Uhr am Haupteingang des Bayerischen Landtags beabsichtigt, einen „künstlerischen Zug“ mit etwa 80 Mitwirkenden aufzustellen, insgesamt wird mit etwa 100 Teilnehmern gerechnet. Der Zug soll insbesondere aus einem historischen Fahrzeug - kleiner Pritschenwagen mit Darstellern -, eine als Holzbau nachgebaute historische Requisite einer Kanone sowie „Schauspieler“, die Holzgewehre aus historischer Darstellung mit sich führen, und weiteren historischen Darstellungen bestehen. Auf den Antrag und die Anlagen dazu wird im Einzelnen verwiesen.

Mit Bescheid vom 6. April 2017 lehnte der Antragsgegner zu 1 den Antrag auf Zulassung der Versammlung innerhalb des befriedeten Bereichs des Bayerischen Landtags ab.

Innerhalb des befriedeten Bereichs seien Versammlungen nach Art. 18 Satz 1 BayVersG verboten. Sie könnten dort nur mit Zustimmung der Präsidentin des Bayerischen Landtags nach Art. 19 Abs. 3 BayVersG zugelassen werden. Die Präsidentin habe ihr Einvernehmen für die Durchführung der angemeldeten Versammlung innerhalb des befriedeten Bereichs nicht erteilt, um die Arbeits- und Funktionsfähigkeit des Gesetzgebungsorgans zu sichern. Die Versammlung solle nicht nur am Rande, sondern im Kernbereich des befriedeten Bezirks stattfinden. Aufgrund der Teilnehmerzahl sei mit eine Erschwerung oder Verhinderung des Zutritts zum Parlamentsgebäude zu rechnen. Da die mitgeführten Requisiten auch ein entsprechendes Drohpotential, insbesondere durch die Schusswaffen, darstel len könnten, sei auch aus diesem Grund das Einvernehmen versagt worden. Zudem sei der Bayerische Landtag als Verfassungsorgan für die im Rahmen der Versammlung beabsichtigte Übergabe des Porträts des ersten Bayerischen Ministerpräsidenten nicht der richtige Adressat. Auf den Bescheid wird im Einzelnen verwiesen.

2. Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom … April 2017 ließ der Antragsteller den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragen.

Die Nichterteilung des Einvernehmens durch die Präsidentin des Bayerischen Landtags und die Zurückweisung des Antrags durch den Antragsgegner zu 1 sei rechtswidrig. Der Antragsteller könne aus Art. 5 Abs. 3 und Art. 8 GG einen Anspruch auf die Genehmigung der als Kunstaktion anzusehenden Versammlung geltend machen. Art. 19 BayVersG sei verfassungsgemäß einschränkend auszulegen. Versammlungen im befriedeten Bezirk seien zulässig, soweit dadurch nicht der Geschäftsbetrieb des Landtags beeinträchtigt werde. Dies sei hier nicht der Fall, der Bayerische Landtag befinde sich am Versammlungstag in einer sitzungsfreien Woche. Auch werde durch die Requisiten, die die Versammlung mitführe, keine Bedrohung für die Landtagsarbeit aufgebaut. Vielmehr werde in künstlerischer Art und Weise an das Revolutionsgeschehen erinnert, das in Bayern im Übrigen absolut unblutig verlaufen sei. Dass die Landtagspräsidentin das Bild des ersten bayerischen Ministerpräsidenten nicht entgegen nehmen wolle, ändere nichts an der Zulässigkeit der Versammlung.

Die ausreichende Eilbedürftigkeit des Antrags sei zu bejahen. Durch die Versammlung werde an das Revolutionsgeschehen im Zusammenhang mit der Oktoberrevolution und dem Entstehen der Münchner Räterepublik erinnert. Diese Erinnerungsdaten seien nicht verschiebbar, der Ausgang eines Hauptsacheverfahrens könne nicht abgewartet werden. Auf den Antragsschriftsatz wird Bezug genommen.

Der Antragsteller lässt beantragen,

  • 1.den Antragsgegner zu 1 im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die im Rahmen der Kunstaktion „Deutscher Oktober 1918 -1923 - Revolution statt Krieg“ angemeldete Kundgebung mit Kunstcharakter am 12. April 2017 von 16.30 bis 17.30 Uhr im befriedeten Bezirk des Landtages - Haupteingang Max-Planck Straße 1 - zuzulassen

  • 2.die Antragsgegnerin zu 2 im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr Einvernehmen zu der Zulassung der Kunstaktion im befriedeten Bezirk des Landtages zu erteilen.

Der Antragsgegner zu 1 nahm mit Schriftsatz vom 11. April 2017 zum Antrag Stellung und beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Der Antragsteller könne keinen Anspruch auf die Zulassung der Versammlung im befriedeten Bereich des Landtags geltend machen. Es sei bereits nicht auszuschließen, dass der Landtag am Versammlungstag trotz der sitzungsfreien Woche zu einer kurzfristig einberufenen Sondersitzung zusammentrete. Jedenfalls wären aber Mitarbeiter der Landtagsverwaltung und die laufenden Baumaßnahmen am Landtag von der Versammlung beeinträchtigt. Art. 18 BayVersG verbiete Versammlungen innerhalb des befriedeten Bereichs des Landtags, um die Funktionsfähigkeit des Parlaments zu sichern und das freie Mandat des einzelnen Abgeordneten zu schützen. In Abwägung dazu müsse das Versammlungsrecht des Antragstellers zurücktreten, da er nicht glaubhaft gemacht habe, dass Beeinträchti gungen dieser Schutzgüter nicht zu besorgen seien. Es stehe zu vermuten, dass der Zugang zum Parlament für einen nicht nur unerheblichen Zeitraum beeinträchtigt und blockiert werde. Weiter ergäben sich aus den Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden Bedenken, ob die Versammlung gewaltfrei ablaufen werde. Eine vergleichbare Versammlung in Nürnberg sei vom dortigen Veranstalter entgegen versammlungsrechtlicher Auflagen durchgeführt worden, mit dem Versammlungsleiter habe eine sinnvolle Kommunikation nicht stattfinden können. Auf die Antragserwiderung des Antragsgegners zu 1 wird im Einzelnen verwiesen.

Die Bevollmächtigte des Antragstellers nahm mit Schriftsatz vom … April 2017 zur Antragserwiderung umfassend Stellung. Darauf wird im Einzelnen verwiesen.

Der Antragsgegner zu 2 beantragt mit Schriftsatz vom 11. April 2017, den Antrag abzulehnen.

Der Antrag sei jedenfalls wegen der fehlenden Passivlegitimation des Antragsgegners zu 2 unbegründet. Der Antragsgegner zu 2 sei nicht richtiger Antragsgegner, er wirke nur intern im Rahmen der Beteiligung nach Art. 19 Abs. 3 BayVersG gegenüber dem Antragsgegner zu 1 mit. Gegenüber dem Antragsteller trete der Antragsgegner zu 2 nach außen nicht auf, der Antrag sei auch nur gegenüber dem Antragsteller zu 1 nach Art. 19 Abs. 2 Satz 1 BayVersG zu richten. Jedenfalls sei der Antrag aber aus den Gründen abzulehnen, die der Antragsgegner zu 1 in seinem Schriftsatz vom 11. April 2017 dargelegt habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der gesamten Gerichtsakte Bezug genommen.

II.

Der nach § 123 Abs. 1, Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) gestellte Antrag ist zulässig erhoben, soweit er gegen den Antragsgegner zu 1 gerichtet ist.

Gegen den Antragsgegner zu 2 bedarf es dagegen keiner eigenen Antragstellung, da der Antragsgegner zu 2 nur im Rahmen der internen Beteiligung an der Entscheidung des Antragsgegners zu 1 nach Art. 19 Abs. 3 Bayerisches Versammlungsgesetz (BayVersG) mitwirkt. Die gerichtliche Entscheidung gegenüber dem Antragsgegner zu 1 bindet insoweit auch den Antragsgegner zu 2. Aus Gründen der Rechtssicherheit geht das Gericht jedoch für das vorliegende Eilverfahren davon aus, dass der ausdrücklich gestellte Antrag die gleichen Rechtswirkungen wie eine Beiladung des Antragsgegners zu 2 entfaltet und durch eine Tenorierung im vorgenommenen Umfang entsprechend zum Ausdruck kommt.

Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht auch schon vor der Klageerhebung eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf den Streitgegenstand treffen. Dieser Antrag setzt voraus, dass der Antragsteller die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung, den sog. Anordnungsgrund, sowie den Anordnungsanspruch, das Bestehen des zu sichernden Rechts, glaubhaft macht (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Maßgebend sind dabei die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts.

1. Ein Anordnungsgrund ist im Versammlungsrecht dann zu bejahen, wenn es dem Rechtsschutzsuchenden nicht zugemutet werden kann, Rechtsschutz gegen die Versagung der beantragten Versammlung erst im Hauptsacheverfahren zu erlan gen. Wird durch die versammlungsrechtliche Entscheidung der Kernbereich des dem Antragsteller zustehenden Grundrechts aus Art. 8 Abs. 1 Grundgesetz (GG) beeinträchtigt, und kann diese Verletzung des Grundrechts durch die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden, ist das Vorliegen eines Anordnungsgrund zu bejahen (Dürig-Friedl in Dürig-Friedl/Enders, Versammlungsrecht, 2016, Einl. Rn. 137). Dabei ist bei den zeitlich gebundenen Begehren, um die es sich regelmäßig bei der Durchführung von einer vom Antragsteller für einen bestimmten Zeitpunkt geplanten Versammlung handelt, hinzunehmen, dass die gerichtliche Entscheidung notwendig mit einer Vorwegnahme der Hauptsache verbunden ist (Dürig-Friedl, Versammlungsrecht, Einl. Rn. 138; Happ in Eyer-mann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 123 Rn. 66 c; vgl. auch BVerfG (Kammer), B.v. 20.12.2012 - 1 BvR 2794/10 - NVwZ 2013, 570 Rn. 18 zu der mit dem im Versammlungsrecht im Rahmen des Eilverfahrens gebotenen umfassenden Prüfung).

Vorliegend ist die vom Antragsteller angemeldete Versammlung in ein Gesamtprogramm eingebunden, das zeitlich fixiert ist. Eine Verschiebung ist damit nicht möglich, so dass eine Eilbedürftigkeit für die vorliegende Entscheidung zu bejahen ist.

Für das Gericht ist zwar nicht ohne weiteres nachvollziehbar, dass die Versammlung als historischer Zug mit dem Thema „Revolution statt Krieg“ als einen Versammlungsort den Eingang zum Bayerischen Landtag als Bezugsort wählt, während ansonsten die Aktion auf Orte mit Bezug zu Arbeitnehmern bzw. Arbeiterräten abzielt. Allerdings ist es dem Veranstalter einer Versammlung grundsätzlich zuzubilligen, Zeit und Ort seiner Versammlung frei zu wählen. Dieses durch Art. 8 Abs. 1 GG geschützte Grundrecht betrifft damit auch das Recht des Antragstellers, die Durchführung der von ihm geplanten Versammlung an dem Ort durchzusetzen, den er für den Zeitpunkt der Versammlung als Ort ausreichender Kommunikation bewertet (vgl. BVerfG (Kammer), B.v. 20.6.2014 - 1 BvR 980/13 - NJW 2014, 2706 Rn. 19: „Danach war in der vorliegenden Situation auf dem Friedhof ein kommunikativer Verkehr eröffnet“).

2. Der Antragsteller kann auch einen Anordnungsanspruch geltend machen, soweit er die Zulassung der Versammlung im befriedeten Bereich des Bayerischen Landtags begehrt. Allerdings ist zum Schutz des Landtags die Zulassung nur unter Maßgaben zu erteilen.

a) Nach Art. 18 Satz 1 BayVersG sind Versammlungen unter freiem Himmel innerhalb des befriedeten Bezirks des Bayerischen Landtags (Art. 17 BayVersG) verboten. Nicht verbotene Versammlungen in diesem Bereich können nach Art. 19 Abs. 1 BayVersG durch das Staatsministerium des Inneren im Einvernehmen mit der Präsidentin des Bayerischen Landtags (Art. 19 Abs. 3 BayVersG) zugelassen werden.

Nach der Gesetzesbegründung zu Art. 18 BayVersG (abdruckt bei Wächtler/Heinhold/Merk, Bayerisches Versammlungsgesetz, 2011, zu Art. 17 - 19) hat die Festlegung des befriedeten Bezirks die Funktionsfähigkeit des Landtages zum Ziel. Neben dem Schutz vor physischen Einwirkungen auf die Landtagsabgeordneten soll vor allem auch der Schutz der Entscheidungsfreiheit des Parlaments gewährleistet werden. Verboten sind somit sämtliche unmittelbare und mittelbare Einwirkungen auf das Parlament.

Von diesem Verbot ist aber unter Beachtung des durch Art. 8 Abs. 1 GG geschützten Grundrechts der Versammlungsfreiheit zwingend eine Ausnahme zuzulassen, wenn die vorbeschriebenen Auswirkungen durch die Versammlung nicht zu erwarten sind. In Rechtsprechung und Literatur ist insoweit geklärt, dass bei der Entscheidung über die Zulassung einer Versammlung im befriede ten Bezirk der Zulassungsbehörde kein Ermessensspielraum zusteht. Für den Fall, dass eine Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit des Landtages nicht zu besorgen ist, ist die Versammlung auch im befriedeten Bereich zuzulassen (Merk in Wächtler/Heinhold/Merk, BayVersG, Art. 17 - 19 Rn. 6; Kniesel in Die-tel/Gintzel/Kniesel, Versammlungsgesetze, 17. Aufl. 2016, Rn. 10, 12; Dürig-Friedl in Dürig-Friedl/Enders, Versammlungsrecht, § 16 VersammlG Rn. 2 und 23).

b) In Anwendung dieser Grundsätze ist der Antragsgegner zu 1 zu verpflichten, die beantragte Zulassung zu erteilen.

Nach dem dem Gericht im Zeitpunkt seiner Entscheidung bekannten Sachverhalt besteht keine Gefahr der unmittelbaren oder mittelbaren Einwirkung auf die Funktionsfähigkeit des Landtags durch die Versammlung.

aa) Der Landtag hat am Versammlungstag keine Sitzung, das Parlament befindet sich in einer sitzungsfreien Woche.

Dies führt zwar entgegen der Auffassung der Antragstellerseite nicht dazu, damit per se jede Einwirkung auf das Parlament oder den einzelnen Abgeordneten zu verneinen. Denn auch in diesem Zeitraum ist natürlich von der Anwesenheit von (einzelnen) Abgeordneten und deren Mitarbeitern am Parlamentssitz auszugehen. Gleichzeitig ist auch durch die Gewährleistung des freien Zugangs zum Landtag dessen allgemeine Arbeitsfähigkeit sicherzustellen.

Andererseits ist aufgrund dieser Situation nicht davon auszugehen, dass die durch Art. 18 BayVersG alleine geschützte Funktionsfähigkeit des Land tags als Gesetzgebungsorgan durch die Versammlung beeinträchtigt wird. Es ist nach dem Vorbringen der Parteien nicht erkennbar, dass eine unmittelbare Einwirkung auf die Entscheidungsfreiheit der Abgeordneten zu erwarten ist. Der Zugang zum Parlamentsgebäude kann durch entsprechende Auflagen zu den von den Versammlungsteilnehmern einzuhaltenen Aufstellungsflächen (vgl. zur Notwendigkeit der parallelen Beantragung einer versammlungsrechtlichen Erlaubnis bei der Versammlungsbehörde und der von dieser zu treffenden Entscheidung die Gesetzesbegründung zu Art. 19 BayVersG und die Regelung in Art. 19 Abs. 4 BayVersG) gesichert werden. Angesichts der Versammlungsfläche auf der Ostseite des Landtagsgebäudes und den dort zur Verfügung stehenden Flächen ist auch nicht damit zu rechnen, dass eine „Blockade“ des Zugangs zum Parlamentsgebäude erfolgt.

bb) Auch eine mittelbare Einwirkung auf die Funktionsfähigkeit des Landtags ist für das Gericht nicht erkennbar.

Nach der in der Literatur unter Berücksichtigung des Grundrechts aus Art. 8 Abs. 1 GG vertretenen Auffassung, ist die Einflussnahme auf die politische Willensbildung durch Versammlungen auch in Sicht- und Hörweite des Parlaments grundsätzlich zulässig. Erst wenn durch eine der „Druck der Straße“ alleine dem Zweck dient, das Parlament in seiner Entscheidungsfin-dung zu beeinflussen, gebietet der Schutzzweck des Art. 18 BayVersG die Ablehnung der Zulassung der Versammlung innerhalb des befriedeten Bereichs (Kniesel, Versammlungsgesetze, § 16 VersammlG Rn. 9).

Vorliegend bezieht sich die Versammlung nicht auf Themen, die der Zuständigkeit des Bayerischen Landtags unterliegen. Die vom Antragsteller in den Mittelpunkt der Versammlung gestellte generelle Thematik der sog. Münchner Räterepublik hat zwar einen Bezug zu Fragen der parlamentarischen Demokratie. Gegenstand der Versammlung ist aber eine historische Betrachtung und nicht die konkrete Entscheidungsfindung im Parlament.

Damit ist aber eine mittelbare Einwirkung auf die Beschlussfassungen des Landtags bereits deshalb ausgeschlossen. Auch wenn die Versammlung vor dem Besuchereingang zum Parlamentsgebäude stattfindet, ist dessen Arbeit dadurch auch nicht mittelbar berührt.

cc) Es ist nach den von den Parteien vorgelegten Unterlagen für das Gericht auch nicht erkennbar, dass die Friedlichkeit der Versammlung nicht gewährleistet ist. Jedoch ist das Mitführen von Waffen - sei es als Originale oder in Form von (historischen) Nachbildungen - auszuschließen.

Soweit der Antragsgegner auf die in der Stadt Nürnberg durchgeführte Versammlung zur gleichen Thematik hinweist, ist dies vorliegend ohne durchgreifende Bedeutung. Der dortige Versammlungsleiter ist nach den dem Gericht von den Parteien dargelegten Umständen nicht in die Durchführung der hier zu beurteilenden Versammlung involviert. Erkenntnisse aus der Versammlung in Nürnberg lassen sich somit nicht übertragen. Eine generelle Unfriedlichkeit der Versammlung ist nicht erkennbar.

Allerdings sollen bei der Versammlung auch Waffen als historische Requisiten mitgeführt werden. Dies kann beim unbefangenen Betrachter - wenn dies auch nicht Zweck der Versammlung ist - den Eindruck von Bedrohung hervorrufen. Wegen dieser nicht auszuschließenden Gefahr war das Mitfüh ren dieser Waffen bei gleichzeitiger Zulassung der Versammlung im befriedeten Bezirk zu untersagen.

Aufgrund der Eilbedürftigkeit der vorliegenden Entscheidung war diese Untersagung über die beantragte Zulassung hinaus durch die Maßgabeentscheidung durch das Gericht zu verfügen, da eine weitere Beteiligung der Versammlungsbehörde, die im Rahmen der versammlungsrechtlichen Genehmigung über notwendige Auflagen zu entscheiden hat, im Hinblick auf den Zeitablauf nicht gewährleistet werden kann.

Gleichzeitig stellt diese Maßgabe nur einen als geringfügig anzusehenden Eingriff in den Versammlungsablauf dar. Zweck der Versammlung ist es nach den Ausführungen des Antragstellers, an die Oktoberrevolution 1917 und die sog. Münchner Räterepublik zu erinnern. Diese durch die Teilnehmer und ihre weiteren Requisiten erinnerten Umstände werden durch die Untersagung des Mitführens von Waffen nicht tangiert, zumal durch die mitgeführten Transparente etc. eine sachgerechte und ausreichende Darstellung des Versammlungsgegenstandes gewährleistet ist.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG) i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs.

(1) Öffentliche Versammlungen unter freiem Himmel und Aufzüge sind innerhalb des befriedeten Bannkreises der Gesetzgebungsorgane der Länder verboten. Ebenso ist es verboten, zu öffentlichen Versammlungen unter freiem Himmel oder Aufzügen nach Satz 1 aufzufordern.

(2) Die befriedeten Bannkreise für die Gesetzgebungsorgane der Länder werden durch Landesgesetze bestimmt.

(3) Das Weitere regeln die Bannmeilengesetze der Länder.

Tenor

I. Unter Abänderung des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 12. April 2017 wird die Maßgabe in I. Satz 2 des Beschlusstenors aufgehoben. Die Anschlussbeschwerde des Antragsgegners wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsgegner.

III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Mit Beschluss vom 12. April 2017 hat das Verwaltungsgericht München den Antragsgegner verpflichtet, die Versammlung des Antragstellers im befriedeten Bezirk des Bayerischen Landtags am 12. April 2017 zuzulassen; die Zulassung erfolgt mit der Maßgabe, dass das Mitführen von Original- und/oder nachgebildeten Waffen (auch historische) im Bereich des befriedeten Bezirks des Bayerischen Landtags untersagt ist.

Mit der Beschwerde wendet sich der Antragsteller gegen die Maßgabe I. Satz 2 des Beschlusstenors. Es handle sich um einen nicht gerechtfertigten Eingriff in das Grundrecht der Kunstfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 GG; es gebe bei realistischer Betrachtung des Sachverhalts überhaupt keine Gefährdung eines anderen Rechtsgutes durch das Mitführen der Schein-Holz-Waffen im Rahmen der künstlerischen Aktion.

Der Antragsgegner hatte Gelegenheit zur Stellungnahme und hat Anschlussbeschwerde mit dem Ziel der vollständigen Antragsablehnung erhoben.

Ergänzend wird auf die Gerichtsakte des Beschwerdeverfahrens Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde des Antragstellers ist begründet. Die vom Antragsteller dargelegten Gründe, die der Verwaltungsgerichtshof nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO allein zu prüfen hat, rechtfertigen die Abänderung des angefochtenen Beschlusses im tenorierten Umfang.

Gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 938 Abs. 1 ZPO steht es im freien Ermessen des Gerichts, welche Anordnungen zur Erreichung des mit dem Antrag verfolgten Zwecks erforderlich sind; insofern darf das Gericht seine Entscheidung auch durch Maßgaben wie Auflagen oder Bedingungen ergänzen (Kuhla in Beck’scher Online-Kommentar VwGO, Stand 1.4.2016, § 123 Rn. 139 ff.).

Dieses Ermessen ist allerdings mit Blick auf Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG und die hier betroffenen Grundrechte des Antragstellers (Art. 8 Abs. 1 GG, Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG) beschränkt. Soweit eine solche gerichtliche Maßgabe eine nicht völlig unerhebliche Beeinträchtigung dieser Rechte bewirkt, überschreitet sie dieses „freie Ermessen“.

So verhält es sich nach summarischer Prüfung aber hier, weil für den Senat weder ersichtlich ist, dass das Mitführen der nachgebildeten historischen Waffen die Friedlichkeit der Versammlung in Frage stellt, noch dadurch bei objektiver Betrachtung auch eines unbefangenen Betrachters eine Bedrohungssituation hervorgerufen wird. Auch der Schutzzweck der Art. 18 f. BayVersG (Verhinderung unzulässiger Einwirkungen auf die Funktionsfähigkeit des Bayerischen Landtags) gebietet eine derartige Einschränkung dieser grundrechtlich geschützten Versammlung im konkreten Fall nicht.

Die Anschlussbeschwerde des Antragsgegners ist im Wesentlichen aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts als unbegründet zurückzuweisen. Als Ausnahme vom generellen Verbot von Versammlungen innerhalb des befriedeten Bezirks ist die grundsätzlich im Ermessen der zuständigen Behörde stehende Zulassungsentscheidung unter Berücksichtigung der betroffenen bzw. einschlägigen Grundrechte zu treffen. Ist - wie hier - eine Beeinträchtigung der Tätigkeit des Landtags und seiner Fraktionen sowie seiner Organe und Gremien und eine Behinderung des freien Zugangs zum Landtagsgebäude nicht ernsthaft zu besorgen (insbesondere in der sitzungsfreien Zeit), kommt die Zulassung der Versammlung in Betracht (vgl. Gesetzesbegründung LT-Drs. 15/10181 zu Art. 19). Das eingeräumte Ermessen wird im vorliegenden Fall durch den hohen Stellenwert der hier betroffenen Grundrechte des Antragstellers (Art. 8 Abs. 1 GG, Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG) soweit eingeschränkt, dass die konkrete Versammlung zuzulassen ist. Entgegen der Auffassung des Antragsgegners weist Art. 19 BayVersG dem Präsidenten des Bayerischen Landtags bei der Entscheidung über das in Art. 19 Abs. 3 BayVersG vorgesehene Einvernehmen keinen gerichtlich nicht überprüfbaren Beurteilungsspielraum zu. Nicht überzeugend ist auch die Auffassung des Antragsgegners, der Antragsteller müsse glaubhaft machen, „dass die Verwirklichung seines Versammlungszweckes nur dadurch erreicht werden kann, indem er die Versammlung zwingend innerhalb des befriedeten Bezirks durchführt“. Denn dies verkennt die Bedeutung des Grundrechts der Versammlungsfreiheit und die daraus grundsätzlich resultierende Gestaltungsfreiheit des Veranstalters. Der Veranstalter muss auch nicht etwa die „Schlüssigkeit“ des gewählten Versammlungsortes nachweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und 2 VwGO. Der Beigeladene trägt etwaige Kosten selbst.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

(1) Öffentliche Versammlungen unter freiem Himmel und Aufzüge sind innerhalb des befriedeten Bannkreises der Gesetzgebungsorgane der Länder verboten. Ebenso ist es verboten, zu öffentlichen Versammlungen unter freiem Himmel oder Aufzügen nach Satz 1 aufzufordern.

(2) Die befriedeten Bannkreise für die Gesetzgebungsorgane der Länder werden durch Landesgesetze bestimmt.

(3) Das Weitere regeln die Bannmeilengesetze der Länder.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.