Verwaltungsgericht Magdeburg Beschluss, 24. Jan. 2013 - 8 B 23/12
Gericht
Gründe
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Der zulässige Antrag ist unbegründet.
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Nach § 38 Abs. 1 Satz 1 DG LSA kann die für die Erhebung der Disziplinarklage zuständige Behörde einen Beamten gleichzeitig mit oder nach der Einleitung des Disziplinarverfahrens vorläufig des Dienstes entheben, wenn im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt wird. Ferner kann die vorläufige Dienstenthebung ausgesprochen werden, wenn durch ein Verbleiben des Beamten im Dienst der Dienstbetrieb oder die Ermittlungen wesentlich beeinträchtigt würden und die vorläufige Dienstenthebung nicht unverhältnismäßig ist (§ 38 Abs. 1 Satz 2 DG LSA). Die Antragsgegnerin stützt sich erkennbar nicht auf letztgenannte Norm, sondern (nur) auf § 38 Abs. 1Satz 1 DG LSA, da ihrer Meinung nach im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt werden wird.
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Bei der Anordnung der Suspendierung handelt es sich nicht um eine Disziplinarmaßnahme (OVG LSA, B. v. 07.05.2010, 10 M 2/10; juris). Ihre Berechtigung ergibt sich aus dem funktionalen Bedürfnis, noch vor der endgültigen Klärung des Vorliegens eines Dienstvergehens und der abschließenden Entscheidung über die angemessene Maßregelung des Beamten eine den Verwaltungsaufgaben und dem Dienstbetrieb dienende vorübergehende Sicherungsregelung zu treffen.
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1.) Die nach § 61 Abs. 2 DG LSA vom Disziplinargericht vorzunehmende Prüfung ergibt hier, dass die vorläufige Dienstenthebungnicht aufzuheben ist, weil ernstliche Zweifel an ihrer Rechtmäßigkeit nicht bestehen.
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a.) Die auf § 38 Abs. 1 Satz 1 DG LSA gestützte Verfügung über die vorläufige Dienstenthebung muss pflichtgemäßem Ermessen der Einleitungsbehörde entsprechen. Den Beamten auch nur vorläufig vom Dienst zu entheben setzt voraus, dass ein Verbleiben des Beamten im Dienst schlechthin untragbar wäre. Dabei handelt es sich um die denkbar schwerste Sanktion für dienstliche Verfehlungen, welche nach der Rechtsprechung besondere Umstände voraussetzt. Für die konkrete Entscheidung im Einzelfall sind grundsätzlich das dienstliche Bedürfnis an der einstweiligen Fernhaltung des Beschuldigten vom Dienst und dessen Recht auf amtsentsprechende dienstliche Beschäftigung abzuwägen (vgl. dazu. Köhler/Ratz, BDO, 2. Aufl., § 91 Rz. 10: vgl. zum Ganzen: VG Magdeburg, Beschl. v. 10.02.2007, 8 B 22/06; Beschl. v. 03.03.2010, 8 B 21/09; zuletzt Besch. v 12.06.2012, 8 B 5/12; juris).
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Nach § 61 Abs. 2 DG LSA ist die vorläufige Dienstenthebung dann aufzuheben, wenn ernstliche Zweifel an ihrer Rechtmäßigkeit bestehen. Ernstliche Zweifel sind schon dann anzunehmen, wenn im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts offen ist, ob die Anordnung nach § 38 Abs. 1 DG LSA rechtmäßig oder rechtswidrig ist (vgl. nur: Bay. VGH, Beschl. v. 11.04.2012, 16b DC 11.985; OVG Lüneburg, Beschluss vom 13.5.2005, 3 ZD 1/05; alle juris). Neben der formellen Rechtmäßigkeit der Anordnung ist somit zu prüfen, ob die in der Anordnung liegende Prognose gerechtfertigt ist, der Beamte werde im Disziplinarverfahren voraussichtlich aus dem Dienst entfernt werden. Diese Prognose kann demnach nur dann gestellt werden, wenn nach dem Kenntnisstand im Eilverfahren die Möglichkeit der Höchstmaßnahme überwiegend wahrscheinlich ist. Ist es dagegen zumindest ebenso wahrscheinlich, dass eine Entfernung des Beamten aus dem Beamtenverhältnis im Disziplinarverfahren nicht erfolgen wird, sind ernstliche Zweifel durch das Gericht zu bejahen (BVerwG, Besch. v. 16.07.2009, 2 AV 4.09; BayVGH, Beschl. v. 20.04.2011, 16b DS 10.1120;Sächs. OVG, B. 19.08.2010, D 6 B115/10 mit Verweis auf Beschluss vom 08.07.2010, D6A116/10; alle juris; Müller, Grundzüge des Beamtendisziplinarrechts, § 38 Abs. 1 BDG, 2010, Rz. 370 m. w. N.; GKÖD, Disziplinarrecht des Bundes und der Länder, § 38 BDG, Rz. 51). Diese Prognoseentscheidung beinhaltet eine vom Gericht vorzunehmende summarische Prüfung des zurzeit bekannten Sachverhaltes und eine daran orientierte Wahrscheinlichkeitsprognose. Hinsichtlich des zur Last gelegten Dienstvergehens genügt, dass der Beamte dieses Dienstvergehen mit einem hinreichenden Grad an Wahrscheinlichkeit begangen hat; nicht erforderlich ist, dass das Dienstvergehen bereits in vollem Umfang nachgewiesen ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 29.09.1997, 2 WDB 3.97; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 22.09.2009, 83 DB 1.09; OVG des Saarlandes, Beschl. v. 17.06.2009, 6 B 289/09; alle juris). Die Beurteilung im Verfahren nach § 61 DG LSA erfordert keine gesonderten Beweiserhebungen, sondern ist in der Lage, in der sich das Disziplinarverfahren jeweils befindet, anhand der bis dahin zu Tage getretenen Tatsachen zu treffen. Insoweit können u. U. selbst durch Aktenvermerke untermauerte Erkenntnisse ausreichen (vgl. Müller a. a. O). Dabei ist auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abzustellen (BVerwG, Besch. v. 22.07.2002, 2 WDB 1.02; OVG Berlin-Brandenburg; Beschl. v. 18.08.2005, 80 SN 1.05; Bay VGH, Beschl. v. 11.04.2012, 16b DCV 11.985; alle juris). Jedoch muss für die gerichtliche Überprüfung der vorläufigen Dienstenthebung maßgeblich auf die von dem Dienstherrn in dem Bescheid herangezogenen Pflichtenverletzungen abgestellt werden. Diese können durch das Disziplinargericht im Rahmen der Würdigung durch Akteninhalte und sonstige – evtl. auch später, im Laufe des Verfahrens nach § 61 DG LSA hinzutretende - Erkenntnisse untermauert werden, um anhand dessen die Rechtsmäßigkeit der Prognoseentscheidung zu beurteilen (vgl. ausführlich: VG Magdeburg, Beschl. v. 12.06.2012, 8 B 5/12; juris).
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b.) Welche Disziplinarmaßnahme im Einzelfall erforderlich ist, richtet sich gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 und 3 DG LSA nach derSchwere des Dienstvergehens und des unter Berücksichtigung der Persönlichkeit des Beamten eingetretenen Umfangs der durch das Dienstvergehen herbeigeführten Vertrauensbeeinträchtigung. § 13 Abs. 2 DG LSA bestimmt, dass ein Beamter, der durch ein schweres Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren hat, aus dem Beamtenverhältnis zu entfernenist (Satz 1). Die Feststellung des verloren gegangenen Vertrauens ist verwaltungsgerichtlich voll inhaltlich nachprüfbar (Satz 2).
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Demnach ist maßgebendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der Disziplinarmaßnahme die Schwere des Dienstvergehens. Sie beurteilt sich zum einen nach der Eigenart und Bedeutung der verletzten Dienstpflichten, Dauer und Häufigkeit der Pflichtenverstöße und den Umständen der Tatbegehung (objektive Handlungsmerkmale) und zum anderen nach Form und Gewicht des Verschuldens und den Beweggründen des Beamten für sein pflichtwidriges Verhalten (subjektive Handlungsmerkmale) sowie nach den unmittelbaren Folgen der Pflichtenverstöße für den dienstlichen Betrieb und für Dritte (vgl. zum gleichlautenden § 13 BDG, BVerwG, Urt. v. 20.10.2005, 2 C 12.04; Urt. v. 03.05.2007, 2 C 9.06; B. v. 10.09.2010, 2 B 97/09; VGH Baden-Württemberg, U. v. 16.09.2010, DL 16 S 579/10; alle juris).
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Erst bei Würdigung der Gesamtpersönlichkeit des Beamten lässt sich mit der gebotenen Sicherheit beurteilen, ob der Beamte aus disziplinarrechtlicher Sicht noch erziehbar erscheint oder ob hierfür eine bestimmte Disziplinarmaßnahme als notwendig, aber auch als ausreichend erscheint, oder ob der Beamte für die Allgemeinheit und den Dienstherrn untragbar geworden ist und deshalb seine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis geboten ist (VG Magdeburg, U. v. 04.11.2009, 8 A 19/08 m. w. N.; juris).
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Eine objektive und ausgewogene Zumessungsentscheidung setzt demnach voraus, dass die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme unter Berücksichtigung der belastenden und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten steht und gewisse Besonderheiten des Einzelfalls mildernd zu berücksichtigen sind (vgl. BVerfG, Beschl. v. 08.12.2004, 2 BvR 52/02; BVerwG, U. v. 14.02.2007, 1 D 12.05 mit Verweis auf Urteil vom 20.10.2005, 2 C 12.04; OVG Lüneburg, U. v. 20.11.2009, 6 LD 1/09; VGH Bad.-Württ., U. v. 16.09.2010, DL 16 S 579/10; VG Saarland, U. v. 17.09.2010, 7 K 238/09; alle juris).
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2.) Unter diesen rechtlichen Prüfungsvoraussetzungen teilt die Disziplinarkammer nach dem derzeitigen sich aus der Begründung der Suspendierung, dem Aktenmaterial und dem Vorbringen der Beteiligten ergebenden Sach- und Rechtsstand die Rechtsauffassung und die Prognoseentscheidung der Antragsgegnerin, dass mit der gebotenen Wahrscheinlichkeit davon auszugehen ist, dass der Antragsteller ein derart schweres Dienstvergehen begangen hat, welches dazu geführt hat, dass das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren ist.
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a.) Die Antragsgegnerin stützt ihre Entscheidung auf die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft A-Stadt vom 10.09.2012. Danach wird dem Antragsteller zur Last gelegt, am 22.08.2011 eine andere Person unter Ausnutzung einer Lage, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist, genötigt zu haben, sexuelle Handlungen an sich zu erdulden, wonach er eine strafbare Handlung der sexuellen Nötigung gemäß § 177 Abs. 1 StGB vorgenommen habe. Hierbei habe er die Stellung als Polizeibeamter zur Begehung der Tat gegenüber der Geschädigten ausgenutzt. Die Anklageschrift führt zum Tatvorwurf aus:
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„Der Angeschuldigte rief am 22.08.2011 um die Mittagszeit ohne dienstlichen Anlass die 16-jährige J. K. an und fragte, was diese heute noch mache.
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Als J. K. dem Angeschuldigten erklärt, sie müsse an diesem Tag noch ihre neuen Schulbücher in R. abholen, bot er ihr an, sie dorthin zu fahren. Gegen 14.00 Uhr rief der Angeschuldigte die Zeugin erneut an und vereinbarte einen Treffpunkt gegen 14.50 Uhr am Garagenkomplex in der Nähe des Kinderheimes H. 29 im Ortsteil B., welches die Zeugin bewohnt. Zur festgelegten Zeit bestieg die Zeugin den PKW Mitsubishi Outlander des Angeschuldigten, der mit der Zeugin nicht, wie von ihr gedacht, nach R. fuhr, sondern rechts der Mulde in Richtung S..
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Hinter dem Ortsteil R. bog der Angeschuldigte an einem leerstehenden Gebäude von der Landstraße ab und fuhr mit J. K. in den Wald an ein stehendes Gewässer, wo sich keine Personen aufhielten. Dort stellte der Angeschuldigte den Motor ab und fragte J., wie es ihr ginge, worauf die antwortete, dass sie aufgrund der Situation Angst habe. Daraufhin streichelte der Angeschuldigte die Geschädigte mit seiner rechten Hand über ihr linkes Knie bis zum Oberschenkel, worauf die Geschädigte seine Hand zurückschob. Die anschließende Frage des Angeschuldigten, ob J. K. etwas mit einem älteren Mann anfangen würde, verneinte diese und verschloss die Arme.
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Auf Aufforderung der Geschädigten startete der Angeschuldigte sein Fahrzeug und fuhr an R. vorbei in Richtung N., wo er erneut von der Landstraße abbog und sein Fahrzeug in einem menschenleeren Waldstück anhielt. Dort fragte der Angeschuldigte die Geschädigte, ob sie einen Freund habe und gut küssen könne. J. antwortete, dass ihre Freunde ihr bestätigt hätten, dass sie gut küssen könne, woraufhin der Angeschuldigte sie fragte, ob er es auch einmal testen dürfe. Gleichzeitig versuchte der Angeschuldigte, die Geschädigte an seinen Körper heranzuziehen, wobei er seinen rechten Arm um sie legte und mit seiner linken Hand an den linken Oberarm der Geschädigten fasste.
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Dennoch streichelte der Angeschuldigte die Zeugin mit seiner rechten Hand über ihre Bekleidung am Rücken, weshalb sie sich vorbeugte, um seiner Hand zu entgehen. Hierbei rutschte die Oberbekleidung der Geschädigten nach oben und der Angeschuldigte streichelte sie mehrere Minuten über den nackten Rücken vom Anfang ihres Büstenhalters bis zum Po.
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Da die Geschädigte nun sehr laut wurde und den Angeschuldigten aufforderte, dies zu unterlassen, ließ der Angeschuldigte von ihr ab und fuhr mit ihr zur Schule nach R..
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Dort schärfte der Angeschuldigte der Geschädigten ein, dass Niemand etwas von dem Geschehen erfahren dürfte, sonst würde beiden Beteiligten etwas passieren.
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Während der ganzen Zeit war die Geschädigte den Handlungen des Angeschuldigten schutzlos ausgesetzt, da sie das Fahrzeug nicht verlassen konnte und sich in einsamer Umgebung befand.“
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b.) Die dem Antragsteller vorgeworfene strafrechtlich relevante sexuelle Nötigung erfüllt den Tatbestand des Pflichtenverstoßes nach § 34 Satz 3 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG). Denn durch die Begehung einer Straftat wird der Beamte nicht der Achtung und dem Vertrauen gerecht, die sein Beruf erfordert.
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Die Disziplinarkammer teilt nicht die Rechtsauffassung des Antragstellers, wonach allein der Vorwurf einer sexuellen Nötigung gerade nicht geeignet sei, den Achtungs- und Vertrauensverlust hinsichtlich der Berufsgruppe der Polizeibeamten herbeizuführen. Zwar hat die disziplinarrechtliche Rechtsprechung hinsichtlich der disziplinarrechtlichen Bewertung des dem Beamten zur Last gelegten Strafdelikts der sexuellen Nötigung (§ 177 StGB)keine Regeleinstufung als sog. „Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen“ entwickelt. Die Variationsbreite, in der solche Dienstvergehen denkbar sind, ist zu groß, als dass sie einheitlichen Regeln unterliegen und in ihren Auswirkungen auf das Vertrauen gleichermaßen eingestuft werden können. Stets sind die besonderen Umstände des Einzelfalls maßgebend (VG Münster, Urteil v. 03.11.2010, 13 K 871/10.O; juris).
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Anhaltspunkte für die disziplinarrechtliche Bewertung geben Beispiele in der Disziplinarrechtsprechung:
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In einer Entscheidung des Wehrdienstsenates des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.07.2010 (2 WD 5.09; juris) wird ausgeführt, dass es der Rechtsprechung des Senates entspreche, dass beim sexuellen Missbrauch eines Kindes oder der sexuellen Nötigung eines Jugendlichen ein Soldat für die Bundeswehr im Grundsatz untragbar geworden ist (Verweis auf die Urteile vom 18.07.2001, 2 WD 51.00 und vom 29.01.1991, 2 WD 18.90; juris). Nur in minderschweren Fällen oder bei Vorliegen besonderer Milderungsgründe könne der Soldat im Dienstverhältnis verbleiben. Diese Gleichstellung der Deliktschwere des sexuellen Missbrauchs eines Kindes mit der sexuellen Nötigung eines Jugendlichen und der damit verbundene Grad der Vertrauensbeeinträchtigung wird mit dem Einfluss auf die sittliche Entwicklung eines jungen Menschen zur harmonischen Entwicklung zur Gesamtpersönlichkeit begründet. Dementsprechend hat der Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts in einem anderen Fall (Urteil vom 01.03.2007, 2 WD 4.06; juris) bei der zur Last gelegten (bloßen) sexuellen Belästigung (also nicht Straftatbestand der sexuellen Nötigung) durch einen vorgesetzten Soldaten auch wegen der Einstellung der strafrechtlichen Ermittlungen wegen sexueller Nötigung die Disziplinarmaßnahme der Kürzung der Dienstbezüge als geboten angesehen.
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Dem Urteil des VG Regensburg vom 09.12.2009 (RO 10 A DK 09.1074; juris) ist die Disziplinarmaßnahme der Zurückstufung zu entnehmen. Dort wurden dem Polizeibeamten mehrere sexuelle Pflichtverletzungen zur Last gelegt (Weitergabe von Informationen aus dem Polizeicomputer; Versendung einer Nacktaufnahme, Körperverletzung und sexuelle Nötigung einer Frau gegenüber). Der Beamte wurde zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt.
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Der VGH Baden Württemberg (U. v. 18.06.2001, D 17 S 2/01; juris) sprach einem im Ruhestand befindlichen Lehrer das Ruhegehalt ab, weil er sich zu Zeiten seines aktiven Dienstes der sexuellen Nötigung seiner minderjährigen Tochter schuldig gemacht hat. Auch dort wurde der Beamte zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt. Der VGH geht hier von der disziplinarrechtlichen Höchstmaßnahme aus.
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Das VG Karlsruhe führt in einem Urteil vom 07.12.2009 (DL 13 K 598/09; juris) im Fall einer vorläufigen Dienstenthebung aus, dass voraussichtlich eine Entfernung angebracht sei, weil der verbeamtete Lehrer Fotos von Schülern fertigte und ins Internet stellte. Zudem sprach er Schülerinnen direkt an um Fotoaufnahmen und Videoclips zu drehen. Infolgedessen kam es auch zu beleidigenden sexuellen Übergriffen. Auch dort ist entscheidend, dass es sich um einen Pädagogen handelte, der auf den Entwicklungs- und Reifeprozess seiner Schüler Einfluss nahm.
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Von der Höchstmaßnahme geht auch das Verwaltungsgericht Berlin in einer jüngeren Entscheidung vom 28.08.2012 (80 K 2.12 OL; juris) aus. Dort handelte es sich um einen Polizeibeamten, der mehrere Pflichtverletzungen begangen hat (unberechtigte Polizeiabfragen; Vergewaltigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung).
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c.) Auch wenn zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht hinreichend geklärt erscheint, ob es sich um ein innerdienstliches oder außerdienstliches Fehlverhalten handelt, steht jedenfalls fest, dass der Antragsteller die ihm zur Last gelegte Tat unter Ausnutzung seiner Stellung als Polizeibeamter verübt hat (vgl. zur Abgrenzung: BVerwG, Beschl. v. 20.11.2012, 2 B 56.12, Urteil v. 20.02.2011, 1 D 55.99; VG Regensburg, Urteil v. 15.10.2009, RN 10A DK 09.00797; alle juris). Denn das gesamte Tatgeschehen dürfte im unmittelbaren Zusammenhang mit der vorherigen Anzeigenerstattung durch die Geschädigte zu sehen sein. Denn nur aufgrund dieser unmittelbaren Amtsbezogenheit sind der Antragsteller und die Geschädigte miteinander bekannt geworden. Aufgrund des besonderen öffentlichen Ansehens und die notwendigerweise in die Person von Polizeibeamten gesetzte Vertrauenswürdigkeit sind derartige Sexualdelikte geeignet, zu einer Vertrauensbeeinträchtigung hinsichtlich des Berufsstandes der Polizeibeamten zu führen. Ein solches verfehltes dienstliches Verhalten eines Polizeibeamten ist im höchsten Maße für das öffentliche Ansehen der Berufsgruppe der Polizei schädigend. Polizeibeamte haben Straftaten zu verhindern, aufzuklären und nicht zu begehen.
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Aber auch ein strafbares außerdienstliches Verhalten angenommen, betont das Bundesverwaltungsgericht die Bedeutung der gesetzlichen Strafandrohung für die Maßnahmebemessung (vgl. nur Bundesverwaltungsgericht, U. v. 19.08.2010, 2 C 5.10 und 2 C 13.10, B. v. 21.12.2010, 2 B 29.10.; juris). Hat das Bundesverwaltungsgericht bei einem Strafrahmen von bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe bei Fehlen jeglichen Dienstbezuges allenfalls eine Disziplinarmaßnahme im unteren Bereich für angemessen erachtet, sieht es bei einem Strafrahmen von bis zu zwei Jahren die Zurückstufung als Orientierungsrahmen angesehen. Kommt jedoch ein Amtsbezug hinzu, so kann der Orientierungsrahmen schon bei einem Strafrahmen bis zu einem Jahr die Zurückstufung, bei einem Strafrahmen bis zu zwei Jahren, sogar die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis sein. Vorliegend beträgt der Strafrahmen nach § 177 Abs. 5 StGB auch in einem minderschweren Fall bis zu fünf Jahre. Dementsprechend wäre auch bei einem außerdienstlichen Verhalten der Ausspruch der Höchstmaßnahme nicht von der Hand zu weisen, weshalb ernstliche Zweifel an der vorläufigen Dienstenthebung nicht bestehen.
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d.) Das Disziplinargericht folgt auch nicht dem Antragsteller dahingehend, dass die von der Geschädigten und Zeugin erhobenen Vorwürfe gänzlich erfunden seien. Auch wenn diese Feststellung naturgemäß dem Strafverfahren und zunächst der Zulassung der Anklage obliegt, hat das Disziplinargericht zum augenblicklichen Zeitpunkt mit dem Antragsgegner keine vernünftigen Zweifel hinsichtlich der Ausführungen in der Anklageschrift. Der Antragsteller macht es sich zu leicht damit, indem er nur pauschal die Vorwürfe bestreitet. Die gerichtliche Aufforderung zur Erstellung der Antragsbegründung bis zum 12.12.2012 vorzunehmen, blieb unbeantwortet. Ein Abwarten auf die strafrechtliche Entscheidung und dort zunächst die Zulassung der Anklage widerspricht dem disziplinarrechtlichen Beschleunigungsgebot und der an § 61 DG LSA zu messenden Prüfungsdichte.
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Annotations
(1) Die für die Erhebung der Disziplinarklage zuständige Behörde kann einen Beamten gleichzeitig mit oder nach der Einleitung des Disziplinarverfahrens vorläufig des Dienstes entheben, wenn im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis oder auf Aberkennung des Ruhegehalts erkannt werden wird oder wenn bei einem Beamten auf Probe oder einem Beamten auf Widerruf voraussichtlich eine Entlassung nach § 5 Abs. 3 Satz 2 dieses Gesetzes in Verbindung mit § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder § 37 Abs. 1 Satz 1 des Bundesbeamtengesetzes erfolgen wird. Sie kann den Beamten außerdem vorläufig des Dienstes entheben, wenn durch sein Verbleiben im Dienst der Dienstbetrieb oder die Ermittlungen wesentlich beeinträchtigt würden und die vorläufige Dienstenthebung zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Disziplinarmaßnahme nicht außer Verhältnis steht.
(2) Die für die Erhebung der Disziplinarklage zuständige Behörde kann gleichzeitig mit oder nach der vorläufigen Dienstenthebung anordnen, dass dem Beamten bis zu 50 Prozent der monatlichen Dienst- oder Anwärterbezüge einbehalten werden, wenn im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis oder auf Aberkennung des Ruhegehalts erkannt werden wird. Das Gleiche gilt, wenn der Beamte im Beamtenverhältnis auf Probe oder auf Widerruf voraussichtlich nach § 5 Abs. 3 Satz 2 dieses Gesetzes in Verbindung mit § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder § 37 Abs. 1 Satz 1 des Bundesbeamtengesetzes entlassen werden wird.
(3) Die für die Erhebung der Disziplinarklage zuständige Behörde kann gleichzeitig mit oder nach der Einleitung des Disziplinarverfahrens anordnen, dass dem Ruhestandsbeamten bis zu 30 Prozent des Ruhegehalts einbehalten werden, wenn im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Aberkennung des Ruhegehalts erkannt werden wird.
(4) Die für die Erhebung der Disziplinarklage zuständige Behörde kann die vorläufige Dienstenthebung, die Einbehaltung von Dienst- oder Anwärterbezügen sowie die Einbehaltung von Ruhegehalt jederzeit ganz oder teilweise aufheben.
(1) Die Entscheidung über eine Disziplinarmaßnahme ergeht nach pflichtgemäßem Ermessen. Die Disziplinarmaßnahme ist nach der Schwere des Dienstvergehens zu bemessen. Das Persönlichkeitsbild des Beamten ist angemessen zu berücksichtigen. Ferner soll berücksichtigt werden, in welchem Umfang der Beamte das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit beeinträchtigt hat.
(2) Ein Beamter, der durch ein schweres Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren hat, ist aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen. Dem Ruhestandsbeamten wird das Ruhegehalt aberkannt, wenn er als noch im Dienst befindlicher Beamter aus dem Beamtenverhältnis hätte entfernt werden müssen.
(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.
(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wenn
- 1.
der Täter ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern, - 2.
der Täter ausnutzt, dass die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert, - 3.
der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt, - 4.
der Täter eine Lage ausnutzt, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht, oder - 5.
der Täter die Person zur Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel genötigt hat.
(3) Der Versuch ist strafbar.
(4) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn die Unfähigkeit, einen Willen zu bilden oder zu äußern, auf einer Krankheit oder Behinderung des Opfers beruht.
(5) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter
- 1.
gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet, - 2.
dem Opfer mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht oder - 3.
eine Lage ausnutzt, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist.
(6) In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn
- 1.
der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder - 2.
die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.
(7) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter
- 1.
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt, - 2.
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder - 3.
das Opfer in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.
(8) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter
- 1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet oder - 2.
das Opfer - a)
bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder - b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.
(9) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 4 und 5 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 7 und 8 ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.