Verwaltungsgericht Magdeburg Beschluss, 25. Apr. 2017 - 15 B 3/17

ECLI:ECLI:DE:VGMAGDE:2017:0425.15B3.17.0A
bei uns veröffentlicht am25.04.2017

Gründe

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Die Antragstellerin ist Bürgermeisterin und Hauptverwaltungsbeamtin der Stadt A-Stadt und wendet sich gegen ihre vorläufige Dienstenthebung nach § 38 Abs. 1 Satz 1 und 2 Disziplinargesetz Sachsen-Anhalt (DG LSA) vom 03.02.2017 durch den Antragsgegner als Stadtrat der Stadt A-Stadt.

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Der Stadtrat beschloss am 10.03.2016 die Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen die Antragstellerin, welches unter dem 23.06.2016, 10.11.2016 und 02.02.2017 ausgedehnt wurde. Die noch nicht abgeschlossenen behördlichen disziplinarrechtlichen Ermittlungen beinhalten eine Vielzahl möglicher beamtenrechtlicher Pflichtverletzungen hinsichtlich des statusrechtlichen Verhältnisses zwischen der Antragstellerin als Bürgermeisterin und dem Antragsgegner als Dienstvorgesetzten und der diesbezüglichen kommunalverfassungsrechtlichen Ausgestaltung nach dem Kommunalverfassungsgesetz Sachsen-Anhalt (KVG LSA), wie Weisungsverstöße, Verstoß gegen Unterrichtungs- und Beteiligungspflichten, Nichtumsetzung von Stadtratsbeschlüssen, umstrittene Personalentscheidungen und Nebentätigkeit durch die Antragstellerin.

3

Die Suspendierungsverfügung wird darauf gestützt, dass die Vielzahl der vorgehaltenen disziplinarrechtlich relevanten Pflichtverletzungen die Prognose nach § 38 Abs. 1 Satz 1 DG LSA begründeten, dass im späteren (gerichtlichen) Disziplinarverfahren voraussichtlich auf die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt werden wird. Unabhängig von dem späteren Ausspruch der disziplinarrechtlichen Höchstmaßnahme sei die Suspendierung nach § 38 Abs. 1 Satz 2 DG LSA auszusprechen. Denn durch das Verbleiben der Antragstellerin im Dienst würden der Dienstbetrieb und die Ermittlungen wesentlich beeinträchtigt werden und die vorläufige Dienstenthebung stehe zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Disziplinarmaßnahme nicht außer Verhältnis. Bereits aus den disziplinarrelevanten Vorwürfen ergebe sich, dass von einer wesentlichen Beeinträchtigung des Dienstbetriebes auszugehen sei. Denn im Verhältnis zum Stadtrat bzw. jedenfalls zu einer Mehrheit der Mitglieder des Stadtrates sei eine gedeihliche Zusammenarbeit zum Wohle der Kommune nicht mehr gegeben. Dies zeige sich auch in den umstrittenen Personalmaßnahmen der Antragstellerin. Weiter sei davon auszugehen, dass die andauernden disziplinarrechtlichen Ermittlungen bei einem Verbleib der Antragstellerin im Dienst nicht erfolgreich durchgeführt werden könnten. So sei es bereits zu Behinderungen der Ermittlungsführerin durch nicht herausgegebene Akten seitens der Antragstellerin gekommen. Auch dem Stadtrat seien Unterlagen nicht herausgegeben worden. Weiter sei davon auszugehen, dass eine Vielzahl von Stadtbediensteten bei einem augenblicklichen Verbleiben der Antragstellerin im Dienst sich scheuten, die Antragstellerin im Disziplinarverfahren zu belasten bzw. bei der Aufklärung des Sachverhaltes konstruktiv mitzuwirken. Schließlich stehe die Suspendierung zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Disziplinarmaßnahme nicht außer Verhältnis. Denn jedenfalls sei mit einer gehörigen Disziplinarmaßnahme zu rechnen.

II.

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Der zulässige Antrag nach § 61 Abs. 2 DG LSA ist unbegründet. Die vom Disziplinargericht vorzunehmende Prüfung ergibt, dass die vorläufige disziplinarrechtliche Dienstenthebung nicht aufzuheben ist. Denn zur Überzeugung des Disziplinargerichts bestehen keine ernstlichen Zweifel an ihrer Rechtmäßigkeit.

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1.) Nach § 38 Abs. 1Satz 1 DG LSA kann die für die Erhebung der Disziplinarklage zuständige Behörde einem Beamten gleichzeitig mit oder nach der Einleitung des Disziplinarverfahrens vorläufig des Dienstes entheben, wenn im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt wird. Ferner kann die vorläufige Dienstenthebung ausgesprochen werden, wenn durch ein Verbleiben des Beamten im Dienst der Dienstbetrieb oder die Ermittlungen wesentlich beeinträchtigt würden und die vorläufige Dienstenthebung zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Disziplinarmaßnahme nicht unverhältnismäßig ist (§ 38 Abs. 1Satz 2 DG LSA). Vorliegend stützt der Antragsgegner als zuständiger Dienstvorgesetzter die vorläufige Dienstenthebung auf beide Tatbestände.

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Bei der Anordnung der Suspendierung handelt es sich nicht um eine Disziplinarmaßnahme im Sinne des Maßnahmenkataloges, sondern um eine beamtenrechtliche Maßnahme des Disziplinarrechts (Hummel/Köhler/Mayer, BDG, 5. Auflage 2012, § 38 Rz. 1). Ihre Berechtigung ergibt sich aus dem funktionalen Bedürfnis, noch vor der endgültigen Klärung des Vorliegens eines Dienstvergehens und der abschließenden Entscheidung über die angemessene Maßregelung des Beamten eine den Verwaltungsaufgaben und den Dienstbetrieb dienende vorübergehende Sicherungsregelung zu treffen.

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2.) Das Disziplinargericht legt seiner Entscheidung allein die tragende Begründung zur vorläufigen Dienstenthebung nach § 38 Abs. 1Satz 2 DG LSA zugrunde. Die Suspendierungstatbestände nach § 38 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 DG LSA stehen selbständig nebeneinander; liegt einer dieser Tatbestände vor, genügt dies zum Ausspruch der vorläufigen Dienstenthebung, ohne dass es auf die Rechtmäßigkeit des anderen Tatbestandes ankommt.

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Ob die der Antragstellerin vorgehaltenen zahlreichen beamtenrechtlichen und kommunalverfassungsrechtlichen sowie statusrechtlichen Pflichtverletzungen tatsächlich vorliegen und bereits zum gegenwärtigen entscheidungserheblichen Zeitpunkt die Prognose rechtfertigen, dass bei Fortgang der Ermittlungen und Erhebung der Disziplinarklage tatsächlich zu einer Entfernung aus dem Beamtenverhältnis führen, muss vorliegend nicht geprüft werden und darf der sorgfältigen und umfassenden Prüfung im weiteren anhängigen behördlichen Disziplinarverfahren vorbehalten bleiben.

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a.) Die Beurteilung im Verfahren nach § 61 DG LSA erfordert keine gesonderten Beweiserhebungen, sondern ist in der Lage, in der sich das Disziplinarverfahren jeweils befindet, anhand der bis dahin zu Tage getretenen Tatsachen zu treffen. Für eine vorläufige Dienstenthebung können u. U. selbst durch Aktenvermerke untermauerte Erkenntnisse ausreichen (vgl. Müller, Grundzüge des Beamtendisziplinarrechts, § 38 Abs. 1 BDG, 2010, Rz. 370 m. w. N.; GKÖD, Disziplinarrecht des Bundes und der Länder, § 38 BDG, Rz. 51). Dabei ist auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abzustellen (BVerwG, Beschl. v. 22.07.2002, 2 WDB 1.02; OVG Berlin-Brandenburg; Beschl. v. 18.08.2005, 80 SN 1.05; Bay VGH, Beschl. v. 11.04.2012, 16b DCV 11.985; alle juris). Jedoch muss für die gerichtliche Überprüfung der vorläufigen Dienstenthebung maßgeblich auf die von dem Dienstherrn in dem Bescheid herangezogenen Gründe der Pflichtenverletzung abgestellt werden. Ähnlich wie bei der Bestimmtheit des Tatvorwurfs als inhaltliche Anforderung an die - spätere – Disziplinarklageschrift müssen die Sachverhalte, aus denen das Dienstvergehen hergeleitet wird, aus sich heraus verständlich und nachvollziehbar geschildert werden. Ort und Zeit der einzelnen Handlungen müssen möglichst genau angegeben, die Geschehensabläufe nachvollziehbar beschrieben werden (vgl. nur: BVerwG, Urteile v. 23.11.2006, 1 D 1.06, v. 25.01.2007, 2 A 3.05; Beschlüsse v. 13.03.2006, 1 D 3.06, v. 18.11.2008, 2 B 63.08 und v. 21.04.2010, 2 B 101.09; alle juris). Nur diese können durch das Disziplinargericht im Rahmen der Würdigung durch Akteninhalte und sonstige - evtl. auch später, im Laufe des Verfahrens nach § 61 DG LSA hinzutretende - Erkenntnisse untermauert werden, um so die Prognoseentscheidung, das heißt die Ausübung des ordnungsgemäßen Ermessens durch den Dienstherrn, zu überprüfen (vgl. nur: VG Magdeburg, Beschl. v. 12.06.2012, 8 B 5/12, juris). Hingegen ist es dem Disziplinargericht verwehrt, anstelle der Disziplinarbehörde eine eigene Ermessenserwägung anzustellen (OVG Saarland, Beschluss v. 18.05.2011, 6 B 211/11; vgl. zusammenfassend zuletzt: VG Magdeburg, Beschluss v. 26.05.2016, 15 B 8/16 MD; alle juris).

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b.) Verfahrensfehler in behördlichen Disziplinarverfahren, welche auch auf die streitbefangene Suspendierungsverfügung durchschlagen würden, sind nicht ersichtlich.

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a. a.) Als Bürgermeisterin ist die Antragstellerin (hauptamtlicher) "Beamter auf Zeit" und unterliegt den beamten- und disziplinarrechtlichen Regelungen (§ 6 BeamtStG; § 7 LBG LSA; § 60 Abs. 1 KVG LSA, 1 Abs. 1 DG LSA; vgl. nur: VG Magdeburg, Urteil vom 06.11.2013, 8 A 9/12 MD und Beschluss v. 26.05.2016, 15 B 8/16 MD mit weiteren Nachweisen auch zu ehrenamtlichen Bürgermeistern; alle juris). Der Antragsgegner ist als Stadtrat der A-Stadt zugleich Dienstvorgesetzter, höherer Dienstvorgesetzter und oberste Dienstbehörde (§ 45 Abs. 5 KVG LSA) gegenüber der Antragstellerin als Bürgermeisterin und zur Einleitung des Disziplinarverfahrens (§ 17 Abs. 1 DG LSA), Erhebung der Disziplinarklage (§ (34 Abs. 2 DG LSA) und damit zur vorläufigen Dienstenthebung (§ 38 Abs. 1 DG LSDA) berufen.

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b. b.) Das Disziplinargericht folgt nicht den Ausführungen der Antragstellerin, wonach bereits keine "zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte" für den Verdacht eines Dienstvergehens vorliegen. Die Einleitung eines Disziplinarverfahrens von Amts wegen setzt am Legalitätsprinzip an (BVerwG, Urteil v. 29.07.2010, 2 A 4.09; juris). Danach muss der Verdacht eines Dienstvergehens hinreichend konkret sein und bloße Vermutungen sind nicht ausreichend. Dadurch soll die Sachaufklärung sichergestellt werden. Ermittlungen nach § 17 DG LSA dürfen nur eingeleitet werden, wenn Tatsachen bekannt werden, die den Verdacht eines Dienstvergehens rechtfertigen. Das schließt Ermittlungen aus, durch die erst festgestellt werden soll, ob solche Tatsachen vorliegen. Es genügen also nicht bloße Vermutungen, Gerüchte oder ähnliches (zweifelhaft: anonyme Anzeige). Hinreichende Tatsachen können sich ergeben aus Hinweisen von Verwaltungsangehörigen, Aktenvorgängen, aber auch aus schriftlichen oder mündlichen Mitteilungen von Verwaltungsfremden. Die dem Dienstvorgesetzten bekannt gewordenen Tatsachen müssen den Verdacht eines Dienstvergehens rechtfertigen, d. h. dass eine schuldhafte Pflichtverletzung vorliegen würde, wenn sich die verdächtigten Tatsachen als wahr erweisen würden. Der Verdacht bezieht sich zunächst also nur auf das Vorliegen einschlägiger Tatsachen. Über die Rechtsfrage, ob die verdächtigte Tat auch den Tatbestand eines Dienstvergehens erfüllt, muss Gewissheit bestehen (vgl. ausführlich: VG Magdeburg, Urteil v. 13.12.2012, 8 A 7/11 MD; Thüringer OVG, Urteil v. 06.11.2008, 8 DO 584/07; juris; zusammenfassend: Hummel/Köhler/Mayer, BDG, 4. Auflage 2009, § 17, Rz. 5).

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Der Einleitungsverfügung lagen zunächst Vorwürfe bezüglich der Nichtunterrichtung des Stadtrates nach § 65 Abs. 2 KVG LSA, der Nichtumsetzung bzw. Vereitelung von Beschlüssen des Hauptausschusses, umstrittener Personalentscheidungen sowie der Nebentätigkeit der Antragstellerin zugrunde. Diese auf Tatsachen gegründeten Vorhalte wurden in den Ausdehnungen um weitere Sachverhalte fortgeführt. Die Vorwürfe sind somit nicht "aus der Luft gegriffen" oder "als pflichtwidrig erfunden" anzusehen, wie die Antragstellerin meint, sondern gründen auf konkrete und benannte Sachverhalte. Einem Disziplinarverfahren dieser Art gegen die Hauptverwaltungsbeamtin ist es zwangsläufig gemein, dass es auf eine Vielzahl konkreter organisatorischer Probleme stößt, zumal wenn es mangels Übernahme durch die Kommunalaufsicht im eigenen Hause geführt werden muss. Von einer rechtlich vorzuwerfenden Wahrnehmung der disziplinarrechtlichen Befugnisse nach dem "Gießkannenprinzip", wie es die Antragstellerin nennt, kann jedenfalls augenblicklich nicht ausgegangen werden. Gleichwohl darf auch das Disziplinargericht darauf hinweisen, dass eine Bündelung der Vielzahl der Vorhalte und deren Verfolgung unter dem Gesichtspunkt der rechtlichen Effektivität und letztendlich des Beschleunigungsgrundsatzes (§ 4 DG LSA) angeraten erscheint. Derartige mögliche (rechtliche) Mängel mögen aber bei tatsächlicher Erhebung der Disziplinarklage relevant sein können.

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c .c.) Eine Anhörung des Beamten vor Erlass der vorläufigen Dienstenthebung ist im Disziplinarrecht selbst nicht geregelt. Eine Unterrichtung, Belehrung und Anhörung und ein Akteneinsichtsrecht des Beamten ergeben sich aus § 20 DG LSA für das – laufende – Disziplinarverfahren. Dies wurde beachtet. Da die Suspendierung – wie ausgeführt – keine Disziplinarmaßnahme ist, ergibt sich ein Anhörungsrecht allenfalls aus den allgemeinen verwaltungsrechtlichen Grundsätzen (§ 3 DG LSA; § 28 VwVfG). Insoweit ist aber auch anerkannt, dass die fehlende Anhörung grundsätzlich nach § 45 VwVfG heilbar ist, so dass dem verfassungsrechtlichen Gebot rechtlichen Gehörs genüge getan ist (vgl. nur: OVG Schleswig-Holstein, Beschluss v. 05.08.2016, 2 MB 23/16; juris).

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d. d.) Das Disziplinargericht hat auch keinen Anlass anzunehmen, dass die Beschlussfassung über die Suspendierung mangels ordnungsgemäßer Einberufung der Stadtratssitzung an einem durchgreifenden rechtlichen Fehler leiden würde. Unbestritten trägt der Antragsgegner vor, dass die Bekanntmachung der Sitzung - wie auf Veranlassung der Antragstellerin seit eineinhalb Jahren üblich - durch Aushänge des Stadtratsbüros am 24.01.2017 für den 02.02.2017 geschah. Soweit Stadtrat R... die Einladung rügte, weil sie auf rechtlich ungeklärter Grundlage erfolgt sei, bezog sich dies auf eine angeblich nicht ordnungsgemäße Bekanntmachung der 1. Änderung zur Hauptsatzung. Nach der eidesstattlichen Versicherung der Frau F… vom 06.02.2017 hat diese die Einladung bei dem Stadtrat N… am 18.01.2017 in den Briefkasten gesteckt. Stadtrat N… hat im Übrigen seine Rüge nicht weiter begründet. Ausweislich des Protokolls stellte der Stadtratsvorsitzende die Ordnungsmäßigkeit der Einladung und die Beschlussfähigkeit fest.

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b.) Zutreffend wurde die Suspendierung auch auf § 38 Abs. 1Satz 2 DG LSA gestützt. Danach kann der Beamte suspendiert werden, "wenn durch sein Verbleiben im Dienst der Dienstbetrieb oder die Ermittlungen wesentlich beeinträchtigt würden und die vorläufige Dienstenthebung zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Disziplinarmaßnahmen nicht außer Verhältnis" steht.

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Die Suspendierung nach § 38 Abs. 1 Satz 2 DG LSA entspricht der früheren Rechtsprechung in den Fällen, in denen eine Dienstentfernung mangels möglicher Höchstmaßnahme erkennbar nicht in Betracht kam. Denn die Disziplinarordnungen der Länder und des Bundes (vgl. nur: § 78 DO LSA; § 91 BDO) kannten nur die vorläufige Dienstenthebung bei Einleitung des sog. "förmlichen Disziplinarverfahrens", welches der Ahndung durch Degradierung und Entfernung vorbehalten war. Somit bedurfte und bedarf es bei einer Suspendierung ohne Prognose der späteren Maßnahmenverhängung des Verhältnismäßigkeitsgebots als Korrelat dafür, dass der Beamte seinen aus dem bestehenden Beamtenverhältnis resultierenden Anspruch auf Ausübung des Amts vorübergehend verliert (BVerwG, Beschluss v. 16.05.1994, 1 DB 7.94; juris). Damit fordert die vorläufige Dienstenthebung im Zusammenhang mit einem anhängigen Disziplinarverfahren als lex specialis gegenüber dem allgemeinen beamtenrechtlichen Verbot der Führung der Dienstgeschäfte nach § 39 Satz 1 BeamtStG nicht nur die objektive Gefährdung des Dienstes, sondern auch ein diesbezügliches vorwerfbares Fehlverhalten des Beamten (vgl. nur: BayVGH, Beschluss v. 20.03.2017, 3 ZB 16.921; juris m. w. Nachw.). Die diesbezüglichen Ermessenserwägungen sind in der Suspendierungsverfügung darzulegen. Die pauschale Berufung auf die Tatbestände genügt gerade nicht (BVerwG, Beschluss v. 04.01.1996, 1 DB 16.95; juris). Damit dient die Suspendierung nach § 38 Abs. 1 Satz 2 DG LSA aber auch insoweit dem dienstlichen Interesse, dass der Beamte aus der "Schusslinie" genommen wird und Ruhe in die Ermittlungen und den Dienstbetrieb gebracht werden. Diese Vorgehensweise erscheint dem Gericht vorliegend zwingend geboten.

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Zur Überzeugung des Disziplinargerichts führt ein Verbleiben der Antragstellerin im Dienst zur wesentlichen Beeinträchtigung des Dienstbetriebes und auch der weiterzuführenden disziplinar- und strafrechtlichen Ermittlungen. Dabei weist das Disziplinargericht darauf hin, dass aufgrund der Alternativbezeichnung "oder" im Tatbestand des § 38 Abs. 1 Satz 2 DSG LSA das Vorliegen eines der beiden Voraussetzungen bereits genügt. Schließlich hat der Antragsgegner dies auch zutreffend begründet.

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a. a) Eine wesentliche Beeinträchtigung des Dienstbetriebs (§ 38 Abs. 1 Satz 2, Alt. 1 DG LSA) ist vor allem dann zu besorgen, wenn auf Grund von Umständen, die mit dem mutmaßlich begangenen Dienstvergehen in Zusammenhang stehen, eine gedeihliche, der Dienstverrichtung dienende Zusammenarbeit mit dem Beamten gefährdet ist und hierunter die Aufgabenerledigung ernsthaft leiden kann (OVG Lüneburg, Beschluss v. 25.03.2013, 19 ZD 4/13; VG Regensburg, Beschluss v. 05.12.2016, RN 10A DS 16.1666; beide juris). Anhaltspunkte hierfür können sich aus den bereits eingetretenen Folgen des mutmaßlichen Dienstvergehens ergeben. Auswirkungen auf den Dienstbetrieb sind weiterhin zu befürchten, wenn aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte mit einer Fortsetzung der Begehung des Dienstvergehens zu rechnen ist (BayVGH, Beschluss vom 11.12. 2013, 16a DS 13.706; Zängl, Bayerisches Disziplinarrecht, Stand November 2012, Art. 39 Rn. 21 BayDG; Gansen, Disziplinarrecht in Bund und Ländern, Stand: Oktober 2012, § 38 Rdnr. 16), oder wenn durch die Anwesenheit des Beamten der Betriebsfrieden so stark gestört wird, dass sich dadurch die Aufgabenerledigung durch andere Bedienstete oder der Dienststelle insgesamt wesentlich erschwert (vgl. BVerwG, Beschl. v. 01.09.2000, 1 DB 16.00;; Beschl. v. 04.01.1996, 1 DB 16.95; Hummel/Köhler/Mayer, BDG, 5. Auflage 2012, § 38 Rz. 4). Denkbar ist auch, dass durch die Anwesenheit des Beamten Druck auf andere Bedienstete ausgeübt wird (Bay.VGH, Beschluss v. 03.11.2010, 16 a DS 10.1010; juris mit Verweis auf Findeisen, BayDG. 3. Aufl., 2006, Anm. 2.1.2. zu Art. 39).

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Die allgemeine Stigmatisierung des öffentlichen Dienstes durch die Begehung einer Straftat im Dienst reicht für die Suspendierung nicht aus. So wäre für ein notwendiges Fernhalten des straffällig gewordenen Beamten vom Dienst von Belang, ob er mit dem dienstlichen Inventar oder aus den dienstlichen Räumen heraus die vorgehaltenen Straftaten begangen hat. Gleiches gilt, wenn zu befürchten ist, dass der Beamte im Dienst aufgrund der ihm dienstlich zur Verfügung stehenden Mittel erneut auffällig wird (VG Magdeburg, Beschluss v. 11.02.2015, 8 B 19/14; juris).

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Zur Überzeugung des Disziplinargerichts sind diese Voraussetzungen zutreffend von dem Antragsgegner gesehen worden. Insbesondere ist zu berücksichtigen, dass es sich bei der Antragstellerin als (gewählter) Bürgermeisterin und Hauptverwaltungsbeamtin der Stadt A-Stadt nicht (nur) um eine innerhalb der Behördenhierarchie eingebundene und weisungsgebundene Beamtin handelt, sondern sie vielmehr die unmittelbare Dienstvorgesetzte aller in der Verwaltung der Stadt A-Stadt beschäftigten Beamten und Angestellten ist. Zur festen Überzeugung der Disziplinarkammer besteht aufgrund dieser Vorgesetzteneigenschaft und der Autorität der Antragstellerin als Bürgermeisterin und Behördenleiterin die Besorgnis, dass der Dienstbetrieb und die Ermittlungsergebnisse wesentlich beeinträchtigt werden können, viel stärker als dies bei einem "normalen" Laufbahnbeamten der Fall wäre. Denn einen solchen Beamten könnte man beamtenrechtlich - vorübergehend - einen anderen Aufgabenbereich zuordnen und insoweit "unter Kontrolle" und aus der "Schusslinie" halten. Solches ist jedoch bei der Antragstellerin aufgrund ihrer hierarchischen Funktion und Stellung im kommunalen Dienstbetrieb als Behördenleiterin nicht möglich (so zum Bürgermeister auch: VG Meiningen, Beschluss vom 07.04.2004, 6 D 60017/03.Me; juris).

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Dies hat der Antragsgegner in seiner Begründung zu § 38 Abs. 1 Satz 2 DG LSA auch zutreffend erkannt und ausgeführt. Das Potential der Dienstbeeinträchtigung ist bei einem Behördenleiter um ein Vielfaches höher als bei einem unterstufigen Beamten. Es ist nachvollziehbar und entspricht der Lebenswirklichkeit, dass sich bei dienstlicher Anwesenheit des Behördenleiters die Ermittlungen ungemein erschweren und Bedienstete nicht unbeschwert aussagen wollen oder können. Dies beeinträchtigt nicht nur die Ermittlungen, sondern stört auch den gedeihlichen Dienstbetrieb. Dabei darf das Disziplinargericht auch darauf hinweisen, dass sich aus den gerichtbekannten Akten und Unterlagen aber auch aus der öffentlichen Berichterstattung durchaus der Eindruck aufdrängt, dass die Antragstellerin ein starke und selbstbewusste Persönlichkeit darstellt, die in der Lage und es auch gewöhnt ist, ihre Belange zu vertreten. Ohne Frage ist aufgrund der leider langjährigen mannigfaltigen Auseinandersetzungen zwischen der Antragstellerin und dem Antragsgegner auch der Betriebsfrieden bzw. der Dienstbetrieb innerhalb der Stadt A-Stadt als Kommunalverwaltung erheblich gestört. Dies zeigt sich auch durch die gerichtsbekannte starke Berichterstattung in der örtlichen Presse.

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Dabei kommt es auch nicht entscheidend darauf an, von welcher Seite diese – auch gerichtlichen - Auseinandersetzungen zu vertreten sind bzw. worin der Auslöser dafür bestand. Entscheidung für die Suspendierung nach § 38 Abs. 1Satz 2 DG LSA muss vielmehr die objektive Sicherstellung des behördlichen Dienstapparates und/oder der weiteren disziplinarrechtlichen Ermittlungen sein. Ist dies bereits bei jedem Beamten innerhalb seiner Einbindung in die hierarchische Beamtenstruktur problematisch, muss dies bei der Antragstellerin als Bürgermeisterin und damit Behördenleiterin erst recht gelten. Dabei ist ebenso wenig entscheidend, dass die Antragstellerin ihr Bürgermeisteramt aufgrund einer demokratisch legitimierten Wahl und damit direkt vom Volke ableitet. Denn - und dies ist unstreitig und bedarf keiner weiteren Ausführungen - die Antragstellerin unterliegt auch als Wahlbeamtin der Disziplinargewalt nach dem Disziplinargesetz, welche vom Antragsgegner als Stadtrat und damit Dienstvorgesetzen ausgeübt wird. Mögen insoweit auch unterschiedliche politische Auffassungen und Interessen zwischen der gewählten Antragstellerin und dem gewählten Antragsgegner zutage treten, ist entscheidend, dass es vorliegend jedenfalls bei der gerichtlichen Entscheidung nach § 61 Abs. 2 DG LSA nicht um diese politische Auseinandersetzung geht, sondern unabhängig davon um die Sicherstellung der kommunalrechtlichen Handlungsfähigkeit der Stadt A-Stadt als Kommune und der ordnungsgemäßen Durchführung der weiteren disziplinarrechtlichen Ermittlungen. Gerade wegen der bereits lang andauernden behördlichen disziplinarrechtlichen und jetzt auch strafrechtlichen Ermittlungen und des stetig weiter eskalierenden Streites zwischen den Beteiligten ist die Gefahr der schädlichen Auswirkungen auf den kommunalen Dienstbetrieb auch aufgrund von "Lagerbildung" nicht von der Hand zu weisen. Insoweit darf auch die nachweislich stark gestörte Zusammenarbeit mit dem Stadtrat als Kriterium herangezogen werden (vgl. VG Regensburg, Beschluss v. 05.12.2016, RN 10A DS 16.1666; juris). Aufgrund dieses hohen Gutes der dienstlichen und damit auch öffentlichen Interessen der Kommunalverwaltung erscheinen auch dem Disziplinargericht die Voraussetzungen nach § 38 Abs. 1 Satz 2 DG LSA als gegeben.

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b. b. ) Schließlich sieht das Disziplinargericht auch die Voraussetzungen dafür als erfüllt an, dass bei einem Verbleiben der Antragstellerin im Dienst die weiteren (disziplinarrechtlichen) Ermittlungen wesentlich erschwert (§ 38 Abs. 1 Satz 2, Altern. 2 DG LSA) werden würden.

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Eine wesentliche Beeinträchtigung der Ermittlungen ist zu befürchten, wenn auf Grund konkreter Anhaltspunkte davon auszugehen ist, dass die während des Disziplinarverfahrens durchzuführenden Ermittlungen bei einem Verbleib des Beamten im Dienst nicht erfolgreich durchgeführt werden können. Davon ist etwa dann auszugehen, wenn aufgrund konkreter Anhaltspunkte zu erwarten ist, der Beamte werde seinen Aufenthalt im Dienstgebäude zur Vernichtung von Beweismitteln ausnutzen, oder wenn zu befürchten ist, dass Mitarbeiter oder sonstige Angehörige der Dienstbehörde an der Aufklärung des Sachverhalts nicht konstruktiv mitwirken (Gansen, a. a. O., § 38 Rdnr. 16b). Die allgemeine Befürchtung, eine derartige Situation könne eintreten, reicht nicht aus (OVG Lüneburg, Beschluss vom 25.03.2013, 19 ZD 4/13, juris). Allerdings darf sich die Beurteilung dieser Voraussetzungen nicht nur auf Fakten im Sinne bereits vorgefallener Geschehnisse, sondern auch auf Prognosen stützen (Bay.VGH, Beschluss vom 03.11.2010, 16 a DS 10.1010; juris).

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Im Rahmen dieser nach § 61 Abs. 2 DG LSA vorzunehmenden Prüfung kann und darf das Disziplinargericht – wie eingangs ausgeführt - auch die weiteren nach dem Erlass der Suspendierungsverfügung bekanntgewordenen Umstände berücksichtigen. Denn dadurch werden die bereits in der Suspendierungsverfügung ausgeführten Umstände weiter untermauert. Insoweit ist von besonderer Bedeutung, dass nach dem augenblicklichen Sach- und Aktenstand davon auszugehen ist, dass die auf dem Dienstrechner der Antragstellerin vorhandenen - dienstlichen - Daten umfassend gelöscht und damit manipuliert wurden. Die Sachgebietsleiterin IT, Frau S…, hat in einer zur Akte gereichten dienstlichen Erklärung ausgeführt, dass sie den von der Antragstellerin angeordneten IT-Dienst während der Ausschusssitzungen am 03.02.2017 selbst wahrgenommen und dabei festgestellt habe, dass das dienstliche Verzeichnis der Antragstellerin leer gewesen sei. Das Verzeichnis habe nur noch eine Größe von 128 KB (eine Datei) gehabt, so dass nahezu alle Daten gelöscht worden seien. Das User-Verzeichnis sei am 02.02.2017 um 16.30 Uhr letztmalig verändert worden. Frau S... habe das Verzeichnis im Umfang von 1,36 GB, 549 Dateien und 65 Ordnern wiederhergestellt. Bei einer späteren Sicherung des PC's habe sie festgestellt, dass die Festplatte neu installiert und erstellt worden sei. Das Löschen von Daten aus dem personalisiertem User-Verzeichnis könne nur durch die IT-Administratoren oder durch die Antragstellerin selbst mittels eigenem Passwort vorgenommen worden sein. Ebenso seien über 9.000 Einträge aus dem Postfach gelöscht worden.

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Dieser Sachverhalt zeigt zur Überzeugung des Disziplinargerichts, dass am Dienstrechner der Antragstellerin ganz erheblich manipuliert wurde und es somit auf der Hand liegt, dass weitere disziplinarrechtliche Ermittlungen wesentlich beeinträchtigt werden konnten oder könnten. Diese Erkenntnisse sind in der vorliegenden Entscheidung auch berücksichtigungsfähig und rechtlich verwertbar; sie unterliegen nicht etwa einem Verwertungsverbot. Auf eine Abwägung der widerstreitenden Rechtsgüter kommt es demnach überhaupt nicht an. Denn entscheidend ist, dass Frau S... als Sachgebietsleiterin Informationstechnologie bei der Stadt A-Stadt berechtigt war, Datenverlusten entgegenzuwirken. Nach Punkt 4.1.7 der Dienstanweisung Datenschutz der Stadt A-Stadt vom 01.08.2002 oblag es ihr, unerwartetes Systemverhalten, ungewöhnliche Ereignisse sowie jeglichen Datenverlust dem Systembetreuer zu melden. Darüber hinaus ordnete die Antragstellerin ausweislich eines Protokollauszuges der Dienstberatung vom 15.12.2015 an, dass während der Ausschusssitzungen das Sachgebiet IT zwingend besetzt werden müsse, um die Sicherstellung der Funktionalität des Netzwerkes hinsichtlich des jederzeitigen Datenaustausches bzw. benötigter Unterlagen zu gewährleisten. Die bereits vor der entscheidenden Beschlussfassung über die Suspendierung der Antragstellerin durch Frau S... festgestellten Datenmanipulationen sind daher nicht dem laufenden Disziplinarverfahren zuzuordnen, sondern dem alltäglichen Pflichtenkreis der Frau S... als Sachgebietsleiterin der Informationstechnologie. Die Maßnahmen dienten daher ausschließlich dem Schutz der eigenen IT-Infrastruktur und sind nicht als Durchsuchung anzusehen. Sie betrafen vielmehr die bestimmungsgemäße Behandlung von Daten sowie die Ausübung von Befugnissen durch die Nutzer sowie hier durch Frau S... als Sachgebietsleiterin IT. Kann somit eine Manipulation des Dienstrechners bzw. der dortigen Daten der Antragstellerin nur durch die Administratoren bzw. denjenigen, welcher über das von der Antragstellerin vergebene Passwort verfügt, durchgeführt werden, rechtfertigt dies zum augenblicklichen Zeitpunkt jedenfalls die Annahme der wesentlichen Beeinträchtigung der weiteren Ermittlungen.

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Schließlich belegt auch die im Rahmen der IT-Sicherheit wiederhergestellte E-Mail der Antragstellerin vom 29.01.2017 an die Kollegin D… die realistische Gefahr der Einflussnahme auf die Ermittlungen durch die Antragstellerin. Denn mit der Wendung:

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"Dann müssen wir besprechen, dass Y… oder/und die Azubis ALLE Unterlagen bei der W… rausholen und sichern in einem Raum. Frag dazu mal bitte C…",

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"regte" die Antragstellerin "nicht lediglich an, die Sicherung der Akten unter Hinzuziehung von Verwaltungspersonal zu besprechen", wie es die Antragstellerin meint. Auch die "Sicherung in einem separaten Raum" ändert daran nichts, solange dieser Raum unbekannt ist und nur ihrer "Sicherung" untersteht. Im Übrigen sind der Verbleib der im Büro von Frau W… „sichergestellten“ Akten und Gegenstände, deren Anzahl sowie genau Auflistung gerade streitig zwischen den Beteiligten. In der Verfügungsgewalt der Stadt A-Stadt befinden sich die Unterlagen jedenfalls nicht. Gerade deswegen wird nunmehr auch strafrechtlich gegen die Antragstellerin ermittelt (Az.: 586 Js 11754/17). Insoweit darf auch bezweifelt werden, ob diese "Sicherung" aus "dienstlichen Gründen notwendig" war, wie die Antragstellerin meint. Aus der nunmehr vorliegenden Aufstellung der aus dem Dienstzimmer der Frau W... abhanden gekommenen Gegenstände ergibt sich eine Vielzahl von Gegenständen, Akten und Unterlagen, die nichts mit dem arbeitsgerichtlichen Verfahren zwischen der Antragstellerin als Vertreterin der Stadt A-Stadt und Frau W... als abgemahnter stellvertretender Bürgermeisterin zu tun haben können. Dabei ist zum augenblicklichen für das Disziplinargericht entscheidungserheblichen Zeitpunkt auch nicht ausschlaggebend, ob die Antragstellerin tatsächlich für die Wegnahme der Gegenstände rechtlich verantwortlich ist; dies bleibt dem augenblicklichen staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren vorbehalten. Es kommt in diesem Zusammenhang auch nicht darauf an, ob die durch Frau S... wiederhergestellte E-Mail einem Beweisverwertungsverbot unterliegt. Denn entscheidend ist, dass die Antragstellerin unstreitig den Auftrag zur "Sicherstellung" von Akten im Büro der Frau W... durch den Bediensteten C... gegeben hat und dies auch geschehen ist.

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c. c.) Ebenso sieht das Disziplinargericht die weiteren Voraussetzungen der auf § 38 Abs. 1 Satz 2 DG LSA gestützten vorläufigen Dienstenthebung, nämlich die Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, als gegeben an. Die vorläufige Dienstenthebung kann nur angeordnet werden, wenn sie zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Disziplinarmaßnahme nicht außer Verhältnis steht. Der disziplinarrechtliche Vorwurf muss deshalb von einigem Gewicht sein und muss mutmaßlich zu einer Disziplinarmaßnahme führen, die eine vorläufige Dienstenthebung vertretbar erscheinen lässt. So liegt es hier. Auch hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin sich in einer herausgehobenen Position befindet und die disziplinarrechtlichen Vorwürfe von einigem Gewicht sind und durchaus zu einer erheblichen Disziplinarmaßnahme führen können. Es stehen nicht nur beamtenrechtliche Pflichtverletzungen, sondern auch solche kommunalverfassungsrechtlicher und statusrechtlicher Art im Raum, welche nicht nur oder überwiegend der politischen Auseinandersetzung geschuldet sind, sondern vielmehr den Kernbereich ihres Pflichtenkreises berühren und nicht von vornherein von der Hand zu weisen sind.

32

3.) Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 72 Abs. 4, 73 Abs. 1 DG LSA, 154 Abs. 1 VwGO.


ra.de-Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Magdeburg Beschluss, 25. Apr. 2017 - 15 B 3/17

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(1) Die für die Erhebung der Disziplinarklage zuständige Behörde kann einen Beamten gleichzeitig mit oder nach der Einleitung des Disziplinarverfahrens vorläufig des Dienstes entheben, wenn im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis oder auf Aberkennung des Ruhegehalts erkannt werden wird oder wenn bei einem Beamten auf Probe oder einem Beamten auf Widerruf voraussichtlich eine Entlassung nach § 5 Abs. 3 Satz 2 dieses Gesetzes in Verbindung mit § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder § 37 Abs. 1 Satz 1 des Bundesbeamtengesetzes erfolgen wird. Sie kann den Beamten außerdem vorläufig des Dienstes entheben, wenn durch sein Verbleiben im Dienst der Dienstbetrieb oder die Ermittlungen wesentlich beeinträchtigt würden und die vorläufige Dienstenthebung zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Disziplinarmaßnahme nicht außer Verhältnis steht.

(2) Die für die Erhebung der Disziplinarklage zuständige Behörde kann gleichzeitig mit oder nach der vorläufigen Dienstenthebung anordnen, dass dem Beamten bis zu 50 Prozent der monatlichen Dienst- oder Anwärterbezüge einbehalten werden, wenn im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis oder auf Aberkennung des Ruhegehalts erkannt werden wird. Das Gleiche gilt, wenn der Beamte im Beamtenverhältnis auf Probe oder auf Widerruf voraussichtlich nach § 5 Abs. 3 Satz 2 dieses Gesetzes in Verbindung mit § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder § 37 Abs. 1 Satz 1 des Bundesbeamtengesetzes entlassen werden wird.

(3) Die für die Erhebung der Disziplinarklage zuständige Behörde kann gleichzeitig mit oder nach der Einleitung des Disziplinarverfahrens anordnen, dass dem Ruhestandsbeamten bis zu 30 Prozent des Ruhegehalts einbehalten werden, wenn im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Aberkennung des Ruhegehalts erkannt werden wird.

(4) Die für die Erhebung der Disziplinarklage zuständige Behörde kann die vorläufige Dienstenthebung, die Einbehaltung von Dienst- oder Anwärterbezügen sowie die Einbehaltung von Ruhegehalt jederzeit ganz oder teilweise aufheben.

Gründe

1

Der zulässige Antrag ist begründet.

2

Nach § 38 Abs. 1 Satz 1 DG LSA kann die für die Erhebung der Disziplinarklage zuständige Behörde einen Beamten gleichzeitig mit oder nach der Einleitung des Disziplinarverfahrens vorläufig des Dienstes entheben, wenn im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt wird. Ferner kann die vorläufige Dienstenthebung ausgesprochen werden, wenn durch ein Verbleiben des Beamten im Dienst der Dienstbetrieb oder die Ermittlungen wesentlich beeinträchtigt würden und die vorläufige Dienstenthebung nicht unverhältnismäßig ist (§ 38 Abs. 1 Satz 2 DG LSA). Die Antragsgegnerin stützt sich erkennbar nicht auf letztgenannte Norm, sondern (nur) auf § 38 Abs. 1Satz 1 DG LSA, da ihrer Meinung nach im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt werden wird.

3

Bei der Anordnung der Suspendierung handelt es sich nicht um eine Disziplinarmaßnahme (OVG LSA, B. v. 07.05.2010, 10 M 2/10; juris). Ihre Berechtigung ergibt sich aus dem funktionalen Bedürfnis, noch vor der endgültigen Klärung des Vorliegens eines Dienstvergehens und der abschließenden Entscheidung über die angemessene Maßregelung des Beamten eine den Verwaltungsaufgaben und dem Dienstbetrieb dienende vorübergehende Sicherungsregelung zu treffen.

4

1.) Die nach § 61 Abs. 2 DG LSA vom Disziplinargericht vorzunehmende Prüfung ergibt hier, dass die vorläufige Dienstenthebung und die Einbehaltung der Dienstbezüge aufzuheben sind, weil ernstliche Zweifel an ihrer Rechtmäßigkeit bestehen.

5

a.) Die auf § 38 Abs. 1 Satz 1 DG LSA gestützte Verfügung über die vorläufige Dienstenthebung muss pflichtgemäßem Ermessen der Einleitungsbehörde entsprechen. Den Beamten auch nur vorläufig vom Dienst zu entheben setzt voraus, dass ein Verbleiben des Beamten im Dienst schlechthin untragbar wäre. Dabei handelt es sich um die denkbar schwerste Sanktion für dienstliche Verfehlungen, welche nach der Rechtsprechung besondere Umstände voraussetzt. Für die konkrete Entscheidung im Einzelfall sind grundsätzlich das dienstliche Bedürfnis an der einstweiligen Fernhaltung des Beschuldigten vom Dienst und dessen Recht auf amtsentsprechende dienstliche Beschäftigung abzuwägen (vgl. dazu. Köhler/Ratz, BDO, 2. Aufl., § 91 Rz. 10: vgl. zum Ganzen: VG Magdeburg, Beschl. v. 10.02.2007, 8 B 22/06; Beschl. v. 03.03.2010, 8 B 21/09; juris).

6

Nach § 61 Abs. 2 DG LSA ist die vorläufige Dienstenthebung dann aufzuheben, wenn ernstliche Zweifel an ihrer Rechtmäßigkeit bestehen. Ernstliche Zweifel sind schon dann anzunehmen, wenn im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts offen ist, ob die Anordnung nach § 38 Abs. 1 DG LSA rechtmäßig oder rechtswidrig ist (vgl. nur: Bay. VGH, Beschl. v. 11.04.2012, 16b DC 11.985; OVG Lüneburg Beschluss vom 13.5.2005, 3 ZD 1/05; alle juris). Neben der formellen Rechtmäßigkeit der Anordnung ist somit zu prüfen, ob die in der Anordnung liegende Prognose gerechtfertigt ist, der Beamte werde im Disziplinarverfahren voraussichtlich aus dem Dienst entfernt werden. Diese Prognose kann demnach nur dann gestellt werden, wenn nach dem Kenntnisstand im Eilverfahren die Möglichkeit der Höchstmaßnahme überwiegend wahrscheinlich ist. Ist es dagegen zumindest ebenso wahrscheinlich, dass eine Entfernung des Beamten aus dem Beamtenverhältnis im Disziplinarverfahren nicht erfolgen wird, sind ernstliche Zweifel durch das Gericht zu bejahen (BVerwG, Besch. v. 16.07.2009, 2 AV 4.09; BayVGH, Beschl. v. 20.04.2011, 16b DS 10.1120;Sächs. OVG, B. 19.08.2010, D 6 B115/10 mit Verweis auf Beschluss vom 08.07.2010, D6A116/10; alle juris; Müller, Grundzüge des Beamtendisziplinarrechts, § 38 Abs. 1 BDG, 2010, Rz. 370 m. w. N.; GKÖD, Disziplinarrecht des Bundes und der Länder, § 38 BDG, Rz. 51). Diese Prognoseentscheidung beinhaltet eine vom Gericht vorzunehmende summarische Prüfung des zurzeit bekannten Sachverhaltes und eine daran orientierte Wahrscheinlichkeitsprognose. Hinsichtlich des zur Last gelegten Dienstvergehens genügt, dass der Beamte dieses Dienstvergehen mit einem hinreichenden Grad an Wahrscheinlichkeit begangen hat; nicht erforderlich ist, dass das Dienstvergehen bereits in vollem Umfang nachgewiesen ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 29.09.1997, 2 WDB 3.97; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 22.09.2009, 83 DB 1.09; OVG des Saarlandes, Beschl. v. 17.06.2009, 6 B 289/09; alle juris). Die Beurteilung im Verfahren nach § 61 DG LSA erfordert keine gesonderten Beweiserhebungen, sondern ist in der Lage, in der sich das Disziplinarverfahren jeweils befindet, anhand der bis dahin zu Tage getretenen Tatsachen zu treffen. Insoweit können u. U. selbst durch Aktenvermerke untermauerte Erkenntnisse ausreichen (vgl. Müller a. a. O). Dabei ist auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abzustellen (BVerwG, Besch. v. 22.07.2002, 2 WDB 1.02; OVG Berlin-Brandenburg; Beschl. v. 18.08.2005, 80 SN 1.05; Bay VGH, Beschl. v. 11.04.2012, 16b DCV 11.985; alle juris). Jedoch muss für die gerichtliche Überprüfung der vorläufigen Dienstenthebung maßgeblich auf die von dem Dienstherrn in dem Bescheid herangezogenen Pflichtenverletzungen abgestellt werden. Diese können durch das Disziplinargericht im Rahmen der Würdigung durch Akteninhalte und sonstige - evtl. auch später, im Laufe des Verfahrens nach § 61 DG LSA hinzutretende - Erkenntnisse untermauert werden, um anhand dessen die Rechtsmäßigkeit der Prognoseentscheidung zu beurteilen.

7

b.) Welche Disziplinarmaßnahme im Einzelfall erforderlich ist, richtet sich gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 und 3 DG LSA nach derSchwere des Dienstvergehens und des unter Berücksichtigung der Persönlichkeit des Beamten eingetretenen Umfangs der durch das Dienstvergehen herbeigeführten Vertrauensbeeinträchtigung. § 13 Abs. 2 DG LSA bestimmt, dass ein Beamter, der durch ein schweres Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren hat, aus dem Beamtenverhältnis zu entfernenist (Satz 1). Die Feststellung des verloren gegangenen Vertrauens ist verwaltungsgerichtlich voll inhaltlich nachprüfbar (Satz 2).

8

Demnach ist maßgebendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der Disziplinarmaßnahme die Schwere des Dienstvergehens. Sie beurteilt sich zum einen nach der Eigenart und Bedeutung der verletzten Dienstpflichten, Dauer und Häufigkeit der Pflichtenverstöße und den Umständen der Tatbegehung (objektive Handlungsmerkmale) und zum anderen nach Form und Gewicht des Verschuldens und den Beweggründen des Beamten für sein pflichtwidriges Verhalten (subjektive Handlungsmerkmale) sowie nach den unmittelbaren Folgen der Pflichtenverstöße für den dienstlichen Betrieb und für Dritte (vgl. zum gleichlautenden § 13 BDG, BVerwG, Urt. v. 20.10.2005, 2 C 12.04; Urt. v. 03.05.2007, 2 C 9.06; B. v. 10.09.2010, 2 B 97/09; VGH Baden-Württemberg, U. v. 16.09.2010, DL 16 S 579/10; alle juris).

9

Erst bei Würdigung der Gesamtpersönlichkeit des Beamten lässt sich mit der gebotenen Sicherheit beurteilen, ob der Beamte aus disziplinarrechtlicher Sicht noch erziehbar erscheint oder ob hierfür eine bestimmte Disziplinarmaßnahme als notwendig, aber auch als ausreichend erscheint, oder ob der Beamte für die Allgemeinheit und den Dienstherrn untragbar geworden ist und deshalb seine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis geboten ist (VG Magdeburg, U. v. 04.11.2009, 8 A 19/08 m. w. N.; juris).

10

Eine objektive und ausgewogene Zumessungsentscheidung setzt demnach voraus, dass die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme unter Berücksichtigung der belastenden und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten steht und gewisse Besonderheiten des Einzelfalls mildernd zu berücksichtigen sind (vgl. BVerfG, Beschl. v. 08.12.2004, 2 BvR 52/02; BVerwG, U. v. 14.02.2007, 1 D 12.05 mit Verweis auf Urteil vom 20.10.2005, 2 C 12.04; OVG Lüneburg, U. v. 20.11.2009, 6 LD 1/09; VGH Bad.-Württ., U. v. 16.09.2010, DL 16 S 579/10; VG Saarland, U. v. 17.09.2010, 7 K 238/09; alle juris).

11

2.) Unter diesen rechtlichen Prüfungsvoraussetzungen vermag die Disziplinarkammer nach dem derzeitigen sich aus der Begründung der Suspendierung, dem Aktenmaterial und dem Vorbringen der Beteiligten ergebenden Sach- und Rechtsstand nicht mit der gebotenen Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der Antragsteller ein derart schweres Dienstvergehen begangen hat, welches dazu geführt hat, dass das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren ist.

12

a.) Die Antragsgegnerin stützt die vorläufige Dienstenthebung maßgeblich darauf, dass der Antragsteller gegen die ihm obliegende beamtenrechtliche Pflicht zu einem achtungs- und vertrauensvollen Verhalten (§ 34 Satz 3 Beamtenstatusgesetz [BeamtStG]) verstoßen habe. Der Antragsteller habe dem Polizeiarzt gegenüber im Jahr 2008 angegeben, regelmäßig Cannabis geraucht zu haben. Die damals erstellten Laborbefunde hätten diese Aussage bestätigt. Nach der letztmaligen Vorstellung im Polizeiärztlichen Zentrum am 29.12.2008 seien die Laborbefunde des Antragstellers hinsichtlich des Gebrauchs illegaler Drogen nicht mehr auffällig gewesen. Am 15.09.2011 habe es beim Antragsteller dagegen einen positiven Screeningbefund auf Cannabinoide und auf Benzodiazepin gegeben. Dies habe sich unter dem 20.10.2011 bestätigt.

13

Daraus schlussfolgert die Antragsgegnerin, um illegale Drogen zu konsumieren, müssten diese zunächst erworben werden. Der unerlaubte Erwerb von Betäubungsmitteln sei nach § 29 Abs. 1 Ziff. 1 Betäubungsmittelgesetz (BtMG) strafbar. Ein Polizeibeamter, der unerlaubt Betäubungsmittel erwerbe, um diese zu konsumieren, zerstöre regelmäßig das Vertrauensverhältnis, welches für die ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung unerlässlich sei. Allein die Umstände der Drogenbeschaffung, die ohne Kontakte in die einschlägige Szene nicht möglich seien, begründen den Verdacht, dass das außerdienstliche Verhalten des Antragstellers in besonderem Maße geeignet sei, das Vertrauen in eine für das Amt eines Polizeibeamten bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen. Der Polizeibeamte habe für die Einhaltung der Gesetze einzustehen. Ein derartiges Versagen im Kernbereich beamtenrechtlicher Dienstpflichten sei daher geeignet, die für eine weitere Zusammenarbeit mit dem Beamten erforderliche Vertrauensgrundlage völlig zu zerstören. Deshalb bestehe eine hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass der Antragsteller aus dem Beamtenverhältnis entfernt werde. Aus diesen Gründen sei der Antragsteller vorläufig des Dienstes zu entheben.

14

Die sodann unter dem 19.03.2012 verfügte teilweise Einbehaltung der Dienstbezüge nach § 38 Abs. 2 DG LSA wird mit der vorläufigen Dienstenthebung vom 29.02.2012 begründet. Angesichts der bei der Durchsuchungsmaßnahme in den Wohnräumen des Antragstellers beschlagnahmten Sachen und Gegenstände sei die Verneinung eines kriminellen Milieus nicht zu begründen. Es folgt sodann eine Berechnung des finanziellen monatlichen Bedarfs. Dafür notwendige Belege habe der Antragsteller nicht vorgelegt.

15

Am 11.08.2011 fand auf den Beschluss des Amtsgerichts Quedlinburg am 04.08.2011 die Durchsuchung der Wohnung des Antragstellers statt. Dabei wurden u. a. eine sog. Indoorplantage mit 8 Cannabispflanzen und diverse Produkte vorgefunden, die unter das Betäubungsmittelgesetz fallen. Wegen des genauen Umfangs der beschlagnahmten Sachen wird auf den Inhalt der Beiakte A verwiesen. Der Antragsteller weist die darauf beruhenden Vorwürfe von sich; sein Mitbewohner, Herr E., erklärte insoweit bei seiner Beschuldigtenvernehmung, der Antragsteller habe sein Handeln lediglich toleriert. Am 03.04.2012 hat die Staatsanwaltschaft Magdeburg beim Amtsgericht Quedlinburg die Zulassung und Eröffnung des Hauptverfahrens wegen unerlaubten gemeinschaftlichen Anbau und unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln erhoben.

16

b.) Im Fall eines Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz geht die disziplinarrechtliche Rechtsprechung bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme davon aus, dass der Beamte, der an den staatlichen Zielen, den Auswirkungen des zunehmenden Rauschgiftkonsums vorzubeugen und so unabsehbare Gefahren für den Einzelnen und die Allgemeinheit abzuwehren, zuwiderhandelt, eine grob rücksichtslose Haltung gegenüber der Allgemeinheit offenbart. Angesichts der Variationsbreite möglicher Verwirklichungsformen pflichtwidrigen Verhaltens in diesem Bereich wird jedoch das disziplinarrechtliche Gewicht des Dienstvergehens von den besonderen Umständen des Einzelfalls abhängig gemacht (vgl. BVerwG, U. v. 14.12.2000, 1 D 40.99; Urteile vom 07.05.1996, 1 D 82.95 und vom 29.04.1986, 1 D 141.85; vom 25.10.1983, 1 D 37.83, Urteile vom 24.07.2008, DB 16 S 4.07 und vom 06.08.2009, DL 16 S 2974/08; VGH Baden-Württemberg, U. v. 25.02.2010, DL 16 S 2597/09; VG Berlin, U. 22.11.2011, 85 K 11.10 OB; alle juris). Demnach werden in schweren Fällen durchaus die disziplinarrechtlichen Höchstmaßnahmen der Degradierung und die Entfernung aus dem Dienst auszusprechen sein, ohne dass diese jedoch Regelmaßnahme für jedwedes strafbares Handeln nach dem Betäubungsmittelgesetzt (§ 29 BtMG) wären.

17

Bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme ist jedoch neben dem objektiven Gehalt des Strafvorwurfes auch zu berücksichtigen, dass der Polizeibeamte wegen seines besonderen Auftrags zur Abwehr von Gefahren und zur Verfolgung von Straftaten einer strengeren Verpflichtung unterliegt. Mit dieser Verpflichtung ist es durchweg unvereinbar, wenn ein Polizeibeamter - auch außerhalb des Dienstes - gegen Strafvorschriften verstößt, die wichtige Gemeinschaftsbelange schützen sollen und damit einem besonderen staatlichen Anliegen dienen. Das Vertrauen des Dienstherrn in seinen Beamten, der die Aufgabe, Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz wegen der genannten Gefahren abzuwenden und zu verhindern, nicht nur nicht erfüllt, sondern im Gegenteil mit seinem Verhalten Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz fördert und somit die abzuwehrenden Gefahren steigert, ist empfindlich, wenn nicht gar endgültig zerstört (vgl.: OVG NRW, U. v. 16.12.1998, 6 d 4674/97.O; juris).

18

c.) Der Dienstherr rechtfertigt hier - wie oben dargelegt - die vorläufige Dienstenthebung nach § 38 Abs. 1 Satz 1 DG LSA allein damit, dass ihm der zur Entfernung führende unerlaubte, weil strafbare,Erwerb von Betäubungsmitteln vorzuhalten sei. Die diesem pauschalen Vorwurf zugrunde liegenden Erkenntnisse vermögen nach den dargestellten Gründen und der Problematik der Vielschichtigkeit der möglichen Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz bislang die Entfernung aus dem Dienst nicht zwangsläufig zu tragen.

19

Die Antragsgegnerin bezieht ihre Kenntnisse maßgeblich aus den Angaben des Antragstellers gegenüber dem Polizeiarzt, wonach der Antragsteller regelmäßigen Cannabiskonsum im Jahr 2008 angegeben habe und im Jahre 2011 positive Screeningbefunde vorgelegen hätten. Dies allein begründet jedoch für sich genommen nicht perse ein schweres Dienstvergehen, zumal die vom Antragsteller konsumierte Menge, die Konsumdauer und das Konsumverhalten nicht einmal bekannt sind. Zwar ist u. a. der unerlaubte Anbau und Erwerb mit Strafe beschwert (§ 29 Abs. 1 bis 3 BtMG). Der individuelle Unrechts- und Schuldgehalt einer solchen Tat ist jedoch von den Umständen des Einzelfalles abhängig und kann zum Absehen von Strafe bzw. der Verfolgung (§§ 29 Abs. 5, 31a Abs. 1 BtMG) führen (vgl. dazu Richtlinie zur Anwendung des § 31a Abs. 1 Betäubungsmittelgesetzt und zur Bearbeitung von Ermittlungsverfahren in Strafsachen gegen Betäubungsmittelkonsumenten, JMBl. LSA 2008, S. 245). Der Antragsgegnerin kann auch nicht vollends darin gefolgt werden, dass dem Konsum stets eine illegale Beschaffung der Substanzen im kriminellen Milieu vorangegangen sein muss. Dazu ist bereits das Tatbestandsmerkmal der „Beschaffung“ etwa in § 29 Abs. 1 Nr. 1 und 3 BtMG zu vielschichtig. So mag - unabhängig von der strafrechtlichen Relevanz - ein Konsum auch im Freundeskreis oder auf sonstigem Wege möglich sein, woraus sich nicht unmittelbar und unabdingbar ein kriminelles Milieu ergibt. Gerade diese Begleitumstände, also die Variationsbreite der Verstöße gegen das Betäubungsmittelrecht gilt es im Disziplinarverfahren aufzuklären und zu würdigen. Jedenfalls - und das ist entscheidend - lassen sich die diesbezüglichen Vorwürfe auch nicht mit den aufgrund der strafrechtlichen Ermittlungen gewonnenen Erkenntnissen untermauern. Die Antragsgegnerin stützt die vorläufige Dienstenthebung auch nicht darauf. Die beiden streitbefangenen Verfügungen sind insoweit äußerst begründungsarm. So ist die vorläufige Dienstenthebung nicht etwa auf das dem Beamten gegenüber geführte anhängige strafrechtliche Ermittlungsverfahren, welches in der Folgezeit zur Beantragung der Zulassung der Anklage vor dem Amtsgericht Quedlinburg geführt hat, gestützt. Zwar findet sich in der Verfügung zur Einbehaltung der Dienstbezüge vom 19.03.2012 ein Hinweis auf die bei der Durchsuchungsmaßnahme in den Wohnräumen des Beamten beschlagnahmten Sachen und Gegenstände, woraus sich das „kriminelle Milieu“ ergeben würde. Das Disziplinargericht hat zwar keinen Zweifel daran, dass die Feststellungen im Rahmen der Durchsuchung der gemeinsam mit einem weiteren Angeschuldigten genutzten Wohnung disziplinarrechtlich ebenso beachtlich wie die zwischenzeitlich erhobene Anklage sind. Aber auch unter Berücksichtigung dieser, über die Begründung der Verfügung der vorläufigen Dienstenthebung hinausgehenden Erkenntnisse, die eine weitere Qualität im Sinne der Variationsbreite des disziplinarrechtlich zu wertenden Pflichtenverstoßes darstellen, vermag das Disziplinargericht nicht mit der erforderlichen hinreichenden Wahrscheinlichkeit von einer Entfernung aus dem Beamtenverhältnis auszugehen.

20

Denn die in der Rechtsprechung zu findenden Fallgestaltungen hinsichtlich der Variationsbreite der Schwere der Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz rechtfertigen eine vorläufige Dienstenthebung bzw. die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis etwa (erst) dann, wenn es sich um den Konsum „harter“ Drogen (VG Berlin, Urteil v. 22.11.2011, 85 K 11.10 OB; OVG Berlin, Beschluss v. 16.04.1992, 4 S 11.92; beide juris) handelt und/oder der Beamte eine beachtliche Drogenkarriere zurückgelegt hat, der Beamte etwa in die Beschaffungskriminalität abgleitet oder sich als Dealer betätigt (BVerwG, Urteil v. 13.07.1999, 2 WD 4.99; OVG Rheinl.-Pfalz, Urteil v. 30.06.2003, 3 A 10767/03; VG Berlin, Urteil v. 04.10.2011, 80 K 6.11 OL; alle juris) oder aufgrund der Einheitlichkeit des Dienstvergehens weitere Pflichtenverstöße hinzugetreten sind (OVG Lüneburg, Urteil v. 22.06.2010, 20 LD 7/08; VG Berlin, Urteil v. 13.02.2006, 80 A 27.05; alle juris). Die Vergleichbarkeit mit diesen Fallgestaltungen ist vorliegend nicht gegeben. Es gilt die weiteren Ermittlungen bzw. das Strafverfahren im weiter anhängigen behördlichen Disziplinarverfahren abzuwarten. Insoweit steht es dem Dienstherrn frei, bei einer veränderten Erkenntnislage eine erneute Suspendierung auszusprechen (vgl. § 122 Abs. 1, 121 VwGO).

21

3.) Dementsprechend ist mangels rechtlicher Voraussetzungen nach § 38 Abs. 2 DG LSA auch die Einhaltung der Dienstbezüge abzuheben.

22

4.) Die Kostenentscheidung beruht auf § 72 Abs. 4, 73 Abs: 1 DG LSA, 154 Abs. 1 VwGO.


Tenor

Unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 8. März 2011 - 7 L 29/11 - wird die Anordnung der vorläufigen Dienstenthebung des Antragstellers und Einbehaltung von 50 % seiner monatlichen Dienstbezüge durch den Bescheid vom 20.12.2010 ausgesetzt.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner.

Gründe

Die Beschwerde des Antragstellers ist zulässig. Sie ist gemäß § 67 Abs. 1 und Abs. 3 SDG i.V.m. §§ 146, 147 VwGO statthaft und gemäß § 67 Abs. 3 SDG i.V.m. §§ 147 Abs. 1, 146 Abs. 4 VwGO fristgerecht erhoben und begründet worden. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht den Antrag des Antragstellers vom 10.1.2011 als zulässigen Antrag nach § 63 Abs. 1 Satz 1 SDG auf Aussetzung der mit Bescheid des Antragsgegners vom 20.12.2010 ausgesprochenen vorläufigen Dienstenthebung und der Einbehaltung von 50 % seiner monatlichen Dienstbezüge ausgelegt.

Die Beschwerde des Antragstellers gegen die durch Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 8.3.2011 - 7 L 29/11 - erfolgte Zurückweisung seines Aussetzungsantrages hat auch in der Sache Erfolg. Denn es bestehen im Sinne des § 63 Abs. 2 SDG ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 20.12.2010.

Nach § 38 Abs.1 SDG kann die für die Erhebung der Disziplinarklage zuständige Behörde einen Beamten oder eine Beamtin gleichzeitig mit oder nach der Einleitung des Disziplinarverfahrens vorläufig des Dienstes entheben, wenn im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt werden wird. Nach Abs. 2 der genannten Vorschrift kann die für die Erhebung der Disziplinarklage zuständige Behörde gleichzeitig mit oder nach der vorläufigen Dienstenthebung anordnen, dass dem Beamten oder der Beamtin bis zu 50 % der monatlichen Dienst- oder Anwärterbezüge einbehalten werden, wenn im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt werden wird.

Nach § 63 Abs. 2 SDG sind die vorläufige Dienstenthebung und die Einbehaltung von Bezügen auszusetzen, wenn ernstliche Zweifel an ihrer Rechtmäßigkeit bestehen. Derartige Zweifel sind vorliegend gegeben.

Zwar sprechen nach Auffassung des Senats - ebenso wie im Ergebnis nach Auffassung des Verwaltungsgerichts – überwiegende Gründe dafür, dass nach dem derzeitigen, im vorliegenden Verfahren zugrunde zu legenden Sach- und Streitstand eine überwiegende Wahrscheinlichkeit die Prognose rechtfertigen dürfte, dass im Rahmen des mit Verfügung vom 26.4.2010 gegen den Antragsteller eingeleiteten Disziplinarverfahrens die Verhängung der Höchstmaßnahme zu erwarten ist. Dabei dürften die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 38 Abs. 1 und Abs. 2 SDG für die vorläufige Dienstenthebung des Antragstellers und die zugleich angeordnete Einbehaltung der monatlichen Dienstbezüge aller Voraussicht nach gegeben sein. Jedoch bestehen mit Blick auf die ordnungsgemäße Ausübung des dem Antragsgegner nach § 38 Abs. 1 SDG eingeräumten Ermessens ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 20.12.2010.

Aus dem Gesamtergebnis des wegen des Besitzes kinderpornografischer Schriften gegen den Antragsteller geführten Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft Saarbrücken (24 Js 899/07) und des vor dem Amtsgericht Saarbrücken geführten Strafverfahrens (119 Ds 89/09) ergibt sich aller Voraussicht nach der hinreichende Verdacht, dass der Antragsteller ein außerdienstliches Dienstvergehen begangen hat, das im Rahmen des am 26.4.2010 gegen ihn eingeleiteten Disziplinarverfahrens mit überwiegender Wahrscheinlichkeit die Verhängung der Höchstmaßnahme erfordern wird. Zwar haben sowohl das Verwaltungsgericht als auch der Antragsteller zu Recht Zweifel daran geltend gemacht, ob sich dieser hinreichende Verdacht allein aus den tatsächlichen Feststellungen des strafgerichtlichen Urteils des Amtsgerichts Saarbrücken vom 10.2.2010 (119 Ds 89/09) ableiten lässt, an die die Disziplinarbehörde gemäß § 23 Abs. 1 SDG und die Disziplinargerichte gemäß § 57 SDG - in jeweils unterschiedlicher Intensität - gebunden sind. Diesbezügliche Bedenken ergeben sich insoweit zum einen hinsichtlich der Frage, ob die Anzahl der im Besitz des Antragstellers gewesenen Bilddateien kinderpornografischen Inhalts tatsächlich 781 betragen hat. In dem strafgerichtlichen Urteil vom 10.2.2010 heißt es hierzu lediglich:

„Dem Angeklagten wird in der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Saarbrücken vom 28.1.2009 vorgeworfen, am 24.10.2007 in seiner Wohnung, A-Straße, A-Stadt, auf seinem Personalcomputer Fujitsu zu Siemens Scaleo 600 781 Bilddateien mit Darstellungen aufbewahrt zu haben, auf denen u.a. Mädchen zu sehen sind, die offensichtlich jünger als 14 Jahre alt sind und mit denen Erwachsene Vaginalverkehr ausüben, die Erwachsene oral stimulieren oder die von Erwachsenen an ihren Geschlechtsteilen berührt werden. Der Angeklagte hat den Vorwurf in der Hauptverhandlung glaubhaft eingestanden. Er hat sich damit des Besitzes kinderpornografischer Schriften gemäß § 184 b Abs. 1, Abs. 4 Satz 2 StGB schuldig gemacht.“

Diese Formulierung lässt zwar den Schluss zu, dass Gegenstand des strafrechtlichen Vorwurfs der Besitz von insgesamt 781 Bilddateien war, die zumindest teilweise als kinderpornografisch einzustufen waren. Dem Urteil lässt sich aber keine ausreichende Tatsachenfeststellung entnehmen, aus der sich ableiten lässt, dass alle diese Dateien von ihrem Inhalt her als kinderpornografisch im Sinne des § 184 b StGB einzustufen waren. Entsprechend eingeschränkt ist der Umfang seiner Bindungswirkung nach §§ 23, 57 SDG.

Gleichwohl wird nach Auffassung des Senats nach dem gesamten Inhalt des Straf- und Ermittlungsverfahrens davon ausgegangen werden können, dass der Antragsteller vorsätzlich im Besitz kinderpornografischer Bilddateien war und dass deren Anzahl aller Voraussicht nach deutlich über die – vom Verwaltungsgericht seiner Entscheidung als ausreichend zugrunde gelegte – Zahl von 10 Bilddateien hinausging, die in der Strafakte als „beispielhaft“ dokumentiert sind. Dies ergibt sich neben anderen, hier nicht im Einzelnen darzulegenden Anhaltspunkten schon daraus, dass die genannten 10 Bilddateien, die ihrerseits eindeutig kinderpornografischen Inhalt haben, nach Durchführung der polizeilichen Auswertung der auf dem Personalcomputer des Antragstellers vorhandenen Dateien beispielhaft ausgedruckt und der Ermittlungsakte beigefügt wurden, um den Inhalt der von Seiten der Polizei als kinderpornografisch eingestuften 781 Dateien zu dokumentieren. Hieraus lässt sich schließen, dass jeder der 10 - unterschiedlichen - Darstellungen jeweils eine Mehrzahl vergleichbarer Darstellungen im Rahmen der insgesamt 781 als kinderpornografisch eingestuften Dateien entspricht. Gleichwohl kann beim derzeitigen Erkenntnisstand und insbesondere auf der Grundlage der in dem Urteil des Amtsgerichts Saarbrücken von 10.2.2010 getroffenen Tatsachenfeststellungen nicht ausgeschlossen werden, dass sich in der Gesamtzahl von 781 im Ermittlungsverfahren als kinderpornografisch bewerteten Darstellungen z.B. auch sogenannte Posing-Bilder befunden haben, welche nicht im strafrechtlichen Sinne des § 184 b StGB als kinderpornografisch einzuordnen sind. Insofern ist zu beachten, dass sich in den Ermittlungsakten auch mehr als 200 Dateien dieser Art (Posing-Bilder) befinden. Hierzu werden im Disziplinarverfahren noch weitere Ermittlungen anzustellen sein, die nach dem Vortrag des Antragsgegners bereits eingeleitet sind.

Zudem lässt sich allein den Feststellungen des Strafurteils nicht entnehmen, in welchem Zeitraum der Antragsteller derartige Bilddateien im Besitz hatte. In dem Urteil ist lediglich von dem 24.10.2009 als Tatzeitpunkt die Rede. Dies war der Tag der Beschlagnahme des Personalcomputers des Antragstellers. Gleichwohl dürfte nach dem Gesamtinhalt des Straf- und Ermittlungsverfahrens nicht davon ausgegangen werden können, dass der Antragsteller die kinderpornografischen Darstellungen nur an einem einzigen, dem im strafrechtlichen Urteil vom 10.2.2010 genannten Durchsuchungstag am 24.10.2009 in Besitz gehabt hat.

Dem Antragsgegner ist im Grundsatz des Weiteren darin zu folgen, dass – auch wenn eine Regeleinstufung insoweit auszuscheiden hat - der Orientierungsrahmen für die Bemessung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme nach § 13 SDG bei außerdienstlichem Besitz kinderpornografischer Schriften durch einen Lehrer unter der Geltung der erhöhten Strafandrohung des § 184 b Abs. 5 StGB i.d.F. des Gesetzes zur Änderung der Vorschriften über die Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung und zur Änderung anderer Vorschriften vom 27.12.2003 (BGBl. Teil I S. 3007) nach Maßgabe der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur disziplinarrechtlichen Ahndung des Besitzes kinderpornografischer Schriften

BVerwG, Urteil vom 19.8.2010 - 2 C 5/10 -, zitiert nach juris -

die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis ist.

Gleichwohl bestehen jedoch ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides des Antragsgegners vom 20.12.2010 mit Blick auf die ordnungsgemäße Ausübung des der Disziplinarbehörde in § 38 SDG eingeräumten Ermessens. Denn der Antragsgegner hat seiner Ermessensentscheidung nach § 38 SDG auf der Tatbestandsseite Tatsachen zugrunde gelegt, die sich zum Teil aus den von ihm zitierten Quellen so nicht entnehmen lassen und zum Teil aller Voraussicht nach einem Verwertungsverbot unterliegen.

Wie dargelegt, lässt sich dem strafrechtlichen Urteil vom 10.2.2010 nicht mit Bestimmtheit die Feststellung entnehmen, dass der Antragsteller 781 Bilddateien kinderpornografischen Inhalts in Besitz hatte. Gleichwohl sind die streitgegenständlichen Maßnahmen der vorläufigen Dienstenthebung und der Einbehaltung von Dienstbezügen im Bescheid des Beklagten vom 20.12.2010 maßgeblich auf den „Ihnen zur Last gelegte(n) Besitz von 781 Bilddateien mit kinderpornografischen Darstellungen, auf denen u.a. Mädchen zu sehen sind, die offensichtlich jünger als 14 Jahre alt sind und mit denen Erwachsene Vaginalverkehr ausüben, die Erwachsene oral stimulieren oder die von Erwachsenen an ihren Geschlechtsteilen berührt werden (zitiert aus dem Ihnen gegenüber ergangenen Strafurteil des Amtsgerichts Saarbrücken vom 10. Februar 2010“ gestützt.

Ferner heißt es in dem Bescheid:

„Milderungsgründe, die die Annahme einer Disziplinarmaßnahme unterhalb der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis wahrscheinlich machen würden, sind nicht zu erkennen. Bei Ihrem im Strafverfahren wie auch im Rahmen der behördlichen Anhörung vom 22.4.2010 eingestandenen Fehlverhalten handelt es sich nicht um ein einmaliges oder nur ganz kurzfristiges Verhalten und Versagen, sondern um Aktivitäten, die sich über einen längeren Zeitraum - Sie erwähnten als relevante Zeit die Jahre 2006 und 2007 - hingezogen haben und eine Vielzahl einzelner Schritte zur Verschaffung und Abspeicherung von 781 Bilddateien erforderten. In den Fällen, die Gegenstand dieses Disziplinarverfahrens sind, handelten Sie jeweils vorsätzlich. Dies steht aufgrund ihrer Einlassung in der Anhörung vom 22.4.2010 fest.“

Zum Beleg der von ihm seiner Ermessensentscheidung zugrunde gelegten Tatsachen hat der Antragsgegner damit maßgeblich nicht nur auf die – wie oben bereits dargelegt - unscharfen Formulierungen des Strafurteils zurückgegriffen, sondern auch auf Äußerungen des Antragstellers, die dieser in der - vor der mit Verfügung vom 26.4.2010 erfolgten förmlichen Einleitung des Disziplinarverfahrens durchgeführten - Anhörung vom 22.4.2010 getätigt hatte.

Dem über diese Anhörung gefertigten Protokoll kann indes weder entnommen werden, dass der Antragsteller gemäß § 20 Abs. 1 Satz 3 SDG darüber belehrt wurde, dass es ihm freistehe, sich mündlich oder schriftlich zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen, noch dass er darüber belehrt wurde, dass es ihm freistehe, sich jederzeit eines oder einer Bevollmächtigten oder eines Beistandes zu bedienen. Ob es dem Antragsgegner gelingen wird, seinen Vortrag, der Antragsteller sei zu dem ersten Punkt tatsächlich belehrt worden, auch wenn dies im Protokoll nicht festgehalten wurde, zu beweisen, erscheint derzeit offen. Bezüglich der Belehrung zu dem zweiten Punkt hat der Antragsgegner selbst vorgetragen, es sei nicht erinnerlich, ob insoweit eine Belehrung des Antragstellers stattgefunden habe. Insoweit spricht derzeit alles dafür, dass der Inhalt der Anhörung vom 22.4.2010 einem Verwertungsverbot unterfällt.

Danach hat der Antragsgegner seiner Ermessensentscheidung über die vorläufige Dienstenthebung und Einbehaltung der Dienstbezüge einen Sachverhalt zugrunde gelegt, der nach derzeitigem Erkenntnisstand aller Voraussicht nach nicht hätte zugrunde gelegt werden dürfen, weil er zum Teil, bezogen auf die Anzahl der kinderpornografischen Darstellungen nicht ordnungsgemäß festgestellt worden war und zum Teil, bezogen auf den Zeitraum des Besitzes dieser kinderpornografischen Darstellungen, aller Voraussicht nach auf eine Erkenntnisquelle gestützt ist, die einem Verwertungsverbot unterliegt. Liegt aber einer Ermessensbetätigung ein unrichtiger oder nicht ordnungsgemäß festgestellter Sachverhalt zugrunde, so erweist sich grundsätzlich auch die darauf gestützte Ermessensausübung als fehlerhaft

vgl. nur Kopp/Schenke, VwGO, 16. Auflage, § 114 Rdnr. 12; Bader/Funke-Kaiser/Kuntze/von Albedyll, VwGO, 4. Auflage, § 114 Rdnr.13 m.w.N.; BVerwG, Urteil vom 2.7.1992 – 5 C 51/90 -, zitiert nach juris.

Der vorliegende Ermessensfehler ist vorliegend auch nicht unter den Aspekten einer möglichen Ermessensreduzierung auf Null oder eines wirksamen Nachschiebens von Ermessenserwägungen unbeachtlich. Die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen dafür liegen hier nicht vor.

Es kann vor diesem Hintergrund auch dahinstehen, ob der Auffassung des Verwaltungsgerichts gefolgt werden kann, dass auch schon der zeitlich nicht näher eingegrenzte Besitz von (nur) 10 kinderpornografischen Bilddateien - auf der Tatbestandsseite des § 38 SDG - ausreichend für die Verhängung der Höchstmaßnahme im Disziplinarverfahren gegenüber dem Antragsteller sei. Ebenso kann offen bleiben, ob - wofür aus der Sicht des Senats einiges spricht - aus dem Gesamtergebnis des strafrechtlichen Ermittlungs- und Gerichtsverfahrens Feststellungen abgeleitet werden können, die die Annahme rechtfertigen, dass der Antragsteller im Besitz eines Mehrfachen von 10 kinderpornografischen Bilddateien gewesen ist. Denn ungeachtet dessen ist es den Disziplinargerichten verwehrt, ausgehend von ihren eigenen Annahmen zu den auf der Tatbestandsseite relevanten Tatsachen die Ermessensentscheidung des Antragsgegners nach § 38 SDG durch ihre eigene Ermessensentscheidung zu ersetzen. Es ist vielmehr allein Sache des Antragsgegners, die von ihm getroffene Ermessensentscheidung nach § 38 SDG, gegen deren Rechtmäßigkeit wegen Ermessensfehlgebrauchs ernstliche Zweifel bestehen, durch eine erneute Ermessensentscheidung, die auf eine ordnungsgemäße Tatsachengrundlage gestützt ist, zu ersetzen

vgl. BVerwG, Beschluss vom 21.9.2000 - 1 DB 7/00 - sowie vom 16.11.1999 - 1 DB 8/99 -, jeweils zitiert nach juris.

Der Antrag des Antragstellers hatte daher Erfolg. Die begehrte Aussetzung nach § 63 SDG war daher auszusprechen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 77 Abs. 4 SDG, 154 Abs. 1 VwGO.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.

Für die Rechtsverhältnisse der Beamtinnen auf Zeit und Beamten auf Zeit gelten die Vorschriften für Beamtinnen auf Lebenszeit und Beamte auf Lebenszeit entsprechend, soweit durch Landesrecht nichts anderes bestimmt ist.

Kommt eine Abfindung in Land in Betracht, können die in den Ländern tätigen gemeinnützigen Siedlungsunternehmen im Sinne des Reichssiedlungsgesetzes mit der Beschaffung des Ersatzlands und der Durchführung der Umsiedlung beauftragt werden.

(1) Bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, ist diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern.

(2) Von der Anhörung kann abgesehen werden, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalls nicht geboten ist, insbesondere wenn

1.
eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint;
2.
durch die Anhörung die Einhaltung einer für die Entscheidung maßgeblichen Frist in Frage gestellt würde;
3.
von den tatsächlichen Angaben eines Beteiligten, die dieser in einem Antrag oder einer Erklärung gemacht hat, nicht zu seinen Ungunsten abgewichen werden soll;
4.
die Behörde eine Allgemeinverfügung oder gleichartige Verwaltungsakte in größerer Zahl oder Verwaltungsakte mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen will;
5.
Maßnahmen in der Verwaltungsvollstreckung getroffen werden sollen.

(3) Eine Anhörung unterbleibt, wenn ihr ein zwingendes öffentliches Interesse entgegensteht.

(1) Eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften, die nicht den Verwaltungsakt nach § 44 nichtig macht, ist unbeachtlich, wenn

1.
der für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderliche Antrag nachträglich gestellt wird;
2.
die erforderliche Begründung nachträglich gegeben wird;
3.
die erforderliche Anhörung eines Beteiligten nachgeholt wird;
4.
der Beschluss eines Ausschusses, dessen Mitwirkung für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderlich ist, nachträglich gefasst wird;
5.
die erforderliche Mitwirkung einer anderen Behörde nachgeholt wird.

(2) Handlungen nach Absatz 1 können bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden.

(3) Fehlt einem Verwaltungsakt die erforderliche Begründung oder ist die erforderliche Anhörung eines Beteiligten vor Erlass des Verwaltungsaktes unterblieben und ist dadurch die rechtzeitige Anfechtung des Verwaltungsaktes versäumt worden, so gilt die Versäumung der Rechtsbehelfsfrist als nicht verschuldet. Das für die Wiedereinsetzungsfrist nach § 32 Abs. 2 maßgebende Ereignis tritt im Zeitpunkt der Nachholung der unterlassenen Verfahrenshandlung ein.

Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 12. Kammer - vom 22. Juni 2016 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

1

Der Antragsteller ist Polizeikommissaranwärter im 72. Studienjahrgang an der Hochschule Bund - Fachbereich Bundespolizei. Mit Bescheid vom 2. Mai 2016 verbot der Präsident der Bundespolizeiakademie dem Antragsteller die Führung der Dienstgeschäfte und ordnete die sofortige Vollziehung an. Zur Begründung hieß es, das Verhalten des Antragstellers innerhalb des Dienstbetriebs offenbare eine rechtsextreme zumindest latent rassistische Gesinnung. Seine Äußerungen und Verhaltensweisen ließen auf eine für den Polizeivollzugsdienst untragbare charakterliche Grundeinstellung und eine tiefe Missachtung der ihm auferlegten Pflicht schließen, die freiheitlich demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes anzuerkennen und für deren Einhaltung einzutreten.

2

Dem war vorausgegangen, dass Studierende seines Jahrgangs gegenüber dem Prodekan des Zentralen Lehrbereichs der Bundespolizeiakademie in Brühl Angaben zum Verhalten des Antragstellers gemacht hatten, die zur Einleitung eines förmlichen Strafverfahrens und zu polizeilichen Ermittlungen u.a. gegen den Antragsteller geführt haben. Es hat daraufhin bei ihm eine gerichtlich angeordnete Durchsuchung stattgefunden und mehrere Zeugen sind zu den Vorkommnissen polizeilich vernommen worden.

3

Am 11. Mai 2016 legte der Antragsteller Widerspruch gegen den Bescheid ein. Zugleich hat er beim Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgericht einen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gestellt, den das Gericht mit Beschluss vom 22. Juni 2016 abgelehnt hat. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei hinreichend begründet worden. Die in der Sache vorzunehmende Interessenabwägung falle zugunsten des öffentlichen Interesses an der sofortigen Vollziehung aus. Der angegriffene Bescheid erweise sich bei summarischer Prüfung als offensichtlich formell und materiell rechtmäßig. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 66 BBG lägen vor. Zwingende dienstliche Gründe im Sinne der Norm seien zu bejahen.

4

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 22. Juni 2016 ist unbegründet. Die zu ihrer Begründung dargelegten Gründe, die allein Gegenstand der Prüfung durch den Senat sind (§ 146 Abs. 4 S. 6 VwGO), stellen das Ergebnis des angefochtenen Beschlusses nicht in Frage.

5

Soweit der Antragsteller meint, der angefochtene Beschluss leide an einem Verfahrensfehler, trifft dies nicht zu. Der Antragsteller beanstandet zu Unrecht, die erstinstanzliche Entscheidung sei zur Unzeit ergangen, weil die Antragserwiderung der Antragsgegnerin seinem Prozessbevollmächtigten mit gerichtlicher Verfügung vom 24. Mai 2016 lediglich „zur Kenntnisnahme und eventuellen Stellungnahme“ ohne Fristsetzung übersandt worden sei und sein Prozessbevollmächtigter sich bis zum 19. Juni 2016 im Urlaub befunden habe. Zwischen Übersendung der Antragserwiderung und Beschlussfassung lagen mehrere Wochen. In einer Konstellation wie der vorliegenden, in der es dem Antragsteller auch darum ging, noch vor Ende des Studienabschnitts im Juni 2016 wieder zur Ausbildung zugelassen zu werden, hätte der Prozessbevollmächtigte Vorsorge dafür treffen müssen, dass auch während seiner Urlaubsabwesenheit auf gerichtliche Verfügungen bei Bedarf in angemessener Zeit reagiert werden kann.

6

Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 2. Mai 2016 hat keinen Erfolg, weil die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vorzunehmende Abwägung zwischen dem öffentlichen Vollziehungsinteresse und dem Interesse des Antragstellers an der Aussetzung der Vollziehung hier zu Ungunsten des Antragstellers ausgeht.

7

Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung eines Verbots der Führung der Dienstgeschäfte gemäß § 66 Satz 1 BBG ist in aller Regel zu bejahen, sofern dieses nicht offenbar zu Unrecht ausgesprochen worden ist, um den Zweck eines solchen Verbots erfüllen zu können (vgl. Plog/Wiedow, Bundesbeamtengesetz- Kommentar, Stand Juli 2016, § 66 Rn. 31). § 66 Satz 1 BBG bestimmt, dass die oberste Dienstbehörde oder die von ihr bestimmte Behörde einer Beamtin oder einem Beamten aus zwingenden dienstlichen Gründen die Führung der Dienstgeschäfte verbieten kann.

8

Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist formell rechtmäßig. Die gemäß § 80 Abs. 3 VwGO erforderliche Begründung des Interesses an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes ist entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht zu beanstanden. Angesichts der Besonderheit der Maßnahme mit schon materiellrechtlich erforderlichen zwingenden Gründen besteht in aller Regel zugleich Anlass und Rechtfertigung, die sofortige Vollziehung anzuordnen. Dafür werden im Allgemeinen keine zusätzlichen Gründe angeführt werden können und müssen (Plog/Wiedow, a.a.O., § 66 Rn. 31). Im Bescheid heißt es dementsprechend zur Begründung des Sofortvollzuges, es sei sicherzustellen, dass der Dienstbetrieb der Bundespolizeieinrichtungen ungestört und ordnungsgemäß verlaufe und weitere Übergriffe verhindert würden. Das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte sei daher mit sofortiger Vollziehbarkeit anzuordnen, um die bezweckte Wirkung zu gewährleisten. Diese Begründung ist hinreichend. Soweit der Antragsteller meint, es hätte einer weitergehenden Begründung bedurft, weshalb die Aufrechterhaltung des Ausbildungsbetriebs, die Einsatz- und Funktionsfähigkeit der Bundespolizei, das Ansehen des Beamtentums und der Schutz der anderen Auszubildenden gefährdet sein solle, obwohl er sich als Polizeikommissar in Ausbildung an der Verwaltungsfachhochschule befinde und keinen Außenkontakt habe, dringt er damit nicht durch. Denn zu Bundespolizeieinrichtungen, deren ordnungsgemäßer Betrieb sichergestellt werden soll, gehört auch die Hochschule selbst. Entscheidend für die Gefährdung der Funktionsfähigkeit der Bundespolizei - wie der öffentlichen Verwaltung im Allgemeinen - ist, ob der Dienstherr oder die Allgemeinheit künftig noch Vertrauen in eine ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung durch die Bundespolizei hätten, wenn ihnen die Vorwürfe und das weitere Verbleiben des Antragstellers in der Ausbildung bis zur abschließenden Klärung bekannt würden. Darüber hinaus ist durch die polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen bereits Außenwirkung erzeugt worden.

9

Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist auch materiell rechtmäßig; denn es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte offensichtlich zu Unrecht ausgesprochen worden sein könnte.

10

Zutreffend hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass gegen die formelle Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 2. Mai 2016 keine Bedenken bestünden, insbesondere die fehlende Anhörung vor Erlass des streitgegenständlichen Bescheides unbeachtlich sei, weil entweder Gründe für ein Absehen von der Anhörung (gemäß § 28 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG) vorlägen oder jedenfalls die Möglichkeit der Nachholung bis zum Abschluss des Klageverfahrens bestehe (vgl. § 45 Abs. 2 VwVfG). Damit wird dem verfassungsrechtlich verankerten Anspruch auf rechtliches Gehör Genüge getan.

11

Gründe, die gegen die materielle Rechtmäßigkeit des Bescheides sprechen könnten, ergeben sich nicht aus der Beschwerdebegründung (und sind auch nicht ersichtlich).

12

Ob zwingende dienstliche Gründe im Sinne von § 66 BBG zu bejahen sind, ist nach den Kenntnissen, die zum Zeitpunkt des Erlasses des Verbots vorgelegen haben, zu beurteilen. Da es sich um ein vorläufiges Verbot im Sinne einer materiellrechtlichen Eilmaßnahme handelt - denn es erlischt gemäß § 66 Satz 2 BBG, wenn nicht bis zum Ablauf von drei Monaten gegen den Beamten ein Disziplinarverfahren oder ein sonstiges auf Rücknahme der Ernennung oder auf Beendigung des Beamtenverhältnisses gerichtetes Verfahren eingeleitet worden ist -, kann keine abschließende Klärung des Sachverhalts gefordert werden (vgl. Plog/Wiedow, a.a.O. § 66 Rn. 30). Die endgültige Aufklärung ist dem staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren und dem bereits im Juli eingeleiteten Entlassungsverfahren vorbehalten.

13

Die Ausübung von Dienstgeschäften setzt nicht voraus, dass dem Beamten ein Amt im statusrechtlichen Sinne verliehen ist. Es genügt vielmehr, dass ihm Dienstgeschäfte zur Wahrnehmung übertragen sind, weshalb auch ein Beamter auf Widerruf im Vorbereitungsdienst – wie hier – Dienstgeschäfte im Sinne der Vorschrift ausübt (vgl. Plog/Wiedow, a.a.O., § 66 Rn. 16).

14

Bei dem Begriff der zwingenden dienstlichen Gründe handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der der vollen gerichtlichen Nachprüfung unterliegt. Zwingende dienstliche Gründe sind gegeben, wenn bei weiterer Ausübung des Dienstes durch den Beamten auf seinem bisherigen Dienstposten der Dienstbetrieb erheblich beeinträchtigt würde oder andere gewichtige dienstliche Nachteile ernsthaft zu besorgen wären (vgl. zu § 22 SG: BVerwG, Beschl. v. 19.11.1998 - 1 WB 36.98 -, Juris Rn. 5). Die zu befürchtenden Nachteile müssen so gewichtig sein, dass dem Dienstherrn die Führung der Dienstgeschäfte durch den Beamten bis zur abschließenden Klärung und Entscheidung nicht zugemutet werden kann (vgl. zu § 39 BeamtStG: OVG NRW, Beschl. v. 17.06.2013 - 6 A 2586/12 -, Juris 13). Anders als bei der vorläufigen Dienstenthebung im Zusammenhang mit einem Disziplinarverfahren kommt es bei einem Verbot der Führung der Dienstgeschäfte nach § 66 BBG nicht auf ein vorwerfbares Fehlverhalten des Beamten an, sondern auf die objektive Gefährdung des Dienstes. Das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte dient gemäß § 66 BBG der dienstrechtlichen Gefahrenabwehr; die Maßnahme trägt nur vorläufigen Charakter. Mit ihr sollen durch eine sofortige oder wenigstens eine sehr rasche Entscheidung des Dienstherrn gravierende Nachteile durch die aktuelle Dienstausübung des Beamten für den Dienstherrn vermieden werden. Maßgebend ist die Prognose, dass die Aufgabenerfüllung der Verwaltung durch die vorerst weitere Amtsführung des Beamten objektiv gefährdet ist. Demnach ist nicht erforderlich, dass bereits Klarheit über den Grund für die Beeinträchtigung der dienstlichen Belange oder die weitere Verwendung und Behandlung des Beamten besteht; vielmehr eröffnet das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte dem Dienstherrn die Möglichkeit, ohne Gefährdung der dienstlichen Interessen Ermittlungen anzustellen und eine solidere Grundlage für dauerhafte Entscheidungen zu gewinnen. Entsprechend dem Zweck des Verbots genügt insoweit der auf hinreichenden Anhaltspunkten beruhende Verdacht einer Gefahrenlage. Die endgültige Aufklärung ist den in § 66 Satz 2 BBG aufgeführten weiteren Verfahren vorbehalten (so auch zu § 39 BeamtStG: OVG NRW, Beschl. v. 30.07.2015 - 6 A 1454/13 -, Juris Rn. 7 ff. m.w.N.).

15

Für ein Verbot der Führung der Dienstgeschäfte ist daher keine erschöpfende Aufklärung erforderlich; es genügt vielmehr, wenn der zuständige Vorgesetzte auf Grund der vorliegenden Erkenntnisse zu der begründeten Überzeugung gelangt, dass dienstliche Gründe ein sofortiges Handeln erfordern und das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte als zwingend geboten erscheinen lassen (vgl. zu § 22 SG: BVerwG, Beschl. v. 19.11.1998 - 1 WB 36.98, Juris Rn.).

16

Dass Letzteres vorliegend der Fall war, stellt das Beschwerdevorbringen nicht durchgreifend in Frage.

17

Die Antragsgegnerin hat begründete Zweifel daran, dass der Antragsteller die persönliche und fachliche Eignung für sein Amt besitzt. Denn es gibt konkrete Anhaltspunkte dafür, dass er aufgrund seiner rechtsextremen und zumindest latent rassistischen Einstellung nicht die Gewähr dafür bietet, jederzeit für die freiheitlich demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes einzutreten. Die Pflicht des Beamten zur Verfassungstreue ist ein hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums im Sinne des Art. 33 Abs. 5 GG, die auch für das Beamtenverhältnis auf Widerruf im Vorbereitungsdienst gilt (BVerwG, Urt. v.09.06.1981 - 2 C 48.78 -, Juris Rn. 24). Da Beamte auf Widerruf gemäß § 37 Abs. 1 Satz 1 BBG jederzeit entlassen werden können, können berechtigte Zweifel an der Verfassungstreue einen sachlichen Grund für die Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf darstellen; der Nachweis eines konkreten Dienstvergehens oder einer schuldhaften Verletzung der Pflicht zur Verfassungstreue ist insoweit nicht erforderlich (vgl. BVerwG, Urt. v. 09.06.1981, a.a.O., Juris Rn. 20).

18

Das Vorbringen des Antragstellers, das Verwaltungsgericht habe aus der beigezogenen Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft fehlerhaft zitiert und deshalb zu Unrecht das Vorliegen der „zwingenden dienstlichen Gründe“ bejaht, greift nicht durch. Ob tatsächlich ungenau zitiert wurde, kann dahinstehen, weil der Akteninhalt die Annahme „zwingender dienstlicher Gründe“ rechtfertigt.

19

Aufgrund der Angaben, die fünf Studierende am 25. April 2016 gegenüber dem Prodekan des Zentralen Lehrbereichs hinsichtlich des Antragstellers gemacht haben, bestehen konkrete Anhaltspunkte, dass der Antragsteller eine rechtsextreme und fremdenfeindliche Einstellung hat erkennen lassen. Seine Kollegen berichteten über mehrfach und öffentlich getätigte rechtsradikale Äußerungen des Antragstellers, sowie darüber, dass der Antragsteller im Besitz von Bildmaterial mit mutmaßlich nationalsozialistischen Inhalten sei. Diese Angaben haben sich zum einen durch die polizeilichen Vernehmungen der Kollegen des Antragstellers (vgl. Synopse der Zeugenaussagen, Bl. 148 bis 150 der polizeilichen Ermittlungsakte - BA B) und zum anderen aufgrund der beim Antragsteller auf dem Mobiltelefon vorgefundenen Fotos (Bl. 130 bis 146 BA B) bestätigt. Ob diese Feststellungen ausreichen, um den Grad strafbaren Verhaltens zu erreichen, ist irrelevant. Sie zeigen jedenfalls, dass der Antragsteller sich nicht von rechtsradikalem Gedankengut distanziert und mithin Zweifel an der charakterlichen Eignung im Hinblick auf die Ausübung des Berufes eines Polizisten der Bundespolizei gerechtfertigt sind. Soweit er geltend macht, die auf dem Mobiltelefon gespeicherten Bilder seien Privatsache, Bilder, auf denen Hakenkreuze abgebildet seien, seien ihm zugeschickt worden und stellten einen – auch so verstandenen – makabren Scherz dar, Bilder von Soldaten der Wehrmacht oder der Waffen-SS seien Ausdruck seines historischen Interesses, ist dies vor dem Hintergrund der Schilderungen der Kommilitonen über das Verhalten des Antragstellers - auch im Zusammenspiel mit dem Kommilitonen ... - als Schutzbehauptung zu werten.

20

Nach dem derzeitigen Aktenstand trifft es entgegen dem Vorbringen des Antragstellers nicht zu, dass er die abgespeicherten Fotos nicht weitergezeigt habe. So bezeugt etwa die Zeugin ..., dass der Antragsteller sowohl verschiedene „SS-Frisuren als auch Fotos mit Hakenkreuzen und SS-Runen auf seinem Handy hatte und überall rumgezeigt hat“ (Bl. 58 BA B). Auch die Zeugin ... gab an, dass der Antragsteller ihr ein Foto eines SS-Mannes gezeigt habe, bei dem SS-Runen auf dem Uniformkragen zu sehen gewesen seien, und ein weiteres Bild eines „Propagandaplakats mit einem abgebildeten SS-Mann“ (Bl. 55 BA B). Dass es ihm dabei lediglich um die Erörterung einer möglichen neuen Frisur gegangen sei, wie von ihm vorgetragen, erklärt nicht, weshalb er dafür Bilder mit Nazisymbolen ausgewählt hat.

21

Nach Angaben des Zeugen ... soll der Antragsteller „... als ... bezeichnet“ haben. Im Kontext mit den auf Bl. 144 bis 146 der Beiakte B befindlichen Bildern, die sich auf dem Mobiltelefon des Antragstellers fanden, lässt dies den Schluss auf eine ausländerfeindliche Gesinnung des Antragstellers zu. Dort heißt es zum Beispiel: „...“.

22

Soweit der Antragsteller bestreitet, jemals „Sieg Heil“ gerufen zu haben, widerspricht dies den Angaben mehrerer Zeugen, die einen entsprechenden Ausruf von ihm in angetrunkenem Zustand gehört haben wollen (vgl. Synopse, Bl. 148 ff. BA B).

23

Aufgrund dieser Erkenntnisse ist sein Vorbringen, er habe den Eid, den er auf die Verfassung geschworen habe, jederzeit gehalten und beabsichtige ihn auch nicht zu brechen, nicht glaubhaft. Die vom Antragsteller angeführte Vermutung, seine anzeigenerstattenden Kollegen hegten möglicherweise persönliche Animositäten gegen ihn, vermögen die konkreten Anhaltspunkte für fehlende charakterliche Eignung - insbesondere aufgrund der bei ihm vorgefundenen Bilder - ebenfalls nicht in Frage zu stellen.

24

Ob der Antragsteller in Gesprächen mit dem Kommilitonen ... zudem antisemitische und menschenverachtende Äußerungen getätigt oder solche gefallenen Äußerungen gutgeheißen hat, bedarf im vorliegenden einstweiligen Rechtsschutzverfahren keiner weitergehenden Aufklärung, weil die vorstehend aufgezählten Umstände ausreichen, um „zwingende dienstliche Gründe“ zu bejahen. Dementsprechend ist auch eine vom Antragsteller beantragte Zeugenvernehmung entbehrlich und einem etwaigen Hauptsacheverfahren bzw. Entlassungsverfahren vorbehalten.

25

Entgegen der Auffassung des Antragstellers führt der Umstand, dass er sich lediglich im Ausbildungsverhältnis befinde und keinen Außenkontakt habe, nicht dazu, dass das ausgesprochene Verbot unverhältnismäßig wäre. Dies ergibt sich aus den von Seiten der Antragsgegnerin angeführten Argumenten. Dazu heißt es zutreffend im Bescheid, ein Verbleib im Ausbildungsbetrieb würde zu einem erheblichen Ansehensverlust für die Bundespolizei führen und könnte dem Eindruck Vorschub leisten, die Bundespolizei dulde in ihren Reihen rechtsextremistische oder jedenfalls menschenverachtende Äußerungen. Darüber hinaus bestehe die Gefahr, dass die strafrechtlichen und dienstrechtlichen Ermittlungen erschwert werden könnten. Schließlich diene die Maßnahme auch dem Schutz der Mitstudierenden, die in dem laufenden Verfahren als Zeugen ausgesagt hätten. Im Beschwerdeverfahren hat die Antragsgegnerin ergänzend und zutreffend darauf hingewiesen, dass auch zu berücksichtigen sei, dass der Antragsteller im Rahmen der fachpraktischen Ausbildung in Uniform in der Öffentlichkeit tätig werden müsste.

26

Auch der Einwand des Antragstellers, der Bescheid sei rechtswidrig, weil die Antragsgegnerin kein Ermessen ausgeübt habe, verfängt nicht. Sofern die Tatbestandsvoraussetzungen der zwingenden dienstlichen Gründe für das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte erfüllt sind, wird in aller Regel Ermessen nicht mehr hinsichtlich der Anordnung der Maßnahme als solcher (vgl. Plog/Wiedow, a.a.O., § 66 BBG Rn. 21 a.E.), sondern im Wesentlichen nur noch dahin eröffnet sein, ob es eine andere Möglichkeit gibt, den betreffenden Beamten amtsangemessen zu beschäftigen, gegebenenfalls auch zu Dauer und Umfang des Verbots (vgl. zu § 39 BeamtStG: OVG NRW, Beschl. v. 17.06.2013 – 6 A 2586/12 -, Juris Rn. 14). Da es für einen Widerrufsbeamten im Vorbereitungsdienst keine andere Möglichkeit der amtsangemessenen Beschäftigung gibt, heißt es zutreffend im Bescheid, die Maßnahme nach § 66 BBG sei aus vorbenannten Gründen unerlässlich.

27

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO; die Festsetzung des Streitwertes beruht auf den § 53 Abs. 2, § 52 Abs. 1 und 2 GKG.

28

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


Beamtinnen und Beamten kann aus zwingenden dienstlichen Gründen die Führung der Dienstgeschäfte verboten werden. Das Verbot erlischt, wenn nicht bis zum Ablauf von drei Monaten gegen die Beamtin oder den Beamten ein Disziplinarverfahren oder ein sonstiges auf Rücknahme der Ernennung oder auf Beendigung des Beamtenverhältnisses gerichtetes Verfahren eingeleitet worden ist.

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,- € festgesetzt.

Gründe

Der auf den Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (ernstliche Zweifel) gestützte Antrag bleibt ohne Erfolg.

1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen auf der Grundlage des Zulassungsvorbringens nicht. Ernstliche Zweifel im Sinne dieser Vorschrift, die die Zulassung der Berufung rechtfertigen, sind zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen. Dies ist vorliegend nicht der Fall.

1.1. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht die Klage gegen den Bescheid der Bayerischen Bereitschaftspolizei vom 29. Januar 2015, mit dem gegen den Kläger sofort vollziehbar ein Verbot der Führung der Dienstgeschäfte angeordnet worden ist, abgewiesen. Dabei hat es ausgeführt, dass im maßgeblichen Zeitpunkt der Anordnung zwingende Gründe im Sinne von § 39 Satz 1 BeamtStG vorgelegen hätten. Eine weitere Ausübung der Dienstgeschäfte durch den Kläger sei seinerzeit nicht mehr vertretbar gewesen. Ermessensfehler seien nicht ersichtlich, insbesondere sei das Verbot verhältnismäßig gewesen. Aus Sicht des Senats, ist dies rechtlich nicht zu beanstanden

1.2 Die Einwände, die mit dem Zulassungsvorbringen gegen die Ausführungen des Verwaltungsgerichts erhoben werden, greifen nicht durch.

Gemäß § 39 Satz 1 BeamtStG kann Beamtinnen und Beamten aus zwingenden dienstlichen Gründen die Führung der Dienstgeschäfte verboten werden. Bei dem Begriff der zwingenden dienstlichen Gründe handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der der vollen gerichtlichen Nachprüfung unterliegt. Diese liegen vor, wenn bei einer weiteren Ausübung des Dienstes durch den Beamten auf seinem bisherigen Dienstposten der Dienstbetrieb erheblich beeinträchtigt würde oder andere gewichtige dienstliche Nachteile ernsthaft zu besorgen wären. Die zu befürchtenden Nachteile müssen so gewichtig sein, dass dem Dienstherrn die Führung der Dienstgeschäfte durch den Beamten bis zur abschließenden Klärung und Entscheidung nicht zugemutet werden kann (OVG NW, B.v. 30.7.2015 - 6 A 1454/13 - juris Rn. 4 ff.; B.v. 17.6.2013 - 6 A 2586/12 - juris Rn. 11 ff.).

Anders als bei der vorläufigen Dienstenthebung im Zusammenhang mit einem Disziplinarverfahren kommt es bei einem Verbot der Führung der Dienstgeschäfte nach § 39 Satz 1 BeamtStG nicht auf ein vorwerfbares Fehlverhalten des Beamten an, sondern auf die objektive Gefährdung des Dienstes (BVerwG, B.v. 17.7.1979 - 1 WB 67.78 - juris Rn. 39; v. Roetteken/Rothländer, BeamtStG, juris-online, 18. Update 07/15, § 39 Rn. 29). Die Maßnahme trägt nur vorläufigen Charakter. Maßgebend ist die Prognose, dass die Aufgabenerfüllung der Verwaltung durch die vorerst weitere Amtsführung des Beamten objektiv gefährdet ist (vgl. v. Roetteken/Rothländer a.a.O.). Demnach ist nicht erforderlich, dass bereits Klarheit über den Grund für die Beeinträchtigung der dienstlichen Belange oder die weitere Verwendung und Behandlung des Beamten besteht; vielmehr eröffnet das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte dem Dienstherrn die Möglichkeit, ohne Gefährdung der dienstlichen Interessen Ermittlungen anzustellen und eine solidere Grundlage für dauerhafte Entscheidungen zu gewinnen (OVG NW, B.v. 17.6.2013 a.a.O Rn. 13. mit weiteren Nachweisen). Entsprechend dem Zweck des Verbots genügt insoweit der auf hinreichenden Anhaltspunkten beruhende Verdacht, dass dienstliche Gründe ein sofortiges Handeln erfordern und das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte als zwingend geboten erscheinen lassen (vgl. zu § 22 SG: BVerwG, Beschluss vom 19. November 1998 - 1 WB 36.98 - juris Rn. 8; OVG Lüneburg, B.v. 20.4.2010 - 5 ME 282/09 - juris Rn. 13; VG München, B.v. 17.4.2002 - M 5 S. 02.1111 - juris Rn. 28). Die endgültige Aufklärung ist den in § 39 Satz 2 BeamtStG aufgeführten weiteren Verfahren vorbehalten (OVG NW, B.v. 17.6.2013 a.a.O).

1.2.1 Das Vorliegen zwingender dienstlicher Gründe wird durch das Zulassungsvorbringen nicht durchgreifend in Frage gestellt. Hierfür kann bereits der Verdacht einer Straftat ausreichen (vgl. von Roetteken/Rothländer a.a.O. § 39 BeamtStG Rn. 31; VG Düsseldorf, B.v. 18.5.2016 - 13 L 832/16 - juris Rn. 42).

Zum Zeitpunkt der Anordnung des Verbots hatten sich zuvor verschiedene Vorfälle im Zusammenhang mit dem Kläger ereignet, die bezüglich seiner Person den Verdacht aufkommen ließen, er habe über einen längeren Zeitraum hinweg verschiedene dienstliche Kleidungsstücke seiner Kollegen entwendet oder unterschlagen. Bei der daraufhin durchgeführten Untersuchung seiner dienstlichen Unterkunft am 16. Januar 2015 wurden acht verschiedene Kleidungsstücke aufgefunden, die dem Kläger nicht eindeutig zuordenbar waren, unter anderem Damenbekleidungsstücke bzw. Kleidungsstücke, die nicht die Größe des Klägers aufwiesen. Unter den aufgefundenen Kleidungsstücken befand sich auch ein Damenparka Größe 38 von der Art und Größe, wie er kurz zuvor von einer Kollegin als vermisst gemeldet worden war. Zum Teil waren Kleidungsstücke doppelt vorhanden oder enthielten fremde Namenskennzeichnungen. Die Verdachtsmomente gegen den Kläger hatten sich für die Strafverfolgungsbehörden bereits dergestalt verdichtet, dass gegen den Kläger ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet worden war. Soweit das Verwaltungsgericht deshalb mit dem Beklagten davon ausging, dass zum Zeitpunkt der Verbotsanordnung am 29. Januar 2015 zwingende dienstliche Gründe gemäß § 39 BeamtStG vorlagen, so ist dies rechtlich nicht zu beanstanden.

Gerade bei der Polizei müssen sich die Beamten im Rahmen der Zusammenarbeit in besonderer Weise auf ihre Kollegen verlassen können. Ein im Raum stehender Verdacht des Kollegendiebstahls oder einer Unterschlagung dienstlicher Bekleidung im Kollegenkreis ist deshalb geeignet, das für eine reibungslose Zusammenarbeit notwendige Vertrauen innerhalb der Dienststelle zu zerstören und den Betriebsfrieden zu gefährden. Soweit der Beklagte bei Verbotserlass der Auffassung war, dass die erhebliche Störung des Vertrauensverhältnisses die weitere Ausübung der Dienstverrichtung durch den Kläger bis auf weiteres unvertretbar mache, ist hiergegen nichts zu erinnern. Ermessensfehler sind nicht ersichtlich und wurden auch nicht vorgetragen.

1.2.2 Mit seinem Vorbringen, bei der Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Verbotsanordnung hätte das Verwaltungsgericht berücksichtigen müssen, dass aufgrund des zwischenzeitlich erfolgten Freispruchs im Urteil des Amtsgerichts M … vom 4. Februar 2016 (Az. …) alle Verdachtsmomente gegenüber dem Kläger ausgeräumt gewesen seien, so dass spätestens ab diesem Zeitpunkt der Bescheid vom 29. Januar 2015 rechtswidrig geworden sei, kann der Kläger ebenfalls nicht durchdringen.

Unabhängig von der Frage, welcher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Anordnung des Verbots der Führung der Dienstgeschäfte gemäß § 39 BeamtStG maßgeblich ist, ist das Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang zu Recht davon ausgegangen, dass mangels rechtskräftigem Strafurteil die strafrechtlichen Verdachtsmomente gegenüber dem Kläger auch zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht noch nicht endgültig ausgeräumt gewesen sind. Das Verwaltungsgericht folgte zudem der Auffassung des Beklagten, dass unabhängig von der Verwirklichung von Straftatbeständen beim Kläger nach wie vor der Verdacht eines erheblichen dienstlichen Fehlverhaltens bestehe, welches ebenfalls ein Verbot der Führung der Dienstgeschäfte rechtfertigen würde. Der Kläger habe keinerlei Bemühungen gezeigt, die von ihm verursachten behaupteten Verwechslungen aufzuklären und die Gegenstände zeitnah wieder ihrem rechtmäßigen Besitzern zuzuführen, obwohl ihm hätte bewusst sein müssen, dass die Aufklärung sich mit Zeitablauf immer schwieriger gestalten würde. Soweit das Verwaltungsgericht insofern zur Überzeugung gelangte, dass die vom Kläger vorgebrachten Behauptungen nicht dazu gedient hätten, den Verdacht eines dienstlichen Fehlverhaltens auszuräumen, ist dies rechtlich nicht zu beanstanden. Hiergegen wendet sich der Kläger auch nicht. Konkrete Erklärungen, wie, wann und zu welchem Zweck die ihm nicht zuordenbaren, dienstlichen Bekleidungsstücke in seinen Besitz gelangt sind, hat der Kläger bis heute nicht abgegeben.

1.2.3 Soweit das Verwaltungsgericht als maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Verbots der Führung der Dienstgeschäfte den Zeitpunkt der Anordnung heranzieht, so ist dies rechtlich nicht zu beanstanden (vgl. Zängl in Weiss/Niedermaier/Summer/Zängl, Bayerisches Beamtengesetz, Stand November 2015, § 39 BeamtStG Rn. 60; Sächsisches OVG, B.v. 14.2.2012 - 2 A 133/11 - juris Rn. 16; OVG Lüneburg, B.v. 20.4.2010 a.a.O. Rn. 13; OVG NW, B.v. 30.7.2015 a.a.O. Rn. 48; VG Aachen, B.v. 6.2.2017 - 1 L 50/17 - juris Rn. 32).

Zwar erschöpft sich die Anordnung des Verbots der Führung der Dienstgeschäfte gemäß § 39 Satz 1 BeamtStG nicht in einem einmaligen Verbot, sondern ist in seiner Wirkung auf Dauer angelegt (vgl. Zängl in Weiss/Niedermaier/Summer/Zängl a.a.O. § 39 BeamtStG Rn. 60; VG Gelsenkirchen, U.v. 4.11.2015 - 1 K 515/15 - juris Rn. 46, BVerwG, B.v. 29.10.2014 - 9 B 32/14 - juris Rn. 3), so dass hier von einem Dauerverwaltungsakt auszugehen ist, für dessen Beurteilung der Rechtmäßigkeit im Einklang mit der obergerichtlichen Rechtsprechung grundsätzlich die jeweilige aktuelle Sach- und Rechtslage maßgeblich ist (vgl. BVerwG, B.v. 29.10.2014 a.a.O.). Allerdings kann mit der Anfechtungsklage vorliegend nicht zugleich auch eine Prüfung der Frage herbeigeführt werden, ob ein auf einer Ermessensentscheidung beruhender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung wegen einer nachträglichen Änderung der Verhältnisse aufzuheben ist. Vielmehr steht auch diese Entscheidung im Ermessen der Behörde (vgl. OVG Münster, U.v. 16.7.1974 - XII A 572/72 - ZBR 1975, 319/321), die hierbei im Rahmen des § 39 Satz 1 BeamtStG auch neue oder andere Gesichtspunkte in ihre Entscheidung miteinbeziehen kann. Ist deshalb der Beamte der Auffassung, dass die Voraussetzungen für das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte nachträglich entfallen sind, so kann er wegen der Dauerwirkung des Verwaltungsakts bei der zuständigen Behörde die Aufhebung des Verbots beantragen. Gegen die Ablehnung oder Nichtentscheidung des Antrags wäre dann die Verpflichtungsklage richtige Klageart, bei deren Prüfung alle Umstände berücksichtigt werden müssten, die bis zur letzten Tatsacheninstanz eingetreten sind (vgl. Zängl in Weiss/Niedermaier/Summer/Zängl a.a.O. § 39 BeamtStG Rn. 61). Zudem hat der Beklagte im Rahmen des vorliegenden Verfahrens zum Ausdruck gebracht, dass auch zum aktuellen Zeitpunkt aufgrund des vertrauensschädigenden Verhaltens des Klägers unabhängig von dessen strafrechtlicher Beurteilung eine Aufhebung des Verbots der Führung der Dienstgeschäfte nicht in Betracht kommt.

1.2.4 Zu Recht ging das Verwaltungsgericht von der Verhältnismäßigkeit des Verbots der Führung der Dienstgeschäfte aus. Soweit der Kläger vorbringt, die streitgegenständliche Maßnahme vom 29. Januar 2015 sei deshalb unverhältnismäßig, weil sie mittlerweile eineinhalb Jahre andauere, einen massiven Eingriff in den Schutzbereich des Art. 12 GG darstelle und es sich bei den inkriminierten Gegenständen insgesamt um einen Wert von unter 250,- Euro handele, kann er nicht durchdringen. Die Bewertung des Verwaltungsgerichts, das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte sei deshalb angemessen gewesen, weil die Anhaltspunkte für Straftaten im Kollegenbereich oder zumindest für grob nachlässig und unkollegiales Verhalten hinreichend konkret gewesen seien, um eine erhebliche Störung des Vertrauensverhältnisses zu rechtfertigen, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Der Beklagte hat ersichtlich nicht auf den Wert und Nutzen der beim Kläger aufgefundenen Gegenstände abgestellt, sondern auf die Schwere des inkriminierten Verhaltens und die Auswirkungen des hierdurch bedingten Vertrauensschadens für die Zusammenarbeit mit den Kollegen auf der Dienststelle (VG München, B v. 13.10.2006 - M 5 S. 06.3478 - juris Rn. 19). Die Entscheidung des Beklagten, deshalb das Individualinteresse des Klägers an der Führung seiner Dienstgeschäfte gegenüber dienstlichen Interessen zurücktreten zu lassen, hat das Verwaltungsgericht zu Recht nicht als unverhältnismäßig erachtet. Gleiches gilt für die Entscheidung, zunächst den Ausgang des Strafverfahrens abzuwarten.

1.2.5 Das Vorbringen des Klägers, das Urteil des Verwaltungsgerichts beruhe auf einem unrichtigen Tatbestand, ist ebenfalls nicht geeignet, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils zu begründen. Es fehlt bereits an substantiierten Darlegungen, inwieweit das Urteil auf diesem Umstand beruht.

Einen Antrag des Klägers vom 4. April 2016 auf Berichtigung des Tatbestands gemäß § 119 Abs. 1 und 2 Satz 1 VwGO hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 27. April 2016 abgelehnt. Gemäß § 119 Abs. 2 Satz 2 VwGO ist dieser Beschluss unanfechtbar. Gegen die Ablehnung seines Antrags hat der Kläger gleichwohl Beschwerde erhoben, die der Senat mit Beschluss vom 20. März 2017 als unstatthaft verworfen hat (Az. 3 C 16.1094). Rechtsmittel gegen die Sachentscheidung kann der Kläger jedoch hierauf nicht stützen (vgl. Rennert in Eyermann, a.a.O. § 119 Rn. 6). Auch deshalb kann der Kläger mit seinem Vorbringen, das erstinstanzliche Urteil beruhe auf einem unrichtigen Tatbestand, im Rahmen des Zulassungsverfahrens nicht durchdringen.

2. Der Zulassungsantrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO abzulehnen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 3, 52 Abs. 2 GKG.

Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

Gründe

1

I. Der Antragsteller ist Regierungsoberamtsrat bei dem Antragsgegner. Gegen ihn läuft ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren wegen des Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz und des Besitzes kinderpornografischer Schriften.

2

Im Rahmen einer Hausdurchsuchung wurde bei dem Antragsteller jedenfalls ein Verschlusskopf für ein Sturmgewehr G3 sowie eine Bilddatei mit dem Verdacht kinderpornografischer Abbildungen gefunden. Die nachfolgende Durchsuchung der Diensträume des Antragstellers am 03.04.2014wurde mit Beschluss des Amtgerichts Hannover vom 03.04.2014 damit begründet, dass nach kriminalistischer Erfahrung zu erwarten sei, dass der Beschuldigte nach weiteren Bezugsmöglichkeiten kinderpornografischen Materials im Internet gesucht habe. Der (Dienst-)Rechner wurde sichergestellt und der persönliche Speicher auf dem Server gespiegelt.

3

Am 04.04.2014 leitete der Antragsgegner ein Disziplinarverfahren gegen den Antragsteller ein und enthob ihn gleichzeitig mit sofortiger Wirkung gemäß § 38 Abs. 1 des Disziplinargesetzes Sachsen-Anhalt (DG LSA) vorläufig vom Dienst, da ein Verbleiben im Dienst den Dienstbetrieb wesentlich beeinträchtigen würde. Den dagegen eingelegten Widerspruch wies der Antragsgegner mit Bescheid vom 01.09.2014 als unzulässig zurück und verfügte mit sofortiger Wirkung die Einbehaltung von 50 % der Dienstbezüge des Antragstellers. Ihm werde zur Last gelegt, gegen die „Dienstleistungspflicht“ und die Pflicht zu achtungswürdigen und vertrauensgerechten Verhalten verstoßen zu haben. Es bestehe der hinreichend begründete Verdacht eines Dienstvergehens, das mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu disziplinarischen Höchstmaßnahme führen werde. Bereits der Besitz kinderpornografischer Darstellungen sei im Regelfall als schweres Dienstvergehen zu qualifizieren. Ebenso sei der Verstoß gegen das Waffen- und Kriegswaffenkontrollgesetz mit den Grundsätzen des Beamtentums nicht vereinbar. Zudem sei eine Störung des Dienstbetriebes zu besorgen, wozu ausgeführt wird:

4

„Zwar tritt in meinem Hause kaum Publikumsverkehr auf. Gleichwohl handelt es sich um eine oberste Dienstbehörde. Als Ministerium stehen meine Bediensteten und ich besonders im Focus der Öffentlichkeit. Diese hat besonders hohe Erwartungen an die Verfassungs- und Gesetzestreue der Bediensteten meines Hauses. Insoweit erwarte ich und setze ich voraus, dass sich gerade meine Bediensteten besonders genau an die Verfassung und an die Gesetze halten. Unter anderem auch, weil auch in meinem Hause Gesetzesentwürfe erarbeitet werden.

5

Bereits das Bekanntwerden des Verdachts der Verletzung von Strafnormen durch einen Bediensteten meines Hauses würde den Hausfrieden erheblich stören: Meine Bediensteten würden Maßnahmen erwarten und für ein Verbleiben des Beamten im Dienst kein Verständnis aufbringen. Eine normale Zusammenarbeit ihres Mandanten mit seinen Kollegen sehe ich daher derzeit als nicht realisierbar an. Denn trotz aller Vorsichtsmaßnahmen hat sich die Durchsuchung der Diensträume unter meinen Bediensteten herumgesprochen. Zudem betreffen die Vorwürfe einen besonders sensiblen Bereich: den Schutz der Kinder und den Schutz vor unberechtigtem Einsatz von Waffen. Hier fühlt sich jeder meiner Bediensteten betroffen.

6

Die Angelegenheit ist außerdem geeignet, besonderes Aufsehen in der Öffentlichkeit zu erregen. Auch um diesem Vorzubeugen sehe ich keine andere Möglichkeit, als Ihren Mandanten vorläufig des Dienstes zu suspendieren. Hierbei kommt es nicht darauf an, dass er dienstlich grundsätzlich weder mit Kindern noch mit Waffen in Kontakt kommt. Es ist allein darauf abzustellen, dass er Bediensteter einer obersten Landesbehörde ist und die Vorwürfe einen besonders sensiblen Lebensbereich betreffen.

7

Diese Problematik würde auch nicht dadurch gemildert werden, dass Ihr Mandant Heimarbeit ausübt. Auch im Rahmen der Heimarbeit würde Ihr Mandant für mich tätig sein und nach Außen für mein Haus – und sei es auch nur gegenüber anderen Behörden und Institutionen – auftreten. Außerdem entfällt dadurch nicht die Zusammenarbeit mit den Kollegen und der Umgang mit den Dienstvorgesetzten.

8

Letztendlich bitte ich zugleich auch den damit verbundenen Schutz Ihres Mandanten zu sehen, da ich auch bei Heimarbeit Ihrs Mandanten Reaktionen meiner Bediensteten auf den bestehenden Verdacht nicht verhindern kann.“

9

II.) Der zulässige Antrag nach § 61 Abs. 2 Disziplinargesetz Sachsen-Anhalt (DG LSA) ist begründet.

10

Nach § 38 Abs. 1 Satz 1 DG LSA kann die für die Erhebung der Disziplinarklage zuständige Behörde einen Beamten gleichzeitig mit oder nach der Einleitung des Disziplinarverfahrens vorläufig des Dienstes entheben, wenn im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt wird. Ferner kann die vorläufige Dienstenthebung ausgesprochen werden, wenn durch ein Verbleiben des Beamten im Dienst der Dienstbetrieb oder die Ermittlungen wesentlich beeinträchtigt würden und die vorläufige Dienstenthebung nicht unverhältnismäßig ist (§ 38 Abs. 1 Satz 2 DG LSA). Zudem kann sie nach § 38 Abs. 2 DG LSA mit oder nach der vorläufigen Dienstenthebung anordnen, dass dem Beamten bis zu 50 v. H. der monatlichen Dienstbezüge einbehalten werden, wenn im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt werden wird.

11

Die vorläufige Dienstenthebung in der Gestalt des Bescheides vom 01.09.2014 stützt der Antragsgegner auf § 38 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 DG LSA.

12

Bei der Anordnung der Suspendierung handelt es sich nicht um eine Disziplinarmaßnahme im Sinne des Maßnahmenkataloges, sondern um eine beamtenrechtliche Maßnahme des Disziplinarrechts (Hummel/Köhler/Mayer, BDG, 5. Auflage 2012, § 38 Rz. 1). Ihre Berechtigung ergibt sich aus dem funktionalen Bedürfnis, noch vor der endgültigen Klärung des Vorliegens eines Dienstvergehens und der abschließenden Entscheidung über die angemessene Maßregelung des Beamten eine den Verwaltungsaufgaben und dem Dienstbetrieb dienende vorübergehende Sicherungsregel zu treffen.

13

1.) Die nach § 61 Abs. 2 DG LSA vom Disziplinargericht vorzunehmende Prüfung ergibt, dass die vorläufige Dienstenthebung sowie die Einbehaltung der Dienstbezüge aufzuheben sind. Denn zur Überzeugung des Disziplinargerichts bestehen ernstliche Zweifel an ihrer Rechtmäßigkeit.

14

a.) Eine auf § 38 Abs. 1Satz 1 DG LSA gestützte Verfügung über die vorläufige Dienstenthebung muss pflichtgemäßem Ermessen der Einleitungsbehörde entsprechen. Den Beamten auch nur vorläufig vom Dienst zu entheben, setzt voraus, dass ein Verbleiben des Beamten im Dienst schlechthin untragbar wäre. Dabei handelt es sich um die denkbar schwerste Sanktion für dienstliche Verfehlungen, welche nach der Rechtsprechung besondere Umstände voraussetzt. Für die konkrete Entscheidung im Einzelfall sind grundsätzlich das dienstliche Bedürfnis an der einstweiligen Fernhaltung des Beschuldigten vom Dienst und dessen Recht auf amtsentsprechende dienstliche Beschäftigung abzuwägen (vgl. dazu: Köhler/Ratz, BDO, 2. Aufl., § 91 Rz. 10: vgl. zum Ganzen: VG Magdeburg, Beschl. v. 10.02.2007, 8 B 22/06; Beschl. v. 03.03.2010, 8 B 21/09; zuletzt: Beschl. v. 31.03.2014, 8 B 2/14 und v. 26.08.2013, 8 B 13/13; Beschl. v. 27.08.2014, 8 B 13/14; OVG Lüneburg, Beschluss v. 25.03.2013, 19 ZD 4/13; alle juris).

15

Nach § 61 Abs. 2 DG LSA ist die vorläufige Dienstenthebung dann aufzuheben, wenn ernstliche Zweifel an ihrer Rechtmäßigkeit bestehen. Ernstliche Zweifel sind schon dann anzunehmen, wenn im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts offen ist, ob die Anordnung nach § 38 Abs. 1 DG LSA rechtmäßig oder rechtswidrig ist (vgl. nur: Bay. VGH, Beschl. v. 11.04.2012, 16b DC 11.985; OVG Lüneburg Beschluss vom 13.5.2005, 3 ZD 1/05; alle juris). Neben der formellen Rechtmäßigkeit der Anordnung ist somit zu prüfen, ob die in der Anordnung liegende Prognose gerechtfertigt ist, der Beamte werde im Disziplinarverfahren voraussichtlich aus dem Dienst entfernt werden.

16

Diese Prognose trägt nur dann, wenn nach dem Kenntnisstand eines Eilverfahrens die Möglichkeit des Ausspruchs der disziplinarrechtlichen Höchstmaßnahme überwiegend wahrscheinlich ist. Ist es dagegen zumindest ebenso wahrscheinlich, dass eine Entfernung des Beamten aus dem Beamtenverhältnis im Disziplinarverfahren nicht erfolgen wird, sind ernstliche Zweifel durch das Gericht zu bejahen (BVerwG, Besch. v. 16.07.2009, 2 AV 4.09; BayVGH, Beschl. v. 20.04.2011, 16b DS 10.1120;Sächs. OVG, B. 19.08.2010, D 6 B115/10 mit Verweis auf Beschluss vom 08.07.2010, D6A116/10; alle juris; Müller, Grundzüge des Beamtendisziplinarrechts, § 38 Abs. 1 BDG, 2010, Rz. 370 m. w. N.; GKÖD, Disziplinarrecht des Bundes und der Länder, § 38 BDG, Rz. 51). Anders gewendet, es müssen hinreichend gewichtige Gründe dafür sprechen, dass die Entfernung aus dem Dienst im Ergebnis des - noch durchzuführenden - Disziplinarverfahrens nicht in Betracht kommt. Dies beinhaltet eine vom Gericht vorzunehmende summarische Prüfung des zurzeit bekannten Sachverhaltes und eine daran orientierte Wahrscheinlichkeitsprognose. Hinsichtlich des zur Last gelegten Dienstvergehens genügt die Feststellung, dass der Beamte dieses Dienstvergehen mit einem hinreichenden Grad an Wahrscheinlichkeit begangen hat; nicht erforderlich ist, dass das Dienstvergehen bereits in vollem Umfang nachgewiesen ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 29.09.1997, 2 WDB 3.97; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 22.09.2009, 83 DB 1.09; OVG des Saarlandes, Beschl. v. 17.06.2009, 6 B 289/09; alle juris).

17

Die Beurteilung im Verfahren nach § 61 DG LSA erfordert keine gesonderten Beweiserhebungen, sondern ist in der Lage, in der sich das Disziplinarverfahren jeweils befindet, anhand der bis dahin zu Tage getretenen Tatsachen zu treffen. Für eine vorläufige Dienstenthebung können u. U. selbst durch Aktenvermerke untermauerte Erkenntnisse ausreichen (vgl. Müller a. a. O.). Dabei ist auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abzustellen (BVerwG, Beschl. v. 22.07.2002, 2 WDB 1.02; OVG Berlin-Brandenburg; Beschl. v. 18.08.2005, 80 SN 1.05; Bay VGH, Beschl. v. 11.04.2012, 16b DCV 11.985; alle juris). Jedoch muss für die gerichtliche Überprüfung der vorläufigen Dienstenthebung maßgeblich auf die von dem Dienstherrn in dem Bescheid herangezogenen Gründe der Pflichtenverletzung abgestellt werden. Ähnlich wie bei der Bestimmtheit des Tatvorwurfs als inhaltliche Anforderung an die - spätere - Disziplinarklageschrift, müssen die Sachverhalte, aus denen das Dienstvergehen hergeleitet wird, aus sich heraus verständlich und nachvollziehbar geschildert werden. Ort und Zeit der einzelnen Handlungen müssen möglichst genau angegeben, die Geschehensabläufe nachvollziehbar beschrieben werden (vgl. nur: BVerwG, Urteile v. 23.11.2006, 1 D 1.06, v. 25.01.2007, 2 A 3.05; Beschlüsse v. 13.03.2006, 1 D 3.06, v. 18.11.2008, 2 B 63.08 und v. 21.04.2010, 2 B 101.09; alle juris). Nur diese können durch das Disziplinargericht im Rahmen der Würdigung durch Akteninhalte und sonstige - evtl. auch später, im Laufe des Verfahrens nach § 61 DG LSA hinzutretende - Erkenntnisse untermauert werden, um so die Prognoseentscheidung, das heißt die Ausübung des ordnungsgemäßen Ermessens durch den Dienstherrn, zu überprüfen (VG Magdeburg, Beschl. v. 12.06.2012, 8 B 5/12, juris). Hingegen ist es dem Disziplinargericht verwehrt, anstelle der Disziplinarbehörde eine eigene Ermessenserwägung anzustellen (OVG Saarland, Beschluss v. 18.05.2011, 6 B 211/11; juris).

18

a. a.) Welche Disziplinarmaßnahme im Einzelfall erforderlich ist, richtet sich gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 und 3 DG LSA nach derSchwere des Dienstvergehens und des unter Berücksichtigung der Persönlichkeit des Beamten eingetretenen Umfangs der durch das Dienstvergehen herbeigeführten Vertrauensbeeinträchtigung. § 13 Abs. 2 DG LSA bestimmt, dass ein Beamter, der durch ein schweres Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren hat, aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen ist (Satz 1). Die Feststellung des verloren gegangenen Vertrauens ist verwaltungsgerichtlich voll inhaltlich nachprüfbar (Satz 2).

19

Demnach ist maßgebendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der Disziplinarmaßnahme die Schwere des Dienstvergehens. Sie beurteilt sich zum einen nach der Eigenart und Bedeutung der verletzten Dienstpflichten, Dauer und Häufigkeit der Pflichtenverstöße und den Umständen der Tatbegehung (objektive Handlungsmerkmale) und zum anderen nach Form und Gewicht des Verschuldens und den Beweggründen des Beamten für sein pflichtwidriges Verhalten (subjektive Handlungsmerkmale) sowie nach den unmittelbaren Folgen der Pflichtenverstöße für den dienstlichen Betrieb und für Dritte (vgl. zum gleichlautenden § 13 BDG, BVerwG, Urt. v. 20.10.2005, 2 C 12.04; Urt. v. 03.05.2007, 2 C 9.06; B. v. 10.09.2010, 2 B 97/09; VGH Baden-Württemberg, U. v. 16.09.2010, DL 16 S 579/10; alle juris).

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Erst bei Würdigung der Gesamtpersönlichkeit des Beamten lässt sich mit der gebotenen Sicherheit beurteilen, ob der Beamte aus disziplinarrechtlicher Sicht noch erziehbar erscheint oder ob hierfür eine bestimmte Disziplinarmaßnahme als notwendig, aber auch als ausreichend erscheint, oder ob der Beamte für die Allgemeinheit und den Dienstherrn untragbar geworden ist und deshalb seine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis geboten ist (vgl. nur: VG Magdeburg, U. v. 04.11.2009, 8 A 19/08 m. w. N.; juris).

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Eine objektive und ausgewogene Zumessungsentscheidung setzt demnach voraus, dass die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme unter Berücksichtigung der belastenden und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten steht und gewisse Besonderheiten des Einzelfalls mildernd zu berücksichtigen sind (vgl. BVerfG, Beschl. v. 08.004, 2 BvR 52/02; BVerwG, U. v. 14.02.2007, 1 D 12.05 mit Verweis auf Urteil vom 20.10.2005, 2 C 12.04; OVG Lüneburg, U. v. 20.11.2009, 6 LD 1/09; VGH Bad.-Württ., U. v. 16.09.2010, DL 16 S 579/10; VG Saarland, U. v. 17.09.2010, 7 K 238/09; alle juris).

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b. b.) Unter diesen rechtlichen Prüfungsvoraussetzungen folgt die Disziplinarkammer nach dem derzeitigen, sich aus der Begründung der Suspendierung, dem Aktenmaterial und dem Vorbringen der Beteiligten ergebenden Sach- und Rechtsstand nicht der von dem Antragsgegner angestellten Prognoseentscheidung. Danach ist gegenwärtig nicht mit der überwiegenden Wahrscheinlichkeit davon auszugehen ist, dass prognostiziert werden kann, bei sich bei Fortgang der Ermittlungen ergibt, dass der Antragsteller ein derart schweres Dienstvergehen begangen hat, welches aufgrund des damit einhergehenden Verlustes des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit zu seiner Entfernung aus dem Dienst führt.

23

Der Antragsgegner stützt die vorläufige Dienstenthebung maßgeblich darauf, dass der Antragsteller gegen die „Dienstleistungspflicht und die Pflicht zum achtungswürdigen und vertrauensgerechten Verhalten“ verstoßen habe. Ist „Dienstleistungspflicht“ eher in Bezug auf das Erscheinen zum Dienst und die ordnungsgemäße äußere Dienstausübung anzusehen, meint der Antragsgegner wohl die beamtenrechtlichen Grundpflichten nach § 34 Satz 3 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG), wonach das Verhalten des Beamten der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden muss, die der Beruf erfordert (Wohlverhaltenpflicht). Diese Pflicht ist generell verletzt, wenn der Beamte strafrechtlich in Erscheinung tritt. Ob diese beamtenrechtliche Pflichtverletzung zugleich notwendig zur Entfernung aus dem Dienst führt, hängt maßgeblich von dem strafrechtlichen Unrechtsgehalt der verwirklichten Straftatbestände und dem Umstand ab, ob es sich um inner- oder außerdienstliche Dienstvergehen handelt. Dabei ist nach der Rechtsprechung unter anderem auf den Strafrahmen abzustellen, welcher nach § 22a Abs. 1 Nr. 3 Kriegswaffenkontrollgesetz bis zu 5 Jahren und im Fall des Absatz 3 bis zu 3 Jahren beträgt. Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornografischer Schriften ist nach § 184b StGB mit bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe belegt.

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c. c.) Dem Disziplinargericht erscheint es auch vor diesem Hintergrund der durchaus im Raum stehenden schweren Dienstpflichtverletzungen nach augenblicklichem Kenntnisstand jedoch nicht hinreichend ausermittelt, dass der Antragsteller diese Straftatbestände auch tatsächlich verwirklicht bzw. die daraus resultierenden Dienstpflichten verletzt hat um mit der notwendigen – eingangs beschriebenen – Wahrscheinlichkeit die verlässliche Prognose der Entfernung aus dem Dienst stellen zu können. Vorliegend hat der Antragsgegner bereits tags nach der Durchsuchung der Diensträume und dem Bekanntwerden des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens das Disziplinarverfahren eingeleitet und die streitbefangene Verfügung erlassen, wobei diese isoliert betrachtet, nicht hinreichend begründet erscheint und gerade keine Abwägung und Prognose beinhaltet. Nur durch die hinzutretenden Ausführungen in dem späteren Bescheid vom 01.09.2014 ist eine hinreichende Begründung gegeben. Während es für die Einleitung eines Disziplinarverfahrens nach § 17 DG LSA ausreicht, dass Tatsachen bekannt werden, die den Verdacht eines Dienstvergehens rechtfertigen (vgl. VG Magdeburg, Urteil v. 13.012, 8 A 7/11; juris) reicht dieser Anfangsverdacht für die nach § 38 DG LSA verhängten Maßnahmen der vorläufigen Dienstenthebung und der Einbehaltung von Bezügen gerade nicht aus. Je weniger der den Verdacht begründende Sachverhalt in seinen Einzelheiten bekannt ist, desto mehr muss mit dem Vorliegen von Ausnahmeumständen gerechnet werden (Hummel/Köhler/Mayer, BDG, 5. Auflage 2012, § 38 Rz. 3). Diese unterschiedlichen Zielrichtungen übersieht der Antragsgegner. Auch wenn er in dem Schriftsatz vom 10.02.2015 ausführt, dass ein Durchsuchungsbeschluss aufgrund einer richterlichen Anordnung ergeht und der Richter den Tatverdacht anhand der Aktenlage prüft und tatsächliche Anhaltspunkte für die Begehung einer Straftat vorliegen müssen, ändert dies nichts an dem andersartigen disziplinarrechtlichen Prognosemaßstab zur Wahrscheinlichkeit des späteren Ausspruchs der Entfernung aus dem Dienst. Anderenfalls könnte gleichsam mit der Einleitung strafrechtlicher Ermittlungen stets die Suspendierung ausgesprochen werden. Gerade dies sieht das Disziplinarrecht nicht vor.

25

Der Antragsgegner führt selbst noch in der Antragserwiderung vom (wohl) 19.014 aus, dass man sich bemüht habe, weitere umfangreichere Auskünfte von den Ermittlungsbeamten zu erhalten. Dem Vorschlag der Kriminalpolizei eine schriftliche Anfrage an die Staatsanwaltschaft Hannover zu stellen, wurde unter dem 24.06.2014 gefolgt. Eine Antwort steht aus und der Antragsgegner führt aus, dass er davon ausgehen musste, dass vor Abschluss der Ermittlungen keine Auskünfte erteilt werden. Die sodann vom Antragsgegner gezogene Schlussfolgerung, dass „gleichwohl […] ein weiteres Zuwarten nicht zumutbar [war]“ (Schriftsatz vom 19.014, S. 5 unten), lässt die Abwägung hinsichtlich der Auswirkungen des durch die nach § 38 DG LSA dem Beamten gegenüber vorgenommenen Eingriffe nicht hinreichend erkennen. Denn auch diese im Zeitpunkt des gerichtlichen Verfahrens vorgenommene Abwägung beruht auf Mutmaßungen bzw. nicht belastbaren, weil unreflektiert gegebenen Informationen der Ermittlungsorgane. Der Antragsgegner wertet diese zudem nicht ausreichend und bewegt sich überwiegend im Rahmen der Spekulation. So bezieht sich der Antragsgegner auf eine E-Mail der Kriminalpolizei A-Stadt vom 04.04.2014 (Beiakte A, Bl. 11, f,), wonach im Rahmen der Hausdurchsuchung „eine Vielzahl von Kriegswaffen sichergestellt“ worden seien. Der Kriminalbeamte führt aber weiter aus: „Eine abschließende rechtliche Würdigung dieser Waffen kann erst nach gutachterlicher Stellungnahme erfolgen, da es sich vermutlich ehemals um Dekorationswaffen, bzw. zivile Ausführungen, gehandelt hat. […] Bei den sichergestellten Waffen wurden diese Rückbauten zumindest in Teilbereichen revisioniert – durch Herrn A. -, so dass es wieder zu Teilfunktionen gekommen ist. Ob es wieder zu einer Vollfunktion gekommen ist, bleibt den Gutachtern vorbehalten. Aber auch eine rechtliche Einstufung als Kriegswaffe, trotz Funktionseinschränkungen, wäre denkbar.“ Diese entscheidenden weiteren Ausführungen zu dem Abwarten der Ermittlungs- und Gutachterergebnissen lässt der Antragsgegner vollständig unberücksichtigt. Verwertbar steht bislang allein fest, dass der Antragsteller bei dem Waffenhändler in Essen ein Verschlussteil für ein Maschinengewehr erworben hat. Auch in der E-Mail vom 23.06.2014 (Beiakte A, Bl. 108) geht die PI A-Stadt davon aus, dass erst noch Untersuchungsaufträge erteilt werden müssen. Nach deren Ergebnis hat der Antragsgegner nicht erkundigt.

26

Gleiches gilt für den Vorhalt des Verstoßes nach § 184b StGB. Fest steht, dass bei dem Antragsteller im Rahmen eines Zufallsfundes „eine Bilddatei“ mit kinderpornografischen Inhalt gefunden wurde und daraufhin weiter ermittelt wird. Auch hier liegen noch keine Ermittlungsergebnisse vor. Gleichwohl wird in dem Bescheid vom 01.09.2014 ausgeführt, dass auf Nachfrage bei dem Ermittlungsbeamten mitgeteilt worden sei, dass die Auswertung der Datenträger noch andauere, man sich nun mittlerweile in einem „mittleren vierstelligen Bereich bewegen“ würde. Allein der Hinweis darauf, dass der Antragsgegner Kenntnis davon erlangte, das gegen den Antragsteller wegen Kinderpornografie ermittelt wird, reicht als Tatsachengrundlage für eine sachgerechte Prognose, welche Disziplinarmaßnahme zu erwarten ist, gerade nicht aus. Denn dazu müssen Anzahl der Bilder, die Häufigkeit des Herunterladens sowie die in den Bilden und Videos hinsichtlich ihrer Ausführungsart dargestellten sexuellen Handlungen ausgewertet werden (BVerwG, Urteil v. 19.08.2010, 2 C 13.10; vgl. zu einem einmaligen innerdienstlichen Herunterladen kinderpornografischer Inhalte; BayVGH, Urteil v. 17.11.2011, 16a D 10.2504; zusammenfassend: VG Magdeburg, Urteil v. 05.06.2013, 8 A 10/12, alle juris). Allein die Information in der E-Mail der PI A-Stadt vom 23.06.2014 (Beiakte A, Bl. 108) dahingehend, „die Auswertung der Datenträger dauert an; i. S. Kinderpornografie bewegen wir uns mittlerweile im vierstelligen Bereich“ trägt nicht zur Erhellung des im Raume stehenden Vorwurfs bei.

27

b.) Die ebenso auf § 38 Abs. 1Satz 2 DG LSA gestützte Suspendierung hält der Überprüfung nach § 61 Abs. 2 DG LSA nicht stand. Auch insoweit bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit. Die vom Antragsgegner angeführten Gründe sind nicht geeignet zu verdeutlichen, dass durch ein Verbleiben des Antragstellers im Dienst der Dienstbetrieb wesentlich beeinträchtig wäre. Die Maßnahme darf mit Blick auf die Bedeutung der Sache und zu erwartende Disziplinarmaßnahme nicht außer Verhältnis stehen. Die pauschale Begründung, die Dienstenthebung rechtfertige sich aus der zu erwartenden Höchstmaßnahme oder eine Weiterbeschäftigung komme bis zum rechtskräftigen Abschluss des Disziplinarverfahrens nicht in Betracht, um eine Gefährdung oder Störung dienstlicher Belange zu vermeiden, genügt nicht. Es bedarf der Darlegung der besonderen Umstände für die Störung des Dienstbetriebes. Die vorläufige Dienstenthebung erweist sich dann als ermessensgerecht und verhältnismäßig, wenn ohne diesen Eingriff der Dienstbetrieb oder die ordnungsgemäße Tätigkeit der Verwaltung durch die Anwesenheit des Beamtenempfindlich gestört oder in besonderem Maße gefährdet wäre (vgl. BVerwG, Beschl. v. 01.09.2000, 1 DB 16.00; Beschl. v. 04.01.1996, 1 DB 16.95; Hummel/Köhler/Mayer, BDG, 5. Auflage 2012, § 38 Rz. 4).

28

Vorliegend macht der Antragsgegner zwar diesbezüglich umfassende – oben unter I, wiedergegebene – Ausführungen; gleichwohl tragen diese zur Überzeugung des Gerichts nicht. Denn der Antragsgegner argumentiert pauschal, dass der dem Antragsteller vorgehaltene Unrechtsgehalt der strafrechtlichen Delikte zur Störung des Dienstbetriebes führe. Er unterlässt jedwede konkrete Subsumtion zu den gegebenen Besonderheiten und dem Stadium des Verfahrens, dass konkrete und belastende Ermittlungsergebnisse gerade noch nicht vorliegen.

29

Eine wesentliche Beeinträchtigung des Dienstbetriebes ist vor allem dann zu besorgen, wenn auf Grund von Umständen, die mit dem mutmaßlich begangenen Dienstvergehen in Zusammenhang stehen, eine gedeihliche, der Dienstverrichtung dienende Zusammenarbeit mit dem Beamten gefährdet ist und herunter die Aufgabenerledigung ernsthaft leiden kann. Anhaltspunkte hierfür können sich aus den bereits eingetretenen Folgen des mutmaßlichen Dienstvergehens ergeben. Auswirkungen auf den Dienstbetrieb sind weiterhin zu befürchten, wenn aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte mit einer Fortsetzung der Begehung des Dienstvergehens zu rechnen ist (OVG Lüneburg, Beschl. v. 25.03.2013, 19 ZD 4/13, juris).

30

So wäre für ein notwendiges Fernhalten des Antragstellers vom Dienst von Belang, ob er mit dem dienstlichen Inventar oder aus den dienstlichen Räumen heraus die vorgehaltenen Straftaten begangen hat. Gleiches gilt, wenn zu befürchten ist, dass der Beamte im Dienst aufgrund der ihm dienstlich zur Verfügung stehenden Mittel erneut auffällig wird. Der Antraggegner geht insoweit von dem Idealfall aus, dass die Taten bewiesen sind und damit zur Stigmatisierung führen. Er berücksichtigt nicht, dass jedwede bekanntgewordenen straf- oder disziplinarrechtlichen Ermittlungen gegen einen Beamten die Gefahr bedeuten, dass diese Tatsachen negative Auswirkungen auf den Dienstbetrieb auch und gerade eines Ministeriums haben. Es ist zwar nicht ausgeschlossen, dass es Fälle gibt, in denen aufgrund der Natur und des Gewichts des vorgeworfenen Dienstvergehens sowie des vom Beamten bekleideten Amtes zugleich ohne weitere Darlegungen eine wesentliche Beeinträchtigung des Dienstbetriebes ersichtlich ist. Diese allgemeine abstrakte Befürchtung ist aber mit dem Tatbestand des § 38 Abs. 1 Satz 2 DG LSA nicht gemeint. Denn ansonsten würden jedwede (strafrechtliche) Ermittlungen die Suspendierung rechtfertigen.

31

Hinzu kommt, dass der Antragsgegner die Tatsche der vom Antragsteller vorgenommenen Heimarbeit nicht hinreichend würdigt. Ausweislich des ärztlichen Attestes vom 04.07.2013 befindet sich der Antragsteller wohl für den Zeitraum von zwei Jahren in der Wiedereingliederung mit zwei Präsenstagen in der Woche am Dienstort in B-Stadt und an drei Tagen in Heimarbeit. Danach kann man die Präsenz am Dienstort vernachlässigen. Denn nur in Bezug darauf kann die Störung des Dienstbetriebes ernsthaft gesehen, geprüft und abgewogen werden. Der Antragsgegner argumentiert vielmehr damit, dass der Antragsteller auch in Heimarbeit für ihn tätig werde und gegenüber anderen Stellen auftrete. Diese Argumentation zielt aber darauf, sich vor einem Ansehensverlustes zu schützen, was aber nicht mit der „Störung des Dienstbetriebes“ ohne weiteres gleichzusetzen ist.

32

Schließlich berücksichtigt der Antragsgegner nicht hinreichend die weitere Tatbestandsvoraussetzung nach § 38 Abs. 1 Satz 2 DG LSA, nämlich dass die vorläufige Dienstenthebung zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Disziplinarmaßnahme nicht außer Verhältnis steht. Diese Verhältnismäßigkeit kann aber nach den Ausführungen zu § 38 Abs. 1 Satz 1 DG LSA gerade nicht angenommen werden. Denn aufgrund des derzeit offenen und nicht hinreichend bekannten Ergebnisses des Ermittlungsverfahrens, kann der Ausspruch der disziplinarrechtlichen Höchstmaßnahme bei Fortgang der Ermittlungen derzeit gerade nicht mit der notwendigen Wahrscheinlichkeit prognostiziert werden.

33

2.) Aufgrund der derzeit fehlenden Wahrscheinlichkeit zum späteren Ausspruch der Entfernung aus dem Dienst, bestehen auch hinsichtlich der nach § 38 Abs. 2 DG LSA verfügten Einbehaltung der Dienstbezüge ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit im Sinne des § 61 Abs. 2 DG LSA, was zur Aufhebung führt. Dazu darf bemerkt werden, dass die Ausschöpfung der vom Gesetz vorgegeben Obergrenze von 50 % auch unter Beachtung der fehlenden Mitwirkung des Beamten zur Offenlegung seiner finanziellen Situation unter Gründen der Verhältnismäßigkeit als grenzwertig anzusehen ist. Denn der Einbehaltung darf kein Strafcharakter zukommen.

34

3.) Abschließend weist das Gericht darauf hin, dass der Dienstherr den durch die Einleitung des Disziplinarverfahren zur Kenntnis gelangten Lebenssachverhalt stetig unter Kontrolle zu halten, das Disziplinarverfahren daher zügig zu betreiben und abzuschließen oder wegen der strafrechtlichen Ermittlungen auszusetzen und auch die Voraussetzungen der vorläufigen Dienstenthebung und Einbehaltung der Dienstbezüge aktuell zu prüfen hat (vgl. § 38 Abs. 4 DG LSA). Dies bedeutet gerade, dass es bei Fortgang der Ermittlungen und Bekanntgabe deren Ergebnisse nicht ausgeschlossen erscheint, die sodann verlässliche Prognose der Voraussetzungen nach § 38 Abs. 1 DG LSA zu stellen und eine erneute Verfügung zu erlassen.

35

4.) Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 72 Abs. 4, 73 Abs. 1 DG LSA, 154 Abs. 1 VwGO.