Verwaltungsgericht Mainz Urteil, 12. Juli 2017 - 3 K 1256/16.MZ
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
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Der Kläger, ein eingetragener Verein, begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Ablehnung einer Straßensondernutzungserlaubnis zum Verkauf von Fastnachtsartikeln aus einem Bauchladen heraus.
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Am 8. November 2015 beantragte die 1. Vorsitzende des Klägers bei der Beklagten die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis u.a. für den Verkauf von Fastnachtsartikeln in der Zeit vom 11. November 2015 bis zum 9. Februar 2016 im Stadtgebiet von M. mittels Bauchladen. Sie gab an, dass die Einnahmen dem Vereinszweck zu Gute kommen und gespendet werden sollten.
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Mit Bescheid vom 30. November 2015 lehnte die Beklagte die beantragte Sondernutzungserlaubnis für den Bauchladenverkauf von Fastnachtsartikeln ab und führte zur Begründung aus, mobile Verkaufsaktionen könnten aus Gründen der Gleichbehandlung und der Vielzahl bereits gestellter Anträge auf öffentlichen Flächen grundsätzlich nicht zugelassen werden. Es sei jedoch möglich, auf einer öffentlichen Fläche in der S.-G.-Passage für insgesamt 3 Wochen einen Stand zu betreiben.
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Am 7. Dezember 2015 erhob der Kläger Widerspruch. Zur Begründung wurde vorgetragen, dass die Ablehnung seines Antrags dem Gleichbehandlungsgrundsatz gerade widerspreche, weil dem XXV (XXV) eine Sondernutzungserlaubnis u.a. für den Bauchladenverkauf erteilt worden sei.
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Mit Bescheid vom 7. Januar 2016 wurde dem Kläger eine Sondernutzungserlaubnis zur Errichtung eines Verkaufsstands zum Verkauf von Fastnachtsartikeln für einen Zeitraum im Januar 2016 erteilt.
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Unter dem 15. Februar 2016 wies die Beklagte den Kläger darauf hin, dass sich sein Widerspruch mit Ablauf der Fastnachtskampagne 2016 erledigt habe und mithin unzulässig geworden sei. Er bat um Mitteilung, ob der Widerspruch gleichwohl aufrecht erhalten bleiben solle.
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Nachdem der Kläger mitgeteilt hatte, dass er von einer kostenneutralen Einstellung des Widerspruchsverfahrens ausgehe, stellte der Stadtrechtsausschuss der Beklagten das Widerspruchsverfahren mit Beschluss vom 8. September 2016 wegen Erledigung ein.
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Am 19. Oktober 2016 hat der Kläger Klage erhoben. Er trägt vor, seine Klage sei als Fortsetzungsfeststellungsklage zulässig. Er habe ein berechtigtes Feststellungsinteresse unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr. Die Versagung einer Sondernutzungserlaubnis für einen Bauchladenverkauf sei rechtswidrig gewesen. So sei er vor Erlass des Versagungsbescheids nicht angehört worden. Die Ablehnung sei ermessensfehlerhaft erfolgt. Straßenrechtliche Aspekte, die der Erteilung der Sondernutzungserlaubnis entgegenstünden, seien nicht ersichtlich. Insbesondere würden weder die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs noch Belange des Straßen- und Stadtbildes durch einen Bauchladenverkauf beeinträchtigt. Die Richtlinie der Beklagten „Gestaltung von Sondernutzungen im öffentlichen Raum – Bereich Innenstadt“ sei nicht einschlägig. Festlegungen des Wirtschaftsausschusses der Beklagten, mobilen Verkauf im Stadtgebiet nicht zuzulassen, seien nicht belegt. Die Beklagte habe sich durch ihre in der Vergangenheit geübte Praxis, dem XXV eine Sondernutzungserlaubnis u.a. für den mobilen Verkauf zu erteilen, gebunden. Er – der Kläger – sei mit dem XXV vergleichbar, denn er wolle ebenfalls während der Fastnachtszeit diesbezügliche Artikel mittels eines Bauchladens für einen gemeinnützigen Zweck im Stadtgebiet verkaufen. Es sei keine sachliche Rechtfertigung dafür ersichtlich, warum allein dem XXV der Bauchladenverkauf gestattet werde. Insbesondere stelle das seitens der Beklagten angeführte Argument der Brauchtumspflege keinen sachlichen Differenzierungsgrund dar; vielmehr stärke der Einsatz von Bauchläden unterschiedlicher Verkäufer das Brauchtum in seiner Pluralität.
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Der Kläger beantragt,
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festzustellen, dass der Bescheid vom 30. November 2015 rechtswidrig gewesen ist.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie trägt zur Begründung vor, die Klage sei mangels Feststellungsinteresses unzulässig, jedenfalls aber unbegründet. Der Kläger sei vor Erlass des Bescheids angehört worden. Im Übrigen habe es mit der Vorsitzenden des Klägers im Vorfeld Telefon- und E-Mail-Verkehr gegeben. Die Ablehnung einer Sondernutzungserlaubnis für einen Bauchladenverkauf sei auch in der Sache gerechtfertigt. Sie habe sich bei ihrer Entscheidung ausschließlich an Belangen orientiert, die einen sachlichen Bezug zur Straße aufwiesen. Ein Warenverkauf durch Bauchladen beeinträchtige die Leichtigkeit des Verkehrs sowie Belange des Straßen- und Stadtbildes und widerspreche dem Gestaltungskonzept der Beklagten, das durch die Richtlinie „Gestaltung von Sondernutzungen im öffentlichen Raum – Bereich Innenstadt“ sowie über Festlegungen des Wirtschaftsausschusses umgesetzt werde. Überdies hätten Bauchladenverkäufer einen erheblichen hindernden Effekt auf den Fußgängerverkehr in der M. Innenstadt zur Folge. Ausgehend von diesen Gründen sei sie bestrebt, die Innenstadt von Bauchladenverkäufern freizuhalten und habe sich dazu entschlossen, grundsätzlich keinen mobilen Verkauf in der Innenstadt zuzulassen. Anhaltspunkte dafür, zugunsten des Klägers von dieser Handhabung ausnahmsweise abzuweichen, seien nicht ersichtlich. Der vom Kläger angestrebte Verkauf stelle genau die Art der Sondernutzung dar, die die Leichtigkeit des Verkehrs zu beeinträchtigen geeignet sei und verhindert werden solle. Schließlich könne die Klägerin auch nichts aus dem Umstand für sich herleiten, dass dem XXV seit Jahrzehnten in der Fastnachtszeit eine Sondernutzungserlaubnis erteilt werde, die auch den mobilen Verkauf umfasse, denn eine etwaige Ungleichbehandlung sei durch sachliche Gründe gerechtfertigt. Bei dem mobilen Verkauf von „Zugplakettchen“ und als Annex dazu von Fastnachtsartikeln stehe nicht der Kommerzgedanke im Vordergrund. Der Verkauf der „Zugplakettchen“ diene vielmehr der Finanzierung des Rosenmontagszugs, sei Brauchtumspflege und gewollter Bestandteil des städtischen Erscheinungsbilds. Hiervon unterscheide sich der vom Kläger beabsichtigte Verkauf von Fastnachtsartikeln deutlich.
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Ein von der Vorsitzenden des Klägers gestellter Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung des Inhalts, die dem XXV erteilte Sondernutzungserlaubnis in der Fastnachtskampagne 2015/2016 aufzuheben, wurde vom erkennenden Gericht durch Beschluss vom 15. Januar 2016 im Verfahren 3 L 4/16.MZ abgelehnt, die hiergegen erhobene Beschwerde durch unanfechtbaren Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 5. Februar 2016 (1 B 10555/16.OVG) zurückgewiesen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Schriftsätze der Beteiligten in den Gesichtsakten sowie auf die beigezogenen Verwaltungs- und Widerspruchsakten der Beklagten einschließlich der Gerichtsakte 3 L 4/16.MZ Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Sie ist in entsprechender Anwendung von § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO als Fortsetzungsfeststellungsklage statthaft, weil sich das klägerische Begehren infolge Zeitablaufs im Sinne von § 1 Landesverwaltungsverfahrensgesetz – LVwVfG – i. V. m. § 43 Abs. 2 Verwaltungsverfahrensgesetz –VwVfG – mit Ablauf des beantragten Verkaufszeitraums im Februar 2016 erledigt hatte. Der Kläger hat auch ein berechtigtes Feststellungsinteresse in Gestalt der Wiederholungsgefahr dargetan (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 2.8.2006 – 11 A 2642/04 –, juris, Rn. 17).
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In der Sache hat die Klage indes keinen Erfolg. Der Versagungsbescheid der Beklagten vom 30. November 2015 war rechtmäßig und hat die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt.
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Rechtsgrundlage für die Erteilung der begehrten Sondernutzungserlaubnis ist § 41 Abs. 1 Satz 1 des Landestraßengesetzes – LStrG –. Nach dieser Vorschrift bedarf der Gebrauch der Straße über den Gemeingebrauch hinaus (Sondernutzung) der Erlaubnis der Straßenbaubehörde.
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Der Versagungsbescheid der Beklagten war formell rechtmäßig. Entgegen der Ansicht des Klägers hat die Beklagte vor dessen Erlass insbesondere nicht gegen das Anhörungserfordernis des § 28 Abs. 1 VwVfG verstoßen. Ungeachtet dessen, dass eine Anhörung im Sinne von § 28 Abs. 1 VwVfG grundsätzlich nicht erforderlich ist, wenn – wie vorliegend – der Erlass eines begünstigenden Verwaltungsakts abgelehnt wird (vgl. BVerwG, Urteile vom 14. Oktober 1982 – 3 C 46/81 –, BVerwGE 66, 184 = juris Rn. 35, und vom 30. April 1981 – 3 C 13 5/79 –, Buchholz 451.74 § 8 KHG Nr. 3 = juris Rn. 64; SächsOVG, Urteil vom 20. August 2015 – 5 A 104/16 –, juris Rn. 28; OVG M-V, Beschluss vom 23. Juni 2014 – 3 M 58/14 –, juris Rn. 6), hat die Beklagte unwidersprochen vorgetragen, dass die 1. Vorsitzende des Klägers am 18. November 2015 in Bezug auf den beabsichtigten Bauchladenverkauf bei ihr vorgesprochen hatte und es vor Erlass des Bescheids zudem Telefon- und E-Mail-Verkehr gab, so dass dem Anhörungserfordernis insoweit Genüge getan wurde.
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Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 41 Abs. 1 Satz 1 LStrG lagen zwar vor. Bei dem vom Kläger beabsichtigten Verkauf von Fastnachtsartikeln aus einem Bauchladen heraus im Gebiet der M. Innenstadt handelt es sich um eine erlaubnispflichtige Sondernutzung (vgl. OVG Berlin, Urteil vom 17. September 2003 – 1 B 15.03 –, LRE 47, 239 = juris Rn. 14; OVG NRW, Beschluss vom 21. Oktober 1996 – 23 B 2966/95 –, juris Rn. 14; VG Karlsruhe, Urteil vom 2. Juni 2003 – 5 K 2371/02 –, GewArch 2005, 39), denn er beabsichtigt mit dieser Tätigkeit die Inanspruchnahme des öffentlichen Straßenraums zu vorrangig gewerblich-kommerziellen Zwecken und damit über den in § 34 Abs. 1 Satz 1 LStrG definierten Gemeingebrauch hinaus. Insbesondere handelt es sich bei dem Bauchladenverkauf nicht um ein Erscheinungsbild des sogenannten kommunikativen Gemeingebrauchs, auch wenn etwa in der Fußgängerzone Passanten an den Verkäufer herantreten bzw. dieser Passanten anspricht. Zwar entspricht es dem modernen Funktionsbild insbesondere von Fußgängerbereichen (Fußgängerzonen und -passagen), dass dort neben den klassischen Erscheinungsformen des Verkehrs (Fortbewegung von Menschen und Sachen einschließlich des ruhenden Verkehrs) auch andere Verhaltensweisen wie etwa das Betrachten von Schaufenstern oder aber die Begegnung und Kommunikation mit anderen Passanten üblich sind, die in der Aufenthaltsfunktion eines Fußgängerbereichs angelegt sind und vom Widmungszweck dieser Verkehrsflächen gefördert werden. Gleichwohl steht auch bei dem sogenannten kommunikativen Gemeingebrauch die Nutzung der Straße als Verkehrseinrichtung für den ungehinderten Verkehr und nicht als Kommunikationsmedium im Vordergrund (vgl. VGH BW, Urteil vom 31. Januar 2002 – 5 S 311/00 –, NVwZ-RR 2002, 740 = juris Rn. 23). Hiervon ausgehend kann ein Bauchladenverkauf nicht als dem kommunikativen Gemeingebrauch unterfallende Nutzung des Straßenraums angesehen werden. Es handelt sich vielmehr um eine gewerbliche Betätigung, bei der ein Verkehrsinteresse nicht vorhanden oder allenfalls nebensächlich ist und die nicht auf individuelle Begegnung angelegt ist; er unterfällt damit nicht mehr dem Gemeingebrauch (vgl. VGH BW, Urteil vom 9. Dezember 1999 – 5 S 2051/98 –, ESVGH 50, 143 = juris Rn. 41; VG Karlsruhe, a.a.O.).
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Der Kläger hat jedoch keinen Anspruch auf Erteilung der danach erforderlichen Sondernutzungserlaubnis gehabt. In Anbetracht dessen, dass die Erteilung einer straßenrechtlichen Sondernutzungserlaubnis grundsätzlich im Ermessen der Straßenbaubehörde steht (vgl. OVG RP, Urteil vom 4. Dezember 2014 – 1 A 10294/14.OVG –, AS 43, 126 = juris Rn. 20), hätte die Verpflichtung zum Erlass des begehrten Verwaltungsakts nur ausgesprochen werden können, wenn mit Blick auf die konkreten Umstände des Falls nur eine einzige, bestimmte und ermessensfehlerfreie Entscheidung in Betracht gekommen wäre (sog. Ermessensreduktion auf Null). Dies war hier jedoch nicht gegeben.
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Das behördliche Ermessen ist auf Null reduziert, wenn die für die Erteilung der Sondernutzungserlaubnis sprechenden Umstände derart überwiegen, dass nur die Erteilung der Erlaubnis rechtmäßig sein kann. Dies ist etwa dann der Fall, wenn der Sondernutzungserlaubnis entgegenstehende straßenrechtlich relevante Gesichtspunkte nicht ersichtlich sind, mithin kein straßenrechtlicher Bezug besteht. Ferner kommt eine Ermessensreduzierung auf Null in Fällen der Selbstbindung der Verwaltung in Betracht, insbesondere wenn die Behörde ihr Ermessen durch eine bestimmte Verwaltungspraxis in der Vergangenheit gebunden hat. Schließlich kann sich eine Reduktion des Ermessens auf Null im Einzelfall auch daraus ergeben, dass sich die zur Verfügung stehenden Entscheidungsmöglichkeiten deshalb verringern, weil alle übrigen zu unzulässigen, weil unverhältnismäßigen oder unzumutbaren Ergebnissen führen (vgl. zu alledem VG Aachen Beschluss vom 30. April 2008 – 6 L 176/08 –, juris Rn. 25 f.). Derartige Umstände sind weder ersichtlich noch vom Kläger geltend gemacht worden.
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a) Entgegen der Ansicht des Klägers lagen der Versagung der Sondernutzungserlaubnis hinreichend gewichtige Belange mit straßenrechtlichem Bezug zugrunde. Die Beklagte hat die Versagung zum einen damit begründet, dass die Zulassung von Verkäufern mit Bauchläden die Leichtigkeit des Verkehrs beeinträchtigte (aa). Zum anderen hat sie die Versagung auf Aspekte des Stadt- und Straßenbildes gestützt (bb).
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aa) Zu den im Rahmen der Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis berücksichtigungsfähigen Gründen mit straßenrechtlichem Bezug gehört u.a. auch die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs (vgl. OVG RP, Beschluss vom 15.8.2013 – 1 B 10669/13 –, juris Rn. 10; NRW, Urteil vom 7. April 2017 – 11 A 2068/14 –, juris Rn. 54; OVG Saarland, Beschluss vom 22. Februar 2017 – 1 D 166/17 –, juris Rn. 57). Der Oberbegriff der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs hat zum Ziel, dass kein Verkehrsteilnehmer gefährdet (Sicherheit) oder mehr als nach den Umständen unvermeidlich behindert oder belästigt wird (Leichtigkeit). Die Sicherheit hat also die Abwendung von Gefahren für den Verkehr und von diesem, die Leichtigkeit den möglichst ungehinderten Verkehrsfluss im Blick (vgl. VG Würzburg, Urteil vom 4. September 2012 – W 4 K 12.364 –, juris Rn. 33). Legt man dieses Verständnis zugrunde, so erschließt es sich ohne Weiteres, dass durch den mobilen Verkauf von Waren aus einem Bauchladen heraus – zumal in einer durch Fußgängerverkehr stark frequentierten Fußgängerzone – ein möglichst ungehinderter Verkehrsfluss beeinträchtigt wird, weil stehenbleibende Kunden den Verkehr auf der Straße behindern können (vgl. auch VG Aachen, a.a.O. Rn. 53) und damit deren Funktion als Verkehrsträger berührt ist (vgl. VG Ansbach, Urteil vom 19. März 2007 – AN 10 K 05.04197 –, juris Rn. 25). Dies gilt umso mehr, als die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis für einen Bauchladenverkauf an den Kläger letztlich Signalwirkung für anderen Bewerber hätte, denen dann eine solche Erlaubnis aus Gründen der Leichtigkeit des Verkehrs nicht verwehrt werden könnte.
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bb) Darüber hinaus durfte die Beklagte auch Aspekte des Straßen- und Stadtbildes zur Versagung der Sondernutzungserlaubnis anführen.
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Bei der Entscheidung über die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis darf neben wegerechtlichen Belangen im engeren Sinne auch auf andere Gesichtspunkte abgestellt werden, sofern sie mit der Straße und ihrem Widmungszweck (noch) in einem hinreichend engen sachlichen Zusammenhang stehen (vgl. OVG RP, Beschluss vom 15.8.2013 – 1 B 10669/13 –, juris, Rn. 10; Urteil vom 4. Dezember 2014, a.a.O. = juris Rn. 21; VGH BW, Urteil vom 18. März 2014 – 5 S 348/13 –, NVwZ-RR 2014, 539 = juris Rn. 36 [jeweils m.w.N.]). Dies gilt namentlich auch für Belange der Straße, ihres Umfelds und ihrer Funktion städtebaulicher oder baugestalterischer Art. Ein entsprechend enger sachlicher Bezug zur Straße liegt vor, soweit es um den Schutz eines bestimmten Straßen- oder Platzbildes geht. Demgegenüber können Belange, die – wie etwa der Schutz des Ortsbildes als Ganzes – unmittelbar keine sachliche Beziehung zu dem jeweiligen „Straßengrund“ haben, die Ablehnung einer Sondernutzungserlaubnis grundsätzlich nicht rechtfertigen. Etwas anderes kommt insoweit nur in Betracht, soweit diese Belange im konkreten „Straßenbild“ der Straße, in der die Sondernutzung ausgeübt werden soll, einen fassbaren Niederschlag gefunden hat (vgl. OVG RP, Urteil vom 4. Dezember 2014, a.a.O. = juris Rn. 22; VGH BW, Urteil vom 9. Dezember 1999, a.a.O. = juris Rn. 45). Des Weiteren setzt die Berücksichtigung entsprechender Belange voraus, dass ihnen ein konkretes, vom Gemeinderat beschlossenes Gestaltungskonzept der Gemeinde zugrunde liegt, welches dem in den Blick genommenen Bereich – etwa in Bezug auf Bereiche der Gemeinde – ein spezifisches „Flair“ verleihen soll. Einer Festlegung in Satzungsform bedarf es hierzu indessen nicht; ausreichend sind verwaltungsinterne Richtlinien (vgl. OVG RP, Urteil vom 4. Dezember 2014 a.a.O. = juris Rn 22; VGH BW, Urteil vom 9. Dezember 1999, a.a.O. = juris Rn. 46). Dabei dürfen an die Konkretisierung der Gestaltungsvorstellungen keine zu hohen Anforderungen gestellt werden. Ausreichend ist, wenn es sich aus dem Inhalt der vom Gemeinderat beschlossenen Regelungen ohne weiteres ablesen lässt. Auch genügt es, wenn das Konzept nur die für die Einzelfallentscheidung wesentlichen Grundsätze bestimmt. Abgrenzungsprobleme im Einzelfall sind bei Umsetzung des Konzepts im Rahmen der Ermessensausübung anhand der festgelegten Grundsätze unter Beachtung der gesetzlichen Grenzen des Ermessens, insbesondere des Gleichbehandlungsgebots nach Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz – GG – zu lösen (vgl. VGH BW, Urteil vom 9. Dezember 1999, a.a.O. = Rn. 46).
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Gemessen an diesen Grundsätzen liegt dem Handeln der Beklagten, grundsätzlich keine mobilen Bauchladenverkäufe in der Innenstadt zuzulassen, ein hinreichend konkretes, von den städtischen Gremien beschlossenes Gestaltungskonzept zugrunde. So hat die Beklagte auf der Grundlage eines Stadtratsbeschlusses vom 20. Juli 2005 eine Richtlinie („Gestaltung von Sondernutzungen im öffentlichen Raum – Bereich Innenstadt“) aufgestellt, die Vorgaben enthält, die von der Verwaltung im Rahmen des bei der Erteilung von Sondernutzungserlaubnissen auszuübenden Ermessens zu beachten sind. Zwar ist diese Richtlinie nicht unmittelbar auf die Fallgruppe des mobilen, zeitlich beschränken Warenverkaufs mittels Bauchläden anwendbar (vgl. Abschnitt III. Gestaltung und Bedeutung, S. 6 der Richtlinie). Sie lässt jedoch die grundsätzlichen, von der Beklagten verfolgten gestalterischen Belange des Straßenbildes in der M. Innenstadt erkennen, die letztlich der Erhaltung eines attraktiven Stadtbildes der in durch eine intakte Altstadt bzw. durch historische und repräsentative sowie architektonisch anspruchsvolle Neubauten geprägten M. Innenstadt als Visitenkarte und Schaufenster der Stadt dienen (vgl. Abschnitt II. Städtebauliches Erfordernis einer Gestaltungsrichtlinie, S. 5 f.). Es liegt auf der Hand, dass diese Aspekte nicht nur für die in der Richtlinie beispielhaft aufgeführten Elemente der „Stadtmöblierung“, sondern gleichermaßen auch für Sondernutzungen in Gestalt des mobilen, zeitlich beschränkten Warenverkaufs gelten, denn diese Sondernutzungen sind gleichermaßen geeignet, auf das Straßen- und damit auf das Stadtbild der Beklagten einzuwirken und konkreten Einfluss auf das Ambiente und den Flair der M. Innenstadt zu nehmen (vgl. auch Abschnitt VI Begründung 3. Aufgaben und Regelungsbereich der Richtlinie, S. 25 „…Der Charakter der Sondernutzungen ist jedoch per se dominant…“). Zur Umsetzung der gestalterischen Belange hat die Beklagte in Bezug auf den mobilen Warenverkauf durch Festlegungen des Wirtschaftsausschusses die Regelung getroffen, dass dieser Verkauf von Waren – etwa aus einem Bauchladen heraus – grundsätzlich nicht zugelassen werden soll. Diese Festlegungen lassen vor dem Hintergrund der von der Beklagten grundsätzlich verfolgten gestalterischen Belange hinreichend deutlich erkennen, dass auch der mobile, zeitlich beschränkte Warenverkauf als das Straßen- und Stadtbild beeinträchtigend empfunden wird. Unbeachtlich ist insoweit, dass diese Festlegungen nicht vom Stadtrat, sondern von einem seiner Ausschüsse getroffen wurden. Zum einen handelt es sich bei der Festlegung eines das Straßen- und Stadtbild betreffenden Gestaltungskonzepts nicht um eine gemeindliche Angelegenheit, die gemäß § 32 Abs. 2 Gemeindeordnung – GemO – der ausschließlichen Entscheidungskompetenz des Stadtrats unterliegt. Zum anderen handelt es sich beim Wirtschaftsausschuss um einen mit Ratsmitgliedern besetzten Ausschuss des Stadtrats der Beklagten im Sinne von § 44 ff. GemO, dem durch die Hauptsatzung der Beklagten sogar Entscheidungskompetenzen anstelle des Stadtrats übertragen wurden. Damit ist sichergestellt, dass an der Aufstellung des Gestaltungskonzepts auch in Bezug auf den mobilen Verkauf von Waren in hinreichendem Maße demokratisch legitimierte Entscheidungsträger beteiligt sind (vgl. zur ausdrücklichen Regelung auch des mobilen Warenverkaufs die Richtlinie zur Inanspruchnahme des öffentlichen Straßenraums im Stadtgebiet der L.-Stadt M. vom 28. Juni 2017, Amtsblatt Nr. 27 vom 7. Juli 2017).
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b) Entgegen der Auffassung des Klägers ergibt sich vorliegend eine Ermessensreduktion auf Null auch nicht aus Gründen der Selbstbindung der Beklagten.
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Aus dem Gleichheitsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG bzw. dem aus dem Rechtsstaatsgebot des Art. 20 Abs. 3 GG abgeleiteten rechtsstaatlichen Vertrauensschutzprinzip (vgl. BVerwG, Urteil vom 8. April 1997 – 3 C 6/95 –, BVerwGE 104, 220 = juris Rn. 19 ) folgt, dass eine seitens der Behörde ausgeübte Verwaltungspraxis in der Vergangenheit zu einer Ermessensbindung gegenüber dem Bürger führt, von der in vergleichbaren Fällen nicht willkürlich abgewichen werden darf (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. April 2012 – 8 C 18/11 –, BVerwGE 143, 50 = juris Rn. 32; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 11. Auflage 2010, § 40 Rn. 25). Eine derartige Verwaltungspraxis der Beklagten, die das ihr zustehende Ermessen hin zur Erteilung von Sondernutzungsgenehmigungen für einen Bauchladenverkauf binden würde, ist indes nicht ersichtlich. Die Beklagte hat substantiiert dargetan, dass auch schon in der Vergangenheit auf der Grundlage der Festlegungen des Wirtschaftsausschusses Sondernutzungserlaubnisse für den mobilen Verkauf von Waren abgelehnt wurden (vgl. Protokoll über das Routinegespräch am 28. April 2011, TPO 15 „Eisfahrrad“). Dem ist der Kläger nicht entgegen getreten; er hat vielmehr sogar selbst bestätigt, dass auch anderen Vereinen keine Sondernutzungserlaubnis für mobile Verkaufsaktionen mittels Bauchladen erteilt würde (vgl. Schriftsatz vom 2. Juni 2017). In Anbetracht dessen ist für eine zur Erteilung von Sondernutzungserlaubnissen für den mobilen Bauchladenverkauf führende ermessensbindende Verwaltungspraxis der Beklagten kein Raum.
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Eine andere Beurteilung ist auch nicht deshalb angezeigt, weil die Beklagte in der Vergangenheit und auch in dem hier in Rede stehenden Zeitraum dem XXV (XXV) Sondernutzungserlaubnisse erteilt hat, die u.a. auch den Verkauf von Fastnachtsartikeln mittels Bauchladen umfassten. Soweit der Kläger aus diesem Umstand eine willkürliche Ungleichbehandlung zu seinen Lasten daraus herleiten will, dass er ebenfalls den Verkauf von Fastnachtsartikeln aus einem Bauchladen heraus beabsichtigt habe, vermag er hiermit nicht durchzudringen.
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Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Er gilt sowohl für ungleiche Belastungen als auch für ungleiche Begünstigungen. Dabei verwehrt Art. 3 Abs. 1 GG dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung. Differenzierungen bedürfen jedoch stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Der Gleichheitssatz ist dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. Februar 2012 – 1 BvL 14/07 –, BVerfGE 130, 240 = juris Rn. 40 m.w.N.).
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Hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Anforderungen an den die Ungleichbehandlung tragenden Sachgrund ergeben sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Normgeber, die von gelockerten auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen können. Dem Normgeber kommt im Bereich der gewährenden Staatstätigkeit für die Abgrenzung der begünstigten Personenkreise grundsätzlich ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Eine strengere Bindung des Normgebers kann sich allerdings aus den jeweils betroffenen Freiheitsrechten ergeben. Zudem verschärfen sich die verfassungsrechtlichen Anforderungen, je weniger die Merkmale, an die die gesetzliche Differenzierung anknüpft, für den Einzelnen verfügbar sind oder je mehr sie sich denen des Art. 3 Abs. 3 GG annähern (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. Februar 2012, a.a.O. = juris Rn. 42 m.w.N.).
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Ausgehend von diesen Grundsätzen hat die Beklagte sachlich gerechtfertigte Gründe für die regelmäßige Erteilung von Sondernutzungserlaubnissen an den XXV dargetan. Die Beklagte hat nachvollziehbar dargestellt, dass dem dem XXV genehmigte Verkauf von „Zugplakettchen“ u.a. mit Bauchläden einem herkömmlichen (gewerblichen) Verkauf von Waren (von Fastnachtsartikeln) eine besondere Bedeutung zukomme, weil er als ein das Straßenbild in der Fastnachtszeit gestaltendes Element der Brauchtumspflege anzusehen sei, das eine im Vergleich zum Kläger unterschiedliche Behandlung erlaube (vgl. zum Aspekt der Brauchtumspflege als anerkennenswertes Interesse bei der Erteilung von Sondernutzungserlaubnissen VG Münster, Urteil vom 8. Mai 2014 – 8 K 2350/13 –, juris Rn. 29; VG Düsseldorf, Urteil vom 6.2.2001 – 16 K 4925/98 –, juris Rn. 21). Hiergegen ist nichts zu erinnern. Wie allgemein bekannt, werden auf den Straßen der Innenstadt durch vom XXV bestellte fastnachtlich gekleidete Verkäufer im Wesentlichen die sogenannten „Zugplaketten“ verkauft, die der Finanzierung des vom XXV seit 1838 in eigener Verantwortung und seit vielen Jahren auf eigene Rechnung veranstalteten Rosenmontagszugs dienen. Der Zugplakettenverkauf, der seit den 1950er Jahren stattfindet, gehört in der Fastnachtszeit zum Erscheinungsbild auf den Straßen und Fußgängerbereichen in der M. Innenstadt und ist – ebenso wie der Rosenmontagszug selbst – ein mittlerweile traditionelles Element, das in der besagten Zeit das Straßenbild in der M. Innenstadt (mit)prägt. Von daher ist es wie andere fastnachtliche Ereignisse im öffentlichen Straßenraum (z.B. Rosenmontagszug, Neujahrsempfang auf dem S.-Platz, Jugendmaskenzug, Umzug der Garden, Kappen-Fahrt) als Teil der die M. Fastnacht betreffenden Brauchtumspflege anzusehen. Vor diesem Hintergrund begegnet es keinen Rechtsbedenken, dass die Beklagte in ihre Entscheidung, dem XXV – anders als dem Kläger – eine entsprechende Sondernutzungsnutzungserlaubnis zum Verkauf in erster Linie von Zugplaketten (und nur im Annex von Fastnachtsartikeln) mit einem Bauchladen zu erteilen, die Herkömmlichkeit und Tradition des Zugplakettenverkaufs als ein aus ihrer Sicht das Straßenbild mitgestaltendes Element in ihre Entscheidung einbezogen hat (vgl. auch OVG RP, Beschluss vom 15.8.2013 – 1 B 10669/13 –, juris, Rn. 11; VG Osnabrück, Beschluss vom 24.3.2003 – 1 B 6/03 –, juris, Rn. 13).
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Anders als der Kläger meint, wird auch nicht anderen Vereinen oder Gruppen seitens der Beklagten der Verkauf von der Finanzierung des Rosenmontagszugs dienenden Zugplaketten oder sonstigen Fastnachtsartikeln erlaubt. Genehmigungen hierfür werden nach der Darstellung der Beklagten allein dem XXV erteilt, der insoweit allein Berechtigter und Verpflichteter ist. Dieser organisiert den Verkaufsablauf unter Beteiligung verschiedener (teilweise wohl auch nicht fastnachtlich ausgerichteter) Gruppen. Insoweit besteht kein öffentlich-rechtlicher Bezug zur hier streitgegenständlichen Sondernutzungsgenehmigung nach dem Landesstraßengesetz, auf den sich der Kläger berufen könnte.
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c) Schließlich ergibt sich vorliegend eine Reduktion des Ermessens auf Null auch nicht aus dem Umstand, dass die sich zur Verfügung stehenden Entscheidungsmöglichkeiten deshalb verringern, weil alle übrigen zu unzulässigen, weil unverhältnismäßigen oder unzumutbaren Ergebnissen führen. Hiergegen spricht bereits, dass der Beklagte die (wirtschaftlichen) Belange mobiler Verkäufer bei der Erteilung von Sondernutzungserlaubnissen berücksichtigt hat, indem sie in der M. Fußgängerzone in der S.-G.-Passage einen Bereich für mobile Verkaufsstände eingeräumt hat, für den zeitlich befristete Sondernutzungserlaubnisse zum Verkauf von Waren erteilt werden. Hiervon hat der Kläger im fraglichen Zeitraum im Übrigen auch Gebrauch gemacht hat (vgl. Sondernutzungserlaubnis vom 7. Januar 2016).
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Die Ablehnung der Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis für einen Bauchladenverkauf war schließlich auch nicht deshalb unverhältnismäßig, weil es sich bei dem Kläger nach seinen Angaben um einen gemeinnützigen Verein handelt und der Erlös des Verkaufs dem Vereinszweck zu Guten kommen (gespendet werden) sollte (vgl. Antrag vom 8. November 2015). Selbst wenn man unterstellt, dass der Kläger als gemeinnütziger Verein sozial anerkennenswerte Interessen verfolgt, begründet dies für ihn keine Sondersituation. Es verbleibt dabei, dass er gewerblich tätig sein will und dies dazu führen würde, dass auch vergleichbare gewerbliche Tätigkeiten von Dritten nicht verhindert werden könnten. Allein die Unterscheidung nach der Verwendung des Gewinns aus dieser Tätigkeit (fremd- oder eigennützig) wäre kein straßenrechtlich haltbares Differenzierungskriterium, das im Gegensatz zu anderen Bewerbern die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis für den Kläger rechtfertigen würde (vgl. VG Köln, Urteil vom 6. August 2007 – 11 K 6707/05 –, juris Rn. 29).
- 37
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils hinsichtlich der Kosten beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
Beschluss vom 12. Juli 2017
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Der Streitwert wird auf 5.000,00 € festgesetzt (§ 52 Abs. 2 GKG).
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Urteil einreichenVerwaltungsgericht Mainz Urteil, 12. Juli 2017 - 3 K 1256/16.MZ zitiert oder wird zitiert von 7 Urteil(en).
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, ist diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern.
(2) Von der Anhörung kann abgesehen werden, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalls nicht geboten ist, insbesondere wenn
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eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint; - 2.
durch die Anhörung die Einhaltung einer für die Entscheidung maßgeblichen Frist in Frage gestellt würde; - 3.
von den tatsächlichen Angaben eines Beteiligten, die dieser in einem Antrag oder einer Erklärung gemacht hat, nicht zu seinen Ungunsten abgewichen werden soll; - 4.
die Behörde eine Allgemeinverfügung oder gleichartige Verwaltungsakte in größerer Zahl oder Verwaltungsakte mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen will; - 5.
Maßnahmen in der Verwaltungsvollstreckung getroffen werden sollen.
(3) Eine Anhörung unterbleibt, wenn ihr ein zwingendes öffentliches Interesse entgegensteht.
(1) Die Krankenhäuser haben nach Maßgabe dieses Gesetzes Anspruch auf Förderung, soweit und solange sie in den Krankenhausplan eines Landes und bei Investitionen nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 in das Investitionsprogramm aufgenommen sind. Die zuständige Landesbehörde und der Krankenhausträger können für ein Investitionsvorhaben nach § 9 Abs. 1 eine nur teilweise Förderung mit Restfinanzierung durch den Krankenhausträger vereinbaren; Einvernehmen mit den Landesverbänden der Krankenkassen, den Ersatzkassen und den Vertragsparteien nach § 18 Abs. 2 ist anzustreben. Die Aufnahme oder Nichtaufnahme in den Krankenhausplan wird durch Bescheid festgestellt. Gegen den Bescheid ist der Verwaltungsrechtsweg gegeben.
(1a) Krankenhäuser, die bei den für sie maßgeblichen planungsrelevanten Qualitätsindikatoren nach § 6 Absatz 1a auf der Grundlage der vom Gemeinsamen Bundesausschuss nach § 136c Absatz 2 Satz 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch übermittelten Maßstäbe und Bewertungskriterien oder den im jeweiligen Landesrecht vorgesehenen Qualitätsvorgaben nicht nur vorübergehend eine in einem erheblichen Maß unzureichende Qualität aufweisen, dürfen insoweit ganz oder teilweise nicht in den Krankenhausplan aufgenommen werden. Die Auswertungsergebnisse nach § 136c Absatz 2 Satz 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch sind zu berücksichtigen.
(1b) Plankrankenhäuser, die nach den in Absatz 1a Satz 1 genannten Vorgaben nicht nur vorübergehend eine in einem erheblichen Maß unzureichende Qualität aufweisen, sind insoweit durch Aufhebung des Feststellungsbescheides ganz oder teilweise aus dem Krankenhausplan herauszunehmen; Absatz 1a Satz 2 gilt entsprechend.
(1c) Soweit die Empfehlungen des Gemeinsamen Bundesausschusses nach § 6 Absatz 1a Satz 2 nicht Bestandteil des Krankenhausplans geworden sind, gelten die Absätze 1a und 1b nur für die im Landesrecht vorgesehenen Qualitätsvorgaben.
(2) Ein Anspruch auf Feststellung der Aufnahme in den Krankenhausplan und in das Investitionsprogramm besteht nicht. Bei notwendiger Auswahl zwischen mehreren Krankenhäusern entscheidet die zuständige Landesbehörde unter Berücksichtigung der öffentlichen Interessen und der Vielfalt der Krankenhausträger nach pflichtgemäßem Ermessen, welches Krankenhaus den Zielen der Krankenhausplanung des Landes am besten gerecht wird; die Vielfalt der Krankenhausträger ist nur dann zu berücksichtigen, wenn die Qualität der erbrachten Leistungen der Einrichtungen gleichwertig ist.
(3) Für die in § 2 Nr. 1a genannten Ausbildungsstätten gelten die Vorschriften dieses Abschnitts entsprechend.
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 07. Mai 2014 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.250,00 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
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Der Antragsteller wendet sich gegen die für sofortig vollziehbar erklärte Baueinstellungsverfügung des Antragsgegners, durch die dem Antragsteller die Umgestaltung eines Bootshauses untersagt wird.
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Der Antragsteller reichte am 05.12.2013 einen Bauantrag im vereinfachten Verfahren gemäß § 63 Landesbauordnung Mecklenburg-Vorpommern – LBauO M-V – ein. Gegen-stand des Bauantrages soll die Erneuerung eines bestehenden Bootshauses sein. Mit Schreiben vom 11.03.2014 teilte der Antragsgegner mit, die beantragte Baumaßnahme bedürfe einer Genehmigung nach § 63 LBauO M-V. Das Vorhaben sei als sonstiges Vorhaben nach § 35 Abs. 2 BauGB planungsrechtlich nicht zulässig. Außerdem könne die notwendige naturschutzrechtliche Genehmigung für eine Ausnahme von der Landschaftsschutzgebietverordnung „Mecklenburger Großseenlandschaft“ und eine Genehmigung des mit dem Vorhaben verbundenen Eingriffs in Natur und Landschaft nicht in Aussicht gestellt werden. Schließlich verstoße das Vorhaben gegen § 61 Bundesnaturschutzgesetz – BNatSchG – i.V.m. § 29 Naturschutzausführungsgesetz Mecklenburg-Vorpommern - NatSchAG M-V -, wonach an Gewässern erster Ordnung bauliche Anlagen in einem Abstand von 50 m land- und gewässerseits von der Mittelwasserlinie angerechnet nicht errichtet oder wesentlich geändert werden dürften. Am 14.03.2014 ordnete der Antragsgegner mündlich einen Baustopp für die begonnenen Bauarbeiten an, der durch Bescheid vom 18.03.2014 schriftlich bestätigt wurde. Zugleich wurde die sofortige Vollziehung dieser Anordnung ausgesprochen.
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Den hiergegen gerichteten Antrag des Antragstellers auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung lehnte das Verwaltungsgericht Greifswald durch Beschluss vom 07.05.2014 im Wesentlichen mit der Begründung ab, die zuvor unterbliebene Anhörung sei durch die Widerspruchsbegründung geheilt worden. Der Antragsteller sei nicht in Besitz einer durch Zeitablauf entstandenen Baugenehmigung nach § 63 Abs. 2 Satz 2 LBauO M-V, da das Vorhaben nicht unter die in Abs. 1 der Vorschrift genannten falle. Die Baueinstellungsverfügung sei bereits deswegen gerechtfertigt, weil das Vorhaben wegen der fehlenden Baugenehmigung formell baurechtswidrig sei. Wegen der im Verwaltungsverfahren aufgezeigten rechtlichen Bedenken sei es auch nicht offensichtlich materiell genehmigungsfähig. Die Zwangsgeldandrohung begegne keinen Bedenken, ebenso wenig die Begründung des besonderen öffentlichen Interesses für die Anordnung der sofortigen Vollziehung.
II.
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Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Antragstellers, die allein nach deren Vorbringen gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu beurteilen ist, hat keinen Erfolg.
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Der Antragsteller macht zunächst geltend, der Antragsgegner habe vergleichbare Vorhaben in der Vergangenheit und Gegenwart als Bauantragsverfahren im vereinfachten Verfahren nach § 63 LBauO M-V behandelt. Er sei zuvor dazu anzuhören gewesen, dass der Antragsgegner das Verfahren nicht als vereinfachtes, sondern als Baugenehmigungsverfahren nach § 64 LBauO M-V behandeln wolle. Überdies sei die Fiktionswirkung der Baugenehmigung nach § 63 Abs. 2 Satz 2 LBauO eingetreten.
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Dieses Vorbringen vermag den angefochtenen Beschluss nicht in Frage zu stellen. Für die Anwendung des § 63 LBauO M-V kommt es allein darauf an, ob hier die objektiven Voraussetzungen dieser Vorschrift gem. § 63 Abs. 1 LBauO vorliegen. Danach ist das vereinfachte Genehmigungsverfahren nur dann möglich und vorgeschrieben, wenn es sich um ein Wohngebäude handelt, eine sonstige bauliche Anlage, die kein Gebäude ist oder ein Nebengebäude oder eine Nebenanlage zu Bauvorhaben der eben genannten Art. Der Antragsteller trägt selbst nicht vor, dass der Bootsschuppen zukünftig ein Wohngebäude im Sinne von § 2 Abs. 2 S. 2 LBauO M-V sein soll (dazu OVG Greifswald, B. v. 15.07.2009 - 3 L 182/08 - juris) oder dass die Anlage kein Gebäude im Sinne des § 2 Abs. 2 Satz 1 LBauO darstellt. Es kommt nicht darauf an - und zwar auch nicht für den Eintritt der Fiktionswirkung nach § 63 Abs. 2 Satz 2 LBauO M-V – ob der Antragsteller sein Vorhaben so beurteilt, dass das vereinfachte Genehmigungsverfahren aus seiner Sicht in Betracht kommt (so bereits OVG Greifswald, B. v. 09.03.2004 - 3 M 253/03 - juris). Anderenfalls könnte er nämlich die Fiktionswirkung und die eingeschränkte baurechtliche Überprüfung in Hinblick auf bauordnungsrechtliche Fragen gem. § 63 Abs. 1 Nr. 2 LBauO M-V allein dadurch herbeiführen, dass er einen derartigen Antrag stellt. Dies ist nicht Sinn und Zweck der verschieden ausgestalteten Genehmigungsverfahren der Landesbauordnung. Vielmehr ist es Sache der Baugenehmigungsbehörden objektiv zu beurteilen, ob und nach welchen Verfahrensvorschriften das jeweilige Vorhaben verfahrensrechtlich zu beurteilen ist. Eine andere Auslegung der Vorschriften im Sinne des Antragstellers würde im Ergebnis zu einer Wahlfreiheit der Genehmigungsverfahren unabhängig von den normierten Voraussetzungen führen. Eine solche Wahlfreiheit hat – anders als teilweise die Bauordnungen anderer Bundesländer – der Gesetzgeber in Mecklenburg-Vorpommern den Bauherrn nicht eingeräumt. Daraus folgt zugleich, dass der Antragsgegner nicht gehalten war, den Antragsteller zuvor darauf hinzuweisen, dass sein Vorhaben nach § 64 LBauO M-V zu beurteilen ist. Überdies ist eine Anhörung nach § 28 Abs. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz Mecklenburg-Vorpommern – VwVfG M-V – nur bei Erlass eines belastenden Verwaltungsaktes vorgesehen. Die Versagung eines begünstigenden Verwaltungsaktes fällt hierunter nach überwiegender Ansicht nicht. Selbst wenn dies nicht in dem Fall gelten sollte, in dem von einer früheren Verwaltungspraxis abgewichen werden soll (so OVG Münster, U. v. 01.07.1983 - 4 A 248/82, NVwZ 1983, 746), rechtfertigte dies nicht die Anordnung der aufschiebenden Wirkung, weil die Anhörung im Widerspruchverfahren nachgeholt wird (§ 45 Abs. 2 VwVfG M-V). Gleiches gilt im übrigen, wenn sich der Einwand des Antragstellers auf den Erlass der Baueinstellungsanordnung beziehen sollte. Schließlich kann sich der Antragsteller nicht darauf berufen, dass in anderen – aus seiner Sicht vergleichbaren – Fällen der Antragsgegner das Genehmigungsverfahren nach § 63 LBauO M-V durchgeführt hat. Auf die Weiterführung eines solchen rechtwidrigen Verwaltungshandelns hätte der Antragsteller keinen Anspruch.
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Der Antragsteller macht in seiner Beschwerdeschrift weiter geltend, die Erwägungen des Antragsgegners zur vermeintlichen Vorbildwirkung würden das Interesse an der Anordnung des Sofortvollzugs nicht rechtfertigen. Ihm sei nicht bekannt, dass vergleichbare bauliche Anlagen im Landkreis durch den Antragsgegner nicht genehmigt würden oder gegen eben jene Anlagen offensichtlich eingeschritten werden müsse. Mit diesem Einwand verkennt der Antragsteller die Ausführungen des Verwaltungsgerichtes. Es hat in dem angefochtenen Beschluss unter Bezugnahme auf den Beschluss des Senats vom 17.11.2010 – 3 M 210/10 – ausgeführt, dass die Anordnung der sofortigen Vollziehung wegen der Vorbildwirkung des rechtswidrigen Vorhabens für andere Personen regelmäßig im besonderen öffentlichen Interesse liegt. Dieser Gesichtspunkt weist erkennbar auf zukünftiges Verhalten und wird nicht dadurch widerlegt, dass – wie der Antragsteller behauptet – in der Vergangenheit nicht in vergleichbaren Fällen unter Anordnung des Sofortvollzugs eingeschritten worden sei.
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Soweit der Antragsteller schließlich geltend macht, das Vorhaben sei materiell genehmigungsfähig, weil es als Außenbereichsvorhaben sich an den bereits errichteten Bootshäusern orientiere, die Wasserfläche ohnehin zulässigerweise als Liegefläche für ein Boot genutzt werde, er Ausgleichsflächen zu schaffen angeboten habe und schließlich eine Vorbildwirkung nicht bestehe, vermag das der Erwägung des Verwaltungsgerichts nicht in Frage zu stellen. Danach wird aus den Gründen, die der Antragsgegner gegenüber dem Antragsteller im Rahmen der Anhörung zur beabsichtigten Ablehnung seines Bauantrages aufgezeigt habe, deutlich, dass eine offensichtliche Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens nicht besteht. Insoweit geht der Antragsteller in seiner Beschwerdeschrift, unabhängig davon, ob die geltend gemachten Einwendungen in der Sache zutreffen, jedenfalls nicht darauf ein, dass das Vorhaben einer Befreiung von der Landschaftsschutzgebietverordnung „Mecklenburger Großseenlandschaft“ und einer Befreiung von der Vorschrift über den Gewässerschutzstreifen nach § 61 BNatSchG i.V.m. § 29 NatSchAG M-V bedarf.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
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Die Festsetzung des Streitwertes ergibt sich aus §§ 47, 53 Abs. 2 und 52 Abs. 2 GKG.
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Der Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 i.V.m. § 68 Abs. 1 S. 5 und § 66 Abs. 3 S. 3 GKG unanfechtbar.
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 17. Juni 2013 wird zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 1.000,00 € festgesetzt.
Gründe
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Die Beschwerde ist zulässig. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg, weil das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen den für sofort vollziehbar erklärten Bescheid der Antragsgegnerin vom 27. Mai 2013 hinsichtlich der in Ziff. I. des Bescheides enthaltenen Beseitigungsanordnung zu Recht angeordnet hat. Im Rahmen der im vorliegenden Eilverfahren vorzunehmenden Interessenabwägung ist dem Interesse der Antragstellerin an der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegenüber dem Interesse der Antragsgegnerin, bereits vor Abschluss des Hauptsacheverfahrens die streitige Anordnung durchsetzen zu können, der Vorrang einzuräumen.
- 2
Das Verwaltungsgericht hat bereits die Grundsätze einer Interessenabwägung im Rahmen der nach § 80 Abs. 5 VwGO zu treffenden Entscheidung dargelegt, worauf zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird. Das Vorbringen der Antragsgegnerin in der Beschwerdebegründung, das der Senat alleine berücksichtigen kann (§ 146 Abs. 4 Satz 1, 3 und 6 VwGO), rechtfertigt keine Abänderung oder Aufhebung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung. Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist die in dem Bescheid der Antragsgegnerin vom 27. Mai 2013 unter Ziffer I. aufgeführte und auf § 41 Abs. 8 LStrG gestützte Beseitigungsanordnung, durch die der Antragstellerin aufgegeben worden ist, die vor der Gaststätte „A...Tisch“ auf dem J... Platz an dessen Rand aufgestellten Möbelelemente in Form von „Sessel- und Sofaelementen“ zu beseitigen. Gemäß § 80 Abs. 2 Ziffer 4 VwGO hat die Antragsgegnerin diesbezüglich die sofortige Vollziehung angeordnet. Der Antragstellerin war unter dem 15. März 2013 eine Sondernutzungserlaubnis u.a. zur Aufstellung von „Tischen und Stühlen“ auf zwei voneinander getrennten Teilflächen auf dem J... Platz erteilt worden. Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die auf der - kleineren - zwischen der Hauswand der Gaststätte und der Durchfahrt der F... Straße gelegenen „Sondernutzungsfläche A“ aufgestellten Sitzmöbel der genannten Sondernutzungserlaubnis entsprechen oder ob sie, sofern sie von der Erlaubnis nicht erfasst sein sollten, was die Antragsgegnerin annimmt und daher diesbezüglich von einer unerlaubten Sondernutzung ausgeht, jedenfalls zuzulassen wären. Des Weiteren besteht Streit darüber, ob die Voraussetzungen für die Anordnung des Sofortvollzuges erfüllt waren.
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Sofern eine Straße ohne die erforderliche Erlaubnis benutzt wird, kann nach § 41 Abs. 8 LStrG die Straßenbaubehörde - hier die Antragsgegnerin - die erforderlichen Maßnahmen zur Beendigung der Benutzung anordnen. Das Verwaltungsgericht hat zwar die tatbestandlichen Voraussetzungen der genannten Norm als erfüllt angesehen, weil die von der Antragstellerin aufgestellten Sitzmöbel den unter Ziffer I. der erteilten Sondernutzungserlaubnis aufgeführten Möbeln nicht entsprechen. Es ist aber der von der Antragsgegnerin im Rahmen ihrer im Bescheid vom 27. Mai 2013 dargelegten Ermessenserwägungen vertretenen Rechtsauffassung nicht gefolgt, die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis für die von der Antragstellerin tatsächlich aufgestellten Möbelelemente sei unter Berücksichtigung der „Richtlinie Gestaltung von Sondernutzungen im öffentlichen Raum Bereich Innenstadt“ der Antragsgegnerin grundsätzlich ausgeschlossen. Das Verwaltungsgericht ist vielmehr zu dem Ergebnis gelangt, die Erfolgsaussichten des Widerspruches der Antragstellerin seien offen, soweit sie geltend macht, die Beseitigungsanordnung sei ermessensfehlerhaft. Die Antragstellerin habe einen Anspruch auf eine entsprechende Sondernutzungserlaubnis, da dem die genannte Richtlinie nicht entgegenstehe. Die sich hier stellenden sowohl tatsächlichen als auch rechtlichen Fragen könnten in dem summarischen Verfahren nicht abschließend beantwortet werden. Dabei hat das Verwaltungsgericht insbesondere die Frage angesprochen, ob und inwieweit sämtliche Vorgaben der Richtlinie bei der Frage der Genehmigungsfähigkeit der Sondernutzung durch das Aufstellen der streitigen Sitzmöbel berücksichtigt werden dürfen, weil bei der Ermessensentscheidung nach § 41 Abs. 1 LStrG über die Erteilung der Sondernutzungserlaubnis nur solche Belange Berücksichtigung finden könnten, die einen sachlichen Bezug zur Straße hätten. Darüber hinaus hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, zwar seien die formalen Voraussetzungen des § 80 Abs. 3 VwGO bezüglich der Anordnung des Sofortvollzuges erfüllt, im Rahmen der im gerichtlichen Eilverfahren vorzunehmenden Interessenabwägung könne unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des vorliegenden Falles indessen nicht von einer den Sofortvollzug tragenden Dringlichkeit ausgegangen werden. Diese rechtlichen Erwägungen des Verwaltungsgerichts sind nicht zu beanstanden. Die Darlegungen der Antragsgegnerin im Beschwerdeverfahren rechtfertigen keine hiervon abweichende Beurteilung.
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Im Beschwerdeverfahren streiten die Beteiligten nach wie vor im Wesentlichen darüber, ob die von der Antragstellerin konkret aufgestellten Sitzgelegenheiten überhaupt mit den Vorgaben der genannten „Richtlinie Gestaltung von Sondernutzungen im öffentlichen Raum Bereich Innenstadt“ kollidieren und des Weiteren, sofern dies der Fall sein sollte, ob die der Gastronomiemöblierung der Antragstellerin entgegengehaltenen gestalterischen Vorgaben der genannten Richtlinie rechtlich zulässig auf der Grundlage des Landesstraßengesetzes umgesetzt werden können. Die demgemäß zu klärenden Streitfragen lassen sich entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin keineswegs auf der Grundlage der vorliegenden Unterlagen abschließend beurteilen, weshalb es, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, hierzu der Durchführung eines Hauptsacheverfahrens bedarf. Zwar lässt sich anhand der in den Verwaltungs- und Gerichtsakten enthaltenen Fotografien der streitigen Sitzmöbel ein Eindruck über deren Aussehen gewinnen und damit gegebenenfalls auch eine Bewertung desselben vornehmen. Darin allein könnte sich indessen die notwendige Klärung nicht erschöpfen. Vielmehr wäre, soweit von der Antragsgegnerin in diesem Zusammenhang städtebauliche Belange ins Feld geführt werden, darüber hinaus die konkrete städtebauliche Situation in den Blick zu nehmen, die sich allenfalls vor Ort erschließen lässt. Unabhängig davon bestehen jedoch auch, wie das Verwaltungsgericht zutreffend angemerkt hat, bislang nicht abschließend geklärte rechtliche Fragen. Es stellt sich nämlich durchaus die Frage, ob die aus den Vorgaben der Richtlinie ableitbaren gestalterischen Vorstellungen der Antragsgegnerin tatsächlich allesamt unter die „städtebaulichen Belange“ zu fassen sind, die im Rahmen der Erlaubnis einer straßenrechtlichen Sondernutzung bei der von der Antragsgegnerin diesbezüglich zutreffenden Ermessensentscheidung berücksichtigt werden können. Zwar können, wie der Senat bereits in der Vergangenheit mehrfach entschieden hat (vgl. Beschluss vom 13. Juli 1995 - 1 B 12046/95.OVG - und Urteil vom 29.06. 2000 - 1 A 12364/99.OVG - jeweils m.w.N.; vgl. auch Bogner/Bitterwolf-de Boer/Probstfeld/Kaminski/Schwarz/Witte, Praxis der Kommunalverwaltung Rheinland-Pfalz L 12, § 41 LStrG Anm. 2.5.2), neben verkehrlichen Gesichtspunkten auch städtebauliche Gesichtspunkte bei der Entscheidung über die Erlaubnis einer Sondernutzung berücksichtigt werden. Ob daraus allerdings geschlossen werden kann, die hier in Rede stehenden gestalterischen Vorgaben der genannten Richtlinie könnten sämtlich auf der Grundlage des LStrG durchgesetzt werden, erscheint fraglich. Mit einen vergleichbaren Sachverhalt ist der Senat in seiner bisherigen Rechtsprechung nicht befasst worden, weshalb das vorliegende Verfahren Anlass geben wird, grundsätzlich zu klären, wie weitgehend ästhetische Gestaltungsvorstellungen einer Gemeinde bei straßenrechtlichen Sondernutzungen berücksichtigt werden können und welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit diese noch einen konkreten Bezug zur jeweiligen Straße haben. Im vorliegenden Eilverfahren ist hierfür kein Raum.
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Soweit die Antragstellerin allerdings auch im Beschwerdeverfahren weiterhin an ihrer Auffassung fest hält, die streitigen Sitzmöbel seien unter den in der Sondernutzungserlaubnis vom 15. März 2013 genannten Begriff „Stühle“ zu fassen, folgt dem der Senat nicht, sondern schließt sich der Beurteilung des Verwaltungsgerichts in dem angegriffenen Beschluss an, das eingehend dargelegt hat, dass die streitigen Sitzmöbel keine „Stühle“ sind, deren Aufstellung durch die Sondernutzungserlaubnis zugelassen worden ist. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts Bezug genommen.
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Gleichsam wie ein roter Faden zieht sich durch die gesamte Argumentation der Antragsgegnerin im Verwaltungs- wie auch im gerichtlichen Verfahren ihre Wertung, die streitigen Sitzgelegenheiten bewirkten eine unzulässige „Wohnzimmeratmosphäre“ und ein „unruhiges Stadtbild“. Diese Argumentation erscheint aber kaum nachvollziehbar. Nach den vorliegenden Fotografien wird wohl eher von einer Terrassenmöblierung gesprochen werden können und der Hinweis auf ein „unruhiges Stadtbild“ erscheint mit Blick auf den Standort der Sitzmöbel überzogen. Angesichts der geringen Ausdehnung der so möblierten kleinen „Sondernutzungsfläche A“ vor dem linken Schaufenster des Anwesens F... Straße ..., der geringen Tiefe der Fläche zwischen der Hauswand und der freigehaltenen Durchfahrt der F... Straße relativiert sich die von der Antragsgegnerin beschworene „Unruhe“ des Stadtbildes erheblich. Unabhängig davon liegt der ständige Verweis der Antragsgegnerin auf die „Wohnzimmeratmosphäre“ aber auch deshalb neben der Sache, weil sich für die Intention, solches abzuwehren, in der Richtlinie, auf die sie sich stützt, keine Grundlage findet. Eine diesbezügliche Vorgabe der Richtlinie benennt die Antragsgegnerin auch gar nicht. Sie ist ersichtlich der Auffassung, die Aufstellung von Sesseln, wie sie auch auf einer privaten Terrasse stehen könnten, verstoße schlechterdings gegen die Vorgaben der Richtlinie, weil es sich dabei nicht um Stühle handele. Das lässt sich der Richtlinie jedoch nicht entnehmen.
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Darauf hat bereits das Verwaltungsgericht zu Recht hingewiesen. Soweit die Antragsgegnerin im Beschwerdeverfahren geltend macht, bei dem auf S. 12 der Richtlinie verwandten Begriff der „Gastronomiemöblierung“, handele es sich lediglich um eine Überschrift, aus der nicht geschlossen werden könne, dass auch Sessel aufgestellt werden dürften, überzeugt nicht. Es ist zwar richtig, dass diese Überschrift der Ziffer 2 in der Richtlinie vorangestellt ist. Allerdings beachtet die Antragsgegnerin nicht, dass unter Ziffer 2.1 ausdrücklich definiert wird, was als Gastronomiemöblierung gelten kann, nämlich „Stühle, Bänke, Tische, Stehtische etc.“. Insbesondere bei dem Begriff „Stühle“ handelt sich somit um eine beispielhafte, aber nicht um eine abschließende Beschreibung dessen, was nach der Vorstellung der Antragsgegnerin unter „Gastronomiemöblierung“ gefasst werden soll. Damit steht die Richtlinie, an der sich die Antragsgegnerin bei ihrer Ermessenentscheidung orientiert hat, dem Aufstellen von Sesseln nicht entgegen. Soweit sich die Antragsgegnerin, wie dies aus der Verwaltungsakte ersichtlich ist, auch daran gestoßen hat, dass die streitigen Sessel mit Sitzkissen versehen sind, ist anzumerken, dass vergleichbare Sitzkissen auch auf den Fotos zu erkennen sind, die in der Richtlinie unter Ziffer 2.4 genannten Beispiele geeigneter Maßnahmen abgedruckt sind. Angesichts dessen schließt die Definition der Gastronomiemöblierung, wie sie in der Richtlinie enthalten ist, Sessel zweifellos nicht aus.
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Fraglich könnte deshalb allenfalls sein, ob die unter Ziffer 2.3 der Richtlinie aufgeführten zu beachtenden Grundsätze der Zulassung der streitigen Sitzmöblierung entgegenstehen könnten. Soweit darin ästhetische Vorgaben gemacht werden, ist allerdings anzumerken, dass die in diesem Zusammenhang verwandten Begriffe zu einem nicht unerheblichen Teil unklar oder schwammig sind, was die Frage nach deren Bestimmtheit aufwirft. Das gilt zunächst bezüglich der Vorgabe in Ziffer 2.3.1, soweit diese überhaupt auf die Gestaltung der einzelnen Gastronomiemöbel und nicht lediglich auf deren Platzierung im Straßenraum zielt. Die Vorgabe, wonach eine „Überfrachtung des öffentlichen Straßenraumes“ vermieden und ein „ruhiges Straßenbild“ erzeugt werden soll, lässt eher darauf schließen, dass es um die räumliche Begrenzung der Gastronomiemöblierung und um deren Anordnung auf der Straße geht. Ob aus dem Begriff des „ruhigen Straßenbildes“ eine hinreichend bestimmte Vorgabe bezüglich der zulässigen Gestaltung von Sitzmöbeln gewonnen werden könnte, dürfte wohl eher zweifelhaft sein. Der erforderlichen Bestimmtheit ermangelt es zweifellos der Vorgabe unter Ziffer 2.3.3, wonach das Material der Möblierung eine „optisch ansprechende und angenehme Erscheinung“ gewährleisten solle. Von sonderlicher Klarheit ist ebenfalls nicht der in Ziffer 2.3.5 verwandte Begriff der „massiv und aufdringlich gestalteten Gastronomiemöblierung“. Das zeigt schon die eigene Handhabung der Antragsgegnerin, die die auf den Fotos Bl. 28 f. Verwaltungsakte ersichtlichen, aus Fässern gestalteten Stehtische der Antragstellerin offensichtlich anders beurteilt, als die daneben kleiner wirkenden einzelnen Sitzgelegenheiten.
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Damit verbleibt letztlich als einziger hinreichend bestimmter bei der Sondernutzung durch Gastronomiemöblierung zu beachtender Grundsatz allenfalls der der Ziffer 2.3.2 der Richtlinie, wonach pro Gastronomiebetrieb die Möblierung einheitlich gestaltet werden soll. Dabei stellt sich allerdings die Frage, ob das noch den städtebaulichen Belangen zugeordnet werden kann, die im Rahmen der straßenrechtlichen Ermessensbetätigung zum Tragen gebracht werden können. Zu einem vergleichbaren Sachverhalt hat sich der Senat in der Vergangenheit bislang nicht geäußert. Soweit im Zusammenhang mit Sondernutzungen städtebauliche Belange angesprochen worden sind, lagen die Sachverhalte ersichtlich anders. Das gilt auch für die vergleichbare Rechtsprechung anderer Obergerichte.
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Zwar hat der Senat, wie bereits ausgeführt worden ist, entschieden, dass die Behörde im Rahmen ihrer Ermessensentscheidung über die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis nicht allein darauf beschränkt sei, nur eventuelle Behinderungen des Verkehrs zu berücksichtigen, sondern über straßenrechtliche Belange im engen Sinne hinaus weitere Gesichtspunkte berücksichtigen darf, die mit dem Widmungszweck der Straße noch in einem sachlichen Zusammenhang stehen. Angesprochen wurde in diesem Zusammenhang auch der Schutz des Stadtbildes vor Verschandlungen und Verschmutzungen. Gleichwohl gilt dies alles nicht schrankenlos, sondern nur insoweit, als das einen Bezug zur städtebaulichen Konzeption der jeweiligen Fläche hat (vgl. Beschluss 1 B 12046/95.OVG S. 5). In seinem Urteil vom 29. Juni 2000 (1 A 12364/99.OVG) hat der Senat ebenfalls dargelegt, dass in jenem Fall die beklagte Gemeinde zulässigerweise auch städtebauliche Gesichtspunkte berücksichtigt und hierauf gestützt die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis abgelehnt hatte. Indessen lag in jenem Verfahren der Fall so, dass sich diese städtebaulichen Gründe aus einem Gestaltungskonzept für einen Platz ableiteten, das eine räumliche Aufteilung der Platznutzung zwischen gastronomisch nutzbaren Teilflächen und Freiflächen um einen Brunnen vorsah. Auf ein konkretes städtebauliches Gestaltungskonzept stellt auch das OVG Nordrhein-Westfalen in seinem Beschluss vom 2. August 2006 (11 A 2642/04 in juris) ab. Gleiches gilt für das Urteil des VGH Baden-Württemberg vom 9. Dezember 1999 (NVwZ-RR 2000, 837 ff.).
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Hintergrund der jeweils in der Rechtsprechung angestellten Erwägungen, über die Belange der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs hinausgehende weitere Belange, nämlich städtebauliche Belange, könnten im Rahmen der straßenrechtlichen Ermessensausübung bei der Entscheidung über eine Sondernutzungserlaubnis Berücksichtigung finden, waren mithin konkrete städtebauliche Konzepte für die jeweilige Straße oder den jeweiligen Platz, für die die Erteilung der Sondernutzungserlaubnis begehrt wurde. Solche städtebaulichen Konzepte können beispielsweise auf eine flächenmäßige Aufteilung von Freiflächen und sondergenutzten Flächen, auf die Freihaltung von Sichtachsen auf einen Freiraum um Brunnen oder Denkmäler oder auf die Steuerung von Einzelhandels- oder Gastronomiesondernutzungen zielen. Maßgeblich ist aber ein räumlich abgegrenztes städtebauliches Gestaltungskonzept für einen bestimmten Straßenraum oder einen Platz. Belange, die keine unmittelbare sachliche Beziehung zu dem jeweiligen „Straßengrund“ haben, können die Ablehnung einer Sondernutzungserlaubnis dagegen grundsätzlich nicht rechtfertigen (vgl. Bogner/Bitterwolf-de Boer/Probst/Kaminski/Schwarz/Witte a.a.O.).
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Ob bezüglich des J… Platzes, um den es hier geht, ein derartiges städtebauliches Konzept vorliegt und ob daraus die von der Antragsgegnerin gegen die von der Antragstellerin aufgestellten Sitzmöbel ins Feld geführten Grundsätze ihrer Richtlinie über die Gestaltung von Sondernutzungen im öffentlichen Raum tatsächlich ableitbar sind, bedarf einer weiteren tatsächlichen und rechtlichen Klärung in einem Hauptsacheverfahren. Dabei ist anzumerken, dass lediglich der Grundsatz unter Ziffer 2.3.5 der genannten Richtlinie überhaupt einen räumlichen - allerdings einen sehr weiten, weit über den J... Platz hinausgehenden - Bezug benennt. Alle übrigen von der Antragsgegnerin angesprochenen Grundsätze der Richtlinie machen hingegen, wie vorstehend erläutert worden ist, mit unklaren Formulierungen ästhetische Vorgaben für das gesamte Innenstadtgebiet, denen mithin der konkrete Bezug zum einzelnen Straßenraum fehlt. Insoweit stellt sich die Frage, ob zur Durchsetzung derartiger Vorstellungen auf straßenrechtliche Bestimmungen zurückgegriffen werden kann oder ob andere rechtliche Möglichkeiten ergriffen werden müssen. Das vorliegende Eilverfahren, das nur eine summarische Prüfung erlaubt, gibt nicht den Raum, diese von dem Senat bislang nicht erörterte Frage grundsätzlich zu klären. Dementsprechend ist das Verwaltungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass die Erfolgsaussichten des Widerspruchs der Antragstellerin als offen einzuschätzen sind.
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Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin ist angesichts der konkreten Umstände aber auch keine Dringlichkeit erkennbar, die es im Rahmen der hier vorzunehmenden Interessenabwägung geboten erscheinen lassen könnte, von der durch den Gesetzgeber in § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO grundsätzlich vorgegebenen aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs abzurücken. Zwar hat die Antragsgegnerin, wie das Verwaltungsgericht dargelegt hat, den Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO formal genügt. Das von der Antragsgegnerin geltend gemachte besondere Vollzugsinteresse setzt aber darüber hinaus eine besondere Dringlichkeit voraus, die auch im Hinblick auf die Art und Bedeutung der betroffenen Rechte und unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu beurteilen ist (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 18. Aufl., § 80 VwGO Rn. 96). Dabei ist zu berücksichtigen, dass es im vorliegenden Fall nicht etwa um eine Gefahrenabwehr geht oder darum, dass die Antragstellerin eine Straßenfläche nutzt, für die schlechterdings eine Sondernutzung ausgeschlossen ist. Vielmehr geht es lediglich darum, dass ein Streit über die Art der Sitzmöblierung besteht. Dass die auf einer verhältnismäßig kleinen Fläche am äußeren Rand des J… Platzes aufgestellten Sitzmöbel ein hier noch weiter aufzuklärendes städtebauliches Konzept so gravierend stören könnten, dass der Antragsgegnerin nicht zugemutet werden könnte, dies bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens hinzunehmen, ist nach den vorliegenden Fotografien auszuschließen. Gewichtige Argumente für ein überwiegendes Interesse der Antragsgegnerin lassen sich aufgrund der konkreten Umstände des vorliegenden Falles auch nicht daraus ableiten, dass den Sitzmöbeln der Antragstellerin eine besondere Vorbildwirkung zukommen müsste. Vergleichbare Sitzmöbel finden sich nämlich in unmittelbarer Nähe des gastronomischen Betriebes der Antragstellerin. Soweit die Antragsgegnerin vorgetragen hat, die vor dem lediglich zwei Häuser weiter östlich gelegenen Betrieb „... ...“ aufgestellten - ebenfalls sofamäßigen - Sitzmöbel seien entfernt worden, trifft das nämlich nicht zu. Solche stehen immer noch dort und nicht nur in der F... Straße, sondern auch um die Ecke herum in der E... Straße. Darüber hinaus finden sich auch an anderer Stelle im Innenstandbereich vergleichbare Sitzmöbel. Das gilt zunächst für den von den Beteiligten bereits angesprochenen Betrieb D unmittelbar neben dem Dienstgebäude des erkennenden Gerichts. Insoweit muss der Senat lediglich aus dem Fenster sehen, um eine den streitigen Sitzmöbeln vergleichbare Möblierung festzustellen. Darüber hinaus finden sich aber auch, wie gerichtsbekannt ist, im Innenstadtbereich - Löhrrondell/Stegemannstaße und Entenpfuhl/Durchgang zur Liebfrauenkirche - vergleichbare Sitzelemente. Es ist also, worauf das Verwaltungsgericht bereits hingewiesen hat, keineswegs so, dass es sich bei den hier streitigen Sitzmöbeln um den ersten Ansatz einer aus der Sicht der Antragsgegnerin unerwünschten Entwicklung handeln würde, weshalb es aus ihrer Sicht als geboten erscheinen könnte, den Anfängen durch einen Sofortvollzug zu wehren. Der bloße Hinweis, wegen der Sitzmöbel der Antragstellerin mit Anfragen anderer Gastronomen beschäftigt zu werden, begründet die gebotene Dringlichkeit hingegen nicht.
- 14
Nach alledem war die Beschwerde mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen.
- 15
Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren beruht auf §§ 47 Abs. 3, 52 Abs. 1 GKG.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 9. Juli 2012 - 6 K 625/12 - geändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Entscheidungsgründe
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Gründe
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(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.
(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.
(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.
(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.
(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.
(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.
Tatbestand
- 1
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Die Beteiligten streiten über die teilweise Rücknahme und Rückforderung von Finanzhilfen für eine Straßenbaumaßnahme der Klägerin, soweit Kosten für die Änderung von Versorgungsleitungen der Beigeladenen als zuwendungsfähig erachtet und gefördert worden sind.
- 2
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Mit Bescheid vom 10. Dezember 1996 bewilligte das zuständige Ministerium des Beklagten der Klägerin auf ihren Antrag vom 6. Oktober 1995 Zuwendungen für den Bau der verlängerten Industriestraße in Mainz-Mombach in Höhe von 75 % der zuwendungsfähigen Kosten. Die Finanzierung erfolgte als Mischfinanzierung; 45 % der förderfähigen Kosten wurden aus Finanzhilfen des Bundes nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz - GVFG - und 30 % gemäß dem Landesgesetz über den Finanzausgleich in Rheinland-Pfalz - FAG - getragen. Nach dem geprüften Schlussverwendungsnachweis der Klägerin beliefen sich die zuwendungsfähigen Kosten auf 6 733 311 €. Der Beklagte hatte auch Kosten für die durch die Baumaßnahme bedingte Änderung an Versorgungseinrichtungen der Beigeladenen (Umlegung von Leitungen und Kabeln) von 16 337 € als zuwendungsfähig anerkannt und in Höhe von 75 % gefördert.
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Die in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft betriebene Beigeladene ist 100%ige Tochter der Klägerin, die ihr u. a. die Versorgung mit Strom, Gas und Wasser übertragen hat. Aufgrund eines Benutzungsvertrages vom 19. Juli 1971 und später eines am 28. November bzw. 19. Dezember 1995 unterzeichneten Konzessionsvertrages ist die Beigeladene berechtigt, für die Verlegung und den Betrieb von Leitungen das Eigentum der Klägerin an den öffentlichen Verkehrsflächen zu nutzen. Die Kosten von Veränderungen an Versorgungseinrichtungen hat die Beigeladene nach § 10 Abs. 1 Satz 2 des Konzessionsvertrages zu tragen. Etwas anderes gilt gemäß § 10 Abs. 3 des Konzessionsvertrages, soweit die Kosten von einem Dritten getragen werden.
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Im Jahr 2005 beanstandete der Rechnungshof Rheinland-Pfalz die Förderung von Arbeiten an Versorgungsleitungen im Stadtgebiet der Klägerin. Hiergegen wies die Klägerin darauf hin, dass die Frage der Förderung von Folgekosten bereits in den Jahren 1977 bis 1980 auf der Grundlage des inhaltsgleichen früheren Benutzungsvertrages streitig gewesen sei. Zwischen der Straßenbauverwaltung Rheinland-Pfalz und dem Rechnungshof sei damals Einigkeit darüber erzielt worden, dass straßenbaubedingte Leitungsverlegungen durch rechtlich selbstständige Versorgungsunternehmen als zuwendungsfähig anerkannt werden könnten, wenn das Versorgungsunternehmen voll im Eigentum der Kommune stehe.
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Nach Anhörung der Klägerin nahm der Beklagte mit Rücknahme- und Rückforderungsbescheid vom 18. Mai 2009 mit Wirkung zum jeweiligen Erlasszeitpunkt die Förderzusage vom 2. August 1996, den Bewilligungsbescheid von 10. Dezember 1996 sowie die Mittelbereitstellungen aus den Jahren 2002 bis 2005 hinsichtlich der Leitungsverlegungskosten zurück (Ziffer 1), forderte Zuwendungen in Höhe von 12 253 € zurück (Ziffer 2) und ordnete die Verzinsung des Rückforderungsbetrages ab dem 22. Dezember 2005 an (Ziffer 3). Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Kosten für die Verlegung von Versorgungsleitungen seien zu Unrecht als zuwendungsfähig anerkannt und in die Förderung mit einbezogen worden. Hieraus resultiere eine Überzahlung in Höhe von 12 253 €. Die in den Jahren 1977 bis1980 erzielte Einigung widerspreche der Rechtslage. § 4 Abs. 3 Nr. 1 GVFG schließe die Zuwendungsfähigkeit derartiger Kosten aus. Nach § 10 Abs. 1 des Konzessionsvertrages seien der Beigeladenen die Folgekosten grundsätzlich auferlegt worden. Die Voraussetzungen einer Ausnahme von § 10 Abs. 3 des Konzessionsvertrages seien schon begrifflich nicht erfüllt. Aus Gründen der Gleichbehandlung könnten die zu Unrecht gewährten Zuwendungen der Klägerin auch im Einzelfall nicht belassen werden.
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Mit Urteil vom 1. Juli 2010 hat das Verwaltungsgericht die Klage der Klägerin gegen den streitgegenständlichen Bescheid abgewiesen. Der Rücknahme- und Rückforderungsbescheid sei rechtmäßig. Die Rücknahmeentscheidung verstoße trotz der zwischen den Beteiligten und dem Rechnungshof 1980 erzielten Übereinkunft zur Zuwendungsfähigkeit der Aufwendungen kommunaler Eigengesellschaften nicht gegen den Grundsatz von Treu und Glauben. Auch die übrigen Ermessenserwägungen des Beklagten seien nicht zu beanstanden.
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Mit Urteil vom 11. Februar 2011 hat das Oberverwaltungsgericht Ziffer 3 des angefochtenen Bescheides aufgehoben, die Berufung der Klägerin im Übrigen aber zurückgewiesen. Rechtsgrundlage sei § 48 Abs. 1 VwVfG. Gemäß § 4 Abs. 3 Nr. 1 GVFG i.V.m. den einschlägigen Verwaltungsvorschriften seien nur solche Kosten zuwendungsfähig, die bei einem anderen als dem Träger des Vorhabens anfielen. Die Beigeladene sei eine Andere im Sinne dieses Gesetzes, weil sie eine eigene Rechtspersönlichkeit aufweise. Die Folgekosten fielen nicht bei der Kommune als Trägerin der Straßenbaulast an, sondern bei der Beigeladenen. Sie hätten keine unmittelbaren finanziellen Auswirkungen auf den kommunalen Haushalt. Die Beigeladene sei nach § 10 Abs. 1 Satz 2 des Konzessionsvertrages verpflichtet, die Kosten für die Verlegung von Versorgungsleitungen zu tragen. Hieran ändere auch § 10 Abs. 3 Satz 1 des Konzessionsvertrages nichts. Die von der Klägerin vorgenommene Auslegung der getroffenen Regelung widerspreche dem Gesetzeszweck und bewirke eine Umgehung des Gesetzes. Die Klägerin könne sich weder auf Vertrauensschutz noch auf den Ablauf der Jahresfrist berufen. Als Selbstverwaltungskörperschaft übe sie mittelbare Staatsgewalt aus und sei an das Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung gebunden. Deshalb könne sie sich auch nicht darauf berufen, dass sich die Beteiligten und der Rechnungshof seit den 1970er Jahren bis November 2006 über die Zuwendungsfähigkeit von Folgekosten einer kommunalen Eigengesellschaft einig gewesen seien. Die Rückforderung nach Ziffer 2 des Bescheides vom 18. Mai 2009 finde ihre Rechtsgrundlage in § 49a Abs. 1 VwVfG. Zu beanstanden sei aber die angeordnete Verzinsung des Rückforderungsbetrages. Der Beklagte habe die besonderen Umstände des Einzelfalles nicht angemessen gewichtet. Angesichts der mit dem Rechnungshof abgestimmten praktischen Handhabung der Förderung über mehr als 25 Jahre habe die Klägerin die Umstände, die zur Rücknahme geführt hätten, nicht zu vertreten.
- 8
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Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 48 VwVfG. Die nötigen Änderungen an den Versorgungsleitungen der Beigeladenen seien zuwendungsfähig. Die Beigeladene sei weder eine "andere" im Sinne des § 4 Abs. 3 Nr. 1 GVFG noch sei sie zur Tragung der Folgekosten verpflichtet. Von ihrer grundsätzlichen Kostentragungspflicht nach § 10 Abs. 1 des Konzessionsvertrages mache § 10 Abs. 3 des Konzessionsvertrages eine Ausnahme, soweit die Kosten ganz oder teilweise von einem Dritten getragen werden. Der Beklagte sei nach dieser Regelung Dritter.
- 9
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Die Klägerin beantragt,
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die Urteile des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 11. Februar 2011 und des Verwaltungsgerichts Mainz vom 1. Juli 2010 zu ändern und den Bescheid des Beklagten vom 18. Mai 2009 insgesamt aufzuheben.
- 10
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Der Beklagte tritt der Revision entgegen und begehrt im Wege der Anschlussrevision die Abweisung der Klage auch bezüglich der Zinsforderung.
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Er beantragt,
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die Revision der Klägerin zurückzuweisen sowie
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das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 11. Februar 2011 zu ändern und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Mainz vom 1. Juli 2010 insgesamt zurückzuweisen.
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Die Klägerin beantragt,
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die Anschlussrevision des Beklagten zu verwerfen, hilfsweise zurückzuweisen.
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Die Beigeladene und der Vertreter des Bundesinteresses stellen keinen Antrag.
Entscheidungsgründe
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Die Revision der Klägerin hat Erfolg. Das Berufungsurteil beruht auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).
- 14
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Das Oberverwaltungsgericht ist im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass die Berufung zulässig ist. Der ihm elektronisch übermittelte Berufungsbegründungsschriftsatz vom 28. September 2010 wahrt mangels qualifizierter elektronischer Signatur zwar nicht die Berufungsbegründungsfrist. Der Klägerin war jedoch gemäß § 60 Abs. 1 VwGO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (1.). Die Annahme des Berufungsgerichts, die Rücknahme der Förderzusage vom 2. August 1996 und des Bewilligungsbescheides vom 10. Dezember 1996 sowie der hierauf beruhenden Mittelbereitstellungen sei gerechtfertigt, weil diese das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz und das Landesfinanzausgleichsgesetz verletzten, verstößt jedoch gegen Bundesrecht. Da das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz nur das Rechtsverhältnis zwischen Bund und Ländern regelt, kommt es nicht als Rechtsgrundlage für die Bewilligung einer Subvention und damit nicht als Prüfungsmaßstab für die Gewährung von Fördermitteln an den Zuwendungsempfänger in Betracht (2.). Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (3.).
- 15
-
1. a) Das Revisionsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Sachurteilsvoraussetzungen für das Berufungsverfahren gegeben waren. Das Oberverwaltungsgericht hat übersehen, dass die Berufungsbegründungsschrift der Klägerin vom 28. September 2010 nicht der Schriftform entspricht und eine formgerechte Begründung nicht innerhalb der Berufungsbegründungsfrist bis zum 8. Oktober 2012 nachgeholt worden ist.
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Gemäß § 124a Abs. 3 Satz 1 VwGO ist die Berufung innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Als bestimmender Schriftsatz muss die Begründung der Schriftform genügen (vgl. § 125 Abs. 1, §§ 81, 82 VwGO). Eine elektronische Berufungsbegründung verlangt damit die Übersendung eines qualifiziert elektronisch signierten Dokuments nach § 55a Abs. 1 Satz 3 VwGO i.V.m. § 2 Abs. 3 Satz 1 der rheinland-pfälzischen Landesverordnung über den elektronischen Rechtsverkehr mit den öffentlich-rechtlichen Fachgerichtsbarkeiten vom 9. Januar 2008 (GVBl Nr. 2 S. 33). Nach der gerichtsinternen Eingangsmitteilung des Oberverwaltungsgerichts zur Berufungsbegründung der Klägerin (vgl. Gerichtsakte II, Bl. 279) war die elektronisch übermittelte Datei nicht signiert.
- 17
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Vom Formerfordernis einer qualifizierten elektronischen Signatur kann auch nicht ausnahmsweise abgesehen werden, selbst wenn sich aus einer E-mail oder begleitenden Umständen die Urheberschaft und der Wille, das elektronische Dokument in den Verkehr zu bringen, hinreichend sicher ergibt (zur Nichtübertragbarkeit der Computerfax-Rechtsprechung: OVG Koblenz, Beschluss vom 21. April 2006 - 10 A 11741/05 - AS RP-SL 33, 182; BFH, Beschluss vom 26. Juli 2011 - VII R 30/10 - BFHE 234, 118 <123 ff.>; BGH, Beschlüsse vom 14. Januar 2010 - VII ZB 112/08 - BGHZ 184, 75 <82 f.> und vom 4. Dezember 2008 - IX ZB 41/08 - NJW-RR 2009, 357 <358>; für das Verwaltungsverfahren: BVerwG, Beschluss vom 17. Juni 2011 - BVerwG 7 B 79.10 - juris). Elektronische Dokumente zeichnen sich dadurch aus, dass sie nicht nur mittels Datenverarbeitung erstellt werden und auf einem Datenträger gespeichert werden können, sondern ausschließlich in elektronischer Form von einem Computer zum anderen über das Internet übertragen werden (vgl. Geiger, in: Eyermann, VwGO-Kommentar, 13. Aufl. 2010, § 55a Rn. 4; Rudisile, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Bd. I, Stand September 2011, § 55a Rn. 21). Während die prozessuale Schriftform allein die Urheberschaft eines Dokuments gewährleisten soll, dienen die hohen Anforderungen an die Signatur elektronischer Dokumente zusätzlich dem Schutz vor nachträglichen Änderungen, also ihrer Integrität (BTDrucks 15/4067 S. 8 f., S. 37; Beschluss vom 30. März 2006 - BVerwG 8 B 8.06 - Buchholz 310 § 81 VwGO Nr. 18; Kopp/Schenke, VwGO, 17. Aufl. 2011, § 55a Rn. 10). Abstriche von den dafür normierten Sicherheitsanforderungen können nicht zugelassen werden.
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b) Der Klägerin war jedoch nach § 60 Abs. 1 VwGO von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der versäumten Berufungsbegründungsfrist zu gewähren. Zwar trägt auch bei der elektronischen Signatur der Absender das Risiko des form- und fristgerechten Zugangs; allerdings verpflichtet § 55a Abs. 2 Satz 3 VwGO das Gericht zu einer unverzüglichen Mitteilung, wenn das übermittelte Dokument nicht den Anforderungen genügt. Das gilt auch hinsichtlich der qualifizierten elektronischen Signatur und nicht nur bezüglich technischer Erfordernisse der Übersendung, etwa bei Übermittlung einer Datei in einem nicht zugelassenen Format (zur vergleichbaren Vorschrift des § 52a Abs. 2 Satz 3 FGO: BFH, Beschluss vom 26. Juli 2011 a.a.O. <125>). Da die Klägerin den Berufungsbegründungsschriftsatz am 28. September 2010 übermittelt hatte und dieser bereits am darauf folgenden Tag vom Berufungsgericht sachlich behandelt worden war, hätte eine zeitnahe Information der Klägerin ermöglicht, dem Berufungsgericht innerhalb der noch offenen Frist den Begründungsschriftsatz mit der erforderlichen elektronischen Signatur zukommen zu lassen. Ohne die Verletzung der gerichtlichen Mitteilungspflicht hätte ihr Übermittlungsfehler nicht zur Fristversäumnis geführt. Deshalb ist eine Wiedereinsetzung aus Gründen der Fürsorge geboten (BTDrucks 15/4067 S. 37; OVG Koblenz, Urteil vom 8. März 2007 - 7 A 11548/06 - AS RP-SL 34, 231 <232>).
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Die Wiedereinsetzung kann auch im Revisionsverfahren rückwirkend gewährt werden. Dem Revisionsgericht obliegt nicht nur die Prüfung der Sachentscheidungsvoraussetzungen, es ist insofern auch entscheidungsbefugt (Bier, in: Schoch/Schmidt/Aßmann a.a.O. § 60 Rn. 71; BGH, Urteil vom 4. November 1981 - IVb ZR 625/80 - NJW 1982, 1873). Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung vom 25. April 2012 den Inhalt der Berufungsbegründungsschrift wiederholt und bestätigt und damit die versäumte Rechtshandlung nachgeholt.
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Die Gewährung der Wiedereinsetzung scheitert nicht an der Jahresfrist des § 60 Abs. 3 VwGO. Die Ausschlussfrist des § 60 Abs. 3 VwGO findet keine Anwendung in Fällen höherer Gewalt. Dem steht es gleich, wenn die Ursache des verspäteten Antrags in der Sphäre des Gerichts liegt (BVerwG, Beschluss vom 2. April 1992 - BVerwG 5 B 50.92 - Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 177; Kopp/Schenke a.a.O. § 60 Rn. 28).
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2. Revisionsrechtlich fehlerhaft ist die Annahme des Berufungsgerichts, der Bewilligungsbescheid vom 10. Dezember 1996, die vorausgegangene Förderzusage und die nachfolgenden Mittelbereitstellungen seien rechtswidrig und könnten deshalb gemäß § 1 Abs. 1 LVwVfG i.V.m. § 48 Abs. 1 VwVfG zurückgenommen werden, weil die Förderung der Kosten aus der Verlegung der Leitungen der Beigeladenen mit dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz unvereinbar sei.
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Das Gesetz über Finanzhilfen des Bundes zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse in den Gemeinden (Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz - GVFG) in der Bekanntmachung vom 28. Januar 1988 (BGBl I S. 100), zuletzt geändert durch Art. 3 des Gesetzes vom 5. April 2011 (BGBl I S. 554), regelt nur das rechtliche Verhältnis des Bundes zu den Ländern. Insofern bestimmt es die Voraussetzungen, unter denen ein Land Bundesmittel zur Förderung einer kommunalen Investition erhält und einsetzen darf. Das Gesetz regelt aber nicht das rechtliche Verhältnis eines Landes zu seinen Kommunen. Namentlich begründet es keine Ansprüche der Gemeinden auf Finanzhilfen oder auf ermessensfehlerfreie Bescheidung von Förderanträgen, und zwar auch nicht soweit es um vom Land weitergeleitete Finanzmittel des Bundes geht. Das ergibt sich schon aus dem Wortlaut von § 1 GVFG, wonach der Bund den Ländern Finanzhilfen gewährt, und aus dem Fehlen von Vorschriften über den Vollzug des Gesetzes durch die Länder gegenüber den Kommunen. Auch mit § 2 GVFG wollte der Gesetzgeber nur die Arten der förderfähigen Maßnahmen bestimmen, aber keinen Anspruch der Gemeinden auf Zuwendungen für derartige Maßnahmen begründen (BTDrucks VI/1117 S. 7, 8). Damit respektiert das Gesetz die kompetenzrechtlichen Grenzen, die sich aus seiner verfassungsrechtlichen Grundlage in Art. 104a Abs. 4 GG a.F. ergeben. Danach kann der Bund den Ländern unter bestimmten Voraussetzungen Finanzhilfen für besonders bedeutsame Investitionen auch der Gemeinden und Gemeindeverbände gewähren. Das Nähere wird durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, oder aufgrund des Bundeshaushaltsgesetzes durch Verwaltungsvereinbarung geregelt. Gerade das Letztere zeigt, dass allein an eine "nähere" Regelung im Verhältnis des Bundes zu den Ländern gedacht ist. Eine darüber hinausgehende Einflussnahme auf die Aufgabenerfüllung durch die Länder lässt Art. 104a Abs. 4 GG nicht zu (BVerfG, Urteil vom 4. März 1975 - 2 BvF 1/72 - BVerfGE 39, 96 <107 ff., 111>; Beschluss vom 10. Februar 1976 - 2 BvG 1/74 - BVerfGE 41, 291 <311>).
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Dementsprechend ist der Bewilligungsbescheid des Beklagten vom 10. Dezember 1996 nicht unmittelbar auf das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz gestützt, sondern auf einen Ansatz im Haushaltsgesetz des Landes (Kapitel 0811, Titel 88303) sowie auf "Bewilligungsbedingungen", die ihrerseits auf die einschlägigen Förderrichtlinien des Landes Bezug nehmen, namentlich auf die Verwaltungsvorschrift des Ministeriums für Wirtschaft und Verkehr über die Förderung der Verkehrswege, Verkehrsanlagen und sonstigen verkehrswirtschaftlichen Investitionen kommunaler und privater Bauträger (VV-GVFG/FAG) vom 12. Oktober 1992 (GMinBl 1992 S. 454). Dabei handelt es sich jeweils um irrevisible Regelungen. Soweit sie auf das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz des Bundes oder das Finanzausgleichsgesetz des Landes verweisen, bewirkt dies nicht, dass diese Gesetze unmittelbare Rechtsgrundlage der Förderung kommunaler Investitionen durch das Land werden. Dadurch werden lediglich die Maßstäbe, die das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz für die Förderung aufstellt, nach ihrem Inhalt in das Richtlinienrecht übernommen und zugleich auf die Förderung aus eigenen Mitteln des Landes nach dem Finanzausgleichsgesetz des Landes erstreckt. Die Rechtsnatur des Richtlinienrechts ändert sich nicht.
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3. Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Zwar trifft seine Auffassung zu, dass die Kosten für die Verlegung der Leitungen der Beigeladenen nach Maßgabe des § 4 Abs. 3 Nr. 1 GVFG nicht förderfähig waren. Die Förderung war daher richtlinienwidrig (a). Sie war jedoch gleichwohl nicht rechtswidrig (b).
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a) Die Förderung der Kosten der Leitungsverlegung widersprach den erwähnten Förderrichtlinien.
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Das Vorhaben selbst - der Ausbau der Industriestraße in Mainz-Mombach - war allerdings nach Nummer 2.1 VV-GVFG/FAG i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a GVFG förderungsfähig. Die Förderungsfähigkeit umfasst nach Nummer 6.1 VV-GVFG/FAG sämtliche Kosten des Vorhabens. Gemäß Nummer 6.4.2 VV-GVFG/FAG i.V.m. § 2 Abs. 1 der Richtlinien über den Wertausgleich für Ver- und Entsorgungsanlagen im Zusammenhang mit Vorhaben nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (Wertausgleichsrichtlinien - RL-Wertausgleich) vom 6. Mai 1975 (VerkBl S. 332) gehören auch die Aufwendungen, die bei der Durchführung des Vorhabens durch eine notwendige Verlegung oder sonstige Veränderung von Anlagen anfallen (sog. Folgekosten), zu den zuwendungsfähigen Kosten.
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Nach Nummer 6.3.1 VV-GVFG/FAG nicht zuwendungsfähig sind jedoch Kosten, die "ein anderer als der Träger des Vorhabens" zu tragen verpflichtet ist. Mit dieser Formulierung schließt sich die Verwaltungsvorschrift an § 4 Abs. 3 Nr. 1 GVFG an. Der Verweis in Nummer 6.4.2 VV-GVFG/FAG auf § 3 Abs. 1 und 2 RL-Wertausgleich stellt klar, dass dies auch für Folgekosten gilt. Die Kosten aus der infolge des Straßenbauvorhabens notwendigen Verlegung oder Veränderung einer Versorgungsleitung, deren Träger nicht der Vorhabenträger selbst ist, zählen hiernach nicht zu den förderfähigen Kosten, wenn und soweit den Träger der Anlage eine Folgepflicht trifft und wenn er die Kosten der Verlegung oder Veränderung der Anlage zu tragen hat. Eine derartige Folgekostenpflicht kann sich nach § 3 Abs. 2 Satz 2 RL-Wertausgleich aus Gesetz, Vertrag oder Verkehrssitte ergeben.
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Zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, auch eine kommunale Eigengesellschaft sei gegenüber ihrer Muttergemeinde "ein anderer" im Sinne dieser Regelung. Diese Auslegung der Nr. 6.3.1 VV-GVFG/FAG steht im Einklang mit § 4 Abs. 3 Nr. 1 GVFG. Dessen Entstehungsgeschichte zeigt, dass der Gesetzgeber die eigene Rechtspersönlichkeit als maßgebliches Kriterium angesehen hat (wie hier BGH, Urteil vom 16. September 1993 - III ZR 136/91 - BGHZ 123, 256 <260>). Auch der Regelungszweck spricht gegen eine wirtschaftliche Betrachtung, die kommunale Eigengesellschaften nicht von der sie tragenden Kommune unterscheidet. Die Zuwendungsfähigkeit soll nach dem Willen des Gesetzgebers - nur - dann nicht entfallen, wenn die Folgekosten bei der Gebietskörperschaft als Vorhabenträger selbst entstanden sind (BTDrucks VI/1117 S. 9 f.). Maßgeblich ist danach eine unmittelbare Haushaltsbelastung des Vorhabenträgers durch die Folgekostenpflicht, nicht seine eventuelle mittelbare Belastung durch den Finanzierungsbedarf einer kommunalen Eigengesellschaft.
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Die Folge- und die Folgekostenpflicht für die Leitungsverlegung trifft hier die Beigeladene. Das ergibt sich aus § 10 Abs. 1 ihres Konzessionsvertrages mit der Klägerin. Daran ändert auch § 10 Abs. 3 des Vertrages nichts, wie das Berufungsgericht zutreffend festgestellt hat. Hiernach gilt die Regelung des Absatzes 1 nicht bei Maßnahmen, deren Kosten ganz oder teilweise von einem Dritten getragen werden; die Verpflichtung der Beigeladenen beschränkt sich in diesen Fällen auf den Teil der Kosten, der nicht von Dritten erstattet wird. Diese Klausel regelt keine Ausnahme von der Übertragung der Folgekostenpflicht auf die Beigeladene nach Absatz 1, unterstreicht sie im Gegenteil nur. Zuwendungen Dritter sollen hiernach die Beigeladene und nicht die Klägerin entlasten; ohne die Zuwendung soll aber die Folgekostenpflicht der Beigeladenen unberührt bleiben. Dass die Klägerin die Beigeladene von ihrer Verpflichtung aus Absatz 1 befreit und die Folgekosten selbst übernimmt, ergibt sich daraus gerade nicht.
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b) Aus der Unvereinbarkeit der Förderung mit den Förderrichtlinien des beklagten Landes folgt jedoch nicht, dass sie auch rechtswidrig war. Die Abweichung von den Förderrichtlinien führt nur dann zur Rechtswidrigkeit des Förderbescheides, wenn darin zugleich ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG liegt. Das ist nicht der Fall.
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Die Förderrichtlinien sind keine Rechtssätze. Sie sind dazu bestimmt, für die Verteilung der Fördermittel Maßstäbe zu setzen, und suchen auf diese Weise die Ausübung des Ermessens durch die Bewilligungsbehörden zu steuern. Deshalb bewirken sie zunächst nur eine interne rechtliche Bindung des Verwaltungsermessens (stRspr, BVerwG, vgl. Urteile vom 26. April 1979 - BVerwG 3 C 111.79 - BVerwGE 58, 45 <49> = Buchholz 424.3 Förderungsmaßnahmen Nr. 4 und vom 8. April 1997 - BVerwG 3 C 6.95 - BVerwGE 104, 220 <222> = Buchholz 451.55 Subventionsrecht Nr. 102; Rennert, in: Eyermann, VwGO-Kommentar, 13. Aufl. 2010, § 114 Rn. 28 m.w.N.). Der bloße Verstoß gegen eine derartige Verwaltungsvorschrift macht eine Ermessensausübung daher nicht rechtswidrig (Urteil vom 23. April 2003 - BVerwG 3 C 25.02 - Buchholz 451.55 Subventionsrecht Nr. 104), die bloße Beachtung nicht rechtmäßig (vgl. Urteil vom 25. September 2008 - BVerwG 3 C 35.07 - BVerwGE 132, 64 Rn. 17 = Buchholz 451.74 § 8 KHG Nr. 16).
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In ihrem rechtlichen Verhältnis zum Förderempfänger ist die Bewilligungsbehörde - abgesehen von den sonstigen gesetzlichen Grenzen des Verwaltungshandelns - nur durch den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG gebunden. Wenn sich die Behörde an ihre Förderrichtlinien hält, ist sie daher durch das Gleichbehandlungsgebot verpflichtet, dies auch weiterhin zu tun, sofern nicht sachliche Gründe im Einzelfall eine Abweichung rechtfertigen oder gar gebieten (Urteil vom 18. Mai 1990 - BVerwG 8 C 48.88 - BVerwGE 85, 163 <167> m.w.N. = Buchholz 454.32 § 25 WoBindG Nr. 13). Weicht sie hingegen generell von den Förderrichtlinien ab, so verlieren diese insoweit ihre ermessensbindende Wirkung; ob das Verwaltungshandeln mit dem Gleichbehandlungsgebot vereinbar ist, beurteilt sich dann nur nach der tatsächlichen Verwaltungspraxis.
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Im vorliegenden Fall lag in der Einbeziehung der streitigen Folgekosten in die Bewilligung von Fördermitteln keine gleichheitswidrige Begünstigung der Klägerin. Vielmehr entsprach es jahrelanger Verwaltungspraxis des Beklagten, auch die Folgekosten der Beigeladenen als zuwendungsfähig anzuerkennen. Hierzu hat der Beklagte seine Förderrichtlinien generell dahin ausgelegt und gehandhabt, dass Versorgungsunternehmen wie die Beigeladene, deren Anteile zu 100 % von einer Gemeinde gehalten werden, dieser gegenüber nicht als "andere" im Sinne der Richtlinien und des § 4 Abs. 3 Nr. 1 GVFG gelten sollten. Diese Verwaltungspraxis hatte das zuständige Ministerium des Beklagten in Abstimmung mit dem Landesrechnungshof 1980 begründet und nahezu 25 Jahre lang beibehalten. Dass hiervon nur die Klägerin begünstigt wurde, findet seinen Grund darin, dass im Land Rheinland-Pfalz nach dem unwidersprochenen Vorbringen des Beklagten allein die Klägerin die Versorgung ihrer Einwohner mit Strom, Gas und Wasser einer Eigengesellschaft übertragen hat; wie der Beklagte im Termin zur mündlichen Verhandlung bekundet hat, wären auch andere Gemeinden bei gleicher Sachlage in den Genuss dieser Verwaltungspraxis gekommen. Erst 2005 hat der Rechnungshof auf eine Änderung dieser Praxis hingewirkt.
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Die konsequent praktizierte, generelle Abweichung von den Förderrichtlinien erscheint auch nicht als willkürlich. Der Beklagte konnte die Förderung von Folgekosten kommunaler Eigengesellschaften mit deren wirtschaftlicher Abhängigkeit von der Muttergemeinde begründen. Außerdem hat er darauf hingewiesen, dass die Anwendung der Regeln über den Wertausgleich zu einer Anrechnung von Wertzuwächsen aus einer Leitungsverlegung führt, wenn der Träger der Anlage zugleich Träger des Vorhabens ist oder eine eigene Rechtspersönlichkeit hat, aber nicht folgekostenpflichtig ist (vgl. § 2 Abs. 4 RL-Wertausgleich), was die Begünstigung der Gemeinde reduziert.
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Die zulässige Anschlussrevision (§ 141 Satz 1 i.V.m. § 127 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 1, § 121 Satz 1 i.V.m. § 127 Abs. 4 VwGO) erweist sich als unbegründet. Das Berufungsgericht hat die Zinsforderung in dem angefochtenen Bescheid im Ergebnis zu Recht aufgehoben. Das ergibt sich schon daraus, dass die Hauptforderung nicht besteht.
(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.
(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.
Tenor
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1. Artikel 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 des Gesetzes zur Gewährung eines Landeserziehungsgeldes und zur Ausführung des Bundeserziehungsgeldgesetzes (Bayerisches Landeserziehungsgeldgesetz) in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. November 1995 (Gesetz- und Verordnungsblatt Seite 818), Artikel 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 des Bayerischen Gesetzes zur Zahlung eines Landeserziehungsgeldes und zur Ausführung des Bundeserziehungsgeldgesetzes vom 26. März 2001 (Gesetz- und Verordnungsblatt Seite 76), Artikel 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 des Bayerischen Gesetzes zur Zahlung eines Landeserziehungsgeldes und zur Ausführung des Bundeserziehungsgeldgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. April 2004 (Gesetz- und Verordnungsblatt Seite 133) und Artikel 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 6 des Gesetzes zur Neuordnung des Bayerischen Landeserziehungsgeldes vom 9. Juli 2007 (Gesetz- und Verordnungsblatt Seite 442) sind mit Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes unvereinbar.
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2. Ersetzt der Gesetzgeber die verfassungswidrigen Regelungen nicht bis zum 31. August 2012 durch eine Neuregelung, tritt Nichtigkeit der beanstandeten Vorschriften ein.
Gründe
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A.
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Die Vorlage betrifft die Frage, ob es mit Art. 3 Abs. 1 GG und mit Art. 6 Abs. 1 GG vereinbar ist, dass Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Gewährung eines Landeserziehungsgeldes und zur Ausführung des Bundeserziehungsgeldgesetzes (Bayerisches Landeserziehungsgeldgesetz - BayLErzGG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. November 1995 (GVBl S. 818) die Gewährung von Landeserziehungsgeld auf Deutsche und andere Personen beschränkt, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum besitzen.
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I.
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Der Freistaat Bayern erließ 1989 ein Landeserziehungsgeldgesetz. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers sollten Leistungen nach diesem Gesetz zeitlich an den Bezug von Leistungen nach dem Gesetz über die Gewährung von Erziehungsgeld und Erziehungsurlaub (Bundeserziehungsgeldgesetz - BErzGG) anschließen und es Eltern so ermöglichen, über einen längeren Zeitraum Elternzeit zu nehmen und ihre Kinder selbst zu betreuen. Erziehungsgeld wurde gemäß Art. 3 Abs. 1 BayLErzGG in der Fassung des Jahres 1995 ab dem Ende des Bezugs von Bundeserziehungsgeld für weitere zwölf Lebensmonate des Kindes, längstens bis zur Vollendung seines dritten Lebensjahres, gezahlt. Die Höhe des Landeserziehungsgeldes betrug nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 BayLErzGG 500 DM monatlich. Die Bezugsberechtigung war in Art. 1 Abs. 1 BayLErzGG geregelt. Berechtigt war nach der hier allein zur Prüfung gestellten Regelung des Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG nur, wer die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum besaß.
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Art. 1 Abs. 1 BayLErzGG hatte in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. November 1995 folgenden Wortlaut:
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(1) 1 Anspruch auf Landeserziehungsgeld hat, wer
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1. seine Hauptwohnung oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt seit der Geburt des Kindes, mindestens jedoch fünfzehn Monate in Bayern hat,
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2. mit einem nach dem 30. Juni 1989 geborenen Kind, für das ihm die Personensorge zusteht, in einem Haushalt lebt,
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3. dieses Kind selbst betreut und erzieht,
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4. keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt und
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5. die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum besitzt.
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2 Der Anspruch auf Landeserziehungsgeld setzt nicht voraus, dass der Berechtigte zuvor Erziehungsgeld nach dem Bundeserziehungsgeldgesetz bezogen hat.
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II.
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In der Begründung des Gesetzentwurfs vom 11. April 1989 heißt es zur Einführung des Landeserziehungsgeldes, die Ergebnisse der Forschung und Praxis hätten in den letzten Jahren zu der allgemeinen Überzeugung geführt, dass die Qualität der Eltern-Kind-Beziehung in den ersten drei Lebensjahren die Grundlage für die Entwicklung einer stabilen Persönlichkeit bilde, die Sicherheit und Lebenstüchtigkeit mit emotionaler Bindungsfähigkeit, Verantwortungsbewusstsein und ausgeprägtem Gemeinschaftssinn verbinde. Die frühe soziale Prägung durch die Familie sei deshalb für Gesellschaft und Staat von besonderer Bedeutung. Die Einführung des Erziehungsgeldes und Erziehungsurlaubs für die ersten zwölf Lebensmonate durch das Bundeserziehungsgeldgesetz auf Bundesebene ab dem 1. Januar 1986 habe diese Erkenntnisse politisch umgesetzt. Der Landesgesetzgeber sei von der Richtigkeit des Erziehungsgeldgedankens zutiefst überzeugt. Angesichts einer anstehenden Verlängerung der Bezugsdauer des Bundeserziehungsgeldes habe sich die Bayerische Staatsregierung entschlossen, Landesleistungen der Familienförderung neu zu ordnen und ein Landeserziehungsgeld einzuführen. Das Landeserziehungsgeld verstehe sich als Anerkennung für die intensive Erziehungsleistung von Müttern und Vätern und solle zugleich die finanzielle Lage junger Familien verbessern (BayLTDrucks 11/11033, S. 4).
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Um "Mitnahmeeffekte" zu verhindern, müsse der Antragsteller seit der Geburt, mindestens aber seit 15 Monaten in Bayern seinen Hauptwohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben. Damit werde eine gezielte Förderung von "Landeskindern" gewährleistet (BayLTDrucks 11/11033, S. 5).
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III.
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1. Die Klägerin des Ausgangsverfahrens ist polnische Staatsangehörige und begehrt Landeserziehungsgeld für die Betreuung ihres im Februar 2000, und damit vor dem Beitritt Polens zur Europäischen Union zum 1. Mai 2004 geborenen Kindes. Sie wohnt seit 1984 in M. und besitzt eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis. Seit 1988 hat sie wiederholt gearbeitet. So war sie längere Zeit als Fotolaborantin und kurzfristig in einem Textillager tätig. Seit 2002 arbeitete sie mit circa sieben Wochenstunden in der Gastronomie. Für das erste und zweite Lebensjahr ihres Kindes hatte sie Bundeserziehungsgeld in voller Höhe erhalten. Ihr Antrag auf Landeserziehungsgeld wurde zurückgewiesen, weil ihr aufgrund ihrer polnischen Staatsangehörigkeit Landeserziehungsgeld nicht zustehe. Nachdem auch ihr gegen die Ablehnung gerichteter Widerspruch erfolglos blieb, erhob sie Klage vor dem Sozialgericht München und begehrte die Gewährung von Landeserziehungsgeld unter Aufhebung des ablehnenden Bescheids in der Fassung des Widerspruchsbescheids. Das Sozialgericht München setzte das Verfahren aus und legte zunächst dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof die Frage vor, ob Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz der Verfassung des Freistaats Bayern verstoße. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof entschied, die vorgelegte Regelung des Bayerischen Landeserziehungsgeldgesetzes sei mit der bayerischen Verfassung vereinbar (BayVerfGH, Entscheidung vom 19. Juli 2007 - Vf. 6-V-06 -, juris).
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2. Das Sozialgericht München hat das Verfahren sodann gemäß Art. 100 Abs. 1 GG, § 13 Nr. 11, § 80 Abs. 1 BVerfGG ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG gegen Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 GG verstößt und nichtig ist.
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Das vorlegende Gericht hält die zur Prüfung gestellte Norm für verfassungswidrig. Art. 3 Abs. 1 GG verlange eine umso strengere Kontrolle, je stärker sich die Ungleichbehandlung auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten nachteilig auswirken könne. Der hier zu berücksichtigende Schutz von Ehe und Familie sei nicht nur gegenüber Deutschen gewährleistet. Aufgrund von Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG erhielten Eltern bestimmter Staatsangehörigkeit unabhängig von der familiären Erziehungssituation und der Verfestigung ihres Aufenthalts in Bayern kein Landeserziehungsgeld. Es gebe keine Gründe, die diese Ungleichbehandlung nach Art und Gewicht rechtfertigen könnten.
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Die sachliche Differenzierung müsse von den Zielen des Erziehungsgeldgesetzes im Lichte des Ehe- und Familienschutzes ausgehen. Im Vordergrund stehe dabei, Eltern die eigene Betreuung ihrer Kinder durch Verzicht auf eine Erwerbstätigkeit oder durch deren Einschränkung zu ermöglichen. Der Gesetzgeber handle im Einklang mit Art. 3 Abs. 1 GG, wenn er diejenigen Antragsteller ausschließe, die aus Rechtsgründen einer Erwerbstätigkeit nicht nachgehen könnten. Diese könnten das Hauptziel des Erziehungsgeldes, Kinderbetreuung unter Verzicht auf eine Erwerbstätigkeit oder unter deren Einschränkung zu leisten, nicht erreichen. Diesem Ziel diene die Differenzierung nach der Staatsangehörigkeit jedoch nicht, sie stehe dazu in keinem sachlichen Zusammenhang.
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Verfassungsrechtlich sei auch legitim, wenn der Gesetzgeber nur denjenigen Erziehungsgeld zukommen lasse, von denen erwartet werden könne, dass sie dauerhaft in Bayern blieben. Bei Sukzessivleistungen wie dem Erziehungsgeld werde die Zielerreichung durch eine Aufenthaltskontinuität des Empfängers wesentlich befördert. Diese Voraussetzung werde aber für alle Leistungsempfänger - nicht nur für ausländische Staatsangehörige - bereits durch die Voraussetzung der Vorwohnzeit des Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayLErzGG erfüllt.
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Die gewählte Unterscheidung diene lediglich Fiskalinteressen. Die Verhinderung fiskalischer Mehrbelastungen könne die vorgenommene Differenzierung jedoch nicht begründen. Zwar könne der Gesetzgeber ohne Verfassungsverstoß von der Gewährung "freiwilliger familienpolitischer Zusatzleistungen", die nicht zum Familienlastenausgleich beziehungsweise nicht zum Existenzminimum des Kindes beitragen, absehen. Verzichtete der Gesetzgeber generell auf die Gewährung von Landeserziehungsgeld, würde dies auch die problematischen Differenzierungen zwischen verschiedenen Personengruppen beenden. Entscheide er sich jedoch dafür, eine derartige Leistung zu gewähren, dürften trotz der Freiwilligkeit der Leistung die Differenzierungsregeln des Art. 3 Abs. 1 GG nicht gänzlich unberücksichtigt bleiben. Fiskalischen Interessen könne der Freistaat Bayern auch im Wege von Leistungskürzungen Rechnung tragen, ohne ausländische Staatsangehörige vom Leistungsbezug auszuschließen.
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Die Staatsangehörigkeit komme als Unterscheidungskriterium nicht in Betracht. Zwar könne sie nicht grundsätzlich als Differenzierungskriterium ausgeschlossen werden. Die Eignung als Differenzierungskriterium müsse jedoch konkret bezogen auf das zu regelnde Sachgebiet bestimmt werden. Sei durch die Differenzierung nach der Staatsangehörigkeit ein Grundrecht beeinträchtigt, bedürfe es einer an der Schwere der Beeinträchtigung ausgerichteten Rechtfertigung. Eine solche Rechtfertigung sei nicht ersichtlich. Keinesfalls dürfe die Staatsangehörigkeit zu einem isolierten Differenzierungskriterium degenerieren. In eine solche Richtung weise jedoch der Beschluss des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs, der das "Motiv einer gezielten Förderung der Landeskinder" in diese Richtung aufwerte.
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IV.
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Zu der Vorlage haben die Bayerische Staatsregierung, der 10. Senat des Bundessozialgerichts, der Deutsche Landkreistag, der Deutsche Familiengerichtstag sowie der Deutsche Juristinnenbund Stellung genommen.
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1. Die Bayerische Staatsregierung hält die vorgelegte Regelung für verfassungsgemäß. Der Gleichheitssatz verlange keine schematische Gleichbehandlung, sondern lasse Differenzierungen zu, die durch sachliche Erwägungen gerechtfertigt seien. Bei einer rechtsgewährenden Regelung komme dem Gesetzgeber für die Abgrenzung der begünstigten Personenkreise eine besonders weitreichende Gestaltungsfreiheit zu. Der Gestaltungsspielraum im Bereich der Leistungsverwaltung ende erst dort, wo eine ungleiche Behandlung der geregelten Sachverhalte nicht mehr mit einer am Gerechtigkeitsdenken orientierten Betrachtungsweise vereinbar sei und mangels einleuchtender Gründe als willkürlich beurteilt werden müsse.
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Der Gesetzgeber habe diese Grenze nicht überschritten. Die Regelung differenziere nach der Staatsangehörigkeit und nicht - wie die vom Bundesverfassungsgericht im Beschluss vom 6. Juli 2004 (BVerfGE 111, 176) für mit der Verfassung unvereinbar erklärte Regelung über die Gewährung von Bundeserziehungsgeld - nach dem ausländerrechtlichen Aufenthaltsstatus. Das Kriterium der Staatsangehörigkeit ziele gerade nicht auf die Erwartung, dass der Ausländer dauerhaft in Bayern bleibe. Dieses Ziel werde durch die Vorwohndauer in Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayLErzGG erreicht und gelte für Antragsteller aller Herkunftsländer. Das Gesetz bezwecke auch keine Förderung der Integration von Ausländern. Zu einer solchen Förderung sei der Gesetzgeber nicht verpflichtet.
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Vielmehr könnten bereits bloße finanzpolitische Überlegungen sachliche Gründe für die vorgelegte Norm darstellen. Das gelte jedenfalls für Leistungen, zu deren Gewährung keine Verpflichtung bestehe. Der Gesetzgeber müsse allerdings den Kreis der Betroffenen sachgerecht abgrenzen. Das Ermessen des Gesetzgebers sei jedoch nicht durch die Überlegungen des Bundesverfassungsgerichts im Beschluss vom 6. Juli 2004 (BVerfGE 111, 160) zur Gewährung von Kindergeld eingeschränkt. Die dortige Argumentation stehe in engem Zusammenhang mit dem Charakter des Kindergeldes als Komponente des dualen Systems des Familienlastenausgleichs. Die wirtschaftliche Belastung der Eltern solle teilweise ausgeglichen werden und diene damit der Einhaltung der in Art. 6 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 1 GG vorgegebenen Mindestvoraussetzungen, das Existenzminimum von Kindern steuerlich frei zu halten. Zur Zahlung des Erziehungsgeldes sei der Staat demgegenüber nicht verpflichtet. Das Landeserziehungsgeld könne ersatzlos wegfallen.
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Außerdem sei die Differenzierung nach der Staatsangehörigkeit auch unter dem Gesichtspunkt der Gegenseitigkeit gerechtfertigt. Die Gegenseitigkeitsverbürgung sei eine Erscheinungsform des völkerrechtlichen Gegenseitigkeitsprinzips, das der Wahrnehmung eigener staatlicher Belange gegenüber anderen Staaten und der Verbesserung der Rechtsstellung deutscher Staatsbürger im Ausland diene. Die Bevorzugung von Deutschen bei der Erteilung von Leistungen im Vergleich zu ausländischen Staatsangehörigen, in deren Heimatländern Deutschen entsprechende Leistungen verwehrt blieben, sei gerechtfertigt. Andernfalls bestehe kein Anreiz für andere Staaten, Gegenseitigkeitsabkommen abzuschließen. Die Orientierung am Gegenseitigkeitsprinzip zeige sich auch darin, dass neben deutschen Staatsangehörigen auch Angehörige von Mitgliedstaaten der Europäischen Union und Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum privilegiert würden. Denn gegenüber diesen Ländern bestünden völkerrechtliche Differenzierungsverbote.
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2. Der 10. Senat des Bundessozialgerichts teilt mit, er habe die Vorschrift noch nicht angewandt. Das Sozialgericht München habe beachtliche verfassungsrechtliche Argumente vorgebracht. Das Grundgesetz verbiete zwar nicht generell Ungleichbehandlungen aus Gründen der Staatsangehörigkeit. Diese gehöre auch nicht zu den in Art. 3 Abs. 3 GG verbotenen Differenzierungskriterien. Prüfungsmaßstab sei daher allein der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Das Bundesverfassungsgericht habe in seiner Rechtsprechung stets betont, dass Art. 3 Abs. 1 GG dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung verwehre und ihm insbesondere im Bereich der gewährenden Staatstätigkeit für die Abgrenzung der begünstigten Personenkreise ein weiter Gestaltungsspielraum zukomme. Für den Gesetzgeber ergäben sich allerdings aus dem allgemeinen Gleichheitssatz umso engere Grenzen, je stärker sich die Ungleichbehandlung auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten nachteilig auswirken könne. Der im vorliegenden Fall zu berücksichtigende Schutz von Ehe und Familie durch Art. 6 Abs. 1 GG enthalte keine Beschränkung auf Deutsche. Da es sich bei dem Differenzierungskriterium der Staatsangehörigkeit um ein personenbezogenes Merkmal handele, sei eine strenge Verhältnismäßigkeitsprüfung angezeigt.
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Nach der Rechtsprechung des 10. Senats des Bundessozialgerichts gebe es zwischen dem Bundeserziehungsgeldgesetz und dem Bayerischen Landeserziehungsgeldgesetz nach Voraussetzungen und Zweck keine Unterschiede von Gewicht. Es stelle sich deshalb vor allem die Frage, ob die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit ein geeignetes Kriterium sei, um den mit dem Bundeserziehungsgeld und dem zeitlich nachfolgenden Landeserziehungsgeld verfolgten Zweck zu erreichen, Eltern die eigene Betreuung ihrer Kinder durch Verzicht auf eine Erwerbstätigkeit oder durch deren Einschränkung zu ermöglichen. Auf diesen Punkt bezögen sich in erster Linie die verfassungsrechtlichen Bedenken des vorlegenden Gerichts.
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3. Der Deutsche Landkreistag hält die Argumentation des Sozialgerichts München für überzeugend. Fiskalische Ziele könnten die Ungleichbehandlung nicht rechtfertigen.
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4. Auch der Deutsche Familiengerichtstag teilt die Bedenken des vorlegenden Gerichts. Zwar sei dem Gesetzgeber im Rahmen der gewährenden Staatstätigkeit ein weitreichender Gestaltungsspielraum zuzuerkennen. Staatlichem Handeln seien aber umso engere Grenzen gesetzt, je stärker sich eine Ungleichbehandlung auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten nachteilig auswirken könne. Der gemäß Art. 6 GG gewährleistete Schutz von Ehe und Familie sei unabhängig von der Staatsangehörigkeit.
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Die Staatsangehörigkeit sei ein gleichheitswidriger Gegenstand der Differenzierung. Das Kriterium diene nicht der Verfolgung des Ziels des Bayerischen Landeserziehungsgeldgesetzes, Eltern im Anschluss an die Förderung durch das Bundeserziehungsgeldgesetz ein weiteres Jahr die eigene Betreuung ihrer Kinder zu ermöglichen, ohne einer Berufstätigkeit nachgehen zu müssen. Das legitime Interesse des dauerhaften Aufenthalts werde durch die Vorwohnzeit sichergestellt. Für eine Differenzierung nach der Staatsangehörigkeit bestehe kein sachlicher Grund. Das Merkmal sei damit ausgrenzend und diskriminierend.
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Bei freiwilligen Leistungen wie dem Erziehungsgeld dürften fiskalische Interessen berücksichtigt werden. Trotzdem dürften Berechtigte nicht durch sachfremde Erwägungen von der Leistung ausgeschlossen werden. Könne der Gesetzgeber nur beschränkte Mittel einsetzen, stehe es ihm frei, die Leistung einzustellen, das Leistungsniveau abzusenken oder nicht diskriminierende Kriterien einzuführen.
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Die Staatsangehörigkeit stelle sich als ein familienfeindliches und Kinder ungleich behandelndes Abgrenzungskriterium dar. Das Ziel der Regelung, eine Betreuung kleiner Kinder in der gemäß Art. 6 Abs. 1 GG geschützten Familie sicherzustellen beziehungsweise die ökonomische Grundlage für die Entscheidung zugunsten einer Betreuung in der Familie zu schaffen, würde vielmehr durch die Voraussetzung der privilegierten Staatsangehörigkeit konterkariert. Eltern mit nicht privilegierter Staatsangehörigkeit müssten einer Erwerbstätigkeit nachgehen und könnten sich im Gegensatz zu anderen Eltern nicht der Familienarbeit widmen, obwohl ihre Familien ebenso unter dem Schutz des Art. 6 GG ständen. Auch die Kinder von Eltern mit und ohne privilegierte Staatsangehörigkeit würden entgegen Art. 3 GG durch das Bayerische Landeserziehungsgeldgesetz ungleich behandelt.
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5. Der Deutsche Juristinnenbund schließt sich in seiner Stellungnahme der Auffassung des vorlegenden Gerichts an. Das Bayerische Landeserziehungsgeldgesetz sei eine Leistung zur Förderung von Familien. Dabei komme dem Gesetzgeber ein weiter Ermessensspielraum zu. Bei der Abgrenzung der Leistungsberechtigten dürfe aber nicht sachwidrig differenziert werden. Dies müsse nach dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG beurteilt werden. Prüfungsmaßstab bei Familienförderleistungen sei nicht das Willkürverbot, sondern das Verhältnismäßigkeitsprinzip. Es sei zu prüfen, ob Gründe von solcher Art und solchem Gewicht vorlägen, dass sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen könnten.
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Der Deutsche Juristinnenbund erklärt, beim Landeserziehungsgeld handele es sich um eine unter dem Aspekt der Gestaltungsfreiheit von Familien und der Förderung von Gleichberechtigung insgesamt verfassungsrechtlich und rechtspolitisch fragwürdige Leistung. Der Gesetzgeber habe sich allerdings noch im Rahmen des verfassungsrechtlich Zulässigen gehalten. Mit der Differenzierung nach der Staatsangehörigkeit habe der Freistaat Bayern diese Grenze jedoch überschritten. Eine Differenzierung nach der Staatsangehörigkeit sei zwar nicht generell unzulässig. In Bezug auf die Einhaltung des Gleichheitssatzes im Rahmen der Gewährung von Erziehungsgeld sei jedoch der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Juli 2004 (BVerfGE 111, 176) zu beachten. Das Gericht habe zum Bundeserziehungsgeldgesetz Grundsätze formuliert, die bezogen auf die familienpolitischen Zwecke des Erziehungsgeldes auch beim Landeserziehungsgeld eine Differenzierung nach der Staatsangehörigkeit sachwidrig erscheinen ließen. Die Förderung der Entscheidung für Kinder, die Abmilderung finanzieller Nachteile und die Anerkennung der Betreuungsleistung betreffe Eltern unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit. Das Bundesverfassungsgericht habe bereits entschieden, dass die Zwecke des Erziehungsgeldes bei Ausländern mit Aufenthaltserlaubnis und Aufenthaltsberechtigung nicht weniger zur Geltung kommen als bei Deutschen oder Ausländern mit anderen Aufenthaltstiteln. Wenn das Bundesverfassungsgericht schon einen Ausschluss von Personen mit bestimmten Aufenthaltstiteln für unzulässig erachtet habe, müsse eine an der Staatsangehörigkeit orientierte Differenzierung erst recht unzulässig sein. Eine Bezugsberechtigung ausländischer Eltern sei sinnvoll und der Integration dienlich. Fiskalische Argumente könnten nicht überzeugen.
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B.
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Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG verstößt nicht gegen Art. 6 GG, ist jedoch mit dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) unvereinbar, weil er Personen, die nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats der Europäischen Union oder eines Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum besitzen, generell vom Anspruch auf Landeserziehungsgeld ausschließt.
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I.
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Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG statuiert eine gesetzliche Bedingung des Anspruchs auf Landeserziehungsgeld. Die Vorschrift regelt damit die Voraussetzungen staatlicher Leistungsgewährung im Bereich der Familienförderung, greift jedoch nicht in die abwehrrechtlichen Verbürgungen des Familiengrundrechts, insbesondere des durch Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG speziell (vgl. BVerfGE 24, 119 <135>; 31, 194 <204>) geschützten Elternrechts ein.
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Ob das durch Art. 6 Abs. 1 und 2 GG gewährleistete Recht der Eltern, ihr familiäres Leben nach ihren Vorstellungen zu planen und zu verwirklichen und insbesondere in ihrer Erziehungsverantwortung zu entscheiden, ob und in welchem Entwicklungsstadium das Kind überwiegend von einem Elternteil allein, von beiden Eltern in wechselseitiger Ergänzung oder von einem Dritten betreut werden soll (vgl. BVerfGE 99, 216 <231>), dadurch beeinträchtigt ist, dass eine finanzielle Förderung nur für den Fall der eigenen Betreuung durch ein Elternteil, nicht aber für andere von den Eltern gewählte Formen der Kinderbetreuung vorgesehen ist, bedarf hier keiner Entscheidung. Dass Anspruch auf Landeserziehungsgeld nur hat, wer sein Kind selbst betreut und erzieht, ist in Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BayLErzGG geregelt und folgt nicht aus dem hier allein zur Prüfung gestellten Staatsangehörigkeitserfordernis des Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG.
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Die Regelung verletzt keine aus Art. 6 Abs. 1 und 2 GG abzuleitende Schutz- und Förderpflicht des Staats zugunsten der Familie. Ein Verstoß gegen Schutz- und Förderpflichten aus Art. 6 Abs. 1 und 2 GG käme nur in Betracht, wenn eine verfassungsrechtliche Pflicht des Freistaats Bayern bestünde, Familien durch die Gewährung von Erziehungsgeld zu fördern. Zwar umfasst der besondere Gewährleistungsgehalt der ausdrücklichen Schutzverpflichtung des Art. 6 Abs. 1 GG eine über die allgemeine grundrechtliche Schutzpflicht noch hinausgehende Förder- und Schutzpflicht des Staats für die Familie (vgl. auch BVerfGE 43, 108 <121>; 110, 412 <436>; 111, 160 <172>; Burgi, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar zum Grundgesetz
, Art. 6 Rn. 51). Die Art. 6 Abs. 1 GG als Generalnorm des Familienschutzes eigene, nicht auf Deutsche beschränkte (vgl. BVerfGE 111, 176 <184>) Schutz- und Förderdimension erstreckt sich auf das speziellere elterliche Erziehungsrecht (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG). Aus dieser Schutz- und Förderpflicht ergibt sich die Aufgabe des Staats, die Pflege- und Erziehungstätigkeit der Eltern durch geeignete wirtschaftliche Maßnahmen zu unterstützen und zu fördern (vgl. Jestaedt, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz , Art. 6 Abs. 2 und 3 Rn. 21). Konkrete Ansprüche auf bestimmte staatliche Leistungen lassen sich aus dem allgemeinen verfassungsrechtlichen Gebot, die Pflege- und Erziehungstätigkeit der Eltern zu unterstützen, jedoch nicht herleiten (vgl. BVerfGE 82, 60 <81 f.>; 87, 1 <36>; 107, 205 <213>; 110, 412 <445>). Insbesondere ist der Landesgesetzgeber verfassungsrechtlich nicht verpflichtet, eine familienfördernde Leistung in Form eines Erziehungsgeldes zu gewähren.
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II.
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Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG verstößt gegen Art. 3 Abs. 1 GG.
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1. a) Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (vgl. BVerfGE 98, 365 <385>). Er gilt sowohl für ungleiche Belastungen als auch für ungleiche Begünstigungen (vgl. BVerfGE 79, 1 <17>; 126, 400 <416> m.w.N.; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 21. Juni 2011 - 1 BvR 2035/07 -, juris Rn. 76). Dabei verwehrt Art. 3 Abs. 1 GG dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung. Differenzierungen bedürfen jedoch stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind (vgl. BVerfGE 124, 199 <220>; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 21. Juni 2011 - 1 BvR 2035/07 -, juris Rn. 77). Der Gleichheitssatz ist dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können (vgl. BVerfGE 55, 72 <88>; 88, 87 <97>; 93, 386 <397>; 99, 367 <389>; 105, 73 <110>; 107, 27 <46>; 110, 412 <432>; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 21. Juni 2011 - 1 BvR 2035/07 -, juris Rn. 77).
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Diesen allgemeinen Grundsätzen folgt auch die verfassungsrechtliche Beurteilung einer Norm, die Ausländer im Vergleich zu Deutschen anders behandelt. Der allgemeine Gleichheitssatz garantiert "allen Menschen" die Gleichbehandlung vor dem Gesetz und steht damit auch Ausländern zu (BVerfGE 30, 409 <412>). Gleiches gilt für den hier angesichts des familienpolitischen Charakters des Bayerischen Landeserziehungsgeldgesetzes zu berücksichtigenden Schutz der Familie (vgl. BVerfGE 111, 160 <169>; 111, 176 <184> m.w.N.). Art. 3 Abs. 1 GG verwehrt dem Gesetzgeber indessen nicht jede Ungleichbehandlung von Deutschen und Ausländern. Es ist dem Gesetzgeber nicht generell untersagt, nach der Staatsangehörigkeit zu differenzieren (vgl. BVerfGE 116, 243 <259>). Nach dem allgemeinen Gleichheitssatz bedarf es für die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit als Unterscheidungsmerkmal jedoch eines hinreichenden Sachgrundes. Dass die Staatsangehörigkeit kein generell unzulässiges Differenzierungsmerkmal ist, bedeutet nicht umgekehrt, dass eine grundlose Ungleichbehandlung von Ausländern und Deutschen vor Art. 3 Abs. 1 GG Bestand haben könnte (vgl. Gundel, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts Bd. IX, 3. Aufl. 2011, § 198 Rn. 86; Rüfner, in: Bonner Kommentar zum GG, Bd. I
, Art. 3 Abs. 1 Rn. 136; vgl. auch EGMR, Urteil vom 16. September 1996 - 17371/90 -, Rn. 42, Gaygusuz v. Österreich; Urteil vom 30. September 2003 - 40892/98 -, Rn. 46, Poirrez v. Frankreich). Die Entscheidung des Verfassungsgebers, den allgemeinen Gleichheitssatz als Menschenrecht auszugestalten, das nicht auf Deutsche beschränkt ist, liefe ansonsten ins Leere und verlöre damit ihren Sinn.
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Hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Anforderungen an den die Ungleichbehandlung tragenden Sachgrund ergeben sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die von gelockerten auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen können (vgl. BVerfGE 117, 1 <30>; 122, 1 <23>; 126, 400 <416> m.w.N.; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 21. Juni 2011 - 1 BvR 2035/07 -, juris Rn. 77). Dem Gesetzgeber kommt im Bereich der gewährenden Staatstätigkeit für die Abgrenzung der begünstigten Personenkreise grundsätzlich ein weiter Gestaltungsspielraum zu (vgl. BVerfGE 99, 165 <178>; 106, 166 <175 f.>; 111, 176 <184>). Eine strengere Bindung des Gesetzgebers kann sich allerdings aus den jeweils betroffenen Freiheitsrechten ergeben (vgl. BVerfGE 88, 87 <96>; 111, 176 <184>; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 21. Juni 2011 - 1 BvR 2035/07 -, juris Rn. 78). Zudem verschärfen sich die verfassungsrechtlichen Anforderungen, je weniger die Merkmale, an die die gesetzliche Differenzierung anknüpft, für den Einzelnen verfügbar sind (vgl. BVerfGE 88, 87 <96>; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 21. Juni 2011 - 1 BvR 2035/07 -, juris Rn. 78) oder je mehr sie sich denen des Art. 3 Abs. 3 GG annähern (vgl. BVerfGE 88, 87 <96>; 124, 199 <220>; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 21. Juni 2011 - 1 BvR 2035/07 -, juris Rn. 78).
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b) Ausgehend von diesen Grundsätzen reichen die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die vorgelegte Regelung über das bloße Willkürverbot hinaus.
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aa) Die verfassungsrechtlichen Anforderungen erschöpfen sich hier schon deshalb nicht im bloßen Willkürverbot, weil die Verwehrung von Erziehungsgeld das durch Art. 6 Abs. 2 GG geschützte und nicht auf Deutsche beschränkte Elternrecht berührt (vgl. BVerfGE 111, 160 <169>; 111, 176 <184>). Auch wenn Art. 6 GG für sich genommen nicht verletzt ist (oben B. I.), ist das verfassungsrechtliche Elternrecht doch in seiner Schutz- und Förderdimension betroffen. Das Landeserziehungsgeld fördert eine bestimmte Form der Ausübung des Elternrechts, indem es die persönliche Betreuung des Kindes durch die Eltern unter Einschränkung ihrer Erwerbstätigkeit finanziell unterstützt. Mit der Verwehrung von Landeserziehungsgeld bleibt den Betroffenen dieses Element staatlicher Förderung des Elternrechts versagt. Bei der verfassungsrechtlichen Beurteilung der Ungleichbehandlung ist dies zu berücksichtigen (vgl. BVerfGE 111, 160 <169>; 111, 176 <184>), auch wenn sich daraus angesichts des freiwilligen Charakters der staatlichen Leistung noch keine besonders strengen verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung ergeben (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 9. November 2011 - 1 BvR 1853/11 -, juris Rn. 11).
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bb) Eine Verschärfung der verfassungsrechtlichen Anforderungen gegenüber dem bloßen Willkürverbot folgt auch daraus, dass Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG mit der Staatsangehörigkeit an ein Merkmal anknüpft, das den antragstellenden Personen kaum verfügbar ist. Die Staatsangehörigkeit einer Person hängt grundsätzlich von der Staatsangehörigkeit ihrer Eltern oder dem Ort ihrer Geburt und damit von Umständen ab, die sie nicht beeinflussen kann. Eine Änderung der Staatsangehörigkeit ist nur unter Voraussetzungen möglich, die wiederum nicht allein im Belieben der Betroffenen stehen (vgl. BVerfGE 111, 160 <169 f.>).
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cc) Die Staatsangehörigkeit wird in Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG trotz Ähnlichkeiten und Überschneidungen mit den dort genannten Merkmalen nicht als unzulässiges Differenzierungsmerkmal aufgeführt. Eine Unterscheidung anhand der Staatsangehörigkeit unterliegt darum nicht dem strengen Differenzierungsverbot des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG (vgl. BVerfGE 90, 27 <37>). Das schließt nicht aus, dass die Ungleichbehandlung ausländischer Staatsangehöriger in bestimmten Konstellationen hinsichtlich ihrer nachteiligen Auswirkungen auf die Betroffenen einer Unterscheidung nach den in Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG genannten Merkmalen nahe kommt, so dass strenge verfassungsrechtliche Anforderungen an die Rechtfertigung der Ungleichbehandlung zu stellen sind (vgl. Osterloh, in: Sachs, GG, 6. Aufl. 2011, Art. 3 Rn. 297; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 11. Aufl. 2011, Art. 3 Rn. 127; Gundel, a.a.O. Rn. 86; König/Peters, in: Grote/Marauhn, EMRK/GG, 2006, Kap. 21 Rn. 138; vgl. auch EGMR, a.a.O.). Wie weit dies der Fall ist, bedarf keiner Entscheidung, da die vorgelegte Regelung bereits weniger strenge verfassungsrechtliche Anforderungen verfehlt.
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2. Die durch Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG bewirkte Ungleichbehandlung von Personen, die nicht eine der dort genannten Staatsangehörigkeiten besitzen, ist nach den vorgenannten Grundsätzen mit dem allgemeinen Gleichheitssatz nicht vereinbar, weil es der Regelung auch in Anerkennung des Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers an einem legitimen Zweck fehlt, der die Benachteiligung von ausländischen Staatsangehörigen tragen könnte und dem zu dienen die in Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG getroffene Unterscheidung geeignet wäre.
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a) Der Ausschluss von Personen, die nicht über eine der in Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG genannten Staatsangehörigkeiten verfügen, ist nicht durch die Zwecke des Bayerischen Landeserziehungsgeldgesetzes gerechtfertigt.
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Die Gewährung von Erziehungsgeld zielt vor allem darauf, Eltern die eigene Betreuung ihres Kindes durch Verzicht auf eine Erwerbstätigkeit oder durch deren Einschränkung zu ermöglichen und damit die frühkindliche Entwicklung zu fördern (BayLTDrucks 11/11033, S. 4). Zwar ist die wirtschaftliche Unterstützung der Pflege- und Erziehungstätigkeit der Eltern angesichts des verfassungsrechtlichen Schutz- und Förderauftrags (Art. 6 Abs. 2 GG) ein legitimer Gesetzeszweck (oben B. I.), jedoch deckt dieser Zweck den in der vorgelegten Norm geregelten Leistungsausschluss nicht. Das Anliegen des Gesetzgebers, Eltern die persönliche Betreuung ihres Kindes zu ermöglichen und dadurch die frühkindliche Entwicklung zu fördern, kommt bei Ausländern und ihren Kindern auf gleiche Weise zum Tragen wie bei Deutschen. Der verfassungsrechtliche Schutz der Familie (Art. 6 GG) ist nicht auf Deutsche beschränkt.
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Die in Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG vorgesehene Differenzierung dient auch nicht mittelbar der Verwirklichung des Gesetzeszwecks. Angesichts des Gesetzeszwecks wäre es verfassungsrechtlich zulässig, wenn der Leistungsbezug auf Personen beschränkt würde, die in Deutschland rechtmäßig erwerbstätig sein können. Der Gesetzgeber handelte im Einklang mit Art. 3 Abs. 1 GG, wenn er jene Ausländer vom Erziehungsgeldbezug ausschlösse, die aus Rechtsgründen einer Erwerbstätigkeit ohnehin nicht nachgehen dürften. Die Gewährung einer Sozialleistung, die Eltern einen Anreiz zum Verzicht auf eine Erwerbstätigkeit geben will, verfehlt ihr Ziel, wenn eine solche Erwerbstätigkeit demjenigen Elternteil, der zur Betreuung des Kindes bereit ist, rechtlich nicht erlaubt ist (vgl. BVerfGE 111, 176 <185 f.>). Die vorgelegte Regelung ist jedoch zur Erreichung dieses Ziels nicht geeignet. Die Differenzierung nach der Staatsangehörigkeit lässt noch weniger als die vom Bundesverfassungsgericht in den Beschlüssen vom 6. Juli 2004 (BVerfGE 111, 160 <174 f.>; 111, 176 <185 ff.>) beanstandete Anknüpfung an den Aufenthaltstitel Rückschlüsse darauf zu, ob eine Arbeitserlaubnis besteht oder nicht. Die Klägerin des Ausgangsverfahrens war in Bayern rechtmäßig berufstätig, so dass ihr der Bezug von Landeserziehungsgeld einen Anreiz zur Einschränkung ihrer Berufstätigkeit zugunsten der Kinderbetreuung hätte bieten können.
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b) Der Ausschluss von Personen, die weder die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats der Europäischen Union noch die eines Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum besitzen, kann nicht mit dem Ziel gerechtfertigt werden, eine Förderung auf Personen zu begrenzen, die dauerhaft in Bayern leben werden. In bestimmten Konstellationen mag die voraussehbare Dauer des Aufenthalts von ausländischen Staatsangehörigen in Deutschland eine ungleiche Behandlung rechtfertigen (vgl. BVerfGE 111, 160 <174>; 111, 176 <184>), ohne dass allerdings das Fehlen eines dauerhaften Aufenthalts automatisch jede Differenzierung hinsichtlich der Gewährung von Sozialleistungen legitimieren könnte (vgl. BVerfGE 116, 229 <239 f.>). Das Kriterium der Staatsangehörigkeit ist hier jedoch weder darauf gerichtet noch ist es geeignet, den Personenkreis zu erfassen, der voraussichtlich dauerhaft in Bayern ansässig sein wird. Die Staatsangehörigkeit gibt noch weniger als die - vom Bundesverfassungsgericht auch insofern bereits für unzureichend erklärte (vgl. BVerfGE 111, 160 <174>; 111, 176 <185>) - Art des Aufenthaltstitels verlässlich Aufschluss darüber, ob eine Person dauerhaft in Bayern ansässig sein wird.
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c) Der Ausschluss von Personen, die weder die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats der Europäischen Union noch die eines Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum besitzen, kann nicht mit dem Ziel der Begünstigung sogenannter "Landeskinder" (vgl. BayVerfGH, a.a.O. Rn. 33) gerechtfertigt werden. Inwiefern eine Begünstigung von "Landeskindern" nach dem Grundgesetz zulässig ist, bedarf hier keiner Erörterung, da die vorgelegte Regelung nicht nach der Herkunft aus anderen Bundesländern, sondern nach der Staatsangehörigkeit unterscheidet und darum von vornherein nicht unter dem Gesichtspunkt der Förderung von "Landeskindern" gerechtfertigt werden kann. Anderes mag für die in Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayLErzGG getroffene Regelung zur Vorwohnzeit in Bayern gelten (vgl. BayLTDrucks 11/11033, S. 5), die jedoch nicht Gegenstand dieses Verfahrens ist.
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d) Sofern der Landesgesetzgeber "Mitnahmeeffekte" verhindern wollte, die daraus resultieren könnten, dass sich Personen kurzfristig in Bayern niederlassen, um in den Genuss der bayerischen Erziehungsgeldregelung zu gelangen, wird dieses Ziel ebenfalls mit der Regelung zur Vorwohndauer (Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayLErzGG) erreicht (vgl. BayLTDrucks 11/11033, S. 5). Davon abgesehen wäre die Staatsangehörigkeit kein geeignetes Mittel zur Erreichung dieses Ziels, da sie, wie dargelegt, weder über die der Geburt vorausgegangene Aufenthaltszeit noch über die künftige Aufenthaltszeit in Bayern zuverlässig Aufschluss gibt.
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e) Fiskalische Interessen können die Schlechterstellung durch Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG nicht rechtfertigen. Soweit der Gesetzgeber eine Leistung freiwillig gewährt, darf er zwar durchaus berücksichtigen, welche finanziellen Mittel er angesichts der sonstigen Staatsaufgaben einsetzen kann (vgl. BVerfGE 102, 254 <303>). Finanzpolitische Belange dürfen aber nur dergestalt zur Geltung kommen, dass Berechtigte, die die Voraussetzungen eines Leistungsbezugs gleichermaßen erfüllen wie andere, nicht aufgrund sachfremder Differenzierung von der Leistung ausgeschlossen werden. Die bloße Absicht, das Leistungsvolumen zum Zwecke der Reduzierung staatlicher Ausgaben zu verringern, genügt für sich genommen nicht, um eine differenzierende Behandlung verschiedener Personengruppen zu rechtfertigen (vgl. BVerfGE 87, 1 <46> m.w.N. sowie BVerfGE 19, 76 <84 f.>; 76, 256 <311>; 93, 386 <402>; 107, 218 <253>; 122, 210 <233>). Ansonsten liefe das allgemeine Gleichbehandlungsgebot im Bereich staatlicher Geldleistungen leer, da sich der Gesetzgeber zur Begründung von Ungleichheiten stets auf die Absicht berufen könnte, staatliche Ausgaben durch Teileinsparungen verringern zu wollen (vgl. BVerfGE 121, 241 <258>). Staatliche Ausgaben zu vermeiden, ist ein legitimer Zweck, der jedoch eine Ungleichbehandlung von Personengruppen nicht zu rechtfertigen vermag. Ist ein darüber hinausgehender sachlicher Differenzierungsgrund nicht vorhanden, muss der Gesetzgeber finanzpolitischen Belangen durch eine Beschränkung der Leistungshöhe oder der Bezugsdauer für alle Berechtigten Rechnung tragen.
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f) Schließlich kann die Differenzierung nach der Staatsangehörigkeit nicht mit dem völkerrechtlichen Prinzip der Gegenseitigkeit gerechtfertigt werden. Danach müssen ausländischen Staatsangehörigen in einem Staat bestimmte Vorteile nur dann eingeräumt werden, wenn die Staatsangehörigen des Gaststaats im jeweiligen Heimatstaat ebensolche Vorteile beanspruchen könnten. Dass ausländischen Staatsangehörigen Leistungen vorenthalten werden, die den eigenen Staatsangehörigen gewährt werden, kann etwa dem Ziel dienen, andere Staaten zu beeinflussen, internationalen Verträgen beizutreten oder Gegenseitigkeitsabkommen abzuschließen, welche Deutschen im Ausland einen erhöhten Schutz gewähren. Die im Falle fehlender Gegenseitigkeit gezielt herbeigeführte Benachteiligung Angehöriger der betroffenen Staaten kann unter Umständen verfassungsrechtlich hinzunehmen sein (vgl. BVerfGE 51, 1 <24>; 81, 208 <224>). Näherer Überprüfung bedürfte allerdings die Frage, inwiefern sich angesichts der Bundeskompetenz für die auswärtigen Beziehungen nach Art. 32 Abs. 1 GG auch ein Landesgesetzgeber im Verhältnis zu anderen Staaten auf den Gesichtspunkt der Gegenseitigkeit berufen kann.
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Die vorgelegte Regelung kann jedoch schon deshalb nicht mit dem Prinzip der Gegenseitigkeit gerechtfertigt werden, weil Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG nicht anhand der gegenseitigen Verbürgung entsprechender Leistungen unterscheidet (vgl. BayVerfGH, a.a.O. Rn. 36). Die vorgelegte Regelung stellt nicht auf die konkrete Gegenseitigkeit ab, sondern verlangt die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats der Europäischen Union oder eines Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum. Möglicherweise bestehende Abkommen mit anderen Ländern werden ebenso wenig berücksichtigt wie die von einem Abkommen unabhängige Gewährung entsprechender Leistungen durch andere Staaten. Damit ist eine Prüfung der konkreten Gegenseitigkeitsvoraussetzungen im jeweiligen Leistungsfall nicht möglich. Selbst für den Fall, dass zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen vor deren Beitritt zur Europäischen Union ein Gegenseitigkeitsabkommen bestanden oder Polen davon unabhängig entsprechende Leistungen an Deutsche gewährt haben sollte, hätte dies bei der Vergabe von Landeserziehungsgeld nicht berücksichtigt werden können. Lässt eine Regelung keinen Raum zur Prüfung der konkreten Gegenseitigkeitsvoraussetzungen, schließt dies aber von vornherein aus, dass sie unter dem Gesichtspunkt völkerrechtlicher Gegenseitigkeit vor Art. 3 Abs. 1 GG Bestand haben könnte (vgl. BVerfGE 51, 1 <25>; 81, 208 <224>).
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g) Sonstige Zwecke, die die in Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG getroffene Unterscheidung tragen könnten, sind nicht ersichtlich.
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C.
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I.
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Die Verfassungswidrigkeit einer gesetzlichen Vorschrift führt in der Regel zu ihrer Nichtigkeit (§ 82 Abs. 1 i.V.m. § 78 Satz 1 BVerfGG). Da dem Gesetzgeber hier aber mehrere Möglichkeiten zur Verfügung stehen, den verfassungswidrigen Zustand zu beseitigen, kommt nur eine Unvereinbarkeitserklärung in Betracht (vgl. BVerfGE 84, 168 <186 f.>; 92, 158 <186>). So könnte der Gesetzgeber auf die Voraussetzung der Staatsangehörigkeit ersatzlos verzichten. Er könnte aber auch eine Regelung schaffen, die an die Berechtigung zur Erwerbstätigkeit anknüpft (vgl. BVerfGE 111, 176 <189>). Der Gesetzgeber kann sich zudem dafür entscheiden, künftig gar kein oder allgemein ein geringeres Landeserziehungsgeld zu gewähren. Hinsichtlich der vor Inkrafttreten einer solchen Neuregelung anhängig gemachten Verfahren ist ihm dieser Weg indes versperrt, da jene Eltern, die die Voraussetzungen des Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG erfüllen, Elterngeld bereits aufgrund bestands- beziehungsweise rechtskräftig abgeschlossener Verfahren erhalten haben oder haben werden, das ihnen nicht rückwirkend genommen werden kann. Die nachträgliche Abschaffung des Landeserziehungsgeldes benachteiligte damit erneut in gleichheitswidriger Weise diejenigen, die die mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbaren Voraussetzungen des Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG nicht erfüllen.
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II.
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Entsprechend § 78 Satz 2 BVerfGG sind im Interesse der Rechtsklarheit auch die Nachfolgevorschriften in Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 des Bayerischen Gesetzes zur Zahlung eines Landeserziehungsgeldes und zur Ausführung des Bundeserziehungsgeldgesetzes vom 26. März 2001 (GVBl S. 76), in Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 des Bayerischen Gesetzes zur Zahlung eines Landeserziehungsgeldes und zur Ausführung des Bundeserziehungsgeldgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. April 2004 (GVBl S. 133) und in Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Neuordnung des Bayerischen Landeserziehungsgeldes vom 9. Juli 2007 (GVBl S. 442), die keine inhaltliche Änderung gegenüber Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG 1995 aufweisen, für mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar zu erklären (vgl. BVerfGE 92, 53 <73>; 94, 241 <265 f.>, jeweils m.w.N.).
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III.
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Bescheide, die im Zeitpunkt der Bekanntgabe dieser Entscheidung bereits bestandskräftig sind, bleiben von ihr unberührt. Dies entspricht dem Grundgedanken des § 79 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG, der auch zur Anwendung kommt, wenn das Bundesverfassungsgericht eine Vorschrift für mit dem Grundgesetz unvereinbar erklärt (vgl. BVerfGE 81, 363 <384>). Es bleibt dem Gesetzgeber unbenommen, im Zusammenhang mit dem Gegenstand der vorliegenden Entscheidung eine andere Regelung zu treffen (vgl. BVerfGE 94, 241 <266 f.>; 111, 115 <146>).
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IV.
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Für den Erlass einer Neuregelung bleibt dem Gesetzgeber eine Frist bis zum 31. August 2012. Kommt es bis zu diesem Zeitpunkt zu keiner verfassungsgemäßen Neuregelung, tritt Nichtigkeit der beanstandeten Vorschriften ein (vgl. BVerfGE 111, 115 <146>).
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V.
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Noch nicht rechts- oder bestandskräftig abgeschlossene Gerichts- und Verwaltungsverfahren, in denen der Gewährung von Landeserziehungsgeld lediglich die Staatsangehörigkeit der Antragstellenden entgegensteht, bleiben ausgesetzt oder sind auszusetzen (vgl. BVerfGE 111, 115 <146>; 116, 96 <135>) bis der Gesetzgeber die verfassungswidrige Norm durch eine Neuregelung ersetzt hat (vgl. BVerfGE 28, 324 <363>; 111, 160 <176>), oder entsprechend C. IV. Nichtigkeit eintritt (vgl. BVerfGE 111, 115 <146>).
(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.
(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
1
T a t b e s t a n d
2Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks N. 00 in Warendorf, das an den Marktplatz angrenzt. In dem auf dem Grundstück stehenden Gebäude führte bislang die B. 0000 C. GmbH einen gastronomischen Betrieb. Die Betreiberin hatte auf der öffentlichen Fläche vor dem Ladenlokal sowie auf einer Fläche zentral auf dem Marktplatz Tische und Stühle für einen Außengastronomiebetrieb aufgestellt. Unter dem 3. April 2013 wurde ihr dafür von der Beklagten eine straßenrechtliche Sondernutzungserlaubnis erteilt. Die Sondernutzungserlaubnis nimmt den Zeitraum vom 17. August 2013, 18 Uhr bis zum 18. August 2013, 12 Uhr ausdrücklich aus. An dem Wochenende des 17. und 18. August 2013 fanden in Warendorf besondere Feierlichkeiten zu Mariä Himmelfahrt statt. In der Stadt waren zahlreiche Marienbögen aufgestellt; auf dem Marktplatz stand ein Marienbogen. Die Veranstaltung lockte wie in jedem Jahr zahlreiche Besucher an.
3Am 3. Juli 2013 stellte die Klägerin einen Antrag auf Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis für den 17. August 2013 in der Zeit von 18 Uhr bis 24 Uhr für einen Außengastronomiebetrieb auf der Fläche vor dem Lokal B. 0000. Danach sollten auf einer Fläche von 33 m² arrondiert um die dort vorhandenen Bäume Tische und Stühle aufgestellt werden. Zur Begründung führt die Klägerin aus: Der Genehmigung des Antrages stünden keine straßenrechtlichen Gründe entgegen. Die Sondernutzung auf den Flächen links und rechts des Eingangs zum Lokal behindere weder Besucher der Bogenveranstaltung noch würden Rettungswege verstellt. Vor diesem Hintergrund könne eine Bewertung der Verkehrssituation der Sondernutzung nicht entgegengehalten werden.
4Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 15. Juli 2013 ab. Zur Begründung führte sie aus: Am Abend des 17. August 2013 fänden in Warendorf besondere Feierlichkeiten zu Mariä Himmelfahrt statt, die u. a. mit einem traditionellen Umzug von 1000 Besuchern am Abend durch die Innenstadt während der Illumination unter den aufgestellten Marienbögen einhergingen. An diesem Tag würden zum Schutz des Brauchtums generell für die durch den Umzug in Anspruch genommenen Flächen keine Sondernutzungserlaubnisse durch die Beklagte erteilt. Maßgeblicher Grund für die Untersagung der Sondernutzung sei die Gewährleistung der Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs. An diesem Abend sei die Warendorfer Innenstadt nur reduziert beleuchtet. Gleichzeitig befinde sich ein besonders hohes Zuschaueraufkommen in der Stadt. Um die Teilnehmer an dem Umzug durch aufgestellte Tische und Stühle insbesondere im Bereich des stark frequentierten Marktplatzes nicht zu gefährden ‑ da diese potentielle Stolperfallen und somit ein verkehrsrechtliches erhöhtes Sicherheitsrisiko darstellen ‑ werde im gesamten von dem Umzug betroffenen Altstadtbereich an diesem Abend eine Sondernutzung in Form der Außengastronomie auf öffentlichen Flächen nicht zugelassen. Bei der Entscheidung sei ebenfalls dem Aspekt der Gleichbehandlung aller Gastronomiebetriebe im betroffenen Innenstadtbereich Rechnung getragen worden. Die Regelung, dass an diesem Abend keine Sondernutzungserlaubnis erteilt werde, gelte für alle Betriebe mit Außengastronomie im Bereich der Altstadt, die sich im Bereich der Illumination befänden. Jede Ausnahme von diesem Grundsatz beeinträchtige die Flucht- und Rettungswegsituation insgesamt.
5Am 19. Juli 2013 hat die Klägerin die vorliegende Klage sowie einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO gestellt, mit der die Beklagte verpflichtet werden sollte, die Nutzung der in Rede stehenden Flächen in der fraglichen Zeit zu gestatten.
6Zur Begründung der Klage führt die Klägerin aus: Sie habe einen Anspruch auf Erteilung der begehrten straßenrechtlichen Sondernutzungserlaubnis aus § 18 StrWG NRW. Zwar stehe die Erteilung einer straßenrechtlichen Sondernutzungserlaubnis im Ermessen des Trägers der Straßenbaulast. Dabei unterliege die Ermessensbetätigung aber Schranken, die sich aus der verwaltungsrechtlichen Kompetenzordnung ergäben. Nach allgemeinen Verwaltungsgrundsätzen habe jede Behörde nur den ihr zugewiesenen Aufgabenbereich zu verwalten. Auch eine normativ nicht näher vorgestimmte Ermessensbetätigung müsse ihre Rechtfertigung in dem Zweck des der Entscheidung zugrundeliegenden Gesetzes und der vom Gesetzgeber gewollten Ordnung der jeweiligen Rechtsmaterie finden. Hieraus folge, dass die Ermessensbetätigung nach § 18 Abs. 1 StrWG NRW sich ausschließlich an straßenrechtlichen Gesichtspunkten orientieren müsse. Die Sondernutzung einer Straße unterliege einem präventiven Verbot mit Erlaubnisvorbehalt, das die Erlaubnisbehörde in die Lage versetzen solle, im Vorhinein zu prüfen, ob die grundsätzlich unbedenkliche Nutzung einer Straße über den Gemeingebrauch hinaus im Einzelfall mit den vom Straßenbaulastträger wahrzunehmenden öffentlichen Belangen vereinbar sei. Bei dieser Prüfung habe der Baulastträger in erster Linie darauf Bedacht zu nehmen, dass die Straßensubstanz geschützt und der Gemeingebrauch entsprechend des Widmungszwecks nicht unzumutbar beeinträchtigt werde. Gemessen daran erweise sich der Versagungsbescheid der Beklagten als ermessensfehlerhaft. Denn auch wenn im Versagungsbescheid immer wieder auf den straßenrechtlichen Aspekt der Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs abgestellt werde, sei der eigentliche Grund der Versagung der straßenrechtlichen Sondernutzungserlaubnis doch ein anderer. Im Bescheid heiße es ausdrücklich, dass Sondernutzungen zu Mariä Himmelfahrt grundsätzlich nicht genehmigt würden und dies zum Schutz des Brauchtums geschehe. Hiermit sei kein straßenrechtlicher Belang betroffen. Die darüber hinaus seitens der Beklagten ins Feld geführten straßenrechtlichen Belange griffen nicht durch. Es sei nicht ersichtlich, weshalb die begehrte straßenrechtliche Sondernutzung die Sicherheit des Fußgängerverkehrs beeinträchtigen sollte. Es gehe hier um Flächen, die ganz am Rand des Marktplatzes gelegen seien. Nennenswerte Fußgängerströme führten hier nicht vorbei. Der Klägerin stehe ein gebundener Anspruch auf Erteilung der begehrten straßenrechtlichen Sondernutzungserlaubnis zu. Das Ermessen der Beklagten sei insoweit auf Null reduziert.
7Das Gericht hat mit Beschluss vom 6. August 2013 den Antrag der Klägerin auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO abgelehnt.
8Die Klägerin hat ursprünglich beantragt,
9die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheids vom 15. Juli 2013 zu verpflichten, der Klägerin die begehrte straßenrechtliche Sondernutzungserlaubnis für die im Antrag vom 3. Juli 2013 näher bezeichneten Flächen vor dem Gebäude N. 00 in Warendorf für Samstag, 17. August 2013 in der Zeit von 18 Uhr bis 24 Uhr zu erteilen.
10Sie beantragt nunmehr,
11festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet gewesen ist, der Klägerin auf ihren Antrag vom 3. Juli 2013 die mit Bescheid vom 15. Juli 2013 versagte Sondernutzungserlaubnis zu erteilen.
12Die Beklagten beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Zur Begründung bezieht sie sich auf den Inhalt des angefochtenen Bescheides.
15Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verfahrensakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
16E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
17Die Klage hat keinen Erfolg.
18Die Klage ist als Fortsetzungsfeststellungsklage zulässig. Die ursprünglich erhobene Verpflichtungsklage hat sich durch Zeitablauf erledigt. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO ist auf erledigte Verpflichtungsklagen entsprechend anzuwenden. In diesem Fall kann – wie erfolgt – die Feststellung begehrt werden, dass die Behörde verpflichtet gewesen ist, den begehrten Verwaltungsakt zu erlassen. Die Klägerin hat ein besonders Interesse an der begehrten Feststellung, da die konkrete Gefahr besteht, dass die Beklagte in naher Zukunft auf einen gleichartigen Antrag der Klägerin hin eine auf gleichartigen Erwägungen beruhende negative Entscheidung treffen könnte (Wiederholungsgefahr).
19Die Klage ist aber unbegründet. Die Beklagte war nicht verpflichtet, der Klägerin die begehrte Sondernutzungserlaubnis für eine Außengastronomie auf der Fläche vor dem Gebäude N. 00 in Warendorf für den 17. August 2013 in der Zeit von 18 Uhr bis 24 Uhr zu erteilen.
20Gegenstand des Verfahrens ist ausschließlich der in der mündlichen Verhandlung gestellte Klageantrag, festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet gewesen ist, der Klägerin auf ihren Antrag vom 3. Juli 2013 die mit Bescheid vom 15. Juli 2013 versagte Sondernutzungserlaubnis zu erteilen. Einen Fortsetzungsfeststellungsantrag hinsichtlich eines Anspruchs auf ermessensfehlerfreie Entscheidung hat die Klägerin nicht gestellt. Grundsätzlich ist zwar ein Bescheidungsantrag in einem Verpflichtungsantrag enthalten. Im vorliegenden Fall hat die Klägerin aber ihren ursprünglichen Verpflichtungsantrag und auch den nunmehr gestellten Feststellungsantrag ausschließlich auf das Verpflichtungsbegehren beschränkt. Deshalb muss das Gericht nicht darüber entscheiden, ob die Beklagte durch die Versagung der Sondernutzungserlaubnis den Anspruch der Klägerin auf ermessensfehlerfreie Entscheidung verletzt hat, sondern nur darüber befinden, ob der Klägerin ein Anspruch auf Erteilung der begehrten Sondernutzungserlaubnis zustand,
21ähnlich Bayerischer VGH, Urteil vom 7. August 2013– 10 B 13.1234 –, Juris Rdnrn. 26, 27.
22Die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis steht gemäß § 18 StrWG NRW im Ermessen des Trägers der Straßenbaulast. Der Behörde ist dabei kein völlig freies Ermessen eröffnet. Sie hat ihr Ermessen vielmehr gemäß § 40 VwVfG NRW entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten. Der gesetzliche Erlaubnisvorbehalt für eine straßen- und wegerechtliche Sondernutzung soll eine Nutzung der betroffenen Straßen und Wege sicherstellen, die den Widmungszweck, insbesondere den Gemeingebrauch, nicht wesentlich beeinträchtigt. Damit dient das präventive Verbot mit Erlaubnisvorbehalt in erster Linie der Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs, so wie ihn die Widmung der öffentlichen Sache zulässt,
23vgl. OVG NRW, Beschluss vom 6. August 2006– 11 A 2642/04 –, Juris Rdnr. 21, Urteil vom 20. April 2007 – 11 A 2361/05 –, Juris Rdnr. 24.
24Darüber hinaus ist als Schutzzweck des für Sondernutzungen bestehenden Erlaubnisvorbehalts auch das öffentlich-rechtliche Bedürfnis anerkannt, beim Zusammentreffen gegenläufiger Straßennutzungsinteressen verschiedener Nutzungsinteressenten den erforderlichen Interessenausgleich zu schaffen. Diese Ausgleichs- und Verteilungsfunktion der Sondernutzungserlaubnis kann bei entsprechender Ermessenshandhabung und Abwägung der gegenseitigen Belange durch die Erlaubnisbehörde auch unabhängig von den Gründen der Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs zu einer räumlichen und (oder) zeitlichen Begrenzung bestimmter Sondernutzungen führen,
25vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. August 1080– 7 B 155/79 –, Juris Rdnr. 4; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 18. März 2014 – 5 S 348/13 –, Juris Rdnr. 37.
26Im Rahmen des Verteilungsermessens dürfen aber nicht solche Belange herangezogen werden, die überhaupt keine Bezug zum Bestand und zur Nutzung der Straße haben, also keine straßenbezogenen Belange mehr darstellen,
27vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 18. März 2014– 5 S 348/13 –, Juris Rdnr. 38.
28Ausgehend hiervon war die Beklagte nicht verpflichtet, der Klägerin die begehrte Sondernutzungserlaubnis zu erteilen. Ein Rechtsanspruch auf Erteilung der Sondernutzungserlaubnis stand der Klägerin nicht zu, da die Erteilung der Erlaubnis sich nicht als einzig ermessensfehlerfreie Entscheidung erweist, also eine Ermessensreduzierung auf Null nicht vorliegt.
29Ob die Versagung der Sondernutzungserlaubnis mit der Gewährleistung der Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs am Abend des 17. August 2013 begründet werden konnte, bedarf keiner Entscheidung. Jedenfalls war es nicht ausgeschlossen, die begehrte Sondernutzungserlaubnis mit anderen Ermessenserwägungen abzulehnen.
30In den Ermessenserwägungen hätte die Brauchtumsveranstaltung zu Mariä Himmelfahrt am Abend des 17. August 2013 auch unabhängig von den Gründen der Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs Berücksichtigung finden können. Am diesem Abend fand auf dem Marktplatz in Warendorf die sog. Illumination der Marienbögen statt. Diese Veranstaltung stellt – ebenso wie die von der Klägerin beantragte Außengastronomie – eine Sondernutzung des öffentlichen Verkehrsraums dar (erlaubnisfrei nach § 4 Nr. 1 e der Sondernutzungssatzung der Beklagten). Die sog. Bogengemeinschaften, die für die Marienbögen verantwortlich sind, sahen das Gelingen der Veranstaltung durch die von der Klägerin geplante Außengastronomie als gefährdet an, weil sie befürchteten, dass die Atmosphäre während der Illumination durch die Außengastronomie der Klägerin in Form von Geräuschbeeinträchtigungen oder in anderer Weise gestört würde. Somit trafen gegenläufige Interessen verschiedener Straßenbenutzung aufeinander. In einer solchen Situation kann die Behörde die Interessen der Beteiligten bewerten, gewichten und schließlich eine Abwägung vornehmen. Bei der Abwägung ist die Entscheidung zu treffen, ob die Außengastronomie für den Zeitraum der Brauchtumsveranstaltung nicht zugelassen wird oder ob beide Sondernutzungen nebeneinander stattfinden können. Bei der Entscheidung kann der Umstand ins Gewicht fallen, dass der Klägerin für die übrige Zeit des Jahres eine Sondernutzungserlaubnis für eine Außengastronomie erteilt worden ist und sie durch eine Versagung für einen Abend nur geringfügig in ihren Interessen beeinträchtigt würde. Dennoch stellt sich das Ergebnis der Abwägung als offen dar. Keine der beiden Seiten kann ein wesentliches Überwiegen der eigenen Interessen für sich beanspruchen.
31Das Interesse der Veranstalter und der Teilnehmer der Brauchtumsveranstaltung an einem störungsfreien Ablauf der Feierlichkeiten kann bei der Ermessensbetätigung Berücksichtigung finden. Zwar handelt es sich dabei nicht um einen spezifisch straßenrechtlichen Belang. Es besteht aber ein mittelbarer Bezug zur Straße, da eine Sondernutzung des öffentlichen Verkehrsraums mit einer anderen Sondernutzung konkurriert. Darüber hinaus können sich die Veranstalter der Feierlichkeiten zu Mariä Himmelfahrt mit der Brauchtumspflege auf ein grundsätzlich anerkennenswertes Interesse berufen.
32Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 167 VwGO i. V. m. 708 Nr. 11, 711 ZPO.
33Rechtsmittelbelehrung
34Gegen dieses Urteil kann innerhalb eines Monats nach Zustellung die Zulassung der Berufung an das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen beantragt werden. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht, Piusallee 38, 48147 Münster (Postanschrift: Postfach 8048, 48043 Münster), schriftlich oder in elektronischer Form nach Maßgabe der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr bei den Verwaltungsgerichten und den Finanzgerichten im Lande Nordrhein-Westfalen (Elektronische Rechtsverkehrsverordnung Verwaltungs- und Finanzgerichte – ERVVO VG/FG) vom 7. November 2012 (GV. NRW S. 548) zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster (Postanschrift: Postfach 6309, 48033 Münster) einzureichen. Statt in Schriftform kann die Begründung dort auch in elektronischer Form nach Maßgabe der ERVVO VG/FG eingereicht werden.
35Vor dem Oberverwaltungsgericht muss sich jeder Beteiligte – außer im Prozesskostenhilfeverfahren – durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte sind nur die in § 67 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung bezeichneten und ihnen kraft Gesetzes gleichgestellten Personen zugelassen.
36B e s c h l u s s
37Der Streitwert wird gem. auf § 52 Abs. 2 GKG auf 5.000 € festgesetzt.
38Rechtsmittelbelehrung
39Eine Beschwerde gegen diesen Beschluss ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder sich das Verfahren anderweitig erledigt hat, schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle oder in elektronischer Form nach Maßgabe der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr bei den Verwaltungsgerichten und den Finanzgerichten im Lande Nordrhein-Westfalen (Elektronische Rechtsverkehrsverordnung Verwaltungs- und Finanzgerichte – ERVVO VG/FG) vom 7. November 2012 (GV. NRW S. 548) bei dem Verwaltungsgericht Münster, Piusallee 38, 48147 Münster (Postanschrift: Postfach 8048, 48043 Münster) einzulegen.
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 17. Juni 2013 wird zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 1.000,00 € festgesetzt.
Gründe
- 1
Die Beschwerde ist zulässig. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg, weil das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen den für sofort vollziehbar erklärten Bescheid der Antragsgegnerin vom 27. Mai 2013 hinsichtlich der in Ziff. I. des Bescheides enthaltenen Beseitigungsanordnung zu Recht angeordnet hat. Im Rahmen der im vorliegenden Eilverfahren vorzunehmenden Interessenabwägung ist dem Interesse der Antragstellerin an der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegenüber dem Interesse der Antragsgegnerin, bereits vor Abschluss des Hauptsacheverfahrens die streitige Anordnung durchsetzen zu können, der Vorrang einzuräumen.
- 2
Das Verwaltungsgericht hat bereits die Grundsätze einer Interessenabwägung im Rahmen der nach § 80 Abs. 5 VwGO zu treffenden Entscheidung dargelegt, worauf zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird. Das Vorbringen der Antragsgegnerin in der Beschwerdebegründung, das der Senat alleine berücksichtigen kann (§ 146 Abs. 4 Satz 1, 3 und 6 VwGO), rechtfertigt keine Abänderung oder Aufhebung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung. Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist die in dem Bescheid der Antragsgegnerin vom 27. Mai 2013 unter Ziffer I. aufgeführte und auf § 41 Abs. 8 LStrG gestützte Beseitigungsanordnung, durch die der Antragstellerin aufgegeben worden ist, die vor der Gaststätte „A...Tisch“ auf dem J... Platz an dessen Rand aufgestellten Möbelelemente in Form von „Sessel- und Sofaelementen“ zu beseitigen. Gemäß § 80 Abs. 2 Ziffer 4 VwGO hat die Antragsgegnerin diesbezüglich die sofortige Vollziehung angeordnet. Der Antragstellerin war unter dem 15. März 2013 eine Sondernutzungserlaubnis u.a. zur Aufstellung von „Tischen und Stühlen“ auf zwei voneinander getrennten Teilflächen auf dem J... Platz erteilt worden. Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die auf der - kleineren - zwischen der Hauswand der Gaststätte und der Durchfahrt der F... Straße gelegenen „Sondernutzungsfläche A“ aufgestellten Sitzmöbel der genannten Sondernutzungserlaubnis entsprechen oder ob sie, sofern sie von der Erlaubnis nicht erfasst sein sollten, was die Antragsgegnerin annimmt und daher diesbezüglich von einer unerlaubten Sondernutzung ausgeht, jedenfalls zuzulassen wären. Des Weiteren besteht Streit darüber, ob die Voraussetzungen für die Anordnung des Sofortvollzuges erfüllt waren.
- 3
Sofern eine Straße ohne die erforderliche Erlaubnis benutzt wird, kann nach § 41 Abs. 8 LStrG die Straßenbaubehörde - hier die Antragsgegnerin - die erforderlichen Maßnahmen zur Beendigung der Benutzung anordnen. Das Verwaltungsgericht hat zwar die tatbestandlichen Voraussetzungen der genannten Norm als erfüllt angesehen, weil die von der Antragstellerin aufgestellten Sitzmöbel den unter Ziffer I. der erteilten Sondernutzungserlaubnis aufgeführten Möbeln nicht entsprechen. Es ist aber der von der Antragsgegnerin im Rahmen ihrer im Bescheid vom 27. Mai 2013 dargelegten Ermessenserwägungen vertretenen Rechtsauffassung nicht gefolgt, die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis für die von der Antragstellerin tatsächlich aufgestellten Möbelelemente sei unter Berücksichtigung der „Richtlinie Gestaltung von Sondernutzungen im öffentlichen Raum Bereich Innenstadt“ der Antragsgegnerin grundsätzlich ausgeschlossen. Das Verwaltungsgericht ist vielmehr zu dem Ergebnis gelangt, die Erfolgsaussichten des Widerspruches der Antragstellerin seien offen, soweit sie geltend macht, die Beseitigungsanordnung sei ermessensfehlerhaft. Die Antragstellerin habe einen Anspruch auf eine entsprechende Sondernutzungserlaubnis, da dem die genannte Richtlinie nicht entgegenstehe. Die sich hier stellenden sowohl tatsächlichen als auch rechtlichen Fragen könnten in dem summarischen Verfahren nicht abschließend beantwortet werden. Dabei hat das Verwaltungsgericht insbesondere die Frage angesprochen, ob und inwieweit sämtliche Vorgaben der Richtlinie bei der Frage der Genehmigungsfähigkeit der Sondernutzung durch das Aufstellen der streitigen Sitzmöbel berücksichtigt werden dürfen, weil bei der Ermessensentscheidung nach § 41 Abs. 1 LStrG über die Erteilung der Sondernutzungserlaubnis nur solche Belange Berücksichtigung finden könnten, die einen sachlichen Bezug zur Straße hätten. Darüber hinaus hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, zwar seien die formalen Voraussetzungen des § 80 Abs. 3 VwGO bezüglich der Anordnung des Sofortvollzuges erfüllt, im Rahmen der im gerichtlichen Eilverfahren vorzunehmenden Interessenabwägung könne unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des vorliegenden Falles indessen nicht von einer den Sofortvollzug tragenden Dringlichkeit ausgegangen werden. Diese rechtlichen Erwägungen des Verwaltungsgerichts sind nicht zu beanstanden. Die Darlegungen der Antragsgegnerin im Beschwerdeverfahren rechtfertigen keine hiervon abweichende Beurteilung.
- 4
Im Beschwerdeverfahren streiten die Beteiligten nach wie vor im Wesentlichen darüber, ob die von der Antragstellerin konkret aufgestellten Sitzgelegenheiten überhaupt mit den Vorgaben der genannten „Richtlinie Gestaltung von Sondernutzungen im öffentlichen Raum Bereich Innenstadt“ kollidieren und des Weiteren, sofern dies der Fall sein sollte, ob die der Gastronomiemöblierung der Antragstellerin entgegengehaltenen gestalterischen Vorgaben der genannten Richtlinie rechtlich zulässig auf der Grundlage des Landesstraßengesetzes umgesetzt werden können. Die demgemäß zu klärenden Streitfragen lassen sich entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin keineswegs auf der Grundlage der vorliegenden Unterlagen abschließend beurteilen, weshalb es, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, hierzu der Durchführung eines Hauptsacheverfahrens bedarf. Zwar lässt sich anhand der in den Verwaltungs- und Gerichtsakten enthaltenen Fotografien der streitigen Sitzmöbel ein Eindruck über deren Aussehen gewinnen und damit gegebenenfalls auch eine Bewertung desselben vornehmen. Darin allein könnte sich indessen die notwendige Klärung nicht erschöpfen. Vielmehr wäre, soweit von der Antragsgegnerin in diesem Zusammenhang städtebauliche Belange ins Feld geführt werden, darüber hinaus die konkrete städtebauliche Situation in den Blick zu nehmen, die sich allenfalls vor Ort erschließen lässt. Unabhängig davon bestehen jedoch auch, wie das Verwaltungsgericht zutreffend angemerkt hat, bislang nicht abschließend geklärte rechtliche Fragen. Es stellt sich nämlich durchaus die Frage, ob die aus den Vorgaben der Richtlinie ableitbaren gestalterischen Vorstellungen der Antragsgegnerin tatsächlich allesamt unter die „städtebaulichen Belange“ zu fassen sind, die im Rahmen der Erlaubnis einer straßenrechtlichen Sondernutzung bei der von der Antragsgegnerin diesbezüglich zutreffenden Ermessensentscheidung berücksichtigt werden können. Zwar können, wie der Senat bereits in der Vergangenheit mehrfach entschieden hat (vgl. Beschluss vom 13. Juli 1995 - 1 B 12046/95.OVG - und Urteil vom 29.06. 2000 - 1 A 12364/99.OVG - jeweils m.w.N.; vgl. auch Bogner/Bitterwolf-de Boer/Probstfeld/Kaminski/Schwarz/Witte, Praxis der Kommunalverwaltung Rheinland-Pfalz L 12, § 41 LStrG Anm. 2.5.2), neben verkehrlichen Gesichtspunkten auch städtebauliche Gesichtspunkte bei der Entscheidung über die Erlaubnis einer Sondernutzung berücksichtigt werden. Ob daraus allerdings geschlossen werden kann, die hier in Rede stehenden gestalterischen Vorgaben der genannten Richtlinie könnten sämtlich auf der Grundlage des LStrG durchgesetzt werden, erscheint fraglich. Mit einen vergleichbaren Sachverhalt ist der Senat in seiner bisherigen Rechtsprechung nicht befasst worden, weshalb das vorliegende Verfahren Anlass geben wird, grundsätzlich zu klären, wie weitgehend ästhetische Gestaltungsvorstellungen einer Gemeinde bei straßenrechtlichen Sondernutzungen berücksichtigt werden können und welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit diese noch einen konkreten Bezug zur jeweiligen Straße haben. Im vorliegenden Eilverfahren ist hierfür kein Raum.
- 5
Soweit die Antragstellerin allerdings auch im Beschwerdeverfahren weiterhin an ihrer Auffassung fest hält, die streitigen Sitzmöbel seien unter den in der Sondernutzungserlaubnis vom 15. März 2013 genannten Begriff „Stühle“ zu fassen, folgt dem der Senat nicht, sondern schließt sich der Beurteilung des Verwaltungsgerichts in dem angegriffenen Beschluss an, das eingehend dargelegt hat, dass die streitigen Sitzmöbel keine „Stühle“ sind, deren Aufstellung durch die Sondernutzungserlaubnis zugelassen worden ist. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts Bezug genommen.
- 6
Gleichsam wie ein roter Faden zieht sich durch die gesamte Argumentation der Antragsgegnerin im Verwaltungs- wie auch im gerichtlichen Verfahren ihre Wertung, die streitigen Sitzgelegenheiten bewirkten eine unzulässige „Wohnzimmeratmosphäre“ und ein „unruhiges Stadtbild“. Diese Argumentation erscheint aber kaum nachvollziehbar. Nach den vorliegenden Fotografien wird wohl eher von einer Terrassenmöblierung gesprochen werden können und der Hinweis auf ein „unruhiges Stadtbild“ erscheint mit Blick auf den Standort der Sitzmöbel überzogen. Angesichts der geringen Ausdehnung der so möblierten kleinen „Sondernutzungsfläche A“ vor dem linken Schaufenster des Anwesens F... Straße ..., der geringen Tiefe der Fläche zwischen der Hauswand und der freigehaltenen Durchfahrt der F... Straße relativiert sich die von der Antragsgegnerin beschworene „Unruhe“ des Stadtbildes erheblich. Unabhängig davon liegt der ständige Verweis der Antragsgegnerin auf die „Wohnzimmeratmosphäre“ aber auch deshalb neben der Sache, weil sich für die Intention, solches abzuwehren, in der Richtlinie, auf die sie sich stützt, keine Grundlage findet. Eine diesbezügliche Vorgabe der Richtlinie benennt die Antragsgegnerin auch gar nicht. Sie ist ersichtlich der Auffassung, die Aufstellung von Sesseln, wie sie auch auf einer privaten Terrasse stehen könnten, verstoße schlechterdings gegen die Vorgaben der Richtlinie, weil es sich dabei nicht um Stühle handele. Das lässt sich der Richtlinie jedoch nicht entnehmen.
- 7
Darauf hat bereits das Verwaltungsgericht zu Recht hingewiesen. Soweit die Antragsgegnerin im Beschwerdeverfahren geltend macht, bei dem auf S. 12 der Richtlinie verwandten Begriff der „Gastronomiemöblierung“, handele es sich lediglich um eine Überschrift, aus der nicht geschlossen werden könne, dass auch Sessel aufgestellt werden dürften, überzeugt nicht. Es ist zwar richtig, dass diese Überschrift der Ziffer 2 in der Richtlinie vorangestellt ist. Allerdings beachtet die Antragsgegnerin nicht, dass unter Ziffer 2.1 ausdrücklich definiert wird, was als Gastronomiemöblierung gelten kann, nämlich „Stühle, Bänke, Tische, Stehtische etc.“. Insbesondere bei dem Begriff „Stühle“ handelt sich somit um eine beispielhafte, aber nicht um eine abschließende Beschreibung dessen, was nach der Vorstellung der Antragsgegnerin unter „Gastronomiemöblierung“ gefasst werden soll. Damit steht die Richtlinie, an der sich die Antragsgegnerin bei ihrer Ermessenentscheidung orientiert hat, dem Aufstellen von Sesseln nicht entgegen. Soweit sich die Antragsgegnerin, wie dies aus der Verwaltungsakte ersichtlich ist, auch daran gestoßen hat, dass die streitigen Sessel mit Sitzkissen versehen sind, ist anzumerken, dass vergleichbare Sitzkissen auch auf den Fotos zu erkennen sind, die in der Richtlinie unter Ziffer 2.4 genannten Beispiele geeigneter Maßnahmen abgedruckt sind. Angesichts dessen schließt die Definition der Gastronomiemöblierung, wie sie in der Richtlinie enthalten ist, Sessel zweifellos nicht aus.
- 8
Fraglich könnte deshalb allenfalls sein, ob die unter Ziffer 2.3 der Richtlinie aufgeführten zu beachtenden Grundsätze der Zulassung der streitigen Sitzmöblierung entgegenstehen könnten. Soweit darin ästhetische Vorgaben gemacht werden, ist allerdings anzumerken, dass die in diesem Zusammenhang verwandten Begriffe zu einem nicht unerheblichen Teil unklar oder schwammig sind, was die Frage nach deren Bestimmtheit aufwirft. Das gilt zunächst bezüglich der Vorgabe in Ziffer 2.3.1, soweit diese überhaupt auf die Gestaltung der einzelnen Gastronomiemöbel und nicht lediglich auf deren Platzierung im Straßenraum zielt. Die Vorgabe, wonach eine „Überfrachtung des öffentlichen Straßenraumes“ vermieden und ein „ruhiges Straßenbild“ erzeugt werden soll, lässt eher darauf schließen, dass es um die räumliche Begrenzung der Gastronomiemöblierung und um deren Anordnung auf der Straße geht. Ob aus dem Begriff des „ruhigen Straßenbildes“ eine hinreichend bestimmte Vorgabe bezüglich der zulässigen Gestaltung von Sitzmöbeln gewonnen werden könnte, dürfte wohl eher zweifelhaft sein. Der erforderlichen Bestimmtheit ermangelt es zweifellos der Vorgabe unter Ziffer 2.3.3, wonach das Material der Möblierung eine „optisch ansprechende und angenehme Erscheinung“ gewährleisten solle. Von sonderlicher Klarheit ist ebenfalls nicht der in Ziffer 2.3.5 verwandte Begriff der „massiv und aufdringlich gestalteten Gastronomiemöblierung“. Das zeigt schon die eigene Handhabung der Antragsgegnerin, die die auf den Fotos Bl. 28 f. Verwaltungsakte ersichtlichen, aus Fässern gestalteten Stehtische der Antragstellerin offensichtlich anders beurteilt, als die daneben kleiner wirkenden einzelnen Sitzgelegenheiten.
- 9
Damit verbleibt letztlich als einziger hinreichend bestimmter bei der Sondernutzung durch Gastronomiemöblierung zu beachtender Grundsatz allenfalls der der Ziffer 2.3.2 der Richtlinie, wonach pro Gastronomiebetrieb die Möblierung einheitlich gestaltet werden soll. Dabei stellt sich allerdings die Frage, ob das noch den städtebaulichen Belangen zugeordnet werden kann, die im Rahmen der straßenrechtlichen Ermessensbetätigung zum Tragen gebracht werden können. Zu einem vergleichbaren Sachverhalt hat sich der Senat in der Vergangenheit bislang nicht geäußert. Soweit im Zusammenhang mit Sondernutzungen städtebauliche Belange angesprochen worden sind, lagen die Sachverhalte ersichtlich anders. Das gilt auch für die vergleichbare Rechtsprechung anderer Obergerichte.
- 10
Zwar hat der Senat, wie bereits ausgeführt worden ist, entschieden, dass die Behörde im Rahmen ihrer Ermessensentscheidung über die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis nicht allein darauf beschränkt sei, nur eventuelle Behinderungen des Verkehrs zu berücksichtigen, sondern über straßenrechtliche Belange im engen Sinne hinaus weitere Gesichtspunkte berücksichtigen darf, die mit dem Widmungszweck der Straße noch in einem sachlichen Zusammenhang stehen. Angesprochen wurde in diesem Zusammenhang auch der Schutz des Stadtbildes vor Verschandlungen und Verschmutzungen. Gleichwohl gilt dies alles nicht schrankenlos, sondern nur insoweit, als das einen Bezug zur städtebaulichen Konzeption der jeweiligen Fläche hat (vgl. Beschluss 1 B 12046/95.OVG S. 5). In seinem Urteil vom 29. Juni 2000 (1 A 12364/99.OVG) hat der Senat ebenfalls dargelegt, dass in jenem Fall die beklagte Gemeinde zulässigerweise auch städtebauliche Gesichtspunkte berücksichtigt und hierauf gestützt die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis abgelehnt hatte. Indessen lag in jenem Verfahren der Fall so, dass sich diese städtebaulichen Gründe aus einem Gestaltungskonzept für einen Platz ableiteten, das eine räumliche Aufteilung der Platznutzung zwischen gastronomisch nutzbaren Teilflächen und Freiflächen um einen Brunnen vorsah. Auf ein konkretes städtebauliches Gestaltungskonzept stellt auch das OVG Nordrhein-Westfalen in seinem Beschluss vom 2. August 2006 (11 A 2642/04 in juris) ab. Gleiches gilt für das Urteil des VGH Baden-Württemberg vom 9. Dezember 1999 (NVwZ-RR 2000, 837 ff.).
- 11
Hintergrund der jeweils in der Rechtsprechung angestellten Erwägungen, über die Belange der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs hinausgehende weitere Belange, nämlich städtebauliche Belange, könnten im Rahmen der straßenrechtlichen Ermessensausübung bei der Entscheidung über eine Sondernutzungserlaubnis Berücksichtigung finden, waren mithin konkrete städtebauliche Konzepte für die jeweilige Straße oder den jeweiligen Platz, für die die Erteilung der Sondernutzungserlaubnis begehrt wurde. Solche städtebaulichen Konzepte können beispielsweise auf eine flächenmäßige Aufteilung von Freiflächen und sondergenutzten Flächen, auf die Freihaltung von Sichtachsen auf einen Freiraum um Brunnen oder Denkmäler oder auf die Steuerung von Einzelhandels- oder Gastronomiesondernutzungen zielen. Maßgeblich ist aber ein räumlich abgegrenztes städtebauliches Gestaltungskonzept für einen bestimmten Straßenraum oder einen Platz. Belange, die keine unmittelbare sachliche Beziehung zu dem jeweiligen „Straßengrund“ haben, können die Ablehnung einer Sondernutzungserlaubnis dagegen grundsätzlich nicht rechtfertigen (vgl. Bogner/Bitterwolf-de Boer/Probst/Kaminski/Schwarz/Witte a.a.O.).
- 12
Ob bezüglich des J… Platzes, um den es hier geht, ein derartiges städtebauliches Konzept vorliegt und ob daraus die von der Antragsgegnerin gegen die von der Antragstellerin aufgestellten Sitzmöbel ins Feld geführten Grundsätze ihrer Richtlinie über die Gestaltung von Sondernutzungen im öffentlichen Raum tatsächlich ableitbar sind, bedarf einer weiteren tatsächlichen und rechtlichen Klärung in einem Hauptsacheverfahren. Dabei ist anzumerken, dass lediglich der Grundsatz unter Ziffer 2.3.5 der genannten Richtlinie überhaupt einen räumlichen - allerdings einen sehr weiten, weit über den J... Platz hinausgehenden - Bezug benennt. Alle übrigen von der Antragsgegnerin angesprochenen Grundsätze der Richtlinie machen hingegen, wie vorstehend erläutert worden ist, mit unklaren Formulierungen ästhetische Vorgaben für das gesamte Innenstadtgebiet, denen mithin der konkrete Bezug zum einzelnen Straßenraum fehlt. Insoweit stellt sich die Frage, ob zur Durchsetzung derartiger Vorstellungen auf straßenrechtliche Bestimmungen zurückgegriffen werden kann oder ob andere rechtliche Möglichkeiten ergriffen werden müssen. Das vorliegende Eilverfahren, das nur eine summarische Prüfung erlaubt, gibt nicht den Raum, diese von dem Senat bislang nicht erörterte Frage grundsätzlich zu klären. Dementsprechend ist das Verwaltungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass die Erfolgsaussichten des Widerspruchs der Antragstellerin als offen einzuschätzen sind.
- 13
Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin ist angesichts der konkreten Umstände aber auch keine Dringlichkeit erkennbar, die es im Rahmen der hier vorzunehmenden Interessenabwägung geboten erscheinen lassen könnte, von der durch den Gesetzgeber in § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO grundsätzlich vorgegebenen aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs abzurücken. Zwar hat die Antragsgegnerin, wie das Verwaltungsgericht dargelegt hat, den Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO formal genügt. Das von der Antragsgegnerin geltend gemachte besondere Vollzugsinteresse setzt aber darüber hinaus eine besondere Dringlichkeit voraus, die auch im Hinblick auf die Art und Bedeutung der betroffenen Rechte und unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu beurteilen ist (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 18. Aufl., § 80 VwGO Rn. 96). Dabei ist zu berücksichtigen, dass es im vorliegenden Fall nicht etwa um eine Gefahrenabwehr geht oder darum, dass die Antragstellerin eine Straßenfläche nutzt, für die schlechterdings eine Sondernutzung ausgeschlossen ist. Vielmehr geht es lediglich darum, dass ein Streit über die Art der Sitzmöblierung besteht. Dass die auf einer verhältnismäßig kleinen Fläche am äußeren Rand des J… Platzes aufgestellten Sitzmöbel ein hier noch weiter aufzuklärendes städtebauliches Konzept so gravierend stören könnten, dass der Antragsgegnerin nicht zugemutet werden könnte, dies bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens hinzunehmen, ist nach den vorliegenden Fotografien auszuschließen. Gewichtige Argumente für ein überwiegendes Interesse der Antragsgegnerin lassen sich aufgrund der konkreten Umstände des vorliegenden Falles auch nicht daraus ableiten, dass den Sitzmöbeln der Antragstellerin eine besondere Vorbildwirkung zukommen müsste. Vergleichbare Sitzmöbel finden sich nämlich in unmittelbarer Nähe des gastronomischen Betriebes der Antragstellerin. Soweit die Antragsgegnerin vorgetragen hat, die vor dem lediglich zwei Häuser weiter östlich gelegenen Betrieb „... ...“ aufgestellten - ebenfalls sofamäßigen - Sitzmöbel seien entfernt worden, trifft das nämlich nicht zu. Solche stehen immer noch dort und nicht nur in der F... Straße, sondern auch um die Ecke herum in der E... Straße. Darüber hinaus finden sich auch an anderer Stelle im Innenstandbereich vergleichbare Sitzmöbel. Das gilt zunächst für den von den Beteiligten bereits angesprochenen Betrieb D unmittelbar neben dem Dienstgebäude des erkennenden Gerichts. Insoweit muss der Senat lediglich aus dem Fenster sehen, um eine den streitigen Sitzmöbeln vergleichbare Möblierung festzustellen. Darüber hinaus finden sich aber auch, wie gerichtsbekannt ist, im Innenstadtbereich - Löhrrondell/Stegemannstaße und Entenpfuhl/Durchgang zur Liebfrauenkirche - vergleichbare Sitzelemente. Es ist also, worauf das Verwaltungsgericht bereits hingewiesen hat, keineswegs so, dass es sich bei den hier streitigen Sitzmöbeln um den ersten Ansatz einer aus der Sicht der Antragsgegnerin unerwünschten Entwicklung handeln würde, weshalb es aus ihrer Sicht als geboten erscheinen könnte, den Anfängen durch einen Sofortvollzug zu wehren. Der bloße Hinweis, wegen der Sitzmöbel der Antragstellerin mit Anfragen anderer Gastronomen beschäftigt zu werden, begründet die gebotene Dringlichkeit hingegen nicht.
- 14
Nach alledem war die Beschwerde mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen.
- 15
Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren beruht auf §§ 47 Abs. 3, 52 Abs. 1 GKG.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.
(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.
(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.
(4) In Verfahren
- 1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro, - 2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro, - 3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und - 4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.
(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert
- 1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist, - 2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.
(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.