Verwaltungsgericht Köln Beschluss, 03. Dez. 2018 - 6 L 1932/18
Tenor
1. Soweit die Beteiligten das Verfahren übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, wird das Verfahren eingestellt.
Im Übrigen wird der Antragsgegnerin im Wege der einstweilige
n Anordnung aufgegeben, dem Antragsteller Auskunft darüber zu erteilen,
wann (Datum) sich der damalige Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) Dr. Hans-Georg Maaßen im Laufe seiner Amtszeit mit jeweils welchen AfD-Abgeordneten oder sonstigen AfD-Funktionsträgern getroffen hat,
wo und auf wessen Initiative die Treffen jeweils stattfanden und wer von Seiten des BfV daran beteiligt war (ggf. Funktionsbezeichnung),
ob und wenn ja bei welchen Treffen Personen oder Strömungen in der AfD ein Gegenstand des Gesprächs waren, insbes. auch die Person Björn Höcke, und welche amtlichen Informationen oder Einschätzungen der BfV-Präsident dazu jeweils mitgeteilt hat,
ob dem BfV zu den Treffen Vermerke vorliegen und ggf. welche Angaben über Personen oder Strömungen in der AfD diese enthalten, soweit diese Angaben ein Gegenstand des Gesprächs waren,
welche Kontakte (Treffen, Telefongespräche, E-Mail- oder sonstige Korrespondenz) des BfV-Präsidenten es mit AfD-Parteichef Alexander Gauland wann (Datum), wo und auf wessen Initiative gegeben hat,
ob ein möglicher Spionagefall in den Reihen der AfD bei diesem Austausch ein Thema war, welche dienstlichen Maßnahmen der BfV-Präsident daraufhin ggf. ergriffen und welche amtlichen Informationen gegenüber Herrn Gauland der BfV-Präsident erteilt hat,
ob das diesbezügliche Vorgehen zuvor mit dem Bundesinnenministerium abgestimmt war.
Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin.
2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.
1
Gründe
2I.
3Der Antragsteller wandte sich am 12. August 2018 per E-Mail an das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) mit folgenden Fragen:
4„1.) Wann hat sich der BfV-Präsident mit jeweils welchen AfD-Abgeordneten oder sonstigen AfD-Funktionsträgern getroffen?
52.) Wo und auf wessen Initiative fanden die Treffen jeweils statt? Wer war von Seiten des BfV daran beteiligt (ggf. Funktionsbezeichnung)?
63.) Waren bei den Treffen mit AfD-Politikern Personen oder Strömungen in der AfD nach Kenntnis des BfV Gegenstand des Gesprächs, insbes. auch Björn Höcke? Falls ja, welche amtlichen Informationen oder Einschätzungen hat der BfV-Präsident dazu mitgeteilt?
74.) Liegen dem BfV zu den Treffen/Gesprächen Vermerke vor? Falls ja, zu welchen Treffen mit welchem jeweiligen Inhalt? Enthalten die Vermerke Angaben zu Kenntnissen des BfV über Personen oder Strömungen in der AfD und wenn ja welche?
85.) Welche Kontakte (Treffen, Telefongespräche, E-Mail-Verkehr o.ä.) hat es mit AfD-Parteichef Alexander Gauland gegeben? Wann fanden sie wo auf wessen Initiative statt? War ein möglicher Spionagefall in den Reihen der AfD dabei ein Thema? Falls ja, welche Maßnahmen hat der BfV-Präsident daraufhin ergriffen und welche amtlichen Informationen gegenüber Gauland erteilt? Wurde das diesbezügliche Vorgehen zuvor mit dem BMI abgestimmt?
96.) Geht das BfV anwaltlich gegen Berichterstattung oder sonstige Veröffentlichungen zu o.g. Tatsachenkomplex vor oder ist dies beabsichtigt? Falls ja, in welchen Fällen und mit jeweils welcher Begründung?
107.) Hat der BfV-Präsident persönlich oder haben sonstige Mitarbeiter des BfV zum o.g. Tatsachenkomplex sog. Hintergrundgespräche (selektive Informationsvermittlung) mit Journalisten durchgeführt, ggf. in Einzelgesprächen? Falls ja, welche Sachinformationen wurden dabei zum o.g. Tatsachenkomplex vermittelt? Welche Medien hat das BfV auf diese Weise informiert?“
11Der Antragsteller bat um Beantwortung bis zum 14. August 2018. Das BfV teilte am 13. August 2018 mit, dass die Anfrage nicht fristgerecht bearbeitet werden könne und übermittelte dem Antragsteller eine „Stellungnahme des BfV zu aktuellen Presseberichten“. Darin heißt es u.a.:
12„Grundsätzlich gilt: Die Amtsleitung des BfV führt regelmäßig Gespräche im parlamentarischen Raum, insbesondere mit Abgeordneten des Deutschen Bundestages, des Europaparlaments und der Landtage. Gegenstand der Gespräche sind regelmäßig Themen des Verfassungsschutzes wie z.B. die Sicherheitslage, Gefährdung von Parteipolitikern, Übergriffe auf Parteieinrichtungen. Diese Gespräche dienen der Aufgabenerfüllung des BfV. Mit Blick darauf, dass regelmäßig gegenüber den politischen Gesprächspartnern Vertraulichkeit zugesagt wird, sowie zur Wahrung des Schutzes des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung, können zu einzelnen Terminen, Personen und Inhalten keine Aussagen getroffen werden. Im Hinblick auf die aktuelle Berichterstattung weist das BfV jedoch den Vorwurf zurück, Präsident Dr. Maaßen habe mit Vertretern der AfD Gespräche darüber geführt, wie die Partei einer Beobachtung entgehen könne. Es entspricht ebenfalls nicht den Tatsachen, dass Dr. Maaßen der AfD oder einzelnen Führungspersonen geraten hat, ein Parteiausschlussverfahren gegen Herrn Höcke einzuleiten. […]“
13Am 15. August 2018 bat der Antragsteller erneut um Auskünfte und setzte eine Frist bis zum 20. August 2018. Das BfV reagierte hierauf nicht.
14Der Antragsteller hat am 28. August 2018 Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt.
15In der Antragserwiderung vom 27. September 2018 teilte die Antragsgegnerin mit, dass die im Antrag zu 8) enthaltene Frage zu verneinen sei. Mit Bezugnahme auf die in den Anträgen 9 und 10 enthaltenen Fragen führte die Antragsgegnerin aus, dass sog. „Hintergrundgespräche“ zu dem in den Fragen 1 bis 6 enthaltenen Tatsachenkomplex nicht stattgefunden hätten. Lediglich in einem Gespräch mit einem Journalisten, welches nach dem 12. August 2018 stattgefunden habe, sei dem (damaligen) Präsidenten des BfV zu dem in Rede stehenden Tatsachenkomplex eine Frage gestellt worden. Weder diese Frage noch der Tatsachenkomplex als solcher sei jedoch im Vorfeld abgesprochen gewesen.
16Daraufhin haben die Beteiligten den Rechtsstreit hinsichtlich der Anträge zu 8.) und 9.) in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt.
17Der Antragsteller führt zur Begründung seiner Anträge im Wesentlichen aus: Der Anordnungsanspruch ergebe sich aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG. Ihm stehe der verfassungsunmittelbare Auskunftsanspruch zu. Ausschlussgründe lägen nicht vor. So könne sich die Antragsgegnerin nicht darauf berufen, dass der Präsident des BfV seinen Gesprächspartnern „Vertraulichkeit“ zugesichert habe. Könnte sich das BfV zur pauschalen Abwehr von presserechtlichen Auskunftsbegehren erfolgreich auf den Gesprächspartnern jeweils zugesicherte Vertraulichkeit berufen, stünde der Auskunftsanspruch ausschließlich zur Disposition des BfV. Die Vertraulichkeit sei auch nicht mit Blick auf die Freiheit des Mandats nach Art. 38 Abs. 1 GG notwendig. Zudem seien diese Gespräche nicht der operativen Tätigkeit des BfV zuzuordnen. Auch ließen die Auskünfte keine Rückschlüsse auf die Arbeitsweise des BfV zu. Ferner liege auch ein Anordnungsgrund vor. Die begehrte Vorwegnahme der Hauptsache sei hier erforderlich. Es bestehe ein gesteigertes öffentliches Interesse an der Berichterstattung. Darüber hinaus weise die Berichterstattung einen starken Gegenwartsbezug auf.
18Der Antragsteller beantragt,
19der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, ihm Auskunft darüber zu erteilen,
201.) wann (Datum) sich der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) im Laufe seiner Amtszeit mit jeweils welchen AfD-Abgeordneten oder sonstigen AfD-Funktionsträgern getroffen hat,
212.) wo und auf wessen Initiative die Treffen jeweils stattfanden und wer von Seiten des BfV daran beteiligt war (ggf. Funktionsbezeichnung),
223.) ob und wenn ja bei welchen Treffen Personen oder Strömungen in der AfD ein Gegenstand des Gesprächs waren, insbes. auch die Person Björn Höcke, und welche amtlichen Informationen oder Einschätzungen der BfV-Präsident dazu jeweils mitgeteilt hat,
234.) ob dem BfV zu den Treffen Vermerke vorliegen und ggf. welche Angaben über Personen oder Strömungen in der AfD diese enthalten, soweit diese Angaben ein Gegenstand des Gesprächs waren,
245.) welche Kontakte (Treffen, Telefongespräche, E-Mail- oder sonstige Korrespondenz) des BfV-Präsidenten es mit AfD-Parteichef Alexander Gauland wann (Datum), wo und auf wessen Initiative gegeben hat,
256.) ob ein möglicher Spionagefall in den Reihen der AfD bei diesem Austausch ein Thema war, welche dienstlichen Maßnahmen der BfV-Präsident daraufhin ggf. ergriffen und welche amtlichen Informationen gegenüber Herrn Gauland der BfV-Präsident erteilt hat,
267.) ob das diesbezügliche Vorgehen zuvor mit dem Bundesinnenministerium abgestimmt war,
278.) ob und ggf. in welchen Fällen und mit welcher Begründung das BfV anwaltlich gegen Medien-Berichterstattung oder sonstige Veröffentlichungen zu dem unter 1.) bis 6.) bezeichneten Tatsachenkomplex vorgeht,
289.) ob der BfV-Präsident persönlich oder ob sonstige Mitarbeiter des BfV zu dem unter 1.) bis 6.) bezeichneten Tatsachenkomplex sog. Hintergrundgespräche (selektive Informationsvermittlung) mit Journalisten geführt haben, ggf. in Einzelgesprächen,
2910.) welche Sachinformationen dabei zu dem unter 1.) bis 6.) bezeichneten Tatsachenkomplex an welche Medien vermittelt wurden,
30hilfsweise
31die unter 10.) begehrten Informationen nur zur vertraulichen Information des Antragstellers und nicht zur Verwendung in der Berichterstattung zu erteilen.
32Die Antragsgegnerin beantragt,
33den Antrag abzulehnen.
34Die Antragsgegnerin trägt zur Begründung im Wesentlichen vor: Der Antragsteller habe einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Dem verfassungsunmittelbaren presserechtlichen Auskunftsanspruch stünden berechtigte schutzwürdige öffentliche wie private Interessen entgegen. So bestehe ein öffentliches Interesse an der Wahrung der Vertraulichkeit der in Rede stehenden Gespräche zwischen dem Präsidenten des BfV und Abgeordneten des deutschen Bundestages oder anderen politischen Funktionsträgern. Denn die fraglichen Gespräche seien Bestandteil der Aufgabenerfüllung des BfV. Ein unbefangener Gedanken- und Informationsaustausch biete den Angehörigen des parlamentarischen Raums Einblick in die Tätigkeiten des BfV und diene letztlich dazu, das Vertrauen in das BfV zu stärken und einen Beitrag zur Transparenz der Tätigkeit des BfV zu leisten. Auch trügen diese Gespräche zu einer unbefangenen Atmosphäre zwischen dem BfV und dem parlamentarischen Raum bei, was ebenfalls der Aufgabenerfüllung des BfV und einer erfolgreichen, zielgerichteten Zusammenarbeit von Politik und Sicherheitsbehörden dienlich sei. All dies liege im übergreifenden Allgemeininteresse. Damit diese Gespräche aber zur Aufgabenerfüllung beitragen und auch ihren Informationszweck erfüllen könnten, müsse die den politischen Gesprächspartnern durch das BfV zugesicherte und wechselseitig vereinbarte Vertraulichkeit gewahrt bleiben. Dies folge schon daraus, dass die Bereitschaft der Politikerinnen und Politiker, ein solches Gespräch zu führen, häufig von der Zusicherung der Vertraulichkeit abhänge. Der Vertraulichkeitsbedarf zeige sich in diesem Zusammenhang in dem Umstand, dass bislang mehr als 200 Gespräche stattgefunden hätten und die Vertraulichkeit ganz überwiegend von beiden Seiten gewahrt worden sei. Das Wissen um eine mögliche spätere Offenlegung von Meinungsäußerungen und Gesprächsinterna stehe einem von (partei)politischen Sachzwängen freien Austausch von vornherein entgegen.
35Dem presserechtlichen Auskunftsbegehren stünden ferner die berechtigten schutzwürdigen Vertraulichkeitsinteressen der Gesprächspartner, welche insbesondere aus der Mandatsfreiheit des Art. 38 Abs. 1 GG abzuleiten seien, entgegen. Die Entscheidung eines Mandatsträgers, mit dem Präsidenten des BfV vertrauliche Gespräche zu führen, sei von der verfassungsrechtlich gewährleisteten Freiheit des Mandats umfasst. Pressevertreter dürften nicht über den Umweg einer staatlichen Stelle, hier dem BfV, an Informationen gelangen, deren Herausgabe sie aufgrund des Schutzes der Mandatsfreiheit durch Art. 38 Abs. 1 GG von einem Abgeordneten nicht verlangen könnten. Genau dies geschähe jedoch, sofern das BfV Auskunft über die mit den Abgeordneten geführten vertraulichen Gespräche erteilen müsste. Hinzu komme, dass – über den Einzelfall hinaus – das vertrauliche Gespräch mit der Amtsleitung des BfV für sämtliche Abgeordnete als Mittel der mandatsbezogenen Informationsbeschaffung entfiele, weil die Antragsgegnerin – und damit letztlich jede Bundesbehörde – die für diese Gespräche unerlässliche Vertraulichkeit nicht mehr gewährleisten könne. Die Vermeidung solcher Effekte liege sowohl im öffentlichen als auch im „privaten“ Interesse der Mandatsträger und stehe dem geltend gemachten Auskunftsanspruch entgegen. Der dargestellte Vertraulichkeitsbedarf gelte für sämtliche gesprächsbezogenen Fragen sowie für die Haupt- und Hilfsanträge.
36Schließlich stehe dem Auskunftsbegehren auch der Schutz der Arbeitsweise des BfV entgegen. Auskünfte zur Tätigkeit des BfV ließen immer auch Rückschlüsse auf die Arbeitsweise des Bundesamtes zu. Dies gelte auch für die Informationen, die Gegenstand der hier in Rede stehenden Fragen des Antragstellers seien. So betreffe die Information, mit wem der Präsident des BfV wann, wo und auf wessen Initiative vertrauliche Gespräche führe, und wer von Seiten des BfV an diesen Gesprächen teilnehme, die Arbeitsweise des BfV und könne daher nicht offenbart werden.
37Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen.
38II.
39Soweit die Beteiligten das Verfahren übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, war das Verfahren in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen.
40Im Übrigen hat der Hauptantrag ganz überwiegend Erfolg.
41Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis eine einstweilige Anordnung erlassen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder wenn diese Regelung aus anderen Gründen nötig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt voraus, dass der Antragsteller sowohl einen Anordnungsgrund als auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht hat (§ 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 ZPO). Ist der Antrag – wie vorliegend – auf eine Vorwegnahme der Hauptsache gerichtet, so sind an die Glaubhaftmachung von Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch erhöhte Anforderungen zu stellen. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung kommt dann nur in Betracht, wenn ein Obsiegen des Antragstellers in der Hauptsache bei summarischer Prüfung mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist und dem Antragsteller ohne den Erlass einer einstweiligen Anordnung schwere und unzumutbare Nachteile entstünden, die auch bei einem späteren Erfolg in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden könnten.
42Gemessen hieran hat der Antragsteller sowohl einen Anordnungsanspruch (dazu 1.) als auch einen Anordnungsgrund (dazu 2.) hinsichtlich der Fragen 1.) bis 7.) glaubhaft gemacht. Hinsichtlich der Frage 10 war der Antrag mangels Rechtsschutzinteresses abzulehnen (dazu 3.).
431.
44Der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Ihm steht mit der erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit gegen die Antragsgegnerin der geltend gemachte Anspruch auf Auskunft zu den Fragen 1.) bis 7.) zu.
45Der Anspruch ergibt sich unmittelbar aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG. Die Kammer folgt bezogen auf presserechtliche Auskunftsansprüche gegenüber Bundesbehörden der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Danach umfasst die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes über den Verfassungsschutz aus Art. 73 Nr. 10 b GG als Annex die Befugnis, Voraussetzungen und Grenzen zu regeln, unter denen der Öffentlichkeit einschließlich der Presse Informationen zu erteilen sind oder erteilt werden dürfen. Da der zuständige Gesetzgeber untätig geblieben ist, muss unmittelbar auf das Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG als Rechtsgrundlage für pressespezifische Auskunftspflichten zurückgegriffen werden.
46Vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 25. März 2015 – 6 C 12.14 – BVerwGE 151, 348-361; BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 – 6 A 2.12 – BVerwGE 146, 56-67.
47Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts steht der Annahme eines aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG folgenden verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruchs nicht entgegen. Das Bundesverfassungsgericht hat die Frage, ob und auf welcher Grundlage Regelungen zu Auskunftspflichten der Presse gegenüber Bundesbehörden dem Bundesgesetzgeber vorbehalten sind, bislang offen gelassen. Ebenfalls hat es offen gelassen, ob ein Auskunftsanspruch unter Rückgriff auf Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG unmittelbar aus der Verfassung abgeleitet werden kann und wie weit dieser gegebenenfalls reicht. Denn für eine Verletzung der Pressefreiheit sei jedenfalls dann nichts ersichtlich, solange die Fachgerichte den Presseangehörigen im Ergebnis einen Auskunftsanspruch einräumen, der hinter dem Gehalt der – untereinander im Wesentlichen inhaltsgleichen, auf eine Abwägung zielenden – Auskunftsansprüche der Landespressegesetze nicht zurückbleibt.
48Vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 27. Juli 2015 – 1 BvR 1452/13.
49Aufgrund des verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruchs können Pressevertreter in geeigneter Form behördliche Auskünfte verlangen, soweit berechtigte schutzwürdige Interessen Privater oder öffentlicher Stellen an der Vertraulichkeit von Informationen nicht entgegenstehen.
50Verwaltungsgericht (VG) Köln, Urteil vom 12. November 2015 – 6 K 5143/14 – juris-Rn. 24 ff. m. w. N.
51Die Berechtigung von Vertraulichkeitsinteressen, die dem verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruch entgegenstehen können, bestimmt sich dabei in Abhängigkeit von dem Regelungsspielraum, über den der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung behördlicher Auskunftspflichten verfügt. Der verfassungsunmittelbare Auskunftsanspruch besteht in demjenigen Umfang, den der Gesetzgeber selbst nicht unterschreiten dürfte. Also ist er durch Vertraulichkeitsinteressen ausgeschlossen, die der Gesetzgeber für die gegebene Sachkonstellation als Ausschlussgrund normieren dürfte. Entscheidend ist, ob der Gesetzgeber berechtigt wäre, dem betroffenen Vertraulichkeitsinteresse für die gegebene Sachkonstellation Vorrang vor dem Informationsinteresse der Presse einzuräumen. Der Gesetzgeber unterliegt der Vorgabe, Vertraulichkeitsinteressen nur dann Vorrang gegenüber dem Informationsinteresse von Pressevertretern einzuräumen, wenn hierfür plausible Gründe sprechen.
52Vgl. BVerwG, Urteil vom 25. März 2015 – 6 C 12.14 – a.a.O.
53Berechtigte schutzwürdige Interessen der hier in Rede stehenden Art sind auch beispielhaft in den Landespressegesetzen aufgeführt.
54Vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 – 6 A 2.12 – a.a.O.
55Bei der Abwägung zwischen dem Informationsinteresse der Presse und den Vertraulichkeitsinteressen der Beklagten ist in den Blick zu nehmen, dass die Geheimhaltungsinteressen des Bundesamtes für Verfassungsschutz eine hohe Bedeutung haben und dass Auskünfte möglicherweise Rückschlüsse auf die Arbeitsweise des Bundesamtes zulassen können.
56Das Bundesverwaltungsgericht hat – bezogen auf den Bundesnachrichtendienst – bislang offen gelassen, ob der Gesetzgeber diesen insgesamt von der Pflicht ausnehmen dürfte, der Presse Auskunft zu erteilen. Der Gesetzgeber ist aber unter besonderen Umständen berechtigt, jedenfalls einzelne behördliche Funktionsbereiche von Auskunftspflichten auszunehmen.
57Vgl. BVerwG, Urteil vom 25. März 2015 – 6 C 12.14 – a.a.O.
58Derartige besondere Umstände bestehen für operative Vorgänge im Bereich des Bundesnachrichtendienstes, nämlich für die Beschaffung und Auswertung von Informationen von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung. Der Gesetzgeber darf deshalb für diesen behördlichen Funktionsbereich Auskünfte an die Presse generell ausschließen, ohne insoweit eine einzelfallbezogene Abwägung mit gegenläufigen Informationsinteressen der Presse vorsehen zu müssen.
59Vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. Juli 2015 – 6 VR 1.15 – DVBl. 2015, 1316.
60Dasselbe gilt für operative Vorgänge im Bereich des Bundesamtes für Verfassungsschutz.
61VG Köln, Urteil vom 12. November 2015 – 6 K 5143/14 – juris-Rn. 38.
62Im Umkehrschluss bedeutet das, dass Auskünfte in der Regel zu erteilen sind und nur in begründeten Ausnahmefällen verweigert werden dürfen, sofern diese weder unmittelbar noch mittelbar operative Vorgänge der Nachrichtendienste betreffen bzw. weder direkt noch indirekt Rückschlüsse auf operative Vorgänge zulassen.
63So liegt der Fall hier. Die von der Antragsgegnerin gegen die Auskunftserteilung vorgebrachten Gründe tragen insgesamt nicht.
64a)
65Dies gilt zunächst für den auf sämtliche Fragen des Antragstellers bezogenen Vortrag der Antragsgegnerin, sie dürfe die Auskunft zu Recht verweigern, weil der (damalige) Präsident des BfV seinen Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartnern aus dem parlamentarischen Raum Vertraulichkeit zugesichert habe. Die Zusicherung von Vertraulichkeit durch den Präsidenten des BfV begründet als solche jedoch offensichtlich kein schutzwürdiges Interesse der Antragsgegnerin an der Vertraulichkeit der vom Antragsteller verlangten Auskünfte. Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen:
66Die Gespräche, die zwischen dem (damaligen) Präsidenten des BfV und Abgeordneten des Deutschen Bundestages stattgefunden haben und auf die sich die Auskunftsbegehren des Antragstellers beziehen, stellen als solche keine operativen Vorgänge des BfV dar. Dies behauptet auch die Antragsgegnerin nicht. Ausweislich ihrer Antragserwiderung dienten diese Gespräche vielmehr dazu, „das Vertrauen in das BfV zu stärken und einen Beitrag zur Transparenz der Tätigkeit des BfV zu leisten“. Auch trügen diese Gespräche zu einer „unbefangenen Atmosphäre zwischen dem BfV und dem parlamentarischen Raum“ bei. Sind damit operative Vorgänge des BfV offenkundig nicht betroffen, kommt eine Auskunftsverweigerung – wie oben dargelegt – grundsätzlich nur in begründeten Ausnahmefällen in Betracht. Der Verweis der Antragsgegnerin auf regelmäßig geschlossene Vertraulichkeitsvereinbarungen ist als Begründung eines Ausnahmefalles schon wegen seines pauschalen Charakters ersichtlich ungeeignet, den dargestellten rechtlichen Anforderungen zu genügen. Im Übrigen würde die Billigung der Praxis der regelmäßig geschlossenen Vertraulichkeitsvereinbarungen das gebotene Regel-Ausnahme-Verhältnis für Bereiche und Tätigkeiten des BfV außerhalb operativer Vorgänge in sachlich nicht gerechtfertigter Weise vollständig zu Lasten des verfassungsunmittelbaren presserechtlichen Auskunftsanspruchs beseitigen. Eine derart weitreichende und im Ergebnis pauschale Bereichsausnahme lässt sich aber weder mit berechtigten Interessen der Antragsgegnerin noch mit sonstigen im Allgemeininteresse liegenden Gründen rechtfertigen. Demzufolge wäre selbst der Gesetzgeber offensichtlich nicht berechtigt, einen derart pauschalen Ausschlussgrund zu normieren. Erst recht ist es einem Präsidenten oder einer Präsidentin des BfV in seiner bzw. ihrer Eigenschaft als Behördenleiter bzw. Behördenleiterin verwehrt, den pauschalen Ausschlussgrund der „Vertraulichkeitsvereinbarung“ aus eigener Kompetenz zu schaffen.
67Die Vertraulichkeitsvereinbarungen stehen den begehrten Auskünften auch nicht deshalb entgegen, weil sie dem Schutz der Gesprächsinhalte dienten. In Art. 45d GG und im Gesetz über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes (PKGrG) vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2346, zuletzt geändert durch Artikel 13 des Gesetzes vom 5. Januar 2017, BGBl. I S. 17) haben der Verfassungs- und der Bundesgesetzgeber ein Gremium geschaffen, in dem sich Vertreter des BfV mit Abgeordneten des Deutschen Bundestags, die Mitglieder dieses Parlamentarischen Kontrollgremiums sind, in „geheimer Beratung“ (§ 10 Abs. 1 Satz 1 PKGrG) „umfassend über die allgemeine Tätigkeit“ des BfV sowie über „Vorgänge von besonderer Bedeutung“ austauschen können. Zu Vorgängen von besonderer Bedeutung gehören nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 PKGrG auch „Einzelvorkommnisse, die Gegenstand politischer Diskussionen oder öffentlicher Berichterstattung“ sind. Damit fehlt es – argumentum e contrario – für „geheime Gesprächsrunden oder -formate“ außerhalb des Parlamentarischen Kontrollgremiums schon an einer gesetzlichen Grundlage. Ferner gibt der Verfassungs- und Bundesgesetzgeber mit den vorgenannten Vorschriften verbindlich vor, dass Gespräche mit Abgeordneten über geheimhaltungsbedürftige, etwa operative Vorgänge des BfV betreffende Informationen im Rahmen des Parlamentarischen Kontrollgremiums stattzufinden haben. Weder der (damalige) Präsident noch andere Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter des BfV durften und dürfen außerhalb des Parlamentarischen Kontrollgremiums mit Abgeordneten über geheimhaltungsbedürftige Angelegenheiten des BfV sprechen. Anders gesagt: Außerhalb des Parlamentarischen Kontrollgremiums durften und dürfen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des BfV einschließlich des (damaligen) Präsidenten mit Abgeordneten, Journalisten oder sonstigen Gesprächspartnern nur über solche Inhalte sprechen, die nicht geheimhaltungsbedürftig sind. Insbesondere durfte und darf damit in Gesprächen außerhalb des Parlamentarischen Kontrollgremiums nicht über operative Vorgänge des BfV gesprochen werden, und zwar unabhängig von im Einzelfall oder regelmäßig geschlossenen Vertraulichkeitsvereinbarungen. Dies bedeutet in letzter Konsequenz, dass die Inhalte von Gesprächen, die Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter des BfV außerhalb des Parlamentarischen Kontrollgremiums „mit dem parlamentarischen Raum“ führen, aus sich heraus grundsätzlich nicht geheimhaltungsbedürftig sind, so dass Auskunftsbegehren, die sich auf solche Inhalte beziehen, grundsätzlich zu entsprechen ist. Dies gilt insbesondere mit Blick auf die Anträge zu 3) und 6).
68Schließlich dringt die Antragsgegnerin auch nicht mit ihrem Argument durch, die Gespräche in der bisher praktizierten Form dienten der Aufgabenerfüllung des BfV, weshalb die Vertraulichkeit der Gespräche gewahrt bleiben müsse. Die Antragsgegnerin vertritt insoweit – wie bereits dargestellt – die Auffassung, dass ein unbefangener Gedanken- und Informationsaustausch den Abgeordneten Einblick in die Tätigkeiten des BfV biete und letztlich dazu diene, das Vertrauen in das BfV zu stärken und einen Beitrag zur Transparenz der Tätigkeit des BfV zu leisten. Ferner trügen diese Gespräche zu einer unbefangenen Atmosphäre zwischen dem BfV und dem parlamentarischen Raum bei, was einer erfolgreichen, zielgerichteten Zusammenarbeit von Politik und Sicherheitsbehörden dienlich sei. Die von der Antragsgegnerin so beschriebenen Ziele und Aufgaben des BfV entbehren jedoch einer gesetzlichen Grundlage. Die Aufgaben des BfV sind in § 3 des Gesetzes über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes und über das Bundesamt für Verfassungsschutz (Bundesverfassungsschutzgesetz – BVerfSchG), vom 20. Dezember 1990 (BGBl. I S. 2954, 2970), das zuletzt durch Art. 2 des Gesetzes vom 30. Juni 2017 (BGBl. I S. 2097) geändert worden ist, geregelt. Die Aufgaben „Vertrauen stärken“, „Transparenz schaffen“ bzw. „Schaffung einer erfolgreichen und zielgerichteten Zusammenarbeit von Politik und Sicherheitsbehörden“ finden sich in dieser Vorschrift und auch sonst im BVerfSchG nicht, und zwar weder ausdrücklich noch konkludent. Selbst wenn, wie die Antragsgegnerin meint, diese Form der Gespräche mit Abgeordneten wegen der fehlenden Möglichkeit, Vertraulichkeit zu vereinbaren, so nicht mehr stattfinden könnten, wären damit keine rechtlich relevanten Nachteile oder sonstige Beeinträchtigungen im Hinblick auf die Tätigkeit und die Aufgabenerfüllung des BfV verbunden. Ein rechtlich schützenswertes Interesse der Antragsgegnerin an der Beibehaltung eines Gesprächsformats, das nicht nur einer gesetzlichen Grundlage entbehrt, sondern sich darüber hinaus mit den Vorschriften über das Parlamentarische Kontrollgremium nicht in Einklang bringen lässt, besteht nicht.
69b)
70Dem Auskunftsanspruch stehen auch keine berechtigten schutzwürdigen Interessen Dritter entgegenstehen. Dies gilt insbesondere für die von der Antragsgegnerin vorgebrachte Garantie des freien Mandats nach Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG. Danach sind die Abgeordneten Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen. Das hierdurch garantierte freie Mandat gewährleistet die freie Willensbildung des Abgeordneten, die gegenüber unzulässigen Einflussnahmen aus verschiedenen Richtungen – durch Interessengruppen, durch Parteien und Fraktionen und durch die Exekutive – geschützt werden soll.
71BVerwG, Urteil vom 25. Juni 2015 – 7 C 1.14 – BVerwGE 152, 241-255 = juris-Rn. 20, mit Verweis auf BVerfG, Beschluss vom 17. September 2013 – 2 BvE 6/08, 2 BvR 2436/10 – BVerfGE 134, 141 = juris-Rn. 92 ff.
72Zwar ist damit grundsätzlich auch die Informationsbeschaffung der oder des Abgeordneten etwa durch Gespräche mit Behördenvertreterinnen und -vertretern Teil des durch Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG geschützten freien Mandats. Dazu gehört auch, dass der oder die Abgeordnete selbst entscheiden kann, welche Informationen er oder sie sich auf welche Weise beschafft und ob und in welchem Umfang er oder sie Dritte hierüber informiert. Er oder sie unterliegt damit grundsätzlich keiner Auskunftspflicht gegenüber der Presse. Vielmehr bleibt es grundsätzlich dem oder der einzelnen Bundestagsabgeordneten überlassen, wie und auf welche Weise er oder sie seine oder ihre Tätigkeit in der Öffentlichkeit präsentieren möchte. Pressevertreter dürfen daher nicht über den Umweg einer Behörde an Informationen gelangen, deren Herausgabe sie aufgrund des Schutzes der Mandatsfreiheit durch Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG von einem oder einer Bundestagsabgeordneten nicht verlangen könnten.
73Vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 20. November 2015 – OVG 6 S 45.15 – juris-Rn. 13.
74Die Garantie des freien Mandats bedeutet nach der oben zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gleichwohl nicht, dass sich eine Abgeordnete oder ein Abgeordneter einer öffentlichen Diskussion über einzelne, mit Behördenvertretern geführte Gespräche entziehen könnte. Eine solche Rechenschaftspflicht ist vielmehr Ausdruck des Mandats in der repräsentativen Demokratie, die gerade durch die politische Verantwortung des Abgeordneten gegenüber der Wählerschaft und der Rückkopplung zwischen Parlamentariern und Wahlvolk gekennzeichnet ist.
75BVerwG, Urteil vom 25. Juni 2015 – 7 C 1.14 – BVerwGE 152, 241-255 = juris-Rn. 21.
76Hiervon ausgehend sind der Erteilung der begehrten Auskünfte entgegenstehende Belange der betroffenen Abgeordneten der AfD-Bundestagsfraktion offensichtlich nicht gegeben. Denn eine Beeinträchtigung, erst recht eine Verletzung der Garantie des freien Mandats ist vorliegend nicht zu besorgen. Selbst wenn die Auskunftserteilung zu einer Rechenschaftspflicht der Abgeordneten führte, bedeutete dies im vorliegenden Fall keine Beeinträchtigung oder gar Verletzung der Mandatsfreiheit der Abgeordneten, sondern wäre von diesen vielmehr als Ausdruck ihres Mandats in der repräsentativen Demokratie sowie ihrer politischen Verantwortung gegenüber der Wählerschaft grundsätzlich hinzunehmen bzw. „auszuhalten“. Die von der Antragsgegnerin in diesem Zusammenhang verwendete Formulierung, dass bei einem bestehenden „Offenbarungsrisiko“ die „Grundvoraussetzung“ für Gespräche des (damaligen) Präsidenten des BfV mit Abgeordneten nicht mehr gewährleistet sei (vgl. S. 7, Rz. 26 der Antragserwiderung vom 14. November 2018, Bl. 121 der Gerichtsakte), lässt sich mit der verfassungsrechtlichen Stellung eines oder einer Abgeordneten in der repräsentativen Demokratie im Ergebnis nur schwer in Einklang bringen. Hinzu kommt, dass sich hier die vermeintlich entstehende Rechenschaftspflicht der Abgeordneten auf Gespräche mit dem Leiter einer Bundesbehörde beziehen würde. Wie daraus eine Beeinträchtigung oder gar Verletzung der Mandatsfreiheit resultieren soll, ist für die erkennende Kammer nicht ansatzweise ersichtlich.
77c)
78Schließlich ist – ohne dass es darauf entscheidend ankommt – zu berücksichtigen, dass das Vertrauen der betroffenen Abgeordneten in die von der Antragsgegnerin behauptete Verschwiegenheitszusage des (damaligen) Präsidenten des BfV nur bedingt schutzwürdig sein dürfte. Denn dass der Leiter einer Bundesbehörde als Organ der vollziehenden Gewalt grundrechtsverpflichtet ist (Art. 1 Abs. 3 GG) und daher auch dem verfassungsunmittelbaren presserechtlichen Auskunftsanspruch nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG unterliegt, ist jedem und jeder Abgeordneten bekannt bzw. muss jedem und jeder Abgeordneten bekannt sein. Dann liegt es allerdings auf der Hand, dass der Leiter einer Bundesbehörde nicht befugt ist, ohne gesetzliche Grundlage generelle und einzelfallunabhängige Geheimhaltungstatbestände in Form von Vertraulichkeitszusagen zu schaffen. Geheimhaltung stellt in einer freiheitlichen demokratischen Grundordnung, wie sie das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland bestimmt, einen Fremdkörper dar, der von allen staatlichen Stellen grundsätzlich restriktiv zu handhaben ist. Vertraulichkeitsvereinbarungen in der hier praktizierten Form widersprechen erkennbar diesem Grundsatz.
79d)
80Auch mit Blick auf die einzelnen Auskunftsbegehren sind schutzwürdige Interessen nicht gegeben. Dies gilt insbesondere für die Anträge zu 3.) und 6.). Die darin enthaltenen Auskunftsbegehren sind auf die Frage beschränkt, ob bestimmte Sachverhalte (Strömungen innerhalb der AfD bzw. die Person Björn Höcke) Gegenstand der Gespräche waren. Dass sich das BfV mit Rechtsextremismus („Strömungen“; „Björn Höcke“) bzw. Spionage befasst, ist allgemein bekannt bzw. gibt das BfV selbst auf der eigenen Homepage bekannt. Die Offenbarung von Themen bzw. Sachverhalten, die Gegenstand von Gesprächen außerhalb geheimer Gremien wie dem Parlamentarischen Kontrollgremium stattfinden, sind nicht geeignet, Rückschlüsse auf geheimhaltungsbedürftige, insbesondere operative Vorgänge des BfV, geschweige denn auf konkrete Arbeitsabläufe zuzulassen. Hinzu kommt, dass das Auskunftsbegehren lediglich auf den Gesprächsgegenstand als solchen gerichtet ist, und nicht etwa darauf, welcher der Gesprächspartner welche Ansichten zu bestimmten Themen vertreten hat. Erst recht ist nicht nach möglicherweise geheimhaltungsbedürftigen geheimdienstlichen Erkenntnissen des BfV gefragt, wobei letztere den Gesprächspartnern außerhalb des Parlamentarischen Kontrollgremiums ohnehin nicht mitgeteilt werden durften.
81Soweit das Auskunftsbegehren im Antrag zu 6) zusätzlich auf „amtliche Informationen“ gerichtet ist, die der Präsident des BfV Herrn Alexander Gauland möglicherweise mitgeteilt hat, ist ein Ausschlussgrund nach dem oben Gesagten ebenfalls nicht gegeben. Denn amtliche Informationen, die der Präsident des BfV einem Bundestagsabgeordneten außerhalb des Parlamentarischen Kontrollgremiums mitteilt, können nach der dargestellten gesetzlichen Systematik per se nicht geheimhaltungsbedürftig sein.
82Soweit das Auskunftsbegehren im Antrag zu 6) ferner auf „dienstliche Maßnahmen“ gerichtet ist, welche der Präsident des BfV im Zusammenhang mit einem vermeintlichen Spionagefall innerhalb der AfD-Bundestagsfraktion ggf. ergriffen hat, so ist zu differenzieren: Es mögen hier „dienstliche Maßnahmen“ in Betracht kommen, die einen Bezug zu geheimhaltungsbedürftigen Tätigkeiten des BfV, etwa zu operativen Vorgängen, aufweisen. In diesem Fall wäre die Auskunft dann durch die Antragsgegnerin zu verweigern. Es sind jedoch auch „dienstliche Maßnahmen“ denkbar, die nicht geheimhaltungsbedürftig sind und daher dem Auskunftsanspruch unterliegen. Erforderlich sind hier also einzelfallbezogene Erwägungen der Antragsgegnerin. Daran fehlt es bislang vollständig. Dies ist im Rahmen der Auskunftserteilung durch die Antragsgegnerin nachzuholen.
83Der Antrag zu 7.) ist auf die Auskunft gerichtet, ob eine Abstimmung mit dem Bundesministerium des Innern stattgefunden hat. Diese Frage lässt sich mit „Ja“ oder „Nein“ beantworten. Geheimhaltungsbedürftige Sachverhalten oder Vorgänge werden durch die Beantwortung dieser Frage offensichtlich nicht berührt.
842.
85Der Antragsteller hat auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. In Fällen presserechtlicher Auskunftsansprüche darf an das Vorliegen eines schweren, die Vorwegnahme der Hauptsache rechtfertigenden Nachteils kein zu strenger Maßstab angelegt werden. Erforderlich, aber auch ausreichend ist ein gesteigertes öffentliches Interesse und ein starker Gegenwartsbezug der Berichterstattung.
86Vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. September 2014 – 1 BvR 23/14 – juris-Rn. 25 f.; BVerwG, Beschluss vom 26. Oktober 2017 – 6 VR 1.17 – juris-Rn. 13; OVG NRW, Beschluss vom 17. März 2017 – 15 B 1112/15 – juris-Rn. 34.
87Diese Voraussetzungen sind angesichts der vom Antragsteller in Bezug genommenen aktuellen Berichterstattung ohne weiteres erfüllt.
883.
89Durch die Beantwortung der Fragen 8 und 9 hat die Antragsgegnerin in der Sache auch die Frage 10 beantwortet, so dass sich auch die Frage 10 in der Sache erledigt hat und es insoweit an einem Rechtsschutzbedürfnis für die begehrte einstweilige Anordnung fehlt.
90Frage 10 ist darauf gerichtet, welche Sachinformationen „dabei“ zu dem hier in Rede stehenden Tatsachenkomplex an welche Medien vermittelt worden seien. Mit „dabei“ sind die sog. „Hintergrundgespräche“ gemeint, die Gegenstand der Frage 9 sind. Frage 9 hat die Antragsgegnerin jedoch dahingehend beantwortet, dass es keine sog. „Hintergrundgespräche“ zu dem hier in Rede stehenden Tatsachenkomplex gegeben habe. Demzufolge sind „dabei“ auch keine Sachinformationen vermittelt worden.
91Soweit die Antragsgegnerin in ihrer Antragserwiderung ein Gespräch mit einem Journalisten erwähnt, in dem der (damalige) Präsident des BfV zu dem hier in Rede stehenden Tatsachenkomplex befragt worden ist, handelte es sich, wie die Antragsgegnerin zu Recht ausführt, nicht um ein sog. „Hintergrundgespräch“ im Sinne der Frage 9. Denn dieses Gespräch hat nicht „aus Anlass“ des hier in Rede stehenden Tatsachenkomplexes stattgefunden, was für ein „Hintergrundgespräch“ im Sinne der Frage 9 jedoch erforderlich wäre. Vielmehr ist der genannte Tatsachenkomplex ohne vorherige Absprache von dem betroffenen Journalisten zum Gegenstand des Gesprächs gemacht worden.
924.
93Der Hilfsantrag, der sich in der Sache nur auf die im Antrag zu 10) enthaltene Frage beziehen kann, ist aus den vorstehend dargestellten Gründen ebenfalls unzulässig.
945.
95Die Kostenentscheidung beruht hinsichtlich des übereinstimmend für erledigt erklärten Teils (Anträge zu 8 und 9) auf § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, insoweit der Antragsgegnerin die Kosten der Verfahrens aufzuerlegen, weil sie in ihrer Antragserwiderung vom 27. September 2018 die Fragen 8 und 9 in der Sache beantwortet und den Antragsteller damit faktisch klaglos gestellt hat.
96Im Übrigen beruht die Kostenentscheidung auf § 155 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 VwGO. Die Antragsgegnerin unterliegt zu einem ganz überwiegenden Teil. Das Unterliegen des Antragstellers hinsichtlich der Frage 10 ist gering und fällt kostenmäßig daher nicht ins Gewicht.
97Rechtsmittelbelehrung
98Gegen Ziffer 1 dieses Beschlusses kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe schriftlich bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, Beschwerde eingelegt werden.
99Statt in Schriftform kann die Einlegung der Beschwerde auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) erfolgen.
100Die Beschwerdefrist wird auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, eingeht.
101Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen.
102Die Beteiligten müssen sich bei der Einlegung und der Begründung der Beschwerde durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Als Prozessbevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen, für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts auch eigene Beschäftigte oder Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung im Übrigen bezeichneten ihnen kraft Gesetzes gleichgestellten Personen zugelassen.
103Gegen Ziffer 2 dieses Beschlusses kann innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, Beschwerde eingelegt werden. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
104Die Beschwerde ist schriftlich, zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, einzulegen.
105Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt.
106Die Beschwerdeschrift sollte zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung eines elektronischen Dokuments bedarf es keiner Abschriften.
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Urteil einreichenVerwaltungsgericht Köln Beschluss, 03. Dez. 2018 - 6 L 1932/18 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.
(1) Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.
(2) Wahlberechtigt ist, wer das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat; wählbar ist, wer das Alter erreicht hat, mit dem die Volljährigkeit eintritt.
(3) Das Nähere bestimmt ein Bundesgesetz.
(1) Der Kläger kann bis zur Rechtskraft des Urteils seine Klage zurücknehmen. Die Zurücknahme nach Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung setzt die Einwilligung des Beklagten und, wenn ein Vertreter des öffentlichen Interesses an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hat, auch seine Einwilligung voraus. Die Einwilligung gilt als erteilt, wenn der Klagerücknahme nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Rücknahme enthaltenden Schriftsatzes widersprochen wird; das Gericht hat auf diese Folge hinzuweisen.
(2) Die Klage gilt als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als zwei Monate nicht betreibt. Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Der Kläger ist in der Aufforderung auf die sich aus Satz 1 und § 155 Abs. 2 ergebenden Rechtsfolgen hinzuweisen. Das Gericht stellt durch Beschluß fest, daß die Klage als zurückgenommen gilt.
(3) Ist die Klage zurückgenommen oder gilt sie als zurückgenommen, so stellt das Gericht das Verfahren durch Beschluß ein und spricht die sich nach diesem Gesetz ergebenden Rechtsfolgen der Zurücknahme aus. Der Beschluß ist unanfechtbar.
(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.
(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.
(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.
(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.
(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Auskunft zu folgenden Fragen
zu erteilen:
1. Wie ist der Sachstand des Disziplinarverfahrens in Sachen des Beamten mit dem Decknamen Lothar Lingen? Ist das Disziplinarverfahren abgeschlossen? Mit welchen Konsequenzen?
3. Welches Fehlverhalten wurde dem Mitarbeiter, gegen den im Zuge des Disziplinarverfahrens ermittelt wurde, genau vorgeworfen?
4. Wie genau sahen die Bemühungen des Bundesamtes für Verfassungsschutz aus, das Fehlverhalten aufzuklären? Welchen Umfang und welche Dauer hatten die Aufklärungsbemühungen? Wie viele Personen wurden im Rahmen dieses Verfahrens befragt? Wie viele Seiten umfasst die Ermittlungsakte im Disziplinarverfahren?
6. Welche Einschätzungen über die mögliche Motivation der Aktenvernichtung durch den Mitarbeiter mit dem Decknamen Lothar Lingen wurden während der im Rahmen des Disziplinarverfahrens durchgeführten Vernehmungen von anderen Mitarbeitern des Bundesamtes für Verfassungsschutz geäußert?
7. Wurde ermittelt, ob der Mitarbeiter „Lothar Lingen“ mit den von ihm vernichteten Vorgängen in den Jahren zuvor selbst dienstlich befasst gewesen ist?
8. Welche Ergebnisse haben die Ermittlungen im Rahmen des Disziplinarverfahrens hinsichtlich der Frage ergeben, ob der betreffende Mitarbeiter die Aktenvernichtungen in eigener Zuständigkeit und ohne Rücksprache mit anderen Mitarbeitern, insbesondere ohne Information seines direkten Vorgesetzten durchgeführt hat?
9. Inwieweit wurde zur Aufklärung des Fehlverhaltens auch außerhalb des Bundesamtes für Verfassungsschutz ermittelt? Wurden beispielsweise außenstehende Zeugen vernommen?
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger zu ¼ und die Beklagte zu ¾.
1
T a t b e s t a n d
2Die Beteiligten streiten um einen presserechtlichen Auskunftsanspruch.
3Der Kläger ist Journalist. Mit Schreiben vom 18.06.2014 begehrte er Auskunft von der Beklagten zu den im Zusammenhang mit dem Bekanntwerden der Terrorismusorganisation NSU im Bundesamt für Verfassungsschutz erfolgten Aktenvernichtungen, insbesondere zu dem Disziplinarverfahren, das gegen den ehemaligen Referatsleiter, der die Vernichtung angeordnet haben solle, eingeleitet worden sei.
4Mit einer E-Mail vom 03.07.2014 teilte die Beklagte mit, dass Personalakten gemäß § 106 Abs. 1 BBG vertraulich zu behandeln und vor unbefugter Einsichtnahme zu schützen seien. Dies gelte auch dann, wenn das Disziplinarverfahren abgeschlossen sei, da die Vorgänge zunächst Bestandteil der Personalakte blieben und erst nach Fristablauf aus der Personalakte zu entfernen und zu vernichten seien (§16 BDG). Daher sei eine Auskunftserteilung an Journalisten über disziplinarrechtliche Vorgänge nicht zulässig.
5Mit Schreiben vom 14.07.2014 machte der Kläger geltend, dass ein überwiegendes öffentliches Interesse an den verlangten Informationen bestehe.
6Mit E-Mail vom 29.08.2014 teilte die Beklagte mit, dass sie aus den dargelegten Gründen keine Auskunft erteilen könne.
7Am 18.09.2014 hat der Kläger Klage erhoben. Er trägt vor: Es bestehe ein überwiegendes öffentliches Interesse an den verlangten Informationen. Dies zeige sich daran, dass der Vorgang sehr ausführlich von einem Untersuchungsausschuss des 17. Deutschen Bundestages untersucht worden sei. Der Mitarbeiter mit dem Decknamen Lothar Lingen habe vor dem Untersuchungsausschuss die Beantwortung von Fragen zu seiner Person und seinem Tätigwerden unter Hinweis auf das Disziplinarverfahren abgelehnt. Er, der Kläger, begehre die Information im Rahmen seiner auf eine Publikation gerichteten Recherchetätigkeit. Die Vorschriften der §§ 106 ff. BBG seien keine materiellen Geheimhaltungsvorschriften. Die Interessen des betroffenen Beamten seien hier nicht schutzwürdig. Auch bezüglich eines möglichen Fehlverhaltens habe der Beamte die Verantwortung zu tragen. Das vorgeworfene Verhalten sei der amtlichen Tätigkeit des Beamten zuzuordnen. Es habe bereits im Blickpunkt des öffentlichen Interesses gestanden, wie die Einrichtung des Untersuchungsausschusses zeige. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Beamten sei nicht verletzt, da dieser nicht identifizierbar sei. Die begehrte Auskunft ziele lediglich auf abstrakte Informationen. Die Gefahr der Identifikation des betroffenen Beamten werde durch die Beantwortung der gestellten Fragen nicht gesteigert. Gerade im Hinblick auf den NSU-Prozess habe die Öffentlichkeit ein besonders großes Informationsinteresse.
8Der Kläger beantragt,
9die Beklagte zu verurteilen, ihm Auskunft zu folgenden Fragen zu erteilen:
10- 11
1. Wie ist der Sachstand des Disziplinarverfahrens in Sachen des Beamten mit dem Decknamen Lothar Lingen? Ist das Disziplinarverfahren abgeschlossen? Mit welchen Konsequenzen?
- 13
2. Welche Informationen zu dem Ablauf der erfolgten Aktenvernichtungen sowie zur Motivation des Mitarbeiters „Lothar Lingen“, die der Öffentlichkeit bisher nicht durch die Veröffentlichung des Abschlussberichtes des 2. Untersuchungsausschusses des Bundestags, Drs. 17/14600, Seiten 743 ff. bekannt sind, wurden im Zuge des Disziplinarverfahrens ermittelt?
- 15
3. Welches Fehlverhalten wurde dem Mitarbeiter, gegen den im Zuge des Disziplinarverfahrens ermittelt wurde, genau vorgeworfen?
- 17
4. Wie genau sahen die Bemühungen des Bundesamtes für Verfassungsschutz aus, das Fehlverhalten aufzuklären? Welchen Umfang und welche Dauer hatten die Aufklärungsbemühungen? Wie viele Personen wurden im Rahmen dieses Verfahrens befragt? Wie viele Seiten umfasst die Ermittlungsakte im Disziplinarverfahren?
- 19
5. Wurden Erklärungen dafür gefunden, warum der Mitarbeiter einerseits von Vorgesetzten mit sehr guten Noten beurteilt wurde, andererseits aber gleichzeitig eine Anleitungs- und Kontrollbedürftigkeit durch Vorgesetzte bestand (der diese aber wohl nicht nachkamen und die sich ja schließlich auch in dem schwerwiegenden Fehlverhalten des Mitarbeiters zeigte)? Wenn ja, welche Erklärungen wurden gefunden? Wann genau war der Mitarbeiter „Lothar Lingen“ wie von seinen Vorgesetzten bewertet worden? Wie waren die einstigen Positivbewertungen begründet worden?
- 21
6. Welche Einschätzungen über die mögliche Motivation der Aktenvernichtung durch den Mitarbeiter mit dem Decknamen Lothar Lingen wurden während der im Rahmen des Disziplinarverfahrens durchgeführten Vernehmungen von anderen Mitarbeitern des Bundesamtes für Verfassungsschutz geäußert?
- 23
7. Wurde ermittelt, ob der Mitarbeiter „Lothar Lingen“ mit den von ihm vernichteten Vorgängen in den Jahren zuvor selbst dienstlich befasst gewesen ist? Falls ja, für welche Vorgänge trifft dies zu und wie sah die Befassung aus?
- 25
8. Welche Ergebnisse haben die Ermittlungen im Rahmen des Disziplinarverfahrens hinsichtlich der Frage ergeben, ob der betreffende Mitarbeiter die Aktenvernichtungen in eigener Zuständigkeit und ohne Rücksprache mit anderen Mitarbeitern, insbesondere ohne Information seines direkten Vorgesetzten durchgeführt hat?
- 27
9. Inwieweit wurde zur Aufklärung des Fehlverhaltens auch außerhalb des Bundesamtes für Verfassungsschutz ermittelt? Wurden beispielsweise außenstehende Zeugen vernommen?
Die Beklagte beantragt,
29die Klage abzuweisen.
30Sie trägt vor: Die besondere und sensible Aufgabenstellung des Bundesamtes für Verfassungsschutz gebiete es, dies von vornherein aus dem Kreis der Anspruchsverpflichteten herauszunehmen. Darüber hinaus stünden dem Auskunftsbegehren Geheimhaltungsinteressen des Bundes entgegen. Die Vorgänge seien nach der für Bundesbehörden geltenden Verschlusssachenanweisung des Bundesministeriums des Innern förmlich als Verschlusssache eingestuft und entsprechend gekennzeichnet. Der Kläger begehre Auskünfte zu operativen Sachverhalten bzw. der Aufarbeitung von Vorgängen aus einem operativen Arbeitsbereich. Die Fragen könnten nicht isoliert, sondern nur unter Rückgriff auf operative Arbeitsweisen und Vorgangsbearbeitungen im Bundesamt für Verfassungsschutz beantwortet werden. Neben der insoweit bestehenden abstrakten Gefahr der Ausforschung von Arbeitsweise und Methodik nachrichtendienstlicher Tätigkeit stünden konkrete Geheimhaltungsinteressen des Bundes einer Auskunft entgegen. Es sei auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht des betroffenen Beamten in den Blick zu nehmen. Sämtliche mit der Klage begehrten Auskünfte seien nur unter Rückgriff auf die Personalakte bzw. auf Teile einer Disziplinarakte zu beantworten. Gemäß § 106 Abs. 1 S. 2 BBG sei die Personalakte eines Beamten vertraulich zu behandeln. Auskünfte aus der Personalakte an einen Dritten seien gemäß § 111 BBG nur mit Einwilligung des Beamten möglich, es sei denn, dass der Schutz berechtigter höherrangiges Interessen des Dritten die Auskunftserteilung zwingend erfordere. Derartige Interessen seien hier nicht gegeben. Der Untersuchungsgegenstand sei bereits Inhalt der unterschiedlichsten Aufklärungsmaßnahmen; bislang seien allein vier parlamentarische Untersuchungsausschüsse eingerichtet worden. Ein förmliches Disziplinarverfahren unterliege im Unterschied zum Strafverfahren gerade nicht dem Grundsatz der Öffentlichkeit, sondern sei bewusst als behördeninternes Verfahren ausgestaltet. Die Person die sich unter dem Decknamen „Lothar Lingen“ verberge, sei dessen Beschäftigungsdienststelle und auch darüber hinaus bekannt. Die Presse versuche bis heute mit unlauteren Methoden an den Beamten heranzutreten. Es bestehe eine hohe Gefahr, dass die Klaridentität bekannt werde. Außerdem sei zu befürchten, dass die Auskunft zu einzelnen der vom Kläger gestellten Fragen zu dem Disziplinarverfahren weitere Fragen, auch anderer Pressevertreter, nach sich ziehe. Zumindest abstrakt bestehe darüber hinaus die Gefahr von Racheakten aus der rechtsextremistischen Szene gegen den Beamten.
31Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge ergänzend Bezug genommen.
32E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
33Die Klage hat teilweise Erfolg.
34Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Auskunft zu den einzelnen im Tenor genannten Fragen.
35Der Anspruch ergibt sich unmittelbar aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG. Die Kammer folgt bezogen auf presserechtliche Auskunftsansprüche gegenüber Bundesbehörden der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Danach umfasst die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes über den Verfassungsschutz aus Art. 73 Nr. 10 b GG als Annex die Befugnis, Voraussetzungen und Grenzen zu regeln, unter denen der Öffentlichkeit einschließlich der Presse Informationen zu erteilen sind oder erteilt werden dürfen. Da der zuständige Gesetzgeber untätig geblieben ist, muss unmittelbar auf das Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG als Rechtsgrundlage für pressespezifische Auskunftspflichten zurückgegriffen werden.
36Vgl. BVerwG, Urteil vom 25.03.2015 – 6 C 12.14 –, K & R 2015, 529; BVerwG, Urteil vom 20.02.2013 -6 A 2.12 -, NVwZ 2013, 1006.
37Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts steht der Annahme eines aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG folgenden verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruchs nicht entgegen. Das Bundesverfassungsgericht hat die Frage, ob und auf welcher Grundlage Regelungen zu Auskunftspflichten der Presse gegenüber Bundesbehörden dem Bundesgesetzgeber vorbehalten sind, bislang offen gelassen. Ebenfalls hat es offen gelassen, ob ein Auskunftsanspruch unter Rückgriff auf Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG unmittelbar aus der Verfassung abgeleitet werden kann und wie weit dieser gegebenenfalls reicht. Denn für eine Verletzung der Pressefreiheit sei jedenfalls dann nichts ersichtlich, solange die Fachgerichte den Presseangehörigen im Ergebnis einen Auskunftsanspruch einräumen, der hinter dem Gehalt der – untereinander im wesentlichen inhaltsgleichen, auf eine Abwägung zielenden – Auskunftsansprüche der Landespressegesetze nicht zurückbleibt.
38Vgl. BVerfG, Beschluss vom 27.07.2015 – 1 BvR 1452/13 -.
39Aufgrund des verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruchs können Pressevertreter in geeigneter Form behördliche Auskünfte verlangen, soweit berechtigte schutzwürdige Interessen Privater oder öffentlicher Stellen an der Vertraulichkeit von Informationen nicht entgegenstehen.
40Die Berechtigung von Vertraulichkeitsinteressen, die dem verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruch entgegenstehen können, bestimmt sich dabei in Abhängigkeit von dem Regelungsspielraum, über den der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung behördlicher Auskunftspflichten verfügt. Der verfassungsunmittelbare Auskunftsanspruch besteht in demjenigen Umfang, den der Gesetzgeber selbst nicht unterschreiten dürfte. Also ist er durch Vertraulichkeitsinteressen ausgeschlossen, die der Gesetzgeber für die gegebene Sachkonstellation als Ausschlussgrund normieren dürfte. Entscheidend ist, ob der Gesetzgeber berechtigt wäre, dem betroffenen Vertraulichkeitsinteresse für die gegebene Sachkonstellation Vorrang vor dem Informationsinteresse der Presse einzuräumen. Der Gesetzgeber unterliegt zum einen der Vorgabe, Vertraulichkeitsinteressen nur dann Vorrang gegenüber dem Informationsinteresse von Pressevertretern einzuräumen, wenn hierfür plausible Gründe sprechen.
41Vgl. BVerwG, Urteil vom 25.03.2015 – 6 C 12.14 –, a.a.O..
42Berechtigte schutzwürdige Interessen der hier in Rede stehenden Art sind auch beispielhaft in den Landespressegesetzen aufgeführt.
43Vgl. BVerwG, Urteil vom 20.02.2013, - 6 A 2.12 –, a.a.O..
44Bei der Abwägung zwischen dem Informationsinteresse der Presse und den Vertraulichkeitsinteressen der Beklagten ist in den Blick zu nehmen, dass die Geheimhaltungsinteressen des Bundesamtes für Verfassungsschutz eine hohe Bedeutung haben, weil Auskünfte immer auch Rückschlüsse auf die Arbeitsweise des Bundesamtes zulassen.
45Das Bundesverwaltungsgericht hat - bezogen auf den Bundesnachrichtendienst – bislang offen gelassen, ob der Gesetzgeber diesen insgesamt von der Pflicht ausnehmen dürfte, der Presse Auskunft zu erteilen. Der Gesetzgeber ist aber unter besonderen Umständen berechtigt, jedenfalls einzelne behördliche Funktionsbereiche von Auskunftspflichten auszunehmen.
46Vgl. BVerwG, Urteil vom 25.03.2015 – 6 C 12.14 -, a.a.O..
47Derartige besondere Umstände bestehen für operative Vorgänge im Bereich des Bundesnachrichtendienstes, nämlich für die Beschaffung und Auswertung von Informationen von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung. Der Gesetzgeber darf deshalb für diesen behördlichen Funktionsbereich Auskünfte an die Presse generell ausschließen, ohne insoweit eine einzelfallbezogene Abwägung mit gegenläufigen Informationsinteressen der Presse vorsehen zu müssen.
48Vgl. BVerwG, Beschluss vom 20.07.2015 – 6 VR 1/15 -, DVBl 2015, 1316.
49Dasselbe gilt für operative Vorgänge im Bereich des Bundesamtes für Verfassungsschutz.
50I. Hiervon ausgehend hat der Kläger einen Anspruch auf Auskunft zu der Frage 1, wie der Sachstand des Disziplinarverfahrens in Sachen des Beamten mit dem Decknamen Lothar Lingen ist und ob und mit welchen Konsequenzen das Disziplinarverfahren abgeschlossen ist.
51Schutzwürdige Interessen der Beklagten an der Vertraulichkeit der verlangten Informationen stehen nicht entgegen. Die begehrten Informationen fallen nicht in den behördlichen Funktionsbereich der operativen Vorgänge im Bundesamt für Verfassungsschutz. Die Frage betrifft konkret das Disziplinarverfahren, das gegen den Beamten mit dem Decknamen Lothar Lingen im Bundesamt für Verfassungsschutz wegen des Vorwurfs, eine Aktenvernichtung am 11.11.2011 – drei Tage nach Beate Zschäpes Verhaftung -angeordnet sowie die Amtsleitung nicht informiert zu haben, eingeleitet wurde. Die vernichteten Akten betrafen Personen, die aus dem Umfeld des 1995 gegründeten „Thüringer Heimatschutzes (THS)“, ein bedeutendes Sammelbecken der Neonazi-Szene, für das Bundesamt geworben und als V-Männer geführt wurden. Die Mitglieder der Terrorgruppe NSU (Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe) waren besonders gewaltbereite Mitglieder des THS.
52Vgl. Bericht des Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages vom 22.08.2013, BT-Drs. 17/14600, Seiten 743 ff., 786.
53Das Auskunftsverlangen betrifft den singulären Vorgang der Aktenvernichtung und das damit zusammenhängende Fehlverhalten des betroffenen Beamten. Die Frage des Klägers bezieht sich nicht auf den Inhalt der geschredderten Akten, d.h. Informationen zu den betreffenden V-Leuten werden nicht erfragt. Es ist nicht erkennbar, dass die konkrete Auskunft über den Sachstand des Disziplinarverfahrens – wie die Beklagte ohne nähere Begründung vorträgt - nur unter Rückgriff auf operative Arbeitsweisen und Vorgangsbearbeitungen im Bundesamt für Verfassungsschutz beantwortet werden können sollte. Dasselbe gilt für die eindeutige Frage nach den Konsequenzen des Disziplinarverfahrens, d.h. nach der ggfs. verhängten Disziplinarmaßnahme (im Sinne des § 5 BDG).
54Auch schutzwürdige private Interessen des betroffenen Beamten stehen der Auskunftserteilung hier nicht entgegen.
55Zwar folgt aus § 111 BBG, wonach Auskünfte an Dritte aus der Personalakte, wozu auch die Disziplinarakte zählt, nur mit Einwilligung des Beamten erteilt werden dürfen, es sei denn, dass die Abwehr einer erheblichen Beeinträchtigung des Gemeinwohls oder der Schutz berechtigter, höherrangiger Interessen die Aufklärung zwingend erfordert, ein Vertraulichkeitsgebot für den Schutz des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung eines Beamten im Rahmen der Personalaktenführung. Grundsätzlich gilt für beamtenrechtliche Disziplinarverfahren, bei denen es um schuldhafte Dienstpflichtverletzungen des Beamten geht, das Vertraulichkeitsgebot im besonderen Maße. Die Verletzung des Vertraulichkeitsgebots setzt jedoch voraus, dass der Grundrechtsträger identifizierbar ist.
56Vgl. VG Berlin, Beschluss vom 21.07.2014 – 27 L169.14 -.
57Die Besonderheit im vorliegenden Fall ist, dass der betreffende Beamte deshalb nicht identifiziert werden kann, weil er der Öffentlichkeit nur unter seinem Decknamen Lothar Lingen bekannt ist. Seinen Vertraulichkeitsinteressen ist daher kein hohes Gewicht beizumessen. Warum aufgrund der begehrten abstrakten Informationen die Gefahr bestehen bzw. erhöht werden sollte, dass die Identität des Beamten bekannt wird, hat die Beklagte nicht näher erläutert. Personenbezogene Daten sind nicht Gegenstand des Auskunftsbegehrens. Die Beklagte trägt zwar vor, dass der betroffene Beamte der Presse bereits persönlich bekannt sei und Journalisten immer wieder versuchen würden, mit ihm in Kontakt zu treten; nur werde der Name nicht öffentlich genannt. Wenn dies jedoch aufgrund der der Öffentlichkeit bereits bekannten Umstände der Fall ist, ist nicht erkennbar, warum die Erteilung der begehrten Auskünfte dazu beitragen können sollte, die Identität des Beamten noch weiter bekannt zu machen.
58Demgegenüber besteht hinsichtlich des Auskunftsbegehrens über den Sachstand und die Konsequenzen des Disziplinarverfahrens ein überragendes öffentliches Informationsinteresse. Als im Juni 2012 bekannt wurde, dass der Beamte mit dem Decknamen Lothar Lingen drei Tage nach der Verhaftung Zschäpes die Anweisung zur Vernichtung der Akten gegeben hatte, trat der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz zurück. Wegen der Anschläge des NSU wurden im Bundestag und in 6 Landtagen Untersuchungsausschüsse eingerichtet, wobei auch die Rolle der Sicherheitsbehörden bei der Aufklärung der Anschläge untersucht wurde. So befasst sich der Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses des Bundestages auch detailliert mit den Vorgängen der Aktenvernichtung.
59Vgl. Bericht des Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages vom 22.08.2013, BT-Drs. 17/14600, Seiten 743 ff..
60Zudem ist aktuell im November 2015 ein weiterer NSU-Untersuchungsausschuss zur Klärung noch offener Fragen im Bundestag eingesetzt worden. Untersucht werden soll unter anderem, ob die Sicherheits- und Ermittlungsbehörden bei der Selbstenttarnung des NSU am 04.11.2011 sachgerechte Maßnahmen ergriffen und zielführend kooperiert haben. Auch die Vernichtung von Akten und die Löschung von Daten im Zusammenhang mit dem NSU wird untersucht werden.
61Vgl. Pressemitteilung des Deutschen Bundestages vom 11.11.2015, abrufbar unter http://www.bundestag.de/presse/hib/2015-11/-/395432.
62Die Aufklärungsarbeit, die ein Untersuchungsausschuss zu einem Sachkomplex leistet, der Gegenstand eines presserechtlichen Informationsbegehrens ist, ist mit einer eigenständigen Recherche und Berichterstattung durch die Presse nicht identisch. Der Umstand der Befassung des Untersuchungsausschusses mit diesen Fragen führt dazu, dass dem Interesse der Öffentlichkeit an Informationen hierzu ein noch höheres Gewicht beizumessen ist. Denn im Regelfall kann davon ausgegangen werden, dass die Öffentlichkeit ein gesteigertes Interesse an Fragestellungen hat, die Gegenstand der Erörterung in einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss werden. Auch hinsichtlich der Tätigkeit eines Untersuchungsausschusses besteht ein Bedürfnis, diese durch eine unabhängige Presseberichterstattung zu begleiten.
63Vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 07.03.2014 – 6 S 48.13 -, NVwZ 2014, 1177.
64Für das hohe öffentliche Informationsinteresse spricht in diesem Zusammenhang auch der seit dem 06.05.2013 laufende „NSU-Prozess“ gegen Beate Zschäpe und vier mutmaßliche Helfer.
65Soweit die Beklagte in diesem Zusammenhang in der mündlichen Verhandlung eingewendet hat, dass in die Abwägung einzustellen sei, dass das öffentliche Informationsinteresse durch die Fokussierung auf das Disziplinarverfahren eines einzelnen Beamten nicht ausreichend befriedigt werden könne, kann sie damit nicht gehört werden. Im Rahmen des grundrechtlich verbürgten presserechtlichen Auskunftsanspruchs kommt es auf die Qualität der begehrten Information nicht an. Vielfach wird sich ohnehin erst aufgrund der erteilten Auskunft erweisen, ob ein Berichterstattungsinteresse besteht. Es ist allein Sache der Presse aufgrund eigener publizistischer Beurteilung zu entscheiden, ob und wie über einen Sachverhalt berichtet wird.
66Vgl. Löffler, Presserecht, 6. Aufl., § 4 Rn. 85.
67Sinn und Zweck der Auskunftspflichten ist es, der Presse zu ermöglichen, umfassend und wahrheitsgetreu Informationen über Geschehnisse von öffentlichem Interesse im staatlichen Bereich zu erhalten, und dadurch in die Lage versetzt zu werden, die Öffentlichkeit entsprechend zu unterrichten. Auf diese Weise können die Bürgerinnen und Bürger zutreffende und umfassende Informationen über tatsächliche Vorgänge und Verhältnisse, Missstände, Meinungen und Gefahren erhalten, die ihnen sonst verborgen bleiben würden, aber Bedeutung für eine abgewogene Beurteilung der für die Meinungsbildung essenziellen Fragen haben könnten.
68Vgl. BVerfG, Beschluss vom 27.07.2015 – 1 BvR 1452/13 -.
69II. Bezogen auf die Frage 3 hat die Klage ebenfalls Erfolg. Der Kläger hat aufgrund der vorstehenden Erwägungen einen Anspruch auf Auskunft zu der Frage, welches Fehlverhalten dem Mitarbeiter, gegen den im Zuge des Disziplinarverfahrens ermittelt wurde, genau vorgeworfen wurde.
70Hierbei handelt es sich um eine konkrete Frage nach dem Gegenstand des Disziplinarverfahrens. Schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen der Beklagten oder des betroffenen Beamten stehen aus den oben genannten Gründen nicht entgegen.
71III. Der Kläger hat ebenfalls einen Anspruch auf Erteilung einer Auskunft zu den unter 4 gestellten Fragen hinsichtlich des Umfangs und der Dauer der Aufklärungsbemühungen des Bundesamtes für Verfassungsschutz im Disziplinarverfahren. Dabei versteht die Kammer die Frage so, dass die beiden ersten Fragen einleitend gestellt sind und in den beiden folgenden Fragen (Wie viele Personen wurden im Rahmen dieses Verfahrens befragt?, Wie viele Seiten umfasst die Ermittlungsakte im Disziplinarverfahren?) konkretisiert werden, so dass eine Auskunft nur zu den beiden konkreten Fragen begehrt wird.
72Die erbetenen Auskünfte betreffen konkrete Tatsachen hinsichtlich des Disziplinarverfahrens gegen den Beamten mit dem Decknamen Lothar Lingen. Schutzwürdige Vertraulichkeitsinteressen der Beklagten oder des Beamten stehen der Auskunftserteilung aufgrund der oben genannten Erwägungen nicht entgegen. Es besteht ein überwiegendes öffentliches Informationsinteresse.
73IV. Dasselbe gilt für die Frage 6, welche Einschätzungen über die mögliche Motivation der Aktenvernichtung durch den Mitarbeiter mit dem Decknamen Lothar Lingen während der im Rahmen des Disziplinarverfahrens durchgeführten Vernehmungen von anderen Mitarbeitern des Bundesamtes für Verfassungsschutz geäußert wurden. Auch hierbei handelt es sich um eine klar umrissene Frage hinsichtlich eines einzelnen möglichen Aspekts der durchgeführten Vernehmungen in dem Disziplinarverfahren. Aufgrund der oben genannten Gründe ist die Auskunft zu erteilen.
74V. Hinsichtlich der Frage 8 hat die Klage aus den genannten Gründen ebenfalls Erfolg. Sie bezieht sich konkret auf das Ergebnis der Ermittlungen hinsichtlich der Frage, ob der Beamte die Aktenvernichtung selbständig ohne Rücksprache mit anderen Mitarbeitern angeordnet hat.
75VI. Der Kläger hat aus denselben Gründen auch einen Anspruch auf Auskunft zu der Frage 9, inwieweit im Disziplinarverfahren auch außerhalb des Bundesamtes für Verfassungsschutz ermittelt wurde und ob außenstehende Zeugen vernommen wurden.
76VII. Hinsichtlich der Frage 7 hat die Klage nur teilweise Erfolg. Der Kläger hat einen Anspruch auf Auskunft darüber, ob ermittelt wurde, ob der Mitarbeiter „Lothar Lingen“ mit den von ihm vernichteten Vorgängen in den Jahren zuvor selbst dienstlich befasst gewesen ist. Es handelt sich um eine konkrete Frage, die bejaht oder verneint werden kann. Diesbezüglich gelten die Erwägungen unter I entsprechend.
77Ein Anspruch des Klägers auf Auskunft zu der Frage, mit welchen vernichteten Vorgängen der Beamte dienstlich befasst gewesen ist und wie die Befassung aussah, besteht hingegen nicht. Die begehrte Auskunft bezieht sich auf den Inhalt der vernichteten Akten. Außerdem begehrt der Kläger mit der Frage nach der Befassung eine Auskunft über die Arbeitsweise des betroffenen Beamten. Diese Fragen zielen auf den Bereich der operativen Vorgänge im Bundesamt für Verfassungsschutz, so dass eine Auskunft hierzu generell ausgeschlossen ist, ohne dass es einer Abwägung mit gegenläufigen Informationsinteressen der Presse bedarf.
78VIII. Mit der Frage 2, welche Informationen zum Ablauf der erfolgten Aktenvernichtungen sowie zur Motivation, die der Öffentlichkeit bisher nicht durch die Veröffentlichung des Abschlussberichtes des zweiten Untersuchungsausschusses des Bundestags bekannt seien, im Zuge des Disziplinarverfahren ermittelt worden seien, hat die Klage keinen Erfolg.
79Das Auskunftsbegehren ist nicht hinreichend eingrenzbar. Der Auskunftsanspruch muss sich auf einen bestimmten Sachverhalt beziehen und klar umrissen sein. Auf eine unüberschaubare Fülle von Tatsachen darf sich das Begehren nicht erstrecken.
80Vgl. Urteil der Kammer vom 05.11.2015 – 6 K 4848/14 -.
81Der Kläger begehrt hiermit letztlich allgemein eine Abbildung der Disziplinarakte des betroffenen Beamten, soweit sich diese nicht mit dem Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses deckt. Die fehlende Eingrenzbarkeit der Frage zeigt sich auch daran, dass die vorliegende Frage Überschneidungen mit den folgenden – konkreten – Fragen aufweist. So ist beispielsweise die Motivation des Beamten auch Gegenstand der Frage 6. Nach dem Ablauf der Aktenvernichtungen ist auch (zum Teil) in Frage 8 gefragt.
82Im Übrigen kann wegen der mangelnden Eingrenzung des Begehrens auch nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden, ob ggfs. Geheimhaltungsinteressen entgegenstehen, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass teilweise operative Vorgänge betroffen sind.
83IX. Ebenfalls keinen Erfolg hat die Klage hinsichtlich der Fragen unter 5. Das Auskunftsbegehren in der ersten Frage bezieht sich nicht auf einen konkreten Tatsachenkomplex. Ausgangspunkt ist zunächst die Behauptung, dass der Beamte von Vorgesetzten mit sehr guten Noten beurteilt wurde, andererseits aber gleichzeitig eine Anleitungs- und Kontrollbedürftigkeit durch Vorgesetzte bestand. Darauf folgt die Spekulation, dass die Vorgesetzten dieser „wohl“ nicht nachkamen. Mit der erbetenen Auskunft wird hier direkt eine Bewertung vorgenommen, die kein zulässiger Gegenstand des presserechtlichen Auskunftsanspruchs ist.
84Darüber hinaus hat der Kläger auch keinen Anspruch auf Auskunft zu der Frage, wann genau der Mitarbeiter „Lothar Lingen“ wie von seinen Vorgesetzten bewertet worden war und wie die einstigen Positivbewertungen begründet worden waren.
85Zum einen kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Auskunftserteilung Geheimhaltungsinteressen der Beklagten entgegenstehen. Zum anderen besteht hier kein überwiegendes Informationsinteresse der Öffentlichkeit. Anders als bei den anderen Fragen bezieht sich die erbetene Auskunft nicht konkret auf das Disziplinarverfahren wegen der Aktenvernichtungen im Zusammenhang mit der Terrorgruppe NSU. Vielmehr ist hier der gesamte Werdegang des Beamten mit dem Decknamen Lothar Lingen betroffen. Die erbetenen Informationen zielen nicht auf einen einzelnen Vorgang, sondern auf umfangreiche Inhalte aus der Personalakte des Beamten. Insoweit stehen berechtigte Vertraulichkeitsinteressen der Auskunftserteilung entgegen.
86Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 VwGO.
87Die Berufung ist nicht zuzulassen. Die Voraussetzungen des § 124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V. m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4 VwGO liegen nicht vor.
(1) Die Beratungen des Parlamentarischen Kontrollgremiums sind geheim. Die Mitglieder des Gremiums und die an den Sitzungen teilnehmenden Mitglieder des Vertrauensgremiums nach § 10a der Bundeshaushaltsordnung sowie die oder der Ständige Bevollmächtigte sind zur Geheimhaltung der Angelegenheiten verpflichtet, die ihnen bei ihrer Tätigkeit im Parlamentarischen Kontrollgremium bekannt geworden sind. Dies gilt auch für die Zeit nach ihrem Ausscheiden aus beiden Gremien. Das Gleiche gilt für Angelegenheiten, die den Mitgliedern des Parlamentarischen Kontrollgremiums anlässlich der Teilnahme an Sitzungen des Vertrauensgremiums nach § 10a der Bundeshaushaltsordnung bekannt geworden sind.
(2) Absatz 1 gilt nicht für Bewertungen bestimmter Vorgänge, wenn eine Mehrheit von zwei Dritteln der anwesenden Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums ihre vorherige Zustimmung erteilt hat. In diesem Fall ist es jedem einzelnen Mitglied des Gremiums erlaubt, eine abweichende Bewertung (Sondervotum) zu veröffentlichen.
(3) Das Parlamentarische Kontrollgremium führt einmal jährlich eine öffentliche Anhörung der Präsidentinnen und Präsidenten der Nachrichtendienste des Bundes durch.
(4) Soweit für die Bewertung des Gremiums oder die Abgabe von Sondervoten eine Sachverhaltsdarstellung erforderlich ist, sind die Belange des Geheimschutzes zu beachten.
(5) Das Parlamentarische Kontrollgremium kann Berichte einer oder eines Sachverständigen nach § 7 unter Wahrung des Geheimschutzes an andere parlamentarische Gremien zur Kontrolle der Nachrichtendienste im Bund und in den Ländern sowie an parlamentarische Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages oder eines Landtages übermitteln. Sofern darin als Verschlusssachen eingestufte Informationen enthalten sind, ist eine Übermittlung nur mit Zustimmung der Stelle, die die Informationen übermittelt hat, zulässig.
(1) Die Bundesregierung unterrichtet das Parlamentarische Kontrollgremium umfassend über die allgemeine Tätigkeit der in § 1 Absatz 1 genannten Behörden und über Vorgänge von besonderer Bedeutung. Vorgänge von besonderer Bedeutung sind insbesondere
- 1.
wesentliche Änderungen im Lagebild der äußeren und inneren Sicherheit, - 2.
behördeninterne Vorgänge mit erheblichen Auswirkungen auf die Aufgabenerfüllung, - 3.
Einzelvorkommnisse, die Gegenstand politischer Diskussionen oder öffentlicher Berichterstattung sind.
(2) Die politische Verantwortung der Bundesregierung für die in § 1 genannten Behörden bleibt unberührt.
(1) Aufgabe der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder ist die Sammlung und Auswertung von Informationen, insbesondere von sach- und personenbezogenen Auskünften, Nachrichten und Unterlagen, über
- 1.
Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben, - 2.
sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten im Geltungsbereich dieses Gesetzes für eine fremde Macht, - 3.
Bestrebungen im Geltungsbereich dieses Gesetzes, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, - 4.
Bestrebungen im Geltungsbereich dieses Gesetzes, die gegen den Gedanken der Völkerverständigung (Artikel 9 Abs. 2 des Grundgesetzes), insbesondere gegen das friedliche Zusammenleben der Völker (Artikel 26 Abs. 1 des Grundgesetzes) gerichtet sind.
(2) Die Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder wirken mit
- 1.
bei der Sicherheitsüberprüfung von Personen, denen im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftige Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse anvertraut werden, die Zugang dazu erhalten sollen oder ihn sich verschaffen können, - 2.
bei der Sicherheitsüberprüfung von Personen, die an sicherheitsempfindlichen Stellen von lebens- oder verteidigungswichtigen Einrichtungen beschäftigt sind oder werden sollen, - 3.
bei technischen Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz von im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftigen Tatsachen, Gegenständen oder Erkenntnissen gegen die Kenntnisnahme durch Unbefugte, - 4.
bei der Überprüfung von Personen in sonstigen gesetzlich bestimmten Fällen, - 5.
bei der Geheimschutzbetreuung von nichtöffentlichen Stellen durch den Bund oder durch ein Land.
(3) Die Verfassungsschutzbehörden sind an die allgemeinen Rechtsvorschriften gebunden (Artikel 20 des Grundgesetzes).
(1) Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.
(2) Wahlberechtigt ist, wer das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat; wählbar ist, wer das Alter erreicht hat, mit dem die Volljährigkeit eintritt.
(3) Das Nähere bestimmt ein Bundesgesetz.
(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.
(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.
Tenor
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1. Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
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2. Damit erledigt sich zugleich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.
Gründe
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I.
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Die Verfassungsbeschwerde betrifft einen Presseauskunftsanspruch gegenüber dem Bundesnachrichtendienst. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Auskunftsbegehren des Beschwerdeführers im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes abgelehnt.
- 2
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1. a) Der Beschwerdeführer ist Redakteur einer Tageszeitung. Vor dem Hintergrund der Medienberichterstattung über die Ausführung so genannter Dual-Use-Güter nach Syrien, welche für die Herstellung von Waffen geeignet sein können, bat er im September 2013 den Bundesnachrichtendienst um Auskünfte zu Stellungnahmen des Bundesnachrichtendiensts zur Ausfuhr von Gütern nach Syrien in der Zeit von 2002 bis 2010 gegenüber dem Ausfuhrausschuss der Bundesregierung. Der Bundesnachrichtendienst verweigerte die erbetenen Angaben, da die Behörde dazu ausschließlich der Bundesregierung und den zuständigen Gremien des Bundestags berichte und der Ausfuhrausschuss der Bundesregierung nicht öffentlich tage.
- 3
-
b) Der Beschwerdeführer bat sodann "hilfsweise" um inhaltliche Beschreibungen der Stellungnahmen. Der Bundesnachrichtendienst teilte daraufhin mit, die Stellungnahmen unterlägen der Geheimhaltung und könnten daher weder in allgemeinen Zügen noch im Detail öffentlich bekannt gemacht werden. Nach der Publikation weiterer zur Herstellung von Chemiewaffen geeigneter Dual-Use-Exporte nach Syrien bis 2011 durch das Bundeswirtschaftsministerium erweiterte der Beschwerdeführer Anfang Oktober seine Fragen bezüglich Zeiträumen und exportierten Stoffen. Hierauf erfolgte seitens des Bundesnachrichtendienstes keine Reaktion mehr.
- 4
-
2. Mit Schriftsatz vom 9. Oktober 2013 hat der Beschwerdeführer um vorläufigen Rechtsschutz beim Bundesverwaltungsgericht nachgesucht und beantragt, dem Bundesnachrichtendienst aufzugeben, die im dortigen Schriftsatz beantragten Auskünfte zu erteilen. Die pauschale Verweigerung der begehrten Auskünfte sei rechtswidrig und verletze den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf Pressefreiheit.
- 5
-
3. Mit angegriffenem Beschluss vom 26. November 2013 hat das Bundesverwaltungsgericht in erstinstanzlicher Zuständigkeit (§ 50 Abs. 1 Nr. 4 VwGO) den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt.
- 6
-
a) Der Beschwerdeführer habe bereits einen Anordnungsgrund nicht glaubhaft machen können. Dies gelte sowohl für den beantragten Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Erteilung von Auskünften über den Wortlaut der Stellungnahme des Bundesnachrichtendiensts gegenüber der Bundesregierung wie auch für den "höchst hilfsweise" gestellten Antrag, der Antragsgegnerin des Ausgangsverfahrens - der Bundesrepublik Deutschland - aufzugeben, den Inhalt dieser Stellungnahmen, soweit Dritten gegenüber zulässig, zu beschreiben.
- 7
-
Mit diesen Anträgen begehre der Beschwerdeführer keine vorläufige Maßnahme, sondern eine endgültige Vorwegnahme der in einem künftigen Hauptsacheverfahren zu erstrebenden Entscheidung. Solchen Anträgen sei im Verfahren nach § 123 Abs. 1 VwGO nur ausnahmsweise stattzugeben, wenn ein Abwarten in der Hauptsache für den Beschwerdeführer schwere und unzumutbare, nachträglich nicht mehr zu beseitigende Nachteile zur Folge hätte. Dabei sei dem jeweils betroffenen Grundrecht und den Erfordernissen eines effektiven Rechtsschutzes Rechnung zu tragen.
- 8
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b) Von diesem Maßstab ausgehend habe der Beschwerdeführer nicht glaubhaft gemacht, dass ihm bei einem Abwarten auf die Entscheidung in einem etwaigen Hauptsacheverfahren unzumutbare, auch nach einem Erfolg in diesem Verfahren nicht mehr zu beseitigende Nachteile drohen.
- 9
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aa) Der Beschwerdeführer habe vorgetragen, es gehe ihm darum, durch Kenntnisnahme der begehrten Informationen die Plausibilität der Angaben zu beleuchten und nachzuprüfen, die aus dem Kreis der Bundesregierung zur Frage der Nutzung nach Syrien ausgeführter Chemikalien gemacht worden seien, sowie die durch die gewünschten Auskünfte gewonnenen Erkenntnisse im Rahmen einer öffentlichen Berichterstattung darzulegen. Das Abwarten einer Entscheidung in der Hauptsache würde die begehrten Informationen möglicherweise vollständig entwerten. In Monaten oder Jahren würde sich die Anfrage durch die rasch voranschreitende politische Entwicklung in Syrien wie auch durch neue Agenden (innen- wie auch außenpolitischer) eine Berichterstattung aller Wahrscheinlichkeit nach erledigen.
- 10
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bb) Aus dem Vortrag des Beschwerdeführers gehe nicht hervor, dass ein Abwarten auf die Entscheidungen eines etwaigen Hauptsacheverfahren die Verwirklichung des von dem Beschwerdeführer verfolgten Anliegens - eine möglichst aktuelle, nämlich unmittelbar an eine laufende politische Diskussion anknüpfende Berichterstattung zu der von ihm ins Auge gefassten Thematik vorzunehmen - beeinträchtigen würde.
- 11
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Es erscheine zwar in der Tat denkbar, dass eine Berichterstattung zu einem späteren Zeitpunkt Gefahr liefe, geringere öffentliche Resonanz zu erzeugen. Damit sei aber jedoch noch nicht dargetan, dass die dem Beschwerdeführer durch ein Abwarten auf eine etwaige Hauptsacheentscheidung drohenden Nachteile unzumutbar wären. Die vorgesehene Berichterstattung als solche bleibe ihm auch nach einer späteren Entscheidung noch möglich. Die begehrten Informationen wären auch zu diesem Zeitpunkt noch einer Verwertung zugänglich und, sofern sie sich als inhaltlich gehaltvoll herausstellen sollten, auch dann noch geeignet, ein öffentliches Interesse an der Berichterstattung hervorzurufen. Die verfassungsrechtlich anerkannte Kontroll- und Vermittlungsfunktion der Presse bleibe somit weiterhin gewahrt.
- 12
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cc) Unzumutbar könnte dem Beschwerdeführer ein Abwarten auf die Hauptsacheentscheidung allenfalls dann sein, wenn Vorgänge in Rede stünden, die unabweisbar einer sofortigen, keinen Aufschub duldenden journalistischen Aufklärung bedürften, etwa weil manifeste Hinweise auf aktuelle schwere Rechtsbrüche staatlicher Stellen vorlägen oder ein unmittelbares staatliches Handeln zur Abwehr von Gemeinwohlgefahren dringend gefordert sein könnte. Für einen solchen Tatbestand, in dem die Kontroll- und Vermittlungsfunktion der Presse leerliefe, wenn keine zeitnahe Berichterstattung erfolgen könne, ergeben sich jedoch im zu beurteilenden Fall weder aus dem Vortrag des Beschwerdeführers noch aus anderen möglichen Blickwinkeln greifbare Hinweise.
- 13
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c) Unabhängig davon könne einem Begehren, eine die Hauptsache vorwegnehmende Entscheidung zu erwirken, nur dann stattgegeben werden, wenn eine Hauptsacheentscheidung schon aufgrund der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes anzustellenden, summarischen Prüfung des Sachverhalts erkennbar Aussicht auf Erfolg habe.
- 14
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aa) Gerade bei einer Vorwegnahme der Hauptsache seien strenge Anforderungen an die Erfolgsaussichten der Hauptsache zu stellen. Der Beschwerdeführer berufe sich auf den verfassungsunmittelbaren Presseauskunftsanspruch gegenüber dem Bundesnachrichtendienst, welcher dort ende, wo berechtigte schutzwürdige Interessen entgegenstünden.
- 15
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bb) Die Antragsgegnerin des Ausgangsverfahrens habe nachvollziehbar dargelegt, dass die von dem Beschwerdeführer gewünschten Dokumente und Informationen vornehmlich durch nachrichtendienstliche Aufklärungsaktivitäten gewonnen worden seien, namentlich auch mit Hilfe menschlicher Quellen, durch technische Quellen oder im Rahmen der informellen Zusammenarbeit mit ausländischen Nachrichtendiensten. Das Auskunftsverlangen des Beschwerdeführers bringe die Gefahr mit sich, dass Rückschlüsse über die Herkunft und die Aufklärungsfähigkeiten des Bundesnachrichtendiensts ermöglicht würden. Sofern die Stellungnahmen des Bundesnachrichtendiensts öffentlich zugänglich gemacht werden würden, könnten hieraus überdies Rückschlüsse über Wissensstände und Wissensdefizite des Bundesnachrichtendiensts über fremde Proliferationsaktivitäten gezogen werden.
- 16
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cc) In Anbetracht dieser Sachlage erscheine es naheliegend, dass berechtigte schutzwürdige Interessen Privater oder öffentlicher Stellen der begehrten Auskunftserteilung an den Beschwerdeführer entgegenstehen könnten; dies sei in einem Hauptsacheverfahren zu klären. Dass dieses erkennbar zugunsten des Beschwerdeführers ausgehen würde, könne jedenfalls nach derzeitigem Stand nicht angenommen werden.
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4. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 sowie aus Art. 19 Abs. 4 GG. Der Beschwerdeführer hat seine Verfassungsbeschwerde mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung verbunden.
- 18
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5. Gelegenheit zur Stellungnahme hatten das Bundesministerium des Innern, das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, das Bundeskanzleramt und der Bundesnachrichtendienst. Die Bundesregierung hat daraufhin Stellung genommen und ausgeführt, dass die Verfassungsbeschwerde jedenfalls unbegründet sei und deshalb keine Aussicht auf Erfolg haben könne. Das Bundesverwaltungsgericht habe die verfassungsrechtlichen Vorgaben an einen effektiven Eilrechtsschutz im Hinblick auf einen Auskunftsanspruch der Presse hinreichend beachtet, eine Grundrechtsverletzung liege nicht vor. Die angewendeten Maßstäbe und ihre Anwendung im Einzelfall seien von Verfassung wegen nicht zu beanstanden. Die Akten des Ausgangsverfahrens lagen dem Bundesverfassungsgericht vor.
-
II.
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Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Der Verfassungsbeschwerde kommt keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu (vgl. § 93a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG) und eine Annahme zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte (vgl. § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG) ist nicht angezeigt. Die Verfassungsbeschwerde ist unbegründet. Die angegriffene Entscheidung verletzt den Beschwerdeführer nicht in seinen Grundrechten.
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1. Die Verfassungsbeschwerde ist, soweit sich der Beschwerdeführer auf eine Verletzung von Art. 19 Abs. 4 GG beruft, zulässig.
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Der Rüge steht insbesondere nicht der Grundsatz der materiellen Subsidiarität entsprechend § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG entgegen. Ein Beschwerdeführer, der sich gegen Entscheidungen in einem letztinstanzlich abgeschlossenen Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes wendet, kann nicht auf das Hauptsacheverfahren verwiesen werden, wenn er gerade die Versagung des einstweiligen Rechtsschutzes rügt (vgl. BVerfGE 59, 63 <84>).
- 22
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2. Die Verfassungsbeschwerde ist aber nicht begründet.
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a) Art. 19 Abs. 4 GG garantiert einen effektiven und möglichst lückenlosen richterlichen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt (vgl. BVerfGE 67, 43 <58>; 96, 27 <39>). Wirksam ist nur ein Rechtsschutz, der innerhalb angemessener Zeit gewährt wird. Namentlich der vorläufige Rechtsschutz im Eilverfahren hat so weit wie möglich der Schaffung vollendeter Tatsachen zuvorzukommen, die nicht mehr rückgängig gemacht werden können, wenn sich eine Maßnahme bei endgültiger richterlicher Prüfung als rechtswidrig erweist (vgl. BVerfGE 37, 150 <153>; 65, 1 <70>). Die Gerichte sind gehalten, bei der Auslegung und Anwendung der Vorschriften über einstweiligen Rechtsschutz der besonderen Bedeutung der jeweils betroffenen Grundrechte und den Erfordernissen eines effektiven Rechtsschutzes Rechnung zu tragen (vgl. BVerfGE 79, 69 <74>; BVerfGK 4, 36 <40>). Je schwerer die aus der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes ergebenden Belastungen wiegen und je geringer die Wahrscheinlichkeit ist, dass sie im Falle des Obsiegens in der Hauptsache rückgängig gemacht werden können, umso weniger darf das Interesse an einer vorläufigen Regelung oder Sicherung der geltend gemachten Rechtspositionen zurückgestellt werden (vgl. BVerfGE 35, 382 <402>; BVerfGK 3, 135 <139>). Diese Anforderungen an die Auslegung und Anwendung der jeweiligen gesetzlichen Bestimmung über den Eilrechtsschutz (vgl. BVerfGK 1, 201 <204>) wirken auch auf den verwaltungsprozessualen Grundsatz des Verbots der Vorwegnahme der Hauptsache zurück und begrenzen diesen im Einzelfall (vgl. BVerfGE 79, 69 <77 f.>). Entscheidend ist, dass die Prüfung im Verfahren des Eilrechtsschutzes eingehend genug ist, um den Antragsteller vor erheblichen und unzumutbaren, anders weder abwendbaren noch reparablen Nachteilen effektiv zu schützen (vgl. BVerfGK 5, 135 <140>).
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Grundsätzlich ist für die Entscheidung über die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes eine summarische Prüfung verfassungsrechtlich unbedenklich; die notwendige Prüfungsintensität steigt jedoch mit der drohenden Rechtsverletzung, die bis dahin reichen kann, dass die Gerichte unter besonderen Umständen - wenn sie sich an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren wollen - dazu verpflichtet sein können, die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen (vgl. BVerfGE 79, 69 <74>; 93, 1 <13 f.>; 126, 1 <27 f.>; BVerfGK 1, 292 <296>; 5, 237 <242>).
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b) Diese Maßstäbe hat das Bundesverwaltungsgericht bei der ihm obliegenden Entscheidung über die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 123 Abs. 1 VwGO hinreichend berücksichtigt. Eine Grundrechtsverletzung ist im Ergebnis nicht zu erkennen. Das Bundesverwaltungsgericht geht zu Recht davon aus, dass hier die Frage nach der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes mit dem Problem einer - zumindest teilweisen - verwaltungsprozessualen Vorwegnahme der Hauptsache verbunden ist. Die hieraus für den vorliegenden Fall gefolgerten Anforderungen an die Gewährung des einstweiligen Rechtsschutzes sind mit Blick auf die Garantie effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 GG nicht frei von Bedenken, letztlich aber noch verfassungsmäßig.
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aa) Unbeschadet der Frage, ob der vorliegend geltend gemachte Presseauskunftsanspruch gegen den Bundesnachrichtendienst unmittelbar aus der Verfassung - namentlich aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG - abgeleitet werden kann und wie weit dieser genau reicht, ist bei einer Eilentscheidung über einen solchen Auskunftsanspruch jedenfalls die grundrechtliche Dimension der Pressefreiheit zu beachten. Dies gilt auch in Bezug auf Auskunftspflichten der öffentlichen Behörden (vgl. BVerfGE 20, 162 <175 f.>). Erst der prinzipiell ungehinderte Zugang zu Informationen versetzt die Presse in den Stand, die ihr in der freiheitlichen Demokratie zukommende Funktion wirksam wahrzunehmen (vgl. BVerfGE 50, 234 <240>; 91, 125 <134>). Soweit die Vorwegnahme der Hauptsache nur bei Vorliegen eines schweren Nachteils zulässig ist, muss dabei auch die Bedeutung der Auskunftsansprüche für eine effektive Presseberichterstattung durch den Beschwerdeführer hinreichend beachtet werden.
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bb) Die angegriffene Entscheidung berücksichtigt im Ergebnis hinreichend das grundrechtlich geschützte Interesse des Beschwerdeführers an einer hinsichtlich des Zeitpunkts möglichst selbstbestimmten Publikation von bestimmten Inhalten, die einen Beitrag zur öffentlichen Diskussion leisten und möglicherweise auf erkannte Missstände hinweisen sollen.
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(1) Verfassungsrechtlich bedenklich ist es allerdings, wenn das Bundesverwaltungsgericht bei seiner auf seiner auf das Anordnungsverfahren begrenzten Maßstabsbildung davon ausgeht, dass eine gewisse Aktualitätseinbuße von der Presse regelmäßig hinzunehmen sei und eine Ausnahme "allenfalls" dann vorliege, wenn Vorgänge in Rede stünden, die unabweisbar einer sofortigen, keinen Aufschub duldenden journalistischen Aufklärung bedürften, etwa wenn manifeste Hinweise auf aktuelle schwere Rechtsbrüche staatlicher Stellen vorlägen oder ein unmittelbares staatliches Handeln zur Abwehr von Gemeinwohlgefahren dringend gefordert sein könnte. Diese Auslegung des Bundesverwaltungsgerichts führt den schweren Nachteil zu eng und legt damit einen Maßstab an, der die Aufgabe der Presse in einem freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat nicht hinreichend berücksichtigt.
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Die Aufgabe der Presse ist vornehmlich die Information der Bevölkerung als Grundlage der öffentlichen Meinungsbildung (vgl. BVerfGE 10, 118 <121>; 101, 361 <389>). Grundsätzlich entscheidet die Presse in den Grenzen des Rechts selbst, ob und wie sie über ein bestimmtes Thema berichtet. Das "Ob" und "Wie" der Berichterstattung ist Teil des Selbstbestimmungsrechts der Presse, das auch die Art und Weise ihrer hierauf gerichteten Informationsbeschaffungen grundrechtlich schützt (vgl. BVerfGE 10, 118 <121>; 101, 361 <389>; 107, 299 <329>). Unter das Selbstbestimmungsrecht in zeitlicher Hinsicht fällt auch die Freiheit der Presse, zu entscheiden, ob eine Berichterstattung zeitnah erfolgen soll. Kann sich die Presse im Wege gerichtlichen Eilrechtsschutzes von öffentlichen Stellen aber solche Informationen nur unter den Voraussetzungen beschaffen, die das Bundesverwaltungsgericht in der angegriffenen Entscheidung nennt, so begrenzt dies im Blick auf die Pressefreiheit den vorläufigen Rechtsschutz unverhältnismäßig.
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Zwar genügt es, wenn Eilrechtsschutz nur gewährt wird, wo ein gesteigertes öffentliches Interesse und ein starker Gegenwartsbezug der Berichterstattung vorliegen (so beispielsweise VG Köln, Beschluss vom 27. August 2009 - 6 L 918/09 -, Rn. 12, juris; siehe auch Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 13. August 2004 - 7 CE 04.1601 -, juris; VG Dresden, Beschluss vom 7. Mai 2009 - 5 L 42/09 -, Rn. 68 ff., juris). Dies kann jedoch nicht deshalb verneint werden, weil die Berichterstattung nicht auf unaufschiebbare Berichte wie die Aufdeckung von schweren Rechtsbrüchen staatlicher Entscheidungen ziele und sie im Übrigen auch später möglich bleibe; denn dies ist angesichts der Fähigkeit der Presse, selbst Themen zu setzen, immer denkbar. Vielmehr kann die Presse ihre Kontroll- und Vermittlungsfunktion nur wahrnehmen, wenn an den Eilrechtsschutz in Auskunftsverfahren auch hinsichtlich der Aktualität einer Berichterstattung keine überhöhten Anforderungen gestellt werden.
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(2) Dennoch ist die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts im Ergebnis nicht zu beanstanden. Denn für den konkreten Fall hat das Bundesverwaltungsgericht das Vorliegen eines Anordnungsgrundes verfassungsrechtlich unbedenklich verneint. Zu Recht geht es davon aus, dass der Beschwerdeführer nicht hinreichend deutlich gemacht hat, warum seine Anfrage, die sich auf Vorgänge der Jahre 2002 bis 2011 bezieht, nun eine solche Eile zukommt, dass hierüber nur im Wege einstweiligen Rechtsschutzes, zumal unter einer Vorwegnahme der Hauptsache, entschieden werden kann. Zwar können auch zurückliegende Vorgänge unter veränderten Umständen plötzlich eine Relevanz bekommen, die eine Eilbedürftigkeit begründet. Wenn der Beschwerdeführer jedoch Auskünfte über solche zurückliegenden Vorgänge verlangt, so obliegt es ihm, näher dazu vorzutragen, warum er für die jetzige Berichterstattungsabsicht sogleich Einsicht in diese Dokumente benötigt und warum diese Berichterstattung ohne diese Dokumente in nicht hinzunehmender Weise erschwert wird. Dafür genügt es nicht, lediglich darauf zu verweisen, dass aktuell über die Lage in Syrien sowie in diesem Zusammenhang über Dual-Use-Exporte berichtet wird und eine solche Berichterstattung im öffentlichen Interesse liegt. Es ist dem Beschwerdeführer zuzumuten, näher darzulegen, warum er gerade die angefragten Dokumente für eine effektive Presseberichterstattung sofort benötigt. Wenn er insoweit darauf verweist, dass er die Plausibilität der Aussagen der Bundesregierung zu diesen Exporten durch die angeforderten Unterlagen überprüfen möchte, so folgt aus diesem bloßen Verweis auf die Notwendigkeit der Unterlagen zur Berichterstattung jedoch noch nicht unmittelbar die Eilbedürftigkeit. Angesichts der nicht dargelegten Eilbedürftigkeit liegt keine Verletzung von Art. 19 Abs. 4 GG durch den Maßstab des Bundesverwaltungsgerichts vor.
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cc) Soweit der Beschwerdeführer weiterhin vorbringt, die summarische Prüfung der Erfolgsaussichten der Hauptsache verstoße gleichfalls gegen Art. 19 Abs. 4 GG, so verhilft das der Verfassungsbeschwerde ebenfalls nicht zum Erfolg. Da die Verneinung des "schweren Nachteils" durch das Bundesverwaltungsgericht im Ergebnis verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist und eigenständig die Abweisung trägt, kommt es nicht mehr darauf an, ob die summarische Prüfung der Erfolgsaussichten mit Art. 19 Abs. 4 GG in Einklang steht.
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3. Da die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen wird, erledigt sich damit der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (§ 40 Abs. 3 GOBVerfG).
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
(1) Das Gericht hat im Urteil oder, wenn das Verfahren in anderer Weise beendet worden ist, durch Beschluß über die Kosten zu entscheiden.
(2) Ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt, so entscheidet das Gericht außer in den Fällen des § 113 Abs. 1 Satz 4 nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens durch Beschluß; der bisherige Sach- und Streitstand ist zu berücksichtigen. Der Rechtsstreit ist auch in der Hauptsache erledigt, wenn der Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Erledigungserklärung enthaltenden Schriftsatzes widerspricht und er vom Gericht auf diese Folge hingewiesen worden ist.
(3) In den Fällen des § 75 fallen die Kosten stets dem Beklagten zur Last, wenn der Kläger mit seiner Bescheidung vor Klageerhebung rechnen durfte.
(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.
(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.
(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.
(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.
(1) Vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen, schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen der Beteiligten sowie schriftlich einzureichende Auskünfte, Aussagen, Gutachten, Übersetzungen und Erklärungen Dritter können nach Maßgabe der Absätze 2 bis 6 als elektronische Dokumente bei Gericht eingereicht werden.
(2) Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet sein. Die Bundesregierung bestimmt durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates technische Rahmenbedingungen für die Übermittlung und die Eignung zur Bearbeitung durch das Gericht.
(3) Das elektronische Dokument muss mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden. Satz 1 gilt nicht für Anlagen, die vorbereitenden Schriftsätzen beigefügt sind.
(4) Sichere Übermittlungswege sind
- 1.
der Postfach- und Versanddienst eines De-Mail-Kontos, wenn der Absender bei Versand der Nachricht sicher im Sinne des § 4 Absatz 1 Satz 2 des De-Mail-Gesetzes angemeldet ist und er sich die sichere Anmeldung gemäß § 5 Absatz 5 des De-Mail-Gesetzes bestätigen lässt, - 2.
der Übermittlungsweg zwischen den besonderen elektronischen Anwaltspostfächern nach den §§ 31a und 31b der Bundesrechtsanwaltsordnung oder einem entsprechenden, auf gesetzlicher Grundlage errichteten elektronischen Postfach und der elektronischen Poststelle des Gerichts, - 3.
der Übermittlungsweg zwischen einem nach Durchführung eines Identifizierungsverfahrens eingerichteten Postfach einer Behörde oder einer juristischen Person des öffentlichen Rechts und der elektronischen Poststelle des Gerichts, - 4.
der Übermittlungsweg zwischen einem nach Durchführung eines Identifizierungsverfahrens eingerichteten elektronischen Postfach einer natürlichen oder juristischen Person oder einer sonstigen Vereinigung und der elektronischen Poststelle des Gerichts, - 5.
der Übermittlungsweg zwischen einem nach Durchführung eines Identifizierungsverfahrens genutzten Postfach- und Versanddienst eines Nutzerkontos im Sinne des § 2 Absatz 5 des Onlinezugangsgesetzes und der elektronischen Poststelle des Gerichts, - 6.
sonstige bundeseinheitliche Übermittlungswege, die durch Rechtsverordnung der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates festgelegt werden, bei denen die Authentizität und Integrität der Daten sowie die Barrierefreiheit gewährleistet sind.
(5) Ein elektronisches Dokument ist eingegangen, sobald es auf der für den Empfang bestimmten Einrichtung des Gerichts gespeichert ist. Dem Absender ist eine automatisierte Bestätigung über den Zeitpunkt des Eingangs zu erteilen. Die Vorschriften dieses Gesetzes über die Beifügung von Abschriften für die übrigen Beteiligten finden keine Anwendung.
(6) Ist ein elektronisches Dokument für das Gericht zur Bearbeitung nicht geeignet, ist dies dem Absender unter Hinweis auf die Unwirksamkeit des Eingangs unverzüglich mitzuteilen. Das Dokument gilt als zum Zeitpunkt der früheren Einreichung eingegangen, sofern der Absender es unverzüglich in einer für das Gericht zur Bearbeitung geeigneten Form nachreicht und glaubhaft macht, dass es mit dem zuerst eingereichten Dokument inhaltlich übereinstimmt.
(7) Soweit eine handschriftliche Unterzeichnung durch den Richter oder den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vorgeschrieben ist, genügt dieser Form die Aufzeichnung als elektronisches Dokument, wenn die verantwortenden Personen am Ende des Dokuments ihren Namen hinzufügen und das Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen. Der in Satz 1 genannten Form genügt auch ein elektronisches Dokument, in welches das handschriftlich unterzeichnete Schriftstück gemäß § 55b Absatz 6 Satz 4 übertragen worden ist.
(1) Die Beteiligten können vor dem Verwaltungsgericht den Rechtsstreit selbst führen.
(2) Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Darüber hinaus sind als Bevollmächtigte vor dem Verwaltungsgericht vertretungsbefugt nur
- 1.
Beschäftigte des Beteiligten oder eines mit ihm verbundenen Unternehmens (§ 15 des Aktiengesetzes); Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen, - 2.
volljährige Familienangehörige (§ 15 der Abgabenordnung, § 11 des Lebenspartnerschaftsgesetzes), Personen mit Befähigung zum Richteramt und Streitgenossen, wenn die Vertretung nicht im Zusammenhang mit einer entgeltlichen Tätigkeit steht, - 3.
Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, Personen und Vereinigungen im Sinne der §§ 3a und 3c des Steuerberatungsgesetzes im Rahmen ihrer Befugnisse nach § 3a des Steuerberatungsgesetzes, zu beschränkter geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen nach den §§ 3d und 3e des Steuerberatungsgesetzes berechtigte Personen im Rahmen dieser Befugnisse sowie Gesellschaften im Sinne des § 3 Satz 1 Nummer 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch Personen im Sinne des § 3 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes handeln, in Abgabenangelegenheiten, - 3a.
Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, Personen und Vereinigungen im Sinne der §§ 3a und 3c des Steuerberatungsgesetzes im Rahmen ihrer Befugnisse nach § 3a des Steuerberatungsgesetzes, zu beschränkter geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen nach den §§ 3d und 3e des Steuerberatungsgesetzes berechtigte Personen im Rahmen dieser Befugnisse sowie Gesellschaften im Sinne des § 3 Satz 1 Nummer 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch Personen im Sinne des § 3 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes handeln, in Angelegenheiten finanzieller Hilfeleistungen im Rahmen staatlicher Hilfsprogramme zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie, wenn und soweit diese Hilfsprogramme eine Einbeziehung der Genannten als prüfende Dritte vorsehen, - 4.
berufsständische Vereinigungen der Landwirtschaft für ihre Mitglieder, - 5.
Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder, - 6.
Vereinigungen, deren satzungsgemäße Aufgaben die gemeinschaftliche Interessenvertretung, die Beratung und Vertretung der Leistungsempfänger nach dem sozialen Entschädigungsrecht oder der behinderten Menschen wesentlich umfassen und die unter Berücksichtigung von Art und Umfang ihrer Tätigkeit sowie ihres Mitgliederkreises die Gewähr für eine sachkundige Prozessvertretung bieten, für ihre Mitglieder in Angelegenheiten der Kriegsopferfürsorge und des Schwerbehindertenrechts sowie der damit im Zusammenhang stehenden Angelegenheiten, - 7.
juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in den Nummern 5 und 6 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
(3) Das Gericht weist Bevollmächtigte, die nicht nach Maßgabe des Absatzes 2 vertretungsbefugt sind, durch unanfechtbaren Beschluss zurück. Prozesshandlungen eines nicht vertretungsbefugten Bevollmächtigten und Zustellungen oder Mitteilungen an diesen Bevollmächtigten sind bis zu seiner Zurückweisung wirksam. Das Gericht kann den in Absatz 2 Satz 2 Nr. 1 und 2 bezeichneten Bevollmächtigten durch unanfechtbaren Beschluss die weitere Vertretung untersagen, wenn sie nicht in der Lage sind, das Sach- und Streitverhältnis sachgerecht darzustellen.
(4) Vor dem Bundesverwaltungsgericht und dem Oberverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht oder einem Oberverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind nur die in Absatz 2 Satz 1 bezeichneten Personen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen. Vor dem Bundesverwaltungsgericht sind auch die in Absatz 2 Satz 2 Nr. 5 bezeichneten Organisationen einschließlich der von ihnen gebildeten juristischen Personen gemäß Absatz 2 Satz 2 Nr. 7 als Bevollmächtigte zugelassen, jedoch nur in Angelegenheiten, die Rechtsverhältnisse im Sinne des § 52 Nr. 4 betreffen, in Personalvertretungsangelegenheiten und in Angelegenheiten, die in einem Zusammenhang mit einem gegenwärtigen oder früheren Arbeitsverhältnis von Arbeitnehmern im Sinne des § 5 des Arbeitsgerichtsgesetzes stehen, einschließlich Prüfungsangelegenheiten. Die in Satz 5 genannten Bevollmächtigten müssen durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln. Vor dem Oberverwaltungsgericht sind auch die in Absatz 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 bezeichneten Personen und Organisationen als Bevollmächtigte zugelassen. Ein Beteiligter, der nach Maßgabe der Sätze 3, 5 und 7 zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten.
(5) Richter dürfen nicht als Bevollmächtigte vor dem Gericht auftreten, dem sie angehören. Ehrenamtliche Richter dürfen, außer in den Fällen des Absatzes 2 Satz 2 Nr. 1, nicht vor einem Spruchkörper auftreten, dem sie angehören. Absatz 3 Satz 1 und 2 gilt entsprechend.
(6) Die Vollmacht ist schriftlich zu den Gerichtsakten einzureichen. Sie kann nachgereicht werden; hierfür kann das Gericht eine Frist bestimmen. Der Mangel der Vollmacht kann in jeder Lage des Verfahrens geltend gemacht werden. Das Gericht hat den Mangel der Vollmacht von Amts wegen zu berücksichtigen, wenn nicht als Bevollmächtigter ein Rechtsanwalt auftritt. Ist ein Bevollmächtigter bestellt, sind die Zustellungen oder Mitteilungen des Gerichts an ihn zu richten.
(7) In der Verhandlung können die Beteiligten mit Beiständen erscheinen. Beistand kann sein, wer in Verfahren, in denen die Beteiligten den Rechtsstreit selbst führen können, als Bevollmächtigter zur Vertretung in der Verhandlung befugt ist. Das Gericht kann andere Personen als Beistand zulassen, wenn dies sachdienlich ist und hierfür nach den Umständen des Einzelfalls ein Bedürfnis besteht. Absatz 3 Satz 1 und 3 und Absatz 5 gelten entsprechend. Das von dem Beistand Vorgetragene gilt als von dem Beteiligten vorgebracht, soweit es nicht von diesem sofort widerrufen oder berichtigt wird.
(1) Vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen, schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen der Beteiligten sowie schriftlich einzureichende Auskünfte, Aussagen, Gutachten, Übersetzungen und Erklärungen Dritter können nach Maßgabe der Absätze 2 bis 6 als elektronische Dokumente bei Gericht eingereicht werden.
(2) Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet sein. Die Bundesregierung bestimmt durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates technische Rahmenbedingungen für die Übermittlung und die Eignung zur Bearbeitung durch das Gericht.
(3) Das elektronische Dokument muss mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden. Satz 1 gilt nicht für Anlagen, die vorbereitenden Schriftsätzen beigefügt sind.
(4) Sichere Übermittlungswege sind
- 1.
der Postfach- und Versanddienst eines De-Mail-Kontos, wenn der Absender bei Versand der Nachricht sicher im Sinne des § 4 Absatz 1 Satz 2 des De-Mail-Gesetzes angemeldet ist und er sich die sichere Anmeldung gemäß § 5 Absatz 5 des De-Mail-Gesetzes bestätigen lässt, - 2.
der Übermittlungsweg zwischen den besonderen elektronischen Anwaltspostfächern nach den §§ 31a und 31b der Bundesrechtsanwaltsordnung oder einem entsprechenden, auf gesetzlicher Grundlage errichteten elektronischen Postfach und der elektronischen Poststelle des Gerichts, - 3.
der Übermittlungsweg zwischen einem nach Durchführung eines Identifizierungsverfahrens eingerichteten Postfach einer Behörde oder einer juristischen Person des öffentlichen Rechts und der elektronischen Poststelle des Gerichts, - 4.
der Übermittlungsweg zwischen einem nach Durchführung eines Identifizierungsverfahrens eingerichteten elektronischen Postfach einer natürlichen oder juristischen Person oder einer sonstigen Vereinigung und der elektronischen Poststelle des Gerichts, - 5.
der Übermittlungsweg zwischen einem nach Durchführung eines Identifizierungsverfahrens genutzten Postfach- und Versanddienst eines Nutzerkontos im Sinne des § 2 Absatz 5 des Onlinezugangsgesetzes und der elektronischen Poststelle des Gerichts, - 6.
sonstige bundeseinheitliche Übermittlungswege, die durch Rechtsverordnung der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates festgelegt werden, bei denen die Authentizität und Integrität der Daten sowie die Barrierefreiheit gewährleistet sind.
(5) Ein elektronisches Dokument ist eingegangen, sobald es auf der für den Empfang bestimmten Einrichtung des Gerichts gespeichert ist. Dem Absender ist eine automatisierte Bestätigung über den Zeitpunkt des Eingangs zu erteilen. Die Vorschriften dieses Gesetzes über die Beifügung von Abschriften für die übrigen Beteiligten finden keine Anwendung.
(6) Ist ein elektronisches Dokument für das Gericht zur Bearbeitung nicht geeignet, ist dies dem Absender unter Hinweis auf die Unwirksamkeit des Eingangs unverzüglich mitzuteilen. Das Dokument gilt als zum Zeitpunkt der früheren Einreichung eingegangen, sofern der Absender es unverzüglich in einer für das Gericht zur Bearbeitung geeigneten Form nachreicht und glaubhaft macht, dass es mit dem zuerst eingereichten Dokument inhaltlich übereinstimmt.
(7) Soweit eine handschriftliche Unterzeichnung durch den Richter oder den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vorgeschrieben ist, genügt dieser Form die Aufzeichnung als elektronisches Dokument, wenn die verantwortenden Personen am Ende des Dokuments ihren Namen hinzufügen und das Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen. Der in Satz 1 genannten Form genügt auch ein elektronisches Dokument, in welches das handschriftlich unterzeichnete Schriftstück gemäß § 55b Absatz 6 Satz 4 übertragen worden ist.