Verwaltungsgericht Magdeburg Beschluss, 27. Apr. 2016 - 15 B 9/16

ECLI:ECLI:DE:VGMAGDE:2016:0427.15B9.16.0A
bei uns veröffentlicht am27.04.2016

Gründe

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Der am ...1984 geborene Beamte wendet sich gegen die unter dem 26.11.2015 bzw. 21.12.2015 verfügte vorläufige Dienstenthebung und teilweise Einbehaltung seiner Dienstbezüge.

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Seit dem 01.01.2009 war der Antragsteller zunächst als Teamleiter "Bauen" und ab dem 09.11.2009 als Teamleiter "Innere Verwaltung" bei der Stadt L… im Angestelltenverhältnis in Vollzeit beschäftigt. Ab dem 01.03.2010 wurde seine Arbeitszeit auf 30 Wochenstunden reduziert. Mit Ernennungsurkunde vom 28.04.2010 wurde er mit Wirkung zum 01.05.2010, zunächst unter Berufung in ein Beamtenverhältnis auf Probe, zum Stadtinspektor mit der Besoldungsgruppe A 9 ernannt. Mit Ernennungsurkunde vom 28.04.2011 wurde der Antragsteller mit Wirkung zum 01.05.2011 unter Berufung in ein Beamtenverhältnis auf Lebenszeit zum Stadtoberinspektor ernannt. Die wöchentliche Arbeitszeit von 30 Stunden wurde zunächst auch im Beamtenverhältnis beibehalten. Zum 01.10.2011 wurde die wöchentliche Arbeitszeit auf 35 Stunden, zum 01.04.2013 auf 40 Wochenstunden angehoben. Unter dem 23.12.2011 wurde er mit Wirkung zum 01.01.2012 zum Stadtamtmann (BesGr. A 11) und mit Urkunde vom 17.06.2013 mit Wirkung zum 01.07.2013 zum Stadtamtsrat (BesGr. A 12) ernannt. Seit dem 01.05.2013 besetzte er die Stelle des Verwaltungsleiters der Stadt L....

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Unter dem 25.08.2015 wurde gegen den Antragsteller ein Disziplinarverfahren eingeleitet und mit gleichem Datum ihm bekannt gegeben. Der Antragsgegner hatte diesbezüglich das Disziplinarverfahren gemäß § 76 Abs. 4 i. V. m. § 17 Abs. 1 Satz 2 Disziplinargesetz Sachsen-Anhalt (DG LSA) an sich gezogen. Der gesondert disziplinarisch verfolgte Bürgermeister der Stadt L... habe es als Dienstvorgesetzter, höherer Dienstvorgesetzter und oberste Dienstaufsichtsbehörde unterlassen, gemäß § 17 Abs. 1 DG LSA ein Disziplinarverfahren gegen den Antragsteller einzuleiten. Aus diesem Grunde habe bereits der Landkreis Saalekreis das Verfahren nach § 76 Abs. 2 Satz 1 DG LSA an sich gezogen. Der Antragsteller habe gegen seine beamtenrechtlichen Pflichten aus den §§ 33, 34 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG) verstoßen. Ihm werde zur Last gelegt, eine Nebentätigkeit als Geschäftsführer der E... GmbH nicht angezeigt und zudem gegen seine Abrechnungs- und Ablieferungspflicht der Einkünfte aus der Tätigkeit als Geschäftsführer verstoßen zu haben.

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In der streitbefangenen Suspendierungsverfügung vom 26.11.2015 führt der Antragsgegner aus, dass er zum Gegenstand der zu erhebenden Disziplinarklage die Vorgänge Nebentätigkeit, Ernennungen, Dienstwagennutzung und Urkundenfälschung machen werde. Gemäß dem Anstellungsvertrag bei der E... GmbH vom 18.02.2010 habe der Antragsteller eine Vergütung von jährlich 25.000,00 Euro erhalten. Aufgrund der Angestelltentätigkeit des Antragstellers vom 05.02.2010 bis 30.04.2010 werde dieser Zeitraum bei der Bewertung der Dienstpflichtverletzung außer Betracht gelassen. Während der anschließenden Zeit als Beamter sei er einer nach § 40 BeamtStG anzeigepflichtigen Nebentätigkeit nachgegangen, welche gemäß § 78 Landesbeamtengesetz Sachsen-Anhalt (LBG LSA) schriftlich anzuzeigen gewesen sei. Die Tätigkeit sei im Sinne von § 73 LBG LSA aufgenommen worden. Eine anzeigefreie Nebentätigkeit sei nicht gegeben. Selbst wenn die Nebentätigkeit bereits in der Zeit als Angestellter mit Wissen des Dienstherrn ausgeführt worden sei, hätte mit dem Wechsel in das Beamtenverhältnis eine erneute Anzeige erfolgen müsse.

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Nach § 122 Abs. 2 LBG LSA i. V. m. § 8 (nunmehr § 10) der Verordnung über die Nebentätigkeit der Beamten und Richter im Land Sachsen-Anhalt (Nebentätigkeitsverordnung - NVO LSA) sei der Antragsteller verpflichtet gewesen, unmittelbar nach Ablauf eines jeden Kalenderjahres seinem Dienstvorgesetzten eine Abrechnung über die ihm zugeflossenen Vergütungen vorzulegen, soweit diese die Beträge nach § 6 Abs. 1 Satz 1 (nunmehr § 9 Abs. 1 Satz 1) NVO LSA übersteigen. Im Zeitraum vom Februar bis Dezember 2010 habe der Antragsteller aus der Tätigkeit als Geschäftsführer 22.544,41 Euro brutto an Gehalt erhalten. Zusätzlich sei ihm im Dezember 2010 eine Tantieme in Höhe von 9.667,36 Euro brutto gezahlt worden. Die Gesamtsumme der im Jahr 2010 vereinnahmten Gelder aus der Tätigkeit als Geschäftsführer beliefe sich somit auf 32.211,77 Euro brutto. Im Jahre 2011 habe sich das gesamte Gehalt auf 24.999,96 Euro brutto belaufen. Im Jahre 2012 habe der Antragsteller neben dem Gehalt in Höhe von 24.999,96 Euro brutto, im März noch 36,00 Euro brutto Fahrtkostenerstattung, 2.800,00 Euro brutto für Privatfahrten, 682,50 Euro brutto für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeit und 409,50 Euro brutto für die PKW-Nutzung erhalten. Damit habe er im Jahr 2012 eine Vergütung in Höhe von insgesamt 28.927,96 Euro brutto erhalten. Mit viertem Änderungsvertrag zum Arbeitsvertrag vom 06.05.2013 sei sein Jahresgrundgehalt auf 20.000,00 Euro reduziert worden. Somit habe er gemäß der Gehaltsabrechnung im Jahr 2013 19.999,95 Euro brutto, im Februar eine Tantieme in Höhe von 4.262,33 Euro brutto, im November eine Abfindung in Höhe von 24.388,00 Euro brutto, 4.600,00 Euro brutto für Privatfahrten, 1.023,25 Euro brutto für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeit und 614,25 Euro brutto für die PKW-Nutzung erhalten. Dies ergebe im Jahr 2013 einen Gesamtbetrag in Höhe von 54.887,78 Euro brutto.

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Für die ab dem 01.05.2010 relevanten Zeiträume als Beamter sei das Nebentätigkeitsrecht vollumfänglich anzuwenden. Gemäß § 122 Abs. 2 LBG LSA i. V. m. § 6 Abs. 1 (nunmehr § 9 Abs. 1) NVO LSA habe ein Beamter Vergütungen für eine oder mehrere Nebenbeschäftigungen an seinen Dienstherrn im Hauptamt abzuliefern, sofern die Bruttobeträge des § 6 (nunmehr § 9) NVO LSA überschritten werden, wenn die Nebenbeschäftigung auf Verlangen, Vorschlag oder Veranlassung seines Dienstvorgesetzten ausgeübt werde. Der Antragsteller habe auf Veranlassung seines Dienstvorgesetzten die Geschäftsführertätigkeit ausgeübt. Maßgeblich seien hierbei die von ihm im Rahmen der ihm dienstlich übertragenen Aufgaben ausgehenden Initiativen und sein Wissen um das der GmbH übertragene Projekt "Solarpark". So habe er bereits im Vorfeld der GmbH-Gründung an den Überlegungen und Entwicklungen mitgewirkt, insbesondere eine Empfehlung an die Mitglieder des Hauptausschusses der Stadt L... zur Gründung der GmbH erarbeitet und abgegeben. Diese Tätigkeiten seien maßgeblich dafür gewesen, dass in seiner Person ein nach Auffassung der Stadt L... geeigneter Beschäftigter für die Übernahme der Aufgaben des Geschäftsführers zur Verfügung gestanden habe. Schließlich habe der Antragsteller dem Bürgermeister der Stadt L... die Bereitschaft zur Übernahme der Geschäftsführung mitgeteilt. Insgesamt betrachtet müsse daher davon ausgegangen werden, dass der Dienstvorgesetzte, der Bürgermeister der Stadt L..., die Übernahme der Tätigkeit als Geschäftsführer veranlasst habe. Dem stehe nicht entgegen, dass die Übernahme nicht ausschließlich im Interesse des Dienstherrn gelegen habe. Schließlich habe auch der Bürgermeister der Stadt L..., der gleichzeitig alleiniger Vertreter der Gesellschafterversammlung der GmbH gewesen sei, den Antragsteller zum Geschäftsführer der zu gründenden GmbH im Notarvertrag bestellt. Weiter habe der Antragsteller seine Tätigkeit als Geschäftsführer während der Dienstzeit des Hauptamtes in seiner Funktion als Verwaltungsleiter der Stadt L... durchgeführt. Gemäß § 77 LBG LSA dürfe eine Nebentätigkeit nur außerhalb der Dienstzeit ausgeübt werden, es sei denn, sie werde gerade auf Verlangen, Vorschlag oder Veranlassung übernommen bzw. ein dienstliches Interesse an der Nebentätigkeit bestehe. Demnach könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Antragsteller selbst den Vorschlag gemacht habe, ihn zum Geschäftsführer zu bestellen. Demnach liege ein Verstoß gegen das Verbot der Doppelalimentierung vor. Aufgrund der festgestellten Einnahmen sei der Freibetrag in Höhe von 4.300,00 Euro brutto in jedem Jahr der Geschäftsführertätigkeit weit überschritten worden, sodass eine Ablieferungspflicht bestanden habe. Damit habe der Antragsteller der Stadt L... einen finanziellen Schaden in Höhe von 117.949,50 Euro in den Jahren 2010 bis 2013 zugefügt. Weiter habe der Antragsteller an seinen frühzeitigen Ernennungen selbst aktiv mitgewirkt. Er habe der damals zuständigen Personalsachbearbeiterin das Antragsformular zur Feststellung der Laufbahnbefähigung sowie zur Zulassung einer Aufnahme an den Landespersonalausschuss inhaltlich vorbereitet.

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Schließlich habe er rechtswidrig ein Dienstkraftfahrzeug durch die Stadt L... erhalten. Der diesbezügliche Vertrag verstoße gegen § 11 Landesbesoldungsgesetz (LBesG LSA).

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Weiter stehe der Antragsteller im Verdacht, ein an den Bürgermeister der Stadt L... gerichtetes Schreiben, datiert auf den 31.07.2010, nachträglich und in betrügerischer Absicht gefertigt zu haben, was eine Urkundenfälschung darstelle.

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Insgesamt habe der Antragsteller ein schwerwiegendes innerdienstliches Dienstvergehen begangen. Aufgrund der Schwere des dienstpflichtwidrigen Verhaltens sei ein endgültiger Vertrauensverlust beim Dienstherrn und in der Öffentlichkeit entstanden, sodass im weiteren Verlauf des Disziplinarverfahrens und vom Disziplinargericht die Prognose angestellt werden könne, dass auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt werde.

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Die Einbehaltung von 50 % der Dienstbezüge sei nach den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Antragstellers ermessensfehlerfrei.

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Unter dem 21.12.2015 wurde die Verfügung vom 26.11.2015 insoweit abgeändert, als angeordnet wurde, dass ab dem 01.12.2015 monatliche Dienstbezüge des Antragstellers in Höhe von 600,- Euro einbehalten werden.

II.

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Der zulässige Antrag nach § 61 Abs. 2 DG LSA ist unbegründet.

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Nach § 38 Abs. 1 Satz 1 DG LSA kann die für die Erhebung der Disziplinarklage zu-ständige Behörde einen Beamten gleichzeitig mit oder nach der Einleitung des Disziplinarverfahrens vorläufig des Dienstes entheben, wenn im Disziplinarverfahren vor-aussichtlich auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt wird. Ferner kann die vorläufige Dienstenthebung ausgesprochen werden, wenn durch ein Verbleiben des Beamten im Dienst der Dienstbetrieb oder die Ermittlungen wesentlich beeinträchtigt würden und die vorläufige Dienstenthebung nicht unverhältnismäßig ist (§ 38 Abs. 1 Satz 2 DG LSA). Zudem kann sie nach § 38 Abs. 2 DG LSA mit oder nach der vorläufigen Dienstenthebung anordnen, dass dem Beamten bis zu 50 v. H. der monatlichen Dienstbezüge einbehalten werden, wenn im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt werden wird.

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Die vorläufige Dienstenthebung in der Gestalt des Bescheides vom 26.11.2015 stützt der Antragsgegner auf § 38 Abs. 1 Satz 1 DG LSA.

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Bei der Anordnung der Suspendierung handelt es sich nicht um eine Disziplinarmaß-nahme im Sinne des Maßnahmenkataloges, sondern um eine beamtenrechtliche Maß-nahme des Disziplinarrechts (Hummel/Köhler/Mayer, BDG, 5. Auflage 2012, § 38 Rz. 1). Ihre Berechtigung ergibt sich aus dem funktionalen Bedürfnis, noch vor der endgültigen Klärung des Vorliegens eines Dienstvergehens und der abschließenden Entscheidung über die angemessene Maßregelung des Beamten eine den Verwaltungsaufgaben und dem Dienstbetrieb dienende vorübergehende Sicherungsregel zu treffen.

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1.) Die nach § 61 Abs. 2 DG LSA vom Disziplinargericht vorzunehmende Prüfung ergibt, dass die vorläufige Dienstenthebung sowie die Einbehaltung der Dienstbezüge in der Gestalt der Anordnung vom 21.12.2015 nicht aufzuheben sind. Denn zur Überzeugung des Disziplinargerichts bestehen keine ernstlichen Zweifel an ihrer Rechtmäßigkeit.

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a.) Verfahrensfehler in behördlichen Disziplinarverfahren, welche auch auf die streitbefangene Suspendierungsverfügung durchschlagen würden, sind nicht ersichtlich. Wegen der prognostizierten Entfernung aus dem Beamtenverhältnis greift das Disziplinarmaßnahmeverbot nach § 15 DG LSA nicht.

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b.) Eine auf § 38 Abs. 1 Satz 1 DG LSA gestützte Verfügung über die vorläufige Dienstenthebung muss pflichtgemäßem Ermessen der Einleitungsbehörde entsprechen. Den Beamten auch nur vorläufig vom Dienst zu entheben, setzt voraus, dass ein Verbleiben des Beamten im Dienst schlechthin untragbar wäre. Dabei handelt es sich um die denkbar schwerste Sanktion für dienstliche Verfehlungen, welche nach der Rechtsprechung besondere Umstände voraussetzt. Für die konkrete Entscheidung im Einzelfall sind grundsätzlich das dienstliche Bedürfnis an der einstweiligen Fernhaltung des Beschuldigten vom Dienst und dessen Recht auf amtsentsprechende dienstliche Beschäftigung abzuwägen (vgl. dazu: Köhler/Ratz, BDO, 2. Aufl., § 91 Rz. 10: vgl. zum Ganzen: VG Magdeburg, Beschl. v. 10.02.2007 - 8 B 22/06 -; Beschl. v. 03.03.2010 - 8 B 21/09 -; zuletzt: Beschl. v. 31.03.2014 - 8 B 2/14 - und v. 26.08.2013 - 8 B 13/13 -; Beschl. v. 27.08.2014 - 8 B 13/14 -; OVG Niedersachsen, Beschl. v. 25.03.2013 - 19 ZD 4/13 -; alle juris).

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Nach § 61 Abs. 2 DG LSA ist die vorläufige Dienstenthebung dann aufzuheben, wenn ernstliche Zweifel an ihrer Rechtmäßigkeit bestehen. Ernstliche Zweifel sind schon dann anzunehmen, wenn im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts offen ist, ob die Anordnung nach § 38 Abs. 1 DG LSA rechtmäßig oder rechtswidrig ist (vgl. nur: BayVGH, Beschl. v. 11.04.2012 - 16b DC 11.985 -; OVG Niedersachsen, Beschl. v. 13.05.2005 - 3 ZD 1/05 -; alle juris). Neben der formellen Rechtmäßigkeit der Anordnung ist somit zu prüfen, ob die in der Anordnung liegende Prognose gerechtfertigt ist, der Beamte werde im Disziplinarverfahren voraussichtlich aus dem Dienst entfernt werden.

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Diese Prognose trägt nur dann, wenn nach dem Kenntnisstand eines Eilverfahrens die Möglichkeit des Ausspruchs der disziplinarrechtlichen Höchstmaßnahme überwiegend wahrscheinlich ist. Ist es dagegen zumindest ebenso wahrscheinlich, dass eine Entfer-nung des Beamten aus dem Beamtenverhältnis im Disziplinarverfahren nicht erfolgen wird, sind ernstliche Zweifel durch das Gericht zu bejahen (BVerwG, Beschl. v. 16.07.2009 - 2 AV 4.09 -; BayVGH, Beschl. v. 20.04.2011 - 16b DS 10.1120 -; SächsOVG, Beschl. v. 19.08.2010 - D 6 B115/10 - mit Verweis auf Beschl. v. 08.07.2010, - D 6 A116/10 -; alle juris; Müller, Grundzüge des Beamtendisziplinarrechts, § 38 Abs. 1 BDG, 2010, Rz. 370 m. w. N.; GKÖD, Disziplinarrecht des Bundes und der Länder, § 38 BDG, Rz. 51). Anders gewendet, es müssen hinreichend gewichtige Gründe dafür sprechen, dass die Entfernung aus dem Dienst im Ergebnis des - noch durchzuführenden - Disziplinarverfahrens nicht in Betracht kommt. Dies beinhaltet eine vom Gericht vorzunehmende summarische Prüfung des zurzeit bekannten Sachverhaltes und eine daran orientierte Wahrscheinlichkeitsprognose. Hinsichtlich des zur Last gelegten Dienstvergehens genügt die Feststellung, dass der Beamte dieses Dienstvergehen mit einem hinreichenden Grad an Wahrscheinlichkeit begangen hat; nicht erforderlich ist, dass das Dienstvergehen bereits in vollem Umfang nachgewiesen ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 29.09.1997 - 2 WDB 3.97 -; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 22.09.2009 - 83 DB 1.09 -; OVG des Saarlandes, Beschl. v. 17.06.2009 - 6 B 289/09 -; alle juris).

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Die Beurteilung im Verfahren nach § 61 DG LSA erfordert keine gesonderten Beweis-erhebungen, sondern ist in der Lage, in der sich das Disziplinarverfahren jeweils befindet, anhand der bis dahin zu Tage getretenen Tatsachen zu treffen. Für eine vorläufige Dienstenthebung können u. U. selbst durch Aktenvermerke untermauerte Erkenntnisse ausreichen (vgl. Müller a. a. O.). Dabei ist auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abzustellen (BVerwG, Beschl. v. 22.07.2002 - 2 WDB 1.02 -; OVG Berlin-Brandenburg; Beschl. v. 18.08.2005 - 80 SN 1.05 -; Bay VGH, Beschl. v. 11.04.2012 - 16b DCV 11.985 -; alle juris). Jedoch muss für die gerichtliche Überprüfung der vorläufigen Dienstenthebung maßgeblich auf die von dem Dienstherrn in dem Bescheid herangezogenen Gründe der Pflichtenverletzung abgestellt werden. Ähnlich wie bei der Bestimmtheit des Tatvorwurfs als inhaltliche Anforderung an die - spätere - Disziplinarklageschrift müssen die Sachverhalte, aus denen das Dienstvergehen hergeleitet wird, aus sich heraus verständlich und nachvollziehbar geschildert werden. Ort und Zeit der einzelnen Handlungen müssen möglichst genau angegeben, die Geschehensabläufe nachvollziehbar beschrieben werden (vgl. nur: BVerwG, Urteile v. 23.11.2006, 1 D 1.06, v. 25.01.2007, 2 A 3.05; Beschlüsse v. 13.03.2006, 1 D 3.06, v. 18.11.2008, 2 B 63.08 und v. 21.04.2010, 2 B 101.09; alle juris). Nur diese können durch das Disziplinargericht im Rahmen der Würdigung durch Akteninhalte und sonstige - evtl. auch später, im Laufe des Verfahrens nach § 61 DG LSA hinzutretende - Erkenntnisse untermauert werden, um so die Prognoseentscheidung, das heißt die Ausübung des ordnungsgemäßen Ermessens durch den Dienstherrn, zu überprüfen (VG Magdeburg, Beschl. v. 12.06.2012, 8 B 5/12, juris). Hingegen ist es dem Disziplinargericht verwehrt, anstelle der Disziplinarbehörde eine eigene Ermessenserwägung anzustellen (OVG Saarland, Beschl. v. 18.05.2011 - 6 B 211/11 -, juris).

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a. a.) Welche Disziplinarmaßnahme im Einzelfall erforderlich ist, richtet sich gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 und 3 DG LSA nach der Schwere des Dienstvergehens und des unter Berücksichtigung der Persönlichkeit des Beamten eingetretenen Umfangs der durch das Dienstvergehen herbeigeführten Vertrauensbeeinträchtigung. § 13 Abs. 2 DG LSA bestimmt, dass ein Beamter, der durch ein schweres Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren hat, aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen ist (Satz 1). Die Feststellung des verloren gegangenen Vertrauens ist verwaltungsgerichtlich voll inhaltlich nachprüfbar (Satz 2).

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Demnach ist maßgebendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der Disziplinar-maßnahme die Schwere des Dienstvergehens. Sie beurteilt sich zum einen nach der Eigenart und Bedeutung der verletzten Dienstpflichten, Dauer und Häufigkeit der Pflichtenverstöße und den Umständen der Tatbegehung (objektive Handlungsmerkmale) und zum anderen nach Form und Gewicht des Verschuldens und den Beweggründen des Beamten für sein pflichtwidriges Verhalten (subjektive Handlungsmerkmale) sowie nach den unmittelbaren Folgen der Pflichtenverstöße für den dienstlichen Betrieb und für Dritte (vgl. zum gleichlautenden § 13 BDG, BVerwG, Urt. v. 20.10.2005 - 2 C 12.04 -; Urt. v. 03.05.2007 - 2 C 9.06 -; Beschl. v. 10.09.2010 - 2 B 97/09 -; VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 16.09.2010 - DL 16 S 579/10 -; alle juris).

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Erst bei Würdigung der Gesamtpersönlichkeit des Beamten lässt sich mit der gebotenen Sicherheit beurteilen, ob der Beamte aus disziplinarrechtlicher Sicht noch erziehbar er-scheint oder ob hierfür eine bestimmte Disziplinarmaßnahme als notwendig, aber auch als ausreichend erscheint, oder ob der Beamte für die Allgemeinheit und den Dienstherrn untragbar geworden ist und deshalb seine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis geboten ist (vgl. VG Magdeburg, Urt. v. 04.11.2009 - 8 A 19/08 - m. w. N.; juris).

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Eine objektive und ausgewogene Zumessungsentscheidung setzt demnach voraus, dass die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme unter Berücksichtigung der belastenden und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten steht und gewisse Besonderheiten des Einzelfalls mildernd zu berücksichtigen sind (vgl. BVerfG, Beschl. v. 08.12.2004 - 2 BvR 52/02 -; BVerwG, Urt. v. 14.02.2007 - 1 D 12.05 - mit Verweis auf Urt. v. 20.10.2005 - 2 C 12.04 -; OVG Niedersachsen, Urt. v. 20.11.2009 - 6 LD 1/09 -; VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 16.09.2010 - DL 16 S 579/10 -; VG Saarland, Urt. v. 17.09.2010 - 7 K 238/09 -; alle juris).

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b. b.) Unter Zugrundelegung dieses Prüfungsmaßstabes geht das Disziplinargericht davon aus, dass bereits zum augenblicklichen entscheidungserheblichen Zeitpunkt davon ausgegangen werden kann, dass der Antragsteller ein schwerwiegendes innerdienstliches Dienstvergehen begangen hat, welches aufgrund der Schwere die Prognose rechtfertigt, dass im Anschluss an die disziplinarrechtlichen Ermittlungen und bei Erhebung der Disziplinarklage auf die Entfernung aus dem Dienst erkannt werden wird.

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Entgegen der Auffassung des Antragstellers waren die Vorschriften des beamtenrechtlichen Nebentätigkeitsrechts (Anzeigepflicht, Genehmigungspflicht, Abrechnungspflicht, Abführungspflicht) im Zeitpunkt der Begründung des Beamtenverhältnisses mit Wirkung zum 01.05.2010 auf den Antragsteller anwendbar. Die bis zum 30.11.2014 geltende Verordnung über die Nebentätigkeit der Beamten im Land Sachsen-Anhalt vom 02.03.1994 (Nebentätigkeitsverordnung - NVO LSA) beruhte auf der Ermächtigung des § 69 des Beamtengesetzes Sachsen-Anhalt vom 14.05.1991 (BG LSA, GVBl. LSA S. 81). Bereits dieses Gesetz beanspruchte in § 1 auch Geltung für die kommunalen Beamten. Eine ausdrückliche Regelung des personellen Geltungsbereiches in der Nebentätigkeitsverordnung war daher entbehrlich. Die Neuregelung der Nebentätigkeitsverordnung in der Verordnung über die Nebentätigkeit der Beamten und Richter im Land Sachsen-Anhalt (Nebentätigkeitsverordnung - NVO LSA - vom 25.11.2014 (GVBl. LSA S. 456) war erforderlich geworden, nachdem der Gesetzgeber im Landesrichtergesetz vom 28.01.2011 (LRiG, GVBl. LSA S. 30) das Nebentätigkeitsrecht der Richter und Staatsanwälte - anders als zuvor - strukturell und inhaltlich abweichend vom Nebentätigkeitsrecht der Beamten geregelt hat, so dass eine inhaltliche Anpassung der Nebentätigkeitsverordnung entsprechend der Verordnungsermächtigung in § 24 Abs. 2 LRiG erforderlich war. Es ist jedoch nicht ersichtlich, dass erstmals mit der Neufassung der Verordnung vom 25.11.2014 die kommunalen Beamten in den Geltungsbereich der Nebentätigkeitsverordnung einbezogen werden sollten.

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Der Antragsteller hat in dem ihm als streitgegenständlich vorgeworfenen Zeitraum als Beamter gegen die aus § 40 BeamtStG i. V. m. § 78 LBG LSA resultierende Pflicht zur schriftlichen Anzeige der Nebentätigkeit verstoßen. Durch die Geschäftsführertätigkeit in der E... GmbH hat er zweifellos eine Nebentätigkeit im Sinne des § 73 LBG LSA wahrgenommen. Diese Nebentätigkeit war auch anzeigepflichtig. Es handelte sich nicht um eine anzeigefreie Nebentätigkeit nach § 75 LBG LSA. Denn der Antragsteller war nicht zur Übernahme dieser Nebentätigkeit nach § 74 LBG LSA verpflichtet. Diesbezüglich fehlt es bereits an den nach § 74 Abs. 1 Satz 1 LBG LSA notwendigenschriftlichen Verlangen des Dienstvorgesetzten. Das schriftliche Verlangen i. S. d. § 74 Abs. 1 Satz 1 LBG LSA ist ein Verwaltungsakt i. S. d. § 35 VwVfG (vgl. Benne, LBG LSA, § 74 Rdnr. 2; Baßlsperger, BayBeamtenR, Art. 81 BayBG Rdnr. 20). Bei diesem Verlangen muss es sich um eine aus dem hierarchischen Verhältnis begründete dienstliche Anweisung handeln. Auf die schriftliche Bestellung des Antragstellers als Geschäftsführer im Notarvertrag zur Errichtung der E... GmbH vom 05.02.2010 kann daher nicht verwiesen werden.

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Der Antragsteller kann sich auch nicht erfolgreich darauf berufen, dass der Bürgermeister als Dienstvorgesetzter - unzweifelhaft - über die Ausübung der Nebentätigkeit in Kenntnis war, ja dies sogar wohl mit seinem Einverständnis erfolgte. Denn spätestens mit der Übernahme in das Beamtenverhältnis unterlag der Antragsteller als Beamter der notwendigen Anzeigepflicht. Mit der Anzeigepflicht bezüglich Nebentätigkeiten soll Erschwernissen für die Realisierung des hergebrachten Grundsatzes, dass sich der Beamte mit voller Hingabe seinem Beruf zu widmen hat, § 34 BeamtStG, vorgebeugt werden. Es geht also um die Pflicht des Beamten, sich ganz für den Dienstherrn einzusetzen und diesem, grundsätzlich auf Lebenszeit, die eigene Arbeitskraft voll zur Verfügung zu stellen - wenn auch im Allgemeinen nur nach Maßgabe der Arbeitszeitvorschriften. Das bedeutet insbesondere, dass das Interesse des Dienstherrn und der Allgemeinheit zum einen an einer vollwertigen, nicht durch anderweitigen Einsatz der Arbeitskraft beeinträchtigten Dienstleistung des Beamten und zum anderen an einer Amtsausübung in Unbefangenheit, ungeteilter Loyalität und unter Vermeidung bereits des Anscheins möglicher Interessen-

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oder Loyalitätskonflikte geschützt sind (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.06.2007 - 2 C 3.06 -, juris; BVerfG, Beschl. v. 01.09.2008 - 2 BvR 1872/07 -, juris). Diese beamtenrechtliche Rechten- und Pflichtenstellung unterscheidet sich grundlegend von einem arbeitsrechtlichen Dienstverhältnis zwischen Beschäftigten und Arbeitgeber im öffentlichen Dienst. Dies muss dem Antragsteller als auch für Personalangelegenheiten zuständigem Beamten, welcher ausweislich seiner Personalakte auch an Fortbildungen im Bereich des Beamten- und Besoldungsrechts teilgenommen hat, bekannt und bewusst gewesen sein. Auch bei der Anzeige von Nebentätigkeiten ist das Schrifterfordernis einzuhalten. Dies hat seinen guten Grund auch darin, dass z. B. bei einem Wechsel des Dienstvorgesetzten die entsprechenden Vorgänge und Anzeigen klar ersichtlich und bekannt sind (zum Aspekt der Transparenz bei der Anzeigepflicht von Nebentätigkeiten: BVerwG, Urt. v. 21.06.2007, a. a. O.). Gerade das vorliegende Verfahren zeigt deutlich, dass mit dem Schriftformerfordernis bei der Anzeige von Nebentätigkeiten eine zwischen Amtsträgern entgegen der Gesetzeslage vorgenommene möglicherweise kollusive Zusammenarbeit zulasten der öffentlichen Kassen verhindert werden soll.

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Neben diesen Verstoß gegen die Pflicht zur Anzeige der Nebentätigkeit fällt weit schwerwiegender ins Gewicht, dass der Antragsteller gegen seine aus § 122 Abs. 2 LBG LSA i. V. m. § 8 (nunmehr § 10) NVO LSA resultierende Abrechnungspflicht verstoßen hat. Danach hat der Beamte nach Ablauf eines jeden Kalenderjahres seinem Dienstvorgesetzten eine Abrechnung über die ihm zugeflossenen Vergütungen im Sinne des § 6 (nunmehr § 9) NVO LSA vorzulegen, wenn diese die Beträge nach § 6 Abs. 1 Satz 1 (§ 9 Abs. 1 Satz 1) NVO LSA übersteigen. Für Beamte in den Besoldungsgruppen A 9 bis A 12 beträgt der Freibetrag 4.300,00 Euro brutto für ein Kalenderjahr. Nach den oben dargestellten Einkünften hat der Antragsteller diesen Freibetrag bei weitem überschritten.

32

Daraus resultiert zugleich ein Verstoß gegen die Ablieferungspflicht. Gemäß § 122 Abs. 2 LBG LSA i. V. m. § 6 Abs. 1 (nunmehr § 9 Abs. 1) NVO LSA hat ein Beamter Vergütung für eine oder mehrere Nebenbeschäftigungen an seinen Dienstherrn im Hauptamt abzuliefern, sofern die Bruttobeträge des § 6 (§ 9) NVO LSA überschritten sind, wenn die Nebenbeschäftigung auf Verlangen, Vorschlag oder Veranlassung seines Dienstvorgesetzten ausgeübt wird. Der Antragsteller unterlag der Ablieferungspflicht nach diesen Vorschriften. Ablieferungspflichten von Nebentätigkeitsvergütungen sollen sowohl eine Überalimentierung - vor allem - aus öffentlichen Kassen verhindern helfen als auch Anreize mindern, Nebentätigkeiten in größerem Umfang aus wirtschaftlichen Interessen zu übernehmen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 20.12.2011 - 2 B 49.11 -, juris). Mit der Regelung der Ablieferungspflicht von Vergütungen für im öffentlichen oder diesem gleichstehenden Dienst ausgeübte Nebentätigkeiten in § 9 NVO LSA (vormals § 6 NVO LSA) ist der Gesichtspunkt der Überalimentierung aus öffentlichen Kassen vollständig abgedeckt. Die Bestimmung in § 9 NVO LSA (vormals § 6 NVO LSA) erfasst die Ablieferung der Vergütung bei der Verpflichtung des Beamten durch den Dienstherrn zur Übernahme der Nebentätigkeit ("auf Verlangen") und auch bei entsprechenden Anregungen des Dienstherrn (auf "Vorschlag oder Veranlassung"; vgl. VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 26.10.2010 - 4 S 471/10 -, juris). Unter "Vorschlag" im Sinne der Nebentätigkeitsvorschriften ist dabei eine Anregung des Dienstvorgesetzten zu verstehen, die völlig unverbindlich ist und dem Beamten die uneingeschränkte Entscheidungsfreiheit überlässt, ob der die Tätigkeit übernehmen will oder nicht. Der typische Fall der "Veranlassung" durch den Dienstvorgesetzten ist darin zu erblicken, dass der Dienstvorgesetzte dem Beamten rät, ihn auf- oder ermuntert bzw. bittet, die Nebentätigkeit im dienstlichen Interesse zu übernehmen, ohne dass er ihn förmlich anweisen will. Auch in diesem Fall liegt im Gegensatz zum "Verlangen" die Übernahme der Nebentätigkeit letztlich in der freien Entscheidung des Beamten, obwohl der Dienstherr den Beamten aufgrund einer vorhergehenden Willensäußerung "bestimmt", auf dessen Entschließung also einen nachhaltigen Einfluss ausgeübt hat (vgl. HessVGH, Urt. v. 21.02.1979 - I OE 14/76 -, ESVGH 29, 180, 182 zur Übernahme des Amtes eines Geschäftsführers in einer im öffentlichen Eigentum stehenden GmbH). Dabei wird auch das Verlangen der Übernahme einer im öffentlichen Interesse liegenden Aufgabe einer privatrechtlichen Einrichtung als möglich angesehen. Die strikte Bindung an das öffentliche Interesse ergibt sich daraus, dass es dem Dienstherrn nicht erlaubt ist, einen Beamten - in welcher Form auch immer - zur Übernahme einer Nebentätigkeit anzuhalten, die nicht im öffentlichen Interesse steht. In den in § 9 Abs. 1 NVO LSA (vormals § 6 Abs. 1 NVO LSA) beschriebenen Fallkonstellationen hat der Dienstherr (jedenfalls) eine wesentliche (Mit-)Ursache für die Übernahme der Nebentätigkeit durch den Beamten geschaffen und diesem die damit verbundenen Erwerbschancen gleichsam erst ermöglicht. Dies vermag strenge Regeln zur Ablieferung von Vergütungen aus den entsprechenden Nebentätigkeiten zu rechtfertigen. Der Ablieferungspflicht kann auch nicht der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung mit der Begründung entgegengehalten werden, dass der Dienstvorgesetzte Kenntnis von allen maßgeblichen Umständen gehabt hätte und von einer Ablieferung (zunächst) abgesehen hatte. Es handelt sich bei der Ablieferungspflicht nach § 9 NVO LSA (vormals § 6 NVO LSA) um zwingendes Recht, sodass seitens des Dienstherrn hierauf nicht verzichtet werden kann (vgl. BVerwG, Beschl. v. 20.12.2011, a. a. O.). Auf die Kenntnis des Dienstvorgesetzten von den maßgeblichen Umständen kommt es insoweit nicht an.

33

Vorliegend ist davon auszugehen, dass der Antragsteller seine Geschäftsführertätigkeit auf Veranlassung seines Dienstvorgesetzten im vorgenannten Sinne, dem Bürgermeister der Stadt L..., ausgeübt hat. Der Antragsteller hat bereits im Vorfeld der Errichtung der E... GmbH an den Überlegungen und Planungen mitgewirkt, insbesondere eine Empfehlung an die Mitglieder des Hauptausschusses der Stadt L... zur Gründung der GmbH erarbeitet und unterbreitet. Demnach war er nach Meinung des Bürgermeisters der Stadt L... ein geeigneter Bediensteter für die Übernahme der Aufgaben des Geschäftsführers. Insgesamt gesehen hat der Bürgermeister die Übernahme der Tätigkeit als Geschäftsführer durch den Antragsteller veranlasst, in dem er die durch ihn bereits im Vorfeld zugelassenen Aktivitäten mit dem Unternehmen maßgeblich in Verbindung gebracht hat. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Übernahme der Tätigkeit als Geschäftsführer nicht ausschließlich im Interesse des Dienstherrn, sondern auch im beruflichen und möglicherweise auch materiellen Interesse des Antragstellers lag. Dass er nach Darstellung des Bürgermeisters "angeregt" habe (Beiakte K, Bl. 136), ihn als Geschäftsführer zu bestellen, kann dabei allerdings nur im Sinne einer Invitation ad offerendum verstanden werden. Anhaltspunkte dafür, dass der Bürgermeister der Stadt L... bei seiner Entscheidung, wen er als Geschäftsführer der GmbH auswählt und bestellt, in seiner Willensbildungsfreiheit durch das "Angebot" des Antragstellers so eingeschränkt war, dass nicht mehr von einem "Vorschlag" oder "Veranlassen" des Dienstvorgesetzten im vorgenannten Sinne gesprochen werden kann, sind aus dem Akteninhalt nicht ersichtlich. Die maßgebliche Handlung im Sinne einer "Veranlassung" gemäß § 9 NVO LSA (vormals § 6 NVO LSA) ging bei der Bestellung des Geschäftsführers der GmbH damit jedenfalls von dem Dienstvorgesetzten des Antragstellers aus. Schließlich spricht auch die Bestellung des Antragstellers in der notariellen Beurkundung der Errichtung der GmbH durch den Bürgermeister der Stadt L... als Vertreters des Alleingesellschafters der GmbH ( Stadt L...) für die Veranlassung der Übernahme der Nebentätigkeit durch den Antragsteller. Ferner hat der Antragsteller seine Tätigkeit als Geschäftsführer überwiegend von seinem Dienstort (dem Rathaus der Stadt L..., welches auch Sitz der E…GmbH war) und wiederholt auch während seiner Dienstzeit ausgeübt.

34

Nach Abzug der Freibeträge i. H. v. jährlich 4.300,00 Euro brutto sind dem Antragsteller somit in den Jahren 2010 bis 2013 Beträge i. H. v. 117.949,50 Euro zugeflossen, welche er an die Stadt L... hätte abführen müssen. Der diesbezüglich der Stadt L... potentiell entstandene finanzielle Schaden ist schwerwiegend und liegt weit oberhalb von Bagatellgrenzen.

35

Aufgrund der Höhe der somit erzielten Nebeneinkünfte wäre der Antragsteller im Fortgang des Disziplinarverfahrens wahrscheinlich auch dann mit der Höchstmaßname zu belegen, wenn die Aufnahme der Nebentätigkeit – wie von ihm behauptet - durch ihn allein veranlasst gewesen wäre. Für die Ahndung nicht angezeigter Nebentätigkeiten bzw. Verstößen gegen die Abführungspflicht steht wegen der Vielfalt der möglichen Pflichtverstöße grundsätzlich der gesamte disziplinarrechtliche Maßnahmenkatalog zur Verfügung (vgl. BVerwG, Beschl. v. 17.07.2013 - 2 B 27.12 -, juris; OVG LSA, Urt. v. 05.06.2012 – 10 L 2/12 -, juris). Es kommt auf Dauer, Häufigkeit und Umfang der Nebentätigkeiten an. Weiterhin muss berücksichtigt werden, ob der Ausübung der Nebentätigkeiten gesetzliche Versagungsgründe entgegenstehen, d.h. die Betätigungen auch materiell rechtswidrig sind und ob sich das Verhalten des Beamten nachteilig auf die Erfüllung seiner dienstlichen Aufgaben ausgewirkt hat. In den Fällen, in denen ein Beamter durch ein Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren hat, sieht das Disziplinarrecht aber zwingend die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis bzw. die Aberkennung des Ruhegehalts vor (vgl. BVerwG, Beschl. v.17.07.2013, a. a. O.).

36

Im vorliegenden Fall ist nach derzeitigem Stand von einem solchen endgültigen Vertrauensverlust auszugehen. Neben den oben dargestellten gravierenden Verstößen gegen die Abrechnungs- und Ablieferungspflicht hat der Antragsteller zudem alles getan, um sich ein zweites berufliches Standbein aufzubauen. Denn unzweifelhaft handelte es sich bei der Geschäftsführertätigkeit nicht um eine bloße hobbymäßige Betätigung, sondern um eine mit Gewinnerzielung beabsichtigte und gewollte berufliche Tätigkeit als sogenanntes zweites Standbein (vgl. zur Abgrenzung von Nebentätigkeit und Hobby: zuletzt VG Magdeburg, Beschluss v. 31.03.2014 - 8 B 2/14 - juris). Damit hat der Antragsteller zugleich gegen seine allgemeine beamtenrechtliche Pflicht verstoßen, sich mit voller Hingabe seinem Beruf zu widmen. In einer solchen zweitberuflichen Tätigkeit kann die Beeinträchtigung der grundsätzlich im Rahmen des Dienst- und Treueverhältnisses dem Dienstherrn zustehenden Arbeitskraft eines Beamten liegen, weshalb dem Dienstherrn die Prüfung vorbehalten bleibt, ob die konkrete Tätigkeit Auswirkungen auf die Dienstleistung haben kann sowie, ob eine Ansehensschädigung des Beamtentums insgesamt zu befürchten ist (vgl. VG Münster, Urt. v. 20.10.2011 - 13 K 2137/09.O -, juris). Der Sinn der Anzeige- bzw. Genehmigungspflicht der Nebentätigkeit liegt gerade darin, dass außerdienstliche Aktivitäten immer geeignet sein können, die dienstliche Leistungsfähigkeit zu beeinflussen (vgl. zusammenfassend: Hummel/Köhler/Mayer, BDG, 5. Aufl. 2012, S. 214 Rz. 7; S. 236 Rz. 2).

37

Zulasten des Antragstellers zu würdigen ist auch, dass der Antragsteller als Verwaltungsleiter und 1. stellvertretender Bürgermeister nach dem Kommunalverfassungsrecht des Landes Sachsen-Anhalt eine besondere Rechte- und Pflichtenstellung innehat. Der Hauptverwaltungsbeamte einer Kommune bzw. dessen Stellvertreter im Amt ist zur Wahrung der Rechtmäßigkeit nicht nur in den Bereichen verpflichtet, für die er originär zuständig ist, also bei der Erledigung der Geschäfte der laufenden Verwaltung, der ihm sonst durch Rechtsvorschrift oder vom Stadtrat übertragenen Aufgaben und der Weisungsaufgaben, sondern hat darüber hinaus auch über die Rechtmäßigkeit der Beschlüsse des Stadtrats zu wachen (§ 65 KVG LSA). Aus § 60 Abs. 1 KVG LSA ergibt sich, dass die strikte Beachtung der Gesetze wesentlicher Bestandteil der beamtenrechtlichen Kernpflicht des Bürgermeisters bzw. dessen Vertreters ist. Eine besondere Vorbildfunktion kommt dem Bürgermeister auch dadurch zu, dass er gemäß § 60 Abs. 2 KVG LSA die Gemeinde nach außen vertritt sowie nach § 66 Abs. 5 KVG LSA Vorgesetzter, Dienstvorgesetzter und oberste Dienstbehörde der Gemeindebediensteten ist. Angesichts dieser Pflichtenstellung eines Bürgermeisters bzw. dessen Stellvertreters im Amt erschüttert die Begehung wiederholter, sich über mehrere Jahre erstreckende, zumindest bedingt vorsätzlicher Pflichtverstöße im Kernbereich beamtenrechtlicher Pflichten das Vertrauen der Mitarbeiter, der Stadträte, der Öffentlichkeit und der Aufsichtsbehörden in erheblichem Maße.

38

2.) Die Berücksichtigung der weiteren in der streitbefangenen Suspendierungsverfügung vom 26.11.2015 aufgeführten Dienstverstöße bezüglich der Ernennungen, Dienstwagennutzung und Urkundenfälschung ist insoweit fraglich, als diese erst nach dem Erlass der streitbefangenen Verfügung mit Vermerken vom 11.12.2015 nach § 19 Abs. 1 DG LSA in das laufende Disziplinarverfahren eingeführt wurden und der Antragsteller darüber unter dem 11.12.2015 - also nach Erlass der hier streitbefangenen Suspendierungsverfügung vom 26.11.2015 - informiert wurde. Bezüglich des Vorwurfs ?Ernennungen? ist festzustellen, dass einem Beamten die Mitwirkung und Förderung in eigenen Personalangelegenheiten nicht vorwerfbar ist (vgl. OVG LSA, Beschluss v. 02.12.2010; 10 L 1/10; juris). Hinsichtlich des Tatvorwurfs "Urkundenfälschung" ist der Sachverhalt offensichtlich noch nicht abschließend ermittelt worden.

39

Insgesamt kommt es zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt des Gerichtes hinsichtlich der Prognoseentscheidung der späteren Disziplinarmaßnahme auf diese weiteren vorgehaltenen Dienstpflichtverletzungen nicht an. Denn zur Überzeugung des Disziplinargerichts sind - nach augenblicklichen Kenntnisstand - die Vorgänge um die Nebentätigkeit und der daraus resultierende potentiell hohe finanzielle Schaden für die öffentlichen Kassen als entscheidungserheblich für die Wahrscheinlichkeit des Ausspruchs der Höchstmaßnahme maßgeblich.

40

Milderungsgründe sind nicht ersichtlich. Von der disziplinaren Höchstmaßnahme muss zugunsten einer weniger strengen Disziplinarmaßnahme abgesehen werden, wenn ein in der Rechtsprechung anerkannter Milderungsgrund vorliegt. Diese erfassen typisierend Beweggründe oder Verhaltensweisen des Beamten, die regelmäßig Anlass für eine noch positive Persönlichkeitsprognose geben. Zum einen tragen sie existenziellen wirtschaftlichen Notlagen sowie körperlichen und psychischen Ausnahmesituationen - auch einer etwa verminderten Schuldfähigkeit - Rechnung, in denen ein an normalen Maßstäben orientiertes Verhalten nicht mehr erwartet werden kann. Zum anderen erfassen sie ein tätiges Abrücken von der Tat, insbesondere durch die freiwillige Wiedergutmachung des Schadens oder die Offenbarung des Fehlverhaltens jeweils vor drohender Entdeckung. Auch der Milderungsgrund der Geringwertigkeit kann dazu führen, dass im Hinblick darauf, dass durch das Dienstvergehen nur ein geringer Schaden entstanden ist, von der Höchstmaßnahme abgesehen werden muss.

41

Selbst wenn keiner der vorrangig zu prüfenden anerkannten Milderungsgründe vorliegt, können entlastende Umstände gegeben sein, deren Gewicht in ihrer Gesamtheit dem Gewicht der anerkannten Milderungsgründe vergleichbar ist. Entlastungsmomente können sich dabei aus allen denkbaren Umständen ergeben. Auch wenn keiner der anerkannten Milderungsgründe vorliegt, muss daher geprüft werden, ob Umstände vorliegen, die sich entweder von den anerkannten Milderungsgründen grundsätzlich unterscheiden oder ihnen zwar vergleichbar sind, aber ihr Gewicht nicht erreichen. Solche Umstände können das Absehen von der disziplinarischen Höchstmaßnahme rechtfertigen, wenn sie in ihrer Gesamtheit das Gewicht eines anerkannten Milderungsgrundes aufweisen. Zudem sind Entlastungsgründe nach dem Grundsatz "in dubio pro reo" bereits einzubeziehen, wenn hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für ihr Vorliegen sprechen (vgl. zum Vorgehenden: BVerwG, Urt. v. 23.02.2012 - 2 C 38.10 -, juris). Solche beachtlichen Milderungsgründe sind bislang weder vorgetragen noch sonst erkennbar.

42

3.) Wegen der prognostizierten Entfernung aus des Beamtenverhältnis erweist sich auch die Einbehaltung von Teilen der Dienstbezüge nach § 38 Abs. 2 DG LSA als rechtmäßig. Nachdem der Antragsteller erstmals mit seinem Antrag nach § 61 DG LSA vom 4. Dezember 2015 zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen vorgetragen hat, hat der Antragsgegner eine Prüfung der Höhe der Einbehaltung der Dienstbezüge vorgenommen und hat nunmehr unter dem 21.12.2015 anstelle der Einbehaltung der Dienstbezüge von 50 % einen Kürzungsbetrag von monatlich 600,- Euro ab dem 01.12.2015 angeordnet. Gegen diese Berechnung ist rechtlich nichts zu erinnern. Gegen die nunmehr angeordnete Höhe des Einbehaltungsbetrages werden zudem vom Antragsteller keine Einwände mehr erhoben.

43

4.) Die Kostenentscheidung beruht auf § 72 Abs. 4, 73 Abs. 1 DG LSA, 154 Abs. 1 VwGO.


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Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Allgemein

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Gründe

I.

1

Mit der angegriffenen Verfügung vom 13.08.2009 enthob der Antragsgegner den Antragsteller als Obersekretär im Justizvollzugsdienst gemäß § 38 Abs. 1 Disziplinargesetz Sachsen-Anhalt (DG LSA) vorläufig des Dienstes und behielt nach § 38 Abs. 2 DG LSA zugleich 30 v. H. seiner Dienstbezüge ein. Zur Begründung führte der Antragsgegner im Wesentlichen aus, dass der Antragsteller in vielfältiger Weise gegen die ihm obliegenden Dienstpflichten verstoßen und dadurch Dienstvergehen von erheblichem Gewicht begangen habe. Aus diesem Grunde sei mit Schriftsatz vom 01.04.2009 Disziplinarklage vor dem zuständigen Verwaltungsgericht Magdeburg mit dem Ziel erhoben worden, den Antragsteller aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen.

2

1.) Bezüglich der genauen und einzelnen Vorwürfe wurde auf die dem Bescheid beiliegende Kopie der Disziplinarklage vom 01.04.2009 (8 A 9/09 MD) verwiesen. Dort heißt es:

3

Der Antragsteller habe ein Dienstvergehen dadurch begangen, dass er sich wiederholt geweigert habe, Gefangenenwäsche anzunehmen (a.). Weiter stelle seine eigenmächtige Beendigung des „Aufenthalts der Gefangenen im Freien“ ein Dienstvergehen dar (b.) und schließlich sei er der Aufforderung zur Überprüfung seiner Dienstfähigkeit durch den Amtsarzt nicht nachgekommen (c.). Ebenso seien Dienstpflichtverletzungen durch das jahrelange und permanente und massive Stören des Betriebsfriedens zu verzeichnen (d.). Schließlich wird aus zahlreichen Unterlagen zitiert (e.).

4

a.) Der Antragsteller habe am 09.01.2006 durch E-Mail an den damaligen Sicherheitsdienstleiter der JVA A-Stadt mitgeteilt, dass der Antragsteller die von den Angehörigen mitgebrachte Wäsche der Gefangenen nicht mehr annehmen werde, es sei denn, die Wäsche werde in einem verschlossenen Paket abgegeben. Zur Begründung hatte der Antragsteller ausgeführt, dass Rauschgiftspürhunde, die regelmäßig zur Kontrolle von Weihnachtspaketen eingesetzt seien, in der Weihnachtszeit 2005 auch bei einem solchen Wäschepaket angeschlagen hätten. Demzufolge seien entweder die darin befindlichen Kleidungsstücke oder die bereitgestellten Kartons mit Rauschgift kontaminiert gewesen. Um sich nicht dem Verdacht auszusetzen, selbst mit Rauschgift zu handeln oder dieses in ein Paket mit eingepackt zu haben, sehe er sich zu der von ihm neu vorgeschlagenen Vorgehensweise veranlasst. Auch nach weiterer Belehrung durch die Anstaltsleitung habe der Antragsteller an seinem Vorhaben festgehalten. Den Angehörigen habe er ein selbstgefertigtes Merkblatt für Wäschepakete ausgehändigt und sie aufgefordert, die Wäsche nur in einem verschlossenen Paket abzugeben. In der Folgezeit habe der Antragsteller einen Strafgefangenen angewiesen, die zum Umpacken der Wäsche bereitgestellten Pakete sowie die anstaltseigene Holzkiste, die zum Transport dieser Pakete gedient habe, aus der Kfz-Schleuse in den Sperrmüllcontainer zu verbringen. Auch aufgrund weiterer Gespräche zwischen der Anstaltsleitung und dem Antragsteller habe dieser an seiner Vorgehensweise festgehalten. Seitens der Anstaltsleitung wird darauf hingewiesen, dass bereits aus Sicherheitsgründen die von den Angehörigen eingebrachten Wäschestücke kontrolliert werden müssten.

5

b.) Am 15.03.2006 habe der Antragsteller von dem Tourendienstleiter der JVA A-Stadt die Anweisung erhalten, ab 10.00 Uhr den „Aufenthalt im Freien“ der Gefangenen abzusichern. Der Antragsteller habe eigenmächtig seine Aufsichtstätigkeit beendet und sei in die Außenpforte zurückgekehrt. Die Gefangenen seien unbeaufsichtigt zurückgeblieben bis sie durch einen anderen diensthabenden Beamten zurückgebracht worden seien. Der Antragsteller habe sein Verhalten damit begründet, dass Gefangene grundsätzlich nur eine Stunde „Aufenthalt im Freien“ zustünden. Soweit der Aufenthalt länger als eine Stunde andauere, müsse nach Auffassung des Antragstellers ein anderer Bediensteter die Aufsicht weiterführen.

6

c.) Unter dem 13.07.2006 sei der Antragsteller zur Überprüfung der Dienstfähigkeit beim Gesundheitsamt A-Stadt zur amtsärztlichen Untersuchung einbestellt worden. Weitere Einbestellungen seien Anfang August 2006 erfolgt. Am 06.10.2007 habe der Antragsteller der Leitenden Amtsärztin vom Gesundheitsamt A-Stadt mitgeteilt, dass er in dieser Angelegenheit keine weiteren Untersuchungen mitmachen werde. Dies habe sodann auch der inzwischen beauftragte Rechtsanwalt des Antragstellers unter dem 05.11.2007 bestätigt. Es sei nicht erkennbar, warum Zweifel über die Dienstfähigkeit des Antragstellers bestünden. Sodann sei das beamtenrechtliche Zurruhesetzungsverfahren eingeleitet worden. Die diesbezügliche Klage des Beamten wird bei dem Verwaltungsgericht Magdeburg unter dem Aktenzeichen 5 A 430/09 MD geführt.

7

d.) Schließlich seien durch jahrelange permanente und massive Störungen des Betriebsfriedens Dienstpflichtverletzungen festzustellen. Diese Dienstpflichtverletzungen werden dezidiert aufgrund mehrerer Vorkommnisse beginnend aus dem Jahr 1996 bis 2006 beschrieben.

8

e.) Weiter wird aus einem Bericht des Anstaltspsychologen Dr. F. aus dem Jahre 1998 zitiert sowie das Gutachten des Gesundheits- und Veterinäramtes A-Stadt vom 01.07.2002 auszugsweise wiedergegeben. Das Gutachten führt aus, dass in den vom Antragsteller beigebrachten medizinischen Unterlagen aus den Jahren 1984 bis 2001 eine neurotische Fehlentwicklung beschrieben worden sei. Da der Antragsteller keine psychopathologischen Veränderungen aufgewiesen habe, sei von seiner vollständigen Dienstfähigkeit auszugehen. Die Gutachterin habe eine psychotherapeutische Behandlung empfohlen. Dieser Empfehlung sei der Antragsteller nachgekommen und habe sich ab dem 01.01.2002 in psychotherapeutischer Behandlung befunden. Aufgrund der vom Antragsteller der Gutachterin im Jahre 2002 übergebenden ärztlichen Befunde aus den früheren Jahren habe der Anstaltsleiter der JVA Halberstadt unter dem 25.09.2002 den Verdacht geschildert, dass der Beamte bei der amtsärztlichen Untersuchung für die Eignung für die Beamtenlaufbahn im JVD einen falschen Gesundheitszustand dargestellt habe und die früheren Behandlungen und Therapien nicht angegeben habe. Bei Kenntnis über die neurotische Fehlentwicklung wäre es nicht zu einer Einstellung in den Justizvollzugsdienst des Landes Sachsen-Anhalt gekommen. Die schon in der Probezeit aufgetretenen Auffälligkeiten des Beamten wären dann in einem anderen Licht zu sehen gewesen.

9

In der daraufhin (nur nach Aktenlage) erstellten gutachterlichen Stellungnahme zur beantragten Nachbegutachtung vom 16.01.2003 (Bl. 263 Beiakte R) teilte die Gutachterin des Gesundheits- und Veterinäramtes A-Stadt mit,

10

„… dass sich anhand der im Nachbegutachtungsantrag aufgeführten Fakten, wesentliche neue Aspekte gegenüber der Sachlage zum Zeitpunkt der Erstbegutachtung ergeben haben. Aufgrund der von zunehmend erweiterten Kenntnissen über die Persönlichkeit des Beamten und der erschwerten Differenzialdiagnostik bei komplizierten Persönlichkeitsstörungen wie sie bei dem Beamten vorliegen, wird eine fachärztliche psychiatrische Zusatzbegutachtung empfohlen, um überprüfen zu können, ob an der festgestellten Erstdiagnose weiterhin festgehalten werden kann.“

11

Aufgrund dieser Empfehlung habe sich der Dienstherr sodann zu einer weiteren Begutachtung des Antragstellers entschlossen, welcher vom Antragsteller jedoch nicht Folge geleistet worden sei.

12

2.) Insgesamt werde aus den dargestellten Vorfällen deutlich, dass der Antragsteller nicht willens und nicht in der Lage sei, sich in eine bestehende Hierarchie einzuordnen, sein Verhalten anzupassen und Weisungen entgegenzunehmen. Die Probleme bei der Dienstdurchführung und -auffassung bestünden bereits seit über 12 Jahren und hätten sich in den vergangenen Jahren stets verschärft. Die Dienstdurchführung des Antragstellers sei dadurch gekennzeichnet, dass er seiner Auffassung nach allein rechtmäßig zu handeln glaube. Dabei erweise er sich in der Rechtsanwendung als unflexibel, ignoriere Weisungen, weigere sich, Autoritäten anzuerkennen und sei teamunfähig.

13

Durch diese Verhaltensweisen werde der geordnete Dienstbetrieb erheblich gefährdet und der Betriebsfrieden der Haftanstalt empfindlich gestört. Der Beamte verkenne, dass ihm in vielen Vorschriften ein Ermessensspielraum eingeräumt werde, welcher von ihm zwingend auszufüllen sei. Sein unbelehrbares Beharren auf seiner Position und seine hartnäckigen Weigerungen, Anordnungen von Vorgesetzten auszuführen, seien daher nicht nur als permanente Gehorsamspflichtverletzungen nach § 55 BG LSA (a. F.) und § 35 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG) zu werten. Sie seien auch geeignet, den Betriebsfrieden in der JVA erheblich zu stören und den Antragsteller selbst sowie andere Bedienstete in Gefahr zu bringen.

14

Von Justizvollzugsbeamten sei die Fähigkeit zu fordern, im Rahmen des Ermessensspielraumes sensible und abgewogene Einzelfallentscheidungen zu treffen. Der Umgang mit dem Strafgefangenen erfordere ein sogenanntes „Fingerspitzengefühl“. Bereits aufgrund der Persönlichkeitsstruktur vieler Strafgefangener könne es bei unabgewogenen Einzelfallentscheidungen der Justizvollzugsbeamten zu einer Eskalation und Gewalt kommen. Das uneinsichtige Verhalten des Antragsstellers könne somit unter Umständen für alle Beteiligten lebensgefährlich werden. In den vergangenen Jahren habe seine beharrende und uneinsichtige Vorgehensweise in vielen Situationen zu Eskalationen geführt. Dies habe zur Folge, dass sich die überwiegende Anzahl der Kollegen weigere, mit dem Antragsteller zusammenzuarbeiten. In der Vergangenheit sei der Antragsteller insgesamt achtmal dienstrechtlich umgesetzt bzw. versetzt worden, ohne dass sich sein Verhalten geändert habe.

15

Aufgrund der dargelegten Pflichtenverstöße müsse davon ausgegangen werden, dass ein so schweres Dienstvergehen vorliege, dass das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit in eine beanstandungsfreie Dienstdurchführung durch den Antragsteller endgültig verloren sei. Die Schwere des Dienstvergehens rechtfertige bereits die Prognose, dass aufgrund der Disziplinarklage die Entfernung des Antragstellers aus dem Beamtenverhältnis ausgesprochen werde (§ 38 Abs. 1 Satz 1 DG LSA). In jedem Fall würde das Verbleiben des Antragstellers im Dienst den Dienstbetrieb wesentlich beeinträchtigen und die vorläufige Dienstenthebung stehe zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Disziplinarmaßnahme auch nicht außer Verhältnis (§ 38 Abs. 1 Satz 2 DG LSA).

16

Demnach sei auch die Einbehaltung der Dienstbezüge des Antragstellers in Höhe von 30 v. H. nach § 38 Abs. 2 DG LSA gerechtfertigt. Da der Antragsteller im Rahmen der Vorermittlungen keine weiteren Mitteilungen über seine finanziellen Belastungen abgegeben habe, sei die Kürzung ermessensfehlerfrei.

17

3.) Der Antragsteller widerspricht den behaupteten Dienstpflichtverletzungen und bezieht sich dazu ebenso auf seine Klageerwiderung vom 08.06.2009 zur Disziplinarklage. Demnach sei festzustellen, dass der Antragsgegner sich auf eine Vielzahl von Vorkommnissen beziehe, welche verwirkt oder verjährt seien. Es sei zu keiner „Abmahnung“ gekommen und der Antragsteller habe nicht damit rechnen müssen, dass ihm sein Verhalten vorgehalten werde. Es tritt sodann in seinen weiteren Ausführungen der Bewertung der Vorkommnisse aus den Jahren 1996 und folgend entgegen.

18

a.) Hinsichtlich der Vorkommnisse um die Annahme der Gefangenenwäsche führt er aus, dass er die Anstaltsleitung diesbezüglich ausdrücklich beraten habe, um die aus seiner Sicht zweckmäßige und rechtmäßige Maßnahme zu erläutern. Denn es sei nicht auszuschließen, dass in der Gefangenenwäsche gefährliche Substanzen und Gegenstände eingenäht seien, die geeignet seien, erhebliche Gefährdungen und Schäden in der Anstalt zu verursachen. Der Antragsteller habe sich demnach in einer Pflichtenkollision befunden. Denn es sei nicht auszuschließen, dass irgendwann gegen ihn ein derartiger Verdacht eines Betäubungsmittelvergehens oder der Beihilfe ausgesprochen werde. Jedenfalls habe der Beamte nicht schuldhaft gehandelt.

19

b.) Zu dem vorgehaltenen Dienstvergehen der eigenmächtigen Beendigung des Aufenthalts der Gefangenen im Freien führt er aus, dass er an diesem Tag bereits mehrere Stunden Gefangene im Freien beaufsichtigt habe und dringend die Toilette aufsuchen musste. Darüber habe er den Vorgesetzten informiert. Der Antragsteller habe nicht durch ein Zurücklassen der Gefangenen auf dem Freistundenhof die Sicherheit der Anstalt gefährdet. Der Antragsteller sei davon ausgegangen, dass ein anderer Bediensteter die Bewachung übernehme. Auch hier habe er sich in einer Pflichtenkollision befunden.

20

c.) Nachdem der Antragsteller bereits im Jahre 2002 fachpsychiatrisch durch Dr. S., untersucht worden sei und sich in der Folgezeit einer Psychotherapie unterzogen habe, sei kein Grund erkennbar, seine Dienstfähigkeit in Zweifel zu ziehen. In diesem Zusammenhang sei das grundrechtlich geschützte Persönlichkeitsrecht des Antragstellers zu bewerten.

21

Dem Antragsteller werde Ordnungsliebe, Ausdauer, ein gutes Gedächtnis und starke Genauigkeit bei der Anwendung von Vorschriften bescheinigt. Er wirke allgemein bedacht und überlegt mit einem Streben zur Perfektion und Genauigkeit. Bei dem Antragsteller seien keine psychologischen Veränderungen gegeben. In dem psychologischen Befund der Gemeinschaftspraxis der Diplompsychologin F. und S. vom 05.02.2003 sei ausgeführt, dass der Antragsteller therapiert worden sei.

22

Die disziplinarrechtlichen und strafrechtlichen Vorbelastungen des Antragstellers seien nicht mehr heranzuziehen. Schließlich könne die Maßnahme auch nach der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung keinen Bestand haben.

II.

23

Der Antragsteller ist disziplinarrechtlich vorbelastet. Mit Disziplinarverfügung vom 22.08.2002 wurde eine Geldbuße in Höhe von 200,00 Euro verhängt, da er ohne Genehmigung bzw. Einhaltung des Dienstweges wiederholt in den Jahren 2001/2002 umfangreiche Schreiben, die ausschließlich interne Angelegenheiten der JVA H., dienstliche Verhaltensweisen von Bediensteten, Angelegenheiten von Gefangenen und sonstige dienstliche Vorgänge zum Inhalt hatten, an Behörden und Institutionen weiterleitete. Mit Disziplinarverfügung vom 17.04.2003 wurde wegen eines erneuten Pflichtenverstoßes mit dem annähernd gleichen Inhalt wie zuvor eine Geldbuße in Höhe von 250,00 Euro ausgesprochen. Aufgrund des Urteils des Amtsgerichts Halberstadt vom 23.02.2005 ist der Antragsteller rechtskräftig wegen einer versuchten gefährlichen Körperverletzung ist Tateinheit mit versuchter Körperverletzung im Amt gegenüber einem Gefangenen zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen á 40,00 Euro verurteilt worden.

24

Die dienstlichen Beurteilungen und Befähigungsberichte des Antragstellers lauten bis einschließlich seiner Laufbahnprüfung im Jahre 1995 auf „befriedigend“; danach erreicht er in seinen dienstlichen Beurteilungen die Benotung „ausreichend“, „befriedigend“, „mangelhaft“ und wiederholt „ausreichend“.

25

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verfügung sowie die Disziplinarklage vom 01.04.2009, die dortige Klageerwiderung des Antragstellers vom 08.06.2009 und die umfassenden Verwaltungsvorgänge und Beiakten verwiesen. Diese Unteralgen waren Gegenstand der Entscheidungsfindung.

III.

26

Nach § 38 Abs. 1 Satz 1 DG LSA kann die für die Erhebung der Disziplinarklage zuständige Behörde einen Beamten gleichzeitig mit oder nach der Einleitung des Disziplinarverfahrens vorläufig des Dienstes entheben, wenn im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt wird. Ferner kann die vorläufige Dienstenthebung ausgesprochen werden, wenn durch ein Verbleiben des Beamten im Dienst der Dienstbetrieb oder die Ermittlungen wesentlich beeinträchtigt würden und die vorläufige Diensthebung nicht unverhältnismäßig ist (§ 38 Abs. 1 Satz 2 DG LSA). Der Antragsgegner stützt sich in der Verfügung auf beide Bestimmungen.

27

Die nach § 61 Abs. 2 DG LSA vom Disziplinargericht vorzunehmende Prüfung ergibt, dass – im Ergebnis - keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der vorläufigen Dienstenthebung bestehen. Soweit der Antragsgegner die vorläufige Dienstenthebung auf § 38 Abs. 1 Satz 1 DG LSA stützt und meint, der Antragsteller werde aufgrund der Disziplinarklage voraussichtlich aus dem Dienst entfernt, vermag das Gericht diese Prognose allerdings nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit zu teilen (1.). Jedoch und jedenfalls ist die vorläufige Dienstenthebung nach § 38 Abs. 1 Satz 2 DG gerechtfertigt (2.). Die teilweise Einbehaltung der Dienstbezüge ist hingegen aufzuheben (3.).

28

Die auf § 38 Abs. 1 DG LSA gestützte Verfügung über die vorläufige Dienstenthebung muss pflichtgemäßem Ermessen der Einleitungsbehörde entsprechen. Für die konkrete Entscheidung im Einzelfall sind das dienstliche Bedürfnis an der einstweiligen Fernhaltung des Beschuldigten vom Dienst und dessen Recht auf amtsentsprechende dienstliche Beschäftigung abzuwägen (vgl. dazu. Köhler/Ratz, BDO, 2. Aufl., § 91 Rdzf. 10). Ein dienstliches Bedürfnis für die (weitere) Fernhaltung eines Beamten vom Dienst ist etwa dann gegeben, wenn ihm ein schwerwiegendes (dienstliches oder außerdienstliches) Fehlverhalten vorgeworfen wird, welches geeignet ist, die Integrität der öffentlichen Verwaltung zu beeinträchtigen (vgl. zum Ganzen: VG Magdeburg, Beschl. v. 10.02.2007, 8 B 22/06).

29

Den Beamten auch nur vorläufig vom Dienst zu entheben setzt voraus, dass ein Verbleiben des Beamten im Dienst schlechthin untragbar wäre. Dabei handelt es sich um die denkbar schwerste Sanktion für dienstliche Verfehlungen, welche nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts besondere Umstände voraussetzt, wie etwa ein sehr schwerwiegendes kriminelles Verhalten des Beamten.

30

Ernstliche Zweifel im Sinne der gerichtlichen Prüfung nach § 61 Abs. 2 DG LSA sind etwa dann anzunehmen, wenn die Wahrscheinlichkeit, dass die Voraussetzungen der Anordnung nicht erfüllt sind, mindestens so groß ist wie die Wahrscheinlichkeit, dass die Voraussetzungen erfüllt sind (vgl. VG Münster, Beschl. v. 07.10.2009, 13 L 376/09.O mit Verweis auf OVG NRW, Beschl. v. 01.07.2005, 21 dA 896/05 und Gamsen, Disziplinarrecht in Bund und Ländern, September 2007, § 63 Rdzf. 9; juris).

31

Dies beinhaltet eine vom Gericht vorzunehmende summarische Prüfung des zurzeit bekannten Sachverhaltes und die darin orientierte Wahrscheinlichkeitsprognose. Insofern ist im Aussetzungsverfahren zu prüfen, ob nach der hier gebotenen und möglichen summarischen Beurteilung die Verhängung der Höchstmaßnahme überwiegend wahrscheinlich ist (vgl. BVerwG, Besch. v. 16.07.2009, 2 AV 4.09; juris). Hinsichtlich des zur Last gelegten Dienstvergehens genügt die Feststellung, dass der Beamte dieses Dienstvergehen mit einem hinreichenden Grad an Wahrscheinlichkeit begangen hat; nicht erforderlich ist, dass das Dienstvergehen bereits in vollem Umfang nachgewiesen ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 29.09.1997, 2 WDB 3.97; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 22.09.2009, 83 DB 1.09; OVG des Saarlandes, Beschl. v. 17.06.2009, 6 B 289/09; alle juris). Dabei ist auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abzustellen (BVerwG, Besch. v. 22.07.2002, 2 WDB 1.02; OVG Berlin-Brandenburg; Beschl. v. 18.08.2005, 80 SN 1.05; beide juris).

32

1.) Welche Disziplinarmaßnahme im Einzelfall erforderlich ist, richtet sich gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 und 3 DG LSA nach der Schwere des Dienstvergehens und der angemessenen Berücksichtigung der Persönlichkeit des Beamten und des Umfangs der durch das Dienstvergehen herbeigeführten Vertrauensbeeinträchtigung. Demnach ist maßgebendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der Disziplinarmaßnahme die Schwere des Dienstvergehens. Sie beurteilt sich zum einen nach der Eigenart und Bedeutung der verletzten Dienstpflichten, Dauer und Häufigkeit der Pflichtenverstöße und den Umständen der Tatbegehung (objektive Handlungsmerkmale) und zum anderen nach Form und Gewicht des Verschuldens und den Beweggründen des Beamten für sein pflichtwidriges Verhalten (subjektive Handlungsmerkmale) sowie nach den unmittelbaren Folgen der Pflichtenverstöße für den dienstlichen Betrieb und für Dritte (vgl. zu § 13 BDG, BVerwG, Urt. v. 20.04.2005, 2 C 12.04; Urt. v. 03.05.2007, 2 C 9.06; beide juris).

33

a.) Aufgrund der gegen den Antragsteller erhobenen Vielzahl und immer wiederkehrenden Vorwürfe drängt sich der Eindruck auf, dass er für die Aufgaben und das Amt eines Justizobersekretärs im Justizvollzugsdienst als nicht geeignet erscheint. Die einzelnen Vorkommnisse, die aus der Sicht des Antragsgegners die Pflichtenverstöße begründen, werden von dem Antragsteller im Einzelnen und in der Gesamtheit nicht substantiiert bestritten. Vielmehr zieht der Antragsteller daraus lediglich nicht die rechtlichen Schlüsse, wie sie vom Antragsgegner gezogen werden.

34

Wegen der hier insoweit vorliegenden Besonderheit stellt sich die Bedeutung und Tragweite des Verhaltens des Antragstellers und die diesbezügliche disziplinarrechtliche Ahndung als äußerst schwierig dar. Denn zum einen handelt es sich bei dem Antragsteller aufgrund der von ihm ganz offensichtlich an den Tag gelegten Verhaltensweisen und die diesbezügliche aus den dem Gericht vorliegenden in den Akten befindlichen medizinischen Unterlagen um eine Persönlichkeit, die aufgrund ihrer charakterlichen Eigenschaften nicht für die Tätigkeit in einer Justizvollzugsanstalt geeignet erscheint. Zum anderen kann und darf das Disziplinarverfahren nicht dazu genutzt werden, einen unliebsamen oder sonst wie im Umgang mit anderen Personen auffällig werdenden Beamten aus dem Dienst zu entfernen oder „kaltzustellen“. Insoweit reicht eine bloße Ungeeignetheit für die dienstlich wahrgenommene Position aufgrund der Verleihung des Beamtenstatus auf Lebenszeit nicht aus. Dass in der Vergangenheit ca. achtmal versucht wurde, eine anderweitige Verwendung des Beamten zu finden, ist dem Gericht bekannt. Soweit Verhaltensweisen gesundheitliche Ursachen haben, die die weitere Verwendung des Beamten im Beamtenverhältnis generell – also unabhängig vom Justizvollzugsdienst – nicht erlauben, ist er nach beamtenrechtlichen Vorschriften aus gesundheitlichen Gründen in den vorzeitigen Ruhestand zu versetzen. Das diesbezügliche gerichtliche Verfahren ist bei Gericht anhängig (5 A 430/09 MD). Von ganz erheblicher Bedeutung ist jedoch auch das Bestreben des Antragsgegners und der Haftanstalt aus den zweifellos verständlichen Sicherheitsaspekten heraus den Antragsteller nicht weiter in der oder einer Justizvollzugsanstalt zu beschäftigen.

35

b.) Zweifellos mögen die dem Antragsteller in der Disziplinarklage vorgeworfenen Dienstpflichtverletzungen hinsichtlich des Gehorsamsverstoßes den reibungslosen Betriebsablauf in der Haftanstalt stören und stellen eine Dienstpflichtverletzung hinsichtlich des Gehorsamsverstoßes nach § 55 BG LSA (a. F.), § 35 BeamtStG dar. Gerade in einer Justizvollzugsanstalt ist die Befolgung von Weisungen und Anordnungen als Grundlage für eine effektive Erfüllung der ihr zugewiesenen Aufgaben unerlässlich. Wäre die Befolgung dienstlicher Anordnungen in das Belieben des einzelnen Beamten gestellt, wäre die Aufgabenerfüllung ernsthaft gefährdet. Die Gehorsamspflicht gehört mithin zu den Kernpflichten eines Beamten. Ein Beamter, der ungerechtfertigt die ihm obliegenden Tätigkeiten nicht ausführt, begeht eine Pflichtwidrigkeit von erheblichem Gewicht (vgl. nur: BVerwG, Urteil v. 13.12.2000, 1 D 34.98; juris).

36

a. a.) Es erschließt sich dem Gericht bereits aus allgemeinen Erwägungen heraus, dass es nicht angehen kann, dass ein Justizvollzugsbeamter bezüglich von der Anstaltsleitung genau vorgegebenen Handlungsweisen im Umgang mit den Gefangenen abweicht und diesbezüglich andere, von dem Beamten selbst als wirkungsvollere Maßnahmen angesehene, Vorgehensweisen ergreift. Somit stellt der Umgang des Antragstellers mit der von den Angehörigen der Gefangenen übergebenen Wäsche zweifellos ein Dienstvergehen dar. Bezeichnend für das gesamte Persönlichkeitsbild des Beamten ist in diesen Zusammenhang, die Genauigkeit und Intensität sowie die Beharrlichkeit der Handlungsweise, womit er versucht seine eigenen „Dienstvorschriften“ durchzusetzen. So hat er sich mehrmals strikt geweigert, das vorgegebene Verfahren einzuhalten und hat die Angehörigen sogar mittels Übergabe eines von ihm gefertigten Merkblattes dazu angehalten, Pack- und Klebematerial aus einer nahegelegenen Postfiliale zu besorgen. Zudem hat der Beamte sein Verhalten gegenüber der Anstaltsleitung und anderen Kollegen trotz Belehrung durch diese verteidigt und nachhaltig untermauert. Er zeigt sich insoweit beratungs- und weisungsresistent. Es versteht sich ebenso von selbst, dass das Verhalten des Beamten nicht so weit gehen kann, dass er sogar diesbezüglich vorgesehene Einrichtungs- und Transportgegenstände in den Müll verbringen lässt.

37

b. b.) Hinsichtlich des weiteren in der Disziplinarklage aufgeführten Verhaltens des Beamten, nämlich die unbeaufsichtigte Zurücklassung der Gefangenen auf dem Hof, kann eine Bewertung des Sachverhalts nicht abschließend vorgenommen werden. Zwar mag es sein, dass der Antragteller dringend auf die Toilette musste. Jedoch ist von einem verantwortungsvollen Justizvollzugsbeamten in Ausübung seiner Pflicht selbstverständlich zu erwarten, dass er frühzeitig sich um eine entsprechend Ablösung kümmert. Die diesbezüglich näheren Umstände sind jedoch aus Sicht des Gerichts noch nicht hinreichend aufgeklärt. So trägt der Antragsteller vor, dass er von der Ablösung ausgegangen sei. Andererseits ist der Aussage des Beamten auch zu entnehmen, dass er grundsätzlich von einem Freigang der Gefangenen nur von genau einer Stunde ausgeht. Demnach gilt zu vermuten, dass der Beamte es zumindest billigend in Kauf genommen hat, den Toilettengang genau nach Ablauf einer Stunde vorzunehmen, wobei er sich dann wiederum im Recht bei der von ihm interpretierten Auslegung der Dienstvorschriften sieht.

38

c. c.) Schließlich stellt sich auch die Bewertung des in der Disziplinarklage aufgeführten Pflichtenverstoßes hinsichtlich der Nichtmitwirkung bei der erneuten amtsärztlichen Untersuchung, als schwierig dar. Bestehen Zweifel über die Dienst(un)fähigkeit des Beamten, so ist dieser gemäß § 42 Abs. 1 Satz 3 BG LSA (a. F.); § 45 LBG LSA, § 26 BeamtStG verpflichtet, sich nach Weisung der Behörde amtsärztlich untersuchen zu lassen. Diese Untersuchungspflicht besteht selbst dann, wenn der Beamte sich selbst für dienstfähig hält und seinen Dienst regelmäßig verrichtet (BVerwG, Urt. v. 23.10.1980, 2 A 4.78; OVG LSA, Beschl. v. 26.06.2007, 1 M 103/07, Beschl. v. 28.01.2009, 1 M 164/08 und Beschl. v. 09.06.2009, 10 L 1/09; VG Magdeburg, Urt. v. 03.02.2009, 8 A 9/08; alle juris). Demnach ist der Beamte zur Mitwirkung bei der Überprüfung seiner Dienst(un)fähigkeit verpflichtet. Der Beamte muss seinen Teil dazu beitragen, seinem Dienstvorgesetzten die Überprüfung zu vermitteln, dass er voll dienstfähig ist (ausdrücklich: BVerwG, Urt. v. 23.10.1980, 2 A 4.78; juris). Die Mitwirkungspflicht umfasst auch die Offenlegung der gesamten Krankengeschichte mit den dazugehörigen Unterlagen. Die Weisung des Dienstherrn an den Beamten, sich wegen bestehender Zweifel an seiner Dienstfähigkeit untersuchen zu lassen, ist gesetzlich ausdrücklich vorgesehen und nicht diskriminierend. Krankheit und Zweifel an der Dienstfähigkeit begründen objektiv keinen Makel, und zwar auch dann nicht, wenn es sich um eine psychische Erkrankung handelt (vgl. hierzu: BVerwG, Besch. v. 26.09.1988, 2 B 132.88; juris). Dabei ist eine Weisung, sich amtsärztlich untersuchen zu lassen, dann gerechtfertigt, wenn sich die Zweifel des Dienstherrn an der Dienstfähigkeit des Beamten auf konkrete Umstände stützen und „nicht aus der Luft gegriffen“ sind (BVerwG, a. a. O.). Die eine Untersuchungsanordnung tragenden Zweifel des Dienstherrn können sich hierbei auch aus einer Summe von Umständen ergeben, die – je für sich gesehen – noch keinen hinreichenden Anlass zu Zweifeln im Sinne von § 42 Abs. 1 Satz 3 BG LSA (a. F.) bieten (vgl. BVerwG, Besch. v. 28.05.1984, 2 B 205.82; juris). Art und Umfang einer amtsärztlichen Untersuchung sind dabei grundsätzlich der ärztlichen Entscheidung überlassen; das Ausmaß der ärztlichen Untersuchung muss indes durch den Anlass gerechtfertigt sein (VG Gelsenkirchen, Urt. v. 25.06.2008, 1 K 3679/07; VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 07.08.2008, 4 S 1068/08; beide juris). Nur wenn dies nicht auf der Hand liegt und auch für einen Arzt nicht ohne weiteres erkennbar ist, bedarf es zudem eines entsprechenden Hinweises auf den Anlass für die dienstärztliche Untersuchung an den untersuchenden Amtsarzt (vgl. BVerwG, Urt. v. 23.10.1990, a. a. O.; OVG LSA, Beschl. v. 26.06.2007 und v. 28.01.2009, a. a. O.; juris).

39

Demnach stellt es für den Beamten eine Dienstpflicht dar, bei erheblichen Zweifeln an seiner Dienstfähigkeit der Weisung der amtsärztlichen Untersuchung nachzukommen.

40

c.) Bei der (Gesamt-)Bewertung dieser Vorkommnisse in disziplinarrechtlicher Hinsicht ist davon auszugehen, dass es sich um ein einheitliches Dienstvergehen im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts handelt. Denn stets werden dem Beamten Weisungsverstöße vorgeworfen, welche Ausdruck seiner Persönlichkeit sind. Dementsprechend ist in dieser charakterlichen Grundeinstellung die („böse“) Wurzel des Dienstvergehens zu sehen (vgl. zur Einheitlichkeit des Dienstvergehens nur: BVerwG, U. v. 10.12.1991, 1 D 26.91 mit weiteren Nachweisen, U. v. 06.05.1992, 1 D 7.91 mit weiteren Nachweisen, U. v. 28.04.1981, 1 D 7.80, U. v. 14.11.2007, 1 D 6.06 , B. v. 29.07.2009, 2 B 15.09 und VG Ansbach, U. v. 20.07.2009, AN 6 b D 08.01820; ausführlich: VG Magdeburg, Urteil v. 04.11.2009, 8 A 19/08; alle juris).

41

a. a.) Derzeit ist aber zumindest offen, ob diese in der Disziplinarklage aufgeführten Vorkommnisse auch unter der Annahme dienstrechtlicher Pflichtenverstöße mit der hier anzuwendenden hohen Wahrscheinlichkeit zur Entfernung aus dem Dienst führen werden. Auch unter den eingangs beschriebenen Sicherheitsaspekten einer Haftanstalt erscheint es dem Gericht bislang unentschieden, ob die Schwelle der Erheblichkeit hinsichtlich der Aussprache der Höchstmaßnahme erreicht ist. Insoweit vermag es das Gericht nicht auszuschließen, dass die beschriebenen disziplinarrechtlichen Verfehlungen des Beamten disziplinarrechtlich (noch) mit anderen Maßnahmen unterhalb der Entfernung aus dem Dienst zu ahnden wären.

42

Dem kann nicht damit begegnet werden, dass der Antragsgegner in der Disziplinarklage weiter eine Pflichtverletzung durch „jahrelange permanente und massive Störung des Betriebsfriedens“ sieht und nachfolgend auszugsweise Vermerke und Berichte von diversen Vorgesetzten und Bediensteten beginnend aus dem Jahr 1996 aufführt. Ob durch die bloße Aufzählung der vielen – in der Tat erschreckenden – Vorkommnisse tatsächlich der Nachweis einer Dienstpflichtverletzung geführt werden kann, ist zweifelhaft. Denn es fehlt an der notwendigen Subsumtion unter den Pflichtentatbestand und der Auseinandersetzung mit den einzelnen Vorkommnissen und es ist mehr als zweifelhaft, ob diese lang zurückliegenden Vorkommnisse im Rahmen der nunmehr anhängigen Disziplinarklage noch herangezogen werden können. Denn insoweit könnten Verfahrensfehler und Milderungsgründe vorliegen (vgl. zu einem solchen Fall: OVG Lüneburg, Urteil vom 10.11.2009, 6 LD 1/09 m. w. Nachw.; juris).

43

Ausweislich der Unterlagen wurde unter dem 23.01.2006 ein Vorermittlungsverfahren nach § 26 DO LSA wegen der Vorkommnisse um die Wäscheannahme eingeleitet (Bl. 8 Beiakte A zu 8 A 9/09). Mit Ermittlungsbericht vom 10.04.2006 stellte die Ermittlungsführerin ein Dienstvergehen fest (Bl. 71 Beiakte A). Von der Ausdehnung der Ermittlungen auf den Vorfall vom 15.03.2006 wurde abgesehen. Soweit die Disziplinarklage auf Seite 3 zum Gang des Disziplinarverfahrens ausführt, dass der Antragsgegner sich entschieden habe, das Disziplinarverfahren auszusetzen, kann eine derartige aktenkundige Aussetzung nicht festgestellt werden. Nach § 16 Abs. 2 DO LSA konnte das Disziplinarverfahren ausgesetzt werden, wenn in einem anderen geordneten Verfahren über eine Frage zu entscheiden ist, deren Beurteilung für die Entscheidung in Disziplinarverfahren von wesentlicher Bedeutung ist. Ob diese Voraussetzungen aufgrund der vordringlich angedachten Überprüfung der beamtenrechtlichen Dienstfähigkeit gegeben sind (vgl. Blatt 10 Beiakte N), mag dahinstehen. Jedenfalls ist den Akten nicht die Entscheidung über die Aussetzung und die diesbezügliche Mitteilung gegenüber dem Beamten zu entnehmen. Dies wäre schon deswegen erforderlich gewesen, weil nach § 16 Abs. 4 DO LSA der Beamten gegen eine Aussetzung den Antrag auf gerichtliche Entscheidung darüber stellen konnte. Somit ist auch die Mitteilung des Antragsgegners vom 16.12.2008 (Bl. 95 Beiakte O) an den damaligen Bevollmächtigten des Antragstellers nicht zutreffend, dass das unterbrochene Disziplinarverfahren wieder aufgenommen und als förmliches Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Magdeburg weitergeführt wird. Das im Januar 2006 unter der DO LSA eingeleitete Disziplinarverfahren war nicht (förmlich) unterbrochen und wurde nach § 81 Abs. 3 und 4 DG LSA ab dem 01.07.2006 nach dem DG LSA fortgeführt. Welche Konsequenzen daraus aufgrund des disziplinarrechtlichen Beschleunigungsgebotes (§ 4 DG LSA) und des Maßnahmeverbotes nach § 15 DG LSA i. V. der Verjährung nach § 4 DO LSA zu ziehen sind, mag noch offen bleiben.

44

Ausweislich der Verfügung vom 16.12.2008 (Bl. 92 Beiakte O) und des Schreibens an den damaligen Bevollmächtigten des Beamten vom gleiche Tage sowie vom 13.02.2009 (Bl. 40 Beiakte M) kann wohl die Erweiterung (§ 19 DG LSA) und Unterrichtung (§ 20 DG LSA) bezüglich der Vorkommnisse zum „Freigang“, wegen der „Nichtbefolgung zur Vorstellung beim Arzt“ und auch wegen der „Störung des Betreibfriedens“ angenommen werden.

45

b. b.) Zudem – und dies ist ganz entscheidend – sind dem Antragsgegner die allein in der Persönlichkeit des Beamten begründeten Schwierigkeiten seit jeher bekannt. So kam es aufgrund des problematischen Umgangs mit dem Antragsteller bereits zu einer Verlängerung seiner Probezeit und schließlich führte das im Jahr 2002 erstellte amtsärztliche Gutachten zu dem Ergebnis, dass der Beamte dienstfähig ist. Der Antragsgegner stellte am 22.08.2002 (Bl. 248 Beiakte R) fest, dass „die Befähigung für die Laufbahn des allgemeinen mittleren Justizvollzugsdienstes in gesundheitlicher Hinsicht vorliegt“. Aus Sicht der psychiatrischen Begutachtung gebe es keine Einwände bezügliche einer Weiterbeschäftigung bei der Justizvollzugsanstalt in H. Der Bedienstete zeige keine psychopathologischen Veränderungen, die auf eine Dienstunfähigkeit hinweisen. Es wurde weiter verfügt, das anhängige – hier nicht einschlägige - Disziplinarverfahren vom 30.11.2001 fortzusetzen und zum Abschluss zu bringen. So ergibt sich aus einer Verfügung des Antragsgegners vom 26.03.2003 (Bl. 291 Beiakte R), dass bereits zur Hälfte der Probezeit erste Mängel in der Dienstdurchführung des Bediensteten bekannt geworden seien. So werde dem Bediensteten eine ungenügend ausgebildete Kompromissbereitschaft und insbesondere eine fehlende Teamfähigkeit bescheinigt. Ebenso habe der Beamte das erforderliche Fingerspitzengefühl im Umgang mit Gefangenen vermissen lassen. Aus Fürsorgegründen sei der Beamte in der Vergangenheit immer wieder an andere Justizvollzugsanstalten abgeordnet worden. Auch die Disziplinarklage enthält diesbezügliche Ausführungen.

46

Demnach ist festzustellen, dass dem Dienstherrn die wesentlichen charakterlichen und persönlichkeitsbedingten Wesensmerkmale des Beamten bereits während der Probezeit bekannt waren und sogar zu einer Verlängerung der Probezeit geführt haben. Dabei fällt die identische damalige Wortwahl mit derjenigen der Disziplinarverfügung auf. Dementsprechend ist dem Antragsgegner vorzuhalten, dass er sich nicht frühzeitig aufgrund der zu Tage tretenden Probleme im Umgang mit dem Beamten von diesem getrennt hat. Denn genau dazu dient die beamtenrechtliche Probezeit. Gänzlich neue oder andersartige Erkenntnisse über die persönlichkeitsbedingten Verhaltensweisen des Antragstellers nach seiner Ernennung als Beamter auf Lebenszeit sind den Akten nicht als hinreichende Erkenntnisgrundlage zu entnehmen. Stattdessen hat der Beamte seine Verhaltensweisen (nur) weiter „ausgelebt“.

47

Soweit der Anstaltsleiter der JVA H. mit Schreiben vom 25.09.2002 darauf hinweist, dass aufgrund der Übergabe von Unterlagen durch den Antragsteller an die Gutachterin bei dem Gesundheits- und Veterinäramt der Landeshauptstadt A-Stadt davon auszugehen sei, dass er bereits in den 80er Jahren psychologische Behandlungen und Therapien durchgeführt habe, welche er jedoch bei seiner Einstellung in den Justizvollzugsdienst nicht angegeben habe, sodass bei Kenntnis dieser Unterlagen eine Einstellung nicht vorgenommen worden wäre, vermag auch dies keinen hinreichenden Grund für eine disziplinarrechtliche Entfernung aus dem Dienst liefern. Zudem steht dem Anstaltsleiter mangels hinreichender fachlicher Kenntnisse eine derartige Einschätzung nicht zu. Soweit der Dienstherr von Falschangaben bei der Einstellung ausgeht, müsste ein entsprechendes Verfahren zur Rücknahme der beamtenrechtlichen Ernennung geprüft und eingeleitet werden.

48

Jedenfalls – und darauf legt das Gericht wert – ist vorliegend äußerst zweifelhaft, ob sich die charakterlichen und persönlichkeitsbedingten Verhaltensweisen des Antragstellers eben tatsächlich erst nach der Probezeit und damit der Prognose für die Bewährung als Beamter auf Lebenszeit , gezeigt haben. Die Aktenlage spricht vielmehr dafür, dass diese Probleme mit dem Beamten bereits frühzeitig und während der Probezeit eingetreten sind. Ob eine Veränderung, d. h. Verschlimmerung dieser persönlichkeitsbedingten Verhaltensweisen im Sinne einer Dienstunfähigkeit bei dem Beamten vorliegen, obliegt der Prüfung in dem beamtenrechtlichen Verfahren 5 A 430/09 MD.

49

2.) Aufgrund der vorstehenden detaillierten Ausführungen ist die Disziplinarkammer jedoch der Auffassung, dass die vorläufige Dienstenthebung nach § 38 Abs. 1 Satz 2 DG gerechtfertigt ist. Denn durch das Verbleiben des Antragstellers im Dienst ist der Dienstbetrieb in der Haftanstalt wesentlich beeinträchtigt und die vorläufige Dienstenthebung steht zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Disziplinarmaßnahme nicht außer Verhältnis. Dies hat der Antragsgegner ohne Rechtfehler erkannt und ausgeführt.

50

Der gesetzliche Zweck der Ermessensbefugnis in § 38 Abs. 1 Satz 2 DG LSA ergibt sich daraus, dass die vorläufige Dienstenthebung eines Beamten im Zusammenhang mit einem gegen ihn eingeleiteten Disziplinarverfahren dazu dient, einen Zustand, der endgültig erst aufgrund eines einen längeren Zeitraum beanspruchenden förmlichen Verfahrens geregelt wird, vorübergehend zu ordnen, um dadurch Nachteile und Gefahren - insbesondere für das gemeine Wohl - abzuwehren und zu verhindern, dass vollendete Tatsachen geschaffen werden, bevor die Entscheidung im gerichtlichen Disziplinarverfahren rechtskräftig getroffen und damit - im Falle einer Verurteilung - die Unschuldsvermutung (vgl. Art. 6 Abs. 2 EMRK und hierzu BVerwG, Urteil vom 12. Februar 2003, 2 WD 8.02; Beschluss vom 15. November 2006, 2 WDB 5.06; juris) widerlegt ist (BVerwG, Beschluss vom 07.12.2006, 2 WDB 3.06; Beschluss vom 16.07.2009, 2 AV 4.09; beide juris). Eine solche vorläufige Maßnahme, die in grundrechtlich geschützte Rechtspositionen des Beamten eingreift, bedarf aus verfassungsrechtlichen Gründen eines besonderen sie rechtfertigenden Grundes. Sie muss im Rahmen des gemeinen Wohls geboten sein und zudem - im Hinblick auf die Grenzen der gesetzlichen Ermächtigung - dem Verfassungsgebot der Verhältnismäßigkeit genügen (BVerwG, Beschluss vom 07. Dezember 2006, a. a. O.). Ein rechtfertigender besonderer Grund im dargelegten Sinne ist nur dann gegeben, wenn ohne die angegriffene Anordnung der Dienstbetrieb durch den von dem gerichtlichen Disziplinarverfahren Betroffenen empfindlich gestört oder in besonderem Maße gefährdet würde (BVerwG, Beschluss vom 07. Dezember 2006, a. a. O.). Bei der Beurteilung dessen, ob ohne die angegriffene Anordnung der Dienstbetrieb empfindlich gestört oder in besonderem Maße gefährdet würde, steht dem Antragsgegner innerhalb des dargelegten rechtlichen Rahmens ein Beurteilungsspielraum zu (vgl. zum Ganzen nur: Nieders. OVG, Beschluss vom 12.02.2008, 19 ZD 11/07 m. w. Nachw.; juris).

51

Hiervon ausgehend ist mehr als erkennbar, dass bei einem Verbleib des Antragstellers in seiner gegenwärtigen und auch in jeder anderen Verwendung innerhalb seiner Laufbahn im Justizvollzugdienst mit einer empfindlichen Störung oder in besonderem Maße mit einer Gefährdung des Dienstbetriebs zu rechnen ist. Dies ergibt sich schon daraus, dass auf Grund eines offenbar gegenseitig belasteten Verhältnisses zwischen dem Antragsteller sowie den Bediensteten in der Haftanstalt ein gedeihliches Miteinander nicht mehr möglich ist. Das Gericht ist der Überzeugung und schließt sich der Beurteilung des Antragsgegners an, dass eine erneute Aufnahme der Diensttätigkeit durch den Antragsteller zu untragbaren Zuständen in der Justizvollzugsanstalt führen würde. Denn die Art des Dienstvergehens gibt begründeten Anlass zu der Annahme, die tägliche Dienstverrichtung werde vom Antragsteller dazu benutzt, um die Unbegründetheit der Anschuldigungen zu belegen und seine Sicht der Dinge darzustellen. Demnach ist die vorläufige Dienstenthebung notwendig um das „Streitpotential“ aus dem Dienstbetrieb der Justizvollzugsanstalt fernzuhalten. Daher steht die vorläufige Dienstenthebung zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Disziplinarmaßnahme – wie immer die ausfallen wird – auch nicht außer Verhältnis.

52

3.) Wegen der vom Disziplinargericht nicht geteilten Prognoseentscheidung hinsichtlich der voraussichtlichen Entfernung aus dem Beamtenverhältnis, sind die tatbestandlichen Voraussetzungen der Einbehaltung der Dienstbezüge nach § 38 Abs. 2 DG LSA ebenso nicht gegeben. Diese ist aufzuheben.

53

4.) Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 72 Abs. 4 DG LSA i. V. m. § 155 Abs. 1 VwGO. Die Gerichtsgebührenfreiheit folgt aus § 73 Abs. 1 DG LSA.


Tenor

Die Beschwerde der Klägerin wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen trägt die Klägerin.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 450 400 € festgesetzt.

Gründe

I

1

Die Klägerin wendet sich gegen die in dem aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 18. April 2013 ergangenen Urteil des Verwaltungsgerichts erfolgte Nichtzulassung der Revision.

2

Das Verfahren betrifft das 9 008 qm große, nach Aktenlage unbebaute Flurstück ... der Flur ... im Gemeindegebiet der Klägerin, die dessen Eigentümerin und Verfügungsberechtigte ist. Das Grundstück gehörte zum historischen Gutsgelände ... der verstorbenen Brüder Albert und Max S., zu deren Rechtsnachfolgern die Beigeladenen gehören. Nach deren Tod schlossen ihre Erben am 13. Oktober 1933 mit dem Kaufmann G., einem NSDAP-Mitglied, einen notariell beurkundeten Parzellierungsvertrag. Dieser hatte u.a. zum Gegenstand, bis zum 31. Dezember 1938 die Flächen des Gutes - mit Ausnahme des Gutshofs selbst und der Villen "So." und "M." - aufzuteilen und die entstandenen Parzellen an Neusiedler zu verkaufen.

3

Der im Auftrag der Erben der Brüder S. im Dezember 1933 erstellte Teilsiedlungsplan für die Flächen des Gutes ...  wurde im Mai 1934 vom Regierungspräsidenten genehmigt. In dem im Anschluss daran mit der Klägerin (Stadt T.) vereinbarten Aufschließungsvertrag vom 16. Mai 1934 verpflichteten sich die Erben der Brüder S. nach dem Wortlaut des Vertragstextes u.a., 25% der Gesamtfläche für öffentliche Zwecke (Straßen, Plätze, Spiel- und Erholungsflächen sowie Grünanlagen) "unentgeltlich, schulden-, lasten- und kostenfrei" an die Stadt T. auf jederzeitiges Verlangen aufzulassen. In der Folgezeit wurden diejenigen Flurstücke, die nach dem Aufschließungsvertrag "unentgeltlich" an die Stadt T. übertragen werden sollten, nach erfolgter Auflassung im Grundbuch auf ein anderes Liegenschaftsblatt mit der Stadt T. als Eigentümerin umgeschrieben.

4

Mit Bescheid vom 29. März 1996, der alle zu diesem Zeitpunkt noch nicht beschiedenen Flächen des ehemaligen Gutes .   (einschließlich des streitgegenständlichen Grundstücks) betraf, lehnte die damals zuständige Behörde zunächst eine Rückübertragung an die (damaligen) Rechtsnachfolger der Erben der Brüder S. mit der Begründung ab, die an sich für einen verfolgungsbedingten Vermögensverlust streitende gesetzliche Vermutung des § 1 Abs. 6 Satz 2 VermG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 REAO sei nach Art. 3 Abs. 2 und 3 REAO widerlegt.

5

Nachdem das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 26. November 2003 - BVerwG 8 C 10.03 - (Teltow-Seehof III) (BVerwGE 119, 232 = Buchholz 428 § 1 Abs. 6 VermG Nr. 23) in einem Verfahren, das nach dem 15. September 1935 an Neusiedler verkaufte Bauparzellen betraf, einen verfolgungsbedingten Zwangsverkauf angenommen hatte, schlossen die Anmelder von Restitutionsansprüchen mit dem Beklagten (Bundesamt) unter dem 28. Juni 2005 vor dem Verwaltungsgericht Potsdam einen gerichtlichen Vergleich. Darin wurde die mit dem früheren Bescheid vom 29. März 1996 erfolgte Ablehnung der Rückübertragung aufgehoben; zugleich wurden die damit wieder unbeschiedenen Restitutionsansprüche flurstücksbezogen auf Rechtsnachfolger der Erben der Brüder S. aufgeteilt.

6

Mit dem hier streitgegenständlichen Bescheid vom 31. Mai 2006 übertrug sodann das Bundesamt u.a. das streitgegenständliche Grundstück auf die Beigeladenen. Dagegen hat die Klägerin (Stadt T.) am 5. Juli 2006 Klage erhoben.

7

Das Verwaltungsgericht hat mit dem angegriffenen, der Klägerin am 4. Oktober 2013 zugestellten Urteil vom 18. April 2013 - VG 1 K 1400/06 - die Klage abgewiesen. In der Begründung wird ausgeführt, dass die Erben der Brüder S. zu dem Kreis der Verfolgten des Naziregimes gehörten und dass mit der unentgeltlichen Abtretung der streitgegenständlichen Fläche durch die erst nach dem 14. September 1935 vollzogene Abtretung an die Klägerin eine ungerechtfertigte Entziehung im Sinne von § 1 Abs. 6 Satz 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 1 VermG zu sehen sei. Die sich aus § 1 Abs. 6 Satz 2 VermG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 REAO ergebende gesetzliche Vermutung der Verfolgungsbedingtheit der Entziehung sei nicht widerlegt. Diese Schlussfolgerung hat das Verwaltungsgericht auf eine Hauptbegründung sowie daneben selbstständig tragend auf eine Hilfsbegründung gestützt. In der Hauptbegründung ist das Verwaltungsgericht zu dem Ergebnis gelangt, "es sei schon nicht bewiesen, dass die Erben S. einen angemessenen Kaufpreis erhalten haben" (UA S. 10, erster Absatz). Deshalb sei die gesetzliche Vermutung nach § 1 Abs. 6 Satz 2 VermG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 REAO gemäß Art. 3 Abs. 2 REAO nicht widerlegt. Mit seiner subsidiären Hilfsbegründung hat das Verwaltungsgericht anschließend zum Ausdruck gebracht, auch dann, wenn die Erben S. einen angemessenen Kaufpreis für das entzogene Grundstück erhalten hätten ("Selbst wenn dies in einer Gesamtschau dennoch angemessen gewesen wäre .", UA S. 11, ab zweitem Absatz), sei eine Widerlegung der gesetzlichen Vermutung gemäß Art. 3 Abs. 3 REAO dahingehend nicht gelungen, "dass das konkrete, zum Vermögensverlust führende Rechtsgeschäft seinem wesentlichen Inhalt nach auch ohne Herrschaft der Nationalsozialisten geschlossen worden wäre" (UA S. 11, ebd.).

8

Mit ihrer Beschwerde macht die Klägerin - ebenso wie im Beschwerdeverfahren BVerwG 8 B 1.14 (VG 1 K 1396/06) - alle drei Zulassungsgründe nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 VwGO geltend.

9

Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Beschwerde.

10

Die Beigeladenen halten die Beschwerde für unbegründet und beantragen ebenfalls ihre Zurückweisung.

II

11

Die Beschwerde der Klägerin hat keinen Erfolg.

12

Die Revision wäre nur dann zuzulassen, wenn die Klägerin sowohl hinsichtlich der Hauptbegründung als auch hinsichtlich der Hilfsbegründung des angegriffenen Urteils einen Zulassungsgrund dargetan hätte. Das ist jedoch nicht der Fall.

13

1. Die mit der Beschwerde gerügten Verfahrensmängel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) sind nicht ersichtlich.

14

a) Soweit die Klägerin in der Beschwerdebegründung geltend macht, das Verwaltungsgericht habe bei seiner Prüfung der von ihm in der Hauptbegründung als streitentscheidend angesehenen fehlenden Angemessenheit von Leistung und Gegenleistung entscheidungserhebliches Vorbringen entgegen Art. 103 Abs. 1 GG und § 108 Abs. 2 VwGO nicht zur Kenntnis genommen und nicht in Erwägung gezogen sowie unter Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht hinreichend gewürdigt, ist dies nicht nachvollziehbar und trifft nicht zu.

15

Die Klägerin rügt, das Verwaltungsgericht habe "auch bei der besonderen vorliegenden Konstellation der Modifikation des ursprünglichen Aufschließungsvertrages durch einen späteren Flächenaustausch" lediglich isoliert die "Angemessenheit der Leistung der S. Erben (Übertragung der streitgegenständlichen Flächen auf die Stadtgemeinde T.) zur Gegenleistung (Freigabe von Flächen zur Bebauung, die dafür ursprünglich nicht vorgesehen waren)" geprüft und "die Widerlegung der Verfolgungsvermutung daher nach seiner eigenen, hier im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren insoweit zur Bewertung der Verfahrensrüge maßgeblichen Rechtsauffassung von der Frage abhängig gemacht, inwieweit der im Vollzug des Aufschließungsvertrages vorgenommene Flächenaustausch eine Angemessenheit von Leistung und Gegenleistung aufweist" (S. 17 der Beschwerdebegründung). Die Prüfung der Angemessenheit von Leistung und Gegenleistung erschöpfe sich in der Feststellung des Verwaltungsgerichts, es liege auf der Hand, "dass dies allenfalls dann angemessen gewesen wäre, wenn die nunmehr ermöglichte Verwertung neuer Flächen zumindest ebenso werthaltig gewesen ist, wie diejenige bezüglich der aus der Bebaubarkeit ausgeschiedenen Flächen.". Das sei "aber schon deshalb nicht der Fall, weil hier eine nicht zu vernachlässigende Flächendifferenz von ca. 9 000 m2" vorliege; immerhin mache "dies etwa die Hälfte der ursprünglich zur Bebauung vorgesehenen Fläche aus, wenn man die beiden betroffenen Baublöcke zusammenrechnet.". Dies stellt nach Auffassung der Klägerin eine "Verletzung allgemeiner Beweisgrundsätze" (ebd., S. 18) dar.

16

Die Verfahrensrüge der Klägerin beruht auf der unzutreffenden Annahme, auf der Grundlage der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts, die mit den im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. Dezember 1998 - BVerwG 8 C 14.09 - (Teltow-Seehof I) (BVerwGE 108, 157 = Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 167) entwickelten Maßstäben im Ausgangspunkt übereinstimme, ergebe sich, dass hinsichtlich des im Wege eines Flächentausches an die Klägerin seinerzeit abgetretenen streitgegenständlichen Grundstücks die Angemessenheit von Leistung und Gegenleistung gemäß Art. 3 Abs. 2 REAO nur durch eine Gesamtbetrachtung des Aufschließungsvertrages vom 16. Mai 1934 hätte ermittelt werden können, nicht hingegen durch eine isolierte Betrachtung nur des Flächentausches.

17

Damit verkennt die Klägerin, dass das Verwaltungsgericht nach seiner insoweit maßgeblichen Rechtsauffassung eine Gesamtbetrachtung des Aufschließungsvertrages in dessen durch den so genannten Flächentausch geänderten Fassung gerade für nicht entscheidungserheblich gehalten hat. Dementsprechend hat es im angegriffenen Urteil ausgeführt, die "streitgegenständliche Fläche gehörte zwar nicht zu den Flächen, die ursprünglich Gegenstand des Aufschließungsvertrages war. Sie wurden aber tatsächlich genauso behandelt, so dass in der Sache kein Unterschied besteht. Der Austausch der Flächen bezüglich Bebaubarkeit sowie die anschließende Übereignung an die Stadtgemeinde T. stellt sich damit ebenso als Veräußerungsgeschäft dar, das sich nach Art. 3 Abs. 1 REAO bemisst." (UA S. 9, vorletzter Absatz). Damit hat das Verwaltungsgericht zum Ausdruck gebracht, dass es den Flächenaustausch als solchen als das maßgebliche Veräußerungsgeschäft angesehen hat. Es kam für das Tatsachengericht nicht darauf an, ob nach diesem Flächentausch das Gesamtgefüge des Aufschließungsvertrages noch einen angemessenen Kaufpreis im Sinne des Art. 3 Abs. 2 REAO vorsah, sondern ob für den Flächentausch selbst ein angemessener Kaufpreis oder eine angemessene Gegenleistung erbracht wurde. Schon deshalb geht der von der Klägerin in der Beschwerdebegründung erhobene Vorwurf der verfahrensfehlerhaften Nichtberücksichtigung des auf die Prüfung der Angemessenheit von Leistung und Gegenleistung im Rahmen des Gesamtgefüges des Aufschließungsvertrages bezogenen Vorbringens ins Leere. Einer weiteren Sachverhaltsaufklärung dazu, ob das Gesamtverhältnis des Aufschließungsvertrages in der geänderten Form noch angemessen im Sinne des Art. 3 Abs. 2 REAO gewesen wäre, bedurfte es nach der insoweit maßgeblichen Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts nicht.

18

Soweit die Klägerin rügt, auch zu dem für das Verwaltungsgericht im angegriffenen Urteil im Rahmen der Angemessenheitsprüfung maßgeblichen Aspekt der Werthaltigkeit der ursprünglichen Flächen im Verhältnis zu den Austauschflächen sei schriftsätzliches Vorbringen, das entscheidungserheblich gewesen sei, "in keiner Form gewürdigt worden", ergibt sich daraus ebenfalls kein Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör oder auf Beachtung des Überzeugungsgrundsatzes. Entscheidend war nach der insoweit maßgeblichen Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts allein, ob die zum Kreis der Verfolgten des Naziregimes gehörenden Erben der Brüder S. für das im Rahmen des Flächentausches entzogene Grundstück eine im Sinne des Art. 3 Abs. 2 REAO angemessene Gegenleistung erhalten haben oder nicht. Die Klägerin kann dabei nicht beanspruchen, dass das Verwaltungsgericht auf alle Einzelheiten ihres Vortrags eingegangen ist. Insbesondere ist das Gericht nach seiner insoweit allein maßgeblichen Rechtsauffassung nicht gehalten gewesen, zu prüfen, aus welchen Gründen der Flächentausch erfolgte.

19

Soweit das Verwaltungsgericht im angegriffenen Urteil auf für die Beurteilung der Werthaltigkeit der bei dem Flächentausch in Rede stehenden Grundstücke relevantes Vorbringen der Klägerin nicht im gebotenen Maße eingegangen ist, ergibt sich daraus jedenfalls kein entscheidungserheblicher Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör und Beachtung des Überzeugungsgrundsatzes. Denn das Verwaltungsgericht hat hilfsweise unterstellt, dass die Erben seinerzeit für die entzogene Fläche - wie von der Klägerin behauptet - einen angemessenen Kaufpreis bzw. eine angemessene Gegenleistung erhalten haben. Für diesen Fall ist es dann in seiner Hilfsbegründung jedoch zum Ergebnis gelangt, dass die gesetzliche Vermutung (Art. 3 Abs. 1 REAO) gemäß Art. 3 Abs. 3 REAO, die für nach dem 14. September 1935 wirksam gewordenen Veräußerungen maßgeblich sei, nicht widerlegt worden sei (vgl. dazu nachfolgend Unterabschnitt b).

20

b) In seiner Hilfsbegründung ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass die den Rechtsvorgängern der Beigeladenen im Rahmen des Flächentausches entzogene streitgegenständliche Fläche nicht zu den Flächen gehörte, die ursprünglich Gegenstand des Aufschließungsvertrages vom 16. Mai 1934 waren, dass es sich jedoch "um eine Weiterung aus dem Aufschließungsvorgang handelt(e)" (UA S. 11, vorletzter Absatz). Das wird mit der Beschwerde nicht in Zweifel gezogen. Eine notarielle Beurkundung über den Flächentausch hat das Verwaltungsgericht nicht festgestellt. Es hat jedoch angenommen, dass das zum Vermögensverlust führende Rechtsgeschäft über den Flächentausch nach dem 14. September 1935 wirksam geworden ist, so dass "nichts anderes gelten" könne, "als wenn die Flächen zu diesem Zeitpunkt verkauft worden wären." (UA S. 11, unten). Für diese Auffassung spricht immerhin, dass ein nicht beurkundetes und damit gemäß § 125 BGB formnichtiges Verpflichtungsgeschäft über ein Grundstück gemäß § 313 Satz 2 BGB in der damals geltenden Fassung durch Auflassung und Eintragung des Eigentumsübergangs wirksam wurde. Ausgehend von dieser für die Hilfsbegründung des angefochtenen Urteils maßgeblichen Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts kam es nicht darauf an, ob die S. Erben bereits im Juli 1935 - also vor dem Stichtag 15. September 1935 - dem Flächentausch zugestimmt hatten, wie die Beschwerde geltend macht. Das Verwaltungsgericht hat somit kein entscheidungserhebliches Vorbringen der Klägerin übergangen. Weshalb die Annahme, der Aufschließungsvertrag stelle nicht das maßgebliche Kausalgeschäft für den Flächentausch bzw. die Auflassung dar, gegen Denkgesetze verstoßen soll, legt die Beschwerde nicht nachvollziehbar dar. Somit war eine Widerlegung der gesetzlichen Vermutung des Art. 3 Abs. 1 REAO anhand der - für in der Zeit vom 15. September 1935 bis zum 8. Mai 1945 erfolgte Veräußerungen maßgeblichen - Regelung des Art. 3 Abs. 3 a) REAO zu prüfen. Es war zu untersuchen, ob das Rechtsgeschäft seinem wesentlichen Inhalt nach auch ohne die Herrschaft des Nationalsozialismus abgeschlossen worden wäre. Gegen die im angegriffenen Urteil insoweit erfolgte Verneinung dieser Voraussetzung des Art. 3 Abs. 3 a) REAO durch das Verwaltungsgericht sind wirksame Verfahrensrügen mit der Beschwerde nicht vorgebracht worden.

21

2. Die von der Klägerin erhobenen Divergenzrügen (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) greifen ebenfalls nicht durch.

22

Die Zulassung der Revision kommt in Betracht, wenn das Urteil des Verwaltungsgerichts von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Die Divergenzrüge setzt die Darlegung voraus, dass dem angefochtenen Urteil ein entscheidungstragender Rechtssatz zugrunde liegt, der von einem ebensolchen entscheidungstragenden Rechtssatz der in der Beschwerde angegebenen höchstrichterlichen Entscheidung abweicht (stRspr, vgl. u.a. Beschluss vom 1. September 1997 - BVerwG 8 B 144.97 - Buchholz 406.11 § 128 BauGB Nr. 50). Keine Divergenz in dem Sinne liegt dagegen vor, wenn das Verwaltungsgericht einen Rechtssatz aus der angeführten höchstrichterlichen Rechtsprechung vermeintlich unzutreffend angewendet hat.

23

Vorliegend zeigt die Beschwerde keinen Rechtssatzwiderspruch in dem beschriebenen Sinne auf, sondern bemängelt letztlich lediglich eine vermeintlich falsche Rechtsanwendung durch das Verwaltungsgericht.

24

a) Soweit die Klägerin hinsichtlich des angegriffenen Urteils des Verwaltungsgerichts eine Abweichung von dem vom Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 16. Dezember 1998 - BVerwG 8 C 14.98 - (Teltow-Seehof I) (a.a.O.) zu § 1 Abs. 6 VermG i.V.m. Art. 3 Abs. 3 REAO sinngemäß aufgestellten Rechtssatz rügt

"Liegt der Zwangsverkauf i.S.d. § 1 Abs. 6 VermG in einem Aufschließungsvertrag, der der zuständigen Kommune eine Abtretung von 25% der Grundstücksfläche für Gemeinbedarfszwecke gewährt und dem parzellierungswilligen jüdischen Eigentümer sowohl die Parzellierungsgenehmigung als auch die Aufhebung und Befreiung vom Bauverbot und eine damit einhergehende Vermarktbarkeit seiner Fläche für Bauzwecke verschafft, so ist im Wege einer Gesamtbetrachtung des erzielten wirtschaftlichen Ergebnisses zu prüfen, ob die Abtretung der Grundstücksfläche an die Kommune für Gemeinbedarfszwecke einerseits und die durch die Befreiung von Bauverbot und Erteilung der Parzellierungsgenehmigung dem jüdischen Eigentümer vermittelte Werterhöhung andererseits in einem angemessenen Verhältnis zueinanderstehen. Die Verfolgungsvermutung lässt sich dadurch widerlegen, dass die Angemessenheit dieses Verhältnisses bewiesen wird." (S. 40 der Beschwerdebegründung),

liegt keine Divergenz im dargelegten Sinne vor.

25

Zwar hat das Verwaltungsgericht seinem angegriffenen Urteil den von der Klägerin sinngemäß formulierten tragenden Rechtssatz zu § 1 Abs. 6 VermG i.V.m. Art. 3 Abs. 2 REAO zugrunde gelegt,

"Gibt es Modifikationen eines ursprünglich abgeschlossenen Aufschließungsvertrages durch entsprechenden Flächenaustausch, so ist nur noch darauf abzustellen, ob dieser Flächenaustausch zulasten des jüdischen Eigentümers diesem eine geringerwertige bebaubare Fläche zuspricht, als das nach dem ursprünglichen Aufschließungsvertrag der Fall war. Es ist jedoch keine Gesamtbetrachtung der Angemessenheit des Aufschließungsvertrages unter Berücksichtigung der Austauschmodifikationen anzustellen." (S. 41 der Beschwerdebegründung).

26

Diese Rechtssätze widersprechen jedoch einander nicht. Das Bundesverwaltungsgericht hat sich in seinem Urteil vom 16. Dezember 1998 angesichts des damals zugrunde liegenden Sachverhalts nur mit dem Abschluss eines Aufschließungsvertrages und einer darauf beruhenden Veräußerung eines Grundstücks befasst. Dagegen enthält das Urteil keine Ausführungen dazu, welches das maßgebliche Rechtsgeschäft bei der anschließend erfolgten Änderung eines solchen Aufschließungsvertrages ist und ob bei der Prüfung der Angemessenheit von Leistung und Gegenleistung auch dann noch auf den Aufschließungsvertrag in seiner Gesamtheit oder isoliert auf das Rechtsgeschäft abzustellen ist, mit dem dieser geändert wird und neue Verpflichtungen begründet werden. Im Übrigen ist der von der Beschwerde genannte Rechtssatz des Verwaltungsgerichts mit Blick auf die Hilfsbegründung des angegriffenen Urteils nicht entscheidungstragend.

27

b) Auch die weitere hinsichtlich der Bestimmung des maßgeblichen Rechtsgeschäfts von der Klägerin geltend gemachte Divergenz zwischen dem vom Bundesverwaltungsgericht zu § 1 Abs. 6 VermG u.a. im Urteil vom 16. Dezember 1998 - (Teltow-Seehof I) (a.a.O.) - (unter Rückgriff auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 13. Juli 1960 - IV ZR 25/60 - MDR 1960, 1002) sinngemäß aufgestellten Rechtssatz

"Ein Vermögensverlust i.S.d. § 1 Abs. 6 VermG bzw. eine Veräußerung i.S.d. Art. 3 REAO, auf den § 1 Abs. 6 VermG letztlich Bezug nimmt, liegt nicht erst bei der dinglichen Eigentumsübertragung, sondern bereits beim Abschluss des Kausalgeschäfts vor, mit dem sich der Veräußerer in bindender Weise wirtschaftlich des Vermögensgegenstandes entäußert hatte und das den Erwerbern letztlich den durchsetzbaren Anspruch auf Übereignung des Vermögenswertes verschafft." (S. 51 der Beschwerdebegründung)

und einem vom Verwaltungsgericht im angegriffenen Urteil aufgestellten abstrakten Rechtssatz zu derselben Vorschrift ist nicht ersichtlich. Das Verwaltungsgericht hat nicht den ihm in der Beschwerde (S. 53 der Beschwerdebegründung) unterstellten Rechtssatz

"Selbst wenn die verbindliche Abänderung eines Kausalgeschäfts, das der späteren Verfügung über Vermögen des jüdischen Eigentümers zugrunde lag, noch vor dem Stichtag am 14./15.09.1935 lag, ist für die Frage, zu welchem Zeitpunkt der Vermögensverlust i.S.d. § 1 Abs. 6 VermG und des Rückerstattungsrechts gefolgte (offenbar gemeint: erfolgte), nicht auf den Zeitpunkt der endgültigen Verbindlichkeit des modifizierten Kausalgeschäfts, sondern auf dessen dinglichen Vollzug, konkret die Auflassung abzustellen."

aufgestellt.

28

In der Beschwerdebegründung wird auch keine genaue Fundstelle eines solchen vom Verwaltungsgericht im angegriffenen Urteil vermeintlich formulierten Satzes angegeben. Das Verwaltungsgericht hat vielmehr auf Seite 9 seines Urteils im dritten Absatz den auch von der Klägerin in der Beschwerdebegründung in Bezug genommenen Rechtssatz aus dem Teltow-Seehof I-Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. Dezember 1998 herangezogen, wonach das sowohl für die gesetzliche Vermutung (Art. 3 Abs. 1 REAO) als auch für ihre Widerlegung nach Art. 3 Abs. 2 und 3 REAO maßgebliche Rechtsgeschäft nicht das Verfügungsgeschäft, sondern das zugrunde liegende Verpflichtungsgeschäft ist. In der Hauptbegründung des angegriffenen Urteils wird dementsprechend dann ausgeführt, dass die streitgegenständliche Fläche zwar nicht zu den Flächen gehörte, die ursprünglich Gegenstand des Aufschließungsvertrages waren; sie sei "aber tatsächlich genauso behandelt (worden), so dass in der Sache kein Unterschied besteht." Der "Austausch der Flächen bezüglich der Bebaubarkeit sowie die anschließende Übereignung an die Stadtgemeinde T." stelle "sich damit ebenso als Veräußerungsgeschäft dar, das sich nach Art. 3 Abs. 1 REAO bemisst." Grund dafür war offenkundig, dass das Verwaltungsgericht kein wirksames oder auch nur förmliches Rechtsgeschäft festzustellen vermochte, mit dem der Flächentausch förmlich vereinbart worden wäre. Es hat deshalb den faktisch durchgeführten Flächentausch im Rahmen des Art. 3 REAO so behandelt, als wäre er rechtsgeschäftlich zustande gekommen. Da das Verwaltungsgericht hinsichtlich des Zeitpunktes dieses Rechtsgeschäfts keine tatrichterliche Feststellungen treffen konnte und dieser Zeitpunkt nach den hier maßgeblichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts letztlich unaufgeklärt geblieben ist, hat es den Zeitpunkt der am 13. Juli 1939 erfolgten Auflassung des Grundstücks an die Klägerin als Wirksamkeitszeitpunkt des Verpflichtungsgeschäfts angesehen. Die damit erfolgte zeitliche Gleichsetzung von Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft bedeutet jedoch nicht, dass das Verwaltungsgericht Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft als solche miteinander gleichgesetzt hätte. Das Verwaltungsgericht hat lediglich, mangels anderer Anhaltspunkte, für den Zeitpunkt des maßgeblichen Verpflichtungsgeschäfts den Zeitpunkt des Verfügungsgeschäfts herangezogen und ist damit nicht von dem von der Klägerin bezeichneten Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts abgewichen. Ob es sich dabei um eine fehlerhafte Anwendung dieses Rechtssatzes handelt, kann hier offenbleiben, da eine solche keine Divergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO begründen könnte.

29

3. Die Rechtssache hat auch nicht die grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), die ihr die Beschwerde beimisst.

30

Die Grundsatzrüge setzt die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts voraus, der eine allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (stRspr, vgl. u.a. Beschluss vom 19. August 1997- BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 26). Der Beschwerdeführer muss darlegen (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), dass gerade eine Regelung des revisiblen Rechts in dem angestrebten Revisionsverfahren eine entscheidungserhebliche klärungsbedürftige rechtsgrundsätzliche Frage aufwirft (Beschlüsse vom 9. März 1984 - BVerwG 7 B 238.81 - Buchholz 401.84, Benutzungsgebühren Nr. 49 und vom 15. Juni 2009 - BVerwG 6 B 12.09 -). Das leistet die Beschwerdebegründung nicht.

31

a) Bei den ersten drei in der Beschwerde (S. 46 f. der Beschwerdebegründung) aufgeworfenen Rechtsfragen

"Nach welchen Kriterien ist die Frage der Angemessenheit der Gegenleistung bei einem 'Zwangsverkauf' im Sinne des § 1 Abs. 6 VermG oder einem, einem solchen 'Zwangsverkauf' gleichstehenden Rechtsgeschäft zu bewerten, wenn nach Abschluss des Kausalgeschäfts Abänderungen im Bereich der Leistungen und/oder Gegenleistungen dieses Kausalgeschäfts vorgenommen werden?

Ist danach im Rahmen einer Gesamtschau zu prüfen, ob der modifizierte Vertrag noch eine Angemessenheit von Leistung und Gegenleistung im Ergebnis erkennen lässt oder ist isoliert nur die Frage zu untersuchen, ob die abgeänderten Konditionen im Vergleich zu den ursprünglichen Konditionen des Kausalgeschäfts eine Schlechterstellung des jüdischen Veräußerers erkennen lässt (offenbar gemeint: lassen)?

Falls Letzteres zugrunde zu legen ist, gilt dies nicht nur in dem Fall, in dem im ursprünglichen Kausalgeschäft bereits ein einklagbarer Rechtsanspruch des jüdischen Veräußerers auf eine bestimmte Gegenleistung festgelegt wurde und dieser später zu seinem Nachteil reduziert wird oder gilt das auch in solchen Fällen, in denen sich aus dem Kausalgeschäft deswegen noch kein endgültig einklagbarer Rechtsanspruch ergibt, weil dieses unter dem Vorbehalt der Beibringung bestimmter weiterer Leistungen des jüdischen Veräußerers z.B. von Zustimmungserklärung und/oder dem Vorbehalt weiterer Genehmigungen, die zum Vollzug des Kausalgeschäfts erforderlich sind, steht und so gesehen sich mit der Modifikation der Gegenleistung, bedingt durch die Nichterfüllung bestimmter zusätzlicher Leistungen des jüdischen Erben bzw. die Nichterteilung von Genehmigungen nur ein wirtschaftliches Risiko des Ausgangsvertrages realisiert?"

ist ein grundsätzlicher Klärungsbedarf in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht ersichtlich.

32

In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist bereits geklärt, dass bei der Prüfung, ob für einen Vermögensverlust ein angemessener Kaufpreis im Sinne des Art. 3 Abs. 2 REAO geleistet wurde, das konkrete zum Vermögensverlust führende Rechtsgeschäft maßgeblich ist; an ihm sind die Widerlegungstatbestände des Art. 3 Abs. 2 und 3 REAO zu messen (stRspr, vgl. u.a. Urteile vom 16. Dezember 1998 , a.a.O., S. 157 und vom 24. Februar 1999 - BVerwG 8 C 15.98 - BVerwGE 108, 303 <304> = Buchholz 428 § 1 Abs. 6 VermG Nr. 1).

33

Ob bei einer Änderung eines Aufschließungsvertrages, die ihrerseits ein schädigendes Ereignis im Sinne des § 1 Abs. 6 VermG darstellt, die Frage des angemessenen Kaufpreises im Sinne des Art. 3 Abs. 2 REAO isoliert nur anhand der Änderung oder stattdessen im Rahmen einer Gesamtbetrachtung des geänderten Vertrages zu bewerten ist, hängt davon ab, ob die Änderung selbst einen diskriminierenden Zwangsverkauf im Sinne des § 1 Abs. 6 VermG bewirkt hat, so dass eine isolierte Betrachtung geboten ist, oder ob die Änderung aus sich heraus wertneutral ist.

34

Bei der rechtsgeschäftlichen Änderung eines Vertrages, durch die ein Verfolgter im Sinne des Art. 3 Abs. 1 REAO verpflichtet wird, einen konkreten Vermögensgegenstand aufzugeben, zu dessen Aufgabe er durch den vorher unveränderten Vertrag noch nicht verpflichtet war, liegt deshalb auf der Hand und bedarf keiner weiteren Klärung in einem Revisionsverfahren, dass nicht der ursprüngliche Vertrag, sondern die Änderung desselben zum Vermögensverlust führt und demzufolge das maßgebliche Rechtsgeschäft ist.

35

Werden nach Abschluss des (ersten) ursprünglichen Kausalgeschäfts, das im Sinne von Art. 3 Abs. 2 REAO ein angemessenes Verhältnis von Leistung und Gegenleistung der Vertragsparteien vorsah, rechtsgeschäftliche Abänderungen im Bereich der Leistungen und/oder Gegenleistungen dieses Kausalgeschäfts vorgenommen, so ist die Angemessenheit (Art. 3 Abs. 2 REAO) im Hinblick auf das dafür maßgebliche Rechtsgeschäft zu prüfen; dies ist das Kausalgeschäft in der durch die rechtsgeschäftlichen Änderungen bewirkten Fassung. Ein weitergehender entscheidungserheblicher Klärungsbedarf wird mit der Beschwerde im Hinblick auf das angestrebte Revisionsverfahren nicht dargetan. Im Übrigen sind die aufgeworfenen Fragen mit Blick auf die Nebenbegründung des angegriffenen Urteils auch nicht entscheidungserheblich.

36

b) Auch hinsichtlich der weiteren mit der Beschwerde (S. 58 der Beschwerdebegründung) aufgeworfenen Rechtsfrage

"Kommt es zu einer nachträglichen Abänderung des Vertragsgegenstandes eines Verpflichtungsgeschäfts, das einen Schädigungstatbestand i.S.d. § 1 Abs. 6 VermG darstellen kann und wird diese Abänderung der Konditionen des Verpflichtungsgeschäfts von allen an diesem Geschäft Beteiligten noch vor dem Stichtag am 14./15.09.1935 als verbindlich akzeptiert, kommt es aber erst nach diesem Datum zum dinglichen Vollzug dieses so modifizierten Verpflichtungsgeschäfts, ist dann für die Frage, in welchem Umfang i.S.d. Art. 3 REAO die Verfolgungsvermutung zu widerlegen ist, insbesondere für die Anwendung des Art. 3 Abs. 3 a) REAO auf den Zeitpunkt des dinglichen Vollzugs oder den Zeitpunkt der endgültigen und verbindlichen Einigung über die Modifikationen der Vertragskonditionen abzustellen?"

sind die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht erfüllt. Wie bereits oben dargelegt, geht diese Frage von Voraussetzungen aus, die im Widerspruch zu den Feststellungen des Verwaltungsgerichts im angefochtenen Urteil stehen. Das Verwaltungsgericht ist in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts davon ausgegangen, dass für die Prüfung der Angemessenheit eines Kaufpreises im Sinne des Art. 3 Abs. 2 REAO nicht auf das den Vermögensverlust konkret herbeiführende Verfügungsgeschäft, sondern auf das der Verfügung zugrunde liegende schuldrechtliche Kausalgeschäft abzustellen ist (UA S. 9). Es hat insoweit festgestellt, dass die streitgegenständliche Fläche zwar nicht zu den Flächen gehörte, die ursprünglich Gegenstand des Aufschließungsvertrages waren. Sie sei aber "tatsächlich so behandelt" worden, "so dass in der Sache kein Unterschied" bestehe und demzufolge "der Austausch der Flächen bezüglich der Bebaubarkeit sowie die anschließende Übereignung an die Stadtgemeinde T." sich "ebenso als Veräußerungsgeschäft" darstelle, "das sich nach Art. 3 Abs. 1 REAO bemisst." Da es eine notarielle Beurkundung über den Flächentausch nicht feststellen konnte und da gemäß § 125 BGB ein formnichtiges Verpflichtungsgeschäft über ein Grundstück gemäß § 313 Satz 2 BGB in der damals geltenden Fassung durch Auflassung und Eintragung des Eigentumsübergangs wirksam wurde, hat das Verwaltungsgericht angenommen, dass das zum Vermögensverlust führende Rechtsgeschäft über den Flächentausch jedenfalls nach dem 14. September 1935 wirksam geworden ist, so dass "nichts anderes gelten" könne, "als wenn die Flächen zu diesem Zeitpunkt verkauft worden wären." (UA S. 11, unten). Das Verwaltungsgericht hat entgegen der von der Klägerin in der aufgeworfenen Rechtsfrage enthaltenen Behauptung keineswegs eine dahingehende Feststellung getroffen, dass eine "Abänderung der Konditionen des Verpflichtungsgeschäfts von allen an diesem Geschäft Beteiligten noch vor dem Stichtag am 14./15.09.1935 als verbindlich akzeptiert" worden sei.

37

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 47 Abs. 1 und 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG. Bei Zugrundelegung eines Grundstückswertes von 50 €/qm ergibt sich daraus für die Fläche von 9 008 qm der festgesetzte Streitwertbetrag von 450 400 €.

Gründe

I.

1

Der Antragsteller ist Ortsbürgermeister der Ortschaft K… und wendet sich gegen die ihm gegenüber vom Antragsgegner mit Bescheid vom 05.06.2013 Ausgesprochene vorläufige Dienstenthebung nach § 38 Abs. 1 Disziplinargesetz Sachsen-Anhalt (DG LSA).

2

Zur Begründung führt der Antragsgegner aus, dass der Antragsteller gegen seine beamtenrechtliche Verfassungstreuepflicht nach § 33 Abs. 1 Satz 3 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG) und seine Wohlverhaltenspflicht nach § 34 Satz 3 BeamtStG verstoßen und damit ein schwerwiegendes Dienstvergehen begangen habe, welches voraussichtlich zur Entfernung aus dem Dienst führen werde. Der Antragsteller habe auf seiner Internetseite www.hans-pueschel.de in zahlreichen Artikeln gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung verstoßen. Dazu führt die Verfügung aus:

3

a)      Sie haben bei mehreren Gelegenheiten, so unter anderem in einer Antwort auf eine Lesermeinung am 30.10.2012 geäußert:

„Wenn der § 130 gegen Lügen und Volksverhetzung gerichtet ist,

4

warum werden dann nicht endlich die Großlügner mit den „4 Millionen
in Auschwitz Vergasten“ vor Gericht gestellt? Das ist doch, was
Größe und Umfang betrifft, die allergrößte Lüge, die mir in meinem
bisherigen Leben erst jahrzehntelang um die Ohren gehauen und nun stillschweigend mit Erwähnung in der Kleingartenzeitung Hinterkleckersdorf beerdigt worden ist.“

5

Ferner schrieben Sie am 16.03.2012 in einem von Ihnen unter dem Titel „Holocaustleugnung ist Menschenrecht“ eingeleiteten Diskussionsforum unter anderem.

6

„...Zu den Todesmärschen: Warum blieben dann laut Wikipedia 7000 Insassen von Auschwitz zurück. Haben die sich’s also doch aussuchen können. Waren übrigens Frauen und Kinder dabei. Sehen sogar gut genährt aus - zumindest auf dem Foto. Muss also doch mindestens Ausnahmen von der Rampen-Sortiererei gegeben haben. ...“

7

Am 14.11.2012 schrieben Sie dann unter dem auf Ihrer o. g. Internetseite angelegten Themen-Link „Politik“ zum Thema „Auschwitz, Majdanek - wann platzt die nächste Lüge?“ unter Bezugnahme auf die in nationalsozialistischen Konzentrationslagern verübten Ermordungen dort Inhaftierter:

8

„...Für mich steht fest: Die seit der Kindheit gelernten deutschen Verbrechen sind Lügen!...“

9

Am 07.12.2012 schrieben Sie in einem von Ihnen verfassten Gedicht mit dem Titel „Deutscher Mythos“ unter anderem:

10

„...Der Mythos ist zum Gruseln gut nicht für’s reale Leben....

11

Der Holocaust taugt nicht als Ziel der Seel’ bei klarem Lichte.

12

Wir hab’n der besseren Mythen viel aus tausend Jahr’n Geschichte.
Uns dort zu gründen, bringt uns Heil und Zukunft dem deutschen Volke!

13

Die böse Mär auf’s Altenteil, fort mit der düstren Wolke!“

14

Wegen der drei letztgenannten Äußerungen hat die Staatsanwaltschaft C-Stadt am 26.01.2013 Anklage wegen Volksverhetzung gegen Sie erhoben.

15

b)      Bereits im Jahr 2010 hatten Sie in der MZ einen Leserbrief veröffentlicht, in dem Sie die undemokratische und verfassungsfeindliche Ausrichtung der NPD in Frage stellten. Konkret äußerten Sie:

16

„NPD und DVU - wie undemokratisch sind sie? Wenn ich die 20 Jahre meiner Tätigkeit als Bürgermeister und Kommunalpolitiker rekapituliere, dann muss ich feststellen, dass unsere Demokratie wohl mehr Bürokratie geworden ist, nur noch ein formaler Ablauf.

17

Ich denke, wenn die (nur noch formale) Demokratie die existenziellen Probleme der Menschen und des Landes nicht löst, dann müssen es ja diejenigen versuchen, die eine vielleicht etwas andere Demokratie bzw. Volksherrschaft installieren wollen.“

18

Am 27.11.2012 schrieben Sie unter dem auf seiner o. g. Internetseite angelegten Themen-Link „Politik“ zum Thema „B… und die NPD“.

19

„...Ich habe mich zeitlebens als Deutscher gefühlt, also national gedacht, und demokratisch gehandelt. Kann es denn da einer Alternative geben zu den Nationaldemokraten?...“

20

c)      Abgesehen davon erklärten Sie am 11.11.2012 unter dem auf Ihrer o. g. Internetseite angelegten Themen-Link „Politik“ zum Thema „Rathenau, Battke und die Rache der Sieger“ unter anderem, die Rathenau-Mörder Kern und Fischer haben „...nicht den Juden Rathenau umgebracht sondern den in ihren Augen Vaterlandsverräter Rathenau...“ und „...Nur die Mörder um Stauffenberg passen in unsre Sieger-Sicht auf das Deutsche Reich und wurden zu Helden im Gegensatz zu Fischer, Fern und von Salomon....“

21


Auch haben Sie nach eigener Aussage an den Gedenkfeiern für die Rathenau-Mörder Fischer und Kern auf Burg Saaleck teilgenommen „denn für die letzten Gedenkfeiern kann ich verbürgen, dass Fischer und Kern immer mit ihrem Einsatz durch Attentat und Sterben für Deutschland und nicht der eventuelle unterschwellige Antisemitismus im Vordergrund standen.

22

2) im November 2011 antworteten Sie auf die Anfrage des NPD-Landesvorsitzenden  Herr H..., ob das Bürgerhaus von K… für die am 11. März 2011 geplante Wahlkampfabschlussveranstaltung der NPD genutzt werden könne per E-Mail unter anderem:

23

„Jo mai, döes oan Ding!

24

Dafür würde es sich wohl lohnen, noch eine Weile Ortsbürgermeister zu bleiben,  Herr H... . Den wollte ich aus bekannten Gründen nur zum Übergang ausüben.

...

25

Es wird in den nächsten Tagen abgeklärt, wie der Übergang und weitere Verfahrensablauf in 2011 wird. Wenn es gelingt, die Betreuung/Belegung der Dorfgemeinschaftshäuser bei den Ortsbürgermeistern zu belassen, die dann also die Nutzungsverträge unterschreiben, wäre es also durchaus denkbar, die Veranstaltung durchzuführen. ich würde noch übers erste Quartal weiter amtieren, wobei offen bleibt, inwieweit dann der Bürgermeister mit seiner Verwaltung sich quer legen, hineinagieren könnte/wollte.

26

Es müsste also ein Ausweichquartier im Hintergrund sein bzw. offiziell ein anderer Ort avisiert und erst am letzten Tag umgeschwenkt werden, so dass dann keine Verwaltung mehr großartig reagieren kann - siehe Polizei … ...bzw. Vertrag ist dann Vertrag.

27

Mfg hansPüschel“

28

3) Zur Landtagwahl 2011 traten Sie als Direktkandidat der NPD im Wahlkreis …an. Darüber verdeutlichte sich ihre Nähe zur NPD durch Referententätigkeit bei zahlreichen Veranstaltungen der NPD bzw. ihrer nahestehenden Organisationen. So traten Sie beispielsweise im Januar 2011 bei der Kommunalpolitischen Vereinigung der NPD als Referent auf. Im Juni 2011 traten Sie als Gastredner einer Veranstaltung der NPD-nahen Stiftung „Bildungswerk für Heimat und nationale Identität“ auf.“

29

Die Prognoseentscheidung nach § 38 Abs. 1 Satz 1 DG LSA ergebe, dass das Disziplinarverfahren voraussichtlich mit der Entfernung des Antragstellers aus dem Dienst ende.

30

Die Leugnung des nationalsozialistischen Massenmordes an europäischen Juden in Gaskammern deutscher Konzentrationslager verharmlose und verherrliche den Nationalsozialismus und sei unvereinbar mit der Pflicht des Beamten, aktiv für die geltende Verfassungsordnung einzutreten. Der Antragsteller verbreite die sog. „Ausschwitz-Lüge“, was ein schwerwiegendes Dienstvergehen darstelle.

31

Daneben stelle der Antragsteller die undemokratische und verfassungsfeindliche Ausrichtung der NPD sowie das Vorhandensein einer tatsächlichen Demokratie in Deutschland in Frage. Gleichzeitig zeige er die Errichtung einer „anderen Demokratie“ bzw. „Volksherrschaft“ unter Führung nationaldemokratischer Kräfte als erstrebenswertes Ziel auf. Diese von dem Antragsteller demonstrierte und durch Äußerungen kundgetane Haltung widerspreche dem von einem Beamten verlangten Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes und dem Willen, für deren Erhalt einzutreten. Ähnlich seien die Äußerungen des Antragstellers zur Motivation der Ermordung Walter Rathenaus und der vom Antragsteller gezogene Vergleich zu den Attentätern um Graf Schenk von Stauffenberg zu sehen. Auch insoweit würden zentrale Themen rechtsradikaler Ideologie aufgegriffen und verbreitet, was im Widerspruch zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung stehe. Der Antragsteller leugne einen antisemitischen Bezug bei der Ermordung Walter Rathenaus im Jahre 1922 und bestreite zudem ein Mordmotiv der Täter.

32

In der disziplinarrechtlichen Rechtsprechung sei zwar keine Regelvermutung zur Ahndung derartiger Dienstpflichtverletzungen erkennbar. Denn die Handlungsbreite, die in der Verletzung der politischen Treuepflicht im Dienst denkbar seien, sei zu groß, als dass eine einheitliche Maßnahme erkennbar sei. Trotzdem seien die dargelegten Äußerungen sämtlich als schwerwiegende Dienstvergehen nach § 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG anzusehen. Auch wenn im Fall einer einzelnen derartigen Äußerung nicht zwingend mit einer unmittelbaren Entfernung aus dem Dienst zu rechnen wäre, vermag vorliegend die Vielzahl und Häufigkeit der Dienstpflichtverletzungen eine solche Entscheidung im Ergebnis des Disziplinarverfahrens gleichwohl erwarten lassen. Die E-Mail an den NPD-Landesvorsitzenden lasse das Ansinnen erkennen, das Amt des Ortsbürgermeisters missbräuchlich zu nutzen, denn es entstehe der Eindruck, dass der Antragsteller das Amt nur noch bekleide um Zugriff auf Einrichtungen wie das Bürgerhaus der Ortschaft zu haben und um diese für die Zwecke verfassungsfeindlicher Organisationen zur Verfügung zu stellen. Zwar bestreite der Antragsteller die Urheberschaft der E-Mail. Dies sei jedoch als Schutzbehauptung zu werten.

33

Zudem werde die vorläufige Dienstenthebung auf § 38 Abs. 1 Satz 2 DG LSA gestützt. Durch ein Verbleiben des Antragstellers im Dienst werde der Dienstbetrieb wesentlich beeinträchtigt. Denn die Funktion des Ortsbürgermeisters beschränke sich im Wesentlichen auf die Repräsentation der Ortschaft. Die dienstliche Funktion bestehe daher in der Achtung, Wertschätzung und dem Respekt, die seiner Person sowohl von seinem Dienstherrn als auch von der Öffentlichkeit entgegengebracht werde. Diese Achtung und damit das Ansehen der Person seien beeinträchtigt, wenn der Beamte ein Verhalten zeige, das Zweifel an seiner Integrität begründe. Dies sei vorliegend gegeben. Zudem seien die Auswirkungen auf den Dienstbetrieb zu befürchten, weil aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte mit einer Fortsetzung der Begehung des Dienstvergehens zu rechnen sei. Der Antragsteller habe sich auch durch die Anklageerhebung wegen Volksverhetzung nicht daran hindern lassen, seine Äußerungen weiter zu vertreten.

34

Die schwerwiegende und unmittelbare Gefährdung des Gemeinwohls rechtfertige die vorläufige Dienstenthebung. Sie widerspreche nicht der dienstrechtlichen Fürsorgepflicht gegenüber dem Antragsteller und sei verhältnismäßig. Dies gelte auch unter der Berücksichtigung, dass der Antragsteller sein Beamtenverhältnis auf einem Wahlmandat begründet. Diese demokratische Legitimation dürfe nicht ohne Weiteres übergangen werden. Jedoch stehe dem der hohe Rang der Verfassungstreuepflicht gegenüber. Ein Ortsbürgermeister, der dies nicht realisiere, gebe ein negatives Beispiel mangelnder Rechtstreue und erschüttere damit das Vertrauen der Bürger in eine rechtsstaatliche Verwaltung. Schließlich stelle das Verhalten des Antragstellers einen Verstoß gegen die Pflicht zu Achtung und Wohlverhalten dar.

35

Der Antragsteller hält die Verfügung mangels Zuständigkeit des Antragsgegners bereits für formell rechtswidrig, sieht das Vertrauensverhältnis zu ihm nicht als zerstört an und beantragt,

36

die vorläufige Dienstenthebung aufzuheben.

37

Der Antragsgegner beantragt,

38

den Antrag abzulehnen

39

und verteidigt die vorläufige Dienstenthebung.

40

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang verwiesen.

II.

41

Der zulässige Antrag nach § 61 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 DG LSA ist unbegründet.

42

Die nach § 61 Abs. 2 DG LSA vom Disziplinargericht vorzunehmende Prüfung ergibt, dass die auf § 38 Abs. 1 Satz 1 sowie Satz 2 DG LSA gestützte vorläufige Dienstenthebung nicht aufzuheben ist. Ernstliche Zweifel an ihrer Rechtmäßigkeit bestehen nicht. Sie lässt sich jedenfalls auf § 38 Abs. 1 Satz 1 DG LSA stützen, so dass sich ein Eingehen auf die Voraussetzungen nach § 38 Abs. 1 Satz 2 DG LSA erübrigt (vgl. zu dieser Prüfungsfolge: VG Ansbach, Beschluss v. 04.04.2008, AN 13b DS 08.00224; juris).

43

1.) Entgegen der Ansicht des Antragstellers ist die vorläufige Dienstenthebung nicht bereits formell rechtswidrig. Eines Verfahrens nach § 144 Gemeindeordnung Sachsen-Anhalt (GO LSA) bedarf es nicht. Denn vorliegend bedient sich der Antragsgegner des Disziplinarrechts. Als Ortsbürgermeister ist der Antragsteller Ehrenbeamter und unterliegt den beamten- und disziplinarrechtlichen Regelungen und damit auch der Disziplinargewalt des Dienstherrn (§ 5 BeamtStG; § 6 Landesbeamtengesetz Sachsen-Anhalt – LBG; § 57, § 88 Abs. 1 Satz 3 GO LSA; § 1 Abs. 1 DG LSA; Zur Disziplinargewalt über Ehrenbeamte: VG Magdeburg, Urteil v. 01.12.2011, 8 A 18/10; OVG Rheinl.-Pfalz, Beschluss v. 04.03.2013, 3 A 10105/13 beide juris).

44

Die Suspendierungsverfügung wurde nach Einleitung des Disziplinarverfahrens und der Bekanntgabe der disziplinarrechtlichen Vorwürfe dem Antragsteller gegenüber vom Antragsgegner als in diesem speziellen Fall zuständigen Dienstvorgesetzten und obersten Dienstbehörde nach den §§ 76 Abs. 4 und 5 Nr. 8 i. V. m 34 Abs. 2 und 38 Abs. 1 DG LSA erlassen. Der Bürgermeister von … ist nach § 63 Abs. 5 GO LSA Vorgesetzter, Dienstvorgesetzter, höherer Dienstvorgesetzter und oberste Dienstbehörde des Antragstellers in seiner Funktion als Ortsbürgermeister von …. Nachdem der Bürgermeister mitteilte, dass er und seine Verwaltung mit der Durchführung eines derartigen Disziplinarverfahrens gegen dem Antragsteller überfordert sei, nahm der Landrat des  B... die Disziplinarverfolgung gegen den Antragsteller gem. § 17 Abs. 1 i. V. m. § 76 Abs. 2 Satz 1 2. Alternative DG LSA auf. Der Bürgermeister erklärte sich mit dieser Vorgehensweise einverstanden und verzichtete auf die Einlegung eines Rechtsbehelfes (§ 76 Abs. 6 DG LSA). Nachdem der Antragsteller von seinem Äußerungsrecht Gebrauch machte, erließ der Landrat des  B... unter dem 08.05.2013 die in dem bei Gericht anhängigen Parallelverfahren 8 B 11/13 streitgegenständliche Verfügung zur vorläufigen Dienstenthebung. Nachdem die Fehlerhaftigkeit dieser Verfügung aufgrund fehlender Zuständigkeit erkannt wurde, erließ der Antragsgegner die hier streitbefangene Verfügung vom 05.06.2013 zur vorläufigen Dienstenthebung und ersetzte die Verfügung des B… vom 08.05.2013. Dabei ist die rechtliche Problematik der „Ersetzung“ der Verfügung des  B... in diesem gerichtlichen Verfahren nicht streitgegenständlich zu führen. Denn diese Überprüfung wird in dem gerichtlichen Verfahren 8 B 11/13 vorgenommen. Dort hat der Landrat des  B... nunmehr die Verfügung aufgehoben.

45

2.) Nach § 38 Abs. 1 Satz 1 DG LSA kann die für die Erhebung der Disziplinarklage zuständige Behörde einen Beamten gleichzeitig mit oder nach der Einleitung des Disziplinarverfahrens vorläufig des Dienstes entheben, wenn im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt wird. Ferner kann die vorläufige Dienstenthebung ausgesprochen werden, wenn durch ein Verbleiben des Beamten im Dienst der Dienstbetrieb oder die Ermittlungen wesentlich beeinträchtigt würden und die vorläufige Dienstenthebung nicht unverhältnismäßig ist (§ 38 Abs. 1 Satz 2 DG LSA). Der Antragsgegner stützt sich erkennbar mit selbständigen Begründungen auf beide Voraussetzungen.

46

Bei der Anordnung der Suspendierung handelt es sich nicht um eine Disziplinarmaßnahme (OVG LSA, B. v. 07.05.2010, 10 M 2/10; juris). Ihre Berechtigung ergibt sich aus dem funktionalen Bedürfnis, noch vor der endgültigen Klärung des Vorliegens eines Dienstvergehens und der abschließenden Entscheidung über die angemessene Maßregelung des Beamten eine den Verwaltungsaufgaben und dem Dienstbetrieb dienende vorübergehende Sicherungsregel zu treffen.

47

Die auf § 38 Abs. 1 DG LSA gestützte Verfügung über die vorläufige Dienstenthebung muss pflichtgemäßem Ermessen der Einleitungsbehörde entsprechen. Den Beamten auch nur vorläufig vom Dienst zu entheben, setzt voraus, dass ein Verbleiben des Beamten im Dienst schlechthin untragbar wäre. Dabei handelt es sich um die denkbar schwerste Sanktion für dienstliche Verfehlungen, welche nach der Rechtsprechung besondere Umstände voraussetzt. Für die konkrete Entscheidung im Einzelfall sind grundsätzlich das dienstliche Bedürfnis an der einstweiligen Fernhaltung des Beschuldigten vom Dienst und dessen Recht auf amtsentsprechende dienstliche Beschäftigung abzuwägen (vgl. dazu: Köhler/Ratz, BDO, 2. Aufl., § 91 Rz. 10: vgl. zum Ganzen: VG Magdeburg, Beschl. v. 10.02.2007, 8 B 22/06; Beschl. v. 03.03.2010, 8 B 21/09; zuletzt: Beschl. v. 15.07.2013, 8 B 10/13; OVG Lüneburg, Beschluss v. 25.03.2013, 19 ZD 4/13; alle juris).

48

a.) Nach § 61 Abs. 2 DG LSA ist die vorläufige Dienstenthebung dann aufzuheben, wenn ernstliche Zweifel an ihrer Rechtmäßigkeit bestehen. Ernstliche Zweifel sind schon dann anzunehmen, wenn im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts offen ist, ob die Anordnung nach § 38 Abs. 1 DG LSA rechtmäßig oder rechtswidrig ist (vgl. nur: Bay. VGH, Beschl. v. 11.04.2012, 16b DC 11.985; OVG Lüneburg Beschluss vom 13.5.2005, 3 ZD 1/05; alle juris). Neben der formellen Rechtmäßigkeit der Anordnung ist somit zu prüfen, ob die in der Anordnung liegende Prognose gerechtfertigt ist, der Beamte werde im Disziplinarverfahren voraussichtlich aus dem Dienst entfernt werden.

49

Diese Prognose trägt nur dann, wenn nach dem Kenntnisstand eines Eilverfahrens die Möglichkeit des Ausspruchs der disziplinarrechtlichen Höchstmaßnahme überwiegend wahrscheinlich ist. Ist es dagegen zumindest ebenso wahrscheinlich, dass eine Entfernung des Beamten aus dem Beamtenverhältnis im Disziplinarverfahren nicht erfolgen wird, sind ernstliche Zweifel durch das Gericht zu bejahen (BVerwG, Besch. v. 16.07.2009, 2 AV 4.09; BayVGH, Beschl. v. 20.04.2011, 16b DS 10.1120; Sächs. OVG, B. 19.08.2010, D 6 B115/10 mit Verweis auf Beschluss vom 08.07.2010, D6A116/10; alle juris; Müller, Grundzüge des Beamtendisziplinarrechts, § 38 Abs. 1 BDG, 2010, Rz. 370 m. w. N.; GKÖD, Disziplinarrecht des Bundes und der Länder, § 38 BDG, Rz. 51). Anders gewendet, es müssen hinreichend gewichtige Gründe dafür sprechen, dass die Entfernung aus dem Dienst im Ergebnis des – noch durchzuführenden - Disziplinarverfahrens nicht in Betracht kommt. Dies beinhaltet eine vom Gericht vorzunehmende summarische Prüfung des zurzeit bekannten Sachverhaltes und eine daran orientierte Wahrscheinlichkeitsprognose. Hinsichtlich des zur Last gelegten Dienstvergehens genügt die Feststellung, dass der Beamte dieses Dienstvergehen mit einem hinreichenden Grad an Wahrscheinlichkeit begangen hat; nicht erforderlich ist, dass das Dienstvergehen bereits in vollem Umfang nachgewiesen ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 29.09.1997, 2 WDB 3.97; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 22.09.2009, 83 DB 1.09; OVG des Saarlandes, Beschl. v. 17.06.2009, 6 B 289/09; alle juris).

50

Die Beurteilung im Verfahren nach § 61 DG LSA erfordert keine gesonderten Beweiserhebungen, sondern ist in der Lage, in der sich das Disziplinarverfahren jeweils befindet, anhand der bis dahin zu Tage getretenen Tatsachen zu treffen. Für eine vorläufige Dienstenthebung können u. U. selbst durch Aktenvermerke untermauerte Erkenntnisse ausreichen (vgl. Müller a. a. O.). Dabei ist auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abzustellen (BVerwG, Beschl. v. 22.07.2002, 2 WDB 1.02; OVG Berlin-Brandenburg; Beschl. v. 18.08.2005, 80 SN 1.05; Bay VGH, Beschl. v. 11.04.2012, 16b DCV 11.985; alle juris). Jedoch muss für die gerichtliche Überprüfung der vorläufigen Dienstenthebung maßgeblich auf die von dem Dienstherrn in dem Bescheid herangezogenen Gründe der Pflichtenverletzung abgestellt werden. Ähnlich wie bei der Bestimmtheit des Tatvorwurfs als inhaltliche Anforderung an die - spätere – Disziplinarklageschrift, müssen die Sachverhalte, aus denen das Dienstvergehen hergeleitet wird, aus sich heraus verständlich und nachvollziehbar geschildert werden. Ort und Zeit der einzelnen Handlungen müssen möglichst genau angegeben, die Geschehensabläufe nachvollziehbar beschrieben werden (vgl. nur: BVerwG, Urteile v. 23.11.2006, 1 D 1.06, v. 25.01.2007, 2 A 3.05; Beschlüsse v. 13.03.2006, 1 D 3.06, v. 18.11.2008, 2 B 63.08 und v. 21.04.2010, 2 B 101.09; alle juris). Nur diese können durch das Disziplinargericht im Rahmen der Würdigung durch Akteninhalte und sonstige – evtl. auch später, im Laufe des Verfahrens nach § 61 DG LSA hinzutretende - Erkenntnisse untermauert werden, um so die Prognoseentscheidung, das heißt die Ausübung des ordnungsgemäßen Ermessens durch den Dienstherrn, zu überprüfen (VG Magdeburg, Beschl. v. 15.07.2013, 8 B 10/13, juris). Hingegen ist es dem Disziplinargericht verwehrt, anstelle der Disziplinarbehörde eine eigene Ermessenserwägung anzustellen (OVG Saarland, Beschluss v. 18.05.2011, 6 B 211/11; juris).

51

b.) Welche Disziplinarmaßnahme im Einzelfall erforderlich ist, richtet sich gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 und 3 DG LSA nach der Schwere des Dienstvergehens und des unter Berücksichtigung der Persönlichkeit des Beamten eingetretenen Umfangs der durch das Dienstvergehen herbeigeführten Vertrauensbeeinträchtigung. § 13 Abs. 2 DG LSA bestimmt, dass ein Beamter, der durch ein schweres Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren hat, aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen ist (Satz 1). Die Feststellung des verloren gegangenen Vertrauens ist verwaltungsgerichtlich voll inhaltlich nachprüfbar (Satz 2).

52

Demnach ist maßgebendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der - späteren - Disziplinarmaßnahme die Schwere des Dienstvergehens. Sie beurteilt sich zum einen nach der Eigenart und Bedeutung der verletzten Dienstpflichten, Dauer und Häufigkeit der Pflichtenverstöße und den Umständen der Tatbegehung (objektive Handlungsmerkmale) und zum anderen nach Form und Gewicht des Verschuldens und den Beweggründen des Beamten für sein pflichtwidriges Verhalten (subjektive Handlungsmerkmale) sowie nach den unmittelbaren Folgen der Pflichtenverstöße für den dienstlichen Betrieb und für Dritte (vgl. zum gleichlautenden § 13 BDG, BVerwG, Urt. v. 20.10.2005, 2 C 12.04; Urt. v. 03.05.2007, 2 C 9.06; B. v. 10.09.2010, 2 B 97/09; VGH Baden-Württemberg, U. v. 16.09.2010, DL 16 S 579/10; alle juris).

53

Erst bei Würdigung der Gesamtpersönlichkeit des Beamten lässt sich mit der gebotenen Sicherheit beurteilen, ob der Beamte aus disziplinarrechtlicher Sicht noch erziehbar erscheint oder ob hierfür eine bestimmte Disziplinarmaßnahme als notwendig, aber auch als ausreichend erscheint, oder ob der Beamte für die Allgemeinheit und den Dienstherrn untragbar geworden ist und deshalb seine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis geboten ist (vgl. nur: VG Magdeburg, U. v. 04.11.2009, 8 A 19/08 m. w. N.; juris).

54

Eine objektive und ausgewogene Zumessungsentscheidung setzt demnach voraus, dass die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme unter Berücksichtigung der belastenden und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten steht und gewisse Besonderheiten des Einzelfalls mildernd zu berücksichtigen sind (vgl. BVerfG, Beschl. v. 08.12.2004, 2 BvR 52/02; BVerwG, U. v. 14.02.2007, 1 D 12.05 mit Verweis auf Urteil vom 20.10.2005, 2 C 12.04; OVG Lüneburg, U. v. 20.11.2009, 6 LD 1/09; VGH Bad.-Württ., U. v. 16.09.2010, DL 16 S 579/10; VG Saarland, U. v. 17.09.2010, 7 K 238/09; alle juris).

55

3.) Unter diesen rechtlichen Prüfungsvoraussetzungen folgt die Disziplinarkammer nach dem derzeitigen, sich aus der Begründung der Suspendierung und dem Aktenmaterial ergebenden Sach- und Rechtsstand der von dem Antragsgegner angestellten Prognoseentscheidung, dass mit der überwiegenden Wahrscheinlichkeit davon auszugehen ist, dass der Antragsteller ein derart schweres Dienstvergehen begangen hat, welches aufgrund des damit einhergehenden Verlustes des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit zu seiner Entfernung aus dem Dienst führen wird.

56

a.) Der Antragsgegner begründet die vorläufige Dienstenthebung maßgeblich damit, dass der Antragsteller durch seine Äußerungen und sein Verhalten gegen die ihm obliegenden beamtenrechtlichen Pflichten nach §§ 33 Abs. 1 Satz 3 (Verfassungstreue) und 34 Satz 3 (Wohlverhaltenspflicht) BeamtStG verstoßen habe.

57

Für die disziplinarrechtliche Beurteilung kommt es nicht entscheidend darauf an, ob das vorgeworfene Verhalten Straftatbestände (§§ 130, 189 StGB) erfüllt. Ein Dienstvergehen im Sinne von § 47 Abs. 1 BeamtStG liegt bereits vor, wenn ein Beamter schuldhaft die ihm obliegenden Dienstpflichten verletzt. Eine Dienstpflichtverletzung kann daher bereits dann gegeben sein, wenn der strafrechtliche Unrechtsgehalt nicht erfüllt wird. Denn das Disziplinarecht ist auf Pflichtenmahnung aufgrund der Besonderheiten des Status als Beamter angelegt (vgl.: VG Magdeburg, Urteil v. 29.03.2012, 8 A 9/09; juris).

58

Die dem Antragsteller vorgehaltenen Handlungen und insbesondere die schriftlichen Äußerungen, die zudem auf seiner Homepage im Internet öffentlich verbreitet wurden, sind geeignet, seine beamtenrechtliche Pflichten zur Verfassungstreue und zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes zu verletzen. Dabei handelt es sich auch um innerdienstliche Pflichtverletzungen (§ 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG), was den Vorwurf verschärft. Denn die Pflicht zum Eintreten für die freiheitlich-demokratische Grundordnung ist unteilbar und nicht auf den dienstlichen Raum beschränkt (BVerwG. U. v. 12.03.1986, 1 D 103.84; Bayr. VGH, U. v. 28.11.2001, 16 D 00.2077; VG Berlin, B. v. 05.04.2007, 80 Dn 53.06; alles juris).

59

b.) Für den Tatbestand der Ansehensschädigung ist es ausreichend, wenn ein Verhalten zur Beeinträchtigung von Achtung und Vertrauen geeignet ist, so dass eine tatsächliche Beeinträchtigung nicht erforderlich ist (BVerwG, U. v. 08.05.2011, 1 D 20.00; BVerfG, B. v. 05.12.2008, 1 BvR 1318/07; LAG Rheinland-Pfalz, U. v. 16.12.2010, 10 Sa 308/10; VG Magdeburg, Urteil v. 08.06.2011, 8 A 16/10 MD; alle juris).

60

c.) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschl. v. 22.05.1975, 2 BvL 13/73; juris) setzt die - für jede Art von Beamtenverhältnis geltende - Verfassungstreue bei Beamten mehr als nur eine formal-korrekte, im Übrigen uninteressierte, kühle sowie innerlich distanzierte Haltung gegenüber den wesentlichen Wertentscheidungen des Grundgesetzes voraus. Vielmehr ist der Beamte zur Aktivität verpflichtet, wie sich aus den Worten „bekennen“ und „eintreten“ ergebe. Das bloße Haben einer Überzeugung und die bloße Mitteilung, dass man diese habe, stellt dagegen keine Verletzung der politischen Treuepflicht dar. Der Tatbestand ist erst erfüllt, wenn der Beamte aus seiner politischen Überzeugung Folgerungen für seine Einstellung gegenüber der verfassungsmäßigen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland, für die Art der Erfüllung seiner Dienstpflichten, für den Umgang mit seinen Mitarbeitern oder für politische Aktivitäten im Sinne seiner politischen Überzeugung zieht (BVerwG, Beschluss v. 17.05.2001, 1 DB 15/01; VG Münster, Urteil v. 19.02.2013, 13 J 1160/12.O; beide juris). Die daraus resultierende Pflicht umfasst auch die Verpflichtung, alles zu unterlassen, was geeignet ist, den Anschein zu erwecken, verfassungsfeindliche Ansichten Dritter zu teilen oder zu fördern. Dabei darf sich der Beamte nicht passiv verhalten, da dies als stillschweigende Billigung des verfassungsfeindlichen Verhaltens gewertet werden könnte.

61

Ein Beamter ist im Interesse des Vertrauens der Öffentlichkeit in eine dem freiheitlichen demokratischen Rechtsstaat verpflichtenden Beamtenschaft insoweit gehalten, zu vermeiden, dass er durch sein Verhalten in vorhersehbarer und ihm daher zurechenbarer Weise den Anschein setzt, sich mit dem Nationalsozialismus selbst oder Kräften zu identifizieren oder auch nur mit ihnen zu sympathisieren, die der Nationalsozialismus durch geschichtlichen Revisionismus verharmlosen und verherrlichen. Denn im Interesse der Akzeptanz und der Legitimation staatlichen Handelns ist er verpflichtet, bereits den Schein der Identifikation mit einem dem freiheitlichen Rechtsstaat diametral entgegengesetzten Gedankengut und mit Bestrebungen zu vermeiden, die sich zu einem solchen Gedankengut bekennen. Schon das zurechenbare Setzen eines solchen Scheins stellt eine disziplinarrechtlich bedeutsame Dienstpflichtverletzung dar. Diese Annahme ist ohne Verstoß gegen die verfassungsrechtlich verbürgte Unschuldsvermutung dann möglich, wenn das „den bösen Schein“ begründende Verhalten geeignet ist, die Akzeptanz oder Legitimation staatlichen Handelns zu beeinträchtigen (vgl. VG Berlin, B. v. 25.10.2006, 7 A 79.06 zum Fall der Verbreitung einer rechtsradikalen Musik-CD; juris). Pflichtwidrig handelt zwar also auch der, der kein Gegner der freiheitlich demokratischen Grundordnung ist, durch konkretes Handeln aber diesen Anschein hervorruft (BVerwG, B. v. 17.05.2001, 1 DB 15.01; VG Berlin, B. v. 05.04.2007, 80 Dn 43.06; beide juris).

62

Die Leugnung des nationalsozialistischen Massenmordes an europäischen Juden in Gaskammern deutscher Konzentrationslager sowie die Behauptung die diesbezüglichen deutschen Verbrechen seien Lügen, verharmlost und verherrlicht den Nationalsozialismus und ist unvereinbar mit der Pflicht eines Beamten, aktiv für die geltende Verfassungsordnung einzutreten. Hierzu hat bereits der Disziplinargerichtshof Niedersachsen im Urteil vom 23.07.1984 (NdA A12 6.82; zitiert bei Bay. Verwaltungsgerichtshof, U. v. 28.11.2001, 16 D 00.2077; juris) ausgeführt:

63

„Die freiheitliche demokratische Grundordnung steht im scharfen Gegensatz zum Unrechtssystem des Nationalsozialismus. Die nähere Ausformung unserer Demokratie ist weitgehend geprägt durch die Erfahrungen mit dem vorangegangenen totalitären System. Der Einbau wirksamer rechtlicher Sicherungen dagegen, dass solche politischen Richtungen jemals wieder Einfluss auf den Staat gewinnen, beherrscht das Denken des Verfassungsgebers. Wer die vorangegangene Gewaltherrschaft zu rechtfertigen oder zu entschuldigen versucht, der untergräbt zugleich die Grundlagen unserer demokratischen Staatsordnung. Er bereitet damit den „Nährboden“ für eine Widerbelebung von totalitären Anschauungen, an der rechtsextremistischen Kreisen gelegen ist. Der von Hitler angeordnete systematische Massenmord an den Juden ist eines der zentralen Themen der Rechtsradikalen, da er das nationalsozialistische Regime am schwersten belastet. Kann die systematische Judenvernichtung als unwahr hingestellt oder die Bewertung als noch „in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung“ befindlich dargestellt werden, so ist die Bahn frei für Bestrebungen, den Nationalsozialismus zu rehabilitieren und als Alternative zur demokratischen Staatsform anzupreisen“.

64

Diese Ausführungen verdeutlichen auch aus heutiger Sicht den disziplinarrechtlichen Unrechtsgehalt derartiger NS-Propaganda.

65

d.) Für Dienstpflichtverletzungen der vorliegenden Art gibt es keine disziplinare Regelrechtsprechung, welche die Annahme der Entfernung aus dem Dienst prognostiziert. Denn die Handlungsbreite, in der Verletzungen der Pflicht zur Verfassungstreue und/oder eine Ansehensschädigung denkbar sind, ist zu groß, als dass sie einheitlichen Regeln unterliegen und in ihren Auswirkungen auf Achtung und Vertrauen gleichermaßen eingestuft werden könnten. Zu betrachten sind daher stets die besonderen Umstände des Einzelfalls unter Beachtung der bisherigen Rechtsprechung der Disziplinargerichte (VG Berlin, B. v. 05.04.2007, 80 Dn 43/06; juris).

66

So hat das Verwaltungsgericht Magdeburg bezüglich eines beamtenrechtlichen Verbotes der Führung der Dienstgeschäfte wegen der Äußerung eines Justizvollzugsbeamten: „Die kann man nicht mehr behandeln, die kann man nur noch vergasen“, eine Ansehensschädigung des Justizvollzugsdienstes und des gesamten Berufsbeamtentums angenommen (B. v. 16.11.2009, 5 B 279/09 MD, bestätigt durch OVG LSA, B. v. 22.12.2009, 1 M 87/09; beide juris). In seinem Urteil vom 01.12.2011 (8 A 18/10 MD; juris) stellt die Disziplinarkammer fest, dass auch ein Nichteinschreiten eines ehrenamtlichen Bürgermeisters gegen eine in seinem Beisein vorgenommene Handlung des Straftatbestandes der Volksverhetzung (Sommersonnenwendfeier, Bücherverbrennung) eine beamtenrechtliche Pflichtenverletzung hinsichtlich des Wohlverhaltens darstellen kann und wegen der Besonderheiten im Einzelfall keine Entfernung ausgesprochen. Das Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt hat in einem Urteil vom 15.04.2010 (10 L 4/09; n. v.) hinsichtlich eines Polizeivollzugsbeamten, welcher zu einem Angelausflug unter der Überschrift „Operation Weserübung“ (Tarnname für den Überfall der deutschen Wehrmacht auf Norwegen), eingeladen hat die vom erkennenden Disziplinargericht (Urteil v. 10.11.2009, 8 A 11/09 MD; n. v.) festgestellte Ansehensschädigung bestätigt, die ausgesprochene Degradierung aber in eine Gehaltskürzung abgemildert. Zuletzt hat das Disziplinargericht entschieden, dass die Äußerung eines Polizeibeamten „halte die Hand wie beim bösen Adolf“ bei der erkennungsdienstlichen Behandlung wegen der damit bezweckten Assoziation zum Hitlergruß eine Ansehensschädigung des Berufs der Polizeibeamten darstellt und der Verstoß gegen die Wohlverhaltenspflicht mit einer Geldbuße belegt werden darf (VG Magdeburg, Urteil v. 23.01.2013, 8 A 21/12; juris).

67

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat im Fall eines Lehrers (U. v. 28.11.2001, 16 D 00.2077; juris), nachdem er bereits wegen Verharmlosung des Nationalsozialismus disziplinarrechtlich mit einer Degradierung belastet war aufgrund der Vorbelastung und dem Wiederholungsfall und nach Feststellung völliger Uneinsichtigkeit die Entfernung aus dem Dienst verhängt. Hinsichtlich der Berufsgruppe der Polizeibeamten sind vorwiegend disziplinarrechtliche Entscheidungen mit dem Disziplinarmaß der Zurückstufung bzw. Degradierung unter Berücksichtigung des Vorliegens von Entlastungs- und Milderungsgründen zu finden (vgl. Bay. VGH, U. v. 11.07.2007, 16 a D 06.2094 mit Bestätigung des VG München, U. v. 26.06.2006, M 19 D 06.1360; beide juris).

68

Das Bundesverwaltungsgericht hob die vorläufige Dienstenthebung eines BGS-Beamten (Beschluss vom 17.05.2001, 1 DB 15/01; juris) auf, weil eine Entfernung aus dem Dienst allein wegen des Verstoßes gegen die beamtenrechtliche Wohlverhaltenspflicht nicht in Betracht kommt.

69

Der Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts hat in dem Beschluss vom 18.11.2003 (2 WDB 2.03; juris) die vorläufige Dienstenthebung wegen des Einbringens zahlreichen NS-Propagandamaterials in dienstliche Einrichtungen und Unterkünfte aufrechterhalten.

70

Das Verwaltungsgericht Münster beschäftigte sich jüngst im Urteil vom 19.02.2013 (13 K 1160/12.0; juris) mit der beamtenrechtlichen Verfassungstreuepflicht und der Wohlverhaltenspflicht bei der Teilnahme an der „Rechten Szene“ zuzuordnenden Veranstaltungen und verweist auf die Meinungs- und Versammlungsfreiheit des Beamten, was bei der Auswahl der Disziplinarmaßnahme zu berücksichtigen ist.

71

Auch das VG Berlin sah in dem Beschluss vom 05.04.2007 (80 D n 43/06; juris) aufgrund des Vorliegens von Entlastungs- und Milderungsgründen bei einem Polizeibeamten trotz des disziplinarrechtlichen Pflichtenverstoßes Milderungsgründe, die den Ausspruch der Höchstmaßnahme nicht erwarten ließen, so dass die vorläufige Dienstenthebung aufgehoben wurde.

72

e.) Unter Berücksichtigung dieser in der disziplinarrechtlichen Rechtsprechung zu findenden Fallgestaltungen und der hier im Einzelfall erforderlichen Abwägung sieht das Disziplinargericht die nach § 61 Abs. 2 DG LSA zur Aufhebung der vorläufigen Dienstenthebung führenden ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit nicht. Denn die vom Antragsgegner getroffene Prognose der späteren - im Übrigen vom Disziplinargericht auszusprechenden - Dienstentfernung begegnet keinen ernstlichen Zweifeln und hält der gerichtlichen Überprüfung stand. Die Verfügung zur vorläufigen Dienstenthebung erscheint nicht als verfrüht und wird von den bisherigen disziplinarrechtlichen Ermittlungen und sonstigen tatsächlichen Erkenntnissen getragen. Zwar müssen gerade schwerwiegende Dienstpflichtverletzungen die den Ausspruch der disziplinarrechtlichen Höchstmaßnahme rechtfertigen, einen sorgfältigen Ermittlungs- und Begründungsaufwand genügen, zumal diese schließlich am Ende der Ermittlungen zur Disziplinarklage führen sollen. Das Disziplinargericht weist aber darauf hin, dass in dem jetzigen Stadium der vorläufigen Dienstenthebung das Dienstvergehen gerade noch nicht bewiesen sein muss (vgl. oben II. 2. a.)

73

So reichen die dem Antragsteller vorgehaltenen Äußerungen bereits zum gegenwärtigen Zeitpunkt aus, um mit der hinreichenden überwiegenden Wahrscheinlichkeit die Prognose anzunehmen, dass bei Weiterermittlung im disziplinarrechtlichen Verfahren und unter Verwendung aller diesbezüglichen Aufklärungsmöglichkeiten sowie unter Berücksichtigung der vom Bundesverwaltungsgericht in seiner Rechtsprechung herausgestellten besonderen Bedeutung der Entlastungs- und Milderungsgründe tatsächlich die Entfernung aus dem Dienst ansteht. Ohne jeden Zweifel haben sich die Überzeugungen des Antragstellers in nachdrücklich vertretenen ablehnenden Einstellungen zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung manifestiert. Dabei sind jedenfalls derzeit keine gewichtigen Milderungs- und Entlastungsgründe erkennbar, die eine andere Prognose zu rechtfertigen vermögen. Zudem hat sich der Antragsteller im gerichtlichen Verfahren über die Frage der formellen Rechtmäßigkeit der Verfügung hinaus nicht geäußert, so dass seine Motivation nur aus seinen behördlichen Stellungnahmen und seiner Artikulation in seinem Blog selbst abgeleitet werden kann.

74

Ausweislich seines auf seiner inzwischen gesperrten Homepage veröffentlichten „Programms“ und seiner Stellungnahmen im Disziplinarverfahren sieht er sich zwar (nur) als „Aufklärer“ der von ihm zahlreich gesehenen politischen und gesellschaftlichen „Missstände“ in Deutschland und zieht Parallelen zu üblichen und undemokratischen Handlungen in der Ukraine, Russland oder China. Zugleich glorifiziert er die NPD, kandidierte für diese und trat aus der SPD, zu deren Gründungsmittgliedern er in Sachsen-Anhalt zählte, aus. Dabei bedient er sich dem Gedankengut nicht auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung stehender rechtspopulistischer Parteien und Bestrebungen, obwohl er sich selbst als Demokrat bezeichnet und insbesondere demokratische Strukturen anmahnt. Dies gilt auch hinsichtlich der Feststellung der genauen Anzahl der in Auschwitz von den Nationalsozialisten in den Gaskammern umgebrachter Juden. Dabei ist nicht entscheidend, ob der Antragsteller die Vernichtung der Juden als Tatsache in Frage stellen will, sondern deren genaue Anzahl, um daraus den Beleg für die seiner Auffassung nach bestehende „Verlogenheit des Systems“ zu ziehen. Verheerend bei dieser Art der Publikation ist, dass etwaige historische Fehlinterpretationen – nämlich die genaue Anzahl der von den Nationalsozialisten vernichteten Menschen – und nicht das historisch belegte Vernichtungsprogramm herausgehoben werden. Dies ist geeignet, die Tatsache als solche – hier die systematische Vernichtung der Juden – in Frage zu stellen (Revisionismus). Der Antragsteller hingegen stellt in diesem Zusammenhang die Behauptung auf: „Für mich steht fest: Die seit der Kindheit gelernten deutschen Verbrechen sind Lügen!“ Gleiches gilt für seine Interpretationsversuche hinsichtlich der Hintergründe der Ermordung Walter Rathenaus oder dem Gedenken an Graf von Stauffenberg. Nahezu jedes politisch, historisch oder gesellschaftlich relevante Thema und jede daraus resultierende Person wird von dem Antragsteller unter seinem rechtspopulistischen Blickwinkel ausgiebig behandelt und bizarr verzehrt dargestellt. Diese Äußerungen sind auch nicht mehr als von der Meinungsfreiheit gedeckt anzusehen. Denn insoweit trifft den Beamten ebenso eine Zurückhaltungs- und Mäßigungspflicht (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss v. 04.03.2013, 3 A 10105/13; VG Münster, Urteil v. 19.02.2013, 13 K 1160/12.O; VG Magdeburg, Urteil v. 14.02.2012, 8 A 6/11; alle juris).

75

Aufgrund solcher Äußerungen setzt der Antragsteller in vorhersehbarer und ihm daher zurechenbarer Weise zumindest und zweifellos den Anschein, sich mit dem Nationalsozialismus selbst oder Kräften zu identifizieren oder auch nur mit ihnen zu sympathisieren, die den Nationalsozialismus durch geschichtlichen Revisionismus verharmlosen und verherrlichen. Dabei handelt es sich bei den dem Antragsteller vorgehaltenen Äußerungen auch nicht nur um einmalige oder hinsichtlich der Zeitspanne kurzfristige Ausrutscher oder aus dem Zusammenhang gerissene Zitate. Denn schon das Studium der dem Disziplinargericht vorliegenden Inhalte des vom Antragsteller betriebenen Blogs auf seiner Homepage belegen über die von der Suspendierungsverfügung als Belege herausgegriffenen Äußerungen des Antragstellers hinaus, die durchgehende, über einen längeren Zeitraum erfolgte und ausnahmslose Artikulierung des Antragstellers in dem Sinne, nicht für die in § 33 Abs. 1 Satz 3 (freiheitlich-demokratische Grundordnung) und § 34 Satz 3 BeamtStG (Ansehen und Wohlverhalten) beschriebenen Dienstpflichten einstehen zu wollen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Antragsteller ausweislich seiner Stellungnahme im Ermittlungsverfahren angezeigt hat, keine Zurückhaltung üben zu wollen. Gemäß der Vorgehensweise rechtspopulistischer Bestrebungen äußert sich der Antragsteller bei jeder sich bietenden Gelegenheit unter Verwendung aller möglichen Medien, um so sein Gedankengut zu verbreiten. Der gesamte Blog und nahezu jede Äußerung innerhalb des Chats kann hierzu als Beleg herangezogen werden. Auszugsweise sei über die Ausführungen in dem Suspendierungsbescheid nur ergänzend genannt (18.10.2012):

76

„Die NeoNazis sind doch die Einzigen in Deutschland, die dieses land und seine Kultur am Leben erhalten wollen – Sie scheindeutscher Falschmünzer! Seit Jahrzehnten und entgegen dem erbitterten Widerstand Ihres Mainstreams. Und darum kann und muss jeder aufrechte und vernünftige Deutsche sie unterstützen. DAS ist wirklich alternativlos!“.

77

Aufgrund derartiger Handlungen und Äußerungen wird der Antragsteller fortgesetzt nicht dem Vertrauen als aktiver Verteidiger der verfassungsgemäßen Ordnung gerecht, welches ihm von seinem Dienstherrn aber auch und gerade von der Allgemeinheit zur Ausübung seines Amtes entgegen gebracht wurde. Dies gilt auch unter Beachtung der Tatsache, dass der Antragsteller in das Amt des Ortsbürgermeisters gewählt wurde. Denn als Repräsentant seines Ortes und Vertreter staatlicher Ordnung verletzt er vehement und stetig seine politische Treuepflicht und begeht zudem eine Schädigung des Ansehens des Amtes des Ortsbürgermeisters. In diesen Fällen kommt disziplinarrechtlich die Lösung aus dem Beamtenverhältnis in Betracht.

78

d.) Hingegen kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt die Prognoseentscheidung nicht auf eine angeblich vom Antragsteller verfasste E-Mail an den NPD-Landesvorsitzenden … gestützt werden, wonach der Antragsteller unter Ausnutzung seines Amtes als Ortsbürgermeister die zur Verfügungstellung eines Veranstaltungsraumes in seinem Ort bzw. der Gemeinde in Aussicht gestellt habe. Denn das Verfassen dieser E-Mail wird vom Antragsteller bestritten und als Fälschung bezeichnet. Dem ist im Ermittlungsverfahren weiter nachzugehen und kann nicht als bloße Schutzbehauptung abgetan werden. Denn bei der in dem Disziplinarvorgang enthaltenen E-Mail handelt es sich nicht um die Original Nachricht, sondern ausweislich der Kennung um eine auf der Homepage der „Tageszeitung“ publizierten Veröffentlichung. Auch ist nicht ersichtlich, wie der Antragsgegner in den Besitz der E-Mail gelangt ist.

79

4.) Die Kostenentscheidung beruht auf § 72 Abs. 4, 73 Abs. 1 DG LSA, 154 Abs. 1 VwGO.


Tenor

Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 14. November 2013 ergangenen Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam wird zurückgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 500 000 € festgesetzt.

Gründe

I

1

Die Kläger begehren gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG i.V.m. § 1 Abs. 1 VwVfG Bbg wegen neuer Beweismittel das Wiederaufgreifen des durch Bescheid des Landesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen vom 11. August 1998 und Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 8. Juni 2000 - VG 1 K 3767/98 - rechtskräftig abgeschlossenen vermögensrechtlichen Verfahrens betreffend das frühere Rittergut B. in D. Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit dem aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 14. November 2013 ergangenen Urteil als unbegründet abgewiesen und die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen.

II

2

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision hat keinen Erfolg.

3

1. Die von den Klägern erhobene Divergenzrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) ist nicht begründet.

4

Die geltend gemachte Abweichung ist nicht ersichtlich. Der in der Beschwerdebegründung (S. 24, 2. Absatz) bezeichnete Rechtssatz („Wenn eine Behörde ein rechtlich maßgebliches, erreichbares oder vorliegendes Beweismittel im inzwischen rechtskräftig abgeschlossenen Ausgangsverfahren seiner Entscheidung nicht zugrunde gelegt hatte, so kann es gegen einen späteren Wiederaufgreifensantrag, der sich auf das fragliche Beweismittel stützt, nicht einwenden, dieser sei verspätet oder mit einem Beweismittel erfolgt, das bereits damals vorgelegen habe."), von dem das angegriffene Urteil des Verwaltungsgerichts abweichen soll, findet sich weder wörtlich noch sinngemäß in dem angeführten Urteil des 7. Senats des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. Juli 1989 - BVerwG 7 C 78.88 - (BVerwGE 82, 272 <277>), insbesondere nicht an der angegebenen Stelle (S. 277).

5

Diese Entscheidung befasst sich zwar mit dem Begriff des „neuen Beweismittels" im Sinne von § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG. In ihr legt das Bundesverwaltungsgericht dar, dass zu den Beweismitteln, die die Überzeugung von der Existenz von Tatsachen begründen können, auch Werturteile zählen, über die wie über sonstige Tatsachen Beweis erhoben werden kann, sofern sie nicht unmittelbar zur Bestimmung des Inhalts einer Rechtsnorm dienen (a.a.O. S. 276). Ferner wird darin ausgeführt, ein nach Abschluss des Verwaltungsverfahrens gefertigtes, Bewertungen enthaltendes Schriftstück dürfe daher im Wiederaufgreifens-verfahren nicht ohne Weiteres mit der Begründung zurückgewiesen werden, es sei kein neues Beweismittel, weil Neuheit nur dem Werturteil, nicht aber dem bewerteten Faktum zuzusprechen sei (a.a.O. S. 276, 1. Absatz a.E.). Nach ständiger Rechtsprechung könne ein Sachverständigengutachten nur dann als neues Beweismittel gelten, wenn es selbst auf neuen Beweismitteln beruhe (a.a.O. S. 277). Die Auffassung, dass fachliche Meinungen, wissenschaftliche Ansichten und bloße Folgerungen sachkundiger Personen für sich gesehen nicht genügten, um als Gegenstand neuer Beweismittel einen Anspruch auf Wiederaufgreifen zu begründen, finde, so das Bundesverwaltungsgericht, letztlich ihre Rechtfertigung in der Forderung des § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG, dass das neue Beweismittel eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde (a.a.O. S. 277, letzter Absatz).

6

Diesen abstrakten Rechtssätzen widerspricht der in der Beschwerdebegründung (S. 25) angeführte Rechtssatz („... Ist Antragstellervortrag oder sind entsprechende Tatsachen im rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren aktenkundig gewesen, so steht das im späteren Wiederaufgreifensverfahren der Berufung auf den Beweis solcher Tatsachen auch dann im Wege, wenn diese Tatsachen im damaligen Behörden- und Gerichtsverfahren nicht gewürdigt wurden."), der sich im angegriffenen Urteil finden soll, nicht. Jedenfalls legen die Kläger nicht nachvollziehbar dar, worin die angeführten Rechtssätze einerseits des Bundesverwaltungsgerichts und andererseits des Verwaltungsgerichts konkret voneinander abweichen sollen. Angesichts dessen kann offenbleiben, ob sich der in der Beschwerdebegründung (S. 25) von den Klägern formulierte Rechtssatz überhaupt mit diesem Inhalt im angegriffenen Urteil des Verwaltungsgerichts findet.

7

Soweit das Beschwerdevorbringen dahingehend verstanden werden sollte, dass die Kläger eine unrichtige Anwendung des von ihnen angeführten, vom Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 28. Juli 1989 vermeintlich formulierten Rechtssatzes rügen, vermag dies eine Zulassung der Revision wegen Divergenz ohnehin nicht zu begründen.

8

2. Die Rechtssache hat auch nicht die grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), die ihr die Beschwerde beimisst.

9

Grundsätzlich bedeutsam im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache nur dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden entscheidungserheblichen und klärungsbedürftigen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist (stRspr, vgl. u.a. Beschluss vom 9. September 2011 - BVerwG 8 B 15.11 - ZOV 2011, 226). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

10

Die Klägerin wirft die Frage als grundsätzlich klärungsbedürftig auf:

„Macht es eine Zeugenaussage zu einem i.S.d. § 51 Abs. 1 Ziffer 2 VwVfG unverwertbaren Beweismittel, wenn diese Aussagen zu nicht entscheidungserheblichen Tatsachen enthält, die teilweise im Widerspruch zur Aktenlage stehen, wenn die Zeugenaussage im Übrigen glaubhafte Aussagen zu den entscheidungserheblichen Aspekten enthält?

11

Diese Frage lässt sich nicht verallgemeinerungsfähig beantworten. Sie ist im Übrigen auch nicht entscheidungserheblich und im angestrebten Revisionsverfahren nicht klärungsfähig. Denn das Verwaltungsgericht ist in Würdigung des Vorbringens der Kläger - unabhängig („Abgesehen davon .") von der anschließend diskutierten und verneinten Frage der inhaltlichen Richtigkeit („Fehlerhaftigkeit") der Aussage des Herrn N. - bereits zu der entscheidungstragenden Feststellung gelangt, dass die Kläger im Wiederaufgreifensverfahren mit dem Schreiben des Herrn N. kein neues Beweismittel im Sinne von § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG vorgelegt haben. Das Verwaltungsgericht hat dies im Einzelnen näher begründet (UA S. 6). In tatsächlicher Hinsicht sind dagegen mit der Beschwerde keine begründeten Rügen geltend gemacht worden (vgl. dazu unten 3.).

12

Aufgrund dessen stellt sich die als rechtsgrundsätzlich aufgeworfene Frage nicht, unter welchen Voraussetzungen eine Zeugenaussage dann „unverwertbar" ist, wenn sie Aussagen zu nicht entscheidungserheblichen Tatsachen enthält, die teilweise im Widerspruch zur Aktenlage stehen, und wenn die Zeugenaussage im Übrigen glaubhafte Aussagen zu den entscheidungserheblichen Aspekten enthält.

13

3. Das angefochtene Urteil beruht schließlich auch nicht auf dem behaupteten Verfahrensmangel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) eines Verstoßes gegen § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO („Überzeugungsgrundsatz"). Wie oben ausgeführt, ist das angegriffene Urteil nicht selbstständig tragend auf die Anmahnung einer „Fehlerhaftigkeit" der Aussage des Zeugen N. gestützt. Davon abgesehen liegt auch keine Verletzung des § 108 Abs. 1 VwGO vor. Nach § 108 Abs. 1 VwGO hat das Gericht seiner Überzeugungsbildung das Gesamtergebnis des Verfahrens zugrunde zu legen. Es darf nicht einzelne erhebliche Tatsachen oder Beweisergebnisse aus seiner Würdigung ausblenden. Im Übrigen darf es zur Überzeugungsbildung die ihm vorliegenden Tatsachen und Beweise frei würdigen. Die Einhaltung der verfahrensrechtlichen Grenzen zulässiger Sachverhalts- und Beweiswürdigung ist deshalb nicht schon dann in Frage gestellt, wenn ein Beteiligter das vorliegende Tatsachenmaterial anders würdigt oder aus ihm andere Schlüsse ziehen will als das Gericht. Diese Grenzen sind erst dann überschritten, wenn es nach seiner Rechtsauffassung entscheidungserheblichen Akteninhalt übergeht oder aktenwidrige Tatsachen annimmt, oder wenn die von ihm gezogenen tatsächlichen Schlussfolgerungen gegen die Denkgesetze verstoßen (stRspr, vgl. Beschluss vom 17. Mai 2011 - BVerwG 8 B 88.10 - juris; Urteil vom 30. August 2012 - BVerwG 8 C 5.11 - Buchholz 428 § 1 Abs. 1 VermG Nr. 28 = ZOV 2012, 361). Die Beweiswürdigung des Tatsachengerichts darf vom Revisionsgericht nicht daraufhin überprüft werden, ob sie überzeugend ist, ob festgestellte Einzelumstände mit dem ihnen zukommenden Gewicht in die abschließende Würdigung des Sachverhalts eingegangen sind und ob solche Einzelumstände ausreichen, die Würdigung zu tragen. Solche Fehler sind revisionsrechtlich regelmäßig nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem materiellen Recht zuzuordnen und können einen Verfahrensmangel im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO deshalb grundsätzlich nicht begründen (stRspr, vgl. u.a. Beschluss vom 8. April 2008 - BVerwG 9 B 13.08 - Buchholz 451.29 Schornsteinfeger Nr. 44 Rn. 10).

14

So liegt der Fall hier. Das Verwaltungsgericht hat die Aussage des Zeugen N. mit weiteren vorliegenden Beweismitteln abgeglichen und ist dabei im Rahmen seiner Beweiswürdigung zu dem im Urteil dargelegten (UA S. 7, vorletzter Absatz) Ergebnis gelangt. In der Beschwerdebegründung wird nicht nachvollziehbar dargelegt, dass es dabei unter Zugrundelegung seiner Rechtsauffassung entscheidungserheblichen Akteninhalt übergangen oder aktenwidrige Tatsachen angenommen hat oder dass die von ihm gezogenen tatsächlichen Schlussfolgerungen gegen die Denkgesetze verstoßen.

15

4. Da das angegriffene Urteil des Verwaltungsgerichts entscheidungstragend auf das Fehlen eines Wiederaufgreifensgrundes im Sinne von § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG gestützt ist und die dagegen geltend gemachten Zulassungsgründe nicht durchgreifen, kommt es auf die von den Klägern des Weiteren geltend gemachten Zulassungsrügen gegen die - dem Sinne nach - hilfsweise angeführten Gründe des Verwaltungsgerichts zum Fehlen der materiellen Voraussetzungen einer Rückübertragung des begehrten Rittergutes (im Hinblick auf die vom Verwaltungsgericht angenommene fehlende faktische Enteignung des Rittergutes vor dem 8. Mai 1945, zur Anwendbarkeit des § 1 Abs. 8 VermG auf Eigentumsentziehungen durch sowjetische Organe vor dem 8. Mai 1945 sowie zur Nichtanwendbarkeit des § 1 Abs. 6 VermG auf diese) nicht mehr an.

16

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, § 52 Abs. 1 und 4 Nr. 3 GKG. Sie orientiert sich an der Entscheidung des Verwaltungsgerichts, gegen die die Beteiligten keine Einwände erhoben haben.

(1) Die für die Erhebung der Disziplinarklage zuständige Behörde kann einen Beamten gleichzeitig mit oder nach der Einleitung des Disziplinarverfahrens vorläufig des Dienstes entheben, wenn im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis oder auf Aberkennung des Ruhegehalts erkannt werden wird oder wenn bei einem Beamten auf Probe oder einem Beamten auf Widerruf voraussichtlich eine Entlassung nach § 5 Abs. 3 Satz 2 dieses Gesetzes in Verbindung mit § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder § 37 Abs. 1 Satz 1 des Bundesbeamtengesetzes erfolgen wird. Sie kann den Beamten außerdem vorläufig des Dienstes entheben, wenn durch sein Verbleiben im Dienst der Dienstbetrieb oder die Ermittlungen wesentlich beeinträchtigt würden und die vorläufige Dienstenthebung zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Disziplinarmaßnahme nicht außer Verhältnis steht.

(2) Die für die Erhebung der Disziplinarklage zuständige Behörde kann gleichzeitig mit oder nach der vorläufigen Dienstenthebung anordnen, dass dem Beamten bis zu 50 Prozent der monatlichen Dienst- oder Anwärterbezüge einbehalten werden, wenn im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis oder auf Aberkennung des Ruhegehalts erkannt werden wird. Das Gleiche gilt, wenn der Beamte im Beamtenverhältnis auf Probe oder auf Widerruf voraussichtlich nach § 5 Abs. 3 Satz 2 dieses Gesetzes in Verbindung mit § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder § 37 Abs. 1 Satz 1 des Bundesbeamtengesetzes entlassen werden wird.

(3) Die für die Erhebung der Disziplinarklage zuständige Behörde kann gleichzeitig mit oder nach der Einleitung des Disziplinarverfahrens anordnen, dass dem Ruhestandsbeamten bis zu 30 Prozent des Ruhegehalts einbehalten werden, wenn im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Aberkennung des Ruhegehalts erkannt werden wird.

(4) Die für die Erhebung der Disziplinarklage zuständige Behörde kann die vorläufige Dienstenthebung, die Einbehaltung von Dienst- oder Anwärterbezügen sowie die Einbehaltung von Ruhegehalt jederzeit ganz oder teilweise aufheben.

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 6. März 2009 - 7 L 23/09 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.

Gründe

Die gemäß § 67 Abs. 1 und Abs. 3 SDG i.V.m. § 146, 147 VwGO statthafte Beschwerde, die fristgerecht erhoben und begründet wurde (§ 67 Abs. 3 SDG i.V.m. § 147 Abs. 1, 146 Abs. 4 VwGO) bleibt in der Sache ohne Erfolg.

Zu Recht hat das Verwaltungsgericht den gemäß § 63 Abs. 1 Satz 1 SDG zulässigen Antrag auf Aussetzung der mit Bescheid des Antragsgegners vom 17.12.2008 angeordneten vorläufigen Dienstenthebung der Antragstellerin mangels ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides (§ 63 Abs. 2 SDG) zurückgewiesen.

Dem Verwaltungsgericht ist darin zuzustimmen, dass im konkreten Disziplinarverfahren und nach dem derzeitigen, im vorliegenden Verfahren zugrunde zu legenden Sach- und Streitstand eine überwiegende Wahrscheinlichkeit die Prognose rechtfertigt, dass gegenüber der Antragstellerin die Verhängung der Höchstmaßnahme zu erwarten ist.

Die im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Einwendungen führen nicht zu einer abweichenden Einschätzung. Bei dem aktuell erkennbaren Sach- und Streitstand

zur Maßgeblichkeit des Zeitpunkts der gerichtlichen Entscheidung vgl. BayVGH, Beschluss vom 13.11.2008 - 16b DS 08.704 - zitiert nach Juris

ist davon auszugehen, dass der hinreichende Verdacht besteht, dass die Antragstellerin ein - innerdienstliches - Dienstvergehen begangen hat, das mit überwiegender Wahrscheinlichkeit die Verhängung der Höchstmaßnahme erfordern wird (§ 38 Abs. 1 SDG). Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der vorläufigen Dienstenthebung (§ 63 Abs. 2 SDG) bestehen nach wie vor nicht.

Zunächst ist dem Verwaltungsgericht darin zuzustimmen, dass nach Aktenlage derzeit alles dafür spricht, dass die Antragstellerin ein schweres Dienstvergehen begangen hat, indem sie ab März 2008 zu einem Strafgefangenen eine persönliche Beziehung unterhielt und indem sie die insoweit bestehenden Melde- und Offenbarungspflichten gegenüber der Anstaltsleitung nicht erfüllte.

Die Antragstellerin bestreitet das Vorliegen einer persönlichen Beziehung nicht, hält der Argumentation des Verwaltungsgerichts aber entgegen, es stelle schon einen Fehler dar, bei dieser Beurteilung die objektiv in der Vergangenheit vorhanden gewesene Beziehung zu dem Strafgefangenen in zwei Abschnitte zu unterteilen, ohne Aussagen zu den vorgetragenen subjektiven Tatbestandsmerkmalen zu machen.

Der Einwand ist nicht gerechtfertigt. Weder ist die vorgenommene Strukturierung des Sachverhalts zu beanstanden, noch liegt eine nicht ausreichende Berücksichtigung der vorgetragenen subjektiven Umstände vor.

Die vom Verwaltungsgericht vorgenommene zeitliche Abschnittsbildung knüpft im Gegenteil gerade an die von der Antragstellerin geltend gemachten subjektiven Umstände an. Entsprechend den von der Antragstellerin vorgetragenen unterschiedlichen subjektiven Merkmalen der unstreitig von Februar/März 2008 bis Ende Oktober 2008 existent gewesenen Beziehung zwischen ihr und dem Strafgefangenen unterscheidet das Verwaltungsgericht einen ersten Abschnitt der Beziehung von Februar/März 2008 bis etwa Juni/Juli 2008, bei dem es sich um ein einvernehmliches (freiwilliges) Verhältnis mit Merkmalen von Verliebtheit gehandelt habe, und einen zweiten Abschnitt von etwa Juni/Juli 2008 bis Ende Oktober 2008, bei dem es sich um ein unfreiwilliges Verhältnis gehandelt habe, welches die Antragstellerin nur fortgeführt habe, weil sie von dem Strafgefangenen unter Druck gesetzt worden sei.

Zugunsten der Antragstellerin wird damit - ebenso wie in dem Bescheid des Antragsgegners vom 17.12.2008 - bei einem hinsichtlich der subjektiven Merkmale der Beziehung im zweiten Abschnitt noch nicht abschließend geklärten Sachverhalt nur deren eigene Sachverhaltsdarstellung als entscheidungsrelevant zugrunde gelegt.

Zu Recht hat das Verwaltungsgericht auf dieser Sachverhaltsgrundlage - differenziert nach den Zeitabschnitten - sowohl einen vorsätzlichen Verstoß gegen die sogenannte Wohlverhaltenspflicht gemäß § 68 Satz 3 des Saarländischen Beamtengesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. Dezember 1996 (Amtsbl. 1997 S. 301), zuletzt geändert durch das Gesetz vom 19. November 2008 (Amtsbl. S. 1930) - gültig bis zum 31.3.2009 - (SBG a.F.), als auch vorsätzliche Verstöße gegen die Pflicht zur Zurückhaltung gegenüber einem Strafgefangenen und gegen die Meldepflicht gemäß § 69 Satz 2 SBG a.F. i.V.m. Nr.1, Nr. 2 Abs. 1 und Nr. 9 der Dienst- und Sicherheitsvorschriften für den Strafvollzug (DSVollz) angenommen und das Vorliegen von Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründen - auch hier differenziert nach den beiden Zeitabschnitten - verneint.

Insbesondere hinsichtlich der Berücksichtigung der von der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren thematisierten subjektiven Umstände ist dem Verwaltungsgericht darin zuzustimmen, dass auch eine tatsächliche Verliebtheit in dem ersten, nach ihrer eigenen Darstellung von Freiwilligkeit und Zuwendung seitens der Antragstellerin geprägten ersten Abschnitt der Beziehung keine Rechtfertigung oder Entschuldigung der Verletzung der Dienstpflichten zur Wahrung der Distanz und zur Meldung und Offenbarung gegenüber der Anstaltsleitung zur Folge haben konnte. Gerade für den ersten Abschnitt der Beziehung in der Zeit von Februar/März 2008 bis Juni/Juli 2008 ist derzeit kein Grund ersichtlich, welcher es der Antragstellerin unmöglich gemacht oder unzumutbar erschwert haben könnte, die dienstpflichtgemäße Handlungsalternative der Wahrung des Distanzgebotes gegenüber dem Gefangenen zu wählen. Ebenso war es weder unmöglich noch unzumutbar, die dienstpflichtgemäße Handlungsalternative der Meldung und Offenbarung der Vorgänge gegenüber ihren Vorgesetzten zu wählen.

Zwar hat die Antragstellerin in der Beschwerdebegründung ausgeführt, sie habe „zu Beginn der Beziehung unter einem hohen psychischen Druck“ gestanden. Auch hat sie in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht eine psychologisch-psychotherapeutische Stellungnahme des behandelnden Psychotherapeuten vom 12.1.2009 vorgelegt. Es ist aber weder nach dem Vortrag der Antragstellerin noch nach der Aktenlage im Übrigen noch nach der psychologisch-psychotherapeutischen Stellungnahme vom 12.1.2009 auch nur ansatzweise nachvollziehbar, inwieweit die Antragstellerin bereits „zu Beginn der Beziehung“, d.h. im Februar/März 2008 unter einem hohen, erst recht unter einem ihre Wahl- und Willensfreiheit ausschließenden psychischen Druck gestanden haben könnte. Nach der eigenen Darstellung der Antragstellerin gestaltete sich vielmehr gerade der erste Abschnitt ihrer Beziehung zu dem Strafgefangenen über einen Zeitraum von immerhin drei bis vier Monaten positiv im Sinne von Zuwendung und Verliebtheit („mit dem Austausch von Zärtlichkeiten und Briefen“).

Die vorgelegte psychologisch-psychotherapeutische Stellungnahme vom 12.1.2009 hat aus der Sicht des Senats zunächst für die Beurteilung des psychischen Zustandes der Antragstellerin „zu Beginn der Beziehung“ keinen hinreichenden Erkenntniswert. Zum einen lassen die inhaltlichen Ausführungen zu dem psychischen Zustand der Antragstellerin eine zeitliche Zuordnung desselben nicht zu. Und zum anderen bestehen durchgreifende Zweifel daran, dass der Stellungnahme eine annähernd realistische Sachverhaltsschilderung im Therapiekontext zugrunde lag.

Im Rahmen seiner Ausführungen thematisiert der Psychologe zunächst die Vorbehandlung der Antragstellerin, die wegen außerdienstlicher Ereignisse im Jahre 2005 zu einem nicht genannten Zeitpunkt aufgenommen wurde. Hierzu sind - ebenfalls ohne zeitlichen Bezug - verschiedene Diagnosen genannt. Von einer Psychotherapie wird berichtet, die aber „im Frühjahr 2008“ unterbrochen wurde. Zur Einschätzung der hier relevanten Geschehnisse ist ohne Hinweis darauf, wann die Behandlung wieder aufgenommen wurde, und damit, aus welcher zeitlichen Perspektive der hier relevante Zeitraum vom Februar/März bis Oktober 2008 therapeutisch bearbeitet wurde, ausgeführt, im „letzten Frühjahr“ sei die Antragstellerin „von einem Gefangenen missbräuchlich in eine nähere Beziehung manipuliert worden“. Wegen der vorhandenen psychischen Defizite sei die Antragstellerin „den Manipulationen und Erpressungen, die das Ziel der psychischen und dann auch körperlichen Vergewaltigung gehabt hätten, hilflos ausgeliefert gewesen“. Es sei „von Anfang an zu Retraumatisierungen“ gekommen, weshalb die Antragstellerin für ihr Verhalten nicht verantwortlich zu machen sei.

Diese Darstellung lässt jede Differenzierung nach den von der Antragstellerin selbst gegenüber der Anstaltsleiterin Ende Oktober 2008 dargestellten unterschiedlichen Zeitabschnitten der Beziehung zu dem Strafgefangenen vermissen und legt die Einschätzung nahe, dass - im therapeutischen Kontext verständlich und nachvollziehbar - Grundlage der Stellungnahme eine aus der Ex-post-Perspektive der Antragstellerin Ende 2008/Anfang 2009 erfolgte Sachverhaltsdarstellung war, in der nur noch die Umstände gegen Ende des zweiten Abschnitts der Beziehung, als diese - nach den Angaben der Antragstellerin - durch Druck und Zwang geprägt war, thematisiert wurden.

Danach spricht weiterhin gerade die Betrachtung des ersten Abschnitts der Beziehung dafür, dass die Antragstellerin ohne Einschränkung ihrer Wahl- und Willensfreiheit eine bewusste Entscheidung gegen die Erfüllung der oben genannten Dienstpflichten durch Eingehung, Aufrechterhaltung und Verheimlichung der Beziehung zu dem Strafgefangenen getroffen hat.

Im zweiten Abschnitt der Beziehung der Antragstellerin zu dem Strafgefangenen dürfte sich - ausgehend von der Sachverhaltsdarstellung der Antragstellerin - der psychische Druck auf sie zwar kontinuierlich erhöht haben. Nachvollziehbar wurde es für sie immer schwieriger, das Distanzgebot in Ansehung des von dem Strafgefangenen aufgebauten Druckes einzuhalten und die ursprünglichen wie die laufenden Dienstpflichtverletzungen und deren Folgen ihren Vorgesetzten zu offenbaren. Gleichwohl bestehen - jedenfalls nach den nur eingeschränkten Erkenntnismöglichkeiten des vorliegenden Verfahrens - keine ernstlichen Zweifel daran, dass ein die Wahl- und Willensfreiheit ausschließender Zustand nicht gegeben war. Letztlich hat sich gezeigt, dass die Steuerungsfähigkeit der Antragstellerin selbst im Endstadium des Abschnitts 2 der Beziehung nach der (erzwungenen) Ausführung des Geschlechtsverkehrs noch so weit erhalten war, dass eine letzte Grenzziehung und schließlich auch die Offenbarung gegenüber der Anstaltsleitung möglich war.

Auch für diesen zweiten Zeitabschnitt führt die vorgelegte psychologisch-psychotherapeutische Stellungnahme vom 12.1.2009 derzeit nicht zu durchgreifenden Zweifeln an der Steuerungsfähigkeit der Antragstellerin.

Zwar hat es den Anschein, als ob die darin getroffenen Aussagen dem zweiten Abschnitt, insbesondere der Endphase des zweiten Abschnitts der Beziehung der Antragstellerin zu dem Strafgefangenen zugeordnet werden könnten. Die mangelnde Differenziertheit, die fragliche zeitliche Einordnung der Aussagen und Diagnosen, insbesondere aber die bereits dargelegte Ungewissheit im Hinblick auf den im therapeutischen Kontext geschilderten und demgemäß zugrunde gelegten Sachverhalt führen jedoch dazu, dass ernstliche Zweifel mit Blick auf das Vorliegen eines Schuldausschließungsgrundes aufgrund mangelnder Steuerungsfähigkeit der Antragstellerin allein damit nicht begründet werden.

Eine andere Einschätzung ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung der im vorliegenden Verfahren beigezogenen amtsärztlichen Stellungnahme vom 6.3.2009, welche aufgrund des Antrages der Antragstellerin nach § 53 SBG a.F. vom 20.11.2008 angefordert worden war.

Auf der Basis einer am 13.1.2009 durch den Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. R. vorgenommenen Untersuchung wurde die am 3.12.2008 von der Leiterin der JVA angeforderte amtsärztliche Stellungnahme zur Frage der Dienstfähigkeit der Antragstellerin durch die Amtsärztin Dr. L. am 6.3.2009 erstellt. Die darin getroffenen Aussagen beziehen sich - antragsgemäß - allerdings nur auf die Frage der Dienstfähigkeit der Antragstellerin. Die Amtsärztin hat diese in einer größeren zeitlichen Perspektive („längerfristig“) bejaht, während zum „gegenwärtigen Zeitpunkt“ demgegenüber „aufgrund des unabgeschlossenen Disziplinarverfahrens und der dadurch bedingten erhöhten psychovegetativen Anspannung“ die Attestierung der Dienstunfähigkeit gerechtfertigt sei. Aussagen über die Schuld- und Steuerungsfähigkeit der Antragstellerin im Zeitraum der Begehung der streitgegenständlichen Dienstpflichtverletzungen sind in der Stellungnahme vom 6.3.2009 nicht enthalten und lassen sich daraus auch nicht ableiten.

Ergänzend ist noch darauf hinzuweisen, dass weder der Antragsgegner vor Erlass seiner Entscheidung über die vorläufige Dienstenthebung der Antragstellerin vom 17.12.2008 noch das Verwaltungsgericht vor seiner Entscheidung im Verfahren nach § 63 SDG gehalten waren, die Vorlage der am 6.3.2009 erstellten amtsärztlichen Stellungnahme abzuwarten. Sowohl der Antragsgegner als auch das Verwaltungsgericht durften die gemäß § 38 Abs. 1 SDG zu treffende Prognose auf den bis dahin ermittelten Sach- und Streitstand stützen.

Des weiteren erweisen sich auch die Einwendungen der Antragstellerin gegen die Ausführungen des angefochtenen Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 6.3.2009 zu der Frage, ob - bei Bestätigung des danach bestehenden Verdachts eines schweren Dienstvergehens - im Hauptsacheverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt werden würde, als nicht durchgreifend.

Die Antragstellerin hat insoweit geltend gemacht, die nach § 13 SDG erforderliche „Interessenabwägung“ halte einer Überprüfung nicht stand. Zum einen sei die Schwere des Dienstvergehens nicht nur nach objektiven, sondern auch nach subjektiven Kriterien zu beurteilen. Hier fehle es an einer Berücksichtigung des „mit Schriftsatz vom 20.1.2009 zur Kenntnis gebrachten ärztlichen Befundberichtes zur psychischen Lage der Antragstellerin“ (womit nur die psychologisch-psychotherapeutische Stellungnahme des behandelnden Psychotherapeuten vom 12.1.2009 gemeint sein kann). Zum anderen habe das Verwaltungsgericht bei der Bewertung des Persönlichkeitsbildes der Antragstellerin die entlastenden Momente der freiwilligen Selbstanzeige der Antragstellerin und der organisatorischen Verfehlungen auf Seiten „des Beschwerdegegners“ (gemeint ist die Leitung der JVA) nicht ordnungsgemäß berücksichtigt.

Dies trifft nicht zu.

Eine gemäß § 38 Abs. 1 Satz 1 SDG verfügte vorläufige Dienstenthebung setzt voraus, dass im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Dienst erkannt werden wird. Im konkreten Disziplinarverfahren muss eine überwiegende Wahrscheinlichkeit die Prognose rechtfertigen, dass auf die Höchstmaßnahme erkannt werden wird

vgl. BVerwG, Beschluss vom 24.10.2002 - 1 DB 10/02 - zitiert nach Juris; BayVGH, Beschluss vom 15.3.2007 - 16 DS 06.3292 - zitiert nach Juris und OVG des Saarlandes, Beschluss vom 6.9.2007 - 7 B 346/07 -.

Eine „Interessenabwägung“ findet insoweit nicht statt.

Welche Disziplinarmaßnahme im Einzelfall erforderlich ist, richtet sich gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 SDG nach der Schwere des Dienstvergehens unter angemessener Berücksichtigung der Persönlichkeit des Beamten und des Umfangs der durch das Dienstvergehen herbeigeführten Vertrauensbeeinträchtigung. Maßgebendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der Disziplinarmaßnahme ist gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 SDG die Schwere des Dienstvergehens. Sie beurteilt sich zum einen nach der Eigenart und Bedeutung der verletzten Dienstpflichten, Dauer und Häufigkeit der Pflichtverstöße und den Umständen der Tatbegehung (objektive Handlungsmerkmale) und zum anderen nach Form und Gewicht des Verschuldens und den Beweggründen des Beamten für sein pflichtwidriges Verhalten (subjektive Handlungsmerkmale) sowie nach den unmittelbaren Folgen der Pflichtverstöße für den dienstlichen Betrieb und für Dritte

vgl. zum gleichlautenden § 13 BDG: BVerwG, Urteil vom 20.10.2005 - 2 C 12.04 -, BVerwGE 124 252ff., BVerwG, Urteil vom 3.5.2007 - 2 C 9/06 -, zitiert nach Juris.

Nach den genannten Kriterien und nach dem derzeitigen, im vorliegenden - als Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ausgestalteten - Verfahren nur möglichen Erkenntnisstand stellen die von der Antragstellerin begangenen Verstöße gegen die ihr als Strafvollzugsbeamtin obliegenden Dienstpflichten ein äußerst schweres Dienstvergehen dar, wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausgeführt hat.

Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die Eigenart und Bedeutung der verletzten Dienstpflichten im Kontext des Strafvollzuges. Die Eingehung und Verheimlichung der Beziehung zu einem Strafgefangenen (Abschnitt 1 der Beziehung von Februar/März 2008 bis Juni/Juli 2008) sowie die Aufrechterhaltung und weitere Verheimlichung der Beziehung auf Druck des Strafgefangenen (Abschnitt 2 von Juni/Juli 2008 bis Ende Oktober 2008) stellen einen dauerhaft schweren Verstoß gegen die Kernpflichten von Bediensteten im Strafvollzug dar. Betroffen waren die Grundpflichten nach Nr. 1 DSVollz, das Distanzgebot nach Nr. 2 Abs.1 DSVollz und die Meldepflicht nach Nr. 9 DSVollz. Hierbei handelte es sich um den Kernbereich der ihr obliegenden Dienstpflichten

vgl. dazu allgemein BVerwG, Urteil vom 22.10.2005, a.a.O.,

die im Mittelpunkt ihres konkreten Amtes im Strafvollzug standen und die zur Gewährleistung von Funktionsfähigkeit und Sicherheit in dem hochsensiblen Bereich des Strafvollzuges unabdingbar sind.

Auch die weiteren objektiven Handlungsmerkmale von Dauer und Häufigkeit der Dienstpflichtverstöße und die Umstände der Tatbegehung bestärken die Annahme eines schweren Dienstvergehens. Die Pflichtverletzungen in Gestalt von Dauerverstößen erstreckten sich bei stetig zunehmender Intensität und Gefährdung der Sicherheit und der Aufgabenerfüllung des Strafvollzuges über einen Zeitraum von insgesamt sieben bis acht Monaten und erfolgten zudem unter gezielter Ausnutzung der besonderen Vollzugsumstände des betreffenden Strafgefangenen (Wohngruppenvollzug, Einsatz als Hausmaler, Mitglied der Redaktion PRO REO).

Entgegen dem Vortrag der Antragstellerin in der Beschwerdebegründung vermögen auch subjektive Handlungsmerkmale nach dem im vorliegenden Verfahren maßgeblichen Erkenntnisstand und vorbehaltlich im Zuge weiterer Ermittlungen möglicherweise noch zutage tretender Erkenntnisse die Schwere des Dienstvergehens nicht maßgeblich zu mindern.

Wie bereits ausgeführt, hat die Antragstellerin sich - zumindest in Abschnitt 1 der Beziehung - bewusst, wissentlich und willentlich gegen die dienstpflichtgemäße Handlungsalternative der Einhaltung des Distanzgebotes und der Meldepflichten entschieden, weil nur dies ihr die Eingehung und Aufrechterhaltung einer -- vermeintlichen - Liebesbeziehung zu dem Strafgefangenen ermöglichte. Die geltend gemachte Schuld- und Steuerungsunfähigkeit ist demgegenüber weder durch Hinweis auf die psychologisch-psychotherapeutische Stellungnahme vom 12.1.2009, noch auf die amtsärztliche Stellungnahme vom 6.3.2009 noch auf andere Weise nachvollziehbar dargelegt worden.

Für den Abschnitt 2 der Beziehung mag der Antragstellerin zwar zuzugestehen sein, dass es aufgrund des - nach ihrem Vortrag - von Seiten des Strafgefangenen aufgebauten Drucks für sie subjektiv zunehmend schwieriger wurde, die dienstpflichtgemäße Handlungsalternative zu wählen. Dies führt - nach den Erkenntnismöglichkeiten des vorliegenden, als Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes konzipierten Verfahrens - indes nicht zur Annahme einer aufgehobenen Steuerungs- und Schuldfähigkeit. Auch insoweit erweisen sich die Stellungnahmen vom 12.1.2009 und vom 6.3.2009 nicht als valide Basis für die Begründung ernst zu nehmender Zweifel.

Schließlich erlaubt auch der Blick auf die unmittelbaren Folgen der Dienstpflichtverstöße der Antragstellerin für den dienstlichen Bereich keine mildere Einschätzung bezüglich der Schwere des Dienstvergehens. Hier ist neben den konkret negativen Auswirkungen des Fehlverhaltens der Antragstellerin auf die Funktionsfähigkeit und Sicherheit in dem hochsensiblen Bereich des Strafvollzuges insbesondere auch auf die generell negativen Folgen des maßgeblichen Geschehens für den Einsatz weiblicher Vollzugsbediensteter im Strafvollzug mit männlichen Gefangenen hinzuweisen.

Von der Begehung eines schweren Dienstvergehens durch die Antragstellerin ist und war danach unter Berücksichtigung aller dafür maßgeblichen Kriterien auszugehen. Die Schwere des Dienstvergehens indiziert grundsätzlich die Angemessenheit der Höchstmaßnahme.

Die von der Schwere des Dienstvergehens ausgehende Indizwirkung für die Angemessenheit der Höchstmaßnahme entfällt allerdings, wenn zugunsten des Beamten gewichtige Entlastungsgründe zu berücksichtigen sind, die den Schluss rechtfertigen, der Beamte habe das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit noch nicht endgültig verloren

vgl. BVerwG, Urteil vom 20.10.2005, a.a.O., BVerwG, Urteil vom 10.1.2007 - 1 D 15.05 -, ZBR 2009, 160 f., BVerwG, Urteil vom 3.5.2007 a.a.O..

Solche Gründe stellen auch, aber nicht nur die sogenannten anerkannten Milderungsgründe dar. Diese tragen zum einen existenziellen wirtschaftlichen Notlagen sowie körperlichen oder psychischen Ausnahmesituationen Rechnung, in denen ein an normalen Maßstäben orientiertes Verhalten nicht mehr erwartet und daher nicht mehr vorausgesetzt werden kann. Zum anderen erfassen sie ein tätiges Abrücken von der Tat, insbesondere durch freiwillige Wiedergutmachung eines Schadens oder die Offenbarung des Fehlverhaltens vor der Entdeckung der Tat

vgl. BVerwG, Urteil vom 3.5.2007, a.a.O..

Entlastungsgründe, die einem endgültigen Vertrauensverlust entgegen stehen, können sich aber auch aus anderen Umständen ergeben. Sie müssen in ihrer Gesamtheit geeignet sein, die Schwere des Pflichtenverstoßes erheblich herabzusetzen

BVerwG, Urteil vom 10.1.2007, a.a.O. und BVerwG, Urteil vom 3.5.2007, a.a.O..

Zu solchen möglichen, im Gesamtkontext zu würdigenden Umständen gehört auch eine unzureichende Dienstaufsicht zur Tatzeit

BVerwG, Urteil vom 10.1.2007, a.a.O..

Vorliegend ist zunächst von einer Offenbarung des dienstlichen Fehlverhaltens durch die Antragstellerin vor der Entdeckung ihrer Tat auszugehen. Bis zu ihrer Offenbarung gegenüber ihren Kollegen am 29.10.2008 und der unmittelbar nachfolgenden Offenbarung der Antragstellerin gegenüber der Anstaltsleiterin am 29. und 30.10.2008 waren die Dienstpflichtverstöße der Antragstellerin verborgen geblieben. Bekannt wurden sie erst durch die Offenbarung der Antragstellerin.

Die entlastende Wirkung dieser Selbstoffenbarung ist allerdings eingeschränkt durch den Zeitpunkt und die Begleitumstände derselben. Denn unmittelbar vor der Offenbarung war für die Antragstellerin klar geworden, dass sie nicht mehr damit rechnen konnte, dass die Vorgänge der zurückliegenden 7 bis 8 Monate unentdeckt bleiben könnten. Der Strafgefangene hatte sich - nach der Darstellung der Antragstellerin - von einer entsprechenden Zusage trotz des als „Gegenleistung“ hierfür gewährten Geschlechtsverkehrs distanziert und die Antragstellerin am 29.10.2008 gezielt weiter unter Druck gesetzt. Ihre Selbstoffenbarung rechtfertigt deshalb im Rahmen des vorliegenden Verfahrens nicht die Annahme, die Antragstellerin habe das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit noch nicht endgültig verloren.

Eine Entlastung zugunsten der Antragstellerin folgt auch nicht aus den im Rahmen der Beschwerdebegründung geltend gemachten „organisatorischen Verfehlungen auf Seiten des Beschwerdegegners“.

Zwar kann eine Vernachlässigung der Aufsichtspflicht durch Vorgesetzte unter dem Gesichtspunkt der Verletzung der Fürsorgepflicht oder des „Mitverschuldens“ als Mitursache einer dienstlichen Verfehlung bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme mildernd berücksichtigt werden, wenn konkrete Anhaltspunkte für besondere Umstände vorliegen, die ausreichende Kontrollmaßnahmen unerlässlich gemacht hätten, diese aber pflichtwidrig unterblieben sind

BVerwG, Urteil vom 10.1.2007, a.a.O..

Eine solche Situation war hier - nach den Erkenntnismöglichkeiten des vorliegenden Verfahrens - indes nicht gegeben. Hierzu ist im Rahmen der Beschwerdebegründung vorgetragen, das Verhalten der Antragstellerin sei bereits zu einem sehr früheren Zeitpunkt auffällig gewesen und vom direkten Vorgesetzten bemerkt und thematisiert worden. Gleichwohl habe „die Leitung der JVA im wahrsten Sinne des Wortes weggeschaut und die Situation bis zum Eklat treiben lassen“.

In der Tat waren die häufigen Kontakte der Antragstellerin mit dem Strafgefangenen auch nach der Darstellung des Antragsgegners bereits im Sommer 2008 aufgefallen und von der zuständigen Vollzugsabteilung mit ihr erörtert worden. Diese Gelegenheit hat die Antragstellerin allerdings nicht im Sinne der dienstpflichtgemäßen Offenbarung genutzt, sondern im Gegenteil ihr dienstpflichtwidriges Verhalten und dessen Hintergründe nicht nur nicht offenbart, sondern aktiv verschleiert, indem sie nachvollziehbare behandlerische Gründe für ihre verstärkte Aufmerksamkeit gegenüber dem Strafgefangenen darlegte und es ihr so gelang, die Bedenken ihrer Dienstvorgesetzten gezielt zu zerstreuen.

Eine Vernachlässigung der Aufsichtspflicht seitens der Dienstvorgesetzten kann daraus nicht hergeleitet werden. Diese durften nach dem Ergebnis des Personalgesprächs mit der Antragstellerin davon ausgehen, dass es sich bei den häufigen Kontakten mit dem Strafgefangenen um ein rein berufliches Engagement im Einklang mit den zu beachtenden Dienstpflichten handelte. Seit ihrer Ausbildungszeit (2001 – 2003) hatte die Antragstellerin bis dahin unbeanstandet in der JVA Dienst getan und nach allgemeiner Einschätzung - auch seitens des in der JVA tätigen Dipl.-Psychologen - durch Engagement und Gespräche immer wieder positiv im Sinne des Strafvollzuges auf Gefangene einwirken können. Es konnte daher keine Rede davon sein, dass aus der Sicht der Anstaltsleitung konkrete Anhaltspunkte für besondere Umstände vorgelegen hätten, die weitere Kontroll- und Aufsichtsmaßnahmen unerlässlich gemacht hätten. Ohne solche Umstände darf der Dienstherr grundsätzlich auf die Erfüllung der Dienstpflichten vertrauen. Denn eine ständige und lückenlose Kontrolle eines jeden Mitarbeiters ist unmöglich

vgl. nur BVerwG, Urteil vom 10.1.2007, a.a.O..

Davon durfte hier auch der Antragsgegner ausgehen.

Gegen die Annahme der in der Beschwerdeschrift geltend gemachte Verletzung der Fürsorgepflicht sprechen auch weitere Anhaltspunkte. Gerade im Hinblick auf die Thematik möglicher Verstöße gegen das Distanzgebot zwischen weiblichen Bediensteten und männlichen Gefangenen ist davon auszugehen, dass eine erhöhte Sensibilisierung seitens der Dienstvorgesetzten vorlag und dies den Bediensteten auch deutlich gemacht wurde. Dies ergibt sich z. B. daraus, dass noch im Januar 2008, d.h. kurz vor Aufnahme der Beziehung der Antragstellerin zu dem Strafgefangenen, die jährliche Frauenversammlung innerhalb der JVA gezielt unter das Thema „Frauen im Männervollzug“ gestellt und auf die daraus sich ergebenden Gefahren, insbesondere bei der Missachtung des gebotenen Nähe/Distanzverhaltens für die Betroffenen und andere, unbeteiligte Bedienstete, hingewiesen wurde. An dieser Veranstaltung hat die Antragstellerin selbst teilgenommen.

Nach alledem rechtfertigt der bislang festgestellte Sachverhalt - auch unter Berücksichtigung des Vorbringens im Beschwerdeverfahren - die Prognose, dass im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung der Antragstellerin aus dem Beamtenverhältnis erkannt werden wird. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der vorläufigen Dienstenthebung (§ 63 Abs. 2 SDG) bestehen deshalb nicht.

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 6.3.2009 war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 77 Abs. 4 SDG, 154 Abs. 2 VwGO.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

1

Der zulässige Antrag ist begründet.

2

Nach § 38 Abs. 1 Satz 1 DG LSA kann die für die Erhebung der Disziplinarklage zuständige Behörde einen Beamten gleichzeitig mit oder nach der Einleitung des Disziplinarverfahrens vorläufig des Dienstes entheben, wenn im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt wird. Ferner kann die vorläufige Dienstenthebung ausgesprochen werden, wenn durch ein Verbleiben des Beamten im Dienst der Dienstbetrieb oder die Ermittlungen wesentlich beeinträchtigt würden und die vorläufige Dienstenthebung nicht unverhältnismäßig ist (§ 38 Abs. 1 Satz 2 DG LSA). Die Antragsgegnerin stützt sich erkennbar nicht auf letztgenannte Norm, sondern (nur) auf § 38 Abs. 1Satz 1 DG LSA, da ihrer Meinung nach im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt werden wird.

3

Bei der Anordnung der Suspendierung handelt es sich nicht um eine Disziplinarmaßnahme (OVG LSA, B. v. 07.05.2010, 10 M 2/10; juris). Ihre Berechtigung ergibt sich aus dem funktionalen Bedürfnis, noch vor der endgültigen Klärung des Vorliegens eines Dienstvergehens und der abschließenden Entscheidung über die angemessene Maßregelung des Beamten eine den Verwaltungsaufgaben und dem Dienstbetrieb dienende vorübergehende Sicherungsregelung zu treffen.

4

1.) Die nach § 61 Abs. 2 DG LSA vom Disziplinargericht vorzunehmende Prüfung ergibt hier, dass die vorläufige Dienstenthebung und die Einbehaltung der Dienstbezüge aufzuheben sind, weil ernstliche Zweifel an ihrer Rechtmäßigkeit bestehen.

5

a.) Die auf § 38 Abs. 1 Satz 1 DG LSA gestützte Verfügung über die vorläufige Dienstenthebung muss pflichtgemäßem Ermessen der Einleitungsbehörde entsprechen. Den Beamten auch nur vorläufig vom Dienst zu entheben setzt voraus, dass ein Verbleiben des Beamten im Dienst schlechthin untragbar wäre. Dabei handelt es sich um die denkbar schwerste Sanktion für dienstliche Verfehlungen, welche nach der Rechtsprechung besondere Umstände voraussetzt. Für die konkrete Entscheidung im Einzelfall sind grundsätzlich das dienstliche Bedürfnis an der einstweiligen Fernhaltung des Beschuldigten vom Dienst und dessen Recht auf amtsentsprechende dienstliche Beschäftigung abzuwägen (vgl. dazu. Köhler/Ratz, BDO, 2. Aufl., § 91 Rz. 10: vgl. zum Ganzen: VG Magdeburg, Beschl. v. 10.02.2007, 8 B 22/06; Beschl. v. 03.03.2010, 8 B 21/09; juris).

6

Nach § 61 Abs. 2 DG LSA ist die vorläufige Dienstenthebung dann aufzuheben, wenn ernstliche Zweifel an ihrer Rechtmäßigkeit bestehen. Ernstliche Zweifel sind schon dann anzunehmen, wenn im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts offen ist, ob die Anordnung nach § 38 Abs. 1 DG LSA rechtmäßig oder rechtswidrig ist (vgl. nur: Bay. VGH, Beschl. v. 11.04.2012, 16b DC 11.985; OVG Lüneburg Beschluss vom 13.5.2005, 3 ZD 1/05; alle juris). Neben der formellen Rechtmäßigkeit der Anordnung ist somit zu prüfen, ob die in der Anordnung liegende Prognose gerechtfertigt ist, der Beamte werde im Disziplinarverfahren voraussichtlich aus dem Dienst entfernt werden. Diese Prognose kann demnach nur dann gestellt werden, wenn nach dem Kenntnisstand im Eilverfahren die Möglichkeit der Höchstmaßnahme überwiegend wahrscheinlich ist. Ist es dagegen zumindest ebenso wahrscheinlich, dass eine Entfernung des Beamten aus dem Beamtenverhältnis im Disziplinarverfahren nicht erfolgen wird, sind ernstliche Zweifel durch das Gericht zu bejahen (BVerwG, Besch. v. 16.07.2009, 2 AV 4.09; BayVGH, Beschl. v. 20.04.2011, 16b DS 10.1120;Sächs. OVG, B. 19.08.2010, D 6 B115/10 mit Verweis auf Beschluss vom 08.07.2010, D6A116/10; alle juris; Müller, Grundzüge des Beamtendisziplinarrechts, § 38 Abs. 1 BDG, 2010, Rz. 370 m. w. N.; GKÖD, Disziplinarrecht des Bundes und der Länder, § 38 BDG, Rz. 51). Diese Prognoseentscheidung beinhaltet eine vom Gericht vorzunehmende summarische Prüfung des zurzeit bekannten Sachverhaltes und eine daran orientierte Wahrscheinlichkeitsprognose. Hinsichtlich des zur Last gelegten Dienstvergehens genügt, dass der Beamte dieses Dienstvergehen mit einem hinreichenden Grad an Wahrscheinlichkeit begangen hat; nicht erforderlich ist, dass das Dienstvergehen bereits in vollem Umfang nachgewiesen ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 29.09.1997, 2 WDB 3.97; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 22.09.2009, 83 DB 1.09; OVG des Saarlandes, Beschl. v. 17.06.2009, 6 B 289/09; alle juris). Die Beurteilung im Verfahren nach § 61 DG LSA erfordert keine gesonderten Beweiserhebungen, sondern ist in der Lage, in der sich das Disziplinarverfahren jeweils befindet, anhand der bis dahin zu Tage getretenen Tatsachen zu treffen. Insoweit können u. U. selbst durch Aktenvermerke untermauerte Erkenntnisse ausreichen (vgl. Müller a. a. O). Dabei ist auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abzustellen (BVerwG, Besch. v. 22.07.2002, 2 WDB 1.02; OVG Berlin-Brandenburg; Beschl. v. 18.08.2005, 80 SN 1.05; Bay VGH, Beschl. v. 11.04.2012, 16b DCV 11.985; alle juris). Jedoch muss für die gerichtliche Überprüfung der vorläufigen Dienstenthebung maßgeblich auf die von dem Dienstherrn in dem Bescheid herangezogenen Pflichtenverletzungen abgestellt werden. Diese können durch das Disziplinargericht im Rahmen der Würdigung durch Akteninhalte und sonstige - evtl. auch später, im Laufe des Verfahrens nach § 61 DG LSA hinzutretende - Erkenntnisse untermauert werden, um anhand dessen die Rechtsmäßigkeit der Prognoseentscheidung zu beurteilen.

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b.) Welche Disziplinarmaßnahme im Einzelfall erforderlich ist, richtet sich gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 und 3 DG LSA nach derSchwere des Dienstvergehens und des unter Berücksichtigung der Persönlichkeit des Beamten eingetretenen Umfangs der durch das Dienstvergehen herbeigeführten Vertrauensbeeinträchtigung. § 13 Abs. 2 DG LSA bestimmt, dass ein Beamter, der durch ein schweres Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren hat, aus dem Beamtenverhältnis zu entfernenist (Satz 1). Die Feststellung des verloren gegangenen Vertrauens ist verwaltungsgerichtlich voll inhaltlich nachprüfbar (Satz 2).

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Demnach ist maßgebendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der Disziplinarmaßnahme die Schwere des Dienstvergehens. Sie beurteilt sich zum einen nach der Eigenart und Bedeutung der verletzten Dienstpflichten, Dauer und Häufigkeit der Pflichtenverstöße und den Umständen der Tatbegehung (objektive Handlungsmerkmale) und zum anderen nach Form und Gewicht des Verschuldens und den Beweggründen des Beamten für sein pflichtwidriges Verhalten (subjektive Handlungsmerkmale) sowie nach den unmittelbaren Folgen der Pflichtenverstöße für den dienstlichen Betrieb und für Dritte (vgl. zum gleichlautenden § 13 BDG, BVerwG, Urt. v. 20.10.2005, 2 C 12.04; Urt. v. 03.05.2007, 2 C 9.06; B. v. 10.09.2010, 2 B 97/09; VGH Baden-Württemberg, U. v. 16.09.2010, DL 16 S 579/10; alle juris).

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Erst bei Würdigung der Gesamtpersönlichkeit des Beamten lässt sich mit der gebotenen Sicherheit beurteilen, ob der Beamte aus disziplinarrechtlicher Sicht noch erziehbar erscheint oder ob hierfür eine bestimmte Disziplinarmaßnahme als notwendig, aber auch als ausreichend erscheint, oder ob der Beamte für die Allgemeinheit und den Dienstherrn untragbar geworden ist und deshalb seine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis geboten ist (VG Magdeburg, U. v. 04.11.2009, 8 A 19/08 m. w. N.; juris).

10

Eine objektive und ausgewogene Zumessungsentscheidung setzt demnach voraus, dass die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme unter Berücksichtigung der belastenden und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten steht und gewisse Besonderheiten des Einzelfalls mildernd zu berücksichtigen sind (vgl. BVerfG, Beschl. v. 08.12.2004, 2 BvR 52/02; BVerwG, U. v. 14.02.2007, 1 D 12.05 mit Verweis auf Urteil vom 20.10.2005, 2 C 12.04; OVG Lüneburg, U. v. 20.11.2009, 6 LD 1/09; VGH Bad.-Württ., U. v. 16.09.2010, DL 16 S 579/10; VG Saarland, U. v. 17.09.2010, 7 K 238/09; alle juris).

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2.) Unter diesen rechtlichen Prüfungsvoraussetzungen vermag die Disziplinarkammer nach dem derzeitigen sich aus der Begründung der Suspendierung, dem Aktenmaterial und dem Vorbringen der Beteiligten ergebenden Sach- und Rechtsstand nicht mit der gebotenen Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der Antragsteller ein derart schweres Dienstvergehen begangen hat, welches dazu geführt hat, dass das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren ist.

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a.) Die Antragsgegnerin stützt die vorläufige Dienstenthebung maßgeblich darauf, dass der Antragsteller gegen die ihm obliegende beamtenrechtliche Pflicht zu einem achtungs- und vertrauensvollen Verhalten (§ 34 Satz 3 Beamtenstatusgesetz [BeamtStG]) verstoßen habe. Der Antragsteller habe dem Polizeiarzt gegenüber im Jahr 2008 angegeben, regelmäßig Cannabis geraucht zu haben. Die damals erstellten Laborbefunde hätten diese Aussage bestätigt. Nach der letztmaligen Vorstellung im Polizeiärztlichen Zentrum am 29.12.2008 seien die Laborbefunde des Antragstellers hinsichtlich des Gebrauchs illegaler Drogen nicht mehr auffällig gewesen. Am 15.09.2011 habe es beim Antragsteller dagegen einen positiven Screeningbefund auf Cannabinoide und auf Benzodiazepin gegeben. Dies habe sich unter dem 20.10.2011 bestätigt.

13

Daraus schlussfolgert die Antragsgegnerin, um illegale Drogen zu konsumieren, müssten diese zunächst erworben werden. Der unerlaubte Erwerb von Betäubungsmitteln sei nach § 29 Abs. 1 Ziff. 1 Betäubungsmittelgesetz (BtMG) strafbar. Ein Polizeibeamter, der unerlaubt Betäubungsmittel erwerbe, um diese zu konsumieren, zerstöre regelmäßig das Vertrauensverhältnis, welches für die ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung unerlässlich sei. Allein die Umstände der Drogenbeschaffung, die ohne Kontakte in die einschlägige Szene nicht möglich seien, begründen den Verdacht, dass das außerdienstliche Verhalten des Antragstellers in besonderem Maße geeignet sei, das Vertrauen in eine für das Amt eines Polizeibeamten bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen. Der Polizeibeamte habe für die Einhaltung der Gesetze einzustehen. Ein derartiges Versagen im Kernbereich beamtenrechtlicher Dienstpflichten sei daher geeignet, die für eine weitere Zusammenarbeit mit dem Beamten erforderliche Vertrauensgrundlage völlig zu zerstören. Deshalb bestehe eine hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass der Antragsteller aus dem Beamtenverhältnis entfernt werde. Aus diesen Gründen sei der Antragsteller vorläufig des Dienstes zu entheben.

14

Die sodann unter dem 19.03.2012 verfügte teilweise Einbehaltung der Dienstbezüge nach § 38 Abs. 2 DG LSA wird mit der vorläufigen Dienstenthebung vom 29.02.2012 begründet. Angesichts der bei der Durchsuchungsmaßnahme in den Wohnräumen des Antragstellers beschlagnahmten Sachen und Gegenstände sei die Verneinung eines kriminellen Milieus nicht zu begründen. Es folgt sodann eine Berechnung des finanziellen monatlichen Bedarfs. Dafür notwendige Belege habe der Antragsteller nicht vorgelegt.

15

Am 11.08.2011 fand auf den Beschluss des Amtsgerichts Quedlinburg am 04.08.2011 die Durchsuchung der Wohnung des Antragstellers statt. Dabei wurden u. a. eine sog. Indoorplantage mit 8 Cannabispflanzen und diverse Produkte vorgefunden, die unter das Betäubungsmittelgesetz fallen. Wegen des genauen Umfangs der beschlagnahmten Sachen wird auf den Inhalt der Beiakte A verwiesen. Der Antragsteller weist die darauf beruhenden Vorwürfe von sich; sein Mitbewohner, Herr E., erklärte insoweit bei seiner Beschuldigtenvernehmung, der Antragsteller habe sein Handeln lediglich toleriert. Am 03.04.2012 hat die Staatsanwaltschaft Magdeburg beim Amtsgericht Quedlinburg die Zulassung und Eröffnung des Hauptverfahrens wegen unerlaubten gemeinschaftlichen Anbau und unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln erhoben.

16

b.) Im Fall eines Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz geht die disziplinarrechtliche Rechtsprechung bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme davon aus, dass der Beamte, der an den staatlichen Zielen, den Auswirkungen des zunehmenden Rauschgiftkonsums vorzubeugen und so unabsehbare Gefahren für den Einzelnen und die Allgemeinheit abzuwehren, zuwiderhandelt, eine grob rücksichtslose Haltung gegenüber der Allgemeinheit offenbart. Angesichts der Variationsbreite möglicher Verwirklichungsformen pflichtwidrigen Verhaltens in diesem Bereich wird jedoch das disziplinarrechtliche Gewicht des Dienstvergehens von den besonderen Umständen des Einzelfalls abhängig gemacht (vgl. BVerwG, U. v. 14.12.2000, 1 D 40.99; Urteile vom 07.05.1996, 1 D 82.95 und vom 29.04.1986, 1 D 141.85; vom 25.10.1983, 1 D 37.83, Urteile vom 24.07.2008, DB 16 S 4.07 und vom 06.08.2009, DL 16 S 2974/08; VGH Baden-Württemberg, U. v. 25.02.2010, DL 16 S 2597/09; VG Berlin, U. 22.11.2011, 85 K 11.10 OB; alle juris). Demnach werden in schweren Fällen durchaus die disziplinarrechtlichen Höchstmaßnahmen der Degradierung und die Entfernung aus dem Dienst auszusprechen sein, ohne dass diese jedoch Regelmaßnahme für jedwedes strafbares Handeln nach dem Betäubungsmittelgesetzt (§ 29 BtMG) wären.

17

Bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme ist jedoch neben dem objektiven Gehalt des Strafvorwurfes auch zu berücksichtigen, dass der Polizeibeamte wegen seines besonderen Auftrags zur Abwehr von Gefahren und zur Verfolgung von Straftaten einer strengeren Verpflichtung unterliegt. Mit dieser Verpflichtung ist es durchweg unvereinbar, wenn ein Polizeibeamter - auch außerhalb des Dienstes - gegen Strafvorschriften verstößt, die wichtige Gemeinschaftsbelange schützen sollen und damit einem besonderen staatlichen Anliegen dienen. Das Vertrauen des Dienstherrn in seinen Beamten, der die Aufgabe, Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz wegen der genannten Gefahren abzuwenden und zu verhindern, nicht nur nicht erfüllt, sondern im Gegenteil mit seinem Verhalten Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz fördert und somit die abzuwehrenden Gefahren steigert, ist empfindlich, wenn nicht gar endgültig zerstört (vgl.: OVG NRW, U. v. 16.12.1998, 6 d 4674/97.O; juris).

18

c.) Der Dienstherr rechtfertigt hier - wie oben dargelegt - die vorläufige Dienstenthebung nach § 38 Abs. 1 Satz 1 DG LSA allein damit, dass ihm der zur Entfernung führende unerlaubte, weil strafbare,Erwerb von Betäubungsmitteln vorzuhalten sei. Die diesem pauschalen Vorwurf zugrunde liegenden Erkenntnisse vermögen nach den dargestellten Gründen und der Problematik der Vielschichtigkeit der möglichen Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz bislang die Entfernung aus dem Dienst nicht zwangsläufig zu tragen.

19

Die Antragsgegnerin bezieht ihre Kenntnisse maßgeblich aus den Angaben des Antragstellers gegenüber dem Polizeiarzt, wonach der Antragsteller regelmäßigen Cannabiskonsum im Jahr 2008 angegeben habe und im Jahre 2011 positive Screeningbefunde vorgelegen hätten. Dies allein begründet jedoch für sich genommen nicht perse ein schweres Dienstvergehen, zumal die vom Antragsteller konsumierte Menge, die Konsumdauer und das Konsumverhalten nicht einmal bekannt sind. Zwar ist u. a. der unerlaubte Anbau und Erwerb mit Strafe beschwert (§ 29 Abs. 1 bis 3 BtMG). Der individuelle Unrechts- und Schuldgehalt einer solchen Tat ist jedoch von den Umständen des Einzelfalles abhängig und kann zum Absehen von Strafe bzw. der Verfolgung (§§ 29 Abs. 5, 31a Abs. 1 BtMG) führen (vgl. dazu Richtlinie zur Anwendung des § 31a Abs. 1 Betäubungsmittelgesetzt und zur Bearbeitung von Ermittlungsverfahren in Strafsachen gegen Betäubungsmittelkonsumenten, JMBl. LSA 2008, S. 245). Der Antragsgegnerin kann auch nicht vollends darin gefolgt werden, dass dem Konsum stets eine illegale Beschaffung der Substanzen im kriminellen Milieu vorangegangen sein muss. Dazu ist bereits das Tatbestandsmerkmal der „Beschaffung“ etwa in § 29 Abs. 1 Nr. 1 und 3 BtMG zu vielschichtig. So mag - unabhängig von der strafrechtlichen Relevanz - ein Konsum auch im Freundeskreis oder auf sonstigem Wege möglich sein, woraus sich nicht unmittelbar und unabdingbar ein kriminelles Milieu ergibt. Gerade diese Begleitumstände, also die Variationsbreite der Verstöße gegen das Betäubungsmittelrecht gilt es im Disziplinarverfahren aufzuklären und zu würdigen. Jedenfalls - und das ist entscheidend - lassen sich die diesbezüglichen Vorwürfe auch nicht mit den aufgrund der strafrechtlichen Ermittlungen gewonnenen Erkenntnissen untermauern. Die Antragsgegnerin stützt die vorläufige Dienstenthebung auch nicht darauf. Die beiden streitbefangenen Verfügungen sind insoweit äußerst begründungsarm. So ist die vorläufige Dienstenthebung nicht etwa auf das dem Beamten gegenüber geführte anhängige strafrechtliche Ermittlungsverfahren, welches in der Folgezeit zur Beantragung der Zulassung der Anklage vor dem Amtsgericht Quedlinburg geführt hat, gestützt. Zwar findet sich in der Verfügung zur Einbehaltung der Dienstbezüge vom 19.03.2012 ein Hinweis auf die bei der Durchsuchungsmaßnahme in den Wohnräumen des Beamten beschlagnahmten Sachen und Gegenstände, woraus sich das „kriminelle Milieu“ ergeben würde. Das Disziplinargericht hat zwar keinen Zweifel daran, dass die Feststellungen im Rahmen der Durchsuchung der gemeinsam mit einem weiteren Angeschuldigten genutzten Wohnung disziplinarrechtlich ebenso beachtlich wie die zwischenzeitlich erhobene Anklage sind. Aber auch unter Berücksichtigung dieser, über die Begründung der Verfügung der vorläufigen Dienstenthebung hinausgehenden Erkenntnisse, die eine weitere Qualität im Sinne der Variationsbreite des disziplinarrechtlich zu wertenden Pflichtenverstoßes darstellen, vermag das Disziplinargericht nicht mit der erforderlichen hinreichenden Wahrscheinlichkeit von einer Entfernung aus dem Beamtenverhältnis auszugehen.

20

Denn die in der Rechtsprechung zu findenden Fallgestaltungen hinsichtlich der Variationsbreite der Schwere der Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz rechtfertigen eine vorläufige Dienstenthebung bzw. die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis etwa (erst) dann, wenn es sich um den Konsum „harter“ Drogen (VG Berlin, Urteil v. 22.11.2011, 85 K 11.10 OB; OVG Berlin, Beschluss v. 16.04.1992, 4 S 11.92; beide juris) handelt und/oder der Beamte eine beachtliche Drogenkarriere zurückgelegt hat, der Beamte etwa in die Beschaffungskriminalität abgleitet oder sich als Dealer betätigt (BVerwG, Urteil v. 13.07.1999, 2 WD 4.99; OVG Rheinl.-Pfalz, Urteil v. 30.06.2003, 3 A 10767/03; VG Berlin, Urteil v. 04.10.2011, 80 K 6.11 OL; alle juris) oder aufgrund der Einheitlichkeit des Dienstvergehens weitere Pflichtenverstöße hinzugetreten sind (OVG Lüneburg, Urteil v. 22.06.2010, 20 LD 7/08; VG Berlin, Urteil v. 13.02.2006, 80 A 27.05; alle juris). Die Vergleichbarkeit mit diesen Fallgestaltungen ist vorliegend nicht gegeben. Es gilt die weiteren Ermittlungen bzw. das Strafverfahren im weiter anhängigen behördlichen Disziplinarverfahren abzuwarten. Insoweit steht es dem Dienstherrn frei, bei einer veränderten Erkenntnislage eine erneute Suspendierung auszusprechen (vgl. § 122 Abs. 1, 121 VwGO).

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3.) Dementsprechend ist mangels rechtlicher Voraussetzungen nach § 38 Abs. 2 DG LSA auch die Einhaltung der Dienstbezüge abzuheben.

22

4.) Die Kostenentscheidung beruht auf § 72 Abs. 4, 73 Abs: 1 DG LSA, 154 Abs. 1 VwGO.


Tenor

Unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 8. März 2011 - 7 L 29/11 - wird die Anordnung der vorläufigen Dienstenthebung des Antragstellers und Einbehaltung von 50 % seiner monatlichen Dienstbezüge durch den Bescheid vom 20.12.2010 ausgesetzt.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner.

Gründe

Die Beschwerde des Antragstellers ist zulässig. Sie ist gemäß § 67 Abs. 1 und Abs. 3 SDG i.V.m. §§ 146, 147 VwGO statthaft und gemäß § 67 Abs. 3 SDG i.V.m. §§ 147 Abs. 1, 146 Abs. 4 VwGO fristgerecht erhoben und begründet worden. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht den Antrag des Antragstellers vom 10.1.2011 als zulässigen Antrag nach § 63 Abs. 1 Satz 1 SDG auf Aussetzung der mit Bescheid des Antragsgegners vom 20.12.2010 ausgesprochenen vorläufigen Dienstenthebung und der Einbehaltung von 50 % seiner monatlichen Dienstbezüge ausgelegt.

Die Beschwerde des Antragstellers gegen die durch Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 8.3.2011 - 7 L 29/11 - erfolgte Zurückweisung seines Aussetzungsantrages hat auch in der Sache Erfolg. Denn es bestehen im Sinne des § 63 Abs. 2 SDG ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 20.12.2010.

Nach § 38 Abs.1 SDG kann die für die Erhebung der Disziplinarklage zuständige Behörde einen Beamten oder eine Beamtin gleichzeitig mit oder nach der Einleitung des Disziplinarverfahrens vorläufig des Dienstes entheben, wenn im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt werden wird. Nach Abs. 2 der genannten Vorschrift kann die für die Erhebung der Disziplinarklage zuständige Behörde gleichzeitig mit oder nach der vorläufigen Dienstenthebung anordnen, dass dem Beamten oder der Beamtin bis zu 50 % der monatlichen Dienst- oder Anwärterbezüge einbehalten werden, wenn im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt werden wird.

Nach § 63 Abs. 2 SDG sind die vorläufige Dienstenthebung und die Einbehaltung von Bezügen auszusetzen, wenn ernstliche Zweifel an ihrer Rechtmäßigkeit bestehen. Derartige Zweifel sind vorliegend gegeben.

Zwar sprechen nach Auffassung des Senats - ebenso wie im Ergebnis nach Auffassung des Verwaltungsgerichts – überwiegende Gründe dafür, dass nach dem derzeitigen, im vorliegenden Verfahren zugrunde zu legenden Sach- und Streitstand eine überwiegende Wahrscheinlichkeit die Prognose rechtfertigen dürfte, dass im Rahmen des mit Verfügung vom 26.4.2010 gegen den Antragsteller eingeleiteten Disziplinarverfahrens die Verhängung der Höchstmaßnahme zu erwarten ist. Dabei dürften die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 38 Abs. 1 und Abs. 2 SDG für die vorläufige Dienstenthebung des Antragstellers und die zugleich angeordnete Einbehaltung der monatlichen Dienstbezüge aller Voraussicht nach gegeben sein. Jedoch bestehen mit Blick auf die ordnungsgemäße Ausübung des dem Antragsgegner nach § 38 Abs. 1 SDG eingeräumten Ermessens ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 20.12.2010.

Aus dem Gesamtergebnis des wegen des Besitzes kinderpornografischer Schriften gegen den Antragsteller geführten Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft Saarbrücken (24 Js 899/07) und des vor dem Amtsgericht Saarbrücken geführten Strafverfahrens (119 Ds 89/09) ergibt sich aller Voraussicht nach der hinreichende Verdacht, dass der Antragsteller ein außerdienstliches Dienstvergehen begangen hat, das im Rahmen des am 26.4.2010 gegen ihn eingeleiteten Disziplinarverfahrens mit überwiegender Wahrscheinlichkeit die Verhängung der Höchstmaßnahme erfordern wird. Zwar haben sowohl das Verwaltungsgericht als auch der Antragsteller zu Recht Zweifel daran geltend gemacht, ob sich dieser hinreichende Verdacht allein aus den tatsächlichen Feststellungen des strafgerichtlichen Urteils des Amtsgerichts Saarbrücken vom 10.2.2010 (119 Ds 89/09) ableiten lässt, an die die Disziplinarbehörde gemäß § 23 Abs. 1 SDG und die Disziplinargerichte gemäß § 57 SDG - in jeweils unterschiedlicher Intensität - gebunden sind. Diesbezügliche Bedenken ergeben sich insoweit zum einen hinsichtlich der Frage, ob die Anzahl der im Besitz des Antragstellers gewesenen Bilddateien kinderpornografischen Inhalts tatsächlich 781 betragen hat. In dem strafgerichtlichen Urteil vom 10.2.2010 heißt es hierzu lediglich:

„Dem Angeklagten wird in der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Saarbrücken vom 28.1.2009 vorgeworfen, am 24.10.2007 in seiner Wohnung, A-Straße, A-Stadt, auf seinem Personalcomputer Fujitsu zu Siemens Scaleo 600 781 Bilddateien mit Darstellungen aufbewahrt zu haben, auf denen u.a. Mädchen zu sehen sind, die offensichtlich jünger als 14 Jahre alt sind und mit denen Erwachsene Vaginalverkehr ausüben, die Erwachsene oral stimulieren oder die von Erwachsenen an ihren Geschlechtsteilen berührt werden. Der Angeklagte hat den Vorwurf in der Hauptverhandlung glaubhaft eingestanden. Er hat sich damit des Besitzes kinderpornografischer Schriften gemäß § 184 b Abs. 1, Abs. 4 Satz 2 StGB schuldig gemacht.“

Diese Formulierung lässt zwar den Schluss zu, dass Gegenstand des strafrechtlichen Vorwurfs der Besitz von insgesamt 781 Bilddateien war, die zumindest teilweise als kinderpornografisch einzustufen waren. Dem Urteil lässt sich aber keine ausreichende Tatsachenfeststellung entnehmen, aus der sich ableiten lässt, dass alle diese Dateien von ihrem Inhalt her als kinderpornografisch im Sinne des § 184 b StGB einzustufen waren. Entsprechend eingeschränkt ist der Umfang seiner Bindungswirkung nach §§ 23, 57 SDG.

Gleichwohl wird nach Auffassung des Senats nach dem gesamten Inhalt des Straf- und Ermittlungsverfahrens davon ausgegangen werden können, dass der Antragsteller vorsätzlich im Besitz kinderpornografischer Bilddateien war und dass deren Anzahl aller Voraussicht nach deutlich über die – vom Verwaltungsgericht seiner Entscheidung als ausreichend zugrunde gelegte – Zahl von 10 Bilddateien hinausging, die in der Strafakte als „beispielhaft“ dokumentiert sind. Dies ergibt sich neben anderen, hier nicht im Einzelnen darzulegenden Anhaltspunkten schon daraus, dass die genannten 10 Bilddateien, die ihrerseits eindeutig kinderpornografischen Inhalt haben, nach Durchführung der polizeilichen Auswertung der auf dem Personalcomputer des Antragstellers vorhandenen Dateien beispielhaft ausgedruckt und der Ermittlungsakte beigefügt wurden, um den Inhalt der von Seiten der Polizei als kinderpornografisch eingestuften 781 Dateien zu dokumentieren. Hieraus lässt sich schließen, dass jeder der 10 - unterschiedlichen - Darstellungen jeweils eine Mehrzahl vergleichbarer Darstellungen im Rahmen der insgesamt 781 als kinderpornografisch eingestuften Dateien entspricht. Gleichwohl kann beim derzeitigen Erkenntnisstand und insbesondere auf der Grundlage der in dem Urteil des Amtsgerichts Saarbrücken von 10.2.2010 getroffenen Tatsachenfeststellungen nicht ausgeschlossen werden, dass sich in der Gesamtzahl von 781 im Ermittlungsverfahren als kinderpornografisch bewerteten Darstellungen z.B. auch sogenannte Posing-Bilder befunden haben, welche nicht im strafrechtlichen Sinne des § 184 b StGB als kinderpornografisch einzuordnen sind. Insofern ist zu beachten, dass sich in den Ermittlungsakten auch mehr als 200 Dateien dieser Art (Posing-Bilder) befinden. Hierzu werden im Disziplinarverfahren noch weitere Ermittlungen anzustellen sein, die nach dem Vortrag des Antragsgegners bereits eingeleitet sind.

Zudem lässt sich allein den Feststellungen des Strafurteils nicht entnehmen, in welchem Zeitraum der Antragsteller derartige Bilddateien im Besitz hatte. In dem Urteil ist lediglich von dem 24.10.2009 als Tatzeitpunkt die Rede. Dies war der Tag der Beschlagnahme des Personalcomputers des Antragstellers. Gleichwohl dürfte nach dem Gesamtinhalt des Straf- und Ermittlungsverfahrens nicht davon ausgegangen werden können, dass der Antragsteller die kinderpornografischen Darstellungen nur an einem einzigen, dem im strafrechtlichen Urteil vom 10.2.2010 genannten Durchsuchungstag am 24.10.2009 in Besitz gehabt hat.

Dem Antragsgegner ist im Grundsatz des Weiteren darin zu folgen, dass – auch wenn eine Regeleinstufung insoweit auszuscheiden hat - der Orientierungsrahmen für die Bemessung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme nach § 13 SDG bei außerdienstlichem Besitz kinderpornografischer Schriften durch einen Lehrer unter der Geltung der erhöhten Strafandrohung des § 184 b Abs. 5 StGB i.d.F. des Gesetzes zur Änderung der Vorschriften über die Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung und zur Änderung anderer Vorschriften vom 27.12.2003 (BGBl. Teil I S. 3007) nach Maßgabe der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur disziplinarrechtlichen Ahndung des Besitzes kinderpornografischer Schriften

BVerwG, Urteil vom 19.8.2010 - 2 C 5/10 -, zitiert nach juris -

die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis ist.

Gleichwohl bestehen jedoch ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides des Antragsgegners vom 20.12.2010 mit Blick auf die ordnungsgemäße Ausübung des der Disziplinarbehörde in § 38 SDG eingeräumten Ermessens. Denn der Antragsgegner hat seiner Ermessensentscheidung nach § 38 SDG auf der Tatbestandsseite Tatsachen zugrunde gelegt, die sich zum Teil aus den von ihm zitierten Quellen so nicht entnehmen lassen und zum Teil aller Voraussicht nach einem Verwertungsverbot unterliegen.

Wie dargelegt, lässt sich dem strafrechtlichen Urteil vom 10.2.2010 nicht mit Bestimmtheit die Feststellung entnehmen, dass der Antragsteller 781 Bilddateien kinderpornografischen Inhalts in Besitz hatte. Gleichwohl sind die streitgegenständlichen Maßnahmen der vorläufigen Dienstenthebung und der Einbehaltung von Dienstbezügen im Bescheid des Beklagten vom 20.12.2010 maßgeblich auf den „Ihnen zur Last gelegte(n) Besitz von 781 Bilddateien mit kinderpornografischen Darstellungen, auf denen u.a. Mädchen zu sehen sind, die offensichtlich jünger als 14 Jahre alt sind und mit denen Erwachsene Vaginalverkehr ausüben, die Erwachsene oral stimulieren oder die von Erwachsenen an ihren Geschlechtsteilen berührt werden (zitiert aus dem Ihnen gegenüber ergangenen Strafurteil des Amtsgerichts Saarbrücken vom 10. Februar 2010“ gestützt.

Ferner heißt es in dem Bescheid:

„Milderungsgründe, die die Annahme einer Disziplinarmaßnahme unterhalb der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis wahrscheinlich machen würden, sind nicht zu erkennen. Bei Ihrem im Strafverfahren wie auch im Rahmen der behördlichen Anhörung vom 22.4.2010 eingestandenen Fehlverhalten handelt es sich nicht um ein einmaliges oder nur ganz kurzfristiges Verhalten und Versagen, sondern um Aktivitäten, die sich über einen längeren Zeitraum - Sie erwähnten als relevante Zeit die Jahre 2006 und 2007 - hingezogen haben und eine Vielzahl einzelner Schritte zur Verschaffung und Abspeicherung von 781 Bilddateien erforderten. In den Fällen, die Gegenstand dieses Disziplinarverfahrens sind, handelten Sie jeweils vorsätzlich. Dies steht aufgrund ihrer Einlassung in der Anhörung vom 22.4.2010 fest.“

Zum Beleg der von ihm seiner Ermessensentscheidung zugrunde gelegten Tatsachen hat der Antragsgegner damit maßgeblich nicht nur auf die – wie oben bereits dargelegt - unscharfen Formulierungen des Strafurteils zurückgegriffen, sondern auch auf Äußerungen des Antragstellers, die dieser in der - vor der mit Verfügung vom 26.4.2010 erfolgten förmlichen Einleitung des Disziplinarverfahrens durchgeführten - Anhörung vom 22.4.2010 getätigt hatte.

Dem über diese Anhörung gefertigten Protokoll kann indes weder entnommen werden, dass der Antragsteller gemäß § 20 Abs. 1 Satz 3 SDG darüber belehrt wurde, dass es ihm freistehe, sich mündlich oder schriftlich zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen, noch dass er darüber belehrt wurde, dass es ihm freistehe, sich jederzeit eines oder einer Bevollmächtigten oder eines Beistandes zu bedienen. Ob es dem Antragsgegner gelingen wird, seinen Vortrag, der Antragsteller sei zu dem ersten Punkt tatsächlich belehrt worden, auch wenn dies im Protokoll nicht festgehalten wurde, zu beweisen, erscheint derzeit offen. Bezüglich der Belehrung zu dem zweiten Punkt hat der Antragsgegner selbst vorgetragen, es sei nicht erinnerlich, ob insoweit eine Belehrung des Antragstellers stattgefunden habe. Insoweit spricht derzeit alles dafür, dass der Inhalt der Anhörung vom 22.4.2010 einem Verwertungsverbot unterfällt.

Danach hat der Antragsgegner seiner Ermessensentscheidung über die vorläufige Dienstenthebung und Einbehaltung der Dienstbezüge einen Sachverhalt zugrunde gelegt, der nach derzeitigem Erkenntnisstand aller Voraussicht nach nicht hätte zugrunde gelegt werden dürfen, weil er zum Teil, bezogen auf die Anzahl der kinderpornografischen Darstellungen nicht ordnungsgemäß festgestellt worden war und zum Teil, bezogen auf den Zeitraum des Besitzes dieser kinderpornografischen Darstellungen, aller Voraussicht nach auf eine Erkenntnisquelle gestützt ist, die einem Verwertungsverbot unterliegt. Liegt aber einer Ermessensbetätigung ein unrichtiger oder nicht ordnungsgemäß festgestellter Sachverhalt zugrunde, so erweist sich grundsätzlich auch die darauf gestützte Ermessensausübung als fehlerhaft

vgl. nur Kopp/Schenke, VwGO, 16. Auflage, § 114 Rdnr. 12; Bader/Funke-Kaiser/Kuntze/von Albedyll, VwGO, 4. Auflage, § 114 Rdnr.13 m.w.N.; BVerwG, Urteil vom 2.7.1992 – 5 C 51/90 -, zitiert nach juris.

Der vorliegende Ermessensfehler ist vorliegend auch nicht unter den Aspekten einer möglichen Ermessensreduzierung auf Null oder eines wirksamen Nachschiebens von Ermessenserwägungen unbeachtlich. Die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen dafür liegen hier nicht vor.

Es kann vor diesem Hintergrund auch dahinstehen, ob der Auffassung des Verwaltungsgerichts gefolgt werden kann, dass auch schon der zeitlich nicht näher eingegrenzte Besitz von (nur) 10 kinderpornografischen Bilddateien - auf der Tatbestandsseite des § 38 SDG - ausreichend für die Verhängung der Höchstmaßnahme im Disziplinarverfahren gegenüber dem Antragsteller sei. Ebenso kann offen bleiben, ob - wofür aus der Sicht des Senats einiges spricht - aus dem Gesamtergebnis des strafrechtlichen Ermittlungs- und Gerichtsverfahrens Feststellungen abgeleitet werden können, die die Annahme rechtfertigen, dass der Antragsteller im Besitz eines Mehrfachen von 10 kinderpornografischen Bilddateien gewesen ist. Denn ungeachtet dessen ist es den Disziplinargerichten verwehrt, ausgehend von ihren eigenen Annahmen zu den auf der Tatbestandsseite relevanten Tatsachen die Ermessensentscheidung des Antragsgegners nach § 38 SDG durch ihre eigene Ermessensentscheidung zu ersetzen. Es ist vielmehr allein Sache des Antragsgegners, die von ihm getroffene Ermessensentscheidung nach § 38 SDG, gegen deren Rechtmäßigkeit wegen Ermessensfehlgebrauchs ernstliche Zweifel bestehen, durch eine erneute Ermessensentscheidung, die auf eine ordnungsgemäße Tatsachengrundlage gestützt ist, zu ersetzen

vgl. BVerwG, Beschluss vom 21.9.2000 - 1 DB 7/00 - sowie vom 16.11.1999 - 1 DB 8/99 -, jeweils zitiert nach juris.

Der Antrag des Antragstellers hatte daher Erfolg. Die begehrte Aussetzung nach § 63 SDG war daher auszusprechen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 77 Abs. 4 SDG, 154 Abs. 1 VwGO.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.

(1) Die Entscheidung über eine Disziplinarmaßnahme ergeht nach pflichtgemäßem Ermessen. Die Disziplinarmaßnahme ist nach der Schwere des Dienstvergehens zu bemessen. Das Persönlichkeitsbild des Beamten ist angemessen zu berücksichtigen. Ferner soll berücksichtigt werden, in welchem Umfang der Beamte das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit beeinträchtigt hat.

(2) Ein Beamter, der durch ein schweres Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren hat, ist aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen. Dem Ruhestandsbeamten wird das Ruhegehalt aberkannt, wenn er als noch im Dienst befindlicher Beamter aus dem Beamtenverhältnis hätte entfernt werden müssen.

Gründe

1

Die Beschwerde des Beklagten hat mit der Maßgabe Erfolg, dass der Rechtsstreit gemäß § 133 Abs. 6 VwGO, § 69 BDG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen ist. Die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO liegen vor, weil das Berufungsurteil auf der vom Beklagten geltend gemachten Verletzung seines Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG beruht.

2

Der Beklagte, ein Bundesbahnobersekretär, wurde im Jahr 1999 wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr und im Jahr 2001 wegen Urkundenfälschung in Tateinheit mit versuchtem Betrug jeweils zu einer Geldstrafe verurteilt. Im Jahr 2003 wurde gegen den Beklagten wegen Urkundenfälschung in Tatmehrheit mit 13 sachlich zusammenhängenden Fällen des Missbrauchs von Scheck- und Kreditkarten eine Gesamtfreiheitsstrafe von acht Monaten verhängt, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die jeweils sachgleichen Disziplinarverfahren wurden eingestellt (§ 27 BDO und § 32 Abs. 1 Nr. 3 BDG). Im November 2006 wurde der Beklagte wegen versuchten Betrugs in zwei Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit Urkundenfälschung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 11 Monaten verurteilt, die nicht zur Bewährung ausgesetzt wurde. Auf die sachgleiche Disziplinarklage erkannte das Verwaltungsgericht wegen eines außerdienstlichen Dienstvergehens auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen.

3

1. Art. 103 Abs. 1 GG gewährleistet den Verfahrensbeteiligten das Recht, sich nicht nur zu dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt, sondern auch zur Rechtslage zu äußern, und verpflichtet das Gericht, den Vortrag der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Dabei kann es in besonderen Fällen auch geboten sein, die Verfahrensbeteiligten auf eine Rechtsauffassung hinzuweisen, die das Gericht der Entscheidung zugrunde legen will. Es kann im Ergebnis der Verhinderung eines Vortrags zur Rechtslage gleichkommen, wenn das Gericht ohne vorherigen Hinweis auf einen rechtlichen Gesichtspunkt abstellt, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter selbst unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen nicht zu rechnen brauchte. Allerdings ist zu beachten, dass das Gericht grundsätzlich weder zu einem Rechtsgespräch noch zu einem Hinweis auf seine Rechtsauffassung verpflichtet ist. Auch wenn die Rechtslage umstritten oder problematisch ist, müssen daher die Verfahrensbeteiligten grundsätzlich alle vertretbaren rechtlichen Gesichtspunkte von sich aus in Betracht ziehen und ihren Vortrag darauf einstellen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. Mai 1992 - 1 BvR 986/91 - BVerfGE 86, 133 <144 f.> und Urteil vom 14. Juli 1998 - 1 BvR 1640/97 - BVerfGE 98, 218 <263> jeweils m.w.N.).

4

Nach diesen Grundsätzen war das Berufungsgericht verpflichtet, vor seiner Entscheidung über die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts diesen darauf hinzuweisen, dass es aufgrund der gegen den Beklagten ausgesprochenen Freiheitsstrafe von 11 Monaten bei einem außerdienstlichen Dienstvergehen von der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis quasi als Regelmaßnahme ausgehen würde, von der nur bei Vorliegen besonderer, gewichtiger Milderungsgründe abgewichen werden kann. Wie die Ausführungen auf Seite 13 des Berufungsurteils belegen, ist der Verwaltungsgerichtshof der Sache nach davon ausgegangen, dass die Verhängung einer Freiheitsstrafe im Strafverfahren, die nur wenig unterhalb der sich aus § 48 Satz 1 Nr. 1 BBG a.F. (§ 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BBG) ergebenden Grenze liegt, für das Disziplinarverfahren ohne Weiteres die Dienstentfernung nach sich zieht. Diese Rechtsansicht widerspricht der Rechtsprechung des Disziplinarsenats des Bundesverwaltungsgerichts zur Bedeutung einer im Strafverfahren verhängten Freiheitsstrafe für die Bemessung der Disziplinarmaßnahme im sachgleichen Disziplinarverfahren. Der Disziplinarsenat hat in dem im Berufungsurteil genannten Urteil vom 8. März 2005 (BVerwG 1 D 15.04 - Buchholz 232 § 77 BBG Nr. 24 S. 16) festgestellt, dass wegen der Eigenständigkeit des Disziplinarrechts der strafrechtlichen Einstufung des Falles durch das Strafmaß im eigentlichen Sinne keine präjudizielle Bedeutung für die Bemessung der Disziplinarmaßnahme zukommt. Demnach ist es ausgeschlossen, vom Ausspruch einer Freiheitsstrafe von weniger als einem Jahr zwingend auf die Dienstentfernung zu schließen, ohne weitere bemessungsrelevante Umstände i.S.d. § 13 Abs. 1 BDG in den Blick zu nehmen. Dies gilt zumal in Betrugsfällen, in denen stets eine Abwägung der fallbezogenen erschwerenden und entlastenden Umstände stattzufinden hat, wobei der Höhe des Schadens besondere Bedeutung zukommt (vgl. unten S. 5 f.).

5

Ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter muss auch unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen nicht damit rechnen, dass ein Gericht ohne Hinweis in einer für den Ausgang des Verfahrens entscheidenden Frage von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht. Ausweislich der dem Senat vorliegenden Gerichtsakten bot der Ablauf des gerichtlichen Verfahrens aus Sicht des Beklagten bis zur Zustellung des Berufungsurteils auch keine Veranlassung, die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Bedeutung der im sachgleichen Strafverfahren verhängten Freiheitsstrafe für die Bemessung der Disziplinarmaßnahme anzusprechen und vorsorglich einer Abweichung von diesen Grundsätzen entgegenzutreten. Der Beklagte ist davon überrascht worden, dass das Berufungsgericht die Dienstentfernung in Abweichung von der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ausschließlich auf die verhängte Freiheitsstrafe gestützt hat.

6

Das Berufungsurteil beruht auch auf dem Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Berufungsgericht bei Berücksichtigung des Vorbringens, das der Beklagte in der Beschwerdebegründung dargelegt hat, zu einer ihm günstigeren Entscheidung gelangt wäre (vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. Februar 1994 - 1 BvR 765, 766/89 - BVerfGE 89, 381 <392 f.>). Hätte das Berufungsgericht den Beklagten vor dem Urteil über seine Erwägungen zur Bedeutung einer Freiheitsstrafe für die Bemessung der Disziplinarmaßnahme in Kenntnis gesetzt, so hätte der Beklagte seinerseits darauf verweisen können, dass diese mit den Grundsätzen des Bundesverwaltungsgerichts zum Verhältnis von Freiheitsstrafe und Bemessung einer Disziplinarmaßnahme gerade nicht in Einklang stehen. Dies hätte dazu führen können, dass das Berufungsgericht seinen Bemessungserwägungen eine mildere Disziplinarmaßnahme als die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis zugrunde gelegt hätte.

7

2. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:

Nach der Grundsatzentscheidung des Disziplinarsenats vom 30. August 2000 - BVerwG 1 D 37.99 (BVerwGE 112, 19), die das Leitbild des Beamten als Vorbild für den Rest der Bevölkerung in allen Lebenslagen verabschiedet hat, hat der Senat im Urteil vom 25. März 2010 - BVerwG 2 C 83.08 (zur Veröffentlichung in BVerwGE bestimmt) zwar zur Auslegung gesetzlicher Begriffe wie "besondere Eignung zur Vertrauensbeeinträchtigung" auf das Strafrecht abgestellt. Er hat aber auch in dieser Entscheidung hervorgehoben, dass nur vorsätzlich begangene schwerwiegende Straftaten, die mit einer Freiheitsstrafe geahndet worden sind, auch ohne Bezug auf das konkrete Amt zu einer Ansehensschädigung führen. Wie schwerwiegend eine außerdienstliche Straftat ist, hängt unter anderen von den Umständen des konkreten Einzelfalles (hier versuchter Betrug) und vom Strafrahmen für die verwirklichten Delikte (hier: 5 Jahre im Höchstmaß) ab. Der Senat hat deshalb lediglich für den Ausnahmefall des außerdienstlichen sexuellen Missbrauch eines Kindes gemäß § 176 Abs. 1 StGB (Rn. 18 und LS, a.a.O.) entschieden, dass aufgrund der Schwere eines solchen Dienstvergehens gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 BDG als Richtschnur für die Maßnahmebemessung die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis bzw. die Aberkennung des Ruhegehalts zugrunde gelegt werden kann.

8

Bei einem außerdienstlich begangenen Betrug ist die Variationsbreite, in der gegen fremdes Vermögen gerichtete Verfehlungen denkbar sind, zu groß, als dass sie einheitlichen Regeln unterliegen und in ihren Auswirkungen auf Achtung und Vertrauen gleichermaßen eingestuft werden können. Stets sind die besonderen Umstände des Einzelfalls maßgebend. In Fällen des innerdienstlichen Betrugs zum Nachteil des Dienstherrn ist der Beamte in der Regel aus dem Dienst zu entfernen, wenn im Einzelfall Erschwerungsgründe vorliegen, denen keine Milderungsgründe von solchem Gewicht gegenüberstehen, dass eine Gesamtbetrachtung nicht den Schluss rechtfertigt, der Beamte habe das Vertrauen endgültig verloren. Je gravierender die Erschwerungsgründe in ihrer Gesamtheit zu Buche schlagen, desto gewichtiger müssen die Milderungsgründe sein, um davon ausgehen zu können, dass noch ein Rest an Vertrauen zum Beamten vorhanden ist. Erschwerungsgründe können sich z.B. aus Anzahl und Häufigkeit der Betrugshandlungen, der Höhe des Gesamtschadens, der missbräuchlichen Ausnutzung der dienstlichen Stellung oder dienstlich erworbener Kenntnisse sowie daraus ergeben, dass die Betrugshandlung im Zusammenhang mit weiteren Verfehlungen von erheblichem disziplinarischen Eigengewicht, z.B. mit Urkundenfälschungen stehen (Urteile vom 28. November 2000 - BVerwG 1 D 56.99 - Buchholz 232 § 54 Satz 2 BBG Nr. 23; vom 26. September 2001 - BVerwG 1 D 32.00 - Buchholz 232 § 77 BBG Nr. 18 und vom 22. Februar 2005 a.a.O.; Beschluss vom 14. Juni 2005 - BVerwG 2 B 108.04 - NVwZ 2005, 1199 <1200>). Aus der Senatsrechtsprechung lässt sich der Grundsatz ableiten, dass beim einem Gesamtschaden von über 5 000 € die Entfernung aus dem Dienst ohne Hinzutreten weiterer Erschwerungsgründe gerechtfertigt sein kann (Beschluss vom 24. Februar 2005 - BVerwG 1 D 1.05 - juris m.w.N.). Derartige Bemessungsgrundsätze gelten auch für außerdienstliche Betrugsfälle und Veruntreuungen (Urteil vom 24. November 1998 - BVerwG 1 D 36.97 - Buchholz 232 § 54 Satz 3 BBG Nr. 16; Beschluss vom 3. Juli 2007 - BVerwG 2 B 18.07 - Buchholz 235.1 § 69 BDG Nr. 1 Rn. 12).

9

Für die Zumessungsentscheidung müssen weiter die in § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 BDG genannten Bemessungskriterien ermittelt und mit dem ihnen zukommenden Gewicht eingestellt werden. Insoweit kann von Bedeutung sein, dass der Beklagte nach den tatsächlichen Feststellungen im Berufungsurteil in dem relativ kurzen Zeitraum von der Erhebung der Disziplinarklage vor dem Verwaltungsgericht (Ende Juli 2007) bis zum Berufungsurteil (27. Mai 2009) seinen Schuldenstand von 25 000 € immerhin um 10 000 € reduzieren konnte. Auch sind die Gründe einzubeziehen, die für die Einstellung der früheren Disziplinarverfahren maßgebend waren.

Tenor

Die Berufung der Beamtin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart - Disziplinarkammer - vom 04. Februar 2010 - ... - wird zurückgewiesen.

Die Beamtin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Gründe

 
I.
Die am ... geborene Beamtin trat nach dem Erwerb der mittleren Reife im ... und einem daran anschließenden einjährigen Berufskolleg am ... unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf als Steueranwärterin in die Finanzverwaltung des Landes Baden-Württemberg ein. Nachdem sie am ... die Wiederholung der Laufbahnprüfung für den mittleren Dienst mit der Note „ausreichend“ (7,41 Punkte) bestanden hatte, wurde sie am ... unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe zur Steuerassistentin z.A. ernannt und beim Finanzamt ... in einem Veranlagungsbezirk eingesetzt. Zum ... wurde sie zum Finanzamt ... versetzt, bei dem sie ebenfalls in der Veranlagung eingesetzt wurde. Am ... wurde die Beamtin zur Steuerassistentin ernannt, am ... wurde sie in die Besoldungsgruppe A 6 (Steuersekretärin) übergeleitet. Am ... wurde die Beamtin an das Finanzamt ... zurückversetzt und weiterhin in einem Veranlagungsbezirk eingesetzt. Am ... wurde sie zur Steuerobersekretärin befördert. Am ... wurde ihr die Eigenschaft einer Beamtin auf Lebenszeit verliehen. Die letzte dienstliche Beurteilung der Beamtin zum Stichtag 01.01.2002 lautete auf das Gesamturteil 5,5 Punkte („entspricht den Leistungserwartungen“).
Die Beamtin ist verheiratet und hat ... Kinder. Sie verfügte im Februar 2004 über ein monatliches Nettoeinkommen in Höhe von 1.749,19 EUR, ihr Ehemann als ... über etwa 1.960 EUR. Nach der Dienstenthebung beträgt das Nettoeinkommen der Beamtin ca. 822 EUR.
Mit seit dem 24.09.2005 rechtskräftigem Strafbefehl des Amtsgerichts ... vom 05.09.2005 - ... - wurde gegen die Beamtin wegen zweier Vergehen der tateinheitlichen Einkommensteuerhinterziehung und Hinterziehung von Solidaritätszuschlag gemäß §§ 370 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 2, 150 AO, §§ 1 Abs. 1, 2, 25 EStG, § 56 EStDVO, §§ 1, 2 SolZG, § 52 StGB sowie ein Vergehen der tateinheitlichen Urkundenfälschung sowie Einkommensteuerhinterziehung und Hinterziehung von Solidaritätszuschlag im besonders schweren Fall gemäß §§ 267 StGB, 52 StGB, §§ 370 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 2, 150 AO, §§ 1 Abs. 1, 2, 25 EStG, § 56 EStDVO, §§ 1, 2 SolZG eine Gesamtfreiheitsstrafe von 8 Monaten verhängt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Der Beamtin wurde in dem Strafbefehl folgender Sachverhalt zur Last gelegt:
„Die Angeklagte war Sachbearbeiterin für die Veranlagung von Einkommensteuer für Steuerpflichtige mit den Anfangsbuchstaben „...“ beim Finanzamt .... Beim Finanzamt ... wurde u.a. die Mutter der Angeklagten, ..., veranlagt, die im selben Haus wie die Angeklagte selbst wohnt.
Fälle 1 und 2a
Unter bewusster Ausnutzung ihrer Funktion als Veranlagungsbeamtin gab die Angeklagte aufgrund jeweils neuen Tatentschlusses jeweils höhere als die in den Lohnsteuerkarten vom Arbeitgeber tatsächlich bescheinigten Steuerabzugsbeträge bei der Erfassung und Bearbeitung der Einkommensteuererklärungen 1998 und 1999 ihrer Mutter an. Wie von der Angeklagten vorhergesehen und beabsichtigt, ergaben sich aufgrund der Anrechnung der vermeintlich erhöhten Steuerabzugsbeträge zugunsten ... in 1998 ein ungerechtfertigt hoher Erstattungsbetrag und in 1999 ein Erstattungsbetrag statt einer Nachzahlung auf die Einkommensteuer und den Solidaritätszuschlag. Im einzelnen:
Fall
Datum
Manipulierter
Bescheid
Festgesetzte
ESt / Soli lt.
Bescheid DM
Steuerabzug
vom Lohn
ESt / Soli lt.
Bescheid DM
Steuerabzug
vom Lohn
ESt / Soli lt.
Prüfung DM 
Verkürzte
ESt / Soli DM
Verkürzte
ESt / Soli EUR
(gerundet)
1       
09.06.00
3872,00 /
40,00
5536,00 /
304,48
4051,00 /
49,51
1485,00 /
254,97
759 /
130      
2a   
24.01.01
5626,00 /
309,43
8268,00 /
454,74
4167,00 /
38,79
4101,00 /
415,95
2097 /
213      
Fall 2 b
Bzgl. des Veranlagungsjahres 1999 änderte die Angeklagte die in den Steuerakten befindliche Lohnsteuerkarte der ... wie folgt handschriftlich ab, um bei einer Überprüfung der Steuerakten den Eindruck zu erwecken, die höheren Steuerabzugsbeträge seien bereits vom Arbeitgeber eingetragen worden.
10 
1999
Ursprüngliche
Bescheinigung DM
Eintragung nach
Änderungen der
Angeklagten DM
Lohnsteuer
4166,00
8268,00
Kirchenlohnsteuer
333,24
661,44
Soli
38,79
474,74
11 
Fall 3
12 
Zu einem näher nicht mehr aufklärbaren Zeitpunkt ab 22.02.01 erfuhr die Angeklagte durch ein mitangehörtes Telefonat ihres Kollegen, dass die mittels der verfälschten Lohnsteuerkarte fingierten Steuererstattungsbeträge entdeckt waren. Aufgrund neuen Tatentschlusses und wiederum unter Missbrauch ihrer Position beim Finanzamt ... veranlasste sie daher am 06.06.01 die Erstellung eines neuen Bescheids vom 11.06.01, in dem die Steuerabzugsbeträge zwar korrigiert, nunmehr jedoch - positive - Einkünfte aus Vermietung in Höhe von 4046 DM fälschlicherweise als Verlust von 4046 DM ausgewiesen wurden. Dies führte zwar zur Wiedergutmachung der im Fall 2a eingetretenen Einkommensteuerverkürzung, zugleich jedoch zur erneuten Einkommensteuerhinterziehung und Hinterziehung von Solidaritätszuschlag zugunsten von ... wie folgt:
13 
Datum
Bescheid
ESt / Soli lt.
Bescheid DM
Festzusetzende
ESt / Soli lt.
Prüfung DM
Verkürzte
ESt / Soli DM
Verkürzter
Soli DM (EUR)
11.06.01
4068,00 /
79,20
6112,00 /
336,16
2044,00 /
256,92
1042 /
131      
14 
Bereits am 13.01.2004 wurde der Beamtin die Führung der Dienstgeschäfte vorläufig verboten. Mit Verfügung vom 11.03.2004, die der Beamtin am 12.03.2004 zugestellt wurde, leitete die Oberfinanzdirektion ... gegen die Beamtin das förmliche Disziplinarverfahren ein und bestellte eine Untersuchungsführerin und den Vertreter der Einleitungsbehörde. Mit Schreiben vom 01.04.2004 zeigte der frühere bevollmächtigte Rechtsanwalt der Beamtin deren Vertretung im Disziplinarverfahren an.
15 
Mit Verfügung der Oberfinanzdirektion ... vom 06.04.2004 wurde die Beamtin vorläufig des Dienstes enthoben. Zugleich wurde die Einbehaltung der Hälfte ihrer Besoldungsbezüge verfügt.
16 
Mit Verfügung vom 22.04.2004 wurde das förmliche Disziplinarverfahren im Hinblick auf das strafrechtliche Ermittlungsverfahren ausgesetzt. Nach Rechtskraft des Strafbefehls vom 05.09.2005 wurde es fortgeführt.
17 
Den Termin zur Vernehmung gemäß § 55 LDO am 06.03.2006 nahm die Beamtin in Anwesenheit ihres damaligen Bevollmächtigten wahr und führte hinsichtlich ihrer Person unter anderem aus, dass sie sich zur Zeit in psychologischer/psychiatrischer Behandlung befinde; ansonsten lägen keine Krankheiten vor. In der Sache wurde mit Zustimmung der Beamtin und des Vertreters der Einleitungsbehörde der Sachverhalt, so wie er im Strafbefehlsverfahren zu Grunde gelegt wurde, auch im Disziplinarverfahren zu Grunde gelegt. Zusätzlich wurde der Beamtin der weitere Vorwurf gemacht, sie habe Arbeitszeiten manipuliert. Die Beamtin gab bei der Vernehmung zur Sache unter anderem an: Sie habe seit 1999 massive Eheprobleme gehabt, da ihr Mann fremd gegangen sei. Es sei ein ständiges Auf und Ab gewesen, bis im Dezember 1999 nochmals ein Versuch gestartet worden sei, die Ehe zu retten. Sie habe damals privat wie auch im Amt keine Ansprechpartner gehabt. Sie habe sich über die Folgen der Taten keine Gedanken gemacht. Auch im Nachhinein könne sie sich die Tat nicht erklären. Es sei wie ein Grauschleier gewesen. Ihre Mutter habe sich nach dem Tod ihres Vaters Sorgen um die finanziellen Verhältnisse gemacht und diese ihr gegenüber geäußert. Aus Mitleid habe sie dann beim Erstellen der Erklärung die Steuerabzugsbeträge entsprechend geändert. Sie habe sich im Herbst 2004 Hilfe beim Hausarzt und im Dezember 2004 bei einer Psychologin geholt. Sie befinde sich seit Dezember 2004 wegen depressiver Verstimmungen in Behandlung und sei es immer noch. Zeitweilig habe sie auch Medikamente genommen. Die Beamtin übergab insoweit eine nervenärztliche Bescheinigung der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. ... - ohne Datum -, in der der Beamtin eine leichte bis mittelgradige depressive Episode bescheinigt wird. Die Beamtin habe sich seit Dezember 2004 in größeren Abständen wegen der Depression vorgestellt. Unter „Zusammenfassung“ heißt es in der Bescheinigung:
18 
„Frau ... stand in den Jahren 1999 und 2000 unter schwerer seelischer Belastung durch Ehekrise und unerfülltem Kinderwunsch und beschreibt eine depressive Grundstimmung, Angst, Selbstunsicherheit. Im Jahr 2000 kam der plötzliche Tod des Vaters, der der Familie Halt gegeben hatte, so dass die Sorge um ihre Mutter zunahm und sie die finanzielle Situation der Mutter falsch bewertete.
19 
Seit Dezember 2004 kann ich die mittelgradige depressive Störung bestätigen, die bei ihr mit depressiver Grundstimmung, eingeengter affektiver Schwingungsfähigkeit, Zukunftsängsten, Selbstwertproblematik und Rückzug aus sozialen Bezügen einhergeht.
20 
Zusammenfassend ist zu überlegen, ob im Rahmen der 1999 und 2000 [sich] bestehenden depressiven Reaktion bei den schweren situativen Belastungen eine in gewisser Beziehung geminderte Schuldfähigkeit bestand, wobei sie wohl das Unrecht der Tat einsah, aber nicht nach dieser Einsicht handeln konnte.“
21 
Mit Schreiben vom 17.10.2006 wies die Untersuchungsführerin die Beamtin darauf hin, dass sich aus den beigezogenen Akten ergebe, dass schon bei der erstmaligen Veranlagung der Einkommensteuererklärung 1998 der Eltern im September 1999 (und nicht erst im Rahmen der Abänderung des Einkommensteuerbescheids der Eltern für das Jahr 1998 mit Bescheid vom 09.06.2000) überhöhte Steuerabzugsbeträge berücksichtigt und dadurch Steuern verkürzt worden seien, so dass insoweit der Sachverhalt, wie er im Strafbefehl zu Grunde gelegt worden sei, nach den im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren aufgefundenen Unterlagen nicht zutreffend sein könne. Der Sachverhalt werde deshalb insoweit auch nicht dem förmlichen Disziplinarverfahren zu Grunde gelegt. Die Vorwürfe wurden daraufhin dahingehend abgeändert, dass der Beamtin nunmehr Steuerhinterziehung in vier rechtlich selbständigen Handlungen zu Gunsten Dritter und im Amt sowie Urkundenfälschung und -unterdrückung und ein Verwahrungsbruch im Amt vorgeworfen wurde.
22 
Mit Schreiben vom 02.03.2007 führte der Verteidiger der Beamtin aus, er habe auf Grund eines ausführlichen Gesprächs feststellen müssen, dass die Beamtin gesundheitlich nicht in der Lage sei, sich einer weiteren Beschuldigtenvernehmung zu stellen. Mit Schreiben vom 12.03.2007 gab der Verteidiger der Beamtin an, diese werde keine Angaben mehr machen, selbst wenn sie gesund wäre. In einer ärztlichen Bescheinigung der Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie ... vom 14.05.2007 wird ausgeführt, dass die Beamtin derzeit nicht in der Lage sei, eine mehrstündige Verhandlung durchzustehen.
23 
Mit Schreiben vom 22.11.2007 beantragte der Vertreter der Einleitungsbehörde die Bestellung eines Betreuers für die Beamtin wegen deren Verhandlungsunfähigkeit gemäß § 20 Abs. 2 Nr. 1 LDO. Im Weiteren legte der Verteidiger der Beamtin eine nervenärztliche Bescheinigung von Frau Dr. ... vom 18.03.2005 vor, in der die Diagnose einer leichten bis mittelgradigen depressiven Episode nach schwerer situativer Belastung gestellt wird. Die depressive Reaktion stehe im Zusammenhang mit ihrer momentanen Situation, dem schwebenden Verfahren, wobei sich die Beamtin wegen ihrer damaligen Verfehlung schwere Selbstvorwürfe mache. Ihr sei ein mildes Antidepressivum rezeptiert worden. Ein Sachverständigengutachten des Gesundheitsamtes ..., Dr. ..., vom 04.10.2007 an das Amtsgericht ... zur Verhandlungsfähigkeit der Beamtin gelangte zu folgendem Ergebnis:
24 
„Aus physischer Sicht ist Frau ... fähig, einer Verhandlung von drei Stunden zu folgen. Sehr bedenklich allerdings ist ihre offensichtliche Unfähigkeit, sich zu konzentrieren und bei einer Vernehmung genaue und verlässliche Angaben in ihrem eigenen Interesse zu machen. Dies kann dazu führen, dass sie ohne eigenes Verschulden von ihren Angaben vom März 2006 abweichende Angaben machen wird. Die reaktive Depression verlangsamt und erschwert das Denken und die für eine Vernehmung und Verhandlung erforderliche Flexibilität der Kognition. Insgesamt resultiert das Bild einer kognitiven Insuffizienz wie bei Prüfungsangst. …
25 
Ob Frau ... bereits im Zeitpunkt der Vorvernehmung im März 2006 bzw. zum Zeitpunkt der Einleitung des Disziplinarverfahrens ebenfalls bereits verhandlungsunfähig gewesen ist, kann der Sachverständige wegen des zeitlichen Ablaufs bis zu der Untersuchung vom 27.09. nicht beurteilen. Die voraussichtliche Dauer der psychogenen kognitiven Insuffizienz dürfte sich auf die Verfahrensdauer erstrecken. …. Aus ärztlicher Sicht ist Frau ... vorübergehend, mindestens jedoch für die verbleibende Verfahrensdauer nicht verhandlungsfähig.“
26 
Mit Beschluss vom 18.12.2007 - 1 XVII 127/2007 - wies das Amtsgericht ... den Antrag auf Bestellung eines Betreuers für die Beamtin zur Wahrnehmung der Rechte im Disziplinarverfahren ab. Zur Begründung hieß es: Die von dem Sachverständigen diagnostizierten Umstände reichten nicht aus, um von vollständiger Verhandlungsunfähigkeit auszugehen. Aus der persönlichen Anhörung der Beamtin vor Gericht werde geschlossen, dass eine Verhandlung mit der Betroffenen zwar schwierig, jedoch unter Berücksichtigung ihrer Einschränkungen möglich sei. Des Weiteren sei die Bestellung eines Betreuers auch nicht erforderlich, da sie einen Anwalt mit ihrer Vertretung beauftragt habe.
27 
Mit Schreiben vom 06.03.2008 beantragte der Verteidiger der Beamtin, das Verfahren wegen eines Verfahrenshindernisses einzustellen. Es stehe fest, dass die Beamtin schon zum Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens erkrankt gewesen sei. Es hätte schon damals einer Betreuerbestellung gemäß § 20 Abs. 2 LDO bedurft.
28 
Am 09.04.2008 fand eine weitere Beschuldigtenvernehmung zu dem erweiterten Untersuchungsgegenstand statt, an der nicht die Beamtin, sondern nur deren Verteidiger teilnahm.
29 
Mit Schreiben vom 30.04.2008 teilte der Vertreter der Einleitungsbehörde mit, dass das Verfahren fortgesetzt werde. Zum Zeitpunkt der Zustellung der Einleitungsverfügung hätten keine Anhaltspunkte dafür vorgelegen, dass die Beamtin krank oder verhandlungsunfähig gewesen sei.
30 
In seiner abschließenden Stellungnahme vom 03.07.2008 machte der Verteidiger der Beamtin geltend: Gemäß § 19 LDO sei der Sachverhalt, wie er sich aus dem rechtskräftigen Strafbefehl des Amtsgerichts... ergebe, auch dem Disziplinarverfahren zu Grunde zu legen. Eine Ausweitung der Ermittlungen sei weder geboten noch zulässig gewesen. Es liege zudem ein Verfahrenshindernis vor, da die Beamtin verhandlungsunfähig sei und diese Verhandlungsunfähigkeit bereits zu Beginn des Verfahrens bestanden habe.
31 
In einem zur Dienstfähigkeit der Beamtin eingeholten amtsärztlichen Zeugnis des Landratsamtes ..., Dr. ..., vom 21.07.2008 wird unter anderem ausgeführt:
32 
„Die Beamtin hat den Dienst bis heute nicht wieder aufnehmen können, weil die reaktive Depression sich nicht hat bessern können, da ein Abschluss des für die Beamtin belastenden Disziplinarverfahrens nicht eingetreten ist. … Die Beamtin wird dahingehend beurteilt, dass sie spätestens sechs Monate nach einem für sie positiv ausgehenden Abschluss des Disziplinarverfahrens mindestens hälftig wieder in den Dienst einsteigen kann mit einer Stufung bis zum vollen Dienstumfang um je ein Viertel in Abstand von jeweils zwei Monaten.“
33 
Am 03.11.2008 hat der Vertreter der Einleitungsbehörde der Disziplinarkammer beim Verwaltungsgericht Stuttgart die Anschuldigungsschrift vorgelegt, in der der Beamtin vorgeworfen wird:
34 
1. Hinterziehung von Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag im Amt zugunsten Dritter bei der erstmaligen Veranlagung der Einkommensteuererklärung ... 1998 (Einkommensteuerbescheid 1998 vom 20.09.1999, freigegeben am 15.09.1999)
35 
2. Hinterziehung von Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag im Amt zugunsten Dritter bei der Abänderung des Einkommensteuerbescheides ... 1998 (Einkommensteuerbescheid 1998 vom 09.06.2000, freigegeben am 06.06.2000)
36 
3. Hinterziehung von Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag im Amt zugunsten Dritter bei der erstmaligen Veranlagung der Einkommensteuererklärung ... 1999 (Einkommensteuerbescheid 1999 vom 24.01.2001, freigegeben am 19.01.2001)
37 
4. Urkundenfälschung durch Abänderung der Steuerabzugsbeträge auf der Lohnsteuerkarte 1999 von Frau ...
38 
5. Hinterziehung von Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag im Amt zugunsten Dritter bei der Abänderung des Einkommensteuerbescheids ... 1999 (Einkommensteuerbescheid 1999 vom 11.06.2001, freigegeben am 06.06.2001)
39 
6. Urkundenunterdrückung und Verwahrungsbruch im Amt durch Verbringen der Veranlagungsakten ... in die Altaktenregistratur und weitere Manipulationshandlungen
40 
7. Hinterziehung von Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag zugunsten Dritter beim Erstellen der Einkommensteuererklärung ... 2001
41 
8. Unerlaubtes Fernbleiben vom Dienst und Manipulation von Arbeitszeiten in der Zeit von Anfang Februar 2003 bis Mitte Mai 2003
42 
9. Verstoß gegen das Gebot der Unparteilichkeit bei Amtshandlungen
43 
Durch diese Verstöße habe die Beamtin die Pflichten, ihr Amt uneigennützig und nach bestem Wissen und Gewissen zu verwalten und mit ihrem Verhalten der Achtung und dem Vertrauen gerecht zu werden, die ihr Beruf erfordert, dem Dienst nicht ohne Genehmigung des Dienstvorgesetzten fernzubleiben sowie die Pflicht zur Unparteilichkeit verletzt. Die Beamtin habe ein schweres Dienstvergehen begangen, indem sie anderen vorsätzlich und fortgesetzt mit erheblicher krimineller Energie ungerechtfertigte Steuervorteile verschafft habe, obwohl sie öffentliche Aufgaben wahrzunehmen gehabt habe. Sie sei für den öffentlichen Dienst untragbar und ihr Verbleiben im Dienst dem Dienstherrn nicht mehr zumutbar.
44 
Der Verteidiger der Beamtin hat im Verfahren vor der Disziplinarkammer geltend gemacht: Es liege ein Verfahrenshindernis vor, das zur Einstellung des Disziplinarverfahrens führen müsse. Die Feststellungen der Ärztin Dr. ... würden den Verdacht nahe legen, dass die Beamtin bereits bei Einleitung des Verfahrens, vor allem auch schon bei der Vernehmung der Beamtin im März 2006 verhandlungsunfähig gewesen sei. Vorsorglich sei weiterhin davon auszugehen, dass gemäß § 19 LDO von dem Sachverhalt, wie er sich aus dem rechtskräftigen Strafbefehl ergebe, auszugehen sei. Eine Ausweitung der Ermittlungen sei weder geboten noch zulässig gewesen. Es lägen zudem Milderungsgründe vor: Die Beamtin habe sich zum Zeitpunkt der Tat in einer schweren Ehekrise befunden. Die unklare Situation habe sie in besonders starker Weise belastet. Sie habe deshalb in einem rational nicht nachvollziehbaren Akt versucht, von ihr geliebte Menschen an sich zu binden, ihnen zu helfen und die letztlich wirtschaftlich nicht sehr sinnvollen Manipulationen an den Steuererklärungen ihrer Mutter vorgenommen. Insoweit sei zumindest an eine verminderte Schuldfähigkeit zu denken. Durch die Ermittlungen und die Dauer des Verfahrens hätten sich die psychischen Belastungen der Beamtin trotz positiven Ausgangs der Ehekrise verschärft. Die reaktive Depression habe sich derart entwickelt, dass die Beamtin nicht mehr verhandlungsfähig sei. Zudem sei ihr Mann wegen psychischer Folgen einer Konfliktsituation am Arbeitsplatz arbeitsunfähig geschrieben. Die Beamtin sei geständig und sehe das Unrecht ihres Tuns vollständig ein.
45 
Die Beamtin hat in der Hauptverhandlung hilfsweise die Erhebung eines medizinisch-sachverständigen Gutachtens auf neurologisch-psychologischem Gebiet zu ihrer Verhandlungsfähigkeit zum Zeitpunkt der Einleitung des förmlichen Disziplinarverfahrens und zu der Frage ihrer erheblich verminderten Schuldfähigkeit zum Zeitpunkt der Tatbegehung beantragt.
46 
Mit Urteil vom 04.02.2010 hat die Disziplinarkammer des Verwaltungsgerichts Stuttgart die Beamtin aus dem Dienst entfernt. Zur Begründung hat sie ausgeführt: Die Verhandlungsunfähigkeit der Beamtin sei kein Verfahrenshindernis. Sie sei durch einen Verteidiger vertreten, so dass ihre Rechte ausreichend gewahrt werden könnten. Ein solches Verfahrenshindernis habe auch nicht in der Vergangenheit während des Untersuchungsverfahrens bestanden. Sie befinde sich erst seit September 2004, also nach Einleitung des förmlichen Disziplinarverfahrens wegen einer reaktiven Depression in ärztlicher Behandlung. Sie sei am 06.03.2006 zu den gegen sie erhobenen Vorwürfen vernommen worden, ohne dass dabei Schwierigkeiten aufgetreten wären. Auch auf Grund des Beschlusses des Amtsgerichts ... stehe fest, dass die Beamtin hinreichend verhandlungsfähig gewesen sei. In der Sache legte die Disziplinarkammer ihrer Entscheidung den der Beamtin in der Anschuldigungsschrift vorgeworfenen Sachverhalt zu Grunde. Danach habe die Beamtin schuldhaft ein einheitliches Dienstvergehen begangen und gegen ihre Verpflichtungen aus § 73 Satz 2 LBG, § 73 Satz 3 LBG, § 91 LBG sowie gegen §§ 77 Abs. 1 LBG, 82 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO verstoßen. Es bestünden keine Zweifel an der schuldhaften Begehung der fraglichen Verstöße. Die Beamtin sei zum Zeitpunkt der Tatbegehung weder krankgeschrieben gewesen noch habe sie sich in laufender medizinischer Behandlung befunden. Wegen einer Affäre des Ehemannes könne zwar ein psychischer Ausnahmezustand als wahr unterstellt werden, allerdings könne dieser mangels Behandlungsbedürftigkeit nicht von erheblicher Schwere gewesen sein. Die Eheprobleme seien nach der - unklaren - Aussage der Beamtin spätestens Ende 2000 vorüber gewesen, so dass diese Ausnahmesituation bei der Begehung der Taten hinsichtlich der Steuererklärungen 1999, der Steuererklärung ..., der Verdunklungshandlungen und der Arbeitszeitverstöße keine maßgebliche Rolle mehr habe spielen können. Die Beamtin habe mit ihrem Verhalten gegen die sie treffenden Beamtenpflichten im Kernbereich in besonderer Schwere verstoßen. Sie habe gerade diejenigen Pflichten verletzt, für deren Einhaltung sie durch ihre Tätigkeit zu sorgen gehabt habe. Die Taten hätten sich über eine erhebliche Zeitdauer hingezogen und noch dadurch an Gewicht gewonnen, dass die Beamtin mit erheblicher Intensität versucht habe, ihre Manipulationen zu vertuschen. Dies bedeute, dass nur eine Entfernung der Beamtin aus dem Dienst in Frage komme. Die hilfsweise gestellten Beweisanträge führten zu keiner Beweisaufnahme. Ein Unterhaltsbeitrag sei der Beamtin nicht zu bewilligen, da sie nach ihrer wirtschaftlichen Lage angesichts des Verdienstes ihres Ehemannes nicht der Unterstützung bedürftig sei.
47 
Gegen das am 26.02.2010 zugestellte Urteil hat die Beamtin am 11.03.2010 Berufung eingelegt. Zur Begründung führt ihr Verteidiger aus: Es liege ein Verfahrenshindernis vor, das zur Einstellung des Disziplinarverfahrens führen müsse. Das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht die Verhandlungsfähigkeit der Beamtin angenommen. Sie leide unter einer reaktiven Depression, die schon im Dezember 2004 bestanden habe. Die Feststellungen in den ärztlichen Bescheinigungen der Frau Dr. ... legten zumindest den Verdacht nahe, dass auf Grund der Erkrankung der Beamtin, die ja in engem Zusammenhang mit dem Verfahren stehe, bereits bei Einleitung des Verfahrens, vor allem auch schon bei der Vernehmung im März 2006 Verhandlungsunfähigkeit bestanden habe. Die Ablehnung der Betreuerbestellung durch das Amtsgericht sei dabei unerheblich. Zum einen habe das Amtsgericht dies damit begründet, dass die Beamtin anwaltlich vertreten sei, zum anderen könne die Verhandlungsunfähigkeit im März 2006 nicht durch die erst später beantragte Bestellung eines Betreuers durch das Amtsgericht ... geheilt werden. Es sei nichts darüber bekannt, ob und inwieweit die Beamtin bei ihrer Vernehmung in der Lage gewesen sei, die Vorgänge für sich richtig einzuordnen. In diesem Zusammenhang erweise es sich als fehlerhaft, dass die Disziplinarkammer den Beweisanträgen nicht stattgegeben habe. Bei der Wahl der Disziplinarmaßnahme seien zu Gunsten der Beamtin zu würdigende Milderungsgründe nicht berücksichtigt worden. Es sei an eine verminderte Schuldfähigkeit zu denken, nachdem sich die Beamtin im Zeitpunkt der Tat in einer schweren Ehekrise befunden habe. Durch die Ermittlungen und die Dauer des Verfahrens hätten sich die psychischen Belastungen der Beamtin trotz positiven Ausgangs der Ehekrise stark verschärft. Zudem sei ihr Ehemann, ein ... im mittleren Dienst, wegen psychischer Folgen einer Konfliktsituation am Arbeitsplatz arbeitsunfähig geschrieben; ihm drohe eine Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit. Eine Entfernung aus dem Dienst würde über das Schicksal der Beamtin selbst hinausreichen und zu psychischen und wirtschaftlichen Folgen für sie selbst und ihren Ehemann führen, die neben der bereits erfolgten strafrechtlichen Verurteilung in keinem angemessenen Verhältnis zu den vorgeworfenen Dienstvergehen mehr stünden und unter Fürsorgegesichtspunkten vermieden werden müssten. Es sei auch zu berücksichtigen, dass nach amtsärztlicher Aussage mit einer Wiederherstellung dauernder Dienstfähigkeit der Beamtin ein halbes Jahr nach einem für diese positiven Ausgang des Disziplinarverfahrens gerechnet werden könne. Die Beamtin sei voll geständig und sehe das Unrecht ihres Tuns vollständig ein. Im Hinblick auf die wirtschaftlichen Folgen einer Entfernung aus dem Dienst für die aus zwei psychisch kranken und allenfalls eingeschränkt erwerbsfähigen Beamten bestehende Familie sei zumindest ein Unterhaltsbeitrag festzusetzen.
48 
Die Beamtin beantragt,
49 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart - Disziplinarkammer - vom 04. Februar 2010 - ... - zu ändern und das Disziplinarverfahren einzustellen, hilfsweise auf eine mildere Disziplinarmaßnahme als die Entfernung aus dem Dienst zu erkennen, weiter hilfsweise ihr einen Unterhaltsbeitrag zu bewilligen.
50 
Der Vertreter der obersten Dienstbehörde beantragt,
51 
die Berufung zurückzuweisen.
52 
Er verteidigt das angefochtene Urteil. Das Verwaltungsgericht habe zu Recht die Verhandlungsfähigkeit der Beamtin bejaht. Die Beamtin sei durch einen Verteidiger vertreten gewesen, so dass sie ihre Rechte ausreichend habe wahren können. Eine Verhandlungsunfähigkeit sei auch dem amtsärztlichen Attest vom 21.07.2008 nicht zu entnehmen. Das Vorliegen einer reaktiven Depression führe nicht zu einem Verfahrenshindernis. Dieses Thema sei bereits Gegenstand im Beschluss des Amtsgerichts ... gewesen, mit dem ein Antrag auf Bestellung eines Betreuers zurückgewiesen worden sei. Die Diagnose „Leichte bis mittelgradige depressive Episode nach schwerer situativer Belastung“ lasse nicht auf eine bestehende Verhandlungsunfähigkeit schließen. Zudem habe sich die Beamtin erst nach Einleitung des förmlichen Disziplinarverfahrens wegen einer reaktiven Depression in Behandlung begeben. Sie sei am 06.03.2006 vernommen worden, ohne dass dabei Schwierigkeiten aufgetreten seien. Weiterhin sei die Beamtin erst seit dem 01.12.2006 fortlaufend krankgeschrieben. Die vom Gericht ausgesprochene Disziplinarmaßnahme sei nicht zu beanstanden. Eine Weiterbeschäftigung der Beamtin sei dem Dienstherrn nicht zumutbar. Die schwerwiegenden Pflichtverletzungen hätten zum totalen Vertrauensverlust des Dienstherrn in die Amtsführung der Beamtin geführt.
53 
Dem Senat liegen die Personal- und Personalnebenakten der Beamtin, die Untersuchungsakten, die Disziplinarakten, die Strafakten des Amtsgerichts ... sowie die einschlägigen Akten der Disziplinarkammer vor.
II.
54 
Die zulässige Berufung der Beamtin, gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts - Disziplinarkammer - hat keinen Erfolg.
55 
Der Senat hat die Rechtslage nach der Landesdisziplinarordnung in der Fassung vom 25.04.1991 (GBl. S. 227), zuletzt geändert durch Art. 3 des Gesetzes vom 15.12.1997 (GBl. S. 552) - LDO - zu beurteilen. Zwar ist die LDO nach Art. 27 Satz 2 Nr. 1 des Gesetzes zur Neuordnung des Landesdisziplinarrechts - LDNOG - vom 14.10.2008 (GBl. S. 343) am 22.10.2008 außer Kraft getreten. Doch werden nach Art. 26 Abs. 3 Satz 1 LDNOG förmliche Disziplinarverfahren, in denen im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes (22.10.2008) der Beamte bereits zur Vernehmung nach § 55 LDO geladen war, bis zu ihrem unanfechtbaren Abschluss nach bisherigem Recht fortgeführt.
56 
1. Das Disziplinarverfahren ist nicht nach §§ 83 Abs. 1 Nr. 2, 74 Abs. 1, Abs. 3, 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LDO einzustellen. Nach diesen Vorschriften ist das Disziplinarverfahren einzustellen, wenn es nicht rechtswirksam eingeleitet oder sonst unzulässig ist.
57 
Diese Voraussetzungen sind auch dann gegeben, wenn der Beamte bei Zustellung der Einleitungsverfügung im Sinne des § 20 Abs. 1 LDO verhandlungsunfähig und für ihn ein Betreuer nach § 20 Abs. 2 Nr. 1 LDO nicht bestellt war (vgl. BVerwG, Beschluss vom 25.01.2001 - 1 D 31.99 -, juris; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 25.03.1981 - DH 1/81 -). Zwar steht nach § 20 Abs. 1 LDO der Einleitung und Durchführung eines Disziplinarverfahrens nicht entgegen, dass der Beamte verhandlungsunfähig ist, doch ist ihm in diesem Fall nach § 20 Abs. 2 Nr. 1 LDO auf Antrag der Einleitungsbehörde ein Betreuer zu bestellen. Unterbleibt dies im Fall der Verhandlungsunfähigkeit, kann die Einleitungsverfügung an den Beamten nicht wirksam zugestellt werden mit der Folge, dass ein zur Einstellung des Disziplinarverfahrens führender Mangel im Sinne des § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LDO vorliegt.
58 
Zum Zeitpunkt der Einleitung des Disziplinarverfahrens mit Zustellung der Einleitungsverfügung am 12.03.2004 war die Beamtin allerdings nicht verhandlungsunfähig im Sinne des § 20 Abs. 1 LDO. Verhandlungsunfähigkeit liegt dann vor, wenn der Beamte nicht in der Lage ist, die Bedeutung des Disziplinarverfahrens und der einzelnen Verfahrensvorgänge zu erkennen und sich sachgemäß zu verteidigen. Verhandlungsunfähigkeit des Beamten setzt allerdings nicht notwendig die Fähigkeit voraus, selbst Argumentations- und Verhandlungsstrategien zu entwickeln, weil dies in erster Linie Aufgabe eines Prozessbevollmächtigten ist. Um verhandlungsfähig zu sein, muss der Beamte in jeder Lage des Verfahrens imstande sein, sich zu verteidigen. Dies erfordert sowohl die Fähigkeit, anderen verständlich zu machen, was vorgetragen werden soll, als auch diejenige, das in sich aufzunehmen und zu verstehen, was andere erklären (BVerwG, Urteil vom 24.09.2009 - 2 C 80.08 -, BVerwGE 135, 24 m.w.N.). Mithin musste die Beamtin zum Zeitpunkt der Zustellung der Einleitungsverfügung nach ihrer geistigen und seelischen Verfassung in der Lage gewesen sein, den Inhalt der Einleitungsverfügung zu verstehen und sich sachgerecht zu verteidigen, also zumindest einen Verteidiger zu bestellen und diesen für das Disziplinarverfahren zu informieren (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 09.03.1989 - DH 22/88 -). Für den Senat bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass diese Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Zustellung der Einleitungsverfügung am 12.03.2004 nicht erfüllt gewesen wären. Für die Beamtin hat sich am 01.04.2004 und somit alsbald nach Zustellung der Einleitungsverfügung ihr ehemaliger Bevollmächtigter Rechtsanwalt ... bestellt; im gesamten Verfahren hat die Beamtin auch nicht geltend gemacht, den Inhalt der Einleitungsverfügung nicht verstanden zu haben oder ihren Verteidiger nicht für das Disziplinarverfahren informieren zu können. Aus den dem Senat vorliegenden ärztlichen Attesten ergibt sich nichts anderes. Aus den Attesten der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie, Psychotherapie Dr. ... sowie den Angaben der Beamtin bei ihrer Vernehmung am 06.03.2006 folgt, dass sich die Beamtin (erst) ab Dezember 2004 und damit nach Einleitung des Disziplinarverfahrens in psychotherapeutische Behandlung begab. Im Attest vom 18.03.2005 führt Dr. ... aus, dass sich die Beamtin drei Mal in ihre psychiatrisch-psychotherapeutische Behandlung begeben habe und eine leichte bis mittelgradige depressive Episode nach schwerer situativer Belastung diagnostiziert werden könne. Die Beamtin sei affektiv herabgestimmt mit Zukunftsängsten, Selbstwertproblematik und Rückzug aus sozialen Bindungen. Sie wolle sich am liebsten verkriechen, stimmungsmäßig gehe es bei ihr auf und ab. Die depressive Reaktion stehe im Zusammenhang mit ihrer momentanen Situation (dem schwebenden Verfahren), wobei sich die Beamtin wegen der damaligen Verfehlung schwere Selbstvorwürfe mache. Es sei ihr ein mildes Antidepressivum verschrieben worden. Aus diesen Angaben, der Diagnose und Beschreibung des Krankheitsbildes kann aber nicht einmal ansatzweise gefolgert werden, dass die Beamtin bei Einleitung des Disziplinarverfahrens nicht in der Lage gewesen wäre, den Inhalt der Einleitungsverfügung zu verstehen oder sich sachgerecht im oben beschriebenen Sinne zu verteidigen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der nervenärztlichen Bescheinigung Dr. ... - ohne Datum, nach den Angaben des Verteidigers der Beamtin wohl aus dem Januar 2006 stammend -. In dieser wird unter Nennung der gleichen Diagnose („Leichte bis mittelgradige depressive Episode“) ein gleiches Krankheitsbild gezeichnet und eine mittelgradige depressive Störung seit Dezember 2004 bestätigt. Die weiteren Überlegungen beschäftigen sich lediglich mit Mutmaßungen zu einer „in gewisser Beziehung geminderten Schuldfähigkeit“ bei Begehung der der Beamtin vorgeworfenen Taten in den Jahren 1999 und 2000. Die Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie ... bescheinigte unter dem 14.05.2007 nur, dass die Beamtin derzeit nicht in der Lage sei, eine mehrstündige Vernehmung durchzustehen. Im amtsärztlichen Attest des Dr. ... vom 20.06.2007 wird lediglich davon gesprochen, dass im Dezember 2004 „eine Depression begann“, im Sachverständigengutachten des Dr. ... vom 04.10.2007 für das Verfahren auf Bestellung eines Betreuers vor dem Amtsgericht ... wird von einer „reaktiven Depression seit ca. Herbst 2004“ gesprochen und weiter ausgeführt, dass der Sachverständige die Frage, ob die Beamtin bereits zum Zeitpunkt der Vernehmung im März 2006 bzw. zum Zeitpunkt der Einleitung des Disziplinarverfahrens verhandlungsunfähig gewesen sei, wegen des zeitlichen Abstandes zur Untersuchung nicht beurteilen könne. Das amtsärztliche Zeugnis des Dr. ... vom 21.07.2008 spricht wieder davon, dass die Beamtin seit „Dezember 2004“ unter einer reaktiven Depression leide. Im Beschluss des Amtsgerichts ... vom 18.12.2007 wird in Auseinandersetzung mit den Ausführungen des Sachverständigengutachtens des Dr. ... vom 04.10.2007, der der Ansicht war, dass die reaktive Depression das Denken und die für die Vernehmung und Verhandlung der Beamtin erforderliche Kognition verlangsame und erschwere, ausgeführt, dass das Gericht die Betroffene im Rahmen der persönlichen Anhörung selbst kennengelernt und dabei festgestellt habe, dass zwar Unkonzentriertheit gegeben sei und die Betroffene auch nicht immer vollständig in der Lage gewesen sei, dem Gespräch zu folgen. Bei etwaigen Nachfragen habe sie sich jedoch zumindest für einige Zeit konzentrieren und folgerichtige Antworten geben können. Damit sei eine Verhandlung mit der Beamtin zwar schwierig, jedoch unter Berücksichtigung ihrer Einschränkungen möglich; Verhandlungsunfähigkeit nach der Disziplinarordnung sei nicht gegeben. Anhaltspunkte, warum dies bei Einleitung des Disziplinarverfahrens zum Zeitpunkt der Zustellung der Einleitungsverfügung am 12.03.2004 anders gewesen sein könnte, sind damit für den Disziplinarsenat nicht ersichtlich.
59 
Entsprechendes gilt für die Vernehmung der Beamtin gemäß § 55 LDO am 06.03.2006, so dass der weiteren Frage, welche rechtlichen Folgen die Verhandlungsunfähigkeit der Beamtin bei dieser Vernehmung bei mangelnder Bestellung eines Betreuers gehabt hätte (vgl. dazu GKÖD, Disziplinarrecht des Bundes und der Länder, Band II § 19 BDO RdNr. 7a), nicht weiter nachgegangen werden muss, nachdem ein solcher Mangel des Verfahrens in § 60 LDO nicht ausdrücklich erwähnt ist. Zwar ist zu dem Zeitpunkt der Vernehmung am 06.03.2006 davon auszugehen, dass die Beamtin an einer leichten bis mittelgradigen Depression gelitten hat. Doch sind in den zeitnah erstellten Attesten der sie behandelnden Fachärztin Dr. ... keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass diese Diagnose und das mit ihr einhergehende Krankheitsbild zu einer Verhandlungsunfähigkeit der Beamtin geführt haben. Die Beamtin selbst hat bei ihrer Vernehmung am 06.03.2006 lediglich angegeben, dass sie in psychologischer / psychiatrischer Behandlung sei. Sie habe sich Hilfe beim Hausarzt und später bei der Psychologin geholt, weil es nicht mehr weitergegangen sei; zeitweilig habe sie auch Medikamente genommen. Anhaltspunkte dafür, dass die Beamtin bei ihrer Vernehmung nicht in der Lage gewesen ist, anderen verständlich zu machen, was vorgetragen werden soll, sowie, das in sich aufzunehmen und zu verstehen, was andere erklären, sind nicht ersichtlich. Ihre Angaben sind schlüssig und lassen auch ohne Weiteres darauf schließen, dass die Beamtin das verstanden hat, was sie gefragt oder was ihr erklärt worden ist. Im gesamten Verfahren haben weder die Beamtin noch ihre Bevollmächtigten geltend gemacht, dass und welche (der) Angaben der Beamtin bei ihrer Vernehmung am 06.03.2006 unzutreffend oder unter Einschränkung ihrer Verteidigungsfähigkeit zustande gekommen sind. Erst mit Schreiben vom 02.03.2007 hat der Verteidiger der Beamtin ausgeführt, dass er in einem ausführlichen Gespräch mit der Beamtin habe feststellen müssen, dass diese gesundheitlich derzeit nicht in der Lage sei, sich einer Vernehmung zu stellen. Ihr früherer Bevollmächtigter hatte etwaige Defizite, die zu einer Verhandlungsunfähigkeit führen könnten, hingegen vor oder bei der Vernehmung der Beamtin am 06.03.2006 nicht geltend gemacht. Die Beamtin hat in der Sache die Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt und damit zu erkennen gegeben, dass die Feststellung des Dienstvergehens, die auch auf ihren Angaben bei der Vernehmung vom 06.03.2006 beruhte, nicht zu beanstanden ist und hat zuletzt noch einmal im Berufungsverfahren vortragen lassen, dass sie voll geständig sei und das Unrecht ihrer Taten einsehe. Schließlich ist nochmals darauf abzustellen, dass das Amtsgericht ... in seinem Beschluss vom 18.12.2007 eine Verhandlungsunfähigkeit der Beamtin nicht hat feststellen können. Auch liegen fortlaufende Krankschreibungen erst seit dem 01.12.2006 vor.
60 
Für die Disziplinarkammer bestand auch kein Anlass, den nicht innerhalb der Äußerungsfrist des § 63 Abs. 2 LDO (vier Wochen nach Zustellung der Anschuldigungsschrift am 07.11.2008) und damit verspätet (§ 64 LDO) gestellten Beweisantrag vom 21.12.2009 zur Frage der Verhandlungsunfähigkeit der Beamtin zum Zeitpunkt der Einleitung des förmlichen Disziplinarverfahrens nachzugehen. Unter den dargelegten Umständen hat sie zu Recht eine weitere Beweisaufnahme zur Frage der Verhandlungsunfähigkeit der Beamtin auch im Rahmen ihrer Aufklärungspflicht nicht für erforderlich gehalten (vgl. von Alberti/Gayer/Roskamp, LDO, § 64 LDO RdNr. 4).
61 
2. In der Sache ist die Berufung der Beamtin - wie sich aus dem Schriftsatz ihres Verteidigers vom 19.03.2010 ergibt - auf das Disziplinarmaß beschränkt. Eine solche Beschränkung hat zur Folge, dass der Senat an die durch die Disziplinarkammer getroffenen Tat- und Schuldfeststellungen sowie an die disziplinarrechtliche Würdigung als Dienstvergehen gebunden ist. Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. BVerwG, Urteil vom 05.07.2006 - 1 D 5.05 -, Buchholz 235 § 82 BDO Nr. 7; Urteil des Senats vom 10.03.2008 - DL 16 S 5/07 -) gehören zu den bindenden Feststellungen die zum konkreten historischen Vorgang getroffenen Feststellungen, mit denen die Verletzungshandlung in Bezug auf den Tatbestand des angenommenen Pflichtenverstoßes gekennzeichnet wird (etwa zur Frage der Eigennützigkeit, zur Anzahl der Teilakte oder des Zeitpunktes auch des Tatentschlusses) und die Feststellungen zur Form des Verschuldens (Vorsatz oder Fahrlässigkeit). Zusätzliche oder abweichende Feststellungen können nur noch getroffen werden, soweit sie sich zu den bindenden Tat- und Schuldfeststellungen nicht in Widerspruch setzen und ausschließlich für die Bestimmung des Disziplinarmaßes von Bedeutung sind.
62 
Mithin steht infolge der Beschränkung der Berufung auf das Disziplinarmaß für den Disziplinarsenat im Berufungsverfahren bindend fest, dass die Beamtin mit den von der Disziplinarkammer festgestellten Verfehlungen der Einkommensteuerhinterziehung und Hinterziehung von Solidaritätszuschlag, der Urkundenfälschung, der Urkundenunterdrückung und des Verwahrungsbruchs im Amt sowie des unerlaubten Fernbleibens vom Dienst und der Manipulation von Arbeitszeiten schuldhaft die ihr obliegenden Beamtenpflichten aus § 73 Satz 2 LBG (Pflicht, das Amt uneigennützig und nach bestem Gewissen zu verwalten), § 73 Satz 3 LBG (Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten), § 91 LBG (Pflicht, dem Dienst nicht ohne Genehmigung des Dienstherrn fernzubleiben), § 77 Abs. 1 LBG, § 82 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO (Pflicht zur Unparteilichkeit) verletzt und damit ein einheitliches Dienstvergehen begangen hat.
63 
Der Senat hat damit nur noch darüber zu entscheiden, ob die von der Disziplinarkammer ausgesprochene Entfernung aus dem Dienst (§ 11 LDO) gerechtfertigt oder aber, was die Beamtin anstrebt, auf eine mildere Disziplinarmaßnahme zu erkennen ist.
64 
Der Senat teilt die von der Disziplinarkammer getroffene Einschätzung, dass auf Grund des festgestellten - schwerwiegenden - Dienstvergehens die Entfernung der Beamtin aus dem Dienst unumgänglich ist. Das Berufungsvorbringen rechtfertigt keine andere Beurteilung.
65 
Maßgebend für die Bemessung der Disziplinarmaßnahme ist das Eigengewicht der Pflichtverletzung, d.h. die Schwere des Dienstvergehens. Hierfür können bestimmend sein die objektive Handlung (insbesondere Eigenart und Bedeutung der Dienstpflichtverletzung sowie besondere Umstände der Tatbegehung, etwa Häufigkeit und Dauer eines wiederholten Fehlverhaltens), subjektive Handlungsmerkmale (insbesondere Form und Gewicht der Schuld des Beamten, Beweggründe für sein Verhalten) sowie unmittelbare Folgen des Dienstvergehens für den dienstlichen Bereich und Dritte, z.B. der materielle Schaden (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.10.2005 - 2 C 12.04 -, BVerwGE 124, 252). Die gegen einen Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme muss unter Berücksichtigung aller belastenden und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen (BVerfG, Beschl. vom 08.12.2004 - 2 BvR 52/02 -, BVerfGK 4, 243).
66 
Die hier im Vordergrund des disziplinaren Vorwurfs stehende Steuerhinterziehung, mit der der Anspruch des Staates auf den vollen und rechtzeitigen Ertrag aus jeder einzelnen Steuer verkürzt wird, ist im Hinblick auf den dem Staat verursachten Schaden ein schweres Wirtschaftsdelikt. Dies belegt bereits der Strafrahmen. Danach ist Steuerhinterziehung mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren, in besonders schweren Fällen bis zu zehn Jahren (§ 370 Abs. 1 und 3 AO) bedroht. Ein Beamter, der sich der Steuerhinterziehung schuldig macht, verletzt damit in schwerwiegender Weise die ihm obliegende Pflicht, der Achtung und dem Vertrauen gerecht zu werden, die sein Beruf erfordert (ebenso BayVGH, Urteil vom 24.09.2008 - 16a D 07.2849 -, juris). Dabei wirkt sich besonders nachteilig aus, wenn der Beamte sich oder einem Dritten durch strafbares Verhalten unberechtigte Steuervorteile verschafft, obwohl er öffentliche Aufgaben wahrzunehmen hat und durch öffentliche Mittel alimentiert wird. Dies beeinträchtigt in erheblichem Maße sein Ansehen und das Ansehen der Beamtenschaft insgesamt, auf das der Staat in besonderem Maße angewiesen ist, wenn er die ihm gegenüber der Allgemeinheit obliegenden Aufgaben sachgerecht erfüllen will. Über die Ansehensschädigung hinaus führt ein solches Verhalten grundsätzlich auch zu erheblichen Zweifeln an der Vertrauenswürdigkeit des Beamten. Dies gilt in besonderem Maße bei einem Finanzbeamten, dessen Aufgabe es gerade ist, die an den Staat abzuführenden Steuern korrekt festzusetzen und in diesem Zusammenhang auch die Steuerpflichtigen zur Steuerehrlichkeit und zu einem ordentlichen Erklärungsverhalten anzuhalten hat (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteile vom 30.05.2006 - 21d A 3905/05.O -, ZBR 2006, 420 und vom 07.08.2001 - 15d 4172/00.O -, DÖD 2003, 40). Im vorliegenden Fall kommt zu diesen allgemein für die Steuerhinterziehung geltenden Grundsätzen (vgl. dazu auch: Claussen/Janzen, Bundesdisziplinarrecht, S. 141) noch besonders erschwerend für die Beamtin hinzu, dass sie die Steuerhinterziehung in Ausübung ihres Amtes begangen hat. Denn die Verwaltung - insbesondere die Finanz- und Steuerverwaltung, deren Funktionieren jede öffentliche Aufgabenerfüllung letztlich erst möglich macht (vgl. VG des Saarlandes, Urteil vom 13.03.2009 - 7 K 2125/07 -, juris) - ist auf die Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit ihrer Beamten angewiesen, wenn sie ihre Aufgaben gegenüber der Allgemeinheit sinnvoll und auftragsgerecht erfüllen will. Dabei betrifft die Tat einer Steuerbeamtin, die bei Ausübung ihres Dienstes durch manipulierte Steuererklärungen nicht bestehende Steuererstattungen erwirkt, den Kernbereich ihrer dienstlichen Obliegenheiten. Besonders gravierend tritt hier hinzu, dass die Beamtin die steuerlichen Vorteile zu Gunsten ihrer Mutter unter bewusster Ausnutzung ihrer dienstlichen Aufgaben und Möglichkeiten erwirkt hat. Vollkommen zu Recht hat die Disziplinarkammer dazu noch darauf abgestellt, dass sich die Taten der Beamtin über eine erhebliche Zeitdauer hingezogen und noch dadurch an Gewicht gewonnen haben, dass die Beamtin mit erheblicher Intensität versucht hat, ihre Manipulationen zu vertuschen (so durch Manipulation der Grunddaten, Abfangen der Kontrollmitteilung und Beseitigung der Akte). Zudem hat die Beamtin mit der Steuerhinterziehung noch weitere strafbare Urkundsdelikte begangen. All dies führt dazu, dass sich die Beamtin für den Dienst als (Steuer-)Beamtin als untragbar erwiesen hat.
67 
Die von der Beamtin, die an der Hauptverhandlung im Berufungsverfahren nicht teilgenommen hat, zu ihren Gunsten im Berufungsverfahren vorgetragenen Milderungsgründe rechtfertigen keine andere disziplinarrechtliche Bewertung ihres Handelns.
68 
So ist zunächst nicht der Milderungsgrund des Handelns in einer psychischen Ausnahmesituation gegeben. Eine solche Situation wird in aller Regel hervorgerufen durch den plötzlichen unvorhergesehen Eintritt eines Ereignisses, das gemäß seiner Bedeutung für die besonderen Lebensumstände des Betroffenen bei diesem einen seelischen Schock auslöst, der seinerseits zu der Begehung des Dienstvergehens führt (BVerwG, Urteil vom 09.05.2001 - 1 D 22.00 -, BVerwGE 114, 240; Urteil des Senats vom 24.06.2010 - 16 S 3391/08 -). Einen solchen Schock, der zur Begehung des Dienstvergehens der Beamtin geführt haben könnte, vermag der Senat nicht zu erkennen. Zwar mag sich die Beamtin wegen einer schweren Ehekrise und des Todes ihres Vaters durchaus in einer sie schwer belastenden und schwierigen persönlichen Situation befunden haben, die auch Auswirkungen auf ihre psychische Gesundheit gehabt haben könnte. Es ist jedoch nicht ersichtlich, dass diese das Gewicht einer Notlage gehabt hätte, die das - über einen langen Zeitraum, zum Teil zeitlich auch schon vor dem Tod des Vaters und mit besonderer krimineller Energie begangene - Dienstvergehen im Ansatz in einem milderen Licht erscheinen lassen könnte. Insbesondere erklären diese Umstände nicht, wieso die Beamtin gegen zentrale und leicht einsehbare Kernpflichten verstoßen und nach Begehung der Steuerhinterziehung zu deren Vertuschung noch weitere kriminelle Handlungen begangen hat. Die mit der beruflichen Situation des Ehemannes der Beamtin hervorgerufenen weiteren Belastungen, auf die die Berufungsbegründung abstellt, traten zudem erst im Jahr 2008 auf und lassen mithin das weit früher begangene Dienstvergehen der Beamtin in keinem milderen Licht erscheinen.
69 
Das Vorbringen der Beamtin, sie habe zum Zeitpunkt der Begehung des Dienstvergehens wegen ihrer Ehekrise Verlassensängste gehabt, wegen derer sie geglaubt habe, ihr nahe stehende verbleibende Personen an sich binden zu müssen, und dies sei dadurch geschehen, dass sie aus einem nicht nachvollziehbaren Entschluss die Festsetzung der Steuer gegen ihre Eltern manipuliert habe, weil sie völlig grundlos befürchtet habe, ihre Eltern gerieten in finanzielle Schwierigkeiten, kann aus denselben Gründen nicht eine mildere Bewertung des Dienstvergehens nach sich ziehen. Insbesondere vermag der Senat nicht das Vorliegen des Milderungsgrundes einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit im Sinne von §§ 20, 21 StGB zu erkennen, bei dem nach der jüngsten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts jedenfalls unter den Bemessungsvorgaben des Bundesdisziplinargesetzes die Höchstmaßnahme der Entfernung aus dem Dienst regelmäßig nicht mehr ausgesprochen werden kann (BVerwG, Urteil vom 25.03.2010 - 2 C 83.08 -, juris).
70 
Erheblich verminderte Schuldfähigkeit gemäß §§ 20, 21 StGB setzt voraus, dass die Fähigkeit, das Unrecht einer Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, wegen einer Störung im Sinne von § 20 StGB bei Tatbegehung erheblich eingeschränkt war. Für die hier relevante Frage der Steuerungsfähigkeit kommt es darauf an, ob das Hemmungsvermögen so stark herabgesetzt war, dass der Betroffene den Tatanreizen erheblich weniger Widerstand als gewöhnlich entgegenzusetzen vermochte. Die Frage, ob die Verminderung der Steuerungsfähigkeit auf Grund einer krankhaften seelischen Störung „erheblich" war, ist eine Rechtsfrage, die die Disziplinargerichte ohne Bindung an die Einschätzung Sachverständiger in eigener Verantwortung zu beantworten haben. Hierzu bedarf es einer Gesamtschau der Persönlichkeitsstruktur des Betroffenen, seines Erscheinungsbildes vor, während und nach der Tat und der Berücksichtigung der Tatumstände, insbesondere der Vorgehensweise. Für die Annahme einer erheblichen Minderung der Schuldfähigkeit sind schwerwiegende Gesichtspunkte heranzuziehen wie etwa Psychopathien, Neurosen, Triebstörungen, leichtere Formen des Schwachsinns, altersbedingte Persönlichkeitsveränderungen, Affektzustände sowie Folgeerscheinungen einer Abhängigkeit von Alkohol, Drogen oder Medikamenten. Die Erheblichkeitsschwelle liegt umso höher, je schwerer das in Rede stehende Delikt wiegt. Dementsprechend hängt im Disziplinarrecht die Beurteilung der Erheblichkeit im Sinne von § 21 StGB von der Bedeutung und Einsehbarkeit der verletzten Dienstpflichten ab und wird die Schwelle der Erheblichkeit damit bei der Verletzung von ohne Weiteres einsehbaren innerdienstlichen Kernbereichspflichten nur in Ausnahmefällen erreicht sein (vgl. für Zugriffsdelikte: BVerwG, Urteil vom 29.05.2008 - 2 C 59.07 -, Buchholz 235.1 § 70 BDG Nr. 3; Beschluss vom 27.10.2008 - 2 B 48.08 -, juris; Urteil des Senats vom 24.06.2010 - DB 16 S 3391/08 -).
71 
Der Senat vermag keinerlei Anhaltspunkte dafür zu erkennen, dass ein solcher Ausnahmefall für die Beamtin zum Zeitpunkt der Begehung des Dienstvergehens gegeben war. In keinem der im Verlauf des Disziplinarverfahrens vorgelegten Atteste wird für den Zeitpunkt des Dienstvergehens eine psychische Erkrankung beschrieben, die den Krankheitsgrad einer Psychopathie, Neurose, Triebstörung, der leichteren Form des Schwachsinns, einer altersbedingten Persönlichkeitsveränderung, eines Affektzustandes oder der Folgeerscheinung einer Abhängigkeit von Alkohol, Drogen oder Medikamenten erreicht. Im Attest der die Beamtin behandelnden Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. ... - ohne Datum - wird eine depressive Reaktion bei schwerer situativer Belastung genannt und es lediglich als überlegenswert bezeichnet, ob bei der Beamtin zum damaligen Zeitpunkt eine „in gewisser“ und damit gerade nicht in erheblicher Weise geminderte Schuldfähigkeit bestand. Das in dem ärztlichen Attest beschriebene Krankheitsbild einer depressiven Reaktion erreicht angesichts der leicht einsehbaren Kernbereichspflicht, die die Beamtin einzuhalten hatte, die Erheblichkeitsschwelle nicht. Bei depressiven Episoden auch schweren Grades, einschließlich der depressiven Reaktion, leidet der betroffene Patient unter einer gedrückten Stimmung und einer Verminderung von Antrieb und Aktivität. Die Fähigkeit zu Freude, das Interesse und die Konzentration sind vermindert. Ausgeprägte Müdigkeit kann nach jeder kleinsten Anstrengung auftreten. Der Schlaf ist meist gestört, der Appetit vermindert. Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen sind fast immer beeinträchtigt. Es kommen Schuldgefühle oder Gedanken über eigene Wertlosigkeit vor. Die gedrückte Stimmung verändert sich von Tag zu Tag wenig, reagiert nicht auf Lebensumstände und kann von so genannten "somatischen" Symptomen begleitet werden, wie Interessenverlust oder Verlust der Freude, Früherwachen, Morgentief, deutliche psychomotorische Hemmung, Agitiertheit (krankhafte Unruhe, bei der es zu heftigen und hastigen Bewegungen des Patienten kommt), Appetitverlust, Gewichtsverlust und Libidoverlust (ICD 10 GM 2010, F. 32). Dies spricht aber gegen eine erhöhte Neigung zu delinquentem Handeln.
72 
Insoweit bestand auch hier für die Disziplinarkammer kein Anlass, dem ebenfalls verspätet gestellten Beweisantrag zur Frage der erheblich verminderten Schuldfähigkeit auf Grund einer psychischen Erkrankung zum Zeitpunkt der Begehung der Dienstvergehen nachzugehen.
73 
Damit vermag der Senat - ebenso wie die Disziplinarkammer - unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände, auch der langjährigen dienstlichen Unbescholtenheit der Beamtin, ihrer ordentlichen dienstlichen Beurteilungen, ihrer Einsicht in das Unrecht ihres Tuns sowie ihrer schwierigen persönlichen und familiären Situation zum Zeitpunkt der Tatbegehung, nicht zu erkennen, dass die von der Schwere des Dienstvergehens ausgehende Indizwirkung für den eingetretenen Vertrauensverlust durch vorrangig zu berücksichtigende und durchgreifende Entlastungsgründe entfallen ist und die Beamtin gegenüber ihrem Dienstherrn noch ein Restvertrauen für sich in Anspruch nehmen könnte. Die weiter von der Beamtin noch zu ihren Gunsten hervorgehobene und absehbare Wiederherstellung ihrer Dienstfähigkeit nach einem für sie positiven Ausgang des Disziplinarverfahrens ist für die Frage, ob der Dienstherr ihr noch ein Restvertrauen entgegenbringen kann, ohne ausschlaggebende Bedeutung. Ist das Vertrauensverhältnis zwischen der Beamtin und ihrem Dienstherrn zerstört, erweist sich die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis als angemessene Reaktion. Die hierin liegende Härte ist für die Beamtin - auch unter familiären Gesichtspunkten, insbesondere dem Umstand, dass die Dienstfähigkeit ihres als ... tätigen Ehemannes in Frage stehen könnte - nicht unverhältnismäßig, da sie auf zurechenbarem Verhalten beruht.
74 
3. Der Senat sieht keinen Anlass, auf den weiter hilfsweise gestellten Antrag der Beamtin die Entscheidung der Disziplinarkammer über die Versagung eines Unterhaltsbeitrags nach § 75 Abs. 1 LDO zu ändern. Die Beamtin ist zwar einer solchen Unterstützung nicht unwürdig, derzeit jedoch nicht bedürftig (§ 75 Abs. 1 Satz 1 LDO). Mit der Bewilligung eines Unterhaltsbeitrags soll dem aus dem Dienst entfernten Beamten der Übergang in einen anderen Beruf oder, sofern dies wegen Alters oder Erwerbsunfähigkeit nicht mehr möglich ist, in eine andere Art der gesetzlichen Alters- oder Erwerbsunfähigkeitsversorgung erleichtert werden. Dieser Zweck des Unterhaltsbeitrags, den aus dem Dienst entfernten Beamten und dessen Familie für eine Übergangszeit vor einer finanziellen Notlage zu schützen, wobei sich der anzuerkennende Bedarf vor allem nach den aktuellen Regelsätzen, Wohnungskosten (die Beamtin lebt allerdings mietfrei in der Wohnung ihrer Mutter, wie ihr Verteidiger in der Hauptverhandlung vor dem Senat noch einmal bestätigte) und einem Zuschlag für den Krankenversicherungsbeitrag bestimmt, ist hier bereits durch die Bezüge des Ehemannes der Beamtin (zur Berücksichtigung des Einkommens des Ehegatten des Beamten vgl. BVerwG, Urteil vom 28.11.1996 - 1 D 67.96 -, Buchholz 235 § 77 BDO Nr. 3; Urteil vom 18.03.1998 - 1 D 88.97 -, BVerwGE 113, 208; von Alberti/Gayer/Roskamp, a.a.O., § 75 LDO RdNr. 8; Köhler/Ratz, BDG, 3. Aufl., § 10 BDG RdNr. 8) in Höhe von 1.960 EUR netto monatlich sichergestellt. Dass die Bezüge des Ehemannes in absehbarer Zeit durch dessen Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit geringer ausfallen werden, ist derzeit nicht hinreichend absehbar (vgl. dazu von Alberti/Gayer/Roskamp, a.a.O., § 75 LDO RdNr. 8). Der Verteidiger der Beamtin gab in der Hauptverhandlung im Berufungsverfahren an, dass sich der Ehemann der Beamtin auf Weisung seines Dienstherrn zur Wiederherstellung der Dienstfähigkeit in teilstationäre Behandlung begeben habe und ein förmliches Verfahren der Zurruhesetzung nicht eingeleitet sei.
75 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 112 Abs. 2 Satz 1 LDO.
76 
Dieses Urteil ist unanfechtbar (§ 88 LDO).

Eine Nebentätigkeit ist grundsätzlich anzeigepflichtig. Sie ist unter Erlaubnis- oder Verbotsvorbehalt zu stellen, soweit sie geeignet ist, dienstliche Interessen zu beeinträchtigen.

Zustellungen durch die Verwaltungsbehörden werden nach den Vorschriften des Verwaltungszustellungsgesetzes bewirkt.

Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Allgemeinverfügung ist ein Verwaltungsakt, der sich an einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis richtet oder die öffentlich-rechtliche Eigenschaft einer Sache oder ihre Benutzung durch die Allgemeinheit betrifft.

(1) Beamtinnen und Beamte haben sich mit vollem persönlichem Einsatz ihrem Beruf zu widmen. Sie haben die übertragenen Aufgaben uneigennützig nach bestem Gewissen wahrzunehmen. Ihr Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes muss der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die ihr Beruf erfordern.

(2) Beamtinnen und Beamte haben bei der Ausübung des Dienstes oder bei einer Tätigkeit mit unmittelbarem Dienstbezug auch hinsichtlich ihres Erscheinungsbilds Rücksicht auf das ihrem Amt entgegengebrachte Vertrauen zu nehmen. Insbesondere das Tragen von bestimmten Kleidungsstücken, Schmuck, Symbolen und Tätowierungen im sichtbaren Bereich sowie die Art der Haar- und Barttracht können eingeschränkt oder untersagt werden, soweit die Funktionsfähigkeit der Verwaltung oder die Pflicht zum achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten dies erfordert. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn Merkmale des Erscheinungsbilds nach Satz 2 durch ihre über das übliche Maß hinausgehende besonders individualisierende Art geeignet sind, die amtliche Funktion der Beamtin oder des Beamten in den Hintergrund zu drängen. Religiös oder weltanschaulich konnotierte Merkmale des Erscheinungsbilds nach Satz 2 können nur dann eingeschränkt oder untersagt werden, wenn sie objektiv geeignet sind, das Vertrauen in die neutrale Amtsführung der Beamtin oder des Beamten zu beeinträchtigen. Die Einzelheiten nach den Sätzen 2 bis 4 können durch Landesrecht bestimmt werden. Die Verhüllung des Gesichts bei der Ausübung des Dienstes oder bei einer Tätigkeit mit unmittelbarem Dienstbezug ist stets unzulässig, es sei denn, dienstliche oder gesundheitliche Gründe erfordern dies.

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts ... ... ... ... ... - ... ... .../... - geändert. Der Bescheid der Beklagten vom 21.10.2004 in der Gestalt des Widerspruchbescheids des Landratsamts ... vom 21.04.2005 wird auch insoweit aufgehoben, als dem Kläger die Ablieferung aus Nebentätigkeitsvergütungen in Höhe von 13.303,18 EUR für die „Abfindung für Treuhänderschaft“ auferlegt worden ist.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Der Kläger trägt 2/5, die Beklagte 3/5 der Kosten des Berufungsverfahrens. Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens tragen die Beteiligten je zur Hälfte.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen einen Leistungsbescheid, mit dem er zur Ablieferung von aus Nebentätigkeiten erlangten Vergütungen verpflichtet worden ist.
Der Kläger war vom 01.12.1985 bis zum 30.11.2001 hauptamtlicher Bürgermeister der Beklagten. Mit der Gründung der ... ... GmbH (im Folgenden: Wohnbau GmbH) durch Gesellschaftsvertrag vom 01.10.1990, deren einzige Gesellschafterin zunächst die Beklagte gewesen ist, wurde er nach § 6 Satz 2 des Gesellschaftsvertrags, wonach der Bürgermeister der Beklagten kraft Satzung einer der Geschäftsführer der Gesellschaft ist, Geschäftsführer, was er bis zu seinem Ausscheiden aus dem Amt des Bürgermeisters der Beklagten blieb. Die Wohnbau GmbH schloss mit ihm einen Anstellungsvertrag. § 6 des Gesellschaftsvertrags wurde mit Gesellschafterbeschluss vom 24.09.1991 geändert. Der ursprüngliche Satz 2 wurde gestrichen, so dass die Regelung fortan lautete:
„Die Gesellschaft hat einen oder mehrere Geschäftsführer. Die Geschäftsführer werden durch den Aufsichtsrat bestellt und abberufen.“
Zum 01.01.1993 erwarb die Sparkasse ... 8 % der Gesellschaftsanteile der Wohnbau GmbH. Deren Aufsichtsrat fasste in seiner Sitzung vom 01.04.1998 ausweislich des Sitzungsprotokolls unter anderem folgenden Beschluss:
„5. Der Aufsichtsrat beschließt den Kauf eines Geschäftswagens für Herrn ..., ein Kaufpreis von ca. 68.000,-- DM incl. MWSt. wird genehmigt. Herr ... denkt an den Kauf eines 3er BMW. Steuerlich wird die 1% Regelung angewandt, bezüglich der Nebentätigkeiten - Sachbezug - erfolgt Abklärung mit dem Kommunalamt (dort ggf. Aufzeichnung Privatfahrten). Herrn ... wird das Recht eingeräumt, den PKW jederzeit zu erwerben. Der Kaufpreis reduziert sich um die Afa eines jeden Jahres - ausgehend von einer Abschreibungszeit von 5 Jahren, dabei wird auch für angefangene Jahre die volle Afa abgesetzt. Der Mindestkaufpreis beträgt 5.000,- DM.“
Die Wohnbau GmbH erwarb am 10.09.1998 einen Pkw Typ BMW 328i als Geschäftswagen für den Kläger zum Preis von 70.580,00 DM (69.560,99 DM zuzüglich 1.020 DM Überführungskosten). Dieser machte mit Schreiben vom 22.10.2001 von seinem Ankaufsrecht Gebrauch und erwarb den Pkw für einen Betrag in Höhe von 14.116,-- DM (7.217, 37 EUR). Er veräußerte den Wagen mit Kaufvertrag vom 19.02.2002 für einen Betrag von 17.895,22 EUR (35.000,-- DM) an das Autohaus G.
Mit Testament vom 09.09.1999 vermachte das am 30.10.1999 verstorbene ehemalige Gemeinderatsmitglieds F. dem Verein ... ... ... ... ... ... (im Folgenden: Förderverein) sein Hausanwesen ... ... ... in ...-... und verfügte diesbezüglich weiter:
„Als Treuhänder setze ich Herrn Bürgermeister ... ein, der den Verkauf bzw. die Nutzung der Immobilie zum Nutzen des Fördervereins und damit den Bau des Bürgerhauses betreiben soll.“
Weiter findet sich im Testament unter anderem folgende Verfügung:
10 
„Aus meinem bei der Sparkasse ... angelegten Kapitalvermögen erben:
11 
12 
Die Fasnachtsgesellschaft ... DM 20000,- zweckgebunden für den Bau eines Fasnachtsbrunnens. Der Betrag soll treuhänderisch durch die Stadt ... angelegt werden. …“
13 
Mit notarieller Urkunde vom 26.05.2000 schlossen die Witwe als Alleinerbin und der Förderverein, vertreten durch den Kläger, einen Vermächtniserfüllungsvertrag. In dessen § 2 heißt es:
14 
„In Erfüllung dieses Vermächtnisses überträgt Frau F. das Eigentum am vorgenannten Grundbesitz auf Herrn K.L., der in seiner Eigenschaft als Treuhänder für diesen Verein das Grundstück erwirbt.“ …
15 
Unter dem 31.12.2001 fertigte der Kläger einen Aktenvermerk mit folgendem Inhalt:
16 
„Abschlagszahlung
17 
Vergütung Testamentsvollstrecker
18 
Für die Testamentsvollstreckung für die Zeit vom 1.1.2000 bis zum 31.12.2001 entnehme ich dem Girokonto ... bei der Sparkasse F.
19 
a) Vergütung
= 27.150,-- DM
b) Auslagenersatz für 17 Monate a 50,-- DM
(Telefon, Porto, Kopien)
=      850,-- DM
                 
insgesamt
= 28.000,-- DM“
20 
Mit - hier nicht streitgegenständlichem - Leistungsbescheid vom 01.10.2002 verpflichtete die Beklagte den Kläger zur Ablieferung von Vergütungen aus Nebentätigkeiten in der Zeit von 1992 bis zum 30.11.2001 in Höhe von 55.218,-- EUR. Dabei ging sie davon aus, dass die erhaltenen Vergütungen in jedem Jahr den Freibetrag von 9.600,-- DM überschritten hätten. In den vom Kläger angegebenen und abgelieferten Vergütungen seien die von der Wohnbau GmbH übernommenen Beiträge für eine Direktversicherung nicht enthalten gewesen. Die Überlassung des Geschäftswagens ab dem Jahr 1998 sei ein geldwerter Vorteil und hätte daher auch der Vergütung zugerechnet werden müssen, da ein finanzieller Ersatz für Privatfahrten nicht geleistet worden sei. Bei den von der Wohnbau GmbH an den Kläger geleisteten Mietzahlungen habe es sich in Wahrheit um die Fortzahlung der bisherigen Vergütung mit anderer Bezeichnung gehandelt. Widerspruch und Klage gegen den Bescheid blieben ohne Erfolg (... ..., ... ... ... - ... ... .../... -; ... ... ... - ... ... .../... - ... ... ... ... ... ... ... ... ... ..., ... ... ... - ... ... .../... -).
21 
Die Beklagte verpflichtete den Kläger - nach Anhörung - mit Bescheid vom 21.10.2004 über die mit Leistungsbescheid vom 01.10.2002 geltend gemachten Ablieferungen aus Nebentätigkeitsvergütungen hinaus zur Ablieferung von weiteren 42.204,87 EUR aus den in der Zeit von 1990 bis zum 30.11.2001 bezogenen Vergütungen aus Nebentätigkeiten. Der Betrag von 42.204,87 EUR setzt sich wie folgt zusammen:
22 
1. Prämienerhöhung der Direktversicherung 1996 (im Berufungsverfahren nicht mehr streitgegenständlich)
208,61 EUR
2. Übernahme des Pkw der Wohnbau GmbH
12.722,99 EUR
3. Pauschalbeträge für Ortsfahrten (im Berufungsverfahren nicht mehr streitgegenständlich)
5.813,39 EUR
4. Sitzungsgelder (im Berufungsverfahren nicht mehr streitgegenständlich)
3.144,45EUR
5. Aufwandsentschädigungen (im Berufungsverfahren nicht mehr streitgegenständlich)
4.857,27 EUR
6. Provisionen für Vermittlung von Versicherungen (im Berufungsverfahren nicht mehr streitgegenständlich)
2.154,98 EUR
7. Abfindung für Treuhänderschaft
13.303,18 EUR
23 
Bezogen auf die „Übernahme des Pkw der Wohnbau GmbH“ führte die Beklagte aus, dass der Kläger seit 1990 die Nebentätigkeit als Geschäftsführer der Wohnbau GmbH, die ihm mit Rücksicht auf seine dienstliche Stellung als Bürgermeister übertragen worden sei, ausgeübt habe. Nach seinem Ausscheiden als Geschäftsführer habe er den Geschäftswagen der GmbH zum Preis von 14.116,-- DM übernommen. Das Finanzamt ... habe den Wert zum Zeitpunkt der Übergabe auf 39.000,- DM geschätzt. Die Differenz von 24.884,00 DM (12.722,99 EUR) sei als Nebentätigkeitsvergütung im Jahr 2001 anzusehen. Zur „Abfindung für Treuhänderschaft“ wurde ausgeführt, dass der Kläger vom 01.01.2000 bis zum 30.11.2001 als Testamentsvollstrecker bzw. Treuhänder für den Nachlass von Herrn F. eingesetzt gewesen sei und in dieser Zeit auch die Hausverwaltertätigkeit für die Immobilie in ... ausgeübt habe. Auch diese genehmigungspflichtige Nebentätigkeit habe einen dienstlichen Bezug zu seinem Amt als Bürgermeister gehabt. Für die Testamentsvollstreckung habe er für die Zeit vom 01.01.2000 bis zum 31.12.2001, also für 24 Monate, einen Betrag von 27.150,-- DM erhalten. Der anteilige Betrag bis zum 30.11.2001, also für 23 Monate, in Höhe von 26.018,75 DM (13.301,18 EUR) sei als ablieferungspflichtige Nebentätigkeitsvergütung zu behandeln.
24 
Der Kläger erhob am 28.11.2004 gegen den ihm am 03.11.2004 zugestellten Bescheid Widerspruch, zu dessen Begründung er hinsichtlich der „Übernahme des Pkw der Wohnbau GmbH“ unter anderem vortrug, die Schätzung des Werts des Geschäftswagens durch das Finanzamt sei unrealistisch. Maßgeblich für die Bemessung des geldwerten Vorteils sei die einkommenssteuerrechtliche Bewertung. Nach § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG seien Einnahmen, die nicht in Geld bestünden (Wohnung, Kost, Waren, Dienstleistungen und sonstige Sachbezüge), mit den um übliche Preisnachlässe geminderten üblichen Endpreisen am Abgabeort anzusetzen. Der Ankaufspreis des Autohauses habe sich auf 35.000,- DM belaufen. Dabei müsse gesehen werden, dass dieser Kaufpreis bereits am 19.03.2001, nahezu ein Jahr früher, bei einer Kilometerleistung von 77.733 vereinbart worden sei und seine Gültigkeit eigentlich nur bis Juli 2001 und bis zu einer Kilometerleistung vom 89.500 habe behalten sollen. Auf eine Reduktion des Kaufpreises sei deshalb verzichtet worden, weil ein von ihm im Laufe des Jahres 2001 bestelltes Ersatzfahrzeug fehlerhaft nicht habe geliefert werden können. Daher sei es zu einer Verzögerung der Veräußerung des Geschäftswagens gekommen. Diese habe bei einem Kilometerstand von etwa 105.000 stattgefunden. Jedenfalls habe die Fahrleistung am 10.12.2001 bei 103.500 gelegen. Das Autohaus G. habe im Übrigen tatsächlich nur einen Verkaufspreis von 24.000,-- DM erzielt, was sich aus dessen Nachkalkulation ergebe. Darüber hinaus seien die am Fahrzeug vorhandenen Schäden in Höhe von 3.010,-- DM brutto, wie sie sich aus der Begutachtung des Autohauses G. vom 19.03.2001 ergeben würden, in Abzug zu bringen. Nach einem Gutachten der Badischen Versicherungen vom 10.12.2001 seien noch Reparaturkosten von 1.274,55 DM für einen Steinschlagschaden in Abzug zu bringen. Schließlich sei er am 30.11.2001 aus seinem Amt des Bürgermeisters der Beklagten ausgeschieden. Die Tätigkeit als Geschäftsführer der Wohnbau GmbH habe erst am 18.12.2001 geendet. Ihm habe daher ein Anspruch von 18/30 des bisher monatlich gezahlten Entgelts von 3.000,-- DM zugestanden. Dieser Betrag sei von der Wohnbau GmbH nicht gezahlt worden, sondern sei Teil des Vorteils, der ihm durch die Überlassung des Geschäftswagens entstanden sei. Daraus folge ein Betrag vom 1.942,63 EUR (24.000,-- DM - 1.274,55 DM - 3.010,-- DM - 1.800,-- DM - 14.116,-- DM), den er - ohne Anerkennung einer Rechtspflicht - abzuliefern bereit sei. - Hinsichtlich der „Abfindung für Treuhänderschaft“ trug er unter anderem vor, dass er als Privatperson - und nicht etwa die Beklagte - aufgrund des Vermächtniserfüllungsvertrags vom 26.05.2000 Eigentümer des Grundstücks geworden sei. So habe das auch das Landgericht ... im Zivilrechtsstreit zwischen dem Förderverein und ihm gesehen. Entsprechend sei auch ein Vergleich geschlossen worden. Schließlich sei darauf zu verweisen, dass im Testament selbst keineswegs etwa die Beklagte als juristische Person des öffentlichen Rechts oder der „jeweilige Bürgermeister“ der Beklagten als „Treuhänder“, sondern namentlich er - der Kläger - selbst mit dem Zusatz der damals von ihm innegehabten Funktion des Bürgermeisters benannt werde. Die Funktion sei lediglich beiläufig, weil landläufig üblich, beigefügt. Ein Zusammenhang zur dienstlichen Stellung habe gerade nicht bestanden. Dem Testament sei auch zu entnehmen, dass etwa bei den Bestimmungen über den Fasnachtsbrunnen eine Treuhänderschaft der „Stadt ...“ angeordnet worden sei. Bei der Begünstigung des Textilmuseums sei angeordnet worden, dass ein Geldvermächtnis zu Händen der „Stadt ...“ zu zahlen sei. Schließlich sei ihm die Aufgabe des „Treuhänders“ keineswegs deswegen vom Erblasser zugemessen worden, weil er zufällig die Position des Bürgermeisters innegehabt habe. Er und der Erblasser seien außerordentlich gut bekannt und vertraut gewesen, so dass ihm die Aufgabe aufgrund des persönlichen Vertrauensverhältnisses übertragen worden sei.
25 
Das Landratsamt ... wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 21.04.2005, dem Kläger zugestellt am 04.05.2005, im Wesentlichen - hinsichtlich der im Berufungsverfahren noch streitgegenständlichen Teilbeträge vollständig - zurück.
26 
Der Kläger hat am 06.06.2005, einem Montag, Klage beim Verwaltungsgericht ... erhoben und ursprünglich beantragt, den Bescheid der Beklagten vom 21.10.2004 in der Gestalt des Widerspruchbescheids des Landratsamts ... vom 21.04.2005 insoweit aufzuheben, als er zur Ablieferung aus Nebentätigkeitsvergütungen über einen Betrag von 1.282,82 EUR verpflichtet wird. Im Verlauf des Verfahrens hat der Kläger die Klage hinsichtlich weiterer 715,81 EUR, die ebenfalls die hier noch streitgegenständlichen Forderungen nicht betroffen haben, zurückgenommen.
27 
Das Verwaltungsgericht hat im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 19.02.2008 die Witwe des Erblassers ... als Zeugin zu den Umständen der letztwilligen Verfügung vernommen und mit Urteil vom ... - ... ... .../... - den Bescheid der Beklagten vom 21.10.2004 in der Gestalt des Widerspruchbescheids des Landratsamts ... vom 21.04.2005 insoweit aufgehoben, als der Kläger zur Ablieferung aus Nebentätigkeitsvergütungen über einen Betrag von 35.758,85 EUR hinaus verpflichtet worden ist. Hinsichtlich der im Berufungsverfahren noch streitgegenständlichen Rechnungsposten hat es für die „Übernahme des Pkw der Wohnbau GmbH“ eine Ablieferungspflicht von nur 9.151,88 EUR angenommen. Hinsichtlich der Ablieferungspflicht für die „Abfindung für Treuhänderschaft“ hat es die Klage vollständig abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass Rechtsgrundlage für die geforderte Ablieferung von Vergütungen für Nebentätigkeiten die auf § 88 Satz 2 Nr. 3 LBG beruhende Bestimmung des § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 LNTVO sei, wonach Vergütungen für dem Beamten mit Rücksicht auf seine dienstliche Stellung übertragene Nebentätigkeiten von dem Beamten insoweit an seinen Dienstherrn im Hauptamt abzuliefern seien, als die Vergütung für die in einem Kalenderjahr ausgeübten Nebentätigkeiten die Freigrenze - im Falle des Klägers 9.600,-- DM - überschritten. Offen bleiben könne, ob für die Frage, ob es sich bei der in Rede stehenden Vergütung in Gestalt der ihm durch die Wohnbau GmbH eingeräumten Möglichkeit des Ankaufs des Pkw um eine Vergütung im Sinne von § 3 Abs. 1 LNTVO handele, auf den Zeitpunkt der Übernahme des Fahrzeugs durch den Kläger (01.12.2001) abzustellen sei. Sollte dies der Fall sein, handelte es sich schon deshalb nach § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 LNTVO um eine ablieferungspflichtige Vergütung, weil eine Nebentätigkeit vorläge, die einer Nebentätigkeit im öffentlichen Dienst gleichstehe. Denn die Wohnbau GmbH befinde sich bzw. habe sich überwiegend in der Hand der Beklagten im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 1 LNTVO befunden. Jedenfalls sei dem Kläger die Funktion des Geschäftsführers der Wohnbau GmbH mit Rücksicht auf seine Stellung als hauptamtlicher Bürgermeister der Beklagten übertragen worden, weil er zu dem Zeitpunkt des Abschlusses seines Anstellungsvertrags Bürgermeister der Beklagten gewesen sei und damit kraft Amtes aufgrund der damals geltenden gesellschaftsvertraglichen Regelung zum Geschäftsführer zu bestellen gewesen sei. Nach dem Wortlaut der Vorschrift sei es nicht erforderlich, dass nach dem Übertragungsakt der Kausalzusammenhang im Sinne von § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 LNTVO fortbestanden habe. Maßgeblich sei auf den Zeitpunkt der Übertragung der Nebentätigkeit abzustellen. Auf die Frage, welche Beweggründe dazu geführt hätten, dass die Wohnbau GmbH den Kläger später in der Funktion des Geschäftsführers belassen bzw. keine Kündigung ausgesprochen habe, komme es nicht an. Auch nach der Änderung des Gesellschaftsvertrags im November 1991 sei kein neuer Anstellungsvertrag geschlossen worden. Dass der Aufsichtsrat den Kläger möglicherweise auch im Hinblick auf seine fachliche Qualifikation als Geschäftsführer bestellt habe, stehe dem Vorliegen der Voraussetzungen des § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 LNTVO nicht entgegen, denn die dienstliche Stellung müsse nicht alleiniger Beweggrund sein. - Der Anspruch auf Ablieferung sei auch nicht verjährt. Es handele sich um einen Anspruch auf eine wiederkehrende Leistung. Nach den zum 01.01.2002 in Kraft getretenen Verjährungsvorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs gelte die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren. Nach dem bis zum 31.12.2001 geltenden Recht (§ 197 BGB a.F.) habe die Verjährungsfrist für regelmäßig wiederkehrende Leistungen vier Jahre betragen. Die Verjährung habe mit Schluss des Jahres begonnen, in dem der Anspruch entstanden sei (§§ 198, 201 BGB a.F.). Entstanden sei ein Anspruch, wenn der Gläubiger ihn gerichtlich geltend machen könne. Es genüge die Möglichkeit einer Feststellungs- oder Stufenklage. Auch die Erhebung dieser Klagen setze voraus, dass der Anspruch fällig sei. Die Entstehung des Anspruchs im Sinne des § 198 BGB sei deswegen mit seiner Fälligkeit gleichzusetzen. Insoweit habe sich keine Änderung der Rechtslage ergeben. Der Anspruch sei fällig geworden, nachdem das Kalenderjahr abgelaufen gewesen sei, da Abrechnungsperiode das Kalenderjahr sei. Erst nach dessen Verstreichen könne der Dienstherr die Abrechnung und die Zahlung des Abführungsbetrags verlangen. Die Abrechnungspflicht des Beamten für das vergangene Kalenderjahr könne daher nicht vor Beginn des neuen Kalenderjahrs entstehen. Vor dem Entstehen der Abrechnungspflicht könne der Zahlungsanspruch nicht fällig werden. Fälligkeit sei im vorliegenden Fall mit dem Ankauf des Pkw der Wohnbau GmbH durch den Kläger zum 01.12.2001 eingetreten. Erst zu diesem Zeitpunkt sei ermittelbar gewesen, in welcher Höhe dem Kläger aus dem ihm durch die Wohnbau GmbH eingeräumten Recht zum Ankauf des Pkw ein geldwerter Vorteil im Sinne von § 3 Abs. 1 LNTVO zugeflossen sei. Die Verjährungsfrist habe daher frühestens zum 01.01.2002 zu laufen begonnen. Offen bleiben könne, ob nach der Übergangsvorschrift in Art. 229 § 6 EGBGB die ab 01.01.2002 geltende dreijährige Verjährungsfrist Anwendung finde oder die bis dahin geltende vierjährige Verjährungsfrist. Denn auch der Lauf der dreijährigen Verjährungsfrist sei durch den Bescheid der Beklagten vom 21.10.2004 rechtzeitig gehemmt worden. Offen bleiben könne auch, ob sich die Einrede der Verjährung als unzulässige Rechtsausübung darstelle. - Der Kläger könne dem Anspruch auch nicht den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung mit der Begründung entgegenhalten, die Gemeinderatsmitglieder hätten Kenntnis von allen maßgeblichen Umständen gehabt und es sei mit dem Landratsamt abgeklärt worden, dass die getroffene Vergütungsregelung nebentätigkeitsrechtlich unbedenklich sei. Bei der Ablieferungspflicht nach § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 LNTVO handele es sich um zwingendes Recht. Daher fehle sowohl dem Gemeinderat als auch dem (stellvertretenden) Bürgermeister die Befugnis, über das Gemeindevermögen zu verfügen und mit Rechtswirkung für die Gemeinde zu entscheiden. Es komme vor diesem Hintergrund auch nicht darauf an, ob die Beklagte oder ihre Gemeinderatsmitglieder in Kenntnis aller Umstände mit der getroffenen Regelung einverstanden gewesen seien. Im Übrigen sei ergänzend darauf hinzuweisen, dass im Hinblick auf die im Strafverfahren getroffenen Feststellungen es mehr als zweifelhaft erscheine, dass der Kläger den Gemeinderat und den Aufsichtsrat der Wohnbau GmbH vollständig informiert habe. - Zu Recht habe die Beklagte angenommen, dass es sich bei der vom Kläger zum Ende seiner Amtszeit realisierten Möglichkeit zum Ankauf des Pkw um einen geldwerten Vorteil im Sinne des § 3 Abs. 1 LNTVO gehandelt habe. Die Ankaufsmöglichkeit habe ihm als Vergütung für seine Tätigkeit bei der Wohnbau GmbH zufließen sollen. - Bei der Feststellung, in welcher Höhe dem Kläger ein geldwerter Vorteil zugeflossen sei, sei auf die Differenz zwischen dem von ihm gezahlten Ankaufspreis von 14.116,-- DM und dem Verkehrswert des Fahrzeugs zum Übernahmezeitpunkt (01.12.2001) abzustellen. Es sei der Auffassung des Klägers zu folgen, wonach zur Bestimmung des Verkehrswerts § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG heranzuziehen sei. Die erforderliche Schätzung des üblichen Endpreises könne in Ermangelung zeitnaher Sachverständigengutachten und aussagekräftiger Kaufpreiserhebungen sich an den im Rechtsverkehr anerkannten Marktübersichten orientieren, hierzu zähle die so genannte Schwacke-Liste. Von einem in der Schwacke-Liste angegebenen und unter Berücksichtigung von Fahrzeugausstattung und -laufleistung bemessenen Händlerverkaufspreis sei ein deutlicher Abschlag zu machen, sofern am Abgabeort ein nennenswerter privater Automarkt bestehe, auf dem in der Regel für identische bzw. gleichartige Fahrzeuge nur ein geringerer Kaufpreis zu erzielen sei. Gemessen daran bestünden Zweifel an der Richtigkeit der von der Beklagten durchgeführten Berechnung, die von einem Verkehrswert von 39.000,-- DM ausgehe. Der vom Finanzamt vorgenommenen Ermittlung dieses Zeitwerts könne nicht entnommen werden, dass ein Abschlag vom ermittelten Wert im Hinblick auf den Umstand vorgenommen worden sei, dass ein privater Automarkt existiert haben dürfte, auf dem für gleichartige Fahrzeuge nur ein geringerer Kaufpreis zu erzielen gewesen sein dürfte. Zwar dürfe sich die erforderliche Schätzung nur dann an der Schwacke-Liste orientieren, wenn zeitnahe Sachverständigengutachten nicht vorhanden seien. Im vorliegenden Fall liege jedoch eine Schätzung des Verkehrswerts seitens des Autohauses ... vor. Dieser habe den Verkehrswert auf einen Wert von 32.015.52 DM geschätzt. Nach allgemeinen Beweislastgrundsätzen bestünden daher zu Lasten der Beklagten gehende Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Leistungsbescheids, soweit die Ablieferung von mehr als 32.015,32 DM gefordert werde. Dabei sei festzustellen, dass es sich bei dem kalkulierten Einkaufspreis von 32.015,52 DM nicht um den zugrundezulegenden Händlerverkaufspreis handele. Damit werde zugunsten des Klägers dem Umstand Rechnung getragen, dass ein privater Automarkt existiert haben dürfte, auf dem für das Fahrzeug ein geringerer Kaufpreis zu erzielen gewesen wäre. Der Abschlag sei so hoch, dass damit auch die nach der Gebrauchtwagenbewertung vom Kläger zu übernehmenden Kosten für Bremsen in Höhe von 1.400,-- DM abgedeckt seien. Ein weiterer Abschlag für Reparaturkosten sei nicht vorzunehmen. Diese seien bei der Ermittlung des Werts des Fahrzeugs von der Firma ... bereits in Abzug gebracht worden. Das ergebe sich aus der Vor- und Nachkalkulation. Es bestehe auch kein Grund, die Kosten für die Reparatur eines leichten Steinschlagschadens in Höhe von 1.274,55 DM abzusetzen. Diese Kosten seien von den ... Versicherungen getragen worden und minderten den Fahrzeugwert nicht. Zu Unrecht verweise der Kläger darauf, dass in der Vor- und Nachkalkulation des Autohauses ... ein tatsächlich erzielter Verkaufspreis von 24.000,- DM ausgewiesen werde. Der Zeuge ... habe in seiner Aussage vom 09.03.2005 sein Unverständnis hinsichtlich des Betrags geäußert und angenommen, dass eine Verwechslung von Euro- mit DM-Beträgen unterlaufen sei. Dass der Betrag von 24.000,-- DM nicht der erzielte Verkaufspreis sein könne, folge auch daraus, dass der Pkw im November 2002 von der Firma ... zu einem Preis von 16.490,-- EUR verkauft worden sei. Schließlich sei auch nicht auf die Schätzung eines vom Kläger beauftragten Kfz-Sachverständigen abzustellen, der einen Händlereinkaufswert von 13.572,-- EUR einschließlich Mehrwertsteuer ermittelt habe. Dieser habe das Fahrzeug nicht gesehen und bei der Berechnung durchschnittliche Werte angesetzt. Die Kammer sehe davon ab, zum damaligen Wert des Pkw ein gerichtliches Sachverständigengutachten einzuholen. Denn sie verfüge nach den vorliegenden Unterlagen über ausreichende Sachkunde. - Der Kläger könne nicht beanspruchen, dass ihm angeblich durch die Geschäftsführertätigkeit bei der Wohnbau GmbH entstandene Ausgaben gemäß § 5 Abs. 3a LNTVO in Abzug gebracht würden, die er für den Zeitraum 1992 bis 2001 auf insgesamt 112.521,-- DM beziffere. Nach der Landesnebentätigkeitsverordnung sei nicht - wie von ihm begehrt - eine Gewinn- und Verlustrechnung der gesamten Nebentätigkeit vorzunehmen. Nach § 3 Abs. 1 LNTVO seien jede Gegenleistung in Geld, aber auch geldwerte Vorteile, auf die kein Rechtsanspruch bestehe, Vergütungen für eine Nebentätigkeit. Der Zusatz „jede“, der Hinweis, dass nicht nur Geldzahlungen, sondern auch geldwerte Vorteile in Ansatz zu bringen seien, und schließlich auch die Klarstellung, dass dies selbst dann gelte, wenn kein Rechtsanspruch auf die Zuwendung bestehe, spreche dafür, den Begriff der Vergütung weit auszulegen. Auch die Ausgestaltung der Regelungen in § 3 Abs. 2 und 3 LNTVO zeige, dass Abzüge nur unter den begrenzten Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 und 3 LNTVO möglich seien. Für pauschalierte Aufwandsentschädigungen sei bestimmt, dass sie in vollem Umfang zur Vergütung zu rechnen seien. Damit erfasse die Verordnung ausdrücklich Einnahmen als Vergütung, von denen nach der Zweckbestimmung fraglich sei, ob sie dem Beamten nach Abzug seiner Kosten auch nur teilweise als wirtschaftlicher Vorteil aus der Nebentätigkeit verblieben. Aus der Vorschrift werde der Wille des Verordnungsgebers hinreichend deutlich, mit Ausnahme der in den Absätzen 2 und 3 genannten Leistungen alles unter den Begriff der Vergütung zu ziehen, was dem Beamten in kausaler Folge in Ausübung der Nebentätigkeit zugeflossen sei. Ob er mit seiner Nebentätigkeit nach Abzug aller Unkosten tatsächlich einen Gewinn erziele, sei für die Einstufung als Vergütung unerheblich. Gemessen daran müsse der Frage, ob dem Kläger nach Abzug aller Unkosten aus seiner Tätigkeit als Geschäftsführer für die Wohnbau GmbH ein Gewinn verbleibe, nicht nachgegangen werden. Allenfalls Unkosten, die aufgrund des Ankaufs des Pkw entstanden seien, wären nach § 5 Abs. 3a LNTVO abzusetzen. Um solche Kosten handele es sich aber bei den vom Kläger geltend gemachten Kosten nicht. Darüber hinaus scheide eine Anrechnung der geltend gemachten Aufwendungen auch aus anderen Gründen aus. Soweit es um den durch den Ankauf des Pkws im Jahr 2001 erzielten Vorteil gehe, seien die Ausgaben zumindest in den Jahren 1992 bis 1997 ohnehin irrelevant. Soweit er den geldwerten Vorteil für die Nutzung des Pkws der Wohnbau GmbH in Rechnung stelle, versuche er sich das wieder zurückzuholen, was er nach dem Leistungsbescheid der Beklagten vom 01.10.2002 an diese habe zurückzahlen müssen. Gleiches gelte hinsichtlich der Mietkosten einschließlich Nebenkosten. Insoweit habe er Mieteinnahmen seitens der Wohnbau GmbH erzielt, die mit dem genannten Bescheid zurückgefordert worden seien. Der Bescheid sei bestandskräftig geworden, so dass die Rechtskraft des Urteils dem behaupteten Anspruch entgegenstehe. Soweit er Telefon- und Materialkosten geltend mache, fehle ein konkreter Nachweis dafür, dass die Kosten durch die Tätigkeit des Klägers als Geschäftsführer der Wohnbau GmbH veranlasst gewesen seien. Dabei sei zu berücksichtigen, dass alle Aktenbestände der Wohnbau GmbH im Rathaus geführt worden seien, wo auch drei Beschäftigte der Beklagten, die zugleich für die Wohnbau GmbH tätig gewesen seien, gearbeitet hätten. Anschrift der Gesellschaft sei stets die Anschrift des Bürgermeisteramts gewesen. Damit könne offen bleiben, ob dem vom Kläger geltend gemachten Abzug von Kosten der Rechtsgedanke der Verwirkung entgegenstehe, nachdem er während seiner Tätigkeit als Geschäftsführer gegenüber dem Landratsamt zu keinem Zeitpunkt entsprechende Forderungen erhoben habe.
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Die Klage habe auch keinen Erfolg, soweit sie sich gegen die Verpflichtung zur Ablieferung einer Vergütung in Höhe von 13.303,18 EUR für die Tätigkeit des Klägers als Treuhänder aufgrund des Testaments des F. richte. Voraussetzung für den Anspruch sei nach § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 LNTVO, dass dem Kläger die Nebentätigkeit mit Rücksicht auf seine Stellung als Bürgermeister der Beklagten übertragen worden sei. Aus dem Wortlaut der Norm folge bereits, dass die dienstliche Stellung des Beamten nicht alleiniger Beweggrund sein müsse, sondern dass es ausreiche, dass sie eine von mehreren Ursachen sei. Dabei genüge es für das Vorliegen ihrer Voraussetzungen - im Sinne einer conditio sine qua non -, dass der Beamte die Nebentätigkeit nicht erhalten hätte, wenn er seine Tätigkeit im Hauptamt nicht ausüben würde. Entgegen der Auffassung des Klägers sei nicht zu prüfen, ob die dienstliche Stellung des Beamten das überwiegende Motiv für die Übertragung der Nebentätigkeit gewesen sei. Der Wortlaut der Norm gebe dafür keinen Anhalt. Er deute vielmehr darauf hin, dass die dienstliche Stellung als untergeordnetes Motiv für die Übertragung der Nebentätigkeit ausreiche. Diese Auslegung sei auch deshalb vorzuziehen, weil sie in größerem Maße geeignet sei, die Umgehung der Ablieferungspflicht zu verhindern und Abgrenzungsprobleme zu verringern. Denn die Frage, ob die Nebentätigkeit dem Beamten nicht übertragen worden wäre, wenn er die dienstliche Stellung nicht innegehabt hätte, sei leichter zu beantworten als die Frage, ob die Übertragung „überwiegend“ auf die dienstliche Stellung zurückzuführen sei. Es lasse sich auch keine Parallele zu § 2 Abs. 2 Nr. 1 LNTVO ziehen, da der Verordnungsgeber in § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 LNTVO gerade keine § 2 Abs. 2 Nr. 1 LNTVO entsprechende Formulierung gewählt habe. Die Norm und der daran anknüpfende Ablieferungstatbestand des § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 LNTVO regele einen gänzlich anderen Sachverhalt und könne nicht zur Auslegung des § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 LNTVO herangezogen werden. Gemessen hieran stehe fest, dass dem Kläger die Tätigkeit als Treuhänder mit Rücksicht auf seine Stellung als Bürgermeister übertragen worden sei. Der Erblasser habe in seinem Testament „Herrn Bürgermeister ...“ als Treuhänder eingesetzt. Der Wortlaut lasse zwar nicht den zwingenden Schluss darauf zu, dass die Voraussetzungen des § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 LNTVO erfüllt seien. Dass dem Namen des Klägers seine Amtsbezeichnung hinzugefügt worden sei, könne auch auf die landläufig bestehende Gepflogenheit zurückzuführen sein, einen Hinweis auf die dienstliche Stellung hinzuzufügen. Im Übrigen möge der Umstand, dass der Erblasser im Zusammenhang mit dem der Fasnachtsgesellschaft zugewandten Vermächtnis von 20.000,-- DM, das zweckgebunden für den Bau eines Brunnens habe verwendet werden sollen, die Beklagte als Treuhänderin eingesetzt habe, eher gegen die Annahme sprechen, dass er den Kläger mit Rücksicht auf seine dienstliche Stellung als Treuhänder eingesetzt habe. Insbesondere die Einvernahme der Ehefrau des Erblassers als Zeugin habe aber ergeben, dass die dienstliche Stellung des Klägers ein Grund für dessen Einsetzung als Treuhänder gewesen sei und die möglicherweise freundschaftlichen Beziehungen zwischen Kläger und Erblasser sowie dessen Vertrauen in die Fähigkeiten des Klägers nicht das alleinige Motiv für die Übertragung der Treuhänderfunktion gewesen seien. Als Grund für die Einsetzung des Klägers habe die Zeugin, die vor Abfassung des Testaments mit ihrem Ehemann ausführlich darüber gesprochen habe, zunächst auf seine Position als Bürgermeister und die Vertrauensstellung, die er dadurch innegehabt habe, verwiesen. Neben dieser Aussage sei auch der Zweck des Fördervereins zu berücksichtigen. Dieser verfolge ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke. Er verfolge keine eigenwirtschaftlichen Zwecke. Damit komme zum Ausdruck, dass die Verfolgung der Ziele des Vereins in erster Linie den Bürgern der Beklagten zugute kommen solle. § 14 der Satzung sehe zudem vor, dass bei Auflösung oder Aufhebung des Vereins oder bei Wegfall des steuerbegünstigten Vereinszwecks das Vermögens an die Beklagte fallen solle, die es unmittelbar und ausschließlich für soziale Zwecke zu verwenden habe. Angesichts dieser Regelungen erscheine es naheliegend, dass der Erblasser den Kläger auch mit Rücksicht auf seine Stellung als Bürgermeister ausgewählt habe. - Die von der Beklagten beanspruchte Vergütung sei eine Vergütung für eine Nebentätigkeit nach § 3 Abs. 1 LNTVO. Ihre Höhe sei zutreffend bestimmt worden.
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Mit seiner durch Senatsbeschluss vom ... - ... ... .../... - bezüglich der Abweisung der Klage hinsichtlich der ihm auferlegten Ablieferung aus Nebentätigkeitsvergütungen von 13.303,18 EUR für die „Abfindung für Treuhänderschaft“ und von 9.151.88 EUR für die „Übernahme des Pkw der ... Wohnbau GmbH“ zugelassenen Berufung verfolgt der Kläger sein Anfechtungsbegehren weiter. Zur Begründung verweist er auf sein Vorbringen im Berufungszulassungsverfahren. Dort hat er zur Position „Übernahme des Pkw der Wohnbau GmbH“ unter anderem ausgeführt, dass das pauschale Abstellen hinsichtlich des Kriteriums „mit Rücksicht auf seine dienstliche Stellung“ als hauptamtlicher Bürgermeister „übertragen“ auf den 01.10.1990 außer Acht lasse, dass es im weiteren Verlauf der Tätigkeit schwerwiegende Zäsuren gegeben habe. Der Anstellungsvertrag sei zu einem Zeitpunkt geschlossen worden, zu dem sich die Beklagte qua Gesellschaftsvertrag gebunden gehabt habe, die Position des Geschäftsführers ausschließlich ihrem Bürgermeister zu übertragen. Völlig anders habe sich die Situation ab November 1991 dargestellt. Der Gesellschaftsvertrag sei geändert und die zwingende Verbindung zwischen Amt des Geschäftsführers und des Bürgermeisters sei aufgehoben worden. Erstmalig zu diesem Zeitpunkt habe eine Willensbildung stattfinden müssen, wem man das Amt des Geschäftsführers habe übertragen wollen. Erstmals bezogen auf diesen Zeitpunkt könne also die Frage beantwortet werden, ob ihm das Amt mit Rücksicht auf seine Funktion als Bürgermeister übertragen worden sei oder ob es ganz andere wesentlichere Beweggründe gegeben habe. Sodann habe es eine weitere gravierende Zäsur im März / April 1998 gegeben. In Sitzungen des Gemeinderats habe entschieden werden müssen, ob die Aufgabe des Geschäftsführers weiterhin ihm hätte übertragen werden sollen bzw. können oder ob andere Personen hätten beauftragt werden müssen. Es sei hier nicht um eine Kündigung durch die Beklagte gegenüber ihm, sondern darum gegangen, dass er nicht mehr bereit gewesen sei, zu den bisherigen Konditionen das Amt des Geschäftsführers gleichsam ehrenamtlich weiter zu führen. Zu diesem Zeitpunkt sei es in mehreren Sitzungen des Gemeinderats zu einer vollständig neuen Willensbildung gekommen, wem die Position des Geschäftsführers habe übertragen werden sollen. Das Verwaltungsgericht missdeute die Rechtslage, wenn es der Auffassung sei, für die Frage, ob eine Nebentätigkeit mit Rücksicht auf die Stellung als hauptamtlicher Bürgermeister übertragen worden sei, genüge es, dass diese nicht der alleinige Beweggrund gewesen sein müsse. Es müsse bei dieser Frage darauf ankommen, ob die dienstliche Stellung als Bürgermeister der überwiegende Beweggrund gewesen sei, warum ihm eine bestimmte Tätigkeit übertragen worden sei. Sollte die dienstliche Stellung nur ein untergeordnetes Motiv darstellen, scheide der notwendige hinreichende Zusammenhang zwischen der dienstlichen Position und der Übertragung der Nebentätigkeit aus. Die dienstliche Position trete in den Hintergrund und könne auch nicht dazu führen, dass bei einer ansonsten rechtmäßig übernommenen privaten Nebentätigkeit ohne öffentlichen Bezug gezahlte Vergütungen abgeführt werden müssen. Andernfalls könnte bei jeder rein privaten Nebentätigkeit eines Beamten gemutmaßt werden, dass deren Übertragung möglicherweise auch im Hinblick darauf gefördert worden sei, dass der Betreffende Beamter sei. - Es sei unrichtig, dass er der Ablieferungspflicht nicht den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegenhalten könne, der damit begründet sei, dass sämtliche Mitglieder des Gemeinderats Kenntnis von allen maßgeblichen Umständen im Zusammenhang mit der günstigen Erwerbsmöglichkeit des Pkw gehabt hätten und die Modalitäten auch von Vertretern des Gemeinderats mit dem Landratsamt als zuständiger Kommunalaufsichtsbehörde dahingehend abgeklärt worden seien, dass die Vergütungsregelung nebentätigkeitsrechtlich unbedenklich sei. Die Rechtsauffassung, dass diese Argumentation nicht greife, weil es sich bei der Ablieferungspflicht um zwingendes Recht handele und auf den Anspruch auf Ablieferung von Vergütungen aus Nebentätigkeiten nicht verzichtet werden könne, treffe nicht zu. Die Rückforderung selbst von überzahlten Besoldungsbeträgen sei in das pflichtgemäße Ermessen der zuständigen Behörde gestellt. Weiter werde in der Literatur vertreten, dass eine Einschränkung der gesetzlich vorgesehenen Pflicht zur Ablieferung von Vergütungen aus Nebentätigkeiten etwa dann angenommen werden müsse, wenn das dienstliche Interesse an der Übernahme fehle. In diesen Fällen sei die Ablieferungspflicht restriktiv zu verstehen. Widerspreche eine Ablieferungspflicht dem Sinn einer Nebentätigkeitsverordnung, so habe sie zu entfallen. Danach habe er erhebliche Zweifel daran, ob es sich bei der Ablieferungspflicht nach Landesnebentätigkeitsrecht nicht doch um ein verzichtbares Recht des Dienstherrn handele. Er - der Kläger - habe entgegen den Annahmen des Verwaltungsgerichts den Gemeinderat auch umfassend über die Vereinbarungen zur Geschäftswagenübernahme informiert. - Zur Höhe des vermögenswerten Vorteils, der ihm aufgrund der günstigen Ankaufsmöglichkeit des ehemaligen Geschäftswagens zugeflossen sein solle, gehe das Verwaltungsgericht allein aufgrund von Zeugenaussagen im strafgerichtlichen Verfahren davon aus, dass in der Vor- und Nachkalkulation irrtümlich (zu niedrige) Beträge, hier nämlich der tatsächlich erzielte Verkaufspreis von 24.000,-- DM, eingetragen worden seien. Selbst ein von ihm - dem Kläger - erstinstanzlich vorgelegtes Sachverständigengutachten, das zu einem Händlereinkaufspreis von brutto 13.527,-- EUR gekommen sei, habe das Verwaltungsgericht nicht veranlasst, näher nachzuforschen. Aus der Vor- und Nachkalkulation ergebe sich, dass es sich bei dem genannten Betrag um einen so genannten kalkulierten Einkaufspreis handele. Der Preis sei zwar in der Kalkulation so ausgewiesen, dies ändere jedoch nichts an der Tatsache, dass es sich dabei um einen fiktiven Einkaufspreis handele. Er sei ein reiner Rechenwert, hänge er doch, sehe man sich das System der Vor- und Nachkalkulation näher an, davon ab, in welcher „Auszeichnungsphase“ das Autohaus den Wagen weiter verkauft habe. Zudem müsse man sehen, dass es sich um einen Einkaufspreis eines gewerblichen Gebrauchtwagenhändlers und damit nicht um einen Preis, der von der Wohnbau GmbH beim Endverbraucher erzielt worden wäre, handele. Weiter ergäben sich Unklarheiten daraus, dass die Kalkulation einen „tatsächlichen“ Unternehmensgewinn von 8.859,22 DM ausweise. Bei einem tatsächlich erzielten Verkaufspreis könne aber weder der kalkulierte noch der wirkliche Einkaufspreis 32.015,52 DM betragen haben. Die nicht näher autorisierte Kalkulation eines gewerblichen Autohauses stelle keine hinreichend qualifizierte Grundlage dar, um Rückschlüsse auf den anzusetzenden Preis zu erlauben. Das Verwaltungsgericht habe Kostenpositionen unberücksichtigt gelassen, die Einfluss auf den relevanten Endverbraucherpreis gehabt hätten. So sei darauf hingewiesen worden, dass er die Kosten für die Reparatur der Bremsen des Pkw in Höhe von 1.400,-- DM persönlich übernommen habe. Dementsprechend weise die Vor- und Nachkalkulation des Autohauses nur einen Abzugsbetrag von insgesamt 1.660,-- EUR unter der Position „anfallende Kosten“ auf. Aus welchem Grund dem Gutachten seines Sachverständigen kein Wert beigemessen worden sei, erschließe sich nicht. Dem Sachverständigen seien sowohl die konkrete Laufleistung des Pkw als auch sämtliche Schäden bekannt gewesen. Es habe hinreichend Anlass zur näheren Nachforschung mittels gerichtlichem Sachverständigengutachten bestanden. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass bei der Bemessung der Höhe des ihm zugeflossenen geldwerten Vorteils eigene Unkosten nicht gegengerechnet werden dürften, sei unzutreffend. Die für die Rechtsauffassung angeführten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts und des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs bauten auf anderen landesrechtlichen Grundlagen auf. Es werde übersehen, dass § 5 Abs. 3a LNTVO Möglichkeiten eröffne, Unkosten in Abzug zu bringen. So sei dies generell für „sonstige Hilfsleistungen und selbst beschafftes Material“ möglich. Es seien solche Unkosten abzugsfähig, die im Zusammenhang mit der Ausführung der Nebentätigkeit entstanden seien. So ergebe sich aus der Verwaltungsvorschrift zur Landesnebentätigkeitsverordnung, dass zur ablieferungspflichtigen Vergütung nicht die vereinnahmte Umsatzsteuer gehöre, jedenfalls insoweit, als es sich um einen Durchlaufposten handele, der nicht im Vermögen des Beamten verbleibe. Die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts, die von ihm gegengerechneten Kosten könnten schon deswegen nicht berücksichtigt werden, weil über sie schon mit vorangegangenem Leistungsbescheid vom 01.10.2002 rechtskräftig entschieden worden sei, gehe ebenfalls fehl. In dem Bescheid sei allein über die Ablieferung der dort in Rede stehenden Nebentätigkeitsvergütung entschieden worden. Der Bescheid habe keine Regelung über seine Unkosten und deren rechtliche Relevanz getroffen. Die Aufstellung der Kosten, wie er sie vorgelegt habe, sei zudem korrekt. Frau P. habe bekundet, dass er oft Akten zu Hause bearbeitet habe.
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Zu der Position „Abfindung für Treuhänderschaft“ sei die Auffassung des Verwaltungsgerichts zur Auslegung von § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 LNTVO unzutreffend. Die Formulierung „mit Rücksicht“ zeige, dass zwischen dem innegehabten Amt im dienstrechtlichen Sinne und der fraglichen Nebentätigkeit ein Kausalzusammenhang bestehen müsse. Um bei mehreren möglichen Ursachen für die Übertragung der Tätigkeit abgrenzen zu können, müsse nach Sinn und Zweck der Vorschrift gewichtet werden, welche der möglichen Ursachen für die Tätigkeitsübertragung ausschlaggebend gewesen sei. In diesem Zusammenhang sei Voraussetzung, dass die innegehabte dienstrechtliche Stellung zumindest in einem qualitativen Sinne überwiegend ursächlich für die Übertragung der fraglichen Tätigkeit gewesen sei. Sinn und Zweck der Ablieferungspflicht bei Vergütungen aus bestimmten Nebentätigkeiten sei nämlich, dass im Beamtenverhältnis die Pflicht zur vollen Hingabe im Dienst bestehe und dafür ein gesetzlicher Alimentationsanspruch bestehe. Mit der Begrenzung von Nebentätigkeiten und der Einschränkung der Zuverdienstmöglichkeiten sollten finanzielle Anreize jedenfalls im Falle von Nebentätigkeiten im öffentlichen Dienst beschränkt werden. Wie auch bei den anderen beiden Fallgruppen des § 5 Abs. 3 Satz 1 LNTVO müsse auch bei der Regelung in Nr. 3 die überwiegende Ursache für die Tätigkeit in dem bestehenden Amt zu finden sein. Gleiches gelte, wenn man in dieser Fallgruppe den Sinn sähe, zur Vorteilsabschöpfung dann zu kommen, wenn sich dem Beamten Nebenverdienstmöglichkeiten nur deshalb eröffneten, weil er ein bestimmtes Amt innehabe. Auch dann wäre zu fordern, dass das Amt als Ursache im Vordergrund stehe, nicht aber anderweitige persönliche Vorzüge oder Leistungen des Beamten außerhalb seines Amts. Bei einer weit gefassten Interpretation des Tatbestands bestünde im Übrigen die Gefahr, dass die Vorschrift uferlos werde. Keineswegs dürfte es dem Sinn des Gesetzes entsprechen, zu einer Ablieferungspflicht aus einer rein privaten Tätigkeit zu kommen, wenn das öffentliche Amt des Beamten nur eine qualitativ in den Hintergrund tretende Ursache für die Übertragung gewesen sei. Allein aus der Eigentumsübertragung an ihn persönlich zeige sich, dass nicht die Beklagte, sondern er persönlich mit der Einsetzung als Treuhänder gemeint gewesen sei.
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Der Kläger beantragt,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts ... vom ... ... ... - ... ... .../... - zu ändern und den Bescheid der Beklagten vom 21.10.2004 in der Gestalt des Widerspruchbescheids des Landratsamts ... vom 21.04.2005 insoweit aufzuheben, als ihm die Ablieferung aus Nebentätigkeitsvergütungen in Höhe von 13.303,18 EUR für die „Abfindung für Treuhänderschaft“ und in Höhe von 9.151,88 EUR für die „Übernahme des Pkw der ... Wohnbau GmbH“ auferlegt worden ist.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
35 
Sie verteidigt das angegriffene Urteil und bezieht sich auf ihr erstinstanzliches Vorbringen.
36 
Wegen des übrigen Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze, wegen der sonstigen Einzelheiten auf die einschlägigen Akten der Beklagten, des Landratsamts ...und die Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts ... Bezug genommen. Der Senat hat die Strafakten des Landgerichts ...-... - ... ... ... ... .../... - nebst den dort geführten Beiakten zum Verfahren beigezogen.

Entscheidungsgründe

 
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Die nach Zulassung durch den Senatsbeschluss vom 01.03.2010 statthafte und auch sonst zulässige Berufung ist teilweise begründet. Soweit in dem Bescheid der Beklagten vom 21.10.2004 eine Ablieferungspflicht des Klägers in Höhe von 13.303,18 EUR für die „Abfindung für Treuhänderschaft“ festgesetzt worden ist, hat das Verwaltungsgericht die zulässige Anfechtungsklage zu Unrecht abgewiesen. Insoweit erweist sich der Bescheid nämlich als rechtswidrig und verletzt den Kläger in eigenen Rechten, so dass er insoweit aufzuheben ist (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO) (1.). Die Festsetzung einer Ablieferungspflicht in Höhe von 9.151,88 EUR für die „Übernahme des Pkw der ... Wohnbau GmbH“- nur in dieser Höhe hat das Verwaltungsgericht den Bescheid der Beklagten vom 21.10.2004 bestätigt - verletzt den Kläger demgegenüber nicht in eigenen Rechten. Insoweit ist die Berufung daher zurückzuweisen (2.).
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1. Die Festsetzung einer Ablieferungspflicht in Höhe von 13.303,18 EUR für die „Abfindung für Treuhänderschaft“ ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in eigenen Rechten. Die Nebentätigkeit der treuhänderischen Verwaltung der Immobilie in ... für den Förderverein ist dem Kläger mittels letztwilliger Verfügung des Herrn ... nicht mit Rücksicht auf seine dienstliche Stellung (als Bürgermeister der Beklagten) im Sinne von § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 der Verordnung der Landesregierung über die Nebentätigkeit der Beamten und Richter (Landesnebentätigkeitsverordnung - LNTVO -) vom 28.12.1972 (GBl. 1973, S. 57) in der Fassung der Zweiten Verordnung zur Änderung der Verordnung der Landesregierung über die Nebentätigkeit der Beamten und Richter vom 27.04.1976 (GBl. S. 444) - die Vorschrift beruht auf § 88 Satz 2 Nr. 3 LBG - übertragen worden.
39 
a) Nach dieser - einzig als Ermächtigungsgrundlage für die festgesetzte Ablieferungspflicht in Betracht kommenden - Vorschrift sind Vergütungen für dem Beamten mit Rücksicht auf seine dienstliche Stellung übertragene Nebentätigkeiten von dem Beamten insoweit an seinen Dienstherrn im Hauptamt abzuliefern, als die Vergütungen für die in einem Kalenderjahr ausgeübten Nebentätigkeiten bei Beamten der Besoldungsgruppe A 13 bis A 16 - hierzu zählt der Kläger - , B1, AH 1 9.600,-- DM (Bruttobetrag) übersteigen.
40 
aa) Mit Rücksicht auf seine dienstliche Stellung wird einem Beamten eine Nebentätigkeit übertragen, wenn es dem Übertragenden gerade darauf ankommt, einen Beamten in der dienstlichen Stellung, in der sich der Betreffende befindet, mit der Tätigkeit zu betrauen. Diese Rücksicht auf die dienstliche Stellung muss dabei nicht alleiniger Beweggrund für die Übertragung der Nebentätigkeit sein. Sie muss aber bei mehreren Beweggründen jedenfalls eine gleichgewichtige Mitursache für die Übertragung der Nebentätigkeit sein. Selbst diese Voraussetzung ist hier nicht gegeben, so dass offen bleiben kann, ob sie bei Vorliegen mehrerer Beweggründe sogar den überwiegenden Anlass für die Übertragung darstellen muss. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ist es für die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals „mit Rücksicht auf seine dienstliche Stellung übertragen“ nicht hinreichend, dass der Beamte die Nebentätigkeit - im Sinne einer conditio sine qua non - nicht erhalten hätte, wenn er seine Tätigkeit im Hauptamt nicht ausüben würde, so dass es - ebenfalls entgegen der Sichtweise des Verwaltungsgerichts - nicht genügen kann, wenn die dienstliche Stellung des Beamten nur ein untergeordnetes Motiv für die Übertragung der Nebentätigkeit gewesen ist.
41 
Dieses Verständnis der Norm - das dem Wortlaut nicht widerspricht - folgt aus ihrer systematischen und teleologischen Auslegung. Ablieferungspflichten von Nebentätigkeitsvergütungen sollen sowohl eine Überalimentierung - vor allem - aus öffentlichen Kassen verhindern helfen als auch Anreize mindern, Nebentätigkeiten in größerem Umfang aus wirtschaftlichen Interessen zu übernehmen. Mit der Regelung der Ablieferungspflicht von Vergütungen für im öffentlichen oder diesem gleichstehenden Dienst ausgeübte Nebentätigkeiten in § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 LNTVO ist der Gesichtspunkt der Überalimentierung aus öffentlichen Kassen vollständig abgedeckt. Die Bestimmung in § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 LNTVO erfasst die Ablieferung der Vergütung bei der Verpflichtung des Beamten durch den Dienstherrn zur Übernahme der Nebentätigkeit („auf Verlangen“) und auch bei entsprechenden Anregungen, Aufmunterungen, Ratschlägen oder Bitten des Dienstherrn (auf „Vorschlag oder Veranlassung“; vgl. Hessischer VGH, Urteil vom 21.02.1979 - 1 OE 14/76 -, ESVGH 29, 180, 182; zum BBG). Dabei wird auch das Verlangen der Übernahme einer im öffentlichen Interesse liegenden Aufgabe einer privatrechtlichen Einrichtung als möglich angesehen (Plog/Wiedow, BBG, vor § 64 BBG a.F., RdNr. 6). Die strikte Bindung an das öffentliche Interesse ergibt sich daraus, dass es dem Dienstherrn nicht erlaubt ist, einen Beamten - in welcher Form auch immer - zur Übernahme einer Nebentätigkeit anzuhalten, die nicht im öffentlichen Interesse steht. Daher wird auch hier häufig parallel § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 LNTVO einschlägig sein, insbesondere seitdem die Bestimmungen zu den dem öffentlichen Dienst gleichstehenden Tätigkeiten erheblich erweitert worden sind. Um die hier in Rede stehende Regelung des § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 LNTVO systematisch in Einklang mit den beiden anderen, genannten Vorschriften zu bringen, hat eine enge Anknüpfung an das Interesse des Auftraggebers zu erfolgen. Die beiden anderen Tatbestände knüpfen an das öffentliche Interesse an der Übernahme der Tätigkeit an. Einmal erfolgt dies durch das Tätigwerden im öffentlichen oder diesem gleichstehenden Dienst, das andere Mal durch das Interesse des Dienstherrn an der Übernahme der Tätigkeit. Die Frage nach dem Interesse an der Übernahme der Nebentätigkeit ist im Ausgangspunkt auch für die dritte Fallgruppe als relevant anzusehen, aber mit einer umgekehrten - inversen - Sichtweise. Hier wendet sich nicht der Dienstherr an seinen Beamten und hält ihn zu einer Nebentätigkeit an, sondern ein Dritter, der außerhalb des öffentlichen oder ihm gleichstehenden Dienstes steht und dem Beamten eine Nebentätigkeit überträgt, hat ein wesentliches Interesse daran, dass jemand mit einer bestimmten dienstlichen Stellung eine Aufgabe für ihn übernimmt. Während in den Fällen des § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 LNTVO der Dienstherr den Beamten zur Übernahme der Nebentätigkeit anhält und damit auf diesem Weg eine wesentliche Ursache für den Vergütungszufluss beim Beamten setzt, geschieht dies in den Fällen des § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 LNTVO bereits durch die Übertragung der - für den Auftraggeber wesentlichen - dienstlichen Stellung. In beiden Fällen hat der Dienstherr (jedenfalls) eine wesentliche (Mit-)Ursache für die Übernahme der Nebentätigkeit durch den Beamten geschaffen und diesem die damit verbundenen Erwerbschancen gleichsam erst ermöglicht. Dies vermag strenge Regeln zur Ablieferung von Vergütungen aus den entsprechenden Nebentätigkeiten zu rechtfertigen. Insbesondere wird mit diesem engen Normverständnis - anders als mit der Auslegung durch das Verwaltungsgericht - sichergestellt, dass eine Abgrenzung von ablieferungspflichtigen und ablieferungsfreien Nebentätigkeiten vorgenommen wird, die - wegen des sachlichen Grundes der wesentlichen Ursachensetzung durch den Dienstherrn - vor dem Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) Bestand hat.
42 
bb) In Anwendung des entwickelten Maßstabs ist hinsichtlich der Übertragung der treuhänderischen Verwaltung der ... Immobilie des Erblassers ... auf den Kläger der Tatbestand des § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 LNTVO nicht erfüllt.
43 
Sowohl aus dem Sinnzusammenhang der letztwilligen Verfügung vom 09.09.1999, aber auch aus dem Ergebnis der Zeugenvernehmung der Witwe des Erblassers durch das Verwaltungsgericht ergibt sich, dass die dienstliche Stellung des Klägers als Bürgermeister zwar kausal für die Übertragung der Stellung als Treuhänder gewesen ist. Jedoch spricht nichts dafür, dass es dem Erblasser gerade darauf angekommen ist, dass der Treuhänder die dienstliche Stellung des Bürgermeister der Beklagten innehatte. Wenn dies Motiv seiner testamentarischen Verfügung gewesen wäre, hätte es nahe gelegen, die Beklagte selbst zur Treuhänderin zu bestimmen, dem sie vertretenden Bürgermeister (§ 42 Abs. 1 Satz 2 GemO) wäre dann die Umsetzung zugekommen. Dem Erblasser waren diese verschiedenen Möglichkeiten auch durchaus bewusst, was sich aus der Anordnung einer Treuhandschaft der Beklagten hinsichtlich der der Fasnachtsgesellschaft ... für den Bau eines Fasnachtsbrunnens vermachten Gelder zeigt. Das Testament kann auch nicht dahingehend ausgelegt werden, dass der Verlust des Bürgermeisteramts durch den Kläger entweder eine - ausfüllungsbedürftige - Lücke dergestalt hinterlassen hätte, dass niemand zum Treuhänder bestimmt wäre, oder aber, dass der im Todeszeitpunkt amtierende Bürgermeister - als Privatperson - Treuhänder hätte sein sollen. Angesichts der Genauigkeit der einzelnen letztwilligen Verfügungen liegt es fern, dass der Erblasser das Entstehen einer sich nicht aus dem Testament ergänzbaren Lücke in Kauf genommen haben könnte. Die Übertragung der Treuhandschaft auf irgendeine Person, die zukünftig das Bürgermeisteramt innehaben könnte, war angesichts der Bedeutung des Vertrauens in die das Vermögen verwaltende Person als Auslegungsmöglichkeit offensichtlich nicht gewollt. Vielmehr war wesentliche Ursache für die Bestellung zum Treuhänder das Vertrauen in die Person des Klägers. Dies ergibt sich aus der Vernehmung der Ehefrau des Erblassers durch das Verwaltungsgericht. Diese hat unter anderem auf die Frage, was sie meine, was für ihren Mann ausschlaggebend gewesen sei, weshalb er auf den Kläger gekommen sei, angegeben, dass zunächst seine Position als Bürgermeister und die Vertrauensstellung, die er dadurch innegehabt habe, zu nennen seien. Ihr Mann sei der Meinung gewesen, dass der Kläger sicherlich dazu geeignet sei, das Anwesen in ... gewinnbringend zu verkaufen oder eben zum Nutzen des Vereins zu verwalten. Ein Vertrauen (zwischen den beiden) sei schon da gewesen, ihr Mann sei Fraktionsvorsitzender gewesen und habe schon engere Kontakte gehabt. Aus diesen Einlassungen der Zeugin wird deutlich, dass die Stellung als Bürgermeister es dem Kläger zwar ermöglicht hat, das für die Übernahme der Treuhandschaft notwendige Vertrauen beim Erblasser zu erwerben. Es kam dem Erblasser jedoch nicht darauf an, dass der Kläger die dienstliche Stellung des Bürgermeisters innehatte. Wichtig war vielmehr das erwähnte Vertrauen, was auch aus der Aussage der Zeugin folgt, dass sie nicht wisse, ob ihr Mann den Kläger eingesetzt hätte, wenn er nicht Bürgermeister gewesen wäre, denn ohne die Position des Bürgermeisters hätte sich auch das enge Vertrauen nicht entwickelt. Anderes folgt auch nicht aus den Angaben der Zeugin, dass sie - ohne es mit Bestimmtheit sagen zu können - eher nicht glaube, dass ihr Mann den Kläger als Treuhänder eingesetzt hätte, wenn er zu dem Zeitpunkt nicht mehr Bürgermeister gewesen wäre. Denn ein Ausscheiden aus dem Bürgermeisteramt - insbesondere durch Abwahl - geht regelmäßig auch mit einem Verlust an Vertrauen in die Person einher. Diese Frage stellte sich zum erheblichen Zeitpunkt der letztwilligen Verfügung so nicht. Mit anderen Worten: Dem Erblasser kam es nicht darauf an, dass der Kläger wegen seiner Stellung als Bürgermeister die Treuhandschaft übernehmen sollte. Zwar hatte der Kläger das hierfür erforderliche Vertrauen wegen seiner Stellung als Bürgermeister erwerben können, für die Übertragung selbst stand diese dienstliche Stellung aber innerhalb des Motivbündels des Erblassers weder im Vordergrund noch gleichberechtigt neben dem erwähnten Vertrauensaspekt.
44 
Unerheblich ist für diese Bewertung, dass die Verfolgung der Ziele des Fördervereins in erster Linie den Bürgern der Beklagten zugute kommen sollte. Aus diesem Umstand lässt sich nicht einmal indiziell ableiten, ob die Einsetzung des Klägers zum Treuhänder - auch - wegen seiner dienstlichen Stellung als Bürgermeister erfolgte oder nicht.
45 
b) Auf die Fragen, ob tatsächlich eine Vergütung geflossen ist - dies hat der Kläger erstmals im Verfahren vor dem Senat bestritten - und gegebenenfalls, wem sie in welcher Höhe zustand und welche Aufwendungen nach § 5 Abs. 3a LNTVO von ihr abzusetzen sein könnten, kommt es daher nicht an.
46 
2. Die Festsetzung einer Ablieferungspflicht in Höhe von - nur noch streitgegenständlichen - 9.151,88 EUR für die „Übernahme des Pkw der ... Wohnbau GmbH“ verletzt den Kläger nicht in eigenen Rechten.
47 
a) Die Ermächtigungsgrundlage für die Festsetzung der Ablieferungspflicht findet sich in § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 LNTVO und in § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 LNTVO.
48 
aa) Nach § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 LNTVO sind Vergütungen für im öffentlichen oder diesem gleichstehenden Dienst ausgeübte Nebentätigkeiten von dem Beamten insoweit an seinen Dienstherrn im Hauptamt abzuliefern, als die Vergütungen für die in einem Kalenderjahr ausgeübten Nebentätigkeiten bei Beamten der Besoldungsgruppen A 13 bis A 16, B 1, AH 1 - wie hier beim Kläger - 9.600,-- DM übersteigen. Nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 LNTVO in der bis zum 30.11.1999 geltenden Fassung vom 28.12.1972 steht einer Nebentätigkeit im öffentlichen Dienst gleich eine Nebentätigkeit für Vereinigungen, Einrichtungen oder Unternehmen, deren gesamtes Kapital (Grundkapital, Stammkapital) sich in öffentlicher Hand befindet oder die gänzlich aus öffentlichen Mitteln unterhalten werden. In der seit dem 01.12.1999 geltenden Fassung vom 08.11.1999 (GBl. S. 437) ist angeordnet, dass eine Nebentätigkeit für Vereinigungen, Einrichtungen oder Unternehmen, deren Kapital (Grund- oder Stammkapital) sich unmittelbar oder mittelbar ganz oder überwiegend in öffentlicher Hand befindet oder die fortlaufend ganz oder überwiegend aus öffentlichen Mitteln unterhalten werden, einer Nebentätigkeit im öffentlichen Dienst gleichsteht.
49 
(1) Bei der Tätigkeit des Klägers für die Wohnbau GmbH hat es sich um eine Nebentätigkeit gehandelt, die einer Nebentätigkeit im öffentlichen Dienst gleichgestanden hat, da sich das gesamte Kapital der Gesellschaft im erheblichen Zeitraum zwischen 1998 und dem 30.11.2001 in öffentlicher Hand befunden hat.
50 
In öffentlicher Hand befindet sich das Kapital von Unternehmen, wenn es vollständig von Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen des öffentlichen Rechts in das Unternehmen eingebracht worden ist. Diese Auslegung wird dem Zweck der Norm gerecht, eine Überalimentierung des Beamten zu verhindern. Für die ihm im öffentlichen Dienst insgesamt obliegende Pflichterfüllung hat der Beamte nur einmal Anspruch auf angemessenen Unterhalt in Gestalt der Dienstbezüge (BVerwG, Urteil vom 03.07.2003 - 2 C 17.02 -, NVwZ-RR 2004, 49). Eine darüber hinausgehende Alimentierung aus öffentlichen Kassen - gleich aus welchen - soll mit den Ablieferungspflichten aus Nebentätigkeiten weitgehend verhindert werden (vgl. auch OVG Saarland, Beschluss vom 02.03.2009 - 1 A 9/08 -, LKRZ 2009, 23).
51 
(2) Die Wohnbau GmbH befand sich im gesamten entscheidungserheblichen Zeitraum im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 1 LNTVO in öffentlicher Hand. Die Beklagte war zu 92 % an ihr beteiligt. Die weiteren 8 % entfielen auf die Sparkasse ..., eine Anstalt des öffentlichen Rechts (§ 1 Sparkassengesetz für Baden-Württemberg). Damit handelt es sich bei beiden Gesellschaftern der Wohnbau GmbH um „die öffentliche Hand“ im Sinne der Landesnebentätigkeitsverordnung.
52 
bb) Die Ablieferungspflicht lässt sich auch auf § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 LNTVO, der von der Beklagten und dem Verwaltungsgericht herangezogenen Ermächtigungsgrundlage, stützen. Dem Kläger ist die Tätigkeit nämlich mit Rücksicht auf seine dienstliche Stellung übertragen worden, da es der Wohnbau GmbH zum Zeitpunkt des Abschlusses des Anstellungsvertrags im Oktober 1990 darum ging, den Kläger gerade allein wegen seiner dienstlichen Stellung als Bürgermeister der Beklagten - und daher mit Rücksicht auf diese im Sinne der Norm (vgl. oben unter 1. a) aa)) - als Geschäftsführer zu gewinnen. Zum damaligen Zeitpunkt war die Stellung als Bürgermeister der Beklagten aufgrund von § 6 Satz 2 des Gesellschaftsvertrags zwingend mit derjenigen des Geschäftsführers der Wohnbau GmbH verbunden. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht entschieden, dass es auf die späteren „Zäsuren“ im Beschäftigungsverhältnis, wie sie der Kläger geltend macht, nicht ankommt, da für die Beurteilung der Frage, ob einem Beamten eine Nebentätigkeit mit Rücksicht auf seine dienstliche Stellung übertragen worden ist, der Zeitpunkt der Übertragung der Nebentätigkeit maßgeblich ist. Gestaltet sich nämlich schon die Forschung nach dem Motiv für die Übertragung einer Nebentätigkeit mitunter schwierig, führte ein Abstellen auf nachfolgende „Zäsuren“ zur Notwendigkeit einer kaum mit der erforderlichen Sicherheit leistbaren Aufklärung der Motivation für die Nichtbeendigung des Nebentätigkeitsverhältnisses, wobei es häufig auf interne Vorgänge bei privaten Rechtsträgern ankommen würde. Ein solch weites, sich vom Wortlaut entfernendes Verständnis von § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 LNTVO, der auf die Übertragung abstellt, ist gerade auch dem Ziel der Erreichung einer höchstmöglichen Rechtssicherheit abträglich. Das konsequente Abstellen auf den Übertragungsakt führt auch nicht dazu, dass eine ursprünglich mit Rücksicht auf die dienstliche Stellung übertragene Nebentätigkeit bis zu ihrer endgültigen Beendigung eine solche - mit der Folge des Fortbestehens der Ablieferungspflicht - bleiben müsste. Vielmehr kann dann, wenn sich - interne - „Zäsuren“ im Außenverhältnis durch eine wesentliche Änderung des Anstellungsverhältnisses, etwa Kündigung und neuen Vertragsabschluss, widerspiegeln, ein neuer Übertragungsakt vorliegen, der dann auch eine neuerliche nebentätigkeitsrechtliche Bewertung des Vorgangs zulassen kann. Davon kann im Fall der Tätigkeit des Klägers, der für die Wohnbau GmbH durchgängig bis zum 30.11.2001 aufgrund des Anstellungsvertrags aus dem Oktober 1990 beschäftigt gewesen ist, keine Rede sein.
53 
b) Die Veräußerung des Geschäftswagens zum Buchwert - und damit unter Marktwert - durch die Wohnbau GmbH an den Kläger stellt eine Vergütung für die Nebentätigkeit des Klägers als Geschäftsführer dar. Nach § 3 Abs. 1 LNTVO ist Vergütung für eine Nebentätigkeit jede Gegenleistung in Geld oder geldwertem Vorteil, auch wenn kein Rechtsanspruch auf sie besteht. Mit dem Eigentumserwerb ohne angemessene, dem Marktpreis entsprechende Gegenleistung hat der Kläger in Höhe der Differenz von Marktpreis und geleistetem Kaufpreis einen geldwerten Vorteil erhalten (zur Höhe vgl. unten d)), der ihm gerade für seine Geschäftsführertätigkeit gewährt worden ist.
54 
c) Zu Recht hat das Verwaltungsgericht entschieden, dass der geltend gemachte Ablieferungsanspruch der Beklagten nicht verjährt ist und ihm auch nicht mit Erfolg der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegen gehalten werden kann.
55 
aa) Hinsichtlich der nicht greifenden Einrede der Verjährung verweist der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts auf den Seiten 27 f. des Urteilsumdrucks, die er sich zu eigen macht (§ 130b VwGO).
56 
bb) Zutreffend hat das Verwaltungsgericht auch entschieden, dass dem geltend gemachten Anspruch nicht der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung mit der Begründung entgegengehalten werden kann, dass die Gemeinderatsmitglieder Kenntnis von allen maßgeblichen Umständen gehabt hätten und mit dem Landratsamt abgeklärt worden sei, dass die getroffene Vergütungsregelung nebentätigkeitsrechtlich unbedenklich sei. Da es sich bei der Ablieferungspflicht nach § 5 Abs. 3 LNTVO um zwingendes Recht handelt (vgl. Müller/Beck, Beamtenrecht in Baden-Württemberg, § 5 LNTVO RdNr. 38), kann der Berechtigte - also die Beklagte - hierauf nicht verzichten. Daher konnte auch das zunächst - während der Amtszeit des Klägers - als Rechtsaufsichtsbehörde handelnde Landratsamt (vgl. § 126 Abs. 1 Satz 1 GemO) nicht für die Beklagte auf die Ablieferungspflicht verzichten. Auf die dortige Kenntnis der maßgeblichen Umstände kommt es insoweit nicht an. Die vom Kläger hiergegen vorgebrachten Argumente verfangen nicht. Soweit er sich unter Verweis auf Schnellenbach, Beamtenrecht in der Praxis, auf die Möglichkeit von Billigkeitsentscheidungen bei der Rückforderung von Bezügen und sonstigen Leistungen (§ 12 Abs. 2 Satz 3 BBesG, § 52 Abs. 2 Satz 3 BeamtVG, § 87 Abs. 2 Satz 3 BBG, § 53 Abs. 2 Satz 3 BRRG) bezieht, übergeht er, dass in den dortigen Fällen gesetzlich gerade die Möglichkeit zum Absehen von der Rückforderung normiert ist. Eine vergleichbare Regelung kennt § 5 LNTVO nicht. Sein Verweis auf die Kommentierung von Battis zu § 69 BBG (3. Aufl. 2004) bringt für seine Auffassung ebenfalls nichts. In der in Bezug genommenen Passage geht es um eine Auslegungs“regel“ für § 6 BNV und damit um die Frage, ob eine Ablieferungspflicht gesetzlich angeordnet ist, nicht aber um die Möglichkeit des Absehens von einer gesetzlich angeordneten Ablieferungspflicht.
57 
d) Die festgesetzte, aufgrund des angegriffenen Urteils - insoweit rechtskräftig - von 12.722,99 EUR auf 9.151,88 EUR reduzierte Ablieferungspflicht für die Übernahme des Geschäftswagens ist nicht zu Lasten des Klägers zu hoch, sondern eher sogar zu niedrig.
58 
aa) Zutreffend ist das Verwaltungsgericht im Ansatz davon ausgegangen, dass zur Ermittlung der Höhe der dem Kläger zugewendeten Vergütung die Vorgaben des Bundesfinanzhofs zur Anwendung von § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG entsprechend heranzuziehen sind. Danach besteht die Vergütung im Sinne von § 3 Abs. 1 LNTVO in dem Unterschiedsbetrag zwischen dem konkreten Kaufpreis und dem um übliche Preisnachlässe geminderten üblichen Endpreis am Abgabeort, den der Vergütungsempfänger ansonsten zum Erwerb des Fahrzeugs hätte aufwenden müssen (§ 8 Abs. 2 Satz 1 EStG). Endpreis im Sinne der gesetzlichen Regelung ist der Preis, der im allgemeinen Geschäftsverkehr von Letztverbrauchern für identische bzw. gleichartige Waren tatsächlich gezahlt wird.Maßgebliche Handelsstufe ist dabei in der Regel der Einzelhandel.Grundsätzlich wertbestimmend ist daher der Händlerverkaufspreis und nicht etwa der Betrag, den der Händler seinerseits zum Erwerb der Ware aufbringen muss. Bei bereits gebrauchten Gegenständen, für die am Abgabeort neben einem gewerblichen (Einzel-)Handel auch ein Markt unter Privatleuten besteht, ist der maßgebliche Endpreis danach zu bestimmen, ob identische bzw. gleichartige Waren vom Endverbraucher üblicherweise - also in der Mehrzahl der Fälle - von privaten oder von gewerblichen Anbietern angekauft werden. Denn üblicher Endpreis im Sinne des § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG ist der Preis, zu dem die häufigsten Umsätze am Markt getätigt werden. Auch bei der Veräußerung gebrauchter Kfz ist mithin nicht auf den Händlereinkaufspreis abzustellen, sondern auf den Preis, den das Kfz auf dem Gebrauchtwagenmarkt - gegebenenfalls einschließlich der Umsatzsteuer - erzielen würde. Fehlen zeitnahe Sachverständigengutachten und aussagekräftige Kaufpreiserhebungen bezüglich des in Rede stehenden Fahrzeugs, muss der übliche Endpreis durch eine Schätzung ermittelt werden, die sich an den im Rechtsverkehr anerkannten Marktübersichten für den Wert gebrauchter Pkw orientieren kann; hierzu zählt auch die so genannte „Schwacke-Liste“. Dass derartige Marktübersichten zwangsläufig nur Richtwerte abbilden können, die durch die jeweilige Angebotslage vor Ort wie auch durch Erhaltungszustand und Abnutzung des konkret zu bewertenden Fahrzeugs noch Modifizierungen zu erfahren haben, stellt ihre Eignung als Schätzungsmaßstab nicht in Frage (BFH, Urteil vom 18.07.2005 - VI R 84/04 -, BFHE 210, 291). Der Wert ist gegebenenfalls wegen einzelfallbezogener Umstände zu korrigieren (BFH, Beschluss vom 23.01.2007 - VI B 115/06 -, BFH/NV, 2007, 889).
59 
bb) Richtigerweise ist der Wert des vom Kläger übernommenen Geschäftswagens durch eine einzelfallbezogene Anwendung der Schwacke-Liste zu bestimmen, da zeitnahe Sachverständigengutachten und aussagekräftige Kaufpreiserhebungen nicht vorliegen. Insbesondere ist die vom Verwaltungsgericht herangezogene „Vor- und Nachkalkulation“ des Autohauses ... vom 19.03.2001 kein zeitnahes - objektives - Sachverständigengutachten, da die Firma ein großes Eigeninteresse am Ausgang des Wertermittlungsverfahrens hatte. Auf die Höhe des tatsächlich vom Autohaus G. erzielten Verkaufspreises kommt es schon deshalb nicht an, weil der Verkauf ungefähr ein Jahr nach dem maßgeblichen Zeitpunkt des Eigentumserwerbs durch den Kläger (im Dezember 2001) erfolgt ist.
60 
cc) Hingegen erweist sich die Anwendung der Schwacke-Liste durch das Finanzamt ... in dessen Stellungnahme vom 10.03.2005 an die Staatsanwaltschaft ... - bis auf einen fehlenden Abschlag für eine erhebliche Mehrfahrleistung des Fahrzeugs - als überzeugend. Zutreffend ist es von einem Neuwagenpreis von 77.290,-- DM - tatsächlicher Verkaufspreis ohne Großabnehmerrabatt - ausgegangen und hat ermittelt, dass der Mehrpreis für die Zusatzausstattung 25% des Grundpreises ausgemacht hat. Ebenso zutreffend hat es dargelegt, dass der tatsächliche Grundpreis 6,8% über dem in der Schwacke-Liste veranschlagten Grundpreis gelegen hat. Weiter überzeugt es, diese 6,8% auf den Händlerverkaufspreis für Oktober 2001 aufzuschlagen und diesem Betrag weitere 25% für die Zusatzausstattung hinzuzuaddieren. Bei einer genaueren Berechnung - tatsächlich sind dem Händlerverkaufspreis von 29.900,-- DM rund 2.033,-- DM (und nicht 2.003,-- DM) hinzuzurechnen, für die Zusatzausstattung sind daher 7.983,--DM in Rechnung zu stellen - ergibt sich ein rechnerisch in Anwendung der Schwacke-Liste ermittelter Zeitwert von 39.916,-- DM. Von diesem sind wegen einer Mehrfahrleistung von rund 32.000 km zu den der Liste und dem nach ihr zu bestimmenden Zeitwert zugrundeliegenden 70.200 km 13% abzuziehen, was zu einem Zeitwert von 34.727,-- DM führt. Daraus folgt unter Berücksichtigung des vom Kläger entrichteten Kaufpreises von 14.116,-- DM ein geldwerter Vorteil in Höhe von 20.611,-- DM (10.538,24 EUR).
61 
dd) Da nach dem angegriffenen Urteil rechtskräftig gegen den Kläger insoweit eine um 1.386,36 EUR geringere Ablieferungspflicht in Höhe von nur 9.151,88 EUR festgestellt ist, kann offen bleiben, ob von dem ermittelten Zeitwert für den Bremsschaden 1.400,-- DM (714,89 EUR) und für den Steinschlagschaden 1.274,55 DM (650,84 EUR) abzuziehen sind. Selbst bei einer Reduzierung des Zeitwerts um danach insgesamt 1.365,73 EUR erwiese sich die festgesetzte Ablieferungspflicht immer noch zu seinen Gunsten als zu gering. Da die Haftpflichtversicherung den Steinschlagschaden beglichen hat, spricht im Übrigen alles dagegen, dass dieser den Wert des Fahrzeugs im Zeitpunkt des Eigentumserwerbs durch den Kläger tatsächlich gemindert hat. Auch für den Bremsschaden dürfte ein Abschlag vom Zeitwert nicht erforderlich sein. Sollte dieser nämlich - was zu erwarten ist - zeitnah und damit vor dem Eigentumserwerb des Klägers behoben worden sein, fehlte es an einer Wertminderung zum maßgeblichen Zeitpunkt. Darauf, wer tatsächlich für den Schaden aufgekommen ist (der Kläger oder die Wohnbau GmbH), käme es insoweit nicht an.
62 
ee) Das vom Kläger im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegte, von ihm in Auftrag gegebene Wertgutachten vom 03.06.2005, das nur Angaben zum Händlereinkaufspreis des Fahrzeugs macht, gibt keinen Anlass, an dem mit dem Finanzamt ... durch die Anwendung der Schwacke-Liste gefundenen Ergebnis zu zweifeln. Insbesondere ist der dort benannte - nicht maßgebliche - Händlereinkaufswert von rund 26.000,- DM, bei dem sowohl der Steinschlag- als auch der Bremsschaden berücksichtigt worden ist, nicht so weit von dem hier ermittelten Händlerverkaufswert von rund 32.000,-- DM (ermittelter Wert abzüglich der beiden Schadenspositionen) entfernt, dass das Gutachten zur Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens nötigen würde.
63 
e) Der Kläger kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass bei der Ermittlung des abzuliefernden Betrags in Anwendung von § 5 Abs. 3a LNTVO Aufwendungen abzusetzen seien.
64 
Nach dieser Vorschrift sind bei der Ermittlung des nach Absatz 3 Satz 1 abzuliefernden Betrags die bei Reisen im Zusammenhang mit der Nebentätigkeit entstanden Fahrkosten sowie Aufwendungen für Unterkunft und Verpflegung bis zur Höhe der in § 3 Abs. 2 Nr. 1 genannten Beträge, die Aufwendungen für die Inanspruchnahme von Einrichtungen, Personal oder Material des Dienstherrn (einschließlich Vorteilsausgleich) und für sonstige Hilfsleistungen und selbst beschafftes Material abzusetzen; dies gilt nicht, soweit für derartige Fahrkosten und Aufwendungen Auslagenersatz geleistet wurde.
65 
Die vom Kläger insoweit geltend gemachten 6.240,-- DM jährlich für das Zurverfügungstellen eines Arbeitszimmers nebst Heizung, Strom und (sonstigen) Nebenkosten von jeweils 2.364,-- DM jährlich sind keine Aufwendungen für sonstige Hilfsleistungen im Sinne dieser Vorschrift. Das Verwaltungsgericht ... hat in seinem zwischen den Beteiligten ergangenen Urteil ... ... - ... ... .../... - betreffend die Ablieferungspflicht unter anderem von Mieteinnahmen des Klägers von der Wohnbau GmbH Folgendes ausgeführt:
66 
„Auch die vom Kläger für die Jahre 1995 bis 2001 von der Wohnbau GmbH für die - angebliche - Anmietung von Arbeitsräumen in seinem Haus erhaltenen Mietzahlungen unterliegen der Ablieferungspflicht, denn es handelt sich insoweit in Wirklichkeit nicht um Mietzahlungen, sondern um verdeckte Vergütungen. Dies ergibt sich aus den gesamten Umständen, unter denen diese Regelung mit der Wohnbau GmbH zustande kam. Der Kläger hatte sich nach eigenen Angaben wegen der Erstattung seiner Aufwendungen an den Gemeinderat der Beklagten gewandt, weil er mit der ihm unter Berücksichtigung der Ablieferungspflicht … verbleibenden Vergütung für seine Geschäftsführertätigkeit nicht mehr zufrieden war. Dementsprechend diskutierte der Gemeinderat in der nichtöffentlichen Sitzung vom 30. März 1998 über die „Aufwandsentschädigung“ - Einzelheiten sind dem Protokoll nicht zu entnehmen - und fasste den Beschluss: „Der Aufsichtsrat soll mit dem Geschäftsführer hinsichtlich seiner Aufwandsentschädigung eine einvernehmliche Regelung treffen.“ Gegenstand war demnach nicht etwa die Anmietung von Arbeitsräumen im Hause des Klägers durch die GmbH oder die Anschaffung eines Dienstwagens seitens der GmbH, denn ansonsten wären diese Themen sicherlich als solche in der Tagesordnung benannt worden.
67 
Dass infolge dieses Ansinnens … in der Aufsichtsratssitzung vom 01. April 1998 eine Vergütungsregelung für den Kläger getroffen wurde, zeigen die … Beschlüsse Nr. 4 bis 6 dieser Sitzung. So fällt bei der Anmietung insbesondere auf, dass sie rückwirkend zum 01. Januar 1995 erfolgte. Ebenso befremdlich wirkt die Regelung der Frage der Büroausstattung im Rahmen einer Nebenkostenpauschale. …
68 
Wie der Sachverhalt zu werten ist und von den Aufsichtsräten auch bewertet wurde, ergibt sich ferner aus der Darstellung der Beschlüsse des Aufsichtsrats in der Gemeinderatssitzung vom 27. April 1998. Der Aufsichtsratsvorsitzende teilte mit, der Kläger erhalte eine „Pauschale“ für ein Arbeitszimmer, das er zur Verfügung stelle, ein weiteres Mitglied des Aufsichtsrats (und des Gemeinderats) wies darauf hin, dass das Landratsamt der o.g. „Vergütungsregelung für den Geschäftsführer“ zugestimmt habe.
69 
Der Kläger selbst führt in einem Schreiben von 20. April 2002 an die Wohnbau GmbH aus, nachdem der Gemeinderat den Aufsichtsrat beauftragt habe, mit ihm als Geschäftsführer eine „Vergütungsregelung“ zu treffen, habe der Aufsichtsrat in seiner Sitzung am 01. April 1998 die im Protokoll vom 02. April 1998 niedergeschriebenen „Ergänzungsregelungen (Anmietung, Pkw, Direktversicherung)“ beschlossen. Im Klageverfahren hat der Kläger mehrfach vorgetragen, die Anmietung der Büroräume im Wohnhaus des Klägers sei in erster Linie deshalb erfolgt, um diesem Erleichterung bei der Geschäftsführung zu verschaffen, da die Zahlung von Vergütung ihm nicht zugute gekommen wäre. …
70 
Davon abgesehen sprechen auch sonstige Umstände gegen den Abschluss eines Mietvertrags. Ein schriftlicher Mietvertrag fehlt. … Dass eine GmbH Räume anmietet ohne einen die Einzelheiten regelnden schriftlichen Mietvertrag ist unüblich. … Ferner wurden pauschal 365,-- DM für Nebenkosten, u.a. für Büroausstattung angesetzt. … Ob dem Kläger der Kostenaufwand für die ja in seinem Eigentum befindliche Ausstattung ersetzt werden sollte, ob die Anschaffung von (weiterem) Mobiliar für erforderlich gehalten wurde, all dies wird nicht deutlich, gleichwohl wird unabhängig vom konkreten Aufwand insoweit eine monatliche Pauschale bewilligt. Offensichtlich waren diese Fragen völlig uninteressant für die Beteiligten, weil es in Wahrheit gar nicht um eine Anmietung, sondern um eine Vergütung ging. Deshalb wurde auch die gesamte Einliegerwohnung des Klägers mit einer Fläche von 45,94 m 2 angemietet, wovon auf den Wohn- bzw. Büroraum nur 22,44 m 2 entfallen, die übrige Fläche entfällt auf Küche, Dusche, WC und Flur. …“
71 
Der Senat hat in seinem Beschluss vom ... - ... ... .../... -, mit dem er den Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hinsichtlich der Ablieferungspflicht der so genannten Mieteinnahmen abgelehnt hat, unter anderem ausgeführt:
72 
„…[A]us dem Inhalt der Akten ergibt sich, dass es darum ging, dem Kläger Annehmlichkeiten zu verschaffen, damit dieser seine Geschäftsführertätigkeit fortsetze. Da eine Vergütung jedoch ablieferungspflichtig gewesen wäre, wurde nach Wegen gesucht, dem Kläger etwas zukommen zu lassen, ohne dass er es abliefern müsse. Darin kommt der Wille des Klägers zum Ausdruck, unter Umgehung der Vorschriften über die Ablieferungspflicht von Vergütungen aus Nebentätigkeiten weitere geldwerte Vorteile zu erlangen. …“
73 
Der Senat macht sich die zitierten Ausführungen des Verwaltungsgerichts zu eigen und bestätigt nach nochmaliger Würdigung der Sachlage seine Einschätzung aus dem Jahr 2004. Da es sich hinsichtlich der angeblichen Ausgaben für das Zurverfügungstellen des Arbeitszimmers - einschließlich der Büroeinrichtung - und der dabei angefallenen Nebenkosten um - verkappte - Vergütungen handelte, die ihm zugute kommen sollten, kann er diese - auch nicht zu einem Teil - als Aufwendungen im Sinne des § 5 Abs. 3a LNTVO ablieferungspflichtmindernd geltend machen. Soweit die diesbezüglich gezahlten Vergütungen zu einem - pauschalen - Anteil als Aufwendungsersatz geleistet worden sein sollten, können sie wegen der Regelung im zweiten Halbsatz der Vorschrift („…dies gilt nicht, soweit für derartige … Aufwendungen Auslagenersatz geleistet wurde.“) nicht von der ablieferungspflichtigen Vergütung abgesetzt werden. Gleiches gilt für die geltend gemachten Telefonkosten, die im Übrigen hinsichtlich des vom Kläger angesetzten „Festpreises“ für die Gesprächsgebühren - „Flatrates“ waren dem Telekommunikationsmarkt in den 1990er Jahren noch fremd - vollkommen unglaubhaft und auch hinsichtlich der Grundgebühren nicht belegt sind.
74 
Schließlich handelt es sich beim „geldwerten Vorteil Pkw“ in Höhe von 705,-- DM monatlich um keine abzugsfähige Aufwendung des Klägers. Vielmehr war die Überlassung des Geschäftswagens zum privaten Gebrauch die Zuwendung eines geldwerten Vorteils an den Kläger und damit eine Nebentätigkeitsvergütung im Sinne des § 3 Abs. 1 LNTVO (vgl. das zwischen den Beteiligten ergangene Senatsurteil vom ... - ... ... .../... -).
75 
3. Damit ist der Bescheid der Beklagten vom 21.10.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheids des Landratsamts ... vom 21.04.2005 insgesamt insoweit aufgehoben, als in ihm eine Ablieferungspflicht von mehr als 22.455,67 EUR festgesetzt worden ist.
76 
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO und vollzieht das Obsiegen und Unterliegen der Beteiligten insgesamt nach. Sie hat das erstinstanzliche Verfahren nur insoweit konstitutiv einzubeziehen, als dieses infolge der teilweise zugelassenen Berufung noch nicht rechtskräftig abgeschlossen ist. Im Übrigen wird die erstinstanzliche Kostenentscheidung nur nachvollzogen und aus Gründen der Klarheit insgesamt neu gefasst.
77 
Die Revision wird nicht zugelassen, weil keiner der Gründe der §§ 127 BRRG, 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
78 
Beschluss vom 26.10.2010
79 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 3 GKG auf 22.455,06 EUR festgesetzt.
80 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
37 
Die nach Zulassung durch den Senatsbeschluss vom 01.03.2010 statthafte und auch sonst zulässige Berufung ist teilweise begründet. Soweit in dem Bescheid der Beklagten vom 21.10.2004 eine Ablieferungspflicht des Klägers in Höhe von 13.303,18 EUR für die „Abfindung für Treuhänderschaft“ festgesetzt worden ist, hat das Verwaltungsgericht die zulässige Anfechtungsklage zu Unrecht abgewiesen. Insoweit erweist sich der Bescheid nämlich als rechtswidrig und verletzt den Kläger in eigenen Rechten, so dass er insoweit aufzuheben ist (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO) (1.). Die Festsetzung einer Ablieferungspflicht in Höhe von 9.151,88 EUR für die „Übernahme des Pkw der ... Wohnbau GmbH“- nur in dieser Höhe hat das Verwaltungsgericht den Bescheid der Beklagten vom 21.10.2004 bestätigt - verletzt den Kläger demgegenüber nicht in eigenen Rechten. Insoweit ist die Berufung daher zurückzuweisen (2.).
38 
1. Die Festsetzung einer Ablieferungspflicht in Höhe von 13.303,18 EUR für die „Abfindung für Treuhänderschaft“ ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in eigenen Rechten. Die Nebentätigkeit der treuhänderischen Verwaltung der Immobilie in ... für den Förderverein ist dem Kläger mittels letztwilliger Verfügung des Herrn ... nicht mit Rücksicht auf seine dienstliche Stellung (als Bürgermeister der Beklagten) im Sinne von § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 der Verordnung der Landesregierung über die Nebentätigkeit der Beamten und Richter (Landesnebentätigkeitsverordnung - LNTVO -) vom 28.12.1972 (GBl. 1973, S. 57) in der Fassung der Zweiten Verordnung zur Änderung der Verordnung der Landesregierung über die Nebentätigkeit der Beamten und Richter vom 27.04.1976 (GBl. S. 444) - die Vorschrift beruht auf § 88 Satz 2 Nr. 3 LBG - übertragen worden.
39 
a) Nach dieser - einzig als Ermächtigungsgrundlage für die festgesetzte Ablieferungspflicht in Betracht kommenden - Vorschrift sind Vergütungen für dem Beamten mit Rücksicht auf seine dienstliche Stellung übertragene Nebentätigkeiten von dem Beamten insoweit an seinen Dienstherrn im Hauptamt abzuliefern, als die Vergütungen für die in einem Kalenderjahr ausgeübten Nebentätigkeiten bei Beamten der Besoldungsgruppe A 13 bis A 16 - hierzu zählt der Kläger - , B1, AH 1 9.600,-- DM (Bruttobetrag) übersteigen.
40 
aa) Mit Rücksicht auf seine dienstliche Stellung wird einem Beamten eine Nebentätigkeit übertragen, wenn es dem Übertragenden gerade darauf ankommt, einen Beamten in der dienstlichen Stellung, in der sich der Betreffende befindet, mit der Tätigkeit zu betrauen. Diese Rücksicht auf die dienstliche Stellung muss dabei nicht alleiniger Beweggrund für die Übertragung der Nebentätigkeit sein. Sie muss aber bei mehreren Beweggründen jedenfalls eine gleichgewichtige Mitursache für die Übertragung der Nebentätigkeit sein. Selbst diese Voraussetzung ist hier nicht gegeben, so dass offen bleiben kann, ob sie bei Vorliegen mehrerer Beweggründe sogar den überwiegenden Anlass für die Übertragung darstellen muss. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ist es für die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals „mit Rücksicht auf seine dienstliche Stellung übertragen“ nicht hinreichend, dass der Beamte die Nebentätigkeit - im Sinne einer conditio sine qua non - nicht erhalten hätte, wenn er seine Tätigkeit im Hauptamt nicht ausüben würde, so dass es - ebenfalls entgegen der Sichtweise des Verwaltungsgerichts - nicht genügen kann, wenn die dienstliche Stellung des Beamten nur ein untergeordnetes Motiv für die Übertragung der Nebentätigkeit gewesen ist.
41 
Dieses Verständnis der Norm - das dem Wortlaut nicht widerspricht - folgt aus ihrer systematischen und teleologischen Auslegung. Ablieferungspflichten von Nebentätigkeitsvergütungen sollen sowohl eine Überalimentierung - vor allem - aus öffentlichen Kassen verhindern helfen als auch Anreize mindern, Nebentätigkeiten in größerem Umfang aus wirtschaftlichen Interessen zu übernehmen. Mit der Regelung der Ablieferungspflicht von Vergütungen für im öffentlichen oder diesem gleichstehenden Dienst ausgeübte Nebentätigkeiten in § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 LNTVO ist der Gesichtspunkt der Überalimentierung aus öffentlichen Kassen vollständig abgedeckt. Die Bestimmung in § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 LNTVO erfasst die Ablieferung der Vergütung bei der Verpflichtung des Beamten durch den Dienstherrn zur Übernahme der Nebentätigkeit („auf Verlangen“) und auch bei entsprechenden Anregungen, Aufmunterungen, Ratschlägen oder Bitten des Dienstherrn (auf „Vorschlag oder Veranlassung“; vgl. Hessischer VGH, Urteil vom 21.02.1979 - 1 OE 14/76 -, ESVGH 29, 180, 182; zum BBG). Dabei wird auch das Verlangen der Übernahme einer im öffentlichen Interesse liegenden Aufgabe einer privatrechtlichen Einrichtung als möglich angesehen (Plog/Wiedow, BBG, vor § 64 BBG a.F., RdNr. 6). Die strikte Bindung an das öffentliche Interesse ergibt sich daraus, dass es dem Dienstherrn nicht erlaubt ist, einen Beamten - in welcher Form auch immer - zur Übernahme einer Nebentätigkeit anzuhalten, die nicht im öffentlichen Interesse steht. Daher wird auch hier häufig parallel § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 LNTVO einschlägig sein, insbesondere seitdem die Bestimmungen zu den dem öffentlichen Dienst gleichstehenden Tätigkeiten erheblich erweitert worden sind. Um die hier in Rede stehende Regelung des § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 LNTVO systematisch in Einklang mit den beiden anderen, genannten Vorschriften zu bringen, hat eine enge Anknüpfung an das Interesse des Auftraggebers zu erfolgen. Die beiden anderen Tatbestände knüpfen an das öffentliche Interesse an der Übernahme der Tätigkeit an. Einmal erfolgt dies durch das Tätigwerden im öffentlichen oder diesem gleichstehenden Dienst, das andere Mal durch das Interesse des Dienstherrn an der Übernahme der Tätigkeit. Die Frage nach dem Interesse an der Übernahme der Nebentätigkeit ist im Ausgangspunkt auch für die dritte Fallgruppe als relevant anzusehen, aber mit einer umgekehrten - inversen - Sichtweise. Hier wendet sich nicht der Dienstherr an seinen Beamten und hält ihn zu einer Nebentätigkeit an, sondern ein Dritter, der außerhalb des öffentlichen oder ihm gleichstehenden Dienstes steht und dem Beamten eine Nebentätigkeit überträgt, hat ein wesentliches Interesse daran, dass jemand mit einer bestimmten dienstlichen Stellung eine Aufgabe für ihn übernimmt. Während in den Fällen des § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 LNTVO der Dienstherr den Beamten zur Übernahme der Nebentätigkeit anhält und damit auf diesem Weg eine wesentliche Ursache für den Vergütungszufluss beim Beamten setzt, geschieht dies in den Fällen des § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 LNTVO bereits durch die Übertragung der - für den Auftraggeber wesentlichen - dienstlichen Stellung. In beiden Fällen hat der Dienstherr (jedenfalls) eine wesentliche (Mit-)Ursache für die Übernahme der Nebentätigkeit durch den Beamten geschaffen und diesem die damit verbundenen Erwerbschancen gleichsam erst ermöglicht. Dies vermag strenge Regeln zur Ablieferung von Vergütungen aus den entsprechenden Nebentätigkeiten zu rechtfertigen. Insbesondere wird mit diesem engen Normverständnis - anders als mit der Auslegung durch das Verwaltungsgericht - sichergestellt, dass eine Abgrenzung von ablieferungspflichtigen und ablieferungsfreien Nebentätigkeiten vorgenommen wird, die - wegen des sachlichen Grundes der wesentlichen Ursachensetzung durch den Dienstherrn - vor dem Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) Bestand hat.
42 
bb) In Anwendung des entwickelten Maßstabs ist hinsichtlich der Übertragung der treuhänderischen Verwaltung der ... Immobilie des Erblassers ... auf den Kläger der Tatbestand des § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 LNTVO nicht erfüllt.
43 
Sowohl aus dem Sinnzusammenhang der letztwilligen Verfügung vom 09.09.1999, aber auch aus dem Ergebnis der Zeugenvernehmung der Witwe des Erblassers durch das Verwaltungsgericht ergibt sich, dass die dienstliche Stellung des Klägers als Bürgermeister zwar kausal für die Übertragung der Stellung als Treuhänder gewesen ist. Jedoch spricht nichts dafür, dass es dem Erblasser gerade darauf angekommen ist, dass der Treuhänder die dienstliche Stellung des Bürgermeister der Beklagten innehatte. Wenn dies Motiv seiner testamentarischen Verfügung gewesen wäre, hätte es nahe gelegen, die Beklagte selbst zur Treuhänderin zu bestimmen, dem sie vertretenden Bürgermeister (§ 42 Abs. 1 Satz 2 GemO) wäre dann die Umsetzung zugekommen. Dem Erblasser waren diese verschiedenen Möglichkeiten auch durchaus bewusst, was sich aus der Anordnung einer Treuhandschaft der Beklagten hinsichtlich der der Fasnachtsgesellschaft ... für den Bau eines Fasnachtsbrunnens vermachten Gelder zeigt. Das Testament kann auch nicht dahingehend ausgelegt werden, dass der Verlust des Bürgermeisteramts durch den Kläger entweder eine - ausfüllungsbedürftige - Lücke dergestalt hinterlassen hätte, dass niemand zum Treuhänder bestimmt wäre, oder aber, dass der im Todeszeitpunkt amtierende Bürgermeister - als Privatperson - Treuhänder hätte sein sollen. Angesichts der Genauigkeit der einzelnen letztwilligen Verfügungen liegt es fern, dass der Erblasser das Entstehen einer sich nicht aus dem Testament ergänzbaren Lücke in Kauf genommen haben könnte. Die Übertragung der Treuhandschaft auf irgendeine Person, die zukünftig das Bürgermeisteramt innehaben könnte, war angesichts der Bedeutung des Vertrauens in die das Vermögen verwaltende Person als Auslegungsmöglichkeit offensichtlich nicht gewollt. Vielmehr war wesentliche Ursache für die Bestellung zum Treuhänder das Vertrauen in die Person des Klägers. Dies ergibt sich aus der Vernehmung der Ehefrau des Erblassers durch das Verwaltungsgericht. Diese hat unter anderem auf die Frage, was sie meine, was für ihren Mann ausschlaggebend gewesen sei, weshalb er auf den Kläger gekommen sei, angegeben, dass zunächst seine Position als Bürgermeister und die Vertrauensstellung, die er dadurch innegehabt habe, zu nennen seien. Ihr Mann sei der Meinung gewesen, dass der Kläger sicherlich dazu geeignet sei, das Anwesen in ... gewinnbringend zu verkaufen oder eben zum Nutzen des Vereins zu verwalten. Ein Vertrauen (zwischen den beiden) sei schon da gewesen, ihr Mann sei Fraktionsvorsitzender gewesen und habe schon engere Kontakte gehabt. Aus diesen Einlassungen der Zeugin wird deutlich, dass die Stellung als Bürgermeister es dem Kläger zwar ermöglicht hat, das für die Übernahme der Treuhandschaft notwendige Vertrauen beim Erblasser zu erwerben. Es kam dem Erblasser jedoch nicht darauf an, dass der Kläger die dienstliche Stellung des Bürgermeisters innehatte. Wichtig war vielmehr das erwähnte Vertrauen, was auch aus der Aussage der Zeugin folgt, dass sie nicht wisse, ob ihr Mann den Kläger eingesetzt hätte, wenn er nicht Bürgermeister gewesen wäre, denn ohne die Position des Bürgermeisters hätte sich auch das enge Vertrauen nicht entwickelt. Anderes folgt auch nicht aus den Angaben der Zeugin, dass sie - ohne es mit Bestimmtheit sagen zu können - eher nicht glaube, dass ihr Mann den Kläger als Treuhänder eingesetzt hätte, wenn er zu dem Zeitpunkt nicht mehr Bürgermeister gewesen wäre. Denn ein Ausscheiden aus dem Bürgermeisteramt - insbesondere durch Abwahl - geht regelmäßig auch mit einem Verlust an Vertrauen in die Person einher. Diese Frage stellte sich zum erheblichen Zeitpunkt der letztwilligen Verfügung so nicht. Mit anderen Worten: Dem Erblasser kam es nicht darauf an, dass der Kläger wegen seiner Stellung als Bürgermeister die Treuhandschaft übernehmen sollte. Zwar hatte der Kläger das hierfür erforderliche Vertrauen wegen seiner Stellung als Bürgermeister erwerben können, für die Übertragung selbst stand diese dienstliche Stellung aber innerhalb des Motivbündels des Erblassers weder im Vordergrund noch gleichberechtigt neben dem erwähnten Vertrauensaspekt.
44 
Unerheblich ist für diese Bewertung, dass die Verfolgung der Ziele des Fördervereins in erster Linie den Bürgern der Beklagten zugute kommen sollte. Aus diesem Umstand lässt sich nicht einmal indiziell ableiten, ob die Einsetzung des Klägers zum Treuhänder - auch - wegen seiner dienstlichen Stellung als Bürgermeister erfolgte oder nicht.
45 
b) Auf die Fragen, ob tatsächlich eine Vergütung geflossen ist - dies hat der Kläger erstmals im Verfahren vor dem Senat bestritten - und gegebenenfalls, wem sie in welcher Höhe zustand und welche Aufwendungen nach § 5 Abs. 3a LNTVO von ihr abzusetzen sein könnten, kommt es daher nicht an.
46 
2. Die Festsetzung einer Ablieferungspflicht in Höhe von - nur noch streitgegenständlichen - 9.151,88 EUR für die „Übernahme des Pkw der ... Wohnbau GmbH“ verletzt den Kläger nicht in eigenen Rechten.
47 
a) Die Ermächtigungsgrundlage für die Festsetzung der Ablieferungspflicht findet sich in § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 LNTVO und in § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 LNTVO.
48 
aa) Nach § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 LNTVO sind Vergütungen für im öffentlichen oder diesem gleichstehenden Dienst ausgeübte Nebentätigkeiten von dem Beamten insoweit an seinen Dienstherrn im Hauptamt abzuliefern, als die Vergütungen für die in einem Kalenderjahr ausgeübten Nebentätigkeiten bei Beamten der Besoldungsgruppen A 13 bis A 16, B 1, AH 1 - wie hier beim Kläger - 9.600,-- DM übersteigen. Nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 LNTVO in der bis zum 30.11.1999 geltenden Fassung vom 28.12.1972 steht einer Nebentätigkeit im öffentlichen Dienst gleich eine Nebentätigkeit für Vereinigungen, Einrichtungen oder Unternehmen, deren gesamtes Kapital (Grundkapital, Stammkapital) sich in öffentlicher Hand befindet oder die gänzlich aus öffentlichen Mitteln unterhalten werden. In der seit dem 01.12.1999 geltenden Fassung vom 08.11.1999 (GBl. S. 437) ist angeordnet, dass eine Nebentätigkeit für Vereinigungen, Einrichtungen oder Unternehmen, deren Kapital (Grund- oder Stammkapital) sich unmittelbar oder mittelbar ganz oder überwiegend in öffentlicher Hand befindet oder die fortlaufend ganz oder überwiegend aus öffentlichen Mitteln unterhalten werden, einer Nebentätigkeit im öffentlichen Dienst gleichsteht.
49 
(1) Bei der Tätigkeit des Klägers für die Wohnbau GmbH hat es sich um eine Nebentätigkeit gehandelt, die einer Nebentätigkeit im öffentlichen Dienst gleichgestanden hat, da sich das gesamte Kapital der Gesellschaft im erheblichen Zeitraum zwischen 1998 und dem 30.11.2001 in öffentlicher Hand befunden hat.
50 
In öffentlicher Hand befindet sich das Kapital von Unternehmen, wenn es vollständig von Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen des öffentlichen Rechts in das Unternehmen eingebracht worden ist. Diese Auslegung wird dem Zweck der Norm gerecht, eine Überalimentierung des Beamten zu verhindern. Für die ihm im öffentlichen Dienst insgesamt obliegende Pflichterfüllung hat der Beamte nur einmal Anspruch auf angemessenen Unterhalt in Gestalt der Dienstbezüge (BVerwG, Urteil vom 03.07.2003 - 2 C 17.02 -, NVwZ-RR 2004, 49). Eine darüber hinausgehende Alimentierung aus öffentlichen Kassen - gleich aus welchen - soll mit den Ablieferungspflichten aus Nebentätigkeiten weitgehend verhindert werden (vgl. auch OVG Saarland, Beschluss vom 02.03.2009 - 1 A 9/08 -, LKRZ 2009, 23).
51 
(2) Die Wohnbau GmbH befand sich im gesamten entscheidungserheblichen Zeitraum im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 1 LNTVO in öffentlicher Hand. Die Beklagte war zu 92 % an ihr beteiligt. Die weiteren 8 % entfielen auf die Sparkasse ..., eine Anstalt des öffentlichen Rechts (§ 1 Sparkassengesetz für Baden-Württemberg). Damit handelt es sich bei beiden Gesellschaftern der Wohnbau GmbH um „die öffentliche Hand“ im Sinne der Landesnebentätigkeitsverordnung.
52 
bb) Die Ablieferungspflicht lässt sich auch auf § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 LNTVO, der von der Beklagten und dem Verwaltungsgericht herangezogenen Ermächtigungsgrundlage, stützen. Dem Kläger ist die Tätigkeit nämlich mit Rücksicht auf seine dienstliche Stellung übertragen worden, da es der Wohnbau GmbH zum Zeitpunkt des Abschlusses des Anstellungsvertrags im Oktober 1990 darum ging, den Kläger gerade allein wegen seiner dienstlichen Stellung als Bürgermeister der Beklagten - und daher mit Rücksicht auf diese im Sinne der Norm (vgl. oben unter 1. a) aa)) - als Geschäftsführer zu gewinnen. Zum damaligen Zeitpunkt war die Stellung als Bürgermeister der Beklagten aufgrund von § 6 Satz 2 des Gesellschaftsvertrags zwingend mit derjenigen des Geschäftsführers der Wohnbau GmbH verbunden. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht entschieden, dass es auf die späteren „Zäsuren“ im Beschäftigungsverhältnis, wie sie der Kläger geltend macht, nicht ankommt, da für die Beurteilung der Frage, ob einem Beamten eine Nebentätigkeit mit Rücksicht auf seine dienstliche Stellung übertragen worden ist, der Zeitpunkt der Übertragung der Nebentätigkeit maßgeblich ist. Gestaltet sich nämlich schon die Forschung nach dem Motiv für die Übertragung einer Nebentätigkeit mitunter schwierig, führte ein Abstellen auf nachfolgende „Zäsuren“ zur Notwendigkeit einer kaum mit der erforderlichen Sicherheit leistbaren Aufklärung der Motivation für die Nichtbeendigung des Nebentätigkeitsverhältnisses, wobei es häufig auf interne Vorgänge bei privaten Rechtsträgern ankommen würde. Ein solch weites, sich vom Wortlaut entfernendes Verständnis von § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 LNTVO, der auf die Übertragung abstellt, ist gerade auch dem Ziel der Erreichung einer höchstmöglichen Rechtssicherheit abträglich. Das konsequente Abstellen auf den Übertragungsakt führt auch nicht dazu, dass eine ursprünglich mit Rücksicht auf die dienstliche Stellung übertragene Nebentätigkeit bis zu ihrer endgültigen Beendigung eine solche - mit der Folge des Fortbestehens der Ablieferungspflicht - bleiben müsste. Vielmehr kann dann, wenn sich - interne - „Zäsuren“ im Außenverhältnis durch eine wesentliche Änderung des Anstellungsverhältnisses, etwa Kündigung und neuen Vertragsabschluss, widerspiegeln, ein neuer Übertragungsakt vorliegen, der dann auch eine neuerliche nebentätigkeitsrechtliche Bewertung des Vorgangs zulassen kann. Davon kann im Fall der Tätigkeit des Klägers, der für die Wohnbau GmbH durchgängig bis zum 30.11.2001 aufgrund des Anstellungsvertrags aus dem Oktober 1990 beschäftigt gewesen ist, keine Rede sein.
53 
b) Die Veräußerung des Geschäftswagens zum Buchwert - und damit unter Marktwert - durch die Wohnbau GmbH an den Kläger stellt eine Vergütung für die Nebentätigkeit des Klägers als Geschäftsführer dar. Nach § 3 Abs. 1 LNTVO ist Vergütung für eine Nebentätigkeit jede Gegenleistung in Geld oder geldwertem Vorteil, auch wenn kein Rechtsanspruch auf sie besteht. Mit dem Eigentumserwerb ohne angemessene, dem Marktpreis entsprechende Gegenleistung hat der Kläger in Höhe der Differenz von Marktpreis und geleistetem Kaufpreis einen geldwerten Vorteil erhalten (zur Höhe vgl. unten d)), der ihm gerade für seine Geschäftsführertätigkeit gewährt worden ist.
54 
c) Zu Recht hat das Verwaltungsgericht entschieden, dass der geltend gemachte Ablieferungsanspruch der Beklagten nicht verjährt ist und ihm auch nicht mit Erfolg der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegen gehalten werden kann.
55 
aa) Hinsichtlich der nicht greifenden Einrede der Verjährung verweist der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts auf den Seiten 27 f. des Urteilsumdrucks, die er sich zu eigen macht (§ 130b VwGO).
56 
bb) Zutreffend hat das Verwaltungsgericht auch entschieden, dass dem geltend gemachten Anspruch nicht der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung mit der Begründung entgegengehalten werden kann, dass die Gemeinderatsmitglieder Kenntnis von allen maßgeblichen Umständen gehabt hätten und mit dem Landratsamt abgeklärt worden sei, dass die getroffene Vergütungsregelung nebentätigkeitsrechtlich unbedenklich sei. Da es sich bei der Ablieferungspflicht nach § 5 Abs. 3 LNTVO um zwingendes Recht handelt (vgl. Müller/Beck, Beamtenrecht in Baden-Württemberg, § 5 LNTVO RdNr. 38), kann der Berechtigte - also die Beklagte - hierauf nicht verzichten. Daher konnte auch das zunächst - während der Amtszeit des Klägers - als Rechtsaufsichtsbehörde handelnde Landratsamt (vgl. § 126 Abs. 1 Satz 1 GemO) nicht für die Beklagte auf die Ablieferungspflicht verzichten. Auf die dortige Kenntnis der maßgeblichen Umstände kommt es insoweit nicht an. Die vom Kläger hiergegen vorgebrachten Argumente verfangen nicht. Soweit er sich unter Verweis auf Schnellenbach, Beamtenrecht in der Praxis, auf die Möglichkeit von Billigkeitsentscheidungen bei der Rückforderung von Bezügen und sonstigen Leistungen (§ 12 Abs. 2 Satz 3 BBesG, § 52 Abs. 2 Satz 3 BeamtVG, § 87 Abs. 2 Satz 3 BBG, § 53 Abs. 2 Satz 3 BRRG) bezieht, übergeht er, dass in den dortigen Fällen gesetzlich gerade die Möglichkeit zum Absehen von der Rückforderung normiert ist. Eine vergleichbare Regelung kennt § 5 LNTVO nicht. Sein Verweis auf die Kommentierung von Battis zu § 69 BBG (3. Aufl. 2004) bringt für seine Auffassung ebenfalls nichts. In der in Bezug genommenen Passage geht es um eine Auslegungs“regel“ für § 6 BNV und damit um die Frage, ob eine Ablieferungspflicht gesetzlich angeordnet ist, nicht aber um die Möglichkeit des Absehens von einer gesetzlich angeordneten Ablieferungspflicht.
57 
d) Die festgesetzte, aufgrund des angegriffenen Urteils - insoweit rechtskräftig - von 12.722,99 EUR auf 9.151,88 EUR reduzierte Ablieferungspflicht für die Übernahme des Geschäftswagens ist nicht zu Lasten des Klägers zu hoch, sondern eher sogar zu niedrig.
58 
aa) Zutreffend ist das Verwaltungsgericht im Ansatz davon ausgegangen, dass zur Ermittlung der Höhe der dem Kläger zugewendeten Vergütung die Vorgaben des Bundesfinanzhofs zur Anwendung von § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG entsprechend heranzuziehen sind. Danach besteht die Vergütung im Sinne von § 3 Abs. 1 LNTVO in dem Unterschiedsbetrag zwischen dem konkreten Kaufpreis und dem um übliche Preisnachlässe geminderten üblichen Endpreis am Abgabeort, den der Vergütungsempfänger ansonsten zum Erwerb des Fahrzeugs hätte aufwenden müssen (§ 8 Abs. 2 Satz 1 EStG). Endpreis im Sinne der gesetzlichen Regelung ist der Preis, der im allgemeinen Geschäftsverkehr von Letztverbrauchern für identische bzw. gleichartige Waren tatsächlich gezahlt wird.Maßgebliche Handelsstufe ist dabei in der Regel der Einzelhandel.Grundsätzlich wertbestimmend ist daher der Händlerverkaufspreis und nicht etwa der Betrag, den der Händler seinerseits zum Erwerb der Ware aufbringen muss. Bei bereits gebrauchten Gegenständen, für die am Abgabeort neben einem gewerblichen (Einzel-)Handel auch ein Markt unter Privatleuten besteht, ist der maßgebliche Endpreis danach zu bestimmen, ob identische bzw. gleichartige Waren vom Endverbraucher üblicherweise - also in der Mehrzahl der Fälle - von privaten oder von gewerblichen Anbietern angekauft werden. Denn üblicher Endpreis im Sinne des § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG ist der Preis, zu dem die häufigsten Umsätze am Markt getätigt werden. Auch bei der Veräußerung gebrauchter Kfz ist mithin nicht auf den Händlereinkaufspreis abzustellen, sondern auf den Preis, den das Kfz auf dem Gebrauchtwagenmarkt - gegebenenfalls einschließlich der Umsatzsteuer - erzielen würde. Fehlen zeitnahe Sachverständigengutachten und aussagekräftige Kaufpreiserhebungen bezüglich des in Rede stehenden Fahrzeugs, muss der übliche Endpreis durch eine Schätzung ermittelt werden, die sich an den im Rechtsverkehr anerkannten Marktübersichten für den Wert gebrauchter Pkw orientieren kann; hierzu zählt auch die so genannte „Schwacke-Liste“. Dass derartige Marktübersichten zwangsläufig nur Richtwerte abbilden können, die durch die jeweilige Angebotslage vor Ort wie auch durch Erhaltungszustand und Abnutzung des konkret zu bewertenden Fahrzeugs noch Modifizierungen zu erfahren haben, stellt ihre Eignung als Schätzungsmaßstab nicht in Frage (BFH, Urteil vom 18.07.2005 - VI R 84/04 -, BFHE 210, 291). Der Wert ist gegebenenfalls wegen einzelfallbezogener Umstände zu korrigieren (BFH, Beschluss vom 23.01.2007 - VI B 115/06 -, BFH/NV, 2007, 889).
59 
bb) Richtigerweise ist der Wert des vom Kläger übernommenen Geschäftswagens durch eine einzelfallbezogene Anwendung der Schwacke-Liste zu bestimmen, da zeitnahe Sachverständigengutachten und aussagekräftige Kaufpreiserhebungen nicht vorliegen. Insbesondere ist die vom Verwaltungsgericht herangezogene „Vor- und Nachkalkulation“ des Autohauses ... vom 19.03.2001 kein zeitnahes - objektives - Sachverständigengutachten, da die Firma ein großes Eigeninteresse am Ausgang des Wertermittlungsverfahrens hatte. Auf die Höhe des tatsächlich vom Autohaus G. erzielten Verkaufspreises kommt es schon deshalb nicht an, weil der Verkauf ungefähr ein Jahr nach dem maßgeblichen Zeitpunkt des Eigentumserwerbs durch den Kläger (im Dezember 2001) erfolgt ist.
60 
cc) Hingegen erweist sich die Anwendung der Schwacke-Liste durch das Finanzamt ... in dessen Stellungnahme vom 10.03.2005 an die Staatsanwaltschaft ... - bis auf einen fehlenden Abschlag für eine erhebliche Mehrfahrleistung des Fahrzeugs - als überzeugend. Zutreffend ist es von einem Neuwagenpreis von 77.290,-- DM - tatsächlicher Verkaufspreis ohne Großabnehmerrabatt - ausgegangen und hat ermittelt, dass der Mehrpreis für die Zusatzausstattung 25% des Grundpreises ausgemacht hat. Ebenso zutreffend hat es dargelegt, dass der tatsächliche Grundpreis 6,8% über dem in der Schwacke-Liste veranschlagten Grundpreis gelegen hat. Weiter überzeugt es, diese 6,8% auf den Händlerverkaufspreis für Oktober 2001 aufzuschlagen und diesem Betrag weitere 25% für die Zusatzausstattung hinzuzuaddieren. Bei einer genaueren Berechnung - tatsächlich sind dem Händlerverkaufspreis von 29.900,-- DM rund 2.033,-- DM (und nicht 2.003,-- DM) hinzuzurechnen, für die Zusatzausstattung sind daher 7.983,--DM in Rechnung zu stellen - ergibt sich ein rechnerisch in Anwendung der Schwacke-Liste ermittelter Zeitwert von 39.916,-- DM. Von diesem sind wegen einer Mehrfahrleistung von rund 32.000 km zu den der Liste und dem nach ihr zu bestimmenden Zeitwert zugrundeliegenden 70.200 km 13% abzuziehen, was zu einem Zeitwert von 34.727,-- DM führt. Daraus folgt unter Berücksichtigung des vom Kläger entrichteten Kaufpreises von 14.116,-- DM ein geldwerter Vorteil in Höhe von 20.611,-- DM (10.538,24 EUR).
61 
dd) Da nach dem angegriffenen Urteil rechtskräftig gegen den Kläger insoweit eine um 1.386,36 EUR geringere Ablieferungspflicht in Höhe von nur 9.151,88 EUR festgestellt ist, kann offen bleiben, ob von dem ermittelten Zeitwert für den Bremsschaden 1.400,-- DM (714,89 EUR) und für den Steinschlagschaden 1.274,55 DM (650,84 EUR) abzuziehen sind. Selbst bei einer Reduzierung des Zeitwerts um danach insgesamt 1.365,73 EUR erwiese sich die festgesetzte Ablieferungspflicht immer noch zu seinen Gunsten als zu gering. Da die Haftpflichtversicherung den Steinschlagschaden beglichen hat, spricht im Übrigen alles dagegen, dass dieser den Wert des Fahrzeugs im Zeitpunkt des Eigentumserwerbs durch den Kläger tatsächlich gemindert hat. Auch für den Bremsschaden dürfte ein Abschlag vom Zeitwert nicht erforderlich sein. Sollte dieser nämlich - was zu erwarten ist - zeitnah und damit vor dem Eigentumserwerb des Klägers behoben worden sein, fehlte es an einer Wertminderung zum maßgeblichen Zeitpunkt. Darauf, wer tatsächlich für den Schaden aufgekommen ist (der Kläger oder die Wohnbau GmbH), käme es insoweit nicht an.
62 
ee) Das vom Kläger im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegte, von ihm in Auftrag gegebene Wertgutachten vom 03.06.2005, das nur Angaben zum Händlereinkaufspreis des Fahrzeugs macht, gibt keinen Anlass, an dem mit dem Finanzamt ... durch die Anwendung der Schwacke-Liste gefundenen Ergebnis zu zweifeln. Insbesondere ist der dort benannte - nicht maßgebliche - Händlereinkaufswert von rund 26.000,- DM, bei dem sowohl der Steinschlag- als auch der Bremsschaden berücksichtigt worden ist, nicht so weit von dem hier ermittelten Händlerverkaufswert von rund 32.000,-- DM (ermittelter Wert abzüglich der beiden Schadenspositionen) entfernt, dass das Gutachten zur Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens nötigen würde.
63 
e) Der Kläger kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass bei der Ermittlung des abzuliefernden Betrags in Anwendung von § 5 Abs. 3a LNTVO Aufwendungen abzusetzen seien.
64 
Nach dieser Vorschrift sind bei der Ermittlung des nach Absatz 3 Satz 1 abzuliefernden Betrags die bei Reisen im Zusammenhang mit der Nebentätigkeit entstanden Fahrkosten sowie Aufwendungen für Unterkunft und Verpflegung bis zur Höhe der in § 3 Abs. 2 Nr. 1 genannten Beträge, die Aufwendungen für die Inanspruchnahme von Einrichtungen, Personal oder Material des Dienstherrn (einschließlich Vorteilsausgleich) und für sonstige Hilfsleistungen und selbst beschafftes Material abzusetzen; dies gilt nicht, soweit für derartige Fahrkosten und Aufwendungen Auslagenersatz geleistet wurde.
65 
Die vom Kläger insoweit geltend gemachten 6.240,-- DM jährlich für das Zurverfügungstellen eines Arbeitszimmers nebst Heizung, Strom und (sonstigen) Nebenkosten von jeweils 2.364,-- DM jährlich sind keine Aufwendungen für sonstige Hilfsleistungen im Sinne dieser Vorschrift. Das Verwaltungsgericht ... hat in seinem zwischen den Beteiligten ergangenen Urteil ... ... - ... ... .../... - betreffend die Ablieferungspflicht unter anderem von Mieteinnahmen des Klägers von der Wohnbau GmbH Folgendes ausgeführt:
66 
„Auch die vom Kläger für die Jahre 1995 bis 2001 von der Wohnbau GmbH für die - angebliche - Anmietung von Arbeitsräumen in seinem Haus erhaltenen Mietzahlungen unterliegen der Ablieferungspflicht, denn es handelt sich insoweit in Wirklichkeit nicht um Mietzahlungen, sondern um verdeckte Vergütungen. Dies ergibt sich aus den gesamten Umständen, unter denen diese Regelung mit der Wohnbau GmbH zustande kam. Der Kläger hatte sich nach eigenen Angaben wegen der Erstattung seiner Aufwendungen an den Gemeinderat der Beklagten gewandt, weil er mit der ihm unter Berücksichtigung der Ablieferungspflicht … verbleibenden Vergütung für seine Geschäftsführertätigkeit nicht mehr zufrieden war. Dementsprechend diskutierte der Gemeinderat in der nichtöffentlichen Sitzung vom 30. März 1998 über die „Aufwandsentschädigung“ - Einzelheiten sind dem Protokoll nicht zu entnehmen - und fasste den Beschluss: „Der Aufsichtsrat soll mit dem Geschäftsführer hinsichtlich seiner Aufwandsentschädigung eine einvernehmliche Regelung treffen.“ Gegenstand war demnach nicht etwa die Anmietung von Arbeitsräumen im Hause des Klägers durch die GmbH oder die Anschaffung eines Dienstwagens seitens der GmbH, denn ansonsten wären diese Themen sicherlich als solche in der Tagesordnung benannt worden.
67 
Dass infolge dieses Ansinnens … in der Aufsichtsratssitzung vom 01. April 1998 eine Vergütungsregelung für den Kläger getroffen wurde, zeigen die … Beschlüsse Nr. 4 bis 6 dieser Sitzung. So fällt bei der Anmietung insbesondere auf, dass sie rückwirkend zum 01. Januar 1995 erfolgte. Ebenso befremdlich wirkt die Regelung der Frage der Büroausstattung im Rahmen einer Nebenkostenpauschale. …
68 
Wie der Sachverhalt zu werten ist und von den Aufsichtsräten auch bewertet wurde, ergibt sich ferner aus der Darstellung der Beschlüsse des Aufsichtsrats in der Gemeinderatssitzung vom 27. April 1998. Der Aufsichtsratsvorsitzende teilte mit, der Kläger erhalte eine „Pauschale“ für ein Arbeitszimmer, das er zur Verfügung stelle, ein weiteres Mitglied des Aufsichtsrats (und des Gemeinderats) wies darauf hin, dass das Landratsamt der o.g. „Vergütungsregelung für den Geschäftsführer“ zugestimmt habe.
69 
Der Kläger selbst führt in einem Schreiben von 20. April 2002 an die Wohnbau GmbH aus, nachdem der Gemeinderat den Aufsichtsrat beauftragt habe, mit ihm als Geschäftsführer eine „Vergütungsregelung“ zu treffen, habe der Aufsichtsrat in seiner Sitzung am 01. April 1998 die im Protokoll vom 02. April 1998 niedergeschriebenen „Ergänzungsregelungen (Anmietung, Pkw, Direktversicherung)“ beschlossen. Im Klageverfahren hat der Kläger mehrfach vorgetragen, die Anmietung der Büroräume im Wohnhaus des Klägers sei in erster Linie deshalb erfolgt, um diesem Erleichterung bei der Geschäftsführung zu verschaffen, da die Zahlung von Vergütung ihm nicht zugute gekommen wäre. …
70 
Davon abgesehen sprechen auch sonstige Umstände gegen den Abschluss eines Mietvertrags. Ein schriftlicher Mietvertrag fehlt. … Dass eine GmbH Räume anmietet ohne einen die Einzelheiten regelnden schriftlichen Mietvertrag ist unüblich. … Ferner wurden pauschal 365,-- DM für Nebenkosten, u.a. für Büroausstattung angesetzt. … Ob dem Kläger der Kostenaufwand für die ja in seinem Eigentum befindliche Ausstattung ersetzt werden sollte, ob die Anschaffung von (weiterem) Mobiliar für erforderlich gehalten wurde, all dies wird nicht deutlich, gleichwohl wird unabhängig vom konkreten Aufwand insoweit eine monatliche Pauschale bewilligt. Offensichtlich waren diese Fragen völlig uninteressant für die Beteiligten, weil es in Wahrheit gar nicht um eine Anmietung, sondern um eine Vergütung ging. Deshalb wurde auch die gesamte Einliegerwohnung des Klägers mit einer Fläche von 45,94 m 2 angemietet, wovon auf den Wohn- bzw. Büroraum nur 22,44 m 2 entfallen, die übrige Fläche entfällt auf Küche, Dusche, WC und Flur. …“
71 
Der Senat hat in seinem Beschluss vom ... - ... ... .../... -, mit dem er den Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hinsichtlich der Ablieferungspflicht der so genannten Mieteinnahmen abgelehnt hat, unter anderem ausgeführt:
72 
„…[A]us dem Inhalt der Akten ergibt sich, dass es darum ging, dem Kläger Annehmlichkeiten zu verschaffen, damit dieser seine Geschäftsführertätigkeit fortsetze. Da eine Vergütung jedoch ablieferungspflichtig gewesen wäre, wurde nach Wegen gesucht, dem Kläger etwas zukommen zu lassen, ohne dass er es abliefern müsse. Darin kommt der Wille des Klägers zum Ausdruck, unter Umgehung der Vorschriften über die Ablieferungspflicht von Vergütungen aus Nebentätigkeiten weitere geldwerte Vorteile zu erlangen. …“
73 
Der Senat macht sich die zitierten Ausführungen des Verwaltungsgerichts zu eigen und bestätigt nach nochmaliger Würdigung der Sachlage seine Einschätzung aus dem Jahr 2004. Da es sich hinsichtlich der angeblichen Ausgaben für das Zurverfügungstellen des Arbeitszimmers - einschließlich der Büroeinrichtung - und der dabei angefallenen Nebenkosten um - verkappte - Vergütungen handelte, die ihm zugute kommen sollten, kann er diese - auch nicht zu einem Teil - als Aufwendungen im Sinne des § 5 Abs. 3a LNTVO ablieferungspflichtmindernd geltend machen. Soweit die diesbezüglich gezahlten Vergütungen zu einem - pauschalen - Anteil als Aufwendungsersatz geleistet worden sein sollten, können sie wegen der Regelung im zweiten Halbsatz der Vorschrift („…dies gilt nicht, soweit für derartige … Aufwendungen Auslagenersatz geleistet wurde.“) nicht von der ablieferungspflichtigen Vergütung abgesetzt werden. Gleiches gilt für die geltend gemachten Telefonkosten, die im Übrigen hinsichtlich des vom Kläger angesetzten „Festpreises“ für die Gesprächsgebühren - „Flatrates“ waren dem Telekommunikationsmarkt in den 1990er Jahren noch fremd - vollkommen unglaubhaft und auch hinsichtlich der Grundgebühren nicht belegt sind.
74 
Schließlich handelt es sich beim „geldwerten Vorteil Pkw“ in Höhe von 705,-- DM monatlich um keine abzugsfähige Aufwendung des Klägers. Vielmehr war die Überlassung des Geschäftswagens zum privaten Gebrauch die Zuwendung eines geldwerten Vorteils an den Kläger und damit eine Nebentätigkeitsvergütung im Sinne des § 3 Abs. 1 LNTVO (vgl. das zwischen den Beteiligten ergangene Senatsurteil vom ... - ... ... .../... -).
75 
3. Damit ist der Bescheid der Beklagten vom 21.10.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheids des Landratsamts ... vom 21.04.2005 insgesamt insoweit aufgehoben, als in ihm eine Ablieferungspflicht von mehr als 22.455,67 EUR festgesetzt worden ist.
76 
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO und vollzieht das Obsiegen und Unterliegen der Beteiligten insgesamt nach. Sie hat das erstinstanzliche Verfahren nur insoweit konstitutiv einzubeziehen, als dieses infolge der teilweise zugelassenen Berufung noch nicht rechtskräftig abgeschlossen ist. Im Übrigen wird die erstinstanzliche Kostenentscheidung nur nachvollzogen und aus Gründen der Klarheit insgesamt neu gefasst.
77 
Die Revision wird nicht zugelassen, weil keiner der Gründe der §§ 127 BRRG, 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
78 
Beschluss vom 26.10.2010
79 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 3 GKG auf 22.455,06 EUR festgesetzt.
80 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Tatbestand

1

Der jetzt 46 Jahre alte Beklagte trat zum (…) 1989 in den Dienst der Volkspolizei und wurde mit Beginn des Jahres 1991 in den Polizeidienst des Landes Sachsen-Anhalt übernommen. Seit dem (…) 1993 ist dem Beklagten das Amt eines Polizeimeisters übertragen; zum (…) 1996 erfolgte seine Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit. Der Beklagte ist geschieden und Vater von zwei erwachsenen Söhnen.

2

Der Beklagte wurde im Wesentlichen als Sachbearbeiter im Bundesautobahnrevier B-Stadt eingesetzt. Die letzte über ihn dort erstellte Regelbeurteilung für den Zeitraum Juni 2005 bis August 2007 schloss mit dem Gesamturteil „gut“. Der Beklagte ist disziplinarrechtlich vorbelastet. Mit Disziplinarverfügung vom (…) 2009 - welche auch den Gegenstand eines Beschwerdeverfahrens vor dem erkennenden Senat (10 L 5/10) bildete - wurde gegen ihn eine Geldbuße in Höhe von 150,00 € verhängt. Gegenstand der Disziplinarverfügung war der Vorwurf, der Beklagte habe im Rahmen seiner Dienstausübung Ladung aus einem verunfallten LKW für den privaten Gebrauch an sich genommen.

3

Wegen der Vorwürfe, welche den Gegenstand dieses Disziplinarverfahrens betreffen, war der Beklagte seit dem (…)2010 gemäß § 38 Abs. 1 Satz 1 DG LSA vorläufig des Dienstes enthoben. Mit Wirkung vom (…) 2012 wurde die Suspendierungsverfügung aufgehoben; seitdem wird der Beklagte im Revierkommissariat D. verwendet.

4

Der Beklagte entwickelte bereits als Kind ein - schon bei seinen Eltern vorhandenes - Interesse an dem Sammeln von Zeitschriften aus der ehemaligen DDR. Seine Sammelleidenschaft bezog sich insbesondere auf die Zeitschriften „Mosaik A.“ und „Mosaik B.“. Der Beklagte erweiterte seine Sammelleidenschaft aber auch auf andere Zeitschriften, etwa die Zeitschrift „C...“, „D...“ sowie auf Ansichtskarten aus DDR-Zeiten. Bis zum Jahr 2002 war bereits eine erhebliche Menge an Zeitschriften, Heften und sonstigen Artikeln zusammen gekommen, welche in dem vom Beklagten bewohnten Einfamilienhaus erheblichen Platz beanspruchten. Der Beklagte trägt dazu vor, es seien viele Zimmer, der Dachboden und eine Garage mit dem Sammelgut voll bepackt gewesen. Er bezeichnet die obere Etage des Einfamilienhauses als „DDR-Museum“.

5

Im Jahr 2002 beabsichtigte der Beklagte, das Sammelgut wegen der räumlichen Situation, vor allem aber wegen finanzieller Engpässe zu veräußern, denn er sah sich hohen Zahlungsverpflichtungen für Unterhaltsleistungen sowie für die Finanzierung des Einfamilienhauses ausgesetzt.

6

Zur Veräußerung der Gegenstände richtete der Beklagte ab dem (…) 2002 bei dem Internetportal „eBay“ einen account mit der Bezeichnung „(E...) 2002“ ein. Am (…) 2008 eröffnete er einen weiteren account bei „eBay“ mit dem Namen „(F...)“ und schließlich am (…) 2009 einen dritten account unter dem Namen „(G...)“, wobei der Umsatzschwerpunkt weiter auf dem „(E...)“ lag.

7

In dem Zeitraum vom (…) 2002 bis zum (...) 2010 wickelte der Beklagte über die Verkaufsplattform „eBay“ insgesamt 22.733 Verkäufe ab, wobei er einen Gesamtumsatz von 130.422,99 € erzielte. Die Entwicklung der Umsätze zeigt die nachfolge Aufstellung:

8

 Mitgliedsname         

  2002 in €         

  2003 in €         

  2004 in €         

  2005 in €         

  2006 in €         

 (F...)

                                            

 (E...)

  3.208,65

  21.122,05

  8.963,01

  15.582,45

  21.140,18

 (G...)

                                            

 Gesamtergebnis         

  3.208,65         

  21.122.05         

  8.963,01         

  15.582,45         

  21.140,18         

        

 Mitgliedsname         

  2007 in €         

  2008 in €         

  2009 in €         

  2010 in €         

  gesamt in €         

 (F...)

        

   917,28

  2.377,64

        

  3.294,92

 (E...)

  23.812,65

  16.797,24

  14.037,69

  1.201,54

  125.865,46

 (G...)

                 

   1.262,61

        

  1.262,61

 Gesamtergebnis         

  23.812,65         

  17.714,52         

  17.677,94         

  1.201,54         

  130.422,99         

9

Aus den von „eBay“ vorgelegten Aufstellungen ergibt sich, dass der Beklagte dort in dem Zeitraum vom (…) 2002 bis (…) 2010 22.733 Verkäufe tätigte; die Zahl der Einstellungen in das Verkaufsportal lag um ein Mehrfaches höher. Allein im Jahr 2008, in welchem er am 204 Tagen dienstunfähig erkrankt war, nahm er 12.733 Einstellungen vor und tätigte insgesamt 2365 Verkäufe; im Jahr 2009, welches ebenfalls durch krankheitsbedingte Dienstunfähigkeit an 194 Tagen geprägt war, waren es bei 3.942 Einstellungen insgesamt 1.057 Verkäufe.

10

Die Angebote des Beklagten bei „eBay“ waren in professioneller Weise gestaltet und mit Fotos der Verkaufsexemplare versehen. Für seinen account erhielt der Beklagte durchweg positive Bewertungen durch die Käufer. Zudem hatte er den Status als sogenannter „PowerSeller“; dies sind nach den Bedingungen von „eBay“ professionelle gewerbliche Verkäufer, die ein hohes Handelsvolumen nachweisen können.

11

In der Erkenntnis, dass der Verkauf von Heft-Serien, d. h. eine wirtschaftliche Verwertung überhaupt nur möglich war, wenn diese als Serien vollständig angeboten würden, tätigte der Beklagte insoweit auch Zukäufe. Zur Unterstützung seiner Verkaufsaktivitäten fotografierte er große Teile seiner Sammlung, erstellte für eine Vielzahl von Heften bzw. Serien Angebotslisten und hielt diese Listen stets auf einem aktuellen Stand.

12

Für seine Aktivitäten hatte der Kläger jedenfalls bis zum (…) 2009 zu keinem Zeitpunkt die Genehmigung einer Nebentätigkeit beantragt. Einen derartigen Antrag stellte er erstmals am (…) 2009. In dem Antrag heißt es wie folgt:

13

„Ich beabsichtige Teile meiner privaten Sammlung an Ansichtskarten und DDR-Zeitschriften online zu veräußern.

14

Dies ist an sich beim Dienstherrn in Bezug auf eine Nebentätigkeit nicht genehmigungspflichtig, da es keine ist.

15

Diese Tätigkeit ist nicht gewinn orientiert. Im günstigsten Falle steht nach einer Ausgabe-/Einnahmerechnung eine schwarze Null zu Buche. Somit ist sie auch nicht steuerpflichtig. Nach Rücksprache mit dem hiesigen Finanzamt wird eine solche Tätigkeit regelmäßig als „Liebhaberei“ oder auch „Hobby“ eingestuft.

16

Das (D.) Gewerbeamt teilte mir auf Anfrage mit, dass ein Gewerbeschein nicht nötig sei und eher auch unsinnig, weil die Ansprüche „Dauerhaftigkeit“ und “Gewinnerzielungsabsicht“ fehlen.

17

Ich beabsichtige trotzdem, ein Gewerbe anzumelden (wenn dies nach rechtlicher Beratung überhaupt noch als notwendig erachtet wird). Dann auch nur, nicht weil ich es müsste, sondern um mich rechtlich abzusichern.

18

Leider hat sich die Rechtsprechung in Deutschland so wesensfremd entwickelt, dass man durchaus schon wettbewerbsrechtlich abgemahnt wird, wenn man online monatlich mehr als 20 oder 30 Artikel als Privatperson veräußert. Im ungünstigsten Falle findet sich sofort ein Rechtsanwalt, der gewerbliche Tätigkeit unterstellt und weiterhin feststellt, dass man deswegen verschiedenste Fehler in seinen Auktionen hätte. Eine Kostennote des Anwalts liegt dann zumeist schon dem Anwaltsschreiben bei.

19

Somit will ich mich, trotz dass ich als Privatperson in Erscheinung trete, rechtlich absichern und mich online nicht als privat, sondern als gewerblich darstellen. Dies steht jeder Privatperson zu und wird absehbar immer öfter in Anspruch genommen werden.

20

Meine Tätigkeit zieht keine körperliche oder sonstige Belastung mit sich, die sich negativ auf meine Arbeit auswirken könnte; es ist eher vom Gegenteil auszugehen.“

21

Weder in dem Antrag noch an anderer Stelle wies der Beklagte darauf hin, dass er bereits seit dem Jahr 2002 in ganz erheblichem Umfang „Ansichtskarten und DDR-Zeitschriften online“ veräußert hatte.

22

In dem eBay-Auftritt des „(E...)“ am (…) 2010 wurde unter „Verkäuferinformationen“ darauf hingewiesen, dass der Betreiber des Shops, mithin der Beklagte „angemeldet als gewerblicher Verkäufer“ sei; zudem wurde auf mehr als 9.000 positive Bewertungen durch die Käufer verwiesen. Auf der Internet-Seite vom (…) 2010 bot der „(E...)“ 1.150 Artikel zum Verkauf an.

23

Als die Klägerin davon Kenntnis erlangt hatte, dass der Beklagte bereits seit dem Oktober 2002 unter dem eBay-Mitgliedsnamen „(E...)“ registriert war und seit diesem Zeitpunkt bereits umfangreiche Verkaufsaktivitäten unternommen hatte, leitete sie mit Verfügung vom (…) 2010 gegen den Beklagten ein Disziplinarverfahren ein und enthob mit weiterer Verfügung vom (…) 2010 den Beklagten vorläufig des Dienstes.

24

Im behördlichen Ermittlungsverfahren äußerte sich der Beklagte lediglich dahin gehend, dass es sich bei den eBay-Verkäufen um ein Hobby gehandelt habe.

25

Mit der am (…) 2010 beim Verwaltungsgericht Magdeburg eingegangenen Disziplinarklage begehrt die Klägerin die Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis. Gegenstand der Disziplinarklage ist der Vorwurf folgender Dienstpflichtverletzungen:

26

1.Betreiben eines gewerblichen Internethandels und dadurch Ausübung einer gewerblichen Nebentätigkeit in erheblichem zeitlichen wie inhaltlichen Umfang ohne die erforderliche Genehmigung des Dienstherrn,

27

2.Betreiben dieser Nebentätigkeit - insbesondere auch in Zeiten von Krankheit - in einem Umfang, der der Pflicht zum Erhalt und der Wiederherstellung der Arbeitskraft (Gesundheitswiederherstellungspflicht) in außergewöhnlichem Maße entgegensteht,

28

3.Verstoß gegen die Wahrheitspflicht, weil der eBay-Account schon seit dem Jahre 2002 besteht bzw. weil der Beamte der beantragten Nebentätigkeit schon seit 2002 nachgegangen ist und somit im Antrag auf Genehmigung der Nebentätigkeit vom (…) 2009 falsche Angaben getätigt wurden.

29

Zur Begründung der Disziplinarklage hat die Klägerin ausgeführt, der Beklagte habe seine Dienstpflichten in einem Kernbereich so erheblich verletzt, dass das Vertrauensverhältnis unwiederbringlich zerstört sei. Die vom Beklagten ausgeübte Nebentätigkeit sei genehmigungspflichtig, aber nicht genehmigungsfähig gewesen. Der Beklagte habe sich auch während seiner Arbeitsunfähigkeit durch gewerbliches Handeln neben seiner Besoldung ein zweites wirtschaftliches Standbein verschafft. Ein Versagungsgrund sei schon deswegen gegeben gewesen, weil der zeitliche Umfang des Handelns die Arbeitskraft des Beklagten so sehr in Anspruch genommen habe, dass die ordnungsgemäße Erfüllung seiner dienstlichen Pflichten behindert würde. Der Beklagte habe gewerbsmäßig, d. h. mit Regelmäßigkeit und Gewinnerzielungsabsicht gehandelt. Er habe sich bewusst für einen gewerbsmäßigen Auftritt als „PowerSeller“ entschieden und hiermit auch nach außen Dritten gegenüber sichtbar dokumentiert, dass er als gewerblicher Händler auftrete. Er habe seine Verkaufsaktivitäten wegen der guten Verdienstmöglichkeiten im Laufe der Jahre bewusst ausgedehnt und gesteigert. Damit habe er alles getan, um sich außerdienstlich ein zweites berufliches Standbein aufzubauen. Schließlich habe der Beklagte seine Pflicht zur Abgabe wahrheitsgemäßer Angaben verletzt, indem er in seinem Antrag auf Genehmigung einer Nebentätigkeit vom (…) 2009 wider besseres Wissen angegeben habe, dass er erst voraussichtlich ab Anfang 2010 den Online-Verkauf (nur) einer privaten Sammlung vornehmen werde.

30

Der Klägerin hat beantragt,

31

den Beklagten aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen.

32

Der Beklagte hat beantragt,

33

die Klage abzuweisen.

34

Er hat sich im Wesentlichen wie folgt eingelassen:

35

Der Verkauf der Hefte habe nur einen geringen zeitlichen Aufwand erfordert. Er habe sich kein zweites wirtschaftliches Standbein geschaffen; vielmehr sei es so gewesen, dass er sich in einer Situation befunden habe, in welcher er „am Monatsanfang manchmal nur 50 bis 60 € zum Leben“ gehabt habe. Wenn man die Gesamtzahl der Verkäufe auf die Zahl der Tage herunterrechne, komme man lediglich auf 6 Verkäufe, was nur einen geringen zeitlich Aufwand erfordert habe. Der An- und Verkauf der Hefte sei eine Beschäftigung gewesen, welche ihm Ruhe und Ausgeglichenheit gegeben habe.

36

Das Verwaltungsgericht Magdeburg hat mit Urteil vom 1. Dezember 2011 auf die Kürzung der Dienstbezüge des Beklagten auf die Dauer von drei Jahren um ein Fünftel seiner monatlichen Dienstbezüge erkannt.

37

Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht zunächst festgestellt, der Beklagte habe ein Dienstvergehen begangen, indem er über Jahre ohne Nebentätigkeitsgenehmigung einer Nebentätigkeit, und zwar auch in Zeiten der Erkrankung, nachgegangen sei und indem er bei seinem Antrag auf Erteilung einer Nebentätigkeitsgenehmigung falsche Angaben gemacht habe. Für den Zeitraum der Jahre 2002 bis 2007 lasse sich nicht mehr mit der erforderlichen Gewissheit feststellen, dass der Beklagte mehr als nur seine private Sammlung veräußert habe. Für den Zeitraum 2008 bis Anfang 2010 sei davon auszugehen, dass der Beklagte auch in diesem Zeitraum im wesentlichen nur das veräußert habe, was er in den Jahren bis 2002 gesammelt und nur unwesentliche Zukäufe getätigt habe, die dem Zweck der Komplettierung gedient hätten.

38

Gleichwohl habe der Beklagte vorsätzlich über einen Zeitraum von acht Jahren eine Nebentätigkeit ohne die erforderliche Genehmigung ausgeübt, indem er im Internet als gewerblicher Händler aufgetreten sei. Dadurch habe er gegen die sich aus § 54 BG LSA (§ 34 Satz 3 BeamtStG) ergebende Pflicht verstoßen, sich mit voller Hingabe seinem Beruf zu widmen und der Achtung und dem Vertrauen gerecht zu werden, die sein Beruf fordere. Zudem habe er gegen die Pflicht zur Gesunderhaltung verstoßen. Ein weiterer Verstoß gegen Dienstpflichten liege darin, dass er in seinem Antrag auf Genehmigung von Nebentätigkeiten aus dem (…) 2009 verschwiegen habe, in welchem Umfang er bereits tätig gewesen sei. In beiden Taten liege ein einheitliches Dienstvergehen.

39

Dem Beklagten sei es um die Erzielung eines größtmöglichen Gewinns gegangen. Dies ergebe sich zum einen aus der ursprünglichen Motivation, die ihn belastenden Unterhaltsansprüche begleichen zu können; zum Anderen spreche dafür auch sein Geschäftsgebaren. So habe der Beklagte, um Serien verkaufen zu können, Zukäufe getätigt und den Verkauf sehr professionell gestaltet. Im Hinblick darauf, dass es sich bei der Sammlung des Beklagten um eine solche mit mehr als 100.000 Einzelstücken gehandelt habe, sei sein Vorgehen vergleichbar demjenigen, welcher einen Gewerbebetrieb mit einem großen Warenlager erbe und diesen dann weiter betreibe. Zugunsten des Beklagten sei allerdings davon auszugehen, dass die von ihm ausgeübte Tätigkeit als Verkäufer seiner privaten Sammlung bei eBay „in gewissem Umfang auch genehmigungsfähig gewesen sein“ dürfte. Dies ergebe sich daraus, dass die Tätigkeit des Beklagten jedenfalls nicht mehr als ein Fünftel seiner regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit betragen habe. Allerdings sei davon auszugehen, dass dem Beklagten die Notwendigkeit der Erteilung einer Nebentätigkeitsgenehmigung bekannt war. Hierfür spreche bereits die Begründung seines im Dezember 2009 gestellten Antrages.

40

Es liege auch ein vorsätzlicher Verstoß des Beklagten gegen seine Verpflichtung zur Gesunderhaltung und Wiedergenesung vor. Ein Beamter sei im Falle krankheitsbedingter Dienstunfähigkeit gehalten, alles ihm Zumutbare zu unternehmen, um eine rasche Wiederherstellung seiner Arbeitsfähigkeit zu erreichen. Gegen diese Verpflichtung habe der Beklagte durch seine in einem erheblichen zeitlichen Umfang getätigten Verkaufsaktivitäten verstoßen.

41

Allerdings sei im Rahmen einer Gesamtwürdigung nicht davon auszugehen, dass der Beklagte ein schweres Dienstvergehen begangen habe. Es sei nicht zu erwarten, dass der Beklagte auch künftig seinen Dienstpflichten nicht ordnungsgemäß nachkommen werde; er habe durch sein Fehlverhalten auch keine erhebliche, nicht wieder gut zu machende Ansehensbeeinträchtigung des Berufsbeamtentums herbeigeführt. Zwar sei erschwerend zu berücksichtigen, dass der Beklagte über einen Zeitraum von mehr als acht Jahren ohne Genehmigung in erheblichem Umfang gewerblich tätig gewesen sei; zudem sei auch zu berücksichtigen, dass er disziplinarrechtlich vorbelastet sei. Zu seinen Gunsten sei indes die „stetig besser werdende Arbeitsleistung“ des Beklagten in den vergangenen Jahren zu berücksichtigen.

42

Gegen das erstinstanzliche Urteil hat der Beklagte fristgerecht Berufung eingelegt. Zur Begründung führt er aus, das Urteil beruhe auf fehlerhafter Rechtsanwendung. Die den Gegenstand des Verfahrens bildenden, dem Urteil zugrunde gelegten Handlungen rechtfertigten nicht die disziplinaren Vorwürfe. Die Verwaltung und insbesondere auch Nutznießung eigenen Vermögens stelle keine Nebentätigkeit dar und sei daher auch genehmigungsfrei. Das Verwaltungsgericht gehe zu Unrecht von einer auf Gewinn gerichteten gewerbemäßigen Tätigkeit aus; es lasse auch außer Betracht, dass ein gegen ihn geführtes steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahren eingestellt worden sei. Seine das Verfahren einleitende Anzeige einer Nebentätigkeit verstoße nicht gegen die Wahrheitspflicht. Er habe ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er bei der „im Grunde richtig wiedergegebenen Veräußerung seines Vermögens“ nicht von einer Nebentätigkeit ausgehe. Der Gesetzgeber habe keine Regelung für den zulässigen Umfang und den Zeitaufwand bei der Befassung mit der Verwaltung eigenen Vermögens getroffen. Das Verwaltungsgericht habe sich nicht mit einem bei Richtigkeit seiner Auffassung zu würdigenden Subsumtionsirrtum seinerseits befasst, sondern zu Unrecht einen vorsätzlichen Verstoß gegen Dienstpflichten unterstellt. Er habe durch „das Befassen mit seinem eBay-Account“ auch nicht seine Gesundheit beeinträchtigt oder seine Genesung gefährdet. Selbst bei Vorliegen eines Dienstvergehens verstoße die ausgesprochene Disziplinarstrafe gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, denn das Verwaltungsgericht habe nicht hinreichend die besondere Wirkung der Gehaltskürzung im Eingangsamt berücksichtigt.

43

Der Beklagte beantragt,

44

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Magdeburg vom 1. Dezember 2011 die dort erkannte Disziplinarmaßnahme aufzuheben.

45

Die Klägerin hat gegen das Urteil rechtzeitig Anschlussberufung eingelegt. Sie beantragt,

46

die Berufung zurückzuweisen und den Beklagten aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen.

47

Die Klägerin geht davon aus, dass der Beklagte ein schweres Dienstvergehen begangen habe, was zu einem vollständigen Vertrauensverlust geführt habe. Mit seiner auf Dauer angelegten und auf Erzielung des größtmöglichen Gewinns ausgerichteten - ungenehmigten - Nebentätigkeit habe der Beklagte gegen die aus § 54 Satz 1 BG LSA (§ 34 Satz 1 BeamtStG) folgende Pflicht verstoßen, sich mit voller Hingabe seinem Beruf zu widmen und zudem auch die ihm obliegende Pflicht zu einem achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten gemäß § 54 Satz 3 BG LSA (§ 34 Satz 3 BeamtStG) verletzt. Zudem habe der Beklagte in seinem Antrag auf Erteilung einer Nebentätigkeitsgenehmigung vom (…) 2009 bewusst verschwiegen, in welchem Umfang er bereits tätig gewesen sei. Dem Beklagten sei die Notwendigkeit der Erteilung einer Nebentätigkeitsgenehmigung durchaus bekannt gewesen, weshalb er vorsätzlich gehandelt habe. Im Hinblick darauf, dass der Beklagte über einen Zeitraum von mehr als acht Jahren eine nicht genehmigungsfähige und gewerbliche Nebentätigkeit in erheblichem Umfang auch in Zeiten von Krankheit (fast 400 Tage) ausgeübt habe, sei - auch unter Berücksichtigung, dass der Beklagte bereits disziplinarrechtlich vorbelastet sei - davon auszugehen, dass ein endgültiger Vertrauensverlust gegenüber dem Dienstherrn eingetreten sei. Als angemessene Disziplinarmaßnahme komme daher nur die Entfernung aus dem Dienst in Betracht.

48

In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat sich der Beklagte wie folgt eingelassen:

49

Er habe mit den Verkäufen lediglich sein Vermögen verwaltet, also weder einen Handel noch gar ein Gewerbe betrieben, sondern die Verkaufsgegenstände „privat“ in das Internet gestellt. Hierzu habe er keine Nebentätigkeitsgenehmigung benötigt und deshalb seinen Dienstherrn auch zu keinem Zeitpunkt getäuscht.

50

Zu den Veräußerungen sei es gekommen, weil er Geld benötigt habe: das Wohnhaus sei im Zuge der Überschwemmungen im Jahr 2002 beschädigt worden; dazu seien Kreditverpflichtungen und Unterhaltszahlungen gekommen, für die seine Beamtenbezüge nicht ausgereicht hätten. Daher habe er sich entschlossen, die gesammelten Gegenstände aus seinem Haus über „eBay“ zu verkaufen.

51

Ein großer Zeitaufwand sei mit dem Betreiben des „(E...)“ nicht verbunden gewesen, was auch daran gelegen habe, dass er zunehmend Routine im Einstellen der Artikel und im Versand entwickelt habe.

52

Die Anmeldung seines „shops“ als Gewerbe sei schließlich erfolgt, weil er nicht Probleme mit den „Abmahn-Anwälten“ habe bekommen wollen. Was den Vorwurf der Nebentätigkeit während seiner Erkrankung in den Jahren 2008/2009 betreffe, so hätten seine Aktivitäten seine Genesung nicht beeinträchtigt, sondern eher gefördert.

Entscheidungsgründe

53

Die Berufung des Beklagten gegen das erstinstanzliche Urteil ist zulässig, jedoch unbegründet; demgegenüber ist die von der Klägerin erhobene Anschlussberufung sowohl zulässig als auch begründet.

54

Zur Überzeugung des Senats steht zunächst fest, dass der Beklagte während des Zeitraums von (…) 2002 bis (…) 2010 eine gemäß § 65 BG LSA in der bis zum 1. Februar 2010 maßgeblichen Fassung genehmigungspflichtige Nebentätigkeit ausgeübt hat, ohne im Besitz der dafür erforderlichen Genehmigung gewesen zu sein. Der Senat geht zudem davon aus, dass der Beklagte bei wahrheitsgemäßer Angabe über den Umfang seiner An- und Verkaufsaktivitäten über das Verkaufsportal „eBay“ keine Nebentätigkeitsgenehmigung erhalten hätte, weil die Versagungsgründe des § 65 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 6 BG LSA vorgelegen haben. Es wäre nämlich davon auszugehen gewesen, dass die Nebentätigkeit nach Art und Umfang den Beklagten so stark in Anspruch genommen hat, dass die ordnungsgemäße Erfüllung seiner Dienstpflichten behindert werden konnte (Nr.1) und dass vor allem die exzessive Nebentätigkeit dem Ansehen der öffentlichen Verwaltung abträglich ist (Nr. 6).

55

Entgegen der vom Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat gegebenen Einlassung handelte es sich bei seinen Aktivitäten auch nicht um die bloße Verwaltung eigenen Vermögens, die als solche gemäß § 66 Abs. 1 Nr. 1 BG LSA genehmigungsfrei war. Vielmehr ist davon auszugehen, dass sich der Beklagte über nahezu acht Jahre in zunehmendem Umfang in einer Weise wirtschaftlich betätigt hat, die nach Art, Umfang, Dauer, Häufigkeit und Zielrichtung eindeutig als nicht genehmigungsfähige Ausübung eines Zweitberufes anzusehen ist.

56

Der Beklagte hat am (…) 2002 den eBay-Account „(E...) 2002“ eröffnet und allein über dieses Verkaufsportal bis zum Jahr 2010 einen Gesamtumsatz von 125.865,46 Euro erzielt. Er hat zudem in den Jahren 2008/2009 zusätzlich die eBay-Account „(F...)“ und „(G...)“ eröffnet und auch hierüber Verkäufe mit einem Gesamtumsatz von über 4.500,00 Euro getätigt. Insgesamt hat der Beklagte über „eBay“ 22.733 Artikel verkauft, wobei die Zahl der Einstellungen von zu verkaufenden Waren erheblich höher war, wie allein die Zahl der vorgenommenen Einstellungen im Jahr 2008 (12.733 Einstellungen) und im Jahr 2009 (3.942 Einstellungen) zeigt.

57

Zeigt schon die Zahl der vorgenommenen Transaktionen, dass der Beklagte in einem Maße tätig war, welches weit über die Zahl von Verkäufen hinaus geht, welche üblicherweise im Zuge einer Haushaltsauflösung erfolgen, so sprechen insbesondere Folgeumstände für ein gewerbliches, gewinnorientiertes Vorgehen des Beklagten:

58

Bereits die vom Beklagten gewählte Bezeichnung seines Verkaufsportals als „(E...) 2002“ sollte den möglichen Kunden ganz offensichtlich suggerieren, dass sie es mit einem Versender zu tun haben, welcher - als „Kioskbetreiber“ - Zeitschriften in größerem Umfang im Angebot vorhält. Für ein gewerbliches Handeln des Beklagten spricht im Übrigen auch, dass er - wie er selbst eingeräumt hat - seinen Warenbestand fortlaufend durch Einkäufe ergänzte und deshalb nicht lediglich seinen Privatbesitz auflöste.

59

Bezeichnend ist auch die Beschreibung, welche der Beklagte im (…) 2010 selbst seinem „(E...)“ gegeben hat:

60

„In meinem Shop gibt es alles, was es bis 1989 in einem Zeitungskiosk der DDR gab (oder nicht gab): Armeerundschau, Atze, Bummi, Eulenspiegel, Frösi, Fachzeitschriften, Für Dich, GST-Zeitschriften, KFT, Mosaik, M&R, NBI, Technicus, Straßenverkehr, Tageszeitungen, Trommel, URANIA, Wochenpost, AK u. a. ...

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Hallo ebayer! Ich darf mich kurz vorstellen. Ich (Name siehe Impressum) sammele seit über 30 Jahren alles, das nur annähernd nach DDR riecht und aus Papier ist. Inzwischen habe ich so ziemlich alles komplett, was ich jemals suchte. Dabei haben sich auch einige 100 kg Papier als Doppelt- oder Mehrfachexemplare angesammelt, die ich nun nach und nach zur Versteigerung bringen werde. Leider ist das normale Leben in Deutschland aufgrund der Umsetzung von EU-Richtlinien soweit den Bach herunter gegangen, dass ich mich nunmehr entschloss, hier als gewerblicher Käufer aufzutreten“.

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Schon daraus ergibt sich mit aller Deutlichkeit, dass der Beklagte sich nicht nur darauf beschränkt hat, die in den Räumlichkeiten des von ihm bewohnten Hauses liegenden Zeitschriften und sonstigen Erinnerungsstücke aus DDR-Zeiten zu veräußern, sondern dass er auch Zukäufe getätigt hat, um etwa Zeitschriftenreihen zu dem Zweck zu komplettieren, sie dann als gewerblicher Verkäufer gewinnbringend verkaufen zu können. So kaufte der Beklagte im (…) 2008 den kompletten Jahrgang 1976 der Zeitschrift Mosaik, im (…) 2008 den kompletten Jahrgang 1978 der Zeitschrift Mosaik B. sowie im (…) 2008 erneut den kompletten Jahrgang 1976 der Zeitschrift Mosaik.

63

Demgegenüber verkaufte der Beklagte mehrfach komplette Sätze von Zeitschriften, allein in den Jahren 2008/2009 mindestens 20 x entweder die komplette, aus 168 bzw. 178 Heften bestehende „Top- Sammlung Mosaik B. 1976 – 1989 bzw. 1990“ . Entsprechendes gilt für die ebenfalls mehr als 20-fache Veräußerung der Zeitschriften- Serie „Mosaik A.“ im Jahr 2009. Es ist kein vernünftiger Grund für die Annahme ersichtlich, dass der Beklagte bzw. dessen Eltern diese Serien im vorbeschriebenen Umfang mehrfach gesammelt haben; vielmehr ist der Senat davon überzeugt, dass sich der Beklagte Doppel-Exemplare beschafft hat, um sie überhaupt gewinnbringend und gewinnmaximierend zu veräußern.

64

Dass die Aktivitäten des Beklagten weit über eine übliche Haushaltsauflösung hinausgingen, zeigt auch der Umstand, dass er von dem Verkaufsportal eBay als „PowerSeller“ geführt worden ist. Die Selbstdarstellung von eBay-Deutschland auf der Internetseite „PowerSeller Portal“: www://eBay.de/services definiert PowerSeller unzweideutig als professionelle gewerbliche Verkäufer, die kontinuierlich ein hohes Handelsvolumen vorweisen können. Um „PowerSeller“ zu werden, müssen Verkäufer im Übrigen bei eBay als gewerbliche Verkäufer angemeldet sein. Verkäufer, die sich für den Status eines „PowerSellers“ qualifizieren möchten, müssen kontinuierlich große Mengen an Artikeln verkaufen und dabei ihren Käufern einen besonders guten Kundenservice bieten.

65

Für den verlangten „besonders guten Kundenservice“, welchen der Beklagte zu bieten hatte, sprechen die professionelle Gestaltung seines „(E...)“, verbunden mit einer bildlichen Darstellung der zum Verkauf anstehenden Artikel, aber auch der professionelle Versand der Artikel. Auf der Homepage „(E...)“ wurde er zudem durch ein Sternchen-Symbol ausdrücklich als „PowerSeller“ bezeichnet, wobei der zusätzliche Hinweis auf eine hohe Zahl der von ihm bereits getätigten Transaktionen den professionellen Verkäufer-Status des Beklagten noch verdeutlichte. Im Übrigen wurde er - wie sich jedenfalls noch aus seinem eBay-Auftritt vom (…) 2010 ergibt - ausdrücklich als „angemeldet als gewerblicher Verkäufer“ bezeichnet.

66

Die Aktivitäten des Beklagten stellen sich danach hinsichtlich Art, Umfang, Dauer, Häufigkeit und Zielrichtung, vor allem auch unter Berücksichtigung der erzielten Jahresumsätze von bis zu ca. 23.800,00 Euro, als Ausübung eines Zweitberufes i. S. eines „zweiten beruflichen Standbeins“ neben seinem Beamtenverhältnis dar. Der Beklagte hat gewerbsmäßig, d. h. mit Regelmäßigkeit und Gewinnerzielungsabsicht gehandelt. Er hat zudem die Aktivitäten wegen der von ihm erkannten guten Verdienstmöglichkeiten im Laufe der Zeit bewusst ausgedehnt, indem er zusätzlich die accounts „(F...)“ und „(G...)“ eingerichtet hat.

67

Der Senat hat keinen Zweifel daran, dass sich der Beklagte als langjährig erfahrener Polizeibeamter darüber im Klaren war, dass er für den von ihm durchgeführten professionellen Handel mit einem Umsatzvolumen, welches einem ganz erheblichen Teil seiner Dienstbezüge entsprach, einer Genehmigung bedurfte. Es ist im Übrigen davon auszugehen, dass dem Beklagten eine beantragte Nebentätigkeitsgenehmigung nicht erteilt worden wäre, wenn er seinen Dienstherrn wahrheitsgemäß über den tatsächlichen Umfang seiner An- und Verkaufsaktivitäten unterrichtet hätte. Dass der Beklagte dies selbst so gesehen hat, ergibt sich nicht zuletzt daraus, dass er in seinem schließlich am (…) 2009 gestellten Antrag auf Erteilung einer Nebentätigkeitsgenehmigung wahrheitswidrig angegeben hat, er „beabsichtige“, Teile seiner privaten Sammlung an Ansichtskarten und DDR-Zeitschriften online zu veräußern, und damit bewusst verschwiegen hat, dass er derartige - und darüber hinausgehende - Aktivitäten bereits seit dem Jahr 2002 umfänglich betrieben hat.

68

In der Ausübung von Nebentätigkeiten ohne Einholung der erforderlichen Genehmigung bzw. dem vorsätzlichen Unterlassen eines entsprechenden Antrags liegt ein Verstoß gegen die dem Beklagten aus seinem Beamtenverhältnis obliegende Pflicht gemäß § 54 Satz 3 BG LSA, wonach sein Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden muss, die sein Beruf als Polizeibeamter erfordert und damit ein schuldhaftes Dienstvergehen gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 BG LSA.

69

Für die Ahndung ungenehmigter Nebentätigkeiten steht wegen der Vielfalt der möglichen Pflichtverstöße grundsätzlich der gesamte disziplinarrechtliche Maßnahmenkatalog zur Verfügung. Es kommt auf Dauer, Häufigkeit und Umfang der Nebentätigkeiten an. Zudem muss berücksichtigt werden, ob der Ausübung der Nebentätigkeiten gesetzliche Versagungsgründe entgegenstehen. Erschwerend wirkt sich aus, wenn ein Beamter ungenehmigte Nebentätigkeiten in Zeiten der Krankschreibung wahrnimmt (so BVerwG, Urt. v. 11. Januar 2007, 1 D 16.05).

70

Welche Disziplinarmaßnahme angemessen ist, richtet sich nach der Schwere des Dienstvergehens unter angemessener Berücksichtigung der Persönlichkeit des Beamten (§ 13 Abs. 1 Satz 2 und 3 DG LSA). Die Schwere des Dienstvergehens beurteilt sich nach objektiven Handlungsmerkmalen wie Eigenart und Bedeutung der Dienstpflichtverletzungen, nach den besonderen Umständen der Tatbegehung sowie Häufigkeit und Dauer eines wiederholten Fehlverhaltens, darüber nach subjektiven Handlungsmerkmalen wie Form und Gewicht des Verschuldens des Beamten, den Beweggründen für sein Verhalten sowie den unmittelbaren Folgen für den dienstlichen Bereich und für Dritte (BVerwG, a. a. O., RdNr. 55).

71

Unter Zugrundelegung der vorgenannten Kriterien ist hier von einem schwerwiegenden Dienstvergehen gem. § 77 Abs. 1 Satz 1 BG LSA auszugehen. Hierfür sprechen einerseits der ganz erhebliche Umfang der An- und Verkaufsaktivitäten des Beklagten und der dabei erzielte sehr hohe Gesamtumsatz, andererseits das strategische, auf eine Steigerung der Erlöse ausgerichtete Gesamtverhalten des Beklagten und sein offenkundiges Bestreben, Gewinne zu erzielen.

72

Ein besonderes disziplinarisches Gewicht erhält die Ausübung der ungenehmigten und nicht genehmigungsfähigen Nebentätigkeit des Beklagten dadurch, dass er mit seinen umfangreichen Aktivitäten während der Jahre 2008 und 2009, mithin während der Zeit, in welcher er an insgesamt nahezu 400 Tagen dienstunfähig erkrankt war, gegen die ihm obliegende Pflicht zur Gesunderhaltung verstoßen hat. Eines konkreten Nachweises, dass die Nebentätigkeit den Gesundheitsprozess konkret behindert oder verzögert hat, bedarf es dabei nicht. Es reicht vielmehr aus, wenn die Nebentätigkeit generell geeignet ist, die alsbaldige und nachhaltige Genesung zu beeinträchtigen (BVerwG, Urt. v. 1. Juni 1999, 1 D 49.97, RdNr. 51 [m. w. N.], ebenso BVerwG, Urt. v. 14. November 2001, 1 D 60.00). Ein Internethandel in dem Umfang, wie ihn der Beklagte in den Jahren 2008 und 2009 - mit mehr als 16.500 Einstellungen von Produkten sowie mehr als 3.400 Verkäufen, die nicht nur den eigentlichen Handel auf der eBay-Plattform, sondern dazu Verpackung, Versand und Abrechnung erforderten, betrieben hat, war ohne Zweifel der Wiederherstellung der Gesundheit und damit der vollen Dienstfähigkeit nicht zuträglich. Der Senat sieht danach davon ab, den Minutenaufwand für jede einzelne Transaktion des Beklagten zu errechnen. Ein Beamter, der in einem besonderen Treueverhältnis zu seinem Dienstherrn steht, ist im Falle krankheitsbedingter Dienstunfähigkeit gehalten, alles ihm Zumutbare zu tun, um eine rasche Wiederherstellung seiner Arbeitsfähigkeit herbeizuführen. Dazu gehört, dass er seine Kräfte schont und hier nicht vorzeitig, insbesondere nicht zu Erwerbszwecken, einsetzt. Fühlt er sich bereits imstande, Dienstleistungen auch nur in beschränktem Umfang zu erbringen, so handelt er pflichtwidrig, wenn er sie nicht seinem Dienstherrn anbietet, der ihm das Gehalt weiterzahlt und ihm aus Anlass der Krankheit soziale Vorteile gewährt (BVerwG, a. a. O., RdNr. 54 [m. w. N.]).

73

Danach kommt der vom Beklagten auch während der Zeit seiner Dienstunfähigkeit in nahezu unvermindertem Umfang verbotswidrig durchgeführten, gewerblich ausgerichteten Nebentätigkeit ein ganz erhebliches disziplinarrechtliches Gewicht zu, was bereits für sich genommen durchaus geeignet ist, das Ansehen der Polizei in der Öffentlichkeit erheblich zu beeinträchtigen. Die Bevölkerung hätte keinerlei Verständnis dafür, dass ein Beamter - noch dazu während der Zeit seiner gesundheitsbedingten Dienstunfähigkeit - in einen derartigen Umfang einer nicht genehmigten und auch nicht genehmigungsfähigen Nebentätigkeit nachgeht.

74

Bei der Würdigung des Gesamtverhaltens des Beklagten ist zudem zu berücksichtigen, dass er in seinem Antrag auf Erteilung einer Nebentätigkeitsgenehmigung vom 11. Dezember 2009 vorsätzlich falsche Angaben gemacht und damit gegen die ihm gem. § 54 Satz 3 BG LSA obliegende Wahrheitspflicht, mithin die Verpflichtung zu vollständigen und richtigen Angaben, bewusst verstoßen hat. Die dem Antrag gegebene Begründung, die weitgehend durch Geschwätzigkeit und Rechthaberei geprägt ist, lässt unschwer die Motivation erkennen, dass es dem Beklagten vorrangig darum ging, seine bisherigen verbotswidrigen Tätigkeiten zu kaschieren. Zwar mag das Gewicht einer Wahrheitspflichtverletzung im Verhältnis zu dem geleugneten Dienstvergehen regelmäßig gering sein (vgl. Hummel/Köhler/Meier, BDG, 4. Aufl., S. 248); indes stellt sich die Erklärung des Beklagten in seiner Antragsbegründung nicht nur als bewusstes Leugnen seiner bisherigen Aktivitäten dar, sondern enthält jedenfalls mit der Angabe, die „beabsichtigte“ Veräußerung von Teilen seiner privaten Sammlung sei nicht gewinnorientiert, eine erneute objektiv falsche Erklärung.

75

Mit seinem im Sinne der Einheitlichkeit des Dienstvergehens zu betrachtenden Gesamtverhalten hat der Beklagte ein schweres Dienstvergehen begangen, wodurch er das Vertrauen nicht nur des Dienstherrn, sondern auch der Allgemeinheit endgültig verloren hat (§ 13 Abs. 2 DG LSA).

76

Im Gegensatz zur Auffassung des Verwaltungsgerichts vermag der Senat nicht davon auszugehen, dass der Beklagte die Gewähr dafür bietet, künftig uneingeschränkt seinen Dienstpflichten nachzukommen. Dass dem Beklagten eine derartige Prognose nicht gestellt werden kann, ergibt sich zum Einen daraus, dass er - wie er nicht zuletzt in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat gezeigt hat - offensichtlich über keinerlei Unrechtseinsicht verfügt, welche eine wesentliche Voraussetzung für ein zukünftiges pflichtgemäßes Verhalten darstellt. Zu Lasten des Beklagten war zum Anderen zu berücksichtigen, dass er bereits wegen eines erheblichen Verstoßes gegen seine Dienstpflichten - verbotene Mitnahme von Waren aus einem verunfallten LKW - disziplinarisch zur Rechenschaft zu ziehen war. Auch in dem diesbezüglichen Disziplinarverfahren vor dem erkennenden Senat (10 L 5/10) war der Kläger - wie der Senat in seinem Beschluss vom 17. Juni 2010 ausdrücklich hervorgehoben hat - in keiner Weise bereit, das Unrecht seines Handelns zu erkennen.

77

Danach ergibt sich aus einer Gesamtwürdigung des Dienstvergehens des Beklagten und aus seiner Persönlichkeit nur der Schluss, dass der Beklagte auch künftig seinen Dienstpflichten nicht ordnungsgemäß nachkommen wird und dass er zudem durch sein Fehlverhalten eine erhebliche, nicht wieder gut zu machende Ansehensbeeinträchtigung des Berufsbeamtentums herbeigeführt hat. Vor allem kann aufgrund seines Gesamtverhaltens nicht die Prognose getroffen werden, er werde künftig auf Dauer Gelegenheiten zur Ausübung ungenehmigter Nebentätigkeiten verstreichen lassen (vgl. zu diesem Kriterium: BVerwG, Urt. v. 11. Januar 2007, a. a. O., RdNr. 64). Unter diesen Umständen ist er als Beamter nicht länger tragbar mit der Folge, dass aufgrund der Schwere des Dienstvergehens die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (§§ 10 Abs. 1, 13 Abs. 2 DG LSA) indiziert ist.

78

Der Senat vermag auch keine Umstände zu erkennen, die ausnahmsweise die nach der Schwere der Dienstpflichtverletzungen indizierte Verhängung der Höchstmaßnahme ausschließen lassen könnten. Der Umstand, dass der Beklagte im Dienst gute Leistungen erbracht hat, vermag sein Versagen in den Bereichen, welche nicht unmittelbar zur Dienstausübung gehören, nicht zu kompensieren. Es besteht auch kein Anlass zu der Annahme, dass sich der Beklagte etwa in einer besonderen, dazu unverschuldeten wirtschaftlichen Notlage befunden hat, welche ihm zudem nur den „Ausweg“ des verbotswidrigen Betreibens eines Internethandels ermöglicht hat. Sein dazu in der Gerichtsverhandlung erster Instanz gegebener pauschaler Hinweis, er habe manchmal am Monatsanfang „nur 50 bis 60 Euro zum Leben“ gehabt, ist schon nicht geeignet, eine derartige, nicht anders lösbare Notsituation darzutun. Es besteht im Übrigen auch kein Grund für die Annahme, dass sich der Beklagte etwa in der Situation einer psychischen Bedrängnis befunden hat, die es ihm verwehrt hätte, sich im Hinblick auf die geplante Veräußerung der „DDR-Sammlung“ bereits im Jahr 2002 vertrauensvoll und mit wahrheitsgemäßen Angaben an seinen Dienstherrn zu wenden und die Frage des Erfordernisses und - vor allem der Möglichkeit - einer Nebentätigkeitsgenehmigung klären zu lassen, anstatt ohne Weiteres einen gewerblichen Handel zu betreiben.

79

Nach dem Bild, welches der Senat im Rahmen der Berufungsverhandlung von dem Beklagten gewonnen hat, besteht bei ihm offensichtlich der sich zunehmend verfestigende Eindruck, als würden seine Leistungen völlig verkannt, was sich schon daran zeige, dass er nach über zwanzigjährigem Dienst in der Polizei immer noch nicht befördert werde. Man dürfe „nicht durch Leistung auffallen“, dann werde man schon etwas. Diese Einstellung verkennt völlig, dass sich der Beklagte den Umstand, dass er bei der nunmehr anstehenden Beförderungsrunde 2012 nicht beteiligt werden kann, letztlich selbst zuzuschreiben hat. Auch seine in der Berufungsverhandlung zum Ausdruck gebrachte Distanz zu Kollegen (“Spießrutenlauf“ in D.) sowie zu Vorgesetzten lässt nicht erkennen, dass sich der Beklagte ernsthaft um eine Wiederherstellung verlorenen Vertrauens bemüht, vor allem nicht, dass er sein Verhalten in Zukunft ändern wird. Dafür spricht bereits seine Ankündigung, auch künftig weiter die Verkaufsplattform bei eBay für die Veräußerung von - offensichtlich noch in großer Anzahl vorhandenen - „DDR-Artikeln“ nutzen zu wollen.

80

Auch sonst sind keine entlastenden Umstände ersichtlich, die für sich genommen oder in einer Gesamtschau eine andere als die ausgesprochene Maßnahme als ausreichend erscheinen ließen.

81

Danach muss es dabei bleiben, dass der Beklagte gemäß §§ 13 Abs. 3, 10 Abs. 1 DG LSA aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen ist. Die damit verbundenen, insbesondere wirtschaftlichen Konsequenzen hat der Beklagte zu tragen, denn er hat die Ursache für diese Maßnahme mit seinem massivem Fehlverhalten und seiner Uneinsichtigkeit selbst gesetzt.

82

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 72 Abs. 1 und 4 DG LSA, 154 Abs. 1 VwGO. Die Gerichtsgebührenfreiheit des Verfahrens ergibt sich aus § 73 Abs. 1 Satz 1 DG LSA.

83

Diese Entscheidung ist unanfechtbar, denn das Disziplinargesetz Sachsen-Anhalt lässt in seinem Anwendungsbereich eine Revision gegen Urteile des Oberverwaltungsgerichts in Disziplinarsachen nicht zu (vgl. BVerwG, Beschl. v. 31. Januar 2012, 2 B 132.11).


Tenor

Die Beschwerde der Klägerin wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen trägt die Klägerin.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 450 400 € festgesetzt.

Gründe

I

1

Die Klägerin wendet sich gegen die in dem aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 18. April 2013 ergangenen Urteil des Verwaltungsgerichts erfolgte Nichtzulassung der Revision.

2

Das Verfahren betrifft das 9 008 qm große, nach Aktenlage unbebaute Flurstück ... der Flur ... im Gemeindegebiet der Klägerin, die dessen Eigentümerin und Verfügungsberechtigte ist. Das Grundstück gehörte zum historischen Gutsgelände ... der verstorbenen Brüder Albert und Max S., zu deren Rechtsnachfolgern die Beigeladenen gehören. Nach deren Tod schlossen ihre Erben am 13. Oktober 1933 mit dem Kaufmann G., einem NSDAP-Mitglied, einen notariell beurkundeten Parzellierungsvertrag. Dieser hatte u.a. zum Gegenstand, bis zum 31. Dezember 1938 die Flächen des Gutes - mit Ausnahme des Gutshofs selbst und der Villen "So." und "M." - aufzuteilen und die entstandenen Parzellen an Neusiedler zu verkaufen.

3

Der im Auftrag der Erben der Brüder S. im Dezember 1933 erstellte Teilsiedlungsplan für die Flächen des Gutes ...  wurde im Mai 1934 vom Regierungspräsidenten genehmigt. In dem im Anschluss daran mit der Klägerin (Stadt T.) vereinbarten Aufschließungsvertrag vom 16. Mai 1934 verpflichteten sich die Erben der Brüder S. nach dem Wortlaut des Vertragstextes u.a., 25% der Gesamtfläche für öffentliche Zwecke (Straßen, Plätze, Spiel- und Erholungsflächen sowie Grünanlagen) "unentgeltlich, schulden-, lasten- und kostenfrei" an die Stadt T. auf jederzeitiges Verlangen aufzulassen. In der Folgezeit wurden diejenigen Flurstücke, die nach dem Aufschließungsvertrag "unentgeltlich" an die Stadt T. übertragen werden sollten, nach erfolgter Auflassung im Grundbuch auf ein anderes Liegenschaftsblatt mit der Stadt T. als Eigentümerin umgeschrieben.

4

Mit Bescheid vom 29. März 1996, der alle zu diesem Zeitpunkt noch nicht beschiedenen Flächen des ehemaligen Gutes .   (einschließlich des streitgegenständlichen Grundstücks) betraf, lehnte die damals zuständige Behörde zunächst eine Rückübertragung an die (damaligen) Rechtsnachfolger der Erben der Brüder S. mit der Begründung ab, die an sich für einen verfolgungsbedingten Vermögensverlust streitende gesetzliche Vermutung des § 1 Abs. 6 Satz 2 VermG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 REAO sei nach Art. 3 Abs. 2 und 3 REAO widerlegt.

5

Nachdem das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 26. November 2003 - BVerwG 8 C 10.03 - (Teltow-Seehof III) (BVerwGE 119, 232 = Buchholz 428 § 1 Abs. 6 VermG Nr. 23) in einem Verfahren, das nach dem 15. September 1935 an Neusiedler verkaufte Bauparzellen betraf, einen verfolgungsbedingten Zwangsverkauf angenommen hatte, schlossen die Anmelder von Restitutionsansprüchen mit dem Beklagten (Bundesamt) unter dem 28. Juni 2005 vor dem Verwaltungsgericht Potsdam einen gerichtlichen Vergleich. Darin wurde die mit dem früheren Bescheid vom 29. März 1996 erfolgte Ablehnung der Rückübertragung aufgehoben; zugleich wurden die damit wieder unbeschiedenen Restitutionsansprüche flurstücksbezogen auf Rechtsnachfolger der Erben der Brüder S. aufgeteilt.

6

Mit dem hier streitgegenständlichen Bescheid vom 31. Mai 2006 übertrug sodann das Bundesamt u.a. das streitgegenständliche Grundstück auf die Beigeladenen. Dagegen hat die Klägerin (Stadt T.) am 5. Juli 2006 Klage erhoben.

7

Das Verwaltungsgericht hat mit dem angegriffenen, der Klägerin am 4. Oktober 2013 zugestellten Urteil vom 18. April 2013 - VG 1 K 1400/06 - die Klage abgewiesen. In der Begründung wird ausgeführt, dass die Erben der Brüder S. zu dem Kreis der Verfolgten des Naziregimes gehörten und dass mit der unentgeltlichen Abtretung der streitgegenständlichen Fläche durch die erst nach dem 14. September 1935 vollzogene Abtretung an die Klägerin eine ungerechtfertigte Entziehung im Sinne von § 1 Abs. 6 Satz 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 1 VermG zu sehen sei. Die sich aus § 1 Abs. 6 Satz 2 VermG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 REAO ergebende gesetzliche Vermutung der Verfolgungsbedingtheit der Entziehung sei nicht widerlegt. Diese Schlussfolgerung hat das Verwaltungsgericht auf eine Hauptbegründung sowie daneben selbstständig tragend auf eine Hilfsbegründung gestützt. In der Hauptbegründung ist das Verwaltungsgericht zu dem Ergebnis gelangt, "es sei schon nicht bewiesen, dass die Erben S. einen angemessenen Kaufpreis erhalten haben" (UA S. 10, erster Absatz). Deshalb sei die gesetzliche Vermutung nach § 1 Abs. 6 Satz 2 VermG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 REAO gemäß Art. 3 Abs. 2 REAO nicht widerlegt. Mit seiner subsidiären Hilfsbegründung hat das Verwaltungsgericht anschließend zum Ausdruck gebracht, auch dann, wenn die Erben S. einen angemessenen Kaufpreis für das entzogene Grundstück erhalten hätten ("Selbst wenn dies in einer Gesamtschau dennoch angemessen gewesen wäre .", UA S. 11, ab zweitem Absatz), sei eine Widerlegung der gesetzlichen Vermutung gemäß Art. 3 Abs. 3 REAO dahingehend nicht gelungen, "dass das konkrete, zum Vermögensverlust führende Rechtsgeschäft seinem wesentlichen Inhalt nach auch ohne Herrschaft der Nationalsozialisten geschlossen worden wäre" (UA S. 11, ebd.).

8

Mit ihrer Beschwerde macht die Klägerin - ebenso wie im Beschwerdeverfahren BVerwG 8 B 1.14 (VG 1 K 1396/06) - alle drei Zulassungsgründe nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 VwGO geltend.

9

Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Beschwerde.

10

Die Beigeladenen halten die Beschwerde für unbegründet und beantragen ebenfalls ihre Zurückweisung.

II

11

Die Beschwerde der Klägerin hat keinen Erfolg.

12

Die Revision wäre nur dann zuzulassen, wenn die Klägerin sowohl hinsichtlich der Hauptbegründung als auch hinsichtlich der Hilfsbegründung des angegriffenen Urteils einen Zulassungsgrund dargetan hätte. Das ist jedoch nicht der Fall.

13

1. Die mit der Beschwerde gerügten Verfahrensmängel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) sind nicht ersichtlich.

14

a) Soweit die Klägerin in der Beschwerdebegründung geltend macht, das Verwaltungsgericht habe bei seiner Prüfung der von ihm in der Hauptbegründung als streitentscheidend angesehenen fehlenden Angemessenheit von Leistung und Gegenleistung entscheidungserhebliches Vorbringen entgegen Art. 103 Abs. 1 GG und § 108 Abs. 2 VwGO nicht zur Kenntnis genommen und nicht in Erwägung gezogen sowie unter Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht hinreichend gewürdigt, ist dies nicht nachvollziehbar und trifft nicht zu.

15

Die Klägerin rügt, das Verwaltungsgericht habe "auch bei der besonderen vorliegenden Konstellation der Modifikation des ursprünglichen Aufschließungsvertrages durch einen späteren Flächenaustausch" lediglich isoliert die "Angemessenheit der Leistung der S. Erben (Übertragung der streitgegenständlichen Flächen auf die Stadtgemeinde T.) zur Gegenleistung (Freigabe von Flächen zur Bebauung, die dafür ursprünglich nicht vorgesehen waren)" geprüft und "die Widerlegung der Verfolgungsvermutung daher nach seiner eigenen, hier im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren insoweit zur Bewertung der Verfahrensrüge maßgeblichen Rechtsauffassung von der Frage abhängig gemacht, inwieweit der im Vollzug des Aufschließungsvertrages vorgenommene Flächenaustausch eine Angemessenheit von Leistung und Gegenleistung aufweist" (S. 17 der Beschwerdebegründung). Die Prüfung der Angemessenheit von Leistung und Gegenleistung erschöpfe sich in der Feststellung des Verwaltungsgerichts, es liege auf der Hand, "dass dies allenfalls dann angemessen gewesen wäre, wenn die nunmehr ermöglichte Verwertung neuer Flächen zumindest ebenso werthaltig gewesen ist, wie diejenige bezüglich der aus der Bebaubarkeit ausgeschiedenen Flächen.". Das sei "aber schon deshalb nicht der Fall, weil hier eine nicht zu vernachlässigende Flächendifferenz von ca. 9 000 m2" vorliege; immerhin mache "dies etwa die Hälfte der ursprünglich zur Bebauung vorgesehenen Fläche aus, wenn man die beiden betroffenen Baublöcke zusammenrechnet.". Dies stellt nach Auffassung der Klägerin eine "Verletzung allgemeiner Beweisgrundsätze" (ebd., S. 18) dar.

16

Die Verfahrensrüge der Klägerin beruht auf der unzutreffenden Annahme, auf der Grundlage der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts, die mit den im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. Dezember 1998 - BVerwG 8 C 14.09 - (Teltow-Seehof I) (BVerwGE 108, 157 = Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 167) entwickelten Maßstäben im Ausgangspunkt übereinstimme, ergebe sich, dass hinsichtlich des im Wege eines Flächentausches an die Klägerin seinerzeit abgetretenen streitgegenständlichen Grundstücks die Angemessenheit von Leistung und Gegenleistung gemäß Art. 3 Abs. 2 REAO nur durch eine Gesamtbetrachtung des Aufschließungsvertrages vom 16. Mai 1934 hätte ermittelt werden können, nicht hingegen durch eine isolierte Betrachtung nur des Flächentausches.

17

Damit verkennt die Klägerin, dass das Verwaltungsgericht nach seiner insoweit maßgeblichen Rechtsauffassung eine Gesamtbetrachtung des Aufschließungsvertrages in dessen durch den so genannten Flächentausch geänderten Fassung gerade für nicht entscheidungserheblich gehalten hat. Dementsprechend hat es im angegriffenen Urteil ausgeführt, die "streitgegenständliche Fläche gehörte zwar nicht zu den Flächen, die ursprünglich Gegenstand des Aufschließungsvertrages war. Sie wurden aber tatsächlich genauso behandelt, so dass in der Sache kein Unterschied besteht. Der Austausch der Flächen bezüglich Bebaubarkeit sowie die anschließende Übereignung an die Stadtgemeinde T. stellt sich damit ebenso als Veräußerungsgeschäft dar, das sich nach Art. 3 Abs. 1 REAO bemisst." (UA S. 9, vorletzter Absatz). Damit hat das Verwaltungsgericht zum Ausdruck gebracht, dass es den Flächenaustausch als solchen als das maßgebliche Veräußerungsgeschäft angesehen hat. Es kam für das Tatsachengericht nicht darauf an, ob nach diesem Flächentausch das Gesamtgefüge des Aufschließungsvertrages noch einen angemessenen Kaufpreis im Sinne des Art. 3 Abs. 2 REAO vorsah, sondern ob für den Flächentausch selbst ein angemessener Kaufpreis oder eine angemessene Gegenleistung erbracht wurde. Schon deshalb geht der von der Klägerin in der Beschwerdebegründung erhobene Vorwurf der verfahrensfehlerhaften Nichtberücksichtigung des auf die Prüfung der Angemessenheit von Leistung und Gegenleistung im Rahmen des Gesamtgefüges des Aufschließungsvertrages bezogenen Vorbringens ins Leere. Einer weiteren Sachverhaltsaufklärung dazu, ob das Gesamtverhältnis des Aufschließungsvertrages in der geänderten Form noch angemessen im Sinne des Art. 3 Abs. 2 REAO gewesen wäre, bedurfte es nach der insoweit maßgeblichen Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts nicht.

18

Soweit die Klägerin rügt, auch zu dem für das Verwaltungsgericht im angegriffenen Urteil im Rahmen der Angemessenheitsprüfung maßgeblichen Aspekt der Werthaltigkeit der ursprünglichen Flächen im Verhältnis zu den Austauschflächen sei schriftsätzliches Vorbringen, das entscheidungserheblich gewesen sei, "in keiner Form gewürdigt worden", ergibt sich daraus ebenfalls kein Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör oder auf Beachtung des Überzeugungsgrundsatzes. Entscheidend war nach der insoweit maßgeblichen Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts allein, ob die zum Kreis der Verfolgten des Naziregimes gehörenden Erben der Brüder S. für das im Rahmen des Flächentausches entzogene Grundstück eine im Sinne des Art. 3 Abs. 2 REAO angemessene Gegenleistung erhalten haben oder nicht. Die Klägerin kann dabei nicht beanspruchen, dass das Verwaltungsgericht auf alle Einzelheiten ihres Vortrags eingegangen ist. Insbesondere ist das Gericht nach seiner insoweit allein maßgeblichen Rechtsauffassung nicht gehalten gewesen, zu prüfen, aus welchen Gründen der Flächentausch erfolgte.

19

Soweit das Verwaltungsgericht im angegriffenen Urteil auf für die Beurteilung der Werthaltigkeit der bei dem Flächentausch in Rede stehenden Grundstücke relevantes Vorbringen der Klägerin nicht im gebotenen Maße eingegangen ist, ergibt sich daraus jedenfalls kein entscheidungserheblicher Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör und Beachtung des Überzeugungsgrundsatzes. Denn das Verwaltungsgericht hat hilfsweise unterstellt, dass die Erben seinerzeit für die entzogene Fläche - wie von der Klägerin behauptet - einen angemessenen Kaufpreis bzw. eine angemessene Gegenleistung erhalten haben. Für diesen Fall ist es dann in seiner Hilfsbegründung jedoch zum Ergebnis gelangt, dass die gesetzliche Vermutung (Art. 3 Abs. 1 REAO) gemäß Art. 3 Abs. 3 REAO, die für nach dem 14. September 1935 wirksam gewordenen Veräußerungen maßgeblich sei, nicht widerlegt worden sei (vgl. dazu nachfolgend Unterabschnitt b).

20

b) In seiner Hilfsbegründung ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass die den Rechtsvorgängern der Beigeladenen im Rahmen des Flächentausches entzogene streitgegenständliche Fläche nicht zu den Flächen gehörte, die ursprünglich Gegenstand des Aufschließungsvertrages vom 16. Mai 1934 waren, dass es sich jedoch "um eine Weiterung aus dem Aufschließungsvorgang handelt(e)" (UA S. 11, vorletzter Absatz). Das wird mit der Beschwerde nicht in Zweifel gezogen. Eine notarielle Beurkundung über den Flächentausch hat das Verwaltungsgericht nicht festgestellt. Es hat jedoch angenommen, dass das zum Vermögensverlust führende Rechtsgeschäft über den Flächentausch nach dem 14. September 1935 wirksam geworden ist, so dass "nichts anderes gelten" könne, "als wenn die Flächen zu diesem Zeitpunkt verkauft worden wären." (UA S. 11, unten). Für diese Auffassung spricht immerhin, dass ein nicht beurkundetes und damit gemäß § 125 BGB formnichtiges Verpflichtungsgeschäft über ein Grundstück gemäß § 313 Satz 2 BGB in der damals geltenden Fassung durch Auflassung und Eintragung des Eigentumsübergangs wirksam wurde. Ausgehend von dieser für die Hilfsbegründung des angefochtenen Urteils maßgeblichen Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts kam es nicht darauf an, ob die S. Erben bereits im Juli 1935 - also vor dem Stichtag 15. September 1935 - dem Flächentausch zugestimmt hatten, wie die Beschwerde geltend macht. Das Verwaltungsgericht hat somit kein entscheidungserhebliches Vorbringen der Klägerin übergangen. Weshalb die Annahme, der Aufschließungsvertrag stelle nicht das maßgebliche Kausalgeschäft für den Flächentausch bzw. die Auflassung dar, gegen Denkgesetze verstoßen soll, legt die Beschwerde nicht nachvollziehbar dar. Somit war eine Widerlegung der gesetzlichen Vermutung des Art. 3 Abs. 1 REAO anhand der - für in der Zeit vom 15. September 1935 bis zum 8. Mai 1945 erfolgte Veräußerungen maßgeblichen - Regelung des Art. 3 Abs. 3 a) REAO zu prüfen. Es war zu untersuchen, ob das Rechtsgeschäft seinem wesentlichen Inhalt nach auch ohne die Herrschaft des Nationalsozialismus abgeschlossen worden wäre. Gegen die im angegriffenen Urteil insoweit erfolgte Verneinung dieser Voraussetzung des Art. 3 Abs. 3 a) REAO durch das Verwaltungsgericht sind wirksame Verfahrensrügen mit der Beschwerde nicht vorgebracht worden.

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2. Die von der Klägerin erhobenen Divergenzrügen (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) greifen ebenfalls nicht durch.

22

Die Zulassung der Revision kommt in Betracht, wenn das Urteil des Verwaltungsgerichts von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Die Divergenzrüge setzt die Darlegung voraus, dass dem angefochtenen Urteil ein entscheidungstragender Rechtssatz zugrunde liegt, der von einem ebensolchen entscheidungstragenden Rechtssatz der in der Beschwerde angegebenen höchstrichterlichen Entscheidung abweicht (stRspr, vgl. u.a. Beschluss vom 1. September 1997 - BVerwG 8 B 144.97 - Buchholz 406.11 § 128 BauGB Nr. 50). Keine Divergenz in dem Sinne liegt dagegen vor, wenn das Verwaltungsgericht einen Rechtssatz aus der angeführten höchstrichterlichen Rechtsprechung vermeintlich unzutreffend angewendet hat.

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Vorliegend zeigt die Beschwerde keinen Rechtssatzwiderspruch in dem beschriebenen Sinne auf, sondern bemängelt letztlich lediglich eine vermeintlich falsche Rechtsanwendung durch das Verwaltungsgericht.

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a) Soweit die Klägerin hinsichtlich des angegriffenen Urteils des Verwaltungsgerichts eine Abweichung von dem vom Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 16. Dezember 1998 - BVerwG 8 C 14.98 - (Teltow-Seehof I) (a.a.O.) zu § 1 Abs. 6 VermG i.V.m. Art. 3 Abs. 3 REAO sinngemäß aufgestellten Rechtssatz rügt

"Liegt der Zwangsverkauf i.S.d. § 1 Abs. 6 VermG in einem Aufschließungsvertrag, der der zuständigen Kommune eine Abtretung von 25% der Grundstücksfläche für Gemeinbedarfszwecke gewährt und dem parzellierungswilligen jüdischen Eigentümer sowohl die Parzellierungsgenehmigung als auch die Aufhebung und Befreiung vom Bauverbot und eine damit einhergehende Vermarktbarkeit seiner Fläche für Bauzwecke verschafft, so ist im Wege einer Gesamtbetrachtung des erzielten wirtschaftlichen Ergebnisses zu prüfen, ob die Abtretung der Grundstücksfläche an die Kommune für Gemeinbedarfszwecke einerseits und die durch die Befreiung von Bauverbot und Erteilung der Parzellierungsgenehmigung dem jüdischen Eigentümer vermittelte Werterhöhung andererseits in einem angemessenen Verhältnis zueinanderstehen. Die Verfolgungsvermutung lässt sich dadurch widerlegen, dass die Angemessenheit dieses Verhältnisses bewiesen wird." (S. 40 der Beschwerdebegründung),

liegt keine Divergenz im dargelegten Sinne vor.

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Zwar hat das Verwaltungsgericht seinem angegriffenen Urteil den von der Klägerin sinngemäß formulierten tragenden Rechtssatz zu § 1 Abs. 6 VermG i.V.m. Art. 3 Abs. 2 REAO zugrunde gelegt,

"Gibt es Modifikationen eines ursprünglich abgeschlossenen Aufschließungsvertrages durch entsprechenden Flächenaustausch, so ist nur noch darauf abzustellen, ob dieser Flächenaustausch zulasten des jüdischen Eigentümers diesem eine geringerwertige bebaubare Fläche zuspricht, als das nach dem ursprünglichen Aufschließungsvertrag der Fall war. Es ist jedoch keine Gesamtbetrachtung der Angemessenheit des Aufschließungsvertrages unter Berücksichtigung der Austauschmodifikationen anzustellen." (S. 41 der Beschwerdebegründung).

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Diese Rechtssätze widersprechen jedoch einander nicht. Das Bundesverwaltungsgericht hat sich in seinem Urteil vom 16. Dezember 1998 angesichts des damals zugrunde liegenden Sachverhalts nur mit dem Abschluss eines Aufschließungsvertrages und einer darauf beruhenden Veräußerung eines Grundstücks befasst. Dagegen enthält das Urteil keine Ausführungen dazu, welches das maßgebliche Rechtsgeschäft bei der anschließend erfolgten Änderung eines solchen Aufschließungsvertrages ist und ob bei der Prüfung der Angemessenheit von Leistung und Gegenleistung auch dann noch auf den Aufschließungsvertrag in seiner Gesamtheit oder isoliert auf das Rechtsgeschäft abzustellen ist, mit dem dieser geändert wird und neue Verpflichtungen begründet werden. Im Übrigen ist der von der Beschwerde genannte Rechtssatz des Verwaltungsgerichts mit Blick auf die Hilfsbegründung des angegriffenen Urteils nicht entscheidungstragend.

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b) Auch die weitere hinsichtlich der Bestimmung des maßgeblichen Rechtsgeschäfts von der Klägerin geltend gemachte Divergenz zwischen dem vom Bundesverwaltungsgericht zu § 1 Abs. 6 VermG u.a. im Urteil vom 16. Dezember 1998 - (Teltow-Seehof I) (a.a.O.) - (unter Rückgriff auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 13. Juli 1960 - IV ZR 25/60 - MDR 1960, 1002) sinngemäß aufgestellten Rechtssatz

"Ein Vermögensverlust i.S.d. § 1 Abs. 6 VermG bzw. eine Veräußerung i.S.d. Art. 3 REAO, auf den § 1 Abs. 6 VermG letztlich Bezug nimmt, liegt nicht erst bei der dinglichen Eigentumsübertragung, sondern bereits beim Abschluss des Kausalgeschäfts vor, mit dem sich der Veräußerer in bindender Weise wirtschaftlich des Vermögensgegenstandes entäußert hatte und das den Erwerbern letztlich den durchsetzbaren Anspruch auf Übereignung des Vermögenswertes verschafft." (S. 51 der Beschwerdebegründung)

und einem vom Verwaltungsgericht im angegriffenen Urteil aufgestellten abstrakten Rechtssatz zu derselben Vorschrift ist nicht ersichtlich. Das Verwaltungsgericht hat nicht den ihm in der Beschwerde (S. 53 der Beschwerdebegründung) unterstellten Rechtssatz

"Selbst wenn die verbindliche Abänderung eines Kausalgeschäfts, das der späteren Verfügung über Vermögen des jüdischen Eigentümers zugrunde lag, noch vor dem Stichtag am 14./15.09.1935 lag, ist für die Frage, zu welchem Zeitpunkt der Vermögensverlust i.S.d. § 1 Abs. 6 VermG und des Rückerstattungsrechts gefolgte (offenbar gemeint: erfolgte), nicht auf den Zeitpunkt der endgültigen Verbindlichkeit des modifizierten Kausalgeschäfts, sondern auf dessen dinglichen Vollzug, konkret die Auflassung abzustellen."

aufgestellt.

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In der Beschwerdebegründung wird auch keine genaue Fundstelle eines solchen vom Verwaltungsgericht im angegriffenen Urteil vermeintlich formulierten Satzes angegeben. Das Verwaltungsgericht hat vielmehr auf Seite 9 seines Urteils im dritten Absatz den auch von der Klägerin in der Beschwerdebegründung in Bezug genommenen Rechtssatz aus dem Teltow-Seehof I-Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. Dezember 1998 herangezogen, wonach das sowohl für die gesetzliche Vermutung (Art. 3 Abs. 1 REAO) als auch für ihre Widerlegung nach Art. 3 Abs. 2 und 3 REAO maßgebliche Rechtsgeschäft nicht das Verfügungsgeschäft, sondern das zugrunde liegende Verpflichtungsgeschäft ist. In der Hauptbegründung des angegriffenen Urteils wird dementsprechend dann ausgeführt, dass die streitgegenständliche Fläche zwar nicht zu den Flächen gehörte, die ursprünglich Gegenstand des Aufschließungsvertrages waren; sie sei "aber tatsächlich genauso behandelt (worden), so dass in der Sache kein Unterschied besteht." Der "Austausch der Flächen bezüglich der Bebaubarkeit sowie die anschließende Übereignung an die Stadtgemeinde T." stelle "sich damit ebenso als Veräußerungsgeschäft dar, das sich nach Art. 3 Abs. 1 REAO bemisst." Grund dafür war offenkundig, dass das Verwaltungsgericht kein wirksames oder auch nur förmliches Rechtsgeschäft festzustellen vermochte, mit dem der Flächentausch förmlich vereinbart worden wäre. Es hat deshalb den faktisch durchgeführten Flächentausch im Rahmen des Art. 3 REAO so behandelt, als wäre er rechtsgeschäftlich zustande gekommen. Da das Verwaltungsgericht hinsichtlich des Zeitpunktes dieses Rechtsgeschäfts keine tatrichterliche Feststellungen treffen konnte und dieser Zeitpunkt nach den hier maßgeblichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts letztlich unaufgeklärt geblieben ist, hat es den Zeitpunkt der am 13. Juli 1939 erfolgten Auflassung des Grundstücks an die Klägerin als Wirksamkeitszeitpunkt des Verpflichtungsgeschäfts angesehen. Die damit erfolgte zeitliche Gleichsetzung von Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft bedeutet jedoch nicht, dass das Verwaltungsgericht Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft als solche miteinander gleichgesetzt hätte. Das Verwaltungsgericht hat lediglich, mangels anderer Anhaltspunkte, für den Zeitpunkt des maßgeblichen Verpflichtungsgeschäfts den Zeitpunkt des Verfügungsgeschäfts herangezogen und ist damit nicht von dem von der Klägerin bezeichneten Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts abgewichen. Ob es sich dabei um eine fehlerhafte Anwendung dieses Rechtssatzes handelt, kann hier offenbleiben, da eine solche keine Divergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO begründen könnte.

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3. Die Rechtssache hat auch nicht die grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), die ihr die Beschwerde beimisst.

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Die Grundsatzrüge setzt die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts voraus, der eine allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (stRspr, vgl. u.a. Beschluss vom 19. August 1997- BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 26). Der Beschwerdeführer muss darlegen (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), dass gerade eine Regelung des revisiblen Rechts in dem angestrebten Revisionsverfahren eine entscheidungserhebliche klärungsbedürftige rechtsgrundsätzliche Frage aufwirft (Beschlüsse vom 9. März 1984 - BVerwG 7 B 238.81 - Buchholz 401.84, Benutzungsgebühren Nr. 49 und vom 15. Juni 2009 - BVerwG 6 B 12.09 -). Das leistet die Beschwerdebegründung nicht.

31

a) Bei den ersten drei in der Beschwerde (S. 46 f. der Beschwerdebegründung) aufgeworfenen Rechtsfragen

"Nach welchen Kriterien ist die Frage der Angemessenheit der Gegenleistung bei einem 'Zwangsverkauf' im Sinne des § 1 Abs. 6 VermG oder einem, einem solchen 'Zwangsverkauf' gleichstehenden Rechtsgeschäft zu bewerten, wenn nach Abschluss des Kausalgeschäfts Abänderungen im Bereich der Leistungen und/oder Gegenleistungen dieses Kausalgeschäfts vorgenommen werden?

Ist danach im Rahmen einer Gesamtschau zu prüfen, ob der modifizierte Vertrag noch eine Angemessenheit von Leistung und Gegenleistung im Ergebnis erkennen lässt oder ist isoliert nur die Frage zu untersuchen, ob die abgeänderten Konditionen im Vergleich zu den ursprünglichen Konditionen des Kausalgeschäfts eine Schlechterstellung des jüdischen Veräußerers erkennen lässt (offenbar gemeint: lassen)?

Falls Letzteres zugrunde zu legen ist, gilt dies nicht nur in dem Fall, in dem im ursprünglichen Kausalgeschäft bereits ein einklagbarer Rechtsanspruch des jüdischen Veräußerers auf eine bestimmte Gegenleistung festgelegt wurde und dieser später zu seinem Nachteil reduziert wird oder gilt das auch in solchen Fällen, in denen sich aus dem Kausalgeschäft deswegen noch kein endgültig einklagbarer Rechtsanspruch ergibt, weil dieses unter dem Vorbehalt der Beibringung bestimmter weiterer Leistungen des jüdischen Veräußerers z.B. von Zustimmungserklärung und/oder dem Vorbehalt weiterer Genehmigungen, die zum Vollzug des Kausalgeschäfts erforderlich sind, steht und so gesehen sich mit der Modifikation der Gegenleistung, bedingt durch die Nichterfüllung bestimmter zusätzlicher Leistungen des jüdischen Erben bzw. die Nichterteilung von Genehmigungen nur ein wirtschaftliches Risiko des Ausgangsvertrages realisiert?"

ist ein grundsätzlicher Klärungsbedarf in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht ersichtlich.

32

In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist bereits geklärt, dass bei der Prüfung, ob für einen Vermögensverlust ein angemessener Kaufpreis im Sinne des Art. 3 Abs. 2 REAO geleistet wurde, das konkrete zum Vermögensverlust führende Rechtsgeschäft maßgeblich ist; an ihm sind die Widerlegungstatbestände des Art. 3 Abs. 2 und 3 REAO zu messen (stRspr, vgl. u.a. Urteile vom 16. Dezember 1998 , a.a.O., S. 157 und vom 24. Februar 1999 - BVerwG 8 C 15.98 - BVerwGE 108, 303 <304> = Buchholz 428 § 1 Abs. 6 VermG Nr. 1).

33

Ob bei einer Änderung eines Aufschließungsvertrages, die ihrerseits ein schädigendes Ereignis im Sinne des § 1 Abs. 6 VermG darstellt, die Frage des angemessenen Kaufpreises im Sinne des Art. 3 Abs. 2 REAO isoliert nur anhand der Änderung oder stattdessen im Rahmen einer Gesamtbetrachtung des geänderten Vertrages zu bewerten ist, hängt davon ab, ob die Änderung selbst einen diskriminierenden Zwangsverkauf im Sinne des § 1 Abs. 6 VermG bewirkt hat, so dass eine isolierte Betrachtung geboten ist, oder ob die Änderung aus sich heraus wertneutral ist.

34

Bei der rechtsgeschäftlichen Änderung eines Vertrages, durch die ein Verfolgter im Sinne des Art. 3 Abs. 1 REAO verpflichtet wird, einen konkreten Vermögensgegenstand aufzugeben, zu dessen Aufgabe er durch den vorher unveränderten Vertrag noch nicht verpflichtet war, liegt deshalb auf der Hand und bedarf keiner weiteren Klärung in einem Revisionsverfahren, dass nicht der ursprüngliche Vertrag, sondern die Änderung desselben zum Vermögensverlust führt und demzufolge das maßgebliche Rechtsgeschäft ist.

35

Werden nach Abschluss des (ersten) ursprünglichen Kausalgeschäfts, das im Sinne von Art. 3 Abs. 2 REAO ein angemessenes Verhältnis von Leistung und Gegenleistung der Vertragsparteien vorsah, rechtsgeschäftliche Abänderungen im Bereich der Leistungen und/oder Gegenleistungen dieses Kausalgeschäfts vorgenommen, so ist die Angemessenheit (Art. 3 Abs. 2 REAO) im Hinblick auf das dafür maßgebliche Rechtsgeschäft zu prüfen; dies ist das Kausalgeschäft in der durch die rechtsgeschäftlichen Änderungen bewirkten Fassung. Ein weitergehender entscheidungserheblicher Klärungsbedarf wird mit der Beschwerde im Hinblick auf das angestrebte Revisionsverfahren nicht dargetan. Im Übrigen sind die aufgeworfenen Fragen mit Blick auf die Nebenbegründung des angegriffenen Urteils auch nicht entscheidungserheblich.

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b) Auch hinsichtlich der weiteren mit der Beschwerde (S. 58 der Beschwerdebegründung) aufgeworfenen Rechtsfrage

"Kommt es zu einer nachträglichen Abänderung des Vertragsgegenstandes eines Verpflichtungsgeschäfts, das einen Schädigungstatbestand i.S.d. § 1 Abs. 6 VermG darstellen kann und wird diese Abänderung der Konditionen des Verpflichtungsgeschäfts von allen an diesem Geschäft Beteiligten noch vor dem Stichtag am 14./15.09.1935 als verbindlich akzeptiert, kommt es aber erst nach diesem Datum zum dinglichen Vollzug dieses so modifizierten Verpflichtungsgeschäfts, ist dann für die Frage, in welchem Umfang i.S.d. Art. 3 REAO die Verfolgungsvermutung zu widerlegen ist, insbesondere für die Anwendung des Art. 3 Abs. 3 a) REAO auf den Zeitpunkt des dinglichen Vollzugs oder den Zeitpunkt der endgültigen und verbindlichen Einigung über die Modifikationen der Vertragskonditionen abzustellen?"

sind die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht erfüllt. Wie bereits oben dargelegt, geht diese Frage von Voraussetzungen aus, die im Widerspruch zu den Feststellungen des Verwaltungsgerichts im angefochtenen Urteil stehen. Das Verwaltungsgericht ist in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts davon ausgegangen, dass für die Prüfung der Angemessenheit eines Kaufpreises im Sinne des Art. 3 Abs. 2 REAO nicht auf das den Vermögensverlust konkret herbeiführende Verfügungsgeschäft, sondern auf das der Verfügung zugrunde liegende schuldrechtliche Kausalgeschäft abzustellen ist (UA S. 9). Es hat insoweit festgestellt, dass die streitgegenständliche Fläche zwar nicht zu den Flächen gehörte, die ursprünglich Gegenstand des Aufschließungsvertrages waren. Sie sei aber "tatsächlich so behandelt" worden, "so dass in der Sache kein Unterschied" bestehe und demzufolge "der Austausch der Flächen bezüglich der Bebaubarkeit sowie die anschließende Übereignung an die Stadtgemeinde T." sich "ebenso als Veräußerungsgeschäft" darstelle, "das sich nach Art. 3 Abs. 1 REAO bemisst." Da es eine notarielle Beurkundung über den Flächentausch nicht feststellen konnte und da gemäß § 125 BGB ein formnichtiges Verpflichtungsgeschäft über ein Grundstück gemäß § 313 Satz 2 BGB in der damals geltenden Fassung durch Auflassung und Eintragung des Eigentumsübergangs wirksam wurde, hat das Verwaltungsgericht angenommen, dass das zum Vermögensverlust führende Rechtsgeschäft über den Flächentausch jedenfalls nach dem 14. September 1935 wirksam geworden ist, so dass "nichts anderes gelten" könne, "als wenn die Flächen zu diesem Zeitpunkt verkauft worden wären." (UA S. 11, unten). Das Verwaltungsgericht hat entgegen der von der Klägerin in der aufgeworfenen Rechtsfrage enthaltenen Behauptung keineswegs eine dahingehende Feststellung getroffen, dass eine "Abänderung der Konditionen des Verpflichtungsgeschäfts von allen an diesem Geschäft Beteiligten noch vor dem Stichtag am 14./15.09.1935 als verbindlich akzeptiert" worden sei.

37

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 47 Abs. 1 und 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG. Bei Zugrundelegung eines Grundstückswertes von 50 €/qm ergibt sich daraus für die Fläche von 9 008 qm der festgesetzte Streitwertbetrag von 450 400 €.