Verwaltungsgericht Köln Urteil, 13. Juli 2016 - 26 K 1102/15
Tenor
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin in dem Hilfefall U. G. die in der Zeit vom 05.03.2012 bis zum 31.05.2014 aufgewendeten Jugendhilfekosten zu erstatten und Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 24.02.2015 zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
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Tatbestand
2Die Klägerin begehrt die Feststellung der Erstattungspflicht der Beklagten in Bezug auf die der Klägerin im Zeitraum vom 05.03.2012 bis zum 31.05.2014 entstandenen Aufwendungen für eine Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege im Hilfefall U. G. . Sie beziffert die Kosten mit 21.631,29 Euro.
3U. G. ist der am 00.00.1996 in Euskirchen geborene eheliche Sohn der am 00.00.1974 geborenen N. G. , geb. M. , und des am 00.00.1973 geborenen E. G. . Die elterliche Sorge haben beide Eltern gemeinsam inne. U. G. hat vier jüngere Geschwister: den am 00.00.1997 geborenen T. G. , den am 00.00.2004 geborenen U1. G. , den am 00.00.2006 geborenen N1. -L. G. und die am 00.00.2007 geborene W. G. .
4Die Beklagte wurde erstmals im November 2006 von der B. -G1. -Schule in Köln-I. auf U. G. aufmerksam gemacht. Er lebe seit kurzem unter der Anschrift E1.-----weg 00 in Köln. Er zeige deutlich auffälliges Verhalten in der Schule, insbesondere durch das Würgen anderer Kinder. Die Mutter sei informiert, aber überfordert. Die Mutter habe anklingen lassen, mit dem Jugendamt nichts zu tun haben zu wollen. Unter dem 08.12.2006 wandte die Schule sich schriftlich an das Jugendamt der Beklagten und schilderte Verhaltensauffälligkeiten von U. . Er zeige aggressive Verhaltensweisen, laufe aus dem Unterricht weg und störe den Unterricht massiv. Es sei beabsichtigt, ein AOSF-Verfahren mit dem Förderschwerunkt emotionale und soziale Entwicklung einzuleiten. Der Bruder sei bereits auf die Förderschule für emotionales und soziales Lernen überwiesen worden. Auf die Aufforderung sich beim Jugendamt der Beklagten Unterstützung zu erbitten, hätten die Eltern keine direkte Kontaktaufnahme unternommen.
5Am 10.01.2007 fand ein Gespräch zwischen dem Jugendamt der Beklagten, der Mutter von U. und der Klassenlehrerin statt. Die Klassenlehrerin berichtete, dass U. insbesondere in den Pausen aggressive Verhaltensweisen zeige. Er sei sehr unruhig, umtriebig, spucke andere Kinder an und benötige dauernde Einzelaufsicht. Die Mutter gab an, dass sich die Situation nach dem Umzug noch nicht stabilisiert habe. Auch zu Hause sei U. schwierig. Der Mitarbeiter des Jugendamtes der Beklagten schlug vor, U. soziale Gruppenarbeit zukommen zu lassen.
6Nach der unter dem 02.02.2007 durch das Jugendamt der Beklagten erstellten Vorlage zur Genehmigung der Hilfe zog Familie G. kurz zuvor in ein baufällig wirkendes Haus in Köln-S. . Der Vater von U. sei lange arbeitslos gewesen. Derzeit habe er eine Anstellung als Plattenleger. Zeit für die notwendigen Renovierungsarbeiten habe er nicht. Durch Umzug, die noch nicht vertraute Umgebung und die Geburt seines jüngsten Bruders zeige U. in der Schule verstärkt massive Verhaltensschwierigkeiten. Die Eltern seien nach den Angaben der Lehrerin überfordert. Hilfen wie der schulpsychologische Dienst oder eine Katholische Familienberatungsstelle seien in Anspruch genommen worden. Die Hilfen hätten zu einer Verbesserung aber keiner Stabilisierung geführt. U. sei eigentlich intelligent, falle aber durch unangemessenes Sozialverhalten und Stören derart aus der Rolle, dass er oft vom Unterricht ausgeschlossen werden müsse. Die Mutter habe angegeben, dass die Schule den Kindern zu wenig geholfen habe. Mit dem eingeleiteten Sonderschul-Verfahren seien die Eltern nicht einverstanden. Aus Sicht der Eltern und der Schule werde die Teilnahme von U. an Sozialer Gruppenarbeit ausdrücklich gewünscht, damit er seine Scheu im Umgang mit anderen überwinden lerne, sein Selbstbewusstsein gefördert werde, er Verständnis für andere erfahren und sich mal gezielt und gewünscht austoben könne. In der Familie ergebe sich der Eindruck, dass diese stark bemüht sei, sich von der übrigen Großfamilie väterlicherseits abzugrenzen, wodurch insbesondere U. aber in seiner Entfaltungsmöglichkeit gebremst werde. Förderungen im sozialen Gruppengeschehen seien für U. sehr wichtig und bedeutsam, damit er aus seiner Isolierung heraus kommen könne, seine Bedürfnisse offen ansprechen lerne und kontaktfähig werde. Als Hilfe wurde eine Hilfe nach § 29 SGB VIII in Form von zwei Jahren Sozialer Gruppenarbeit vorgeschlagen. Das Jugendamt der Beklagten entschied am 07.02.2007, die Hilfe wie vorgeschlagen zu bewilligen.
7Bereits am 06.02.2007 kam es in der Schule von U. zu einem Zwischenfall, bei dem U. zwei Kinder schlug. Eine an der Schule tätige Einzelfallhelferin, die den Vorfall beobachtet hatte und U. aus einer Einzelförderung kannte, führte in diesem Zusammenhang aus, dass U. intensive therapeutische Hilfe benötige.
8Unter dem 16.02.2007 beantragten die Eltern von U. für diesen Gruppenarbeit nach § 29 SGB VIII. Am 27.02.2007 wurde U. in die Soziale Gruppenarbeit aufgenommen.
9Am 19.04.2007 teilte die Katholische Familienberatung dem Jugendamt der Beklagten telefonisch mit, dass keine weiteren Termine mehr angeboten würden. Sie empfahl eine aufsuchende ambulante Hilfeform, wie z.B. eine Sozialpädagogische Familienhilfe. U. und seine Mutter hätten wenig Kooperationsbereitschaft und Motivation gezeigt. Für U. werde eine Unterbringung in einer Tagesklinik empfohlen.
10Im Rahmen eines Gespräches zwischen dem für die Gruppenarbeit zuständigen Mitarbeiter des Jugendamtes der Beklagten und dem fallzuständigen Mitarbeiter am 23.04.2007 wurde erstmals erörtert, ob für die Familie Erziehungsbeistandschaft angeboten werden könnte.
11Unter dem 12.06.2007 teilte die B. -G1. -Schule mit, dass U. für das restliche Schuljahr vom Unterricht ausgeschlossen werde. U. habe am 11.06.2007 seinen Unterleib entblößt und anderen Kindern sein erigiertes Glied gezeigt. Das AOSF-Verfahren sei noch nicht ganz abgeschlossen. Die Eltern seien mit einer Überweisung auf eine Förderschule für emotionale und soziale Entwicklung einverstanden.
12Im Hilfeplangespräch vom 18.09.2007 wurde erörtert, dass U. weiterhin dringend das Angebot benötige, regelmäßig an die Gruppenarbeit angebunden zu sein. Die Leiterin der Gruppe teilte mit, dass U. schwierig, unsozial, störend, aggressiv und provozierend sei. Er könne aufgrund seines Verhaltens bei Ausflügen nicht mitgenommen werden. Er suche Kontakte, merke aber oft selbst nicht, dass er anderen durch seine Grenzüberschreitungen eher zur Last falle. Er benötige volle Einzelzuwendung. U. zeige sich kaum kritikfähig, sei aber insgesamt etwas belastbarer geworden. Nach dem Bericht der Gruppenleiterin aus April 2008, die die Gruppe seit Januar 2008 leitete, war das Verhalten von U. zunächst ruhig. Er habe sich sehr gut in das Gruppengeschehen eingefügt und an gemeinsamen Aktivitäten teilgenommen. Dann sei er vermehrt zu spät gekommen und habe Unruhe in ruhige Angebote gebracht. Sein Verhalten sei leicht vorpubertierend, er benutze gerne Schimpfwörter und bringe vermehrt Wörter über Drogen ins Gespräch. Er ertrage den Ausschluss nach Regelbruch nicht. Er falle durch Symptome des ADHS auf wie schnellem Interessenverlust an Aktivitäten, schneller Meinungsänderung, unruhigem Hin- und Herlaufen, sofortigem Mitteilungsbedürfnis, Aufmerksamkeitsbedürfnis, kaum Geduld. Der Hilfeplan wurde am 10.03.2008 fortgeschrieben. Die Hilfe sei weiterhin notwendig. Hinsichtlich der familiären Situation wird ausgeführt, dass U. sich zu Hause weitgehend selbst überlassen sei, da die Mutter sich mit Haushalt und den drei kleineren Kindern mehr als ausgelastet sehe. Die Mutter sei äußerst zurückhaltend gegenüber Jugendhilfeangeboten. Angebote von Erziehungsbeistandschaft, Sozialer Einzelhilfe und Sozialer Gruppenarbeit für die anderen Kinder seien bisher abgelehnt worden. Der Vater sei von früh bis spät nicht zu Hause. U. sei verschlossen. Er erzähle in der Gruppe nichts von zu Hause oder aus der Schule. Er könne Regeln nur schwer einhalten. Aus Sicht der Schule werde er als nicht belastbar beschrieben. Er provoziere Aufmerksamkeit durch Anecken und Stören. Der Hilfebedarf stelle sich wie folgt dar: Um in sozialen Belangen bessere Kompetenz und besseres Gespür zu entwickeln, werde die Fortsetzung der Teilnahme an der Sozialen Gruppenarbeit dringend für erforderlich gehalten. Hier habe er die Chance, sich so zu geben, wie er sein möchte. Als Ziele wurden festgelegt: Regeln erlernen, d.h. den Sinn vermittelt zu bekommen und umsetzen zu lernen; Soziale Kompetenz vertiefen; Neigung zu Gewalt abbauen; Bestätigung durch Bewegungsspiele wie Fußball und Basketball.
13In einem Aktenvermerk vom 16.01.2009 führte der fallbearbeitende Sachbearbeiter des Jugendamtes der Beklagten aus, dass er die Situation der Familie mehrfach mit dem für die Gruppenarbeit zuständigen Mitarbeiter, Herrn C. , bedacht habe. U. komme weiter in die Soziale Gruppenarbeit. Die Trennungsabsichten der Eltern seien zwischenzeitlich wieder aufgehoben. Sein Bruder T. G. sei seit September 2008 in einer ambulanten Tagesgruppe der Kinder- und Jugendpsychiatrie der Uniklinik Köln. Eine Erziehungsbeistandschaft sei mindestens notwendig. Herr C. wolle die Mutter hierzu motivieren. In einem Telefonat mit einer Mitarbeiterin der Kinder- und Jugendpsychiatrie der Uniklinik Köln teilte diese dem Jugendamt der Beklagten mit, dass die Eltern bereit seien, Hilfe anzunehmen.
14Im Protokoll des Hilfeplangespräches vom 03.02.2009 wird ausgeführt, dass U. mittlerweile die Förderschule für emotionale und soziale Entwicklung in Köln-Sülz besuche. Die Eltern hätten sich zunächst sehr unzugänglich und verschlossen gezeigt. Nach dem letzten Gespräch in der Kinder- und Jugendpsychiatrie hätten die Eltern erstmals die Bereitschaft gezeigt, über weitere Hilfen nachzudenken. Für T. stehe die Aufnahme in einer 5-Tagesgruppe an, da dieser gravierende persönliche und soziale Störungen (u.a. deutliche Depressionen) zeige und in der Schule im Klassenverband nicht mehr beschult werden könne. Zur weiteren Abklärung des Hilfebedarfes sei die Einrichtung einer Erziehungsbeistandschaft angezeigt. Herr C. habe durch die zwischenzeitlichen Erfahrungen mit U. das Vertrauen der Eltern gewonnen und sehe dadurch die Möglichkeit, der Familie die längst überfälligen Hilfen zu geben, damit eine Veränderung in und mit der Familie greifen könne und die Verhaltensschwierigkeiten und -störungen der Kinder aufgefangen werden könnten. Beide Eltern kämen aus Familien mit deutlichen Deprivationserfahrungen. Die Familie G. sei dem Jugendamt seit „zig“ Jahren bekannt. Die Mutter habe berichtet, dass ihr Vater Alkoholiker gewesen sei. Sie habe selbst Gewalterfahrungen in vielfacher Weise gemacht. Als Ziele der Hilfe wurde festgelegt: Wahrnehmen der Bedürfnisse der Kinder, Entwickeln weiterer persönlicher und sozialer Fähigkeiten, Stabilisierung der bisherigen kleinen Schritte bzw. kleinsten Fortschritte bei U. und T. in der Klinik durch Zugang und Vertrauen zu den Eltern.
15Die Eltern von U. beantragten unter dem 24.02.2009 Hilfe nach dem Achten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB VIII). Sie seien mit der familiären und wohnlichen Situation überfordert und benötigten Entlastung und Beratung. Sie wünschten sich besonders Hilfe für U. und T. . Am 03.03.2009 entschied das Sozialraumteam, die Soziale Gruppenarbeit für U. weiter zu bewilligen. Am gleichen Tag entschied das Sozialraumteam, für T. Erziehungsbeistandschaft zu bewilligen. Zwar brauche T. etwas anderes. Die Erziehungsbeistandschaft könne aber als Türöffner wirken, damit Herr C. mit den Eltern erarbeiten könne, was T. brauche. Am 10.03.2009 beschloss das Sozialraumteam auch für U. eine Erziehungsbeistandschaft zu bewilligen. Die Erziehungsbeistandschaft solle als Einstiegshilfe weitere Hilfen für die Kinder anbieten und die psychologische und schulische Perspektive klären sowie im Bereich Freizeit. Tendenziell sei eine Sozialpädagogische Familienhilfe als weitere Hilfe sinnvoll.
16Mit Bescheid vom 03.04.2009 bewilligte die Beklagte für T. G. Jugendhilfe in Form einer Erziehungsbeistandschaft in der Zeit vom 10.03.2009 bis zum 09.03.2010. Am 28.04.2009 beschloss das Sozialraumteam der Beklagten, für T. eine Hilfe in Form der Tagesgruppe zu bewilligen. Dabei wurde erwogen, dass zusätzlich eine Sozialpädagogische Familienhilfe eingerichtet werden solle, damit die jüngeren Kinder frühzeitig Förderung erhalten und Bedarfe rechtzeitig erkannt werden könnten. Wünschenswert wären mehrere Hilfe für die anderen Kinder. Herrn C1. positiver Einstieg in die Familie solle genutzt werden, um diese zu motivieren, andere Hilfeformen in Anspruch zu nehmen.
17Mit Bescheid vom 07.05.2009 wurde auch für U. eine Jugendhilfe in Form einer Erziehungsbeistandschaft in der Zeit vom 13.03.2009 bis 12.03.2010 bewilligt. Mit Bescheid vom 13.08.2009 bewilligte die Beklagte für T. Jugendhilfe in Form der Unterbringung in einer Tagesgruppe für die Zeit vom 10.08.2009 bis zum 09.08.2010.
18Am 18.09.2009 berichtete der Erziehungsbeistand der Familie, der Mitarbeiter der Beklagten C. , dass die Eltern sich vor einigen Monaten getrennt hätten. Der Vater wohne nun in Zülpich bei seinem Vater. Das von der Mutter und den Kindern bewohnte Haus befände sich weiter in einem desolaten Zustand. Die Fenster seien nicht isoliert. Es gebe Nagetierbefall. Die Beheizung mit dem Kohleofen sei durch den Schornsteinfeger untersagt worden. Herr C. versuche eine schnelle Klärung der Situation zu erreichen. Aktuell stehe für die Familie seitens der Stadt kein alternativer Wohnraum zur Verfügung. In einem Gespräch im Jugendamt am 05.10.2009 teilte die Kindesmutter mit, dass sie gelegentlich mit einem Elektroofen heize, was jedoch zu hohe Stromkosten verursache.
19Unter dem 14.10.2009 teilte Herr C. mit, dass die Soziale Gruppenarbeit für U. am 30.09.2009 beendet worden sei. Mit E-Mail vom 19.10.2009 berichtete Herr C. dem fallzuständigen Mitarbeiter der Beklagten, dass die Soziale Gruppenarbeit beendet worden sei, weil U. nicht mehr motiviert gewesen sei.
20Am 27.10.2009 verabredete die Kindesmutter mit dem fallbearbeitenden Mitarbeiter der Beklagten einen Termin zur Besichtigung des von der Familie bewohnten Hauses für den 30.10.2009. In diesem Zusammenhang bot der fallzuständige Mitarbeiter der Beklagten der Kindesmutter an, U. stationär aufzunehmen. Sie teilte mit, dass sie sich das vorstellen könne, da U. im Moment sehr anstrengend sei. Bei der Besichtigung am 30.10.2009 stellte der fallbearbeitende Mitarbeiter der Beklagten fest, dass es sich bei dem von der Familie bewohnten Haus um ein nicht bewohnbares Objekt handle. Vom Zustand des Hauses gehe eine Gefährdung des Kindeswohls aus. Abhilfe seitens der Vermieterin, einer Tante des Kindesvaters, sei aufgrund der komplexen familiären Situation (strittige Erbengemeinschaft) nicht zu erwarten. Es sei dringend notwendig, hier sofort Abhilfe zu schaffen. Der Familie müsse Wohnraum im Kölner Süden zur Verfügung gestellt werden.
21Am 29.10.2009 machte das Haus der Betreuung, eine von W. G. besuchte Einrichtung, eine telefonische Meldung über einen Verdacht auf Vernachlässigung. W. sei seit fünf Wochen nicht mehr in die Einrichtung gekommen. Die Kindesmutter gebe selbst an, dass sie mit der häuslichen Situation überfordert sei, nehme aber keine Hilfe an. Das Haus der Familie sei in einem desolaten Zustand. Die Einrichtung mache sich große Sorgen um W. . Mit einer frühen intensiven Förderung könne man dem Kind noch helfen.
22Der Kindesvater meldete sich zum 01.11.2009 in Zülpich wohnhaft.
23Am 02.11.2009 wurden die Kindesmutter und die Kinder T. , U1. , N1. -L. und W. in ein Frauenhaus, das F. -G2. -Haus, gebracht. U. wurde ins Kinderheim in Köln-T1. gebracht, womit sich die Kindesmutter einverstanden erklärte. Zwischenzeitlich sollte mit dem Wohnungsamt und der ARGE geklärt werden, wo die Familie bleiben könne. Das Jugendamt der Beklagten führte aus, dass bei einem Verbleib in der Wohnung in Köln-S. das Wohl der Kinder nicht sichergestellt sei. Am 04.11.2009 nahm die Wohnungsaufsicht der Beklagten das Haus der Familie in Köln-S. in Augenschein. Wohnungsaufsichtsrechtlich sei nichts zu veranlassen, weil das Objekt innerhalb der Familie vermietet worden sei. Unter dem 05.11.2009 erkannte die ARGE Köln die leistungsrechtliche Notwendigkeit eines Wohnungswechsels im Sinne des Zweiten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB II) an. Ein Wohnungswechsel sei dringend erforderlich. Die Familie könne aufgrund des schlechten Zustandes der alten Wohnung in diese nicht zurückkehren. Unter dem 09.11.2009 beantragten die Eltern für U. Hilfe nach dem SGB VIII in Form der Heimerziehung für die Zeit ab dem 02.11.2009. Unter dem 19.11.2009 teilte das Jugendamt der Beklagten dem Wohnungsamt der Beklagten mit, dass für U. auf Antrag der Eltern Hilfe zur Erziehung in Form der Heimerziehung gewährt werde. Hintergrund für diese Maßnahme sei die wohnliche Situation der Familie. Mit Umzug der Mutter in eine Wohnung sei eine Beendigung der Hilfe und Rückführung von U. in den elterlichen Haushalt festgelegt worden. Am 23.11.2009 teilte die Mutter dem Jugendamt der Beklagten mit, dass sie eine Wohnung in Wesseling angemietet habe. Mit E-Mail vom 23.11.2009 teilte das Kinderheim Köln-T1. mit, dass U. ein sehr unsicheres, unselbständiges Verhalten in der Gruppe zeige und emotional sehr labil und kaum belastbar sei. Die Mitarbeiter fänden schwer Zugang zu ihm. Auch in der Schule verhalte er sich sehr unangepasst und werde regelmäßig vom Unterricht freigestellt. In einer E-Mail vom gleichen Tag führte der fallzuständige Mitarbeiter der Beklagten aus, dass er nach dem Umzug der Familie nach Wesseling zuständig bleibe. Im nicht datierten Hilfeplan wird ausgeführt, dass Frau G. sich von ihrem Mann getrennt habe und das Haus E1.-----weg 00 allein mit den Kindern bewohne. Sie habe sich hilfesuchend an das Jugendamt gewandt, weil das Haus nicht heizbar sei, schweren Nagetierbefall und leichten Schimmelbefall aufweise und sich insgesamt in einem desolaten Zustand befinde. Die Kinder würden häufig krank bedingt durch das kalt-feuchte Klima im Haus. Frau G. habe sich im Frauenhaus unterbringen lassen. Aufgrund der multiplen Belastung, der sie in der Zeit nach der Trennung ausgesetzt war, habe sie nach Beratung durch Herrn C. darum gebeten, dass U. vorübergehend im Kinderheim Köln-T1. untergebracht werde, bis die Wohnsituation geklärt sei. Die Unterbringung sei am 02.11.2009 umgesetzt worden. Der Vater sei letztlich bereit gewesen, einen Antrag für die Unterbringung zu unterschreiben, auch wenn er anfangs mit der Maßnahme nicht einverstanden gewesen sei. Mit der Kindesmutter sei eine Rückführung von U. festgelegt worden, sobald der neue Wohnraum bezogen worden sei. Zeitnah sei eine 90qm-Wohnung in Wesseling gefunden worden, die in Kürze bezogen werden könne. Der Wohnort biete den Vorteil, dass die Anbindung an die Familie von Frau G. aufrechterhalten werden könne. Frau G. sei zur Zusammenarbeit mit der Erziehungsbeistandschaft bereit. Sie sei bereit, Hilfen zur Erziehung anzunehmen, um den Bedürfnissen der Kinder gerecht zu werden. Am 26.11.2009 entschied das Sozialraumteam, für U. für den Zeitraum von sechs Monaten Hilfe in Form der Heimerziehung zu bewilligen. Bei der Fallbesprechung wurde ausgeführt, dass U. im Heim bleiben solle, bis eine geeignete Wohnung bezogen sei. Die Unterbringungszeit solle nicht zu knapp gefasst werden, damit U. geordnet in den organisierten Haushalt zurückgeführt werden könne. Nach der Rückkehr sollten erlebnispädagogische Angebote gemacht werden. Herr C. solle die Familie eine gewisse Zeit auch nach der Rückführung begleiten.
24Beim Hilfeplangespräch am 02.12.2009 wurde erörtert, dass die Situation sich dahingehend geändert habe, dass nun ab dem 16.12.2009 eine Wohnung in Wesseling bezogen werden könne. Ein Zimmer für U. und T. sei eingeplant. Vom Mitarbeiter des Kinderheims wurde darauf hingewiesen, dass U. in der Schule gemobbt werde, was ein Grund sein könnte, warum der Schulbesuch ihm schwer falle. Das Thema solle in Zukunft bearbeitet werden. U. selbst lege keinen Wert auf einen erfolgreichen Abschluss der Schule. U. habe in den letzten Tagen gesagt, dass er möglichst bald das Kinderheim verlassen wolle. Er wolle in den Haushalt der Mutter wechseln. Im Hilfeplangespräch habe sich jedoch der Wunsch angedeutet, gegebenenfalls zukünftig in einer betreuten Wohngemeinschaft zu wohnen. Vorerst sei jedoch besprochen worden, dass U. zur Mutter wechseln solle. Die Situation könne sich dann setzen. Solle weiterer Bedarf bestehen, so werde dies zum gegebenen Zeitpunkt beraten. U. solle bis zum Halbjahreszeugnis auf der Förderschule in Köln-T1. bleiben. Anschließend werde mit Unterstützung von Herrn C. eine Schule in Wesseling gesucht.
25Am 03.12.2009 fand der letzte Einsatz von Herrn C. bei der Familie statt. Danach war dieser aufgrund einer Erkrankung verhindert.
26U. wurde am 11.12.2009 in den Haushalt der Mutter entlassen. Mit Bescheiden vom 30.12.2009 wurde die Hilfe zur Erziehung in Form der Heimerziehung vom 02.11.2009 bis zum 11.12.2009 bewilligt.
27Anfang Januar 2010 wurde seitens des Jugendamtes der Beklagten geprüft, ob für T. und U1. -Jason G. die Fahrtkosten zu den in Köln besuchten Einrichtungen übernommen werden können. Mit Bescheid vom 07.01.2010 wurden Fahrtkosten für T. zur Fahrt der von ihm besuchten Tagesgruppe bewilligt.
28In einem Aktenvermerk vom 26.01.2010 legte der fallzuständige Mitarbeiter des Jugendamtes der Beklagten dar, dass eine Zuständigkeit der Beklagten lediglich für T. G. bestehe. Da für die anderen Kinder zum Zeitpunkt des Umzuges keine Hilfe geleistet worden sei, sei die Klägerin zuständig. Seitens der Sachgebietsleitung sei mitgeteilt worden, dass die Erziehungsbeistandschaft nicht im Stadtgebiet Wesseling arbeiten könne, dies sei für diese Hilfeform nicht vorgesehen. Entsprechend müsse die Hilfe unverzüglich rückwirkend beendet werden. Sollte weiterer pädagogischer Unterstützungsbedarf bestehen, so sei die Klägerin zuständig. Für T. sei die Beklagte aufgrund seiner Teilnahme an der Tagesgruppe weiter zuständig. Unter dem 26.01.2010 teilte das Jugendamt der Beklagten dem Jugendamt der Klägerin mit, dass am 16.12.2009 die dem Jugendamt der Beklagten bekannte Familie nach Wesseling gezogen sei. Für T. bleibe das Jugendamt der Beklagten zuständig, solange er die Tagesgruppe in Köln-M1. besuche. Für die Kindesmutter bestehe möglicherweise weiterhin Bedarf an Hilfen zur Erziehung. U. und T. besuchten die E-Schule in Köln-T1. . Ein Wechsel zu einer Schule in Wesseling solle zum Halbjahreswechsel erfolgen. Eine zeitnahe Beendigung der Tagesgruppe für T. sei geplant. Mit E-Mail vom 26.01.2010 teilte der fallbearbeitende Mitarbeiter des Jugendamtes der Beklagten der Wirtschaftlichen Jugendhilfe der Beklagten mit, dass die Erziehungsbeistandschaft für T. und U. G. zum 03.12.2009 beendet werde. Ab diesem Datum hätten wegen Krankheit des Erziehungsbeistandes keine Kontakte zu Familie G. mehr stattgefunden. Am 16.12.2009 sei die Familie nach Wesseling verzogen. Die Hilfe könne nicht außerhalb des Stadtgebietes geleistet werden und werde auch von daher beendet. Mit E-Mail vom 29.01.2010 teilte der fallzuständige Mitarbeiter der Beklagten der Wirtschaftlichen Jugendhilfe der Beklagten mit, dass die Hilfe für T. G. nach Rücksprache mit der Kindesmutter beendet worden sei. Mit Einstellungsbescheiden vom 29.01.2010 wurde die Hilfe für T. in Form der Unterbringung in einer Tagesgruppe zum 29.01.2010 beendet.
29Am 01.02.2010 wandte sich die Kindesmutter telefonisch an das Jugendamt der Klägerin und teilte mit, dass sie Hilfe dabei benötige, Förderschulplätze für soziale und emotionale Entwicklung in Frechen zu bekommen und Kita-Plätze zu erhalten. Für den 02.02.2010 wurde ein Hausbesuch verabredet. Hierbei beantragte Frau G. für ihre Kinder Hilfe zur Erziehung zur Unterstützung bei der Suche nach Kita-Plätzen für N1. , W. und U1. , bei einem möglichen Schulwechsel von U. und T. , bei Behörden- und Ämtergängen, bei der Beantragung einer Mutter-Kind-Kur, bei eventueller Tagespflege, durch Erziehungsbeistandschaft für T. und U. und durch eine persönliche Unterstützung. Unter dem 03.02.2010 führte der fallzuständige Mitarbeiter des Jugendamtes der Klägerin aus, dass Frau G. überlastet und überfordert mit der Versorgung und Erziehung der Kinder sei, insbesondere mit den drei jüngsten Kindern. Sie wünsche sich Entlastung. Sie vermittle einen stark erschöpften Eindruck. Sie wirke sehr abgemagert und zeige bereits körperliche Reaktionen ihrer Kraftlosigkeit. In der letzten Woche sei sie zusammengebrochen. Ihre Mutter habe sie unterstützen können. Aber auch diese habe mitgeteilt, dass sie es nervlich nicht mehr aushalte. Dieser familiäre Zustand sei durch eine intensive Beratung nicht zu verändern. Ein darüberhinausgehender Bedarf an pädagogischer Hilfe könne abgewendet werden, wenn N1. schnell einen Ganztags-Kitaplatz erhalte und W. eine Tagespflegeperson erhalte. Falls die jüngeren Kinder schnellstmöglich pädagogisch versorgt werden könnten, könne in der Erziehungskonferenz über einen anderen Umfang z.B. einer notwendigen Sozialpädagogischen Familienhilfe gesprochen werden.
30Im Rahmen eines kollegialen Fachgesprächs am 09.02.2010 kam das Jugendamt der Klägerin zu dem Ergebnis, dass die Familie dringend ambulante Hilfe benötige. Erforderlich sei eine emotionale Stabilisierung der Mutter, um einen weiteren Zusammenbruch zu vermeiden (Kur organisieren), um eine Unterbringung der Kinder zu verhindern. Eine Unterstützung sei in alltäglichen Bereichen erforderlich. Es müsse die erforderliche Förderung der Kinder (Vereine, Jugendzentren, Kinderarzt) installiert werden. Eine Unterstützung sei sicherzustellen, um die Versorgung und die Erziehung der Familie zu begleiten und anzuleiten. In der Erziehungskonferenz vom 18.02.2010 beschloss das Jugendamt der Klägerin die Genehmigung einer Sozialpädagogischen Familienhilfe im Umfang von 150 Fachleistungsstunden bis zum 31.08.2010. Im Protokoll des Hilfeplangesprächs vom 22.02.2010 wurde der Sachstand wie folgt beschrieben: Alle Kinder seien mit Kindergarten- und Schulplätzen versorgt und seien gut in den Einrichtungen angekommen. Frau G. mache sich Sorgen um U. . Dieser sei zurzeit sehr verhaltensauffällig und habe große Schwierigkeiten, sich an Regeln zu halten. Frau G. habe sehr hohe Schulden. Es fehle an Gardinen, Lampen und einem Bett für U. . Die Küche sei noch nicht aufgebaut. U-Untersuchungshefte sowie andere wichtige Dokumente seien während des Umzugs abhanden gekommen und müssten neu beantragt werden. Die Kinder litten sehr unter der Trennung der Eltern. Als Perspektiven wurden vereinbart, dass gemeinsam mit der Sozialpädagogischen Familienhilfe die neue Schule angeschaut werden solle. Die Sozialpädagogische Familienhilfe werde versuchen, U. und T. ans örtliche Jugendzentrum anzubinden. Für U1. solle eine geeignete Förderschule gesucht werden. Die Sozialpädagogische Familienhilfe solle klären, ob die Familie weitere Mittel für die Wohnung erhalten könne. Ein Termin mit der Schuldnerberatung werde vereinbart. Die fehlenden Dokumente würden beschafft. Mit dem Kindesvater werde ein Termin zur Umgangsregelung vereinbart. Die Sozialpädagogische Familienhilfe werde Frau G. bei der Einleitung des Scheidungsverfahrens begleiten. Eine Mutter-Kind-Kur solle beantragt werden. Die Sozialpädagogische Familienhilfe werde die Familie im Rahmen ihrer familiären Ressourcen unterstützen. Weiterhin habe die Sozialpädagogische Familienhilfe einen Clearingauftrag bei der Familie und biete Erziehungsberatung an.
31Am 22.02.2010 wurde die Sozialpädagogische Familienhilfe, die Mitarbeiterin der Klägerin Greve, erstmals tätig. Sie begleitete U. am 22.02.2010 und am 24.02.2010 zum Jugendzentrum und am 25.02.2010 zum Abenteuerspielplatz, führte mit U. am 26.02.2010 ein Einzelgespräch und nahm Kontakt zu seiner Schule auf. Am 01.03.2010 und 03.03.2010 folgten weitere Kontakte zu U. , am 04.03.2010 führte die Sozialpädagogische Familienhilfe ein Gespräch mit U. , seiner Mutter und seiner Großmutter über Schwierigkeiten mit U. und am 08.03.2010 ein Gespräch mit U. und seiner Mutter über die Schulverweigerung von U. . Am 12.03.2010 begleitete sie U. zur Schule. Am 08.04.2010 meldete sie U. bei der Sozialen Gruppenarbeit an und führte am 16.04.2010 ein Gespräch mit U. und seiner Mutter. Die Sozialpädagogische Familienhilfe begleitete die Kindesmutter bei diversen Behördengängen. Wegen der weiteren Tätigkeiten wird auf die Tätigkeitsnachweise (Blätter 68 f., 73 der Beiakte 7) Bezug genommen. Mit Bescheid vom 24.02.2010 bewilligte die Klägerin für die Kinder U. , T. , U1. , N1. und W. G. Hilfe zur Erziehung mit einem Stundenkontingent von 150 Fachleistungsstunden ab dem 22.01.2010 voraussichtlich bis zum 31.08.2010.
32Am 04.03.2010 fand ein Gespräch zur Regelung der Umgangszeiten des Vaters im Jugendamt der Klägerin statt.
33Am 21.04.2010 berichtete die Sozialpädagogische Familienhilfe, dass sie bereits 60,5 Stunden geleistet habe. Ende Mai/Anfang Juni würden die restlichen Stunden voraussichtlich verbraucht sein. Frau G. nehme die Hilfe gut an. Hilfsangeboten stehe sie offen und dankbar gegenüber. Es bestehe ein guter Kontakt zu U1. , T. und U. . Freizeitangebote würden besonders von T. und U1. begeistert angenommen. Zu W. und N1. sei ein sporadischer Kontakt vorhanden. Bezüglich der von U. erreichten Ziele führte die Sozialpädagogische Familienhilfe aus, dass er schon mal im Jugendzentrum gewesen sei, dort alleine aber nur selten hingehe. Er besuche die gerade angelaufene Soziale Gruppenarbeit. Er gehe ungern zur Schule. Er besuche die Klasse 0 der B1. -F1. -Schule in Frechen. Es komme aber immer mal wieder dazu, dass U. seinen Schulbus verpasse. Die Sozialpädagogische Familienhilfe habe eine Schulzuführung durchgeführt und mehrere Gespräche mit U. geführt. Seitdem besuche er die Schule regelmäßig. Seine negative Einstellung zum Schulbesuch sei dennoch vorhanden. Die Mutter habe eine positive Rückmeldung zu U. Leistungsstand und Verhalten in der Schule erhalten. Frau G. sei zur Besprechung der psychologischen Diagnostik von U. bei Dr. C2. begleitet worden. Die Sozialpädagogische Familienhilfe könne das Familiensystem sehr gut unterstützen. Alle Kinder seien verhaltensauffällig. Es seien schon viele Ziele erreicht worden, aber die Stabilisierung der Familie sei noch nicht erreicht worden. Für die Unterstützung und Begleitung zu Ämtern und Behörden benötige die Familienhilfe einen großen Rahmen des Stundenkontingents. Frau G. mache immer noch einen sehr zerbrechlichen Eindruck, so dass ihre Unterstützung wichtig sei, um das Familiensystem zu stärken. Als zukünftige Ziele wurden benannt: Beantragung Mutter-Kind-Kur; Aufbau der Küche durch den Bruder der Mutter; Bett für U. ; Unterstützung und Begleitung bei Ämtern und Behörden sowie Arztterminen; Unterstützung bei der Privatinsolvenz; Unterstützung beim Scheidungsverfahren; Einschulungsuntersuchungen bei U1. ; Freizeitaktivitäten für U. ; Erziehungsberatung.
34Zum 15.06.2010 meldete sich der Kindesvater in Köln an und war seitdem unter verschiedenen Anschriften in Köln wohnhaft.
35Im Protokoll zum Hilfeplangespräch am 29.06.2010 wurden die erreichten Ziele dahingehend dokumentiert, dass eine Begleitung und Unterstützung bei Ämtern und Behörden erfolgt sei. Die ARGE-Leistungen seien geklärt worden. Ein Gespräch mit der Schuldnerberatung zum Thema Privatinsolvenz habe stattgefunden. Frau G. konsultiere selbständig und regelmäßig Ärzte. U. habe an der Sozialen Gruppenarbeit teilgenommen. Im Mai sei er auf eine Klassenfahrt mitgefahren. Es finde eine psychologische Diagnostik von U. statt. T. habe sich gut an der Förderschule für emotionale und soziale Entwicklung in Bergheim eingelebt. T. besuche immer mal wieder das städtische Jugendzentrum und das Kinderkino. U1. besuche ein Jahr länger die Kindertagesstätte. Er habe seit Mai einen integrativen Kitaplatz. Die U-Untersuchungen von N1. und W. würden durchgeführt. Die Wohnsituation der Familie sei gut. Der Kindesvater wohne in Köln-S. bei seiner Mutter. Die Scheidung sei im April 2010 eingereicht worden. Als Perspektive wurde ausgeführt, dass U. ungern zur Schule gehe. Diesbezügliche Gespräche hätten bereits stattgefunden. Frau G. bemühe sich um einen Kontakt zum schulpsychologischen Dienst. Die belastende Familiensituation habe sich stabilisiert. Frau G. wolle eine dreiwöchige Mutter-Kind-Kur beantragen. Sie suche eine Betreuung für U. und T. in diesem Zeitraum. Der Termin sei noch offen. Frau G. wolle sich an die Erziehungs- und Familienberatungsstelle wenden, um ihre Erziehungskompetenzen im Umgang mit ihren pubertären Söhnen zu erweitern. Folgender Hilfebedarf sei erarbeitet worden: Stabilisierung der emotionalen Entwicklung von U. und T. im Rahmen einer Erziehungsbeistandschaft; Klärung der schulischen Situation von T. ; Motivation des Schulbesuchs von U. ; Angebote für das Freizeitverhalten der beiden älteren Söhne sowie die Teilnahme an sozialer Gruppenarbeit. Die Angaben aus dem Protokoll vom 29.06.2010 wurden in den Hilfeplan vom 26.07.2010 übernommen. In der Erziehungskonferenz vom 28.07.2010 beschloss das Jugendamt der Klägerin, Erziehungsbeistandschaft in einem Umfang von 100 Fachleistungsstunden zu genehmigen. Die bisherige Sozialpädagogische Familienhilfe, Frau H. , solle dies ausführen. Mit Bescheid vom 24.08.2010 wurde für die Zeit ab dem 01.09.2010 anstelle der bisher bewilligten Sozialpädagogischen Familienhilfe für U. und T. Hilfe zur Erziehung in Form der Erziehungsbeistandschaft bewilligt.
36Unter dem 01.10.2010 bescheinigte der Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie (Psychotherapie) das Vorliegen einer Emotionalen Störung im Jugendalter (ICD-10: F 98.9, G) bei U. . U. habe bei den Testungen am 11.08.2009, 20.08.2009 und 22.09.2009 berichtet, dass er in der Schule oft unentschuldigt gefehlt habe, weil er morgens oft zu müde zum Aufstehen sei. Die Freizeit verbringe er vollständig am Computer, Freunde habe er keine. Er wolle bei seinem Vater wohnen, mit seiner Mutter würde er sich nicht verstehen, seinen Bruder T. könne er nicht leiden. U. zeige ein verschrecktes Erscheinungsbild. Im Satzergänzungstest hätten sich die Wut auf die Schule und der Computer als absoluter Lebensmittelpunkt als die beiden zentralen Themen herauskristallisiert. Aus fachärztlicher Sicht empfehle sich eine supportive Unterstützung der Familie hinsichtlich Organisation, Struktur und gemeinsamer Ressourcenaktivierung. Auch bezogen auf U. empfehle es sich, diesen im Sinne einer pädagogischen Maßnahme weiter zu stützen. Im weiteren Verlauf sollte dann auch bei U. in Erwägung gezogen werden, inwieweit eine einzeltherapeutische Maßnahme im klassischen Sinn der Psychotherapie eine weitere Unterstützung sein könne.
37Am 17.12.2010 berichtete der Erziehungsbeistand, Frau H. , dass U. die 8. Klasse der B1. -F1. -Schule in Frechen besuche. Die Lehrerin habe unter anderem berichtet, dass U. immer mal wieder mit dem Kopf auf dem Tisch liege und unter Druck sein Verhalten verändere. Trotz sporadischer Schulzuführung und Begleitung zum Bus sei die Schulverweigerung nicht wesentlich weniger geworden. Einen Grund für dieses Verhalten sei bisher nicht eindeutig zu erkennen. Das Freizeitverhalten bestehe ausschließlich aus Computer und Computerspielen. Für andere Angebote sei U. nicht zu motivieren gewesen. Die besprochenen Ziele seien nicht erreicht worden. Eine Verhaltensänderung sei nicht zu erkennen.
38Im Hilfeplangespräch am 14.02.2011 teilte Frau G. mit, dass U. bei seinem Vater leben wolle. Er werde dort auch hinziehen und wohnen. Sie wünsche sich im Umgang mit ihren Söhnen auch weiterhin eine Hilfe zur Erziehung. Ob diese die Hilfe annehmen könnten, könne aus dem Gespräch heraus nicht geklärt werden. Es wurde entschieden, dass in Zukunft Herr I1. die Hilfe übernehmen solle. Es wurden folgende Perspektiven und Ziele festgelegt: Unterstützung der Wohnperspektive bei U. ; Klärung der schulischen Situation von U. und T. ; Planung bzw. Einleitung von alternativen/anderen Hilfen für U. und T. ; Gespräche mit dem Kindesvater bezüglich der Wohnperspektive von U. und Klärung der Wohnmöglichkeit von T. und U. beim Kindesvater, falls Frau G. sich mit den Kindern in Kur befindet; Unterstützung rund um das Thema „Kurbeantragung"; Klärungsphase unter Einbeziehung der tatsächlichen Belange der anderen Kinder und der Mutter.
39Im März 2011 teilte Frau G. mit, dass sie die Hilfe durch Herrn I1. beenden wolle. U. wohne mittlerweile bei der Großmutter väterlicherseits in Köln-S. und gehe in Köln-S1. zur Schule.
40Am 31.03.2011 beantragte die Kindesmutter für U. Vollzeitpflege bei der Großmutter väterlicherseits, Frau T2. U2. . Aus einer internen E-Mail des Jugendamtes der Klägerin vom 31.03.2011 geht hervor, dass sich die Klägerin für nach § 86 Abs. 6 SGB VIII zuständig für die Hilfe hielt. Unter dem 31.03.2011 stellte die Mutter von U. auch einen schriftlichen Antrag auf Vollzeitpflege bei Frau U2. . Dort lebe U. zurzeit. Er besuche die zuständige Förderschule in Köln-T1. . Am 02.05.2011 führte die zuständige Mitarbeiterin der Klägerin einen Hausbesuch bei Familie U2. durch. U. gab in diesem Rahmen an, bei seiner Großmutter leben zu wollen. Eine zusätzliche ambulante Hilfe an Nachmittagen lehne er ab. Grund für den Umzug zur Großmutter sei die verhasste Schule in Frechen gewesen, die er aufgrund des Umzuges nach Wesseling habe besuchen müssen. Zudem habe es ständig Streitigkeiten mit seinem jüngeren Bruder T. gegeben. Seitdem er seine alte Schule in Köln-T1. besuche, gehe es besser. Seine Großmutter setze ihm Grenzen und achte auf einen regelmäßigen Schulbeginn. Da U. derzeit keine andere Lösungsmöglichkeit akzeptiere, werde die Familienpflege installiert und eine Probezeit vereinbaren. Im Hilfeplangespräch am 25.05.2011 teilte die Klägerin mit, dass dem Hilfeantrag stattgegeben werde. Eine Probezeit von drei Monaten wurde vereinbart. Bedingungen für die Pflege seien: regelmäßiger Schulbesuch von U. ; Erreichbarkeit der Pflegemutter; Informationsfluss müsse stimmen, d.h. Frau U2. müsse das Jugendamt über Schwierigkeiten mit U. informieren. Mit Bescheiden vom 01.06.2011 bewilligte die Klägerin Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege für U. für den Zeitraum vom 21.04.2011 bis zum 31.12.2011. Es werde zunächst eine dreimonatige Probezeit bis zum 31.07.2011 durchgeführt. Zugleich wurde die Hilfe für T. zum 25.05.2011 beendet. Im Hilfeplan bezüglich der Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege für U. vom 01.07.2011 wurden als erreichte Ziele angegeben: U. ist in der Lage sich verbal zu äußern und auf Fragen zu antworten; U. geht regelmäßig in die Schule; abends kommt er pünktlich nach Hause; er hält sich an Absprachen. Langfristige Ziele seien die psychotherapeutische Behandlung, das Erreichen eines Schulabschlusses und das weitere Einhalten der Regeln der Familie. Im Hilfeplan vom 13.10.2011 wurde festgehalten, dass U. zwar zu den schlechten Schülern seiner Klasse zähle, aber kleine Ansätze der Veränderung zeige. Er gehe fast regelmäßig zur Schule und versuche am Unterrichtsgeschehen teilzunehmen. Er habe seit Februar sichtlich deutliche Entwicklungsschritte gemacht. Er sei viel offener geworden. Er wirke nicht mehr so verunsichert. Der Aufenthalt bei seiner Großmutter scheine ihm gut zu tun. Als neue langfristige Ziele wurden der weiter regelmäßige Schulbesuch, mehr Engagement im schulischen Bereich und der weitere Verbleib bei der Großmutter mit späterer Verselbständigung vereinbart.
41Mit bei der Beklagten am gleichen Tag eingegangenem Schreiben vom 05.03.2012 bat die Klägerin um Übernahme des Hilfefalls U. G. durch die Beklagte und meldete einen Kostenerstattungsanspruch für die Zeit ab dem 05.03.2012 an. Die Klägerin gewähre seit dem 21.04.2011 Hilfe zur Erziehung in Form von Vollzeitpflege bei seiner Großmutter, Frau T2. U2. . Die Klägerin habe festgestellt, dass sie die Jugendhilfemaßnahme als örtlich unzuständiger Jugendhilfeträger eingeleitet habe, da die Beklagte weiterhin für die Leistungsgewährung für U. zuständig sei. Nach dem Umzug der Kindesmutter sei vom 22.01.2010 bis zum 31.08.2010 Sozialpädagogische Familienhilfe gewährt worden. Im Anschluss hieran sei für U. ab dem 01.09.2010 bis zum 25.05.2011 eine Erziehungsbeistandschaft nach § 30 SGB VIII eingerichtet worden. Zwischenzeitlich sei dann die Unterbringung von U. erfolgt. Da von der Beklagten bis zum 11.12.2009 Hilfe zur Erziehung in Form von Heimerziehung gewährt worden sei und somit für U. ein fortlaufender Hilfebedarf bestanden habe, ergebe sich fortlaufend die Zuständigkeit der Beklagten, da der Bedarf von Jugendhilfe für U. vor Beginn der Leistungsgewährung in Köln entstanden sei und die beiden personensorgeberechtigten Kindseltern ihren gemeinsamen Aufenthalt zu diesem Zeitpunkt in Köln gehabt hätten. Ein Wechsel der Personensorge sei nicht eingetreten. Für die Zeit bis zur Übernahme werde ein Anspruch auf Kostenerstattung nach § 89c SGB VIII angemeldet. Dem Schreiben waren der Hilfeantrag der Kindesmutter vom 02.02.2010, der Bescheid zur Gewährung von Sozialpädagogischer Familienhilfe vom 24.02.2010, das Schreiben der Beklagten an die Klägerin vom 26.01.2010 und die Bewilligungsbescheide der Klägerin vom 01.06.2011 beigefügt. Mit Schreiben vom 05.03.2012 lehnte die Beklagte den Antrag auf Fallübernahme und Kostenerstattung ab. Da die von der Beklagten geleistete Jugendhilfe bereits am 11.12.2009 eingestellt worden sei und die Klägerin erstmals seit dem 22.01.2010 Jugendhilfe geleistet habe, sei der Beginn der Jugendhilfe der 22.01.2010. Zu diesem Zeitpunkt habe die Mutter bereits ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Wesseling gehabt. Da U. zu diesem Zeitpunkt im Haushalt der Mutter gelebt habe, folge die Zuständigkeit der Klägerin aus § 86 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII. Es komme nur auf die tatsächlichen Leistungszeiträume an. Unter dem 26.03.2012 bat die Klägerin die Beklagte um erneute Prüfung der Angelegenheit und teilte mit, dass sie die Leistungsgewährung bis zur Entscheidung der Beklagten nach § 86c Abs. 1 SGB VIII fortführen werde. Mit Schreiben vom 29.03.2012 lehnte die Beklagte die Fallübernahme und Kostenerstattung abermals ab. Unter dem 19.06.2012 führte die Klägerin aus, dass in dem Zeitraum vom 11.12.2009 bis zum 21.01.2010 für U. weiterhin ein Jugendhilfebedarf bestanden habe. Die von der Klägerin am 22.01.2010 begonnene Hilfe sei Teil eines einheitlichen Hilfeprozesses.
42Im Hilfeplangespräch vom 25.04.2012 wurden die schulischen Leistungen von U. thematisiert. Die Lehrerin habe berichtet, dass U. an den Schultagen zwar anwesend sei, aber seine Leistungen gleich Null seien. Sie glaube nicht, dass er den Abschluss schaffen würde. U. fühle sich im Klassenverband nicht wohl. Bei seiner Großmutter fühle er sich weiterhin sehr wohl. Er finde abends nur schwer den weg ins Bett und habe morgens Probleme beim Aufstehen. Als langfristige Ziele wurden der weitere Verbleib bei der Großmutter und die Leistungsverbesserung im schulischen Bereich vereinbart.
43Im Hilfeplangespräch am 21.11.2012 wurde ebenfalls die schulische Entwicklung von U. thematisiert. Die Fächer Mathematik und Englisch bereiteten ihm die größten Probleme. Außerschulische Förderangebote lehne er ab. Als mittelfristiges Ziel wurde das Annehmen einer Förderung und als langfristiges Ziel der Schulabschluss vereinbart.
44Mit Schreiben vom 22.05.2013 bat die Klägerin die Beklagte um Fallübernahme. U. befinde sich seit dem 21.04.2011 bei seiner Großmutter in Köln in Pflege, sodass nunmehr die Zuständigkeit der Beklagten gegeben sei. Für die Zeit ab Übernahme der Leistungen sicherte die Klägerin die Kostenerstattung nach § 89a i.V.m. § 86 Abs. 6 SGB VIII zu. Diese Zusicherung gelte nur, sofern nicht nach § 86 Abs. 5 SGB VIII nicht die Zuständigkeit der Beklagten bestehe.
45Im Hilfeplangespräch am 19.06.2013 wurde festgestellt, dass noch unsicher sei, ob U. auf seiner jetzigen Schule den Hauptschulabschluss nach Klasse 9 erreichen werde. Ab dem 01.09.2013 werde er ein Werkstattjahr absolvieren. U. zeige sich nicht mehr so introvertiert. Er habe häufig wechselnde Freundinnen. Als langfristige Ziele wurden vereinbart: U. zeigt Durchhaltevermögen; U. schafft den Schulabschluss und U. bekommt einen Ausbildungsplatz.
46Mit Schreiben vom 27.11.2013 führte die Beklagte erneut aus, dass sie die Voraussetzungen einer Kostenerstattung nicht als gegeben ansehe. Ein fortlaufender Hilfebedarf für U. G. , für den die Zuständigkeit der Beklagten im Rahmen von § 86 Abs. 5 SGB VIII hätte bestehen bleiben können, sei nicht gegeben. Jedenfalls in der Zeit vom 11.12.2009 bis zum 21.01.2010 sei keine Hilfe zur Erziehung für U. geleistet worden, so dass keine ununterbrochene Hilfegewährung vorgelegen habe. Die Heimunterbringung von U. sei im Wesentlichen aufgrund des unbewohnbaren Zustandes des Hauses im E1.-----weg 00 erfolgt. Die spätere Sozialpädagogische Familienhilfe durch die Klägerin, die für die ganze Familie geleistet worden sei, decke nicht einen qualitativ unveränderten kontinuierliche Hilfe gebietenden jugendhilferechtlichen Bedarf ab. Mit Schreiben vom 10.04.2014 bat die Klägerin die Beklagte erneut um Kostenerstattung. Die von der Beklagten und der Klägerin durchgeführten Leistungen wiesen eine Kontinuität auf.
47Die Beklagte führte am 09.12.2013 ein Hilfeplangespräch durch. Als Ziele der weiteren Hilfe wurden vereinbart: Ich schaffe den Abschluss nach der 10. Klasse; ich finde eine Schule, an der ich den Realschulabschluss machen kann; ich wohne weiterhin im Haushalt meiner Großmutter und arbeite an meiner Selbstständigkeit; ich schaffe es, morgens eigenständig aufzustehen.
48Mit Schreiben vom 02.05.2014 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie den Fall ab dem 01.06.2014 übernehme und dass sie die Kostenerstattung nach § 89a i.V.m. § 86 Abs. 6 SGB VIII halbjährlich abrechnen werde. Mit Bescheid vom 05.05.2014 bewilligte die Beklagte für U. Jugendhilfe in Form der Familienvollunterbringung (§§ 41, 33 SGB VIII) für die Zeit vom 27.02.2014 bis 26.02.2015. Mit Kostenrechnung vom 27.10.2014 bat die Beklagte die Klägerin für den Zeitraum Juni bis Oktober 2014 um Überweisung von 4.596,00 Euro. Diesen Betrag beglich die Klägerin. Die Hilfegewährung wurde bis zum 31.12.2015 verlängert.
49Die Klägerin hat bereits am 23.02.2015 Klage erhoben, mit der sie zunächst die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 21.631,29 Euro nebst Prozesszinsen beantragt hat.
50Zur Begründung ihrer Klage trägt sie vor, dass sie einen Anspruch auf Kostenerstattung für die Zeit vom 05.03.2012 bis zum 31.05.2014 nach § 89c SGB VIII habe. Für die von ihr gewährte Hilfe sei die Beklagte zuständig gewesen. Für U. G. habe seit dem 27.02.2007 ein fortlaufender Hilfebedarf bestanden. Bereits zu diesem Zeitpunkt habe ein umfassender Bedarf an Einzelfall- und Familienhilfe bestanden. Die Erziehungsbeistandschaft sei aus diesem Grund auch als Einstiegshilfe gewährt worden. Grund für die von der Beklagten gewährte stationäre Hilfegewährung sei nicht allein die desolate Wohnsituation gewesen. Vielmehr sei die Aufnahme im Kinderheim auch aufgrund von Schwierigkeiten zwischen U. und seiner Mutter erfolgt. Erst nach Hilfebeginn hätten die beiden personensorgeberechtigten Eltern unterschiedliche gewöhnliche Aufenthalte aufgenommen, so dass die Beklagte für die Hilfe zuständig geblieben sei. Es handle sich um eine einheitliche Leistungsgewährung. Bei der Unterbrechung der Hilfegewährung vom 12.12.2009 bis zum 21.01.2010 handle es um eine unbeachtliche zeitliche Unterbrechung. Der Hilfebedarf habe unverändert fortbestanden. Zum Zeitpunkt der Beendigung der Heimerziehung seien bereits konkrete Anschlusshilfen geplant gewesen, was sich aus dem Hilfeplan vom 27.11.2009 ergebe. Dies sei der Beklagten auch bewusst gewesen, was sich auch aus dem Schreiben der Beklagten an die Klägerin vom 26.01.2010 ergebe. Auch habe die Beklagte die Erziehungsbeistandschaft ursprünglich auch nach dem Umzug fortsetzen wollen. Die Beklagte sei nicht berechtigt gewesen, die Hilfe einzustellen. Die von der Klägerin zunächst geleistete Sozialpädagogische Familienhilfe sei auch U. G. zugutegekommen. Ab dem 01.09.2010 habe U. auch wieder unter Erziehungsbeistandschaft gestanden.
51Die Klägerin beantragt nunmehr,
52festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin in dem Hilfefall U. G. die in der Zeit vom 05.03.2012 bis zum 31.05.2014 aufgewendeten Jugendhilfekosten zu erstatten und Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 24.02.2015 zu zahlen.
53Die Beklagte beantragt,
54die Klage abzuweisen.
55Sie führt aus, dass ein Anspruch der Klägerin aus § 89c SGB VIII schon deshalb nicht folgen könne, weil die Klägerin nach ihrem eigenen Vortrag nicht nach § 86c oder § 86d SGB VIII zur Leistung verpflichtet gewesen sei. Zudem sei die Klägerin und nicht die Beklagte für die Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege zuständig gewesen. Die von der Beklagten ab dem 02.11.2009 gewährte Heimerziehung stelle keine mit den vorher durch die Beklagten gewährten Maßnahmen einheitliche Leistung dar. Hierdurch sei ein qualitativ andersartiger jugendhilferechtlicher Bedarf gedeckt worden. Zu dem Zeitpunkt des Beginns dieser Hilfe hätten die Eltern bereits unterschiedliche gewöhnliche Aufenthalte gehabt, sodass die Klägerin – selbst wenn man die von ihr geleisteten Maßnahmen als mit der Heimerziehung einheitliche Leistung ansähe – nach § 86 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII zuständig sei. Aber selbst wenn man annehme, dass die Beklagte seit dem 27.02.2007 eine einheitliche Leistung erbracht habe, sei die Beklagte nicht mehr zuständig. Der Zeitraum der Unterbrechung der Leistungen zwischen der Beendigung der Hilfe durch die Beklagte und der Aufnahme der Hilfe durch die Klägerin sei nicht unbeachtlich. Ende des Jahres 2009 habe auch nicht bereits festgestanden, dass weiterhin Jugendhilfeleistungen benötigt würden. Die von Klägerin und Beklagter geleisteten Hilfen seien auch nicht Teil eines qualitativ unveränderten, kontinuierliche Hilfe gebietenden jugendhilferechtlichen Bedarfs gewesen. Die von der Beklagten gewährten Hilfen nach §§ 29, 30 und 32 SGB VIII hätten Bedarfe von U. und T. G. im Blick gehabt. Die Heimunterbringung ab dem 02.11.2009 sei im Wesentlichen aufgrund des Umstandes erfolgt, dass das Haus im E1.-----weg 00 unbewohnbar gewesen sei. Bereits im Zuständigkeitsbereich der Beklagten habe ein neu entstandener Bedarf vorgelegen, sodass kein qualitativ unveränderter Bedarf gegeben gewesen sei. Die von der Klägerin gewährte Sozialpädagogische Familienhilfe habe sodann die ganze Familie unterstützt. Dies stelle eine wesentliche Änderung der Zielrichtung der Hilfen dar und verdeutliche, dass ein qualitativ andersartiger jugendhilferechtlicher Bedarf vorgelegen habe. Das Fortbestehen eines weiteren jugendhilferechtlichen Bedarfs sei aufgrund der Beendigung der Leistung ohnehin nicht ausreichend, um von einer einheitlichen Leistung auszugehen. Im Zeitpunkt der Beendigung der Leistung sei eine Anschlusshilfeleistung weder bewilligt noch konkret geplant gewesen. Eines ausdrücklichen Beendigungsbescheides bezüglich der Erziehungsbeistandschaft habe es nicht bedurft. Es habe auch kein Ausnahmetatbestand nach §§ 86 Abs. 7 Satz 4, 86a Abs. 4 Sätze 2 und 3, 86b Abs. 3 Satz 2 SGB VIII vorgelegen.
56Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 06.07.2016 die Feststellung der Grundzuständigkeit der Beklagten am 22.01.2010 für den Hilfefall U. G. und die Feststellung, dass ein Kostenerstattungsanspruch der Beklagten gegen die Klägerin für die Zeit ab dem 01.06.2014 nicht gegeben ist beantragt. Insofern hat das Gericht mit Beschluss vom 07.06.2016 das Verfahren abgetrennt. Es wird unter dem Aktenzeichen 26 K 5900/16 geführt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Klägerin und der Beklagten Bezug genommen.
57Entscheidungsgründe
58Die Klage hat Erfolg.
59Die Umstellung des ursprünglichen Klageantrags von einem Leistungsantrag zu einem Feststellungsantrag ist nach § 173 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), § 264 Nr. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) zulässig.
60Die Zulässigkeit der Feststellungsklage unterliegt nach § 43 VwGO keinen Bedenken. Insbesondere steht die Regelung des § 43 Abs. 2 VwGO über den grundsätzlichen Vorrang der Leistungsklage der Zulässigkeit nicht entgegen, weil von der Beklagten als Trägerin der Jugendhilfe zu erwarten ist, dass sie auch ein Feststellungsurteil beachten wird.
61Vgl. OVG NRW, Urteil vom 07.11.2003 – 12 A 3187/01 –, juris Rn. 25.
62Die Klage ist auch begründet.
63Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Erstattung der in der Zeit vom 05.03.2012 bis zum 31.05.2014 gemachten Aufwendungen im Hilfefall U. G. .
64Der Anspruch folgt aus § 105 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Hat ein unzuständiger Leistungsträger Sozialleistungen erbracht, ohne dass die Voraussetzungen von § 102 Abs. 1 SGB X vorliegen, ist nach dieser Vorschrift der zuständige oder zuständig gewesene Leistungsträger erstattungspflichtig, soweit dieser nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat.
65Auf den allgemeinen Erstattungsanspruch nach dieser Vorschrift ist zurückzugreifen, da der Anspruch nicht aus hierzu speziellen Vorschriften des SGB VIII folgt. Ein Anspruch folgt insbesondere nicht aus § 89c Abs. 1 SGB VIII. Nach Satz 1 dieser Vorschrift sind Kosten, die ein örtlicher Träger im Rahmen seiner Verpflichtung nach § 86c SGB VIII aufgewendet hat, von dem örtlichen Träger zu erstatten, der nach dem Wechsel der örtlichen Zuständigkeit zuständig geworden ist. Nach Satz 2 sind Kosten, die ein örtlicher Träger im Rahmen seiner Verpflichtung nach § 86d SGB VIII aufgewendet hat, von dem örtlichen Träger zu erstatten, dessen Zuständigkeit durch den gewöhnlichen Aufenthalt nach §§ 86, 86a und 86b SGB VIII begründet wird.
66Es liegt weder ein Fall von § 86c SGB VIII noch ein Fall von § 86d SGB VIII vor.
67Die Klägerin hat die Kosten nicht im Rahmen ihrer Verpflichtung nach § 86c Abs. 1 SGB VIII aufgewendet. Voraussetzung hierfür wäre ein Wechsel der örtlichen Zuständigkeit für eine Leistung. Ein solcher hat – wie noch auszuführen sein wird – nicht stattgefunden. Die Klägerin stützt ihre Klage auch nicht auf einen Wechsel der örtlichen Zuständigkeit, sondern darauf, dass die Beklagte während der gesamten Zeit der Hilfeleistung weiterhin zuständig gewesen ist.
68Die seit dem 05.03.2012 aufgewendeten Kosten sind der Klägerin auch nicht im Rahmen ihrer Verpflichtung nach § 86d SGB VIII entstanden. Steht die örtliche Zuständigkeit nicht fest oder wird der zuständige örtliche Träger nicht tätig, so ist nach dieser Vorschrift der örtliche Träger vorläufig zum Tätigwerden verpflichtet, in dessen Bereich sich das Kind oder der Jugendliche, der junge Volljährige oder bei Leistungen nach § 19 SGB VIII der Leistungsberechtigte vor Beginn der Leistung tatsächlich aufhält. U. hat sich vor dem Beginn der Leistung nicht im Bereich der Klägerin aufgehalten. Das gilt unabhängig davon, ob der Begriff der Leistung im Rahmen des § 86d SGB VIII enger als im Rahmen der Zuständigkeitsvorschriften der §§ 86 ff. SGB VIII und dahingehend zu verstehen ist, dass er sich lediglich auf gerade das vorläufige behördliche Tätigwerden bezieht,
69so VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 28.04.2015 – 12 S 1274/14 –, juris Rn. 44 ff.; DIJuF-Rechtsgutachten vom 08.10.2009 – J 8.150 DE – JAmt 2009, 558, 559,
70oder im Rahmen des § 86d SGB VIII der gleiche (weite) Leistungsbegriff wie im Rahmen der Zuständigkeitsvorschriften gilt.
71So BayVGH, Urteil vom 03.03.2009 – 12 B 08.1384 –, juris Rn. 23.
72Denn U. G. hielt sich bei Zugrundelegung beider Auffassungen vor Beginn der Leistung tatsächlich in Köln auf. Stellt man auf den zuständigkeitsrechtlichen Leistungsbegriff ab, so hielt sich U. vor Beginn der Leistung tatsächlich in Köln, also im Bereich der Beklagten, auf (dazu unten). Im hiesigen Fall kommt aber auch ein engeres Verständnis des Leistungsbegriffes in § 86d SGB VIII zu keinem anderen Ergebnis. Vor dem Beginn der gewährten Vollzeitpflege durch die Klägerin ab dem 21.04.2011 hielt sich U. tatsächlich (jedenfalls seit März 2011) bei seiner Großmutter, also ebenfalls in Köln, auf.
73Die Voraussetzungen des § 105 Abs. 1 SGB X liegen vor. Für die Sozialleistung (§§ 11, 27 Abs. 1 Nr. 4 SGB I) der Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege war nicht die Klägerin, sondern die Beklagte zuständig. Die Zuständigkeit der Beklagten folgt aus § 86 Abs. 5 Satz 2 SGB VIII. Begründen die Elternteile nach Beginn der Leistung verschiedene gewöhnliche Aufenthalte, so wird nach § 86 Abs. 5 Satz 1 SGB VIII der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich der personensorgeberechtigte Elternteil seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. § 86 Abs. 5 Satz 2 SGB VIII bestimmt, dass die bisherige Zuständigkeit bestehen bleibt, solange in diesen Fällen die Personensorge beiden Elternteilen gemeinsam oder keinem Elternteil zusteht.
74Die Personensorge für U. stand bis zu seiner Volljährigkeit beiden Eltern zu. Beide Eltern begründeten auch nach Beginn der Leistung verschiedene gewöhnliche Aufenthalte. Jedenfalls diejenigen jugendhilferechtlichen Maßnahmen der Beklagten, die diese seit Einrichtung der Erziehungsbeistandschaft im März 2009 – also vor dem Auszug des Vaters – bewilligt und gewährt hat und die von der Klägerin seit April 2011 gewährte Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege stellen eine Leistung im Sinne des § 86 Abs. 5 SGB VIII dar.
75Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts,
76vgl. BVerwG, Urteil vom 29.01.2004 – 5 C 9.03 – BVerwGE 120, 116, juris; Urteil vom 25.03.2010 – 5 C 12.09 –, BVerwGE 136, 185, juris Rn. 22; Urteil vom 19.10.2011 – 5 C 25.10 –, BVerwGE 141, 77, juris Rn. 20; Urteil vom 13.12.2012 – 5 C 25.11 –, BVerwGE 145, 257, juris Rn. 17,
77sind „Leistung“, an deren Beginn § 86 SGB VIII für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit anknüpfen kann, unabhängig von der Hilfeart und Hilfeform alle im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zur Deckung eines qualitativ unveränderten, kontinuierliche Hilfe gebietenden jugendhilferechtlichen Bedarfs erforderlichen Maßnahmen und Hilfen, sofern sie ohne relevante Unterbrechung gewährt worden sind, und zwar auch dann, wenn sich bei einem auf einem längeren Zeitraum angelegten Hilfeprozess die Schwerpunkte innerhalb des Hilfebedarfs verschieben und für die Ausgestaltung der Hilfe Modifikationen, Änderungen oder Ergänzungen bis hin zu einem Wechsel der Hilfeart erforderlich werden. Es kommt insofern nicht darauf an, ob die neue Jugendhilfeleistung einer anderen Nummer des § 2 Abs. 2 SGB VIII unterfällt oder innerhalb des SGB VIII nach einer anderen Rechtsgrundlage zu gewähren ist als die bisherige Leistung, sondern allein darauf, ob sich die Hilfegewährung ungeachtet aller Modifikationen, Ergänzungen und Änderungen noch als Fortsetzung der ursprünglichen Leistung darstellt oder vielmehr der Deckung eines andersartigen, neu entstandenen Bedarfes dient.
78Im Vordergrund der Gesetzesauslegung steht dabei die Kontinuität einer bedarfsgerechten Hilfegewährung im Rahmen einer in aller Regel auf einen längeren Zeitraum angelegten Hilfegewährung. Der dementsprechend auf eine Gesamtbetrachtung des konkreten Hilfebedarfs abstellende zuständigkeitsrechtliche Leistungsbegriff bedeutet deshalb weder, dass jede neue Maßnahme der Jugendhilfe den Beginn einer neuen Leistung markiert, noch, dass es allein auf die erstmalige Gewährung von Jugendhilfe im Sinne eines Beginns einer „Jugendhilfekarriere“ ankommt.
79OVG NRW, Beschluss vom 21.03.2014 – 12 A 1211/12 –, juris Rn. 56.
80Welcher konkrete erzieherische Bedarf einer bestimmten Maßnahme der Jugendhilfe zugrundeliegt, ist dabei vorrangig dem Hilfeplan zu entnehmen.
81OVG NRW, Beschluss vom 28.02.2012 – 12 A 1263/11 –, juris Rn. 9.
82Die für U. jedenfalls seit der Einrichtung der Erziehungsbeistandschaft im März 2009 – also vor dem Umzug des Vaters nach Zülpich – geleisteten Hilfen waren im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zur Deckung eines qualitativ unveränderten, kontinuierliche Hilfe gebietenden jugendhilferechtlichen Bedarfs erforderlich. Der im Wesentlichen unveränderte jugendhilferechtliche Bedarf von U. basierte vorrangig auf dessen aufgrund der im Jahr 2009 durch Herrn Dr. C2. durchgeführten Diagnostik feststehenden emotionalen Störung, der daraus resultierenden Verhaltensauffälligkeiten von U. und der Überforderung seiner Eltern (insbesondere seiner Mutter), eine angemessene Erziehung der zuletzt fünf Kinder zu gewährleisten. Diese Verhaltensauffälligkeiten und ihre Folgen zeigten sich während der gesamten hier relevanten Hilfezeit insbesondere im Rahmen des Schulbesuchs. Ein sich in Problemen mit dem Schulbesuch äußernder Hilfebedarf von U. bestand seit Beginn der Hilfe durch die Beklagte im Jahr 2007 bis zur Übernahme des Hilfefalls an die Klägerin. Dem entspricht es, dass die für U. seit 2007 gewährte Hilfe immer auch auf die Ermöglichung und Sicherung dieses Schulbesuchs gerichtet war. Das Tätigwerden des Jugendamtes der Beklagten wurde auf Initiative der Grundschule veranlasst, weil U. aufgrund seines Verhaltens kaum beschult werden konnte. Die Grundschule hatte ein AOSF-Verfahren eingeleitet, infolgedessen U. die Förderschule für soziale und emotionale Entwicklung besuchte. Die seit Februar 2007 gewährte Soziale Gruppenarbeit sollte die sozialen Kompetenzen entwickeln, die insbesondere für den Besuch der Schule erforderlich sind. Die seit dem 13.03.2009 von der Beklagten gewährte Erziehungsbeistandschaft zielte darauf ab, die schulische und psychologische Perspektive zu klären und als Einstiegshilfe weitere notwendige Hilfen zu ermöglichen. Die Verhaltensauffälligkeiten von U. und die Schwierigkeiten der Mutter mit U. zurechtzukommen, führten auch dazu, dass U. im Spätherbst 2009 nicht mit seiner Mutter und seinen Geschwistern im Frauenhaus untergebracht wurde, sondern ihm Heimerziehung gewährt wurde. Der Heimunterbringung durch die Beklagte im November/Dezember 2009 lag keine qualitative Änderung des jugendhilferechtlichen Bedarfes zugrunde. Zu dem eigentlichen jugendhilferechtlichen Bedarf kam im Spätherbst 2009 noch die desolate Wohnsituation der Familie. Die Heimunterbringung war aber nicht allein auf die Deckung dieser Wohnungsnot gerichtet. Denn diese Wohnungsnot hätte auch dadurch gelindert werden können, dass U. wie alle seine anderen Geschwister mit seiner Mutter im F. -G2. -Haus (Frauenhaus) untergebracht worden wäre. Die Heimunterbringung wurde gewährt, weil die Mutter sich multiplen Belastungen ausgesetzt sah und U. von ihr als „schwierig“ beschrieben worden ist. Auch tatsächlich handelte es sich bei der Heimunterbringung nicht um eine bloße Unterbringung zu Wohnzwecken. Seitens des Kinderheimes wurden die sozialen und schulischen Probleme von U. an die Beklagte herangetragen. Die Schwierigkeiten in der Schule wurden sodann auch im Hilfeplanplangespräch vom 02.12.2009 aufgegriffen und als zukünftig zu bearbeitendes Thema benannt. Auch die von der Klägerin gewährte Sozialpädagogische Familienhilfe stellte eine Maßnahme zur Deckung eines qualitativ unveränderten Bedarfes dar. Dass die Sozialpädagogische Familienhilfe auch und v.a. die Mutter von U. und die Probleme der gesamten Familie in den Blick nahm, führt nicht dazu, dass mit dieser Maßnahme nicht auch auf die Abdeckung des unverändert vorhandenen jugendhilferechtlichen Bedarfes von U. abgezielt wurde. Die der Mutter gewährte Hilfe zur Erziehung in Form der Sozialpädagogischen Familienhilfe wurde ausweislich des Bewilligungsbescheides auch für U. gewährt. Ausweislich des Protokolls des Hilfeplangesprächs vom 22.02.2010 waren die Verhaltensauffälligkeiten von U. und dessen Schwierigkeiten, sich an Regeln zu halten, ein mit der Hilfe abzudeckender Bedarf. Die Sozialpädagogische Familienhilfe griff insbesondere auch die Schwierigkeiten des Schulbesuches auf. Wie schon die Beklagte sorgte die Sozialpädagogische Familienhilfe für die Teilnahme von U. an einer Sozialen Gruppenarbeit. Dafür, dass durch die Sozialpädagogische Familienhilfe kein neu entstandener Bedarf abgedeckt wurde, spricht auch, dass schon die Beklagte die Einrichtung einer Sozialpädagogischen Familienhilfe zur Abdeckung des bestehenden Bedarfs als sinnvoll erachtet hatte, hierbei jedoch noch am Widerstand der Eltern gescheitert war. Auch der Gewährung der seit September 2010 geleisteten Erziehungsbeistandschaft lag kein wesentlich anderer jugendhilferechtlicher Bedarf zugrunde. Im Hilfeplangespräch am 29.06.2010 wurden die Stabilisierung der emotionalen Entwicklung von U. im Rahmen einer Erziehungsbeistandschaft und die Motivation des Schulbesuchs als Hilfebedarfe herausgearbeitet. Die Verhaltensauffälligkeiten zeigten sich im Rahmen des Schulbesuchs auf der B1. -F1. -Schule in Frechen auch noch im Dezember 2010. Gleiches gilt für die seit April 2011 gewährte Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege. Auch diese Hilfe richtete sich ausweislich der Hilfeplanung v.a. auf die Sicherung des Schulbesuchs durch U. . Die schulische Situation war ebenfalls der Grund für den Wechsel von U. in den Haushalt der Großmutter. In den Hilfeplangesprächen zu der durch die Klägerin gewährten Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege wurde auch stets die schulische Situation thematisiert. Neben der schulischen Situation wurde im Rahmen der Hilfeplanung vom 01.07.2011 zudem weiter die psychische Situation von U. aufgegriffen und die psychotherapeutische Behandlung als langfristiges Ziel vereinbart worden. Auch seit der Fallübernahme durch die Beklagte stand die schulische Situation im Mittelpunkt der Hilfeplanung.
83Die Zeit zwischen tatsächlicher Beendigung der Jugendhilfe durch die Beklagte am 11.12.2009 und Aufnahme der Sozialpädagogischen Familienhilfe am 22.02.2010 durch die Klägerin stellt keine relevante Unterbrechung dar, die zur Annahme einer Beendigung der Leistung durch die Beklagte und den Neubeginn einer Leistung durch die Klägerin führen würde.
84Dass die Beklagte ausweislich der internen E-Mail vom 26.01.2010 von einer rückwirkenden Beendigung der Erziehungsbeistandschaft zum 03.12.2009 ausging, führt nicht zu einer Beendigung der Leistung im Sinne des § 86 SGB VIII. Selbst wenn man mit der Beklagten davon ausginge, dass ein ausdrücklicher Aufhebungsbescheid zur Einstellung der Leistung nicht erforderlich sei, führt diese Beendigung der Hilfe nicht zu einer Beendigung der Leistung. Der vom OVG Rheinland-Pfalz vertretenen Auffassung, dass bei förmlicher Einstellung einer Jugendhilfeleistung immer auch eine Beendigung der Leistung vorliegt, sofern nicht im Zeitpunkt der Einstellung der Jugendhilfeleistung eine Anschlussleistung bereits bewilligt oder doch konkret geplant ist oder eine Zuständigkeitsvorschrift des SGB VIII ausnahmsweise anderes anordnet,
85OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 13.02.2014 – 7 A 11043/13 –, juris Rn. 27; Urteil vom 17.06.2015 – 7 A 11002/14 – juris Rn. 33 ff.,
86folgt die Kammer nicht. Denn für die Beurteilung der Einheitlichkeit einer Leistung ist nach der zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Kontinuität des Bedarfes entscheidend. Die Zuständigkeit knüpft an den Wegfall oder das Weiterbestehen dieses Bedarfes an und nicht an der subjektiven Einschätzung dieses Bedarfes durch das zunächst leistende Jugendamt.
87OVG NRW, Urteil vom 21.03.2014 – 12 A 1211/12 –, juris Rn. 60; DIJuF-Rechtsgutachten vom 26.08.2014 – J 8.100 Se – JAmt 2014, 624, 626.
88Das SGB VIII enthält keine Regelungen, wie lange eine Unterbrechung der Leistung andauern darf, ohne dass die Wiederaufnahme zu einem neuen Beginn der Leistung führen würde.
89OVG NRW, Urteil vom 21.03.2014 – 12 A 1211/12 –, juris Rn. 60.
90In der obergerichtlichen Rechtsprechung wird jedoch vertreten, dass eine Unterbrechung von unter drei Monaten in entsprechender Anwendung der §§ 86 Abs. 7 Satz 4, 86a Abs. 4 Satz 2, 86b Abs. 3 Satz 2 SGB VIII außer Betracht zu bleiben hat,
91Nds. OVG, Beschluss vom 14.03.2012 – 4 LC 143/09 –, juris Rn. 35,
92was im hiesigen Fall einer zweieinhalbmonatigen Unterbrechung zu deren Unbeachtlichkeit führen würde.
93Aber auch wenn man mangels planwidriger Regelungslücke die Voraussetzungen einer solchen entsprechenden Anwendung für nicht gegeben ansieht,
94VG Würzburg, Urteil vom 21.11.2013 – W 3 K 12.876 –, juris Rn. 30; OVG NRW, Urteil vom 21.03.2014 – 12 A 1211/12 –, juris Rn. 66,
95und der zeitlichen Komponente allein indizielle Bedeutung zumisst,
96DIJuF-Rechtsgutachten vom 26.08.2014 – J 8.100 Se – JAmt 2014, 624, 626,
97kommt man zum gleichen Ergebnis. Entscheidend ist dann mangels weitergehender konkreter gesetzlicher Vorgaben für die Frage einer zuständigkeitsrelevanten Unterbrechung im Rahmen einer Würdigung der Gesamtumstände danach, ob nach der Einstellung der Leistungen mit einer alsbaldigen Wiederaufnahme von Leistungen auf den gleichartigen Bedarf zu rechnen oder ein zukünftiger Hilfebedarf zumindest noch nicht hinreichend klar auszuschließen war. Die bloße Einstellung der Hilfe vermag insoweit für sich genommen nicht genügen, sofern sie nicht durch tragfähige Gesichtspunkte im Hinblick auf eine nicht absehbare zukünftige Hilfegewährung gestützt ist, d. h. eine konkretisierte Wiederaufnahmeperspektive nicht besteht. Das bestimmt sich danach, wie sicher bei Einstellung der stationären Hilfe zur Erziehung nach §§ 27, 34 SGB VIII damit zu rechnen war, dass die Eltern dem Erziehungs- und Betreuungsbedarf des Kindes ohne Inanspruchnahme zumindest ergänzender Hilfe zur Erziehung nach § 27 SGB VIII auf Dauer gerecht werden würden.
98Vgl. OVG NRW, Urteil vom 21.03.2014 – 12 A 1211/12 –, juris Rn. 68 ff m.w.N.
99Nach diesen Maßgaben kann die etwa zweieinhalbmonatige Unterbrechung der Hilfe von Mitte Dezember 2009 bis Ende Februar 2010 nicht als relevante Unterbrechung angesehen werden.
100Im nicht datierten Hilfeplan bezüglich der Heimunterbring von U. wurde ein nach Beendigung dieser Heimunterbringung weiter bestehender Hilfebedarf schon benannt: Nach der Rückkehr sollten für U. erlebnispädagogische Angebote gemacht werden; Herr C. solle die Familie eine gewisse Zeit auch nach der Rückführung begleiten. Auch im Hilfeplangespräch am 02.12.2009 ging selbst die Beklagte davon aus, dass die (weiterhin bewilligte) Erziehungsbeistandschaft auch nach dem Umzug nach Wesseling weiterhin erforderlich sein würde. Es wurden schon konkrete Aufgaben (Schulwechsel) der Erziehungsbeistandschaft in den Blick genommen. Der fallzuständige Mitarbeiter der Beklagten ging dann zunächst ebenfalls davon aus, dass die Erziehungsbeistandschaft durch die Beklagte weiter gewährt werden würde. Tatsächlich kam es hierzu wegen der Krankheit des Erziehungsbeistandes und nicht wegen eines (vermeintlichen) Wegfalls des Bedarfes nicht. Die Beklagte informierte auch umgehend die Klägerin, nachdem sie sich für nicht mehr zuständig hielt, über den Zuzug der Familie und teilte mit, dass möglicherweise weiterhin Bedarf an Hilfen zur Erziehung bestehe.
101Der Anspruch ist für die klageweise geltend gemachten Aufwendungen in der Zeit nach dem 05.03.2012 nicht nach § 105 Abs. 3 SGB X beschränkt. Nach dieser Vorschrift gilt § 105 Abs. 1 SGB X gegenüber den Trägern der Jugendhilfe nur von dem Zeitpunkt ab, von dem ihnen bekannt war, dass die Voraussetzungen für ihre Leistungspflicht vorlagen. Die Beklagte war über ihre Leistungspflicht – und insbesondere über die ihre Zuständigkeit begründeten Tatsachen – durch das ihr am gleichen Tag zugegange Schreiben vom 05.03.2012 nebst Anlagen informiert. Die rechtsirrige Ansicht der Beklagten, nicht zuständig zu sein, ist insofern irrelevant.
102BVerwG, Urteil vom 02.06.2005 – 5 C 30/04 –, juris Rn. 11.
103Die Frist des § 111 Satz 1 SGB X ist gewahrt. Die Klägerin hat die Leistung bis zum 31.05.2014 erbracht, den Erstattungsanspruch mit Schreiben vom 05.03.2012 erstmals geltend gemacht und am 23.02.2015 Klage erhoben.
104Der Zinsanspruch folgt aus einer entsprechenden Anwendung von § 291 BGB. In Fällen wie dem hiesigen, in denen die Feststellungsklage als eine der Leistungsklage gleichwertige Rechtsschutzform anerkannt ist, kann auch die Feststellungsklage Rechtshängigkeitszinsen auslösen.
105BVerwG, Urteil vom 22.02.2001 – 5 C 34/00 –, juris Rn. 8.
106§ 108 Abs. 2 SGB X steht einer Anwendung dieser Vorschrift nicht entgegen.
107BVerwG, Urteil vom 22.02.2001 – 5 C 34/00 –, juris Rn. 9 ff.; Thür. OVG, Urteil vom 20.01.2015 – 3 KO 524/13 –, juris Rn. 12 f..
108Die Rechtshängigkeitszinsen entstehen ab dem Tag nach Klageerhebung.
109BVerwG, Urteil vom 30.06.2011 – 3 C 30/10 –, juris Rn. 21.
110Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
111Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO, § 709 ZPO.
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Referenzen - Gesetze
Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154
Gesetz über den Lastenausgleich
Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167
Gesetz über das Wohnungseigentum und das Dauerwohnrecht
Zivilprozessordnung - ZPO | § 709 Vorläufige Vollstreckbarkeit gegen Sicherheitsleistung
Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 173
Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 291 Prozesszinsen
Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 43
Zivilprozessordnung - ZPO | § 264 Keine Klageänderung
Sozialgesetzbuch (SGB) - Achtes Buch (VIII) - Kinder- und Jugendhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes v. 26. Juni 1990, BGBl. I S. 1163) - SGB 8 | § 86 Örtliche Zuständigkeit für Leistungen an Kinder, Jugendliche und ihre Eltern
Sozialgesetzbuch (SGB) - Achtes Buch (VIII) - Kinder- und Jugendhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes v. 26. Juni 1990, BGBl. I S. 1163) - SGB 8 | § 27 Hilfe zur Erziehung
Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 102 Anspruch des vorläufig leistenden Leistungsträgers
Sozialgesetzbuch (SGB) - Achtes Buch (VIII) - Kinder- und Jugendhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes v. 26. Juni 1990, BGBl. I S. 1163) - SGB 8 | § 41 Hilfe für junge Volljährige
Sozialgesetzbuch (SGB) - Achtes Buch (VIII) - Kinder- und Jugendhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes v. 26. Juni 1990, BGBl. I S. 1163) - SGB 8 | § 33 Vollzeitpflege
Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 105 Anspruch des unzuständigen Leistungsträgers
Sozialgesetzbuch (SGB) - Achtes Buch (VIII) - Kinder- und Jugendhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes v. 26. Juni 1990, BGBl. I S. 1163) - SGB 8 | § 34 Heimerziehung, sonstige betreute Wohnform
Sozialgesetzbuch (SGB) - Achtes Buch (VIII) - Kinder- und Jugendhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes v. 26. Juni 1990, BGBl. I S. 1163) - SGB 8 | § 2 Aufgaben der Jugendhilfe
Sozialgesetzbuch (SGB) Erstes Buch (I) - Allgemeiner Teil - (Artikel I des Gesetzes vom 11. Dezember 1975, BGBl. I S. 3015) - SGB 1 | § 11 Leistungsarten
Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 111 Ausschlussfrist
Sozialgesetzbuch (SGB) - Achtes Buch (VIII) - Kinder- und Jugendhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes v. 26. Juni 1990, BGBl. I S. 1163) - SGB 8 | § 19 Gemeinsame Wohnformen für Mütter/Väter und Kinder
Sozialgesetzbuch (SGB) - Achtes Buch (VIII) - Kinder- und Jugendhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes v. 26. Juni 1990, BGBl. I S. 1163) - SGB 8 | § 89c Kostenerstattung bei fortdauernder oder vorläufiger Leistungsverpflichtung
Sozialgesetzbuch (SGB) - Achtes Buch (VIII) - Kinder- und Jugendhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes v. 26. Juni 1990, BGBl. I S. 1163) - SGB 8 | § 86a Örtliche Zuständigkeit für Leistungen an junge Volljährige
Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 108 Erstattung in Geld, Verzinsung
Sozialgesetzbuch (SGB) - Achtes Buch (VIII) - Kinder- und Jugendhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes v. 26. Juni 1990, BGBl. I S. 1163) - SGB 8 | § 86c Fortdauernde Leistungsverpflichtung und Fallübergabe bei Zuständigkeitswechsel
Sozialgesetzbuch (SGB) - Achtes Buch (VIII) - Kinder- und Jugendhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes v. 26. Juni 1990, BGBl. I S. 1163) - SGB 8 | § 32 Erziehung in einer Tagesgruppe
Sozialgesetzbuch (SGB) - Achtes Buch (VIII) - Kinder- und Jugendhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes v. 26. Juni 1990, BGBl. I S. 1163) - SGB 8 | § 86b Örtliche Zuständigkeit für Leistungen in gemeinsamen Wohnformen für Mütter/Väter und Kinder
Sozialgesetzbuch (SGB) - Achtes Buch (VIII) - Kinder- und Jugendhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes v. 26. Juni 1990, BGBl. I S. 1163) - SGB 8 | § 30 Erziehungsbeistand, Betreuungshelfer
Sozialgesetzbuch (SGB) - Achtes Buch (VIII) - Kinder- und Jugendhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes v. 26. Juni 1990, BGBl. I S. 1163) - SGB 8 | § 86d Verpflichtung zum vorläufigen Tätigwerden
Sozialgesetzbuch (SGB) Erstes Buch (I) - Allgemeiner Teil - (Artikel I des Gesetzes vom 11. Dezember 1975, BGBl. I S. 3015) - SGB 1 | § 27 Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe
Sozialgesetzbuch (SGB) - Achtes Buch (VIII) - Kinder- und Jugendhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes v. 26. Juni 1990, BGBl. I S. 1163) - SGB 8 | § 29 Soziale Gruppenarbeit
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Urteil einreichenVerwaltungsgericht Köln Urteil, 13. Juli 2016 - 26 K 1102/15 zitiert oder wird zitiert von 5 Urteil(en).
Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 17. Juni 2015 - 7 A 11002/14
Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 28. Apr. 2015 - 12 S 1274/14
Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Urteil, 21. März 2014 - 12 A 1211/12
Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 13. Feb. 2014 - 7 A 11043/13
Bundesverwaltungsgericht Urteil, 30. Juni 2011 - 3 C 30/10
Die Teilnahme an sozialer Gruppenarbeit soll älteren Kindern und Jugendlichen bei der Überwindung von Entwicklungsschwierigkeiten und Verhaltensproblemen helfen. Soziale Gruppenarbeit soll auf der Grundlage eines gruppenpädagogischen Konzepts die Entwicklung älterer Kinder und Jugendlicher durch soziales Lernen in der Gruppe fördern.
(1) Für die Gewährung von Leistungen nach diesem Buch ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich die Eltern ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. An die Stelle der Eltern tritt die Mutter, wenn und solange die Vaterschaft nicht anerkannt oder gerichtlich festgestellt ist. Lebt nur ein Elternteil, so ist dessen gewöhnlicher Aufenthalt maßgebend.
(2) Haben die Elternteile verschiedene gewöhnliche Aufenthalte, so ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich der personensorgeberechtigte Elternteil seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat; dies gilt auch dann, wenn ihm einzelne Angelegenheiten der Personensorge entzogen sind. Steht die Personensorge im Fall des Satzes 1 den Eltern gemeinsam zu, so richtet sich die Zuständigkeit nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Elternteils, bei dem das Kind oder der Jugendliche vor Beginn der Leistung zuletzt seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Hatte das Kind oder der Jugendliche im Fall des Satzes 2 zuletzt bei beiden Elternteilen seinen gewöhnlichen Aufenthalt, so richtet sich die Zuständigkeit nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Elternteils, bei dem das Kind oder der Jugendliche vor Beginn der Leistung zuletzt seinen tatsächlichen Aufenthalt hatte. Hatte das Kind oder der Jugendliche im Fall des Satzes 2 während der letzten sechs Monate vor Beginn der Leistung bei keinem Elternteil einen gewöhnlichen Aufenthalt, so ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich das Kind oder der Jugendliche vor Beginn der Leistung zuletzt seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte; hatte das Kind oder der Jugendliche während der letzten sechs Monate keinen gewöhnlichen Aufenthalt, so richtet sich die Zuständigkeit nach dem tatsächlichen Aufenthalt des Kindes oder des Jugendlichen vor Beginn der Leistung.
(3) Haben die Elternteile verschiedene gewöhnliche Aufenthalte und steht die Personensorge keinem Elternteil zu, so gilt Absatz 2 Satz 2 und 4 entsprechend.
(4) Haben die Eltern oder der nach den Absätzen 1 bis 3 maßgebliche Elternteil im Inland keinen gewöhnlichen Aufenthalt, oder ist ein gewöhnlicher Aufenthalt nicht feststellbar, oder sind sie verstorben, so richtet sich die Zuständigkeit nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes oder des Jugendlichen vor Beginn der Leistung. Hatte das Kind oder der Jugendliche während der letzten sechs Monate vor Beginn der Leistung keinen gewöhnlichen Aufenthalt, so ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich sich das Kind oder der Jugendliche vor Beginn der Leistung tatsächlich aufhält.
(5) Begründen die Elternteile nach Beginn der Leistung verschiedene gewöhnliche Aufenthalte, so wird der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich der personensorgeberechtigte Elternteil seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat; dies gilt auch dann, wenn ihm einzelne Angelegenheiten der Personensorge entzogen sind. Solange in diesen Fällen die Personensorge beiden Elternteilen gemeinsam oder keinem Elternteil zusteht, bleibt die bisherige Zuständigkeit bestehen. Absatz 4 gilt entsprechend.
(6) Lebt ein Kind oder ein Jugendlicher zwei Jahre bei einer Pflegeperson und ist sein Verbleib bei dieser Pflegeperson auf Dauer zu erwarten, so ist oder wird abweichend von den Absätzen 1 bis 5 der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich die Pflegeperson ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. Er hat die Eltern und, falls den Eltern die Personensorge nicht oder nur teilweise zusteht, den Personensorgeberechtigten über den Wechsel der Zuständigkeit zu unterrichten. Endet der Aufenthalt bei der Pflegeperson, so endet die Zuständigkeit nach Satz 1.
(7) Für Leistungen an Kinder oder Jugendliche, die um Asyl nachsuchen oder einen Asylantrag gestellt haben, ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich sich die Person vor Beginn der Leistung tatsächlich aufhält; geht der Leistungsgewährung eine Inobhutnahme voraus, so bleibt die nach § 87 begründete Zuständigkeit bestehen. Unterliegt die Person einem Verteilungsverfahren, so richtet sich die örtliche Zuständigkeit nach der Zuweisungsentscheidung der zuständigen Landesbehörde; bis zur Zuweisungsentscheidung gilt Satz 1 entsprechend. Die nach Satz 1 oder 2 begründete örtliche Zuständigkeit bleibt auch nach Abschluss des Asylverfahrens so lange bestehen, bis die für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit maßgebliche Person einen gewöhnlichen Aufenthalt im Bereich eines anderen Trägers der öffentlichen Jugendhilfe begründet. Eine Unterbrechung der Leistung von bis zu drei Monaten bleibt außer Betracht.
Der Erziehungsbeistand und der Betreuungshelfer sollen das Kind oder den Jugendlichen bei der Bewältigung von Entwicklungsproblemen möglichst unter Einbeziehung des sozialen Umfelds unterstützen und unter Erhaltung des Lebensbezugs zur Familie seine Verselbständigung fördern.
(1) Kosten, die ein örtlicher Träger im Rahmen seiner Verpflichtung nach § 86c aufgewendet hat, sind von dem örtlichen Träger zu erstatten, der nach dem Wechsel der örtlichen Zuständigkeit zuständig geworden ist. Kosten, die ein örtlicher Träger im Rahmen seiner Verpflichtung nach § 86d aufgewendet hat, sind von dem örtlichen Träger zu erstatten, dessen Zuständigkeit durch den gewöhnlichen Aufenthalt nach §§ 86, 86a und 86b begründet wird.
(2) Hat der örtliche Träger die Kosten deshalb aufgewendet, weil der zuständige örtliche Träger pflichtwidrig gehandelt hat, so hat dieser zusätzlich einen Betrag in Höhe eines Drittels der Kosten, mindestens jedoch 50 Euro, zu erstatten.
(3) Ist ein kostenerstattungspflichtiger örtlicher Träger nicht vorhanden, so sind die Kosten vom überörtlichen Träger zu erstatten, zu dessen Bereich der örtliche Träger gehört, der nach Absatz 1 tätig geworden ist.
(1) Für die Gewährung von Leistungen nach diesem Buch ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich die Eltern ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. An die Stelle der Eltern tritt die Mutter, wenn und solange die Vaterschaft nicht anerkannt oder gerichtlich festgestellt ist. Lebt nur ein Elternteil, so ist dessen gewöhnlicher Aufenthalt maßgebend.
(2) Haben die Elternteile verschiedene gewöhnliche Aufenthalte, so ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich der personensorgeberechtigte Elternteil seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat; dies gilt auch dann, wenn ihm einzelne Angelegenheiten der Personensorge entzogen sind. Steht die Personensorge im Fall des Satzes 1 den Eltern gemeinsam zu, so richtet sich die Zuständigkeit nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Elternteils, bei dem das Kind oder der Jugendliche vor Beginn der Leistung zuletzt seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Hatte das Kind oder der Jugendliche im Fall des Satzes 2 zuletzt bei beiden Elternteilen seinen gewöhnlichen Aufenthalt, so richtet sich die Zuständigkeit nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Elternteils, bei dem das Kind oder der Jugendliche vor Beginn der Leistung zuletzt seinen tatsächlichen Aufenthalt hatte. Hatte das Kind oder der Jugendliche im Fall des Satzes 2 während der letzten sechs Monate vor Beginn der Leistung bei keinem Elternteil einen gewöhnlichen Aufenthalt, so ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich das Kind oder der Jugendliche vor Beginn der Leistung zuletzt seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte; hatte das Kind oder der Jugendliche während der letzten sechs Monate keinen gewöhnlichen Aufenthalt, so richtet sich die Zuständigkeit nach dem tatsächlichen Aufenthalt des Kindes oder des Jugendlichen vor Beginn der Leistung.
(3) Haben die Elternteile verschiedene gewöhnliche Aufenthalte und steht die Personensorge keinem Elternteil zu, so gilt Absatz 2 Satz 2 und 4 entsprechend.
(4) Haben die Eltern oder der nach den Absätzen 1 bis 3 maßgebliche Elternteil im Inland keinen gewöhnlichen Aufenthalt, oder ist ein gewöhnlicher Aufenthalt nicht feststellbar, oder sind sie verstorben, so richtet sich die Zuständigkeit nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes oder des Jugendlichen vor Beginn der Leistung. Hatte das Kind oder der Jugendliche während der letzten sechs Monate vor Beginn der Leistung keinen gewöhnlichen Aufenthalt, so ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich sich das Kind oder der Jugendliche vor Beginn der Leistung tatsächlich aufhält.
(5) Begründen die Elternteile nach Beginn der Leistung verschiedene gewöhnliche Aufenthalte, so wird der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich der personensorgeberechtigte Elternteil seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat; dies gilt auch dann, wenn ihm einzelne Angelegenheiten der Personensorge entzogen sind. Solange in diesen Fällen die Personensorge beiden Elternteilen gemeinsam oder keinem Elternteil zusteht, bleibt die bisherige Zuständigkeit bestehen. Absatz 4 gilt entsprechend.
(6) Lebt ein Kind oder ein Jugendlicher zwei Jahre bei einer Pflegeperson und ist sein Verbleib bei dieser Pflegeperson auf Dauer zu erwarten, so ist oder wird abweichend von den Absätzen 1 bis 5 der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich die Pflegeperson ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. Er hat die Eltern und, falls den Eltern die Personensorge nicht oder nur teilweise zusteht, den Personensorgeberechtigten über den Wechsel der Zuständigkeit zu unterrichten. Endet der Aufenthalt bei der Pflegeperson, so endet die Zuständigkeit nach Satz 1.
(7) Für Leistungen an Kinder oder Jugendliche, die um Asyl nachsuchen oder einen Asylantrag gestellt haben, ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich sich die Person vor Beginn der Leistung tatsächlich aufhält; geht der Leistungsgewährung eine Inobhutnahme voraus, so bleibt die nach § 87 begründete Zuständigkeit bestehen. Unterliegt die Person einem Verteilungsverfahren, so richtet sich die örtliche Zuständigkeit nach der Zuweisungsentscheidung der zuständigen Landesbehörde; bis zur Zuweisungsentscheidung gilt Satz 1 entsprechend. Die nach Satz 1 oder 2 begründete örtliche Zuständigkeit bleibt auch nach Abschluss des Asylverfahrens so lange bestehen, bis die für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit maßgebliche Person einen gewöhnlichen Aufenthalt im Bereich eines anderen Trägers der öffentlichen Jugendhilfe begründet. Eine Unterbrechung der Leistung von bis zu drei Monaten bleibt außer Betracht.
(1) Wechselt die örtliche Zuständigkeit für eine Leistung, so bleibt der bisher zuständige örtliche Träger so lange zur Gewährung der Leistung verpflichtet, bis der nunmehr zuständige örtliche Träger die Leistung fortsetzt. Dieser hat dafür Sorge zu tragen, dass der Hilfeprozess und die im Rahmen der Hilfeplanung vereinbarten Hilfeziele durch den Zuständigkeitswechsel nicht gefährdet werden.
(2) Der örtliche Träger, der von den Umständen Kenntnis erhält, die den Wechsel der Zuständigkeit begründen, hat den anderen davon unverzüglich zu unterrichten. Der bisher zuständige örtliche Träger hat dem nunmehr zuständigen örtlichen Träger unverzüglich die für die Hilfegewährung sowie den Zuständigkeitswechsel maßgeblichen Sozialdaten zu übermitteln. Bei der Fortsetzung von Leistungen, die der Hilfeplanung nach § 36 Absatz 2 unterliegen, ist die Fallverantwortung im Rahmen eines Gespräches zu übergeben. Die Personensorgeberechtigten und das Kind oder der Jugendliche sowie der junge Volljährige oder der Leistungsberechtigte nach § 19 sind an der Übergabe angemessen zu beteiligen.
(1) Für die Gewährung von Leistungen nach diesem Buch ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich die Eltern ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. An die Stelle der Eltern tritt die Mutter, wenn und solange die Vaterschaft nicht anerkannt oder gerichtlich festgestellt ist. Lebt nur ein Elternteil, so ist dessen gewöhnlicher Aufenthalt maßgebend.
(2) Haben die Elternteile verschiedene gewöhnliche Aufenthalte, so ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich der personensorgeberechtigte Elternteil seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat; dies gilt auch dann, wenn ihm einzelne Angelegenheiten der Personensorge entzogen sind. Steht die Personensorge im Fall des Satzes 1 den Eltern gemeinsam zu, so richtet sich die Zuständigkeit nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Elternteils, bei dem das Kind oder der Jugendliche vor Beginn der Leistung zuletzt seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Hatte das Kind oder der Jugendliche im Fall des Satzes 2 zuletzt bei beiden Elternteilen seinen gewöhnlichen Aufenthalt, so richtet sich die Zuständigkeit nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Elternteils, bei dem das Kind oder der Jugendliche vor Beginn der Leistung zuletzt seinen tatsächlichen Aufenthalt hatte. Hatte das Kind oder der Jugendliche im Fall des Satzes 2 während der letzten sechs Monate vor Beginn der Leistung bei keinem Elternteil einen gewöhnlichen Aufenthalt, so ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich das Kind oder der Jugendliche vor Beginn der Leistung zuletzt seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte; hatte das Kind oder der Jugendliche während der letzten sechs Monate keinen gewöhnlichen Aufenthalt, so richtet sich die Zuständigkeit nach dem tatsächlichen Aufenthalt des Kindes oder des Jugendlichen vor Beginn der Leistung.
(3) Haben die Elternteile verschiedene gewöhnliche Aufenthalte und steht die Personensorge keinem Elternteil zu, so gilt Absatz 2 Satz 2 und 4 entsprechend.
(4) Haben die Eltern oder der nach den Absätzen 1 bis 3 maßgebliche Elternteil im Inland keinen gewöhnlichen Aufenthalt, oder ist ein gewöhnlicher Aufenthalt nicht feststellbar, oder sind sie verstorben, so richtet sich die Zuständigkeit nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes oder des Jugendlichen vor Beginn der Leistung. Hatte das Kind oder der Jugendliche während der letzten sechs Monate vor Beginn der Leistung keinen gewöhnlichen Aufenthalt, so ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich sich das Kind oder der Jugendliche vor Beginn der Leistung tatsächlich aufhält.
(5) Begründen die Elternteile nach Beginn der Leistung verschiedene gewöhnliche Aufenthalte, so wird der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich der personensorgeberechtigte Elternteil seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat; dies gilt auch dann, wenn ihm einzelne Angelegenheiten der Personensorge entzogen sind. Solange in diesen Fällen die Personensorge beiden Elternteilen gemeinsam oder keinem Elternteil zusteht, bleibt die bisherige Zuständigkeit bestehen. Absatz 4 gilt entsprechend.
(6) Lebt ein Kind oder ein Jugendlicher zwei Jahre bei einer Pflegeperson und ist sein Verbleib bei dieser Pflegeperson auf Dauer zu erwarten, so ist oder wird abweichend von den Absätzen 1 bis 5 der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich die Pflegeperson ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. Er hat die Eltern und, falls den Eltern die Personensorge nicht oder nur teilweise zusteht, den Personensorgeberechtigten über den Wechsel der Zuständigkeit zu unterrichten. Endet der Aufenthalt bei der Pflegeperson, so endet die Zuständigkeit nach Satz 1.
(7) Für Leistungen an Kinder oder Jugendliche, die um Asyl nachsuchen oder einen Asylantrag gestellt haben, ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich sich die Person vor Beginn der Leistung tatsächlich aufhält; geht der Leistungsgewährung eine Inobhutnahme voraus, so bleibt die nach § 87 begründete Zuständigkeit bestehen. Unterliegt die Person einem Verteilungsverfahren, so richtet sich die örtliche Zuständigkeit nach der Zuweisungsentscheidung der zuständigen Landesbehörde; bis zur Zuweisungsentscheidung gilt Satz 1 entsprechend. Die nach Satz 1 oder 2 begründete örtliche Zuständigkeit bleibt auch nach Abschluss des Asylverfahrens so lange bestehen, bis die für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit maßgebliche Person einen gewöhnlichen Aufenthalt im Bereich eines anderen Trägers der öffentlichen Jugendhilfe begründet. Eine Unterbrechung der Leistung von bis zu drei Monaten bleibt außer Betracht.
(1) Junge Volljährige erhalten geeignete und notwendige Hilfe nach diesem Abschnitt, wenn und solange ihre Persönlichkeitsentwicklung eine selbstbestimmte, eigenverantwortliche und selbständige Lebensführung nicht gewährleistet. Die Hilfe wird in der Regel nur bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres gewährt; in begründeten Einzelfällen soll sie für einen begrenzten Zeitraum darüber hinaus fortgesetzt werden. Eine Beendigung der Hilfe schließt die erneute Gewährung oder Fortsetzung einer Hilfe nach Maßgabe der Sätze 1 und 2 nicht aus.
(2) Für die Ausgestaltung der Hilfe gelten § 27 Absatz 3 und 4 sowie die §§ 28 bis 30, 33 bis 36, 39 und 40 entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Personensorgeberechtigten oder des Kindes oder des Jugendlichen der junge Volljährige tritt.
(3) Soll eine Hilfe nach dieser Vorschrift nicht fortgesetzt oder beendet werden, prüft der Träger der öffentlichen Jugendhilfe ab einem Jahr vor dem hierfür im Hilfeplan vorgesehenen Zeitpunkt, ob im Hinblick auf den Bedarf des jungen Menschen ein Zuständigkeitsübergang auf andere Sozialleistungsträger in Betracht kommt; § 36b gilt entsprechend.
Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege soll entsprechend dem Alter und Entwicklungsstand des Kindes oder des Jugendlichen und seinen persönlichen Bindungen sowie den Möglichkeiten der Verbesserung der Erziehungsbedingungen in der Herkunftsfamilie Kindern und Jugendlichen in einer anderen Familie eine zeitlich befristete Erziehungshilfe oder eine auf Dauer angelegte Lebensform bieten. Für besonders entwicklungsbeeinträchtigte Kinder und Jugendliche sind geeignete Formen der Familienpflege zu schaffen und auszubauen.
(1) Kosten, die ein örtlicher Träger im Rahmen seiner Verpflichtung nach § 86c aufgewendet hat, sind von dem örtlichen Träger zu erstatten, der nach dem Wechsel der örtlichen Zuständigkeit zuständig geworden ist. Kosten, die ein örtlicher Träger im Rahmen seiner Verpflichtung nach § 86d aufgewendet hat, sind von dem örtlichen Träger zu erstatten, dessen Zuständigkeit durch den gewöhnlichen Aufenthalt nach §§ 86, 86a und 86b begründet wird.
(2) Hat der örtliche Träger die Kosten deshalb aufgewendet, weil der zuständige örtliche Träger pflichtwidrig gehandelt hat, so hat dieser zusätzlich einen Betrag in Höhe eines Drittels der Kosten, mindestens jedoch 50 Euro, zu erstatten.
(3) Ist ein kostenerstattungspflichtiger örtlicher Träger nicht vorhanden, so sind die Kosten vom überörtlichen Träger zu erstatten, zu dessen Bereich der örtliche Träger gehört, der nach Absatz 1 tätig geworden ist.
(1) Wechselt die örtliche Zuständigkeit für eine Leistung, so bleibt der bisher zuständige örtliche Träger so lange zur Gewährung der Leistung verpflichtet, bis der nunmehr zuständige örtliche Träger die Leistung fortsetzt. Dieser hat dafür Sorge zu tragen, dass der Hilfeprozess und die im Rahmen der Hilfeplanung vereinbarten Hilfeziele durch den Zuständigkeitswechsel nicht gefährdet werden.
(2) Der örtliche Träger, der von den Umständen Kenntnis erhält, die den Wechsel der Zuständigkeit begründen, hat den anderen davon unverzüglich zu unterrichten. Der bisher zuständige örtliche Träger hat dem nunmehr zuständigen örtlichen Träger unverzüglich die für die Hilfegewährung sowie den Zuständigkeitswechsel maßgeblichen Sozialdaten zu übermitteln. Bei der Fortsetzung von Leistungen, die der Hilfeplanung nach § 36 Absatz 2 unterliegen, ist die Fallverantwortung im Rahmen eines Gespräches zu übergeben. Die Personensorgeberechtigten und das Kind oder der Jugendliche sowie der junge Volljährige oder der Leistungsberechtigte nach § 19 sind an der Übergabe angemessen zu beteiligen.
Steht die örtliche Zuständigkeit nicht fest oder wird der zuständige örtliche Träger nicht tätig, so ist der örtliche Träger vorläufig zum Tätigwerden verpflichtet, in dessen Bereich sich das Kind oder der Jugendliche, der junge Volljährige oder bei Leistungen nach § 19 der Leistungsberechtigte vor Beginn der Leistung tatsächlich aufhält.
(1) Für die Gewährung von Leistungen nach diesem Buch ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich die Eltern ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. An die Stelle der Eltern tritt die Mutter, wenn und solange die Vaterschaft nicht anerkannt oder gerichtlich festgestellt ist. Lebt nur ein Elternteil, so ist dessen gewöhnlicher Aufenthalt maßgebend.
(2) Haben die Elternteile verschiedene gewöhnliche Aufenthalte, so ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich der personensorgeberechtigte Elternteil seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat; dies gilt auch dann, wenn ihm einzelne Angelegenheiten der Personensorge entzogen sind. Steht die Personensorge im Fall des Satzes 1 den Eltern gemeinsam zu, so richtet sich die Zuständigkeit nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Elternteils, bei dem das Kind oder der Jugendliche vor Beginn der Leistung zuletzt seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Hatte das Kind oder der Jugendliche im Fall des Satzes 2 zuletzt bei beiden Elternteilen seinen gewöhnlichen Aufenthalt, so richtet sich die Zuständigkeit nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Elternteils, bei dem das Kind oder der Jugendliche vor Beginn der Leistung zuletzt seinen tatsächlichen Aufenthalt hatte. Hatte das Kind oder der Jugendliche im Fall des Satzes 2 während der letzten sechs Monate vor Beginn der Leistung bei keinem Elternteil einen gewöhnlichen Aufenthalt, so ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich das Kind oder der Jugendliche vor Beginn der Leistung zuletzt seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte; hatte das Kind oder der Jugendliche während der letzten sechs Monate keinen gewöhnlichen Aufenthalt, so richtet sich die Zuständigkeit nach dem tatsächlichen Aufenthalt des Kindes oder des Jugendlichen vor Beginn der Leistung.
(3) Haben die Elternteile verschiedene gewöhnliche Aufenthalte und steht die Personensorge keinem Elternteil zu, so gilt Absatz 2 Satz 2 und 4 entsprechend.
(4) Haben die Eltern oder der nach den Absätzen 1 bis 3 maßgebliche Elternteil im Inland keinen gewöhnlichen Aufenthalt, oder ist ein gewöhnlicher Aufenthalt nicht feststellbar, oder sind sie verstorben, so richtet sich die Zuständigkeit nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes oder des Jugendlichen vor Beginn der Leistung. Hatte das Kind oder der Jugendliche während der letzten sechs Monate vor Beginn der Leistung keinen gewöhnlichen Aufenthalt, so ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich sich das Kind oder der Jugendliche vor Beginn der Leistung tatsächlich aufhält.
(5) Begründen die Elternteile nach Beginn der Leistung verschiedene gewöhnliche Aufenthalte, so wird der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich der personensorgeberechtigte Elternteil seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat; dies gilt auch dann, wenn ihm einzelne Angelegenheiten der Personensorge entzogen sind. Solange in diesen Fällen die Personensorge beiden Elternteilen gemeinsam oder keinem Elternteil zusteht, bleibt die bisherige Zuständigkeit bestehen. Absatz 4 gilt entsprechend.
(6) Lebt ein Kind oder ein Jugendlicher zwei Jahre bei einer Pflegeperson und ist sein Verbleib bei dieser Pflegeperson auf Dauer zu erwarten, so ist oder wird abweichend von den Absätzen 1 bis 5 der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich die Pflegeperson ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. Er hat die Eltern und, falls den Eltern die Personensorge nicht oder nur teilweise zusteht, den Personensorgeberechtigten über den Wechsel der Zuständigkeit zu unterrichten. Endet der Aufenthalt bei der Pflegeperson, so endet die Zuständigkeit nach Satz 1.
(7) Für Leistungen an Kinder oder Jugendliche, die um Asyl nachsuchen oder einen Asylantrag gestellt haben, ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich sich die Person vor Beginn der Leistung tatsächlich aufhält; geht der Leistungsgewährung eine Inobhutnahme voraus, so bleibt die nach § 87 begründete Zuständigkeit bestehen. Unterliegt die Person einem Verteilungsverfahren, so richtet sich die örtliche Zuständigkeit nach der Zuweisungsentscheidung der zuständigen Landesbehörde; bis zur Zuweisungsentscheidung gilt Satz 1 entsprechend. Die nach Satz 1 oder 2 begründete örtliche Zuständigkeit bleibt auch nach Abschluss des Asylverfahrens so lange bestehen, bis die für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit maßgebliche Person einen gewöhnlichen Aufenthalt im Bereich eines anderen Trägers der öffentlichen Jugendhilfe begründet. Eine Unterbrechung der Leistung von bis zu drei Monaten bleibt außer Betracht.
Die Teilnahme an sozialer Gruppenarbeit soll älteren Kindern und Jugendlichen bei der Überwindung von Entwicklungsschwierigkeiten und Verhaltensproblemen helfen. Soziale Gruppenarbeit soll auf der Grundlage eines gruppenpädagogischen Konzepts die Entwicklung älterer Kinder und Jugendlicher durch soziales Lernen in der Gruppe fördern.
Der Erziehungsbeistand und der Betreuungshelfer sollen das Kind oder den Jugendlichen bei der Bewältigung von Entwicklungsproblemen möglichst unter Einbeziehung des sozialen Umfelds unterstützen und unter Erhaltung des Lebensbezugs zur Familie seine Verselbständigung fördern.
Hilfe zur Erziehung in einer Tagesgruppe soll die Entwicklung des Kindes oder des Jugendlichen durch soziales Lernen in der Gruppe, Begleitung der schulischen Förderung und Elternarbeit unterstützen und dadurch den Verbleib des Kindes oder des Jugendlichen in seiner Familie sichern. Die Hilfe kann auch in geeigneten Formen der Familienpflege geleistet werden.
(1) Für die Gewährung von Leistungen nach diesem Buch ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich die Eltern ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. An die Stelle der Eltern tritt die Mutter, wenn und solange die Vaterschaft nicht anerkannt oder gerichtlich festgestellt ist. Lebt nur ein Elternteil, so ist dessen gewöhnlicher Aufenthalt maßgebend.
(2) Haben die Elternteile verschiedene gewöhnliche Aufenthalte, so ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich der personensorgeberechtigte Elternteil seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat; dies gilt auch dann, wenn ihm einzelne Angelegenheiten der Personensorge entzogen sind. Steht die Personensorge im Fall des Satzes 1 den Eltern gemeinsam zu, so richtet sich die Zuständigkeit nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Elternteils, bei dem das Kind oder der Jugendliche vor Beginn der Leistung zuletzt seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Hatte das Kind oder der Jugendliche im Fall des Satzes 2 zuletzt bei beiden Elternteilen seinen gewöhnlichen Aufenthalt, so richtet sich die Zuständigkeit nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Elternteils, bei dem das Kind oder der Jugendliche vor Beginn der Leistung zuletzt seinen tatsächlichen Aufenthalt hatte. Hatte das Kind oder der Jugendliche im Fall des Satzes 2 während der letzten sechs Monate vor Beginn der Leistung bei keinem Elternteil einen gewöhnlichen Aufenthalt, so ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich das Kind oder der Jugendliche vor Beginn der Leistung zuletzt seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte; hatte das Kind oder der Jugendliche während der letzten sechs Monate keinen gewöhnlichen Aufenthalt, so richtet sich die Zuständigkeit nach dem tatsächlichen Aufenthalt des Kindes oder des Jugendlichen vor Beginn der Leistung.
(3) Haben die Elternteile verschiedene gewöhnliche Aufenthalte und steht die Personensorge keinem Elternteil zu, so gilt Absatz 2 Satz 2 und 4 entsprechend.
(4) Haben die Eltern oder der nach den Absätzen 1 bis 3 maßgebliche Elternteil im Inland keinen gewöhnlichen Aufenthalt, oder ist ein gewöhnlicher Aufenthalt nicht feststellbar, oder sind sie verstorben, so richtet sich die Zuständigkeit nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes oder des Jugendlichen vor Beginn der Leistung. Hatte das Kind oder der Jugendliche während der letzten sechs Monate vor Beginn der Leistung keinen gewöhnlichen Aufenthalt, so ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich sich das Kind oder der Jugendliche vor Beginn der Leistung tatsächlich aufhält.
(5) Begründen die Elternteile nach Beginn der Leistung verschiedene gewöhnliche Aufenthalte, so wird der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich der personensorgeberechtigte Elternteil seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat; dies gilt auch dann, wenn ihm einzelne Angelegenheiten der Personensorge entzogen sind. Solange in diesen Fällen die Personensorge beiden Elternteilen gemeinsam oder keinem Elternteil zusteht, bleibt die bisherige Zuständigkeit bestehen. Absatz 4 gilt entsprechend.
(6) Lebt ein Kind oder ein Jugendlicher zwei Jahre bei einer Pflegeperson und ist sein Verbleib bei dieser Pflegeperson auf Dauer zu erwarten, so ist oder wird abweichend von den Absätzen 1 bis 5 der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich die Pflegeperson ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. Er hat die Eltern und, falls den Eltern die Personensorge nicht oder nur teilweise zusteht, den Personensorgeberechtigten über den Wechsel der Zuständigkeit zu unterrichten. Endet der Aufenthalt bei der Pflegeperson, so endet die Zuständigkeit nach Satz 1.
(7) Für Leistungen an Kinder oder Jugendliche, die um Asyl nachsuchen oder einen Asylantrag gestellt haben, ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich sich die Person vor Beginn der Leistung tatsächlich aufhält; geht der Leistungsgewährung eine Inobhutnahme voraus, so bleibt die nach § 87 begründete Zuständigkeit bestehen. Unterliegt die Person einem Verteilungsverfahren, so richtet sich die örtliche Zuständigkeit nach der Zuweisungsentscheidung der zuständigen Landesbehörde; bis zur Zuweisungsentscheidung gilt Satz 1 entsprechend. Die nach Satz 1 oder 2 begründete örtliche Zuständigkeit bleibt auch nach Abschluss des Asylverfahrens so lange bestehen, bis die für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit maßgebliche Person einen gewöhnlichen Aufenthalt im Bereich eines anderen Trägers der öffentlichen Jugendhilfe begründet. Eine Unterbrechung der Leistung von bis zu drei Monaten bleibt außer Betracht.
Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Oberverwaltungsgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundesverwaltungsgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung die Verwaltungsgerichtsordnung tritt. Gericht im Sinne des § 1062 der Zivilprozeßordnung ist das zuständige Verwaltungsgericht, Gericht im Sinne des § 1065 der Zivilprozeßordnung das zuständige Oberverwaltungsgericht.
Als eine Änderung der Klage ist es nicht anzusehen, wenn ohne Änderung des Klagegrundes
- 1.
die tatsächlichen oder rechtlichen Anführungen ergänzt oder berichtigt werden; - 2.
der Klageantrag in der Hauptsache oder in Bezug auf Nebenforderungen erweitert oder beschränkt wird; - 3.
statt des ursprünglich geforderten Gegenstandes wegen einer später eingetretenen Veränderung ein anderer Gegenstand oder das Interesse gefordert wird.
(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).
(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.
(1) Hat ein unzuständiger Leistungsträger Sozialleistungen erbracht, ohne dass die Voraussetzungen von § 102 Abs. 1 vorliegen, ist der zuständige oder zuständig gewesene Leistungsträger erstattungspflichtig, soweit dieser nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat. § 104 Abs. 2 gilt entsprechend.
(2) Der Umfang des Erstattungsanspruchs richtet sich nach den für den zuständigen Leistungsträger geltenden Rechtsvorschriften.
(3) Die Absätze 1 und 2 gelten gegenüber den Trägern der Eingliederungshilfe, der Sozialhilfe, der Kriegsopferfürsorge und der Jugendhilfe nur von dem Zeitpunkt ab, von dem ihnen bekannt war, dass die Voraussetzungen für ihre Leistungspflicht vorlagen.
(1) Hat ein Leistungsträger auf Grund gesetzlicher Vorschriften vorläufig Sozialleistungen erbracht, ist der zur Leistung verpflichtete Leistungsträger erstattungspflichtig.
(2) Der Umfang des Erstattungsanspruchs richtet sich nach den für den vorleistenden Leistungsträger geltenden Rechtsvorschriften.
(1) Kosten, die ein örtlicher Träger im Rahmen seiner Verpflichtung nach § 86c aufgewendet hat, sind von dem örtlichen Träger zu erstatten, der nach dem Wechsel der örtlichen Zuständigkeit zuständig geworden ist. Kosten, die ein örtlicher Träger im Rahmen seiner Verpflichtung nach § 86d aufgewendet hat, sind von dem örtlichen Träger zu erstatten, dessen Zuständigkeit durch den gewöhnlichen Aufenthalt nach §§ 86, 86a und 86b begründet wird.
(2) Hat der örtliche Träger die Kosten deshalb aufgewendet, weil der zuständige örtliche Träger pflichtwidrig gehandelt hat, so hat dieser zusätzlich einen Betrag in Höhe eines Drittels der Kosten, mindestens jedoch 50 Euro, zu erstatten.
(3) Ist ein kostenerstattungspflichtiger örtlicher Träger nicht vorhanden, so sind die Kosten vom überörtlichen Träger zu erstatten, zu dessen Bereich der örtliche Träger gehört, der nach Absatz 1 tätig geworden ist.
(1) Wechselt die örtliche Zuständigkeit für eine Leistung, so bleibt der bisher zuständige örtliche Träger so lange zur Gewährung der Leistung verpflichtet, bis der nunmehr zuständige örtliche Träger die Leistung fortsetzt. Dieser hat dafür Sorge zu tragen, dass der Hilfeprozess und die im Rahmen der Hilfeplanung vereinbarten Hilfeziele durch den Zuständigkeitswechsel nicht gefährdet werden.
(2) Der örtliche Träger, der von den Umständen Kenntnis erhält, die den Wechsel der Zuständigkeit begründen, hat den anderen davon unverzüglich zu unterrichten. Der bisher zuständige örtliche Träger hat dem nunmehr zuständigen örtlichen Träger unverzüglich die für die Hilfegewährung sowie den Zuständigkeitswechsel maßgeblichen Sozialdaten zu übermitteln. Bei der Fortsetzung von Leistungen, die der Hilfeplanung nach § 36 Absatz 2 unterliegen, ist die Fallverantwortung im Rahmen eines Gespräches zu übergeben. Die Personensorgeberechtigten und das Kind oder der Jugendliche sowie der junge Volljährige oder der Leistungsberechtigte nach § 19 sind an der Übergabe angemessen zu beteiligen.
Steht die örtliche Zuständigkeit nicht fest oder wird der zuständige örtliche Träger nicht tätig, so ist der örtliche Träger vorläufig zum Tätigwerden verpflichtet, in dessen Bereich sich das Kind oder der Jugendliche, der junge Volljährige oder bei Leistungen nach § 19 der Leistungsberechtigte vor Beginn der Leistung tatsächlich aufhält.
(1) Für die Gewährung von Leistungen nach diesem Buch ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich die Eltern ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. An die Stelle der Eltern tritt die Mutter, wenn und solange die Vaterschaft nicht anerkannt oder gerichtlich festgestellt ist. Lebt nur ein Elternteil, so ist dessen gewöhnlicher Aufenthalt maßgebend.
(2) Haben die Elternteile verschiedene gewöhnliche Aufenthalte, so ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich der personensorgeberechtigte Elternteil seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat; dies gilt auch dann, wenn ihm einzelne Angelegenheiten der Personensorge entzogen sind. Steht die Personensorge im Fall des Satzes 1 den Eltern gemeinsam zu, so richtet sich die Zuständigkeit nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Elternteils, bei dem das Kind oder der Jugendliche vor Beginn der Leistung zuletzt seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Hatte das Kind oder der Jugendliche im Fall des Satzes 2 zuletzt bei beiden Elternteilen seinen gewöhnlichen Aufenthalt, so richtet sich die Zuständigkeit nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Elternteils, bei dem das Kind oder der Jugendliche vor Beginn der Leistung zuletzt seinen tatsächlichen Aufenthalt hatte. Hatte das Kind oder der Jugendliche im Fall des Satzes 2 während der letzten sechs Monate vor Beginn der Leistung bei keinem Elternteil einen gewöhnlichen Aufenthalt, so ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich das Kind oder der Jugendliche vor Beginn der Leistung zuletzt seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte; hatte das Kind oder der Jugendliche während der letzten sechs Monate keinen gewöhnlichen Aufenthalt, so richtet sich die Zuständigkeit nach dem tatsächlichen Aufenthalt des Kindes oder des Jugendlichen vor Beginn der Leistung.
(3) Haben die Elternteile verschiedene gewöhnliche Aufenthalte und steht die Personensorge keinem Elternteil zu, so gilt Absatz 2 Satz 2 und 4 entsprechend.
(4) Haben die Eltern oder der nach den Absätzen 1 bis 3 maßgebliche Elternteil im Inland keinen gewöhnlichen Aufenthalt, oder ist ein gewöhnlicher Aufenthalt nicht feststellbar, oder sind sie verstorben, so richtet sich die Zuständigkeit nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes oder des Jugendlichen vor Beginn der Leistung. Hatte das Kind oder der Jugendliche während der letzten sechs Monate vor Beginn der Leistung keinen gewöhnlichen Aufenthalt, so ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich sich das Kind oder der Jugendliche vor Beginn der Leistung tatsächlich aufhält.
(5) Begründen die Elternteile nach Beginn der Leistung verschiedene gewöhnliche Aufenthalte, so wird der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich der personensorgeberechtigte Elternteil seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat; dies gilt auch dann, wenn ihm einzelne Angelegenheiten der Personensorge entzogen sind. Solange in diesen Fällen die Personensorge beiden Elternteilen gemeinsam oder keinem Elternteil zusteht, bleibt die bisherige Zuständigkeit bestehen. Absatz 4 gilt entsprechend.
(6) Lebt ein Kind oder ein Jugendlicher zwei Jahre bei einer Pflegeperson und ist sein Verbleib bei dieser Pflegeperson auf Dauer zu erwarten, so ist oder wird abweichend von den Absätzen 1 bis 5 der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich die Pflegeperson ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. Er hat die Eltern und, falls den Eltern die Personensorge nicht oder nur teilweise zusteht, den Personensorgeberechtigten über den Wechsel der Zuständigkeit zu unterrichten. Endet der Aufenthalt bei der Pflegeperson, so endet die Zuständigkeit nach Satz 1.
(7) Für Leistungen an Kinder oder Jugendliche, die um Asyl nachsuchen oder einen Asylantrag gestellt haben, ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich sich die Person vor Beginn der Leistung tatsächlich aufhält; geht der Leistungsgewährung eine Inobhutnahme voraus, so bleibt die nach § 87 begründete Zuständigkeit bestehen. Unterliegt die Person einem Verteilungsverfahren, so richtet sich die örtliche Zuständigkeit nach der Zuweisungsentscheidung der zuständigen Landesbehörde; bis zur Zuweisungsentscheidung gilt Satz 1 entsprechend. Die nach Satz 1 oder 2 begründete örtliche Zuständigkeit bleibt auch nach Abschluss des Asylverfahrens so lange bestehen, bis die für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit maßgebliche Person einen gewöhnlichen Aufenthalt im Bereich eines anderen Trägers der öffentlichen Jugendhilfe begründet. Eine Unterbrechung der Leistung von bis zu drei Monaten bleibt außer Betracht.
(1) Für Leistungen an junge Volljährige ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich der junge Volljährige vor Beginn der Leistung seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.
(2) Hält sich der junge Volljährige in einer Einrichtung oder sonstigen Wohnform auf, die der Erziehung, Pflege, Betreuung, Behandlung oder dem Strafvollzug dient, so richtet sich die örtliche Zuständigkeit nach dem gewöhnlichen Aufenthalt vor der Aufnahme in eine Einrichtung oder sonstige Wohnform.
(3) Hat der junge Volljährige keinen gewöhnlichen Aufenthalt, so richtet sich die Zuständigkeit nach seinem tatsächlichen Aufenthalt zu dem in Absatz 1 genannten Zeitpunkt; Absatz 2 bleibt unberührt.
(4) Wird eine Leistung nach § 13 Absatz 3 oder nach § 21 über die Vollendung des 18. Lebensjahres hinaus weitergeführt oder geht der Hilfe für junge Volljährige nach § 41 eine dieser Leistungen, eine Leistung nach § 19 oder eine Hilfe nach den §§ 27 bis 35a voraus, so bleibt der örtliche Träger zuständig, der bis zu diesem Zeitpunkt zuständig war. Eine Unterbrechung der Hilfeleistung von bis zu drei Monaten bleibt dabei außer Betracht. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend, wenn eine Hilfe für junge Volljährige nach § 41 beendet war und innerhalb von drei Monaten erneut Hilfe für junge Volljährige nach § 41 erforderlich wird.
(1) Für Leistungen in gemeinsamen Wohnformen für Mütter oder Väter und Kinder ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich der nach § 19 Leistungsberechtigte vor Beginn der Leistung seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. § 86a Absatz 2 gilt entsprechend.
(2) Hat der Leistungsberechtigte keinen gewöhnlichen Aufenthalt, so richtet sich die Zuständigkeit nach seinem tatsächlichen Aufenthalt zu dem in Absatz 1 genannten Zeitpunkt.
(3) Geht der Leistung Hilfe nach den §§ 27 bis 35a oder eine Leistung nach § 13 Absatz 3, § 21 oder § 41 voraus, so bleibt der örtliche Träger zuständig, der bisher zuständig war. Eine Unterbrechung der Hilfeleistung von bis zu drei Monaten bleibt dabei außer Betracht.
(1) Wechselt die örtliche Zuständigkeit für eine Leistung, so bleibt der bisher zuständige örtliche Träger so lange zur Gewährung der Leistung verpflichtet, bis der nunmehr zuständige örtliche Träger die Leistung fortsetzt. Dieser hat dafür Sorge zu tragen, dass der Hilfeprozess und die im Rahmen der Hilfeplanung vereinbarten Hilfeziele durch den Zuständigkeitswechsel nicht gefährdet werden.
(2) Der örtliche Träger, der von den Umständen Kenntnis erhält, die den Wechsel der Zuständigkeit begründen, hat den anderen davon unverzüglich zu unterrichten. Der bisher zuständige örtliche Träger hat dem nunmehr zuständigen örtlichen Träger unverzüglich die für die Hilfegewährung sowie den Zuständigkeitswechsel maßgeblichen Sozialdaten zu übermitteln. Bei der Fortsetzung von Leistungen, die der Hilfeplanung nach § 36 Absatz 2 unterliegen, ist die Fallverantwortung im Rahmen eines Gespräches zu übergeben. Die Personensorgeberechtigten und das Kind oder der Jugendliche sowie der junge Volljährige oder der Leistungsberechtigte nach § 19 sind an der Übergabe angemessen zu beteiligen.
Steht die örtliche Zuständigkeit nicht fest oder wird der zuständige örtliche Träger nicht tätig, so ist der örtliche Träger vorläufig zum Tätigwerden verpflichtet, in dessen Bereich sich das Kind oder der Jugendliche, der junge Volljährige oder bei Leistungen nach § 19 der Leistungsberechtigte vor Beginn der Leistung tatsächlich aufhält.
(1) Wechselt die örtliche Zuständigkeit für eine Leistung, so bleibt der bisher zuständige örtliche Träger so lange zur Gewährung der Leistung verpflichtet, bis der nunmehr zuständige örtliche Träger die Leistung fortsetzt. Dieser hat dafür Sorge zu tragen, dass der Hilfeprozess und die im Rahmen der Hilfeplanung vereinbarten Hilfeziele durch den Zuständigkeitswechsel nicht gefährdet werden.
(2) Der örtliche Träger, der von den Umständen Kenntnis erhält, die den Wechsel der Zuständigkeit begründen, hat den anderen davon unverzüglich zu unterrichten. Der bisher zuständige örtliche Träger hat dem nunmehr zuständigen örtlichen Träger unverzüglich die für die Hilfegewährung sowie den Zuständigkeitswechsel maßgeblichen Sozialdaten zu übermitteln. Bei der Fortsetzung von Leistungen, die der Hilfeplanung nach § 36 Absatz 2 unterliegen, ist die Fallverantwortung im Rahmen eines Gespräches zu übergeben. Die Personensorgeberechtigten und das Kind oder der Jugendliche sowie der junge Volljährige oder der Leistungsberechtigte nach § 19 sind an der Übergabe angemessen zu beteiligen.
Steht die örtliche Zuständigkeit nicht fest oder wird der zuständige örtliche Träger nicht tätig, so ist der örtliche Träger vorläufig zum Tätigwerden verpflichtet, in dessen Bereich sich das Kind oder der Jugendliche, der junge Volljährige oder bei Leistungen nach § 19 der Leistungsberechtigte vor Beginn der Leistung tatsächlich aufhält.
(1) Mütter oder Väter, die allein für ein Kind unter sechs Jahren zu sorgen haben oder tatsächlich sorgen, sollen gemeinsam mit dem Kind in einer geeigneten Wohnform betreut werden, wenn und solange sie auf Grund ihrer Persönlichkeitsentwicklung dieser Form der Unterstützung bei der Pflege und Erziehung des Kindes bedürfen. Die Betreuung schließt auch ältere Geschwister ein, sofern die Mutter oder der Vater für sie allein zu sorgen hat. Die Betreuung umfasst Leistungen, die die Bedürfnisse der Mutter oder des Vaters sowie des Kindes und seiner Geschwister gleichermaßen berücksichtigen. Eine schwangere Frau kann auch vor der Geburt des Kindes in der Wohnform betreut werden.
(2) Mit Zustimmung des betreuten Elternteils soll auch der andere Elternteil oder eine Person, die für das Kind tatsächlich sorgt, in die Leistung einbezogen werden, wenn und soweit dies dem Leistungszweck dient. Abweichend von Absatz 1 Satz 1 kann diese Einbeziehung die gemeinsame Betreuung der in Satz 1 genannten Personen mit dem Kind in einer geeigneten Wohnform umfassen, wenn und solange dies zur Erreichung des Leistungszwecks erforderlich ist.
(3) Während dieser Zeit soll darauf hingewirkt werden, dass die Mutter oder der Vater eine schulische oder berufliche Ausbildung beginnt oder fortführt oder eine Berufstätigkeit aufnimmt.
(4) Die Leistung soll auch den notwendigen Unterhalt der betreuten Personen sowie die Krankenhilfe nach Maßgabe des § 40 umfassen.
Steht die örtliche Zuständigkeit nicht fest oder wird der zuständige örtliche Träger nicht tätig, so ist der örtliche Träger vorläufig zum Tätigwerden verpflichtet, in dessen Bereich sich das Kind oder der Jugendliche, der junge Volljährige oder bei Leistungen nach § 19 der Leistungsberechtigte vor Beginn der Leistung tatsächlich aufhält.
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 13. Februar 2014 - 4 K 2516/12 - geändert.
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin weitere Kosten für gewährte Jugendhilfe in Höhe von 91.417,16 EUR zu zahlen.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Kosten der Verfahren beider Rechtszüge tragen die Klägerin zu ¼ und der Beklagte zu ¾.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Entscheidungsgründe
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Gründe
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Steht die örtliche Zuständigkeit nicht fest oder wird der zuständige örtliche Träger nicht tätig, so ist der örtliche Träger vorläufig zum Tätigwerden verpflichtet, in dessen Bereich sich das Kind oder der Jugendliche, der junge Volljährige oder bei Leistungen nach § 19 der Leistungsberechtigte vor Beginn der Leistung tatsächlich aufhält.
(1) Hat ein unzuständiger Leistungsträger Sozialleistungen erbracht, ohne dass die Voraussetzungen von § 102 Abs. 1 vorliegen, ist der zuständige oder zuständig gewesene Leistungsträger erstattungspflichtig, soweit dieser nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat. § 104 Abs. 2 gilt entsprechend.
(2) Der Umfang des Erstattungsanspruchs richtet sich nach den für den zuständigen Leistungsträger geltenden Rechtsvorschriften.
(3) Die Absätze 1 und 2 gelten gegenüber den Trägern der Eingliederungshilfe, der Sozialhilfe, der Kriegsopferfürsorge und der Jugendhilfe nur von dem Zeitpunkt ab, von dem ihnen bekannt war, dass die Voraussetzungen für ihre Leistungspflicht vorlagen.
Gegenstand der sozialen Rechte sind die in diesem Gesetzbuch vorgesehenen Dienst-, Sach- und Geldleistungen (Sozialleistungen). Die persönliche und erzieherische Hilfe gehört zu den Dienstleistungen.
(1) Nach dem Recht der Kinder- und Jugendhilfe können in Anspruch genommen werden:
- 1.
Angebote der Jugendarbeit, der Jugendsozialarbeit und des erzieherischen Jugendschutzes, - 2.
Angebote zur Förderung der Erziehung in der Familie, - 3.
Angebote zur Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen und in Tagespflege, - 4.
Hilfe zur Erziehung, Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche sowie Hilfe für junge Volljährige.
(2) Zuständig sind die Kreise und die kreisfreien Städte, nach Maßgabe des Landesrechts auch kreisangehörige Gemeinden; sie arbeiten mit der freien Jugendhilfe zusammen.
(1) Für die Gewährung von Leistungen nach diesem Buch ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich die Eltern ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. An die Stelle der Eltern tritt die Mutter, wenn und solange die Vaterschaft nicht anerkannt oder gerichtlich festgestellt ist. Lebt nur ein Elternteil, so ist dessen gewöhnlicher Aufenthalt maßgebend.
(2) Haben die Elternteile verschiedene gewöhnliche Aufenthalte, so ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich der personensorgeberechtigte Elternteil seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat; dies gilt auch dann, wenn ihm einzelne Angelegenheiten der Personensorge entzogen sind. Steht die Personensorge im Fall des Satzes 1 den Eltern gemeinsam zu, so richtet sich die Zuständigkeit nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Elternteils, bei dem das Kind oder der Jugendliche vor Beginn der Leistung zuletzt seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Hatte das Kind oder der Jugendliche im Fall des Satzes 2 zuletzt bei beiden Elternteilen seinen gewöhnlichen Aufenthalt, so richtet sich die Zuständigkeit nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Elternteils, bei dem das Kind oder der Jugendliche vor Beginn der Leistung zuletzt seinen tatsächlichen Aufenthalt hatte. Hatte das Kind oder der Jugendliche im Fall des Satzes 2 während der letzten sechs Monate vor Beginn der Leistung bei keinem Elternteil einen gewöhnlichen Aufenthalt, so ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich das Kind oder der Jugendliche vor Beginn der Leistung zuletzt seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte; hatte das Kind oder der Jugendliche während der letzten sechs Monate keinen gewöhnlichen Aufenthalt, so richtet sich die Zuständigkeit nach dem tatsächlichen Aufenthalt des Kindes oder des Jugendlichen vor Beginn der Leistung.
(3) Haben die Elternteile verschiedene gewöhnliche Aufenthalte und steht die Personensorge keinem Elternteil zu, so gilt Absatz 2 Satz 2 und 4 entsprechend.
(4) Haben die Eltern oder der nach den Absätzen 1 bis 3 maßgebliche Elternteil im Inland keinen gewöhnlichen Aufenthalt, oder ist ein gewöhnlicher Aufenthalt nicht feststellbar, oder sind sie verstorben, so richtet sich die Zuständigkeit nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes oder des Jugendlichen vor Beginn der Leistung. Hatte das Kind oder der Jugendliche während der letzten sechs Monate vor Beginn der Leistung keinen gewöhnlichen Aufenthalt, so ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich sich das Kind oder der Jugendliche vor Beginn der Leistung tatsächlich aufhält.
(5) Begründen die Elternteile nach Beginn der Leistung verschiedene gewöhnliche Aufenthalte, so wird der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich der personensorgeberechtigte Elternteil seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat; dies gilt auch dann, wenn ihm einzelne Angelegenheiten der Personensorge entzogen sind. Solange in diesen Fällen die Personensorge beiden Elternteilen gemeinsam oder keinem Elternteil zusteht, bleibt die bisherige Zuständigkeit bestehen. Absatz 4 gilt entsprechend.
(6) Lebt ein Kind oder ein Jugendlicher zwei Jahre bei einer Pflegeperson und ist sein Verbleib bei dieser Pflegeperson auf Dauer zu erwarten, so ist oder wird abweichend von den Absätzen 1 bis 5 der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich die Pflegeperson ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. Er hat die Eltern und, falls den Eltern die Personensorge nicht oder nur teilweise zusteht, den Personensorgeberechtigten über den Wechsel der Zuständigkeit zu unterrichten. Endet der Aufenthalt bei der Pflegeperson, so endet die Zuständigkeit nach Satz 1.
(7) Für Leistungen an Kinder oder Jugendliche, die um Asyl nachsuchen oder einen Asylantrag gestellt haben, ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich sich die Person vor Beginn der Leistung tatsächlich aufhält; geht der Leistungsgewährung eine Inobhutnahme voraus, so bleibt die nach § 87 begründete Zuständigkeit bestehen. Unterliegt die Person einem Verteilungsverfahren, so richtet sich die örtliche Zuständigkeit nach der Zuweisungsentscheidung der zuständigen Landesbehörde; bis zur Zuweisungsentscheidung gilt Satz 1 entsprechend. Die nach Satz 1 oder 2 begründete örtliche Zuständigkeit bleibt auch nach Abschluss des Asylverfahrens so lange bestehen, bis die für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit maßgebliche Person einen gewöhnlichen Aufenthalt im Bereich eines anderen Trägers der öffentlichen Jugendhilfe begründet. Eine Unterbrechung der Leistung von bis zu drei Monaten bleibt außer Betracht.
(1) Die Jugendhilfe umfasst Leistungen und andere Aufgaben zugunsten junger Menschen und Familien.
(2) Leistungen der Jugendhilfe sind:
- 1.
Angebote der Jugendarbeit, der Jugendsozialarbeit, der Schulsozialarbeit und des erzieherischen Kinder- und Jugendschutzes (§§ 11 bis 14), - 2.
Angebote zur Förderung der Erziehung in der Familie (§§ 16 bis 21), - 3.
Angebote zur Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen und in Kindertagespflege (§§ 22 bis 25), - 4.
Hilfe zur Erziehung und ergänzende Leistungen (§§ 27 bis 35, 36, 37, 39, 40), - 5.
Hilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche und ergänzende Leistungen (§§ 35a bis 37, 39, 40), - 6.
Hilfe für junge Volljährige und Nachbetreuung (den §§ 41 und 41a).
(3) Andere Aufgaben der Jugendhilfe sind
- 1.
die Inobhutnahme von Kindern und Jugendlichen (§ 42), - 2.
die vorläufige Inobhutnahme von ausländischen Kindern und Jugendlichen nach unbegleiteter Einreise (§ 42a), - 3.
die Erteilung, der Widerruf und die Zurücknahme der Pflegeerlaubnis (§§ 43, 44), - 4.
die Erteilung, der Widerruf und die Zurücknahme der Erlaubnis für den Betrieb einer Einrichtung sowie die Erteilung nachträglicher Auflagen und die damit verbundenen Aufgaben (§§ 45 bis 47, 48a), - 5.
die Tätigkeitsuntersagung (§§ 48, 48a), - 6.
die Mitwirkung in Verfahren vor den Familiengerichten (§ 50), - 7.
die Beratung und Belehrung in Verfahren zur Annahme als Kind (§ 51), - 8.
die Mitwirkung in Verfahren nach dem Jugendgerichtsgesetz (§ 52), - 9.
die Beratung und Unterstützung von Müttern bei Vaterschaftsfeststellung und Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen sowie von Pflegern und Vormündern (§§ 52a, 53a), - 10.
die Erteilung, der Widerruf und die Zurücknahme der Anerkennung als Vormundschaftsverein (§ 54), - 11.
Beistandschaft, Pflegschaft und Vormundschaft des Jugendamts (§§ 55 bis 57), - 12.
Beurkundung (§ 59), - 13.
die Aufnahme von vollstreckbaren Urkunden (§ 60).
(1) Für die Gewährung von Leistungen nach diesem Buch ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich die Eltern ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. An die Stelle der Eltern tritt die Mutter, wenn und solange die Vaterschaft nicht anerkannt oder gerichtlich festgestellt ist. Lebt nur ein Elternteil, so ist dessen gewöhnlicher Aufenthalt maßgebend.
(2) Haben die Elternteile verschiedene gewöhnliche Aufenthalte, so ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich der personensorgeberechtigte Elternteil seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat; dies gilt auch dann, wenn ihm einzelne Angelegenheiten der Personensorge entzogen sind. Steht die Personensorge im Fall des Satzes 1 den Eltern gemeinsam zu, so richtet sich die Zuständigkeit nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Elternteils, bei dem das Kind oder der Jugendliche vor Beginn der Leistung zuletzt seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Hatte das Kind oder der Jugendliche im Fall des Satzes 2 zuletzt bei beiden Elternteilen seinen gewöhnlichen Aufenthalt, so richtet sich die Zuständigkeit nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Elternteils, bei dem das Kind oder der Jugendliche vor Beginn der Leistung zuletzt seinen tatsächlichen Aufenthalt hatte. Hatte das Kind oder der Jugendliche im Fall des Satzes 2 während der letzten sechs Monate vor Beginn der Leistung bei keinem Elternteil einen gewöhnlichen Aufenthalt, so ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich das Kind oder der Jugendliche vor Beginn der Leistung zuletzt seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte; hatte das Kind oder der Jugendliche während der letzten sechs Monate keinen gewöhnlichen Aufenthalt, so richtet sich die Zuständigkeit nach dem tatsächlichen Aufenthalt des Kindes oder des Jugendlichen vor Beginn der Leistung.
(3) Haben die Elternteile verschiedene gewöhnliche Aufenthalte und steht die Personensorge keinem Elternteil zu, so gilt Absatz 2 Satz 2 und 4 entsprechend.
(4) Haben die Eltern oder der nach den Absätzen 1 bis 3 maßgebliche Elternteil im Inland keinen gewöhnlichen Aufenthalt, oder ist ein gewöhnlicher Aufenthalt nicht feststellbar, oder sind sie verstorben, so richtet sich die Zuständigkeit nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes oder des Jugendlichen vor Beginn der Leistung. Hatte das Kind oder der Jugendliche während der letzten sechs Monate vor Beginn der Leistung keinen gewöhnlichen Aufenthalt, so ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich sich das Kind oder der Jugendliche vor Beginn der Leistung tatsächlich aufhält.
(5) Begründen die Elternteile nach Beginn der Leistung verschiedene gewöhnliche Aufenthalte, so wird der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich der personensorgeberechtigte Elternteil seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat; dies gilt auch dann, wenn ihm einzelne Angelegenheiten der Personensorge entzogen sind. Solange in diesen Fällen die Personensorge beiden Elternteilen gemeinsam oder keinem Elternteil zusteht, bleibt die bisherige Zuständigkeit bestehen. Absatz 4 gilt entsprechend.
(6) Lebt ein Kind oder ein Jugendlicher zwei Jahre bei einer Pflegeperson und ist sein Verbleib bei dieser Pflegeperson auf Dauer zu erwarten, so ist oder wird abweichend von den Absätzen 1 bis 5 der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich die Pflegeperson ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. Er hat die Eltern und, falls den Eltern die Personensorge nicht oder nur teilweise zusteht, den Personensorgeberechtigten über den Wechsel der Zuständigkeit zu unterrichten. Endet der Aufenthalt bei der Pflegeperson, so endet die Zuständigkeit nach Satz 1.
(7) Für Leistungen an Kinder oder Jugendliche, die um Asyl nachsuchen oder einen Asylantrag gestellt haben, ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich sich die Person vor Beginn der Leistung tatsächlich aufhält; geht der Leistungsgewährung eine Inobhutnahme voraus, so bleibt die nach § 87 begründete Zuständigkeit bestehen. Unterliegt die Person einem Verteilungsverfahren, so richtet sich die örtliche Zuständigkeit nach der Zuweisungsentscheidung der zuständigen Landesbehörde; bis zur Zuweisungsentscheidung gilt Satz 1 entsprechend. Die nach Satz 1 oder 2 begründete örtliche Zuständigkeit bleibt auch nach Abschluss des Asylverfahrens so lange bestehen, bis die für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit maßgebliche Person einen gewöhnlichen Aufenthalt im Bereich eines anderen Trägers der öffentlichen Jugendhilfe begründet. Eine Unterbrechung der Leistung von bis zu drei Monaten bleibt außer Betracht.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten hin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 6. September 2013 abgeändert und die Klage abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
- 1
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Erstattung von 100.528,29 €, die sie im Zeitraum 14. Januar 2011 bis 31. Mai 2013 als Jugendhilfeleistungen für die Kinder K. und P. aufgewendet hat, sowie die Übernahme dieses Jugendhilfefalles in die eigene Zuständigkeit.
- 2
Die beklagte Stadt Frankenthal (Pfalz) leistete ab Februar 2009 Herrn E. und seiner Ehefrau Hilfe zur Erziehung ihrer Kinder K., P. und A. durch eine sozialpädagogische Familienhilfe. Herr E. verzog Ende 2009 nach Ludwigshafen, die Ehe ist seit dem 16. Januar 2011 rechtskräftig geschieden. Frau E. sah sich nach einem "Zusammenbruch" am Pfingstwochenende im Mai 2010 zur Betreuung ihrer Kinder nicht mehr in der Lage. A. wurde – wie zeitweise schon früher – in einer Familie in Grünstadt untergebracht, K. und P. von ihrer Tante H. zunächst in der bisherigen Wohnung in Frankenthal (Pfalz) betreut und wohl noch Ende Mai 2010 in ihrer 2-Zimmer-Wohnung in Ludwigshafen untergebracht, die sie mit ihrem Lebensgefährten bewohnte. Frau E. hatte nur eine zweiwöchige "Auszeit" bei der Schwester ihres nunmehrigen Lebensgefährten in Pforzheim nehmen und danach ihre Kinder wieder in Frankenthal (Pfalz) betreuen wollen, sah sich dazu dann aber nicht in der Lage, sodass A. in Grünstadt sowie K. und P. bei ihrer Tante verblieben. Diese hatte indes im Juni 2010 eine von der Bundesanstalt für Arbeit bewilligte unfallbedingte Umschulung in Heidelberg begonnen, während ihr Lebensgefährte in Landau Schicht arbeitete. Am 30. Juli 2010 beantragte die Beklagte, die inzwischen eine Heimunterbringung der Kinder anstrebte, beim Amtsgericht Frankenthal (Pfalz), Herrn und Frau E. durch einstweilige Anordnung das Aufenthaltsbestimmungsrecht über ihre Kinder zu entziehen und auf das Jugendamt zu übertragen, bewilligte Herrn und Frau E. jedoch weiterhin sozialpädagogische Familienhilfe. Während dieses Verfahrens gab Frau E. an, sie habe die Wohnung in Frankenthal (Pfalz) zum 31. Oktober 2010 gekündigt, bleibe vorerst in Pforzheim und ziehe dann mit ihrem neuen Lebensgefährten nach S. (Landkreis Ludwigsburg). Herr E. erklärte, er lehne eine Heimunterbringung seiner Kinder ab. Das Amtsgericht Frankenthal (Pfalz) lehnte am 16. August 2010 den Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung ab und beschloss stattdessen die Eröffnung des Hauptsacheverfahrens und die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Erziehungsfähigkeit von Herrn und Frau E. und zur gegebenenfalls zweckmäßigsten Fremdunterbringung ihrer Kinder. Daraufhin stellte die Beklagte mit Bescheid vom 27. August 2010 die bewilligte sozialpädagogische Familienhilfe zum 31. August 2010 ein.
- 3
K. besuchte ab dem 17. August 2010 eine Grundschule in Ludwigshafen, P. weiterhin eine Kindertagesstätte in Frankenthal (Pfalz). Rückwirkend zum 20. August 2010 wurden beide im September 2010 in die Wohnung ihrer Tante in Ludwigshafen umgemeldet. Beide Jungen waren stark verhaltensauffällig und koteten mehrmals täglich ein. K. war deswegen in psychotherapeutischer Behandlung; wenn er in der Schule eingekotet hatte, wurde der Lebensgefährte seiner Tante angerufen, der dann saubere Kleidung brachte und K. säuberte. Außerdem wurden K. von seiner Tante oder ihrem Lebensgefährten regelmäßig zur Logotherapie, zur Ergotherapie, zum Schwimmen, zum Fußballverein und zum Taekwondo-Club sowie P. zur Kindertagesstätte nach Frankenthal (Pfalz) gebracht.
- 4
Dem am 3. November 2010 erstellten Erziehungsfähigkeitsgutachten folgend entzog das Amtsgericht Frankenthal (Pfalz) mit Beschluss vom 16. Dezember 2010 Herrn und Frau E. die elterliche Sorge für ihre Kinder und bestellte das Jugendamt der Klägerin zum Vormund, das seinem Mitarbeiter M. die Ausübung der Aufgaben des Amtsvormunds übertrug. Dieser beantragte mit Schreiben vom 13. Januar 2011 bei den Jugendämtern in Frankenthal (Pfalz), Ludwigsburg und Ludwigshafen "Hilfe zur Erziehung" der drei Kinder, wies dabei darauf hin, K. und P. befänden sich bereits seit Mai 2010 bei ihrer Tante und deren Lebensgefährten, die derzeit über "keinerlei finanzielle Mittel" verfügten, und bat um Mitteilung, "wie die derzeitige Situation für die Kinder und 'Pflegeeltern' verbessert werden" könne. Da die Beklagte den Vorgang in der Annahme ihrer örtlichen Unzuständigkeit zurückgesandt und der Landkreis Ludwigsburg die Anträge mit Bescheiden vom 7. Februar 2011 abgelehnt hatte, erklärte das Jugendamt der Klägerin, gemäß § 86d SGB VIII vorläufig Hilfe leisten zu wollen.
- 5
Nachdem jugendamtsintern unter Hinweis darauf, dass K. und P. von ihrer Tante und deren Lebensgefährten "täglich durch die Gegend kutschiert" würden und "Kosten für den Lebensunterhalt" anfielen, um Prüfung gebeten worden war, ob "das über § 27 laufen" könne, teilte der Amtsvormund am 10. März 2011 der Klägerin die Bankverbindung von Frau H. "zur Auszahlung der Fahrtkosten … ab Antragstellung HZE" mit. Daraufhin wurden rückwirkend ab dem 14. Januar 2011 Frau H. monatlich 100,00 € überwiesen.
- 6
Am 27. September 2011 wurden K. und P. durch ihren Vater, ihre Tante H. und deren Lebensgefährten der Klägerin übergeben, weil letzterer zu seinem kranken Vater nach Italien müsse und deshalb die Betreuung der Jungen durch deren Tante und ihn nicht mehr sichergestellt sei. K. wurde zunächst in einer Notaufnahmegruppe, später in einer Kurzzeit-Erziehungsstelle und danach in einer sozialpädagogischen Pflegefamilie, P. zunächst in einer Bereitschaftspflegefamilie und danach in einer sozialpädagogischen Pflegefamilie untergebracht.
- 7
Mit Bescheid vom 7. Oktober 2011 bewilligte die Klägerin dem Amtsvormund K.s und P.s gemäß § 43 SGB I vorläufig Hilfe zu deren Erziehung durch Erziehung in einer Einrichtung bzw. in einer sonstigen betreuten Wohnform im Sinne von § 34 SGB VIII. Ferner bewilligte die Klägerin mit Bescheid vom 2. November 2011 gemäß § 43 SGB I vorläufig "Hilfe zur Erziehung gemäß § 27.2 SGB VIII … in Form von niederschwelliger Hilfe" für den Zeitraum 14. Januar bis 26. September 2011 in Höhe von 100,00 € monatlich.
- 8
Mit E-Mail vom 22. November 2012 und Schreiben vom 13. Dezember 2012 forderte die Klägerin die Beklagte schließlich auf, ihre Kostenerstattungspflicht ab dem 14. Januar 2011 anzuerkennen und den Jugendhilfefall zu übernehmen. Dies lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 30. Januar 2013 ab.
- 9
Daraufhin hat die Klägerin am 21. Mai 2013 Klage erhoben und geltend gemacht: Die Beklagte habe zum 31. August 2010 die Hilfeleistung zugunsten K.s und P.s eingestellt, ohne angesichts des fortbestehenden Hilfebedarfs zu prüfen, ob andere Hilfeleistungen möglich seien. Angesichts der Reaktion der Beklagten bzw. des Kreisjugendamtes Ludwigsburg habe sie selbst ab Januar 2011 Hilfe geleistet. Da sie dadurch einen qualitativ unveränderten, kontinuierlichen jugendhilferechtlichen Bedarf gedeckt habe, stelle sich ihre Hilfeleistung nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts als Teil einer einheitlichen Leistung dar. Daher sei die Beklagte gemäß § 86 Abs. 5 Satz 2 SGB VIII auch über den 31. August 2010 hinweg zuständig für die Hilfeleistung gewesen, so dass sie nunmehr zur Erstattung der Kosten verpflichtet sei.
- 10
Die Klägerin hat beantragt,
- 11
die Beklagte zu verurteilen, an sie 100.534,59 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz ab dem 21. Mai 2013 zu zahlen, sowie festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Leistung von Jugendhilfe zugunsten der beiden Kinder K. und P. in die eigene Zuständigkeit zu übernehmen.
- 12
Die Beklagte hat beantragt,
- 13
die Klage abzuweisen,
- 14
und ausgeführt: Da sie zum 31. August 2010 die Hilfeleistung eingestellt habe, weil Herr E. eine Heimunterbringung seiner Kinder abgelehnt habe und deren Unterbringung bei ihrer Tante H. ihrem Wohl nicht dienlich gewesen sei, stelle die im Januar 2011 von der Klägerin eingeleitete Hilfe den Beginn einer neuen Hilfeleistung dar. Der von der Klägerin zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts habe eine Fallgestaltung ohne beachtliche zeitliche Unterbrechung der Leistung und damit eine anderer Sachverhalt zugrunde gelegen. Deshalb sei die örtliche Zuständigkeit für die neu begonnene Maßnahme im Januar 2011 nach § 86 Abs. 3 und Abs. 2 S. 2 und 4 SGB VIII zu beurteilen. Danach sei der Landkreis Ludwigsburg, andernfalls die Klägerin für die neu begonnene Hilfeleistung örtlich zuständig, sodass die Klägerin gegen sie weder einen Kostenerstattungsanspruch noch einen Fallübernahmeanspruch habe. Abgesehen davon habe die Klägerin einen Kostenerstattungsanspruch ihr gegenüber erstmals mit E-Mail vom 22. November 2012 geltend gemacht. Aufgrund der Ausschlussfrist des § 111 SGB X könnten deswegen allenfalls Ansprüche für die Zeit ab dem 22. November 2011 geltend gemacht werden.
- 15
Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 6. September 2013 der Klage stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die Klägerin habe als örtlich unzuständiger Träger der öffentlichen Jugendhilfe Leistungen erbracht, für die gemäß § 86 Abs. 5 Satz 2 SGB VIII die Beklagte zuständig gewesen sei. Die Beklagte könne sich nicht darauf berufen, zum 31. August 2010 die Jugendhilfeleistung eingestellt zu haben. Bei gebotener Gesamtbetrachtung stelle sich die stationäre Unterbringung der Kinder K. und P. im Januar 2011 als Deckung ihres qualitativ unveränderten, über dem Zeitpunkt der Einstellung der Hilfeleistung durch die Beklagte hinaus fortdauernden Hilfebedarfs dar. Die zum 31. August 2010 erfolgte Einstellung der Hilfemaßnahmen habe letztlich darauf beruht, dass der bestehende Hilfebedarf nicht mehr durch eine sozialpädagogischen Familienhilfe habe gedeckt werden können, nachdem die Kinder nicht mehr bei ihren Eltern gewohnt hätten, und dass die von der Beklagten angestrebte stationäre Unterbringung der Kinder aber von deren Vater abgelehnt worden sei. Deshalb habe die Beklagte beim Amtsgericht Frankenthal (Pfalz) beantragt, den Eltern durch einstweilige Anordnung das Sorgerecht zu entziehen. Da das Amtsgericht dies abgelehnt habe, habe die Beklagte die Hilfeleistung eingestellt, obwohl der Hilfebedarf fortbestanden habe. Davon sei auch die Beklagte ausgegangen, da sie das Hauptsacheverfahren beim Amtsgericht weiterbetrieben habe. Nachdem dann Herrn und Frau E. durch Beschluss vom 16. Dezember 2010 die Personensorge für ihre Kinder entzogen worden sei, habe im Januar 2011 die stationäre Unterbringung K.s und P.s nach entsprechender Antragstellung des Amtsvormundes erfolgen können. Die Klägerin habe also im Januar 2011 die von der Beklagten schon im Sommer 2010 geplante Hilfe geleistet, die sich deshalb bei Gesamtbetrachtung des Falles als Fortsetzung einer zur Deckung eines qualitativ unverändert fortbestehenden Hilfebedarfs dienenden Jugendhilfeleistung darstelle. Dem könne nicht entgegen gehalten werden, dass die Hilfeleistung mehr als vier Monate unterbrochen gewesen sei. Die Bestimmungen in §§ 86 Abs. 7 Satz 4, 86a Abs. 4 Satz 2 und § 86b Abs. 3 Satz 2 SGB VIII regelten besondere Fallgestaltungen und ließen sich zur Auslegung des Leistungsbegriffs nicht verallgemeinern. Allenfalls folge aus diesen Bestimmungen, dass Leistungsunterbrechungen von weniger als drei Monaten stets unbeachtlich seien, während bei längeren Unterbrechungen die Verhältnisse des Einzelfalles entscheidend seien. Im vorliegenden Fall gebiete die Kontinuität der bedarfsgerechten Hilfeleistung in dem von vorneherein auf einen längeren Zeitraum angelegten Hilfeprozess den Fortbestand der Zuständigkeit der Beklagten. Dem stehe auch nicht etwa § 111 SGB X entgegen, wonach ein Erstattungsanspruch ausgeschlossen sei, wenn der Erstattungsberechtigte ihn nicht spätestens 12 Monate nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde, geltend gemacht habe. Die Beklagte habe ihren Kostenerstattungsanspruch aber geltend gemacht, während die Leistung noch erbracht worden sei. In einem solchen Fall gelte die Ausschlussfrist des § 111 SGB X nicht.
- 16
Zur Begründung ihrer vom Verwaltungsgericht gegen dieses Urteil zugelassenen Berufung wiederholt und vertieft die Beklagte ihr bisheriges Vorbringen und macht insbesondere geltend, dass sie nach August 2010 keine geeignete Hilfe mehr habe leisten können, dass durch den Wechsel der Kinder in eine Familie in Grünstadt bzw. zu ihrer Tante H. nach Ludwigshafen zudem ein neuer, andersartiger Hilfebedarf entstanden sei und dass jedenfalls bei gebotener analoger Anwendung von §§ 86 Abs. 7 Satz 4, 86a Abs. 4 Satz 2 und § 86b Abs. 3 Satz 2 SGB VIII eine länger als drei Monate dauernde und damit beachtliche zeitliche Unterbrechung der Hilfeleistung erfolgt sei.
- 17
Die Beklagte beantragt,
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unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 6. September 2013 die Klage abzuweisen.
- 19
Die Klägerin beantragt,
- 20
die Berufung zurückzuweisen.
- 21
Sie meint, im vorliegenden Fall sei weder der Bedarf der Kinder entfallen noch die Hilfeleistung unterbrochen worden. Der Gesetzgeber habe außerhalb des Anwendungsbereichs der §§ 86 Abs. 7 Satz 4, 86a Abs. 4 Satz 2 und § 86b Abs. 3 Satz 2 SGB VIII auf die Bestimmung einer konkreten Frist verzichtet, ab der eine beachtliche Unterbrechung der Hilfeleistung anzunehmen sei. Für die Annahme einer kontinuierlichen Hilfeleistung sei allein das Fortbestehen eines Hilfebedarfs maßgeblich. Die Klägerin habe im vorliegenden Fall diejenige Hilfe geleistet, die schon die Beklagte habe leisten wollen. Nach der Rechtsauffassung der Beklagten sei im vorliegenden Fall letztlich entscheidend, wie lange der vom Familiengericht beauftragte Gutachter zur Erstellung seines Gutachtens gebraucht habe. Ein solches Ergebnis sei nicht wünschenswert.
- 22
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die vorgelegten Verwaltungsakten der Klägerin und der Beklagten Bezug genommen, die allesamt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
- 23
Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet.
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Das Verwaltungsgericht hätte die Klage abweisen müssen. Die Klägerin hat gegen die Beklagte weder einen Anspruch auf Kostenerstattung nach § 89c Abs. 1 Satz 2 SGB VIII oder nach § 105 Abs. 1 Satz 1 SGB X noch einen Anspruch auf die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Leistung von Jugendhilfe zugunsten der beiden Kinder K. und P. in die eigene Zuständigkeit zu übernehmen. Die Beklagte war und ist für diese Leistung nämlich nicht mehr gemäß § 86 Abs. 5 Satz 2 SGB VIII örtlich zuständiger Träger der öffentlichen Jugendhilfe. Denn bei den von der Klägerin erbrachten Leistungen zur Erziehung der Kinder K. und P. handelte es sich nicht um den Teil einer einheitlichen, von der Beklagten durch Bewilligung von sozialpädagogischer Familienhilfe begonnenen Leistung der Jugendhilfe, sondern um eine neue Leistung der Jugendhilfe, bezüglich der gemäß § 86 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 4 SGB VIII die Klägerin selbst örtlich zuständiger Träger der öffentlichen Jugendhilfe ist. Im Einzelnen:
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1) Eine "Leistung" der Jugendhilfe, an welche die §§ 86 ff. SGB VIII für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe anknüpfen, stellen "unabhängig von der Hilfeart und -form im Rahmen einer Gesamtbetrachtung alle zur Deckung eines qualitativ unveränderten, kontinuierliche Hilfe gebietenden jugendhilferechtlichen Bedarfs erforderlichen Maßnahmen und Hilfen dar, sofern sie ohne Unterbrechung gewährt worden sind" (so im Anschluss an das Urteil des OVG Rheinland-Pfalz vom 26. Februar 2003 – 12 A 11452/02.OVG – ESOVGRP das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. Januar 2004 – 5 C 9.03 – BVerwGE 120, 116 und 124 und dessen seitdem ständige Rechtsprechung; vgl. etwa auch dessen Urteil vom 25. März 2010 – 5 C 12.09 – BVerwGE 136, 185 (192 Rn. 22). Zwar heißt es in den Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. August 2010 – 5 C 14.09 – BVerwGE 137, 368 (373 Rn. 20) und vom 9. Dezember 2010 – 5 C 17.09 – NVwZ-RR 2011, 203 (204 Rn. 15), alle zur Deckung eines qualitativ unveränderten, kontinuierliche Hilfe gebietenden jugendhilferechtlichen Bedarfs erforderlichen Maßnahmen und Hilfen bildeten eine einheitliche Leistung, "zumal wenn sie im Einzelfall nahtlos aneinander anschließen, also ohne beachtliche (vgl. § 86a Abs. 4 Satz 2 und 3 SGB VIII) zeitliche Unterbrechung gewährt werden". Jedoch finden sich in diesen beiden Urteilen keine Ausführungen dazu, dass und inwiefern dadurch die bisherige Rechtsprechung geändert oder doch modifiziert werde. Hingegen heißt es in diesen beiden Urteilen in unmittelbarem Anschluss an die eben wiedergegebene Passage jeweils weiter: "Dies gilt auch dann, wenn bei dem vielfach auf einen längeren Zeitraum angelegten Hilfeprozess sich die Schwerpunkte innerhalb des Hilfebedarfes verschieben und für die Ausgestaltung der Hilfe Modifikationen, Änderungen oder Ergänzungen bis hin zu einem Wechsel der Hilfeart erforderlich werden, die Hilfegewährung im Verlauf des ununterbrochenen Hilfeprozesses also einer anderen Nummer des § 2 Abs. 2 SGB VIII zuzuordnen oder innerhalb des Sozialgesetzbuches Achtes Buch nach einer anderen Rechtsgrundlage zu gewähren ist" (kursive Hervorhebung durch den Senat); auch merkt das Bundesverwaltungsgericht in beiden Urteilen jeweils an, diese Ausführungen entsprächen seiner ständigen Rechtsprechung, und zitiert diesbezüglich seine Urteile vom 29. Januar 2004 – 5 C 9.03 – und vom 25. März 2010 – 5 C 12.09 –. Überdies heißt es im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Oktober 2011 – 5 C 25.10 – BVerwGE 141, 77 (80 f. Rn. 20) wieder, unter einer "Leistung" der Jugendhilfe, an welche die §§ 86 ff. SGB VIII für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe anknüpften, seien "unabhängig von der Hilfeart und -form im Rahmen einer Gesamtbetrachtung alle zur Deckung eines qualitativ unveränderten, kontinuierliche Hilfe gebietenden jugendhilferechtlichen Bedarfs erforderlichen Maßnahmen und Hilfen zu verstehen, sofern sie ohne Unterbrechung gewährt worden" seien. Folglich wollte das Bundesverwaltungsgericht in seinen beiden Urteilen vom 19. August 2010 – 5 C 14.09 – und vom 9. Dezember 2010 – 5 C 17.09 – lediglich ergänzend zu seiner bisherigen Rechtsprechung darauf hinweisen, dass eine "Unterbrechung" der Hilfeleistung ausnahmsweise dann unbeachtlich ist, wenn dies im Gesetz ausdrücklich angeordnet ist, also in den Fällen des § 86 Abs. 7 Satz 4, des § 86a Abs. 4 Satz 2 und Satz 3 sowie des § 86b Abs. 3 Satz 2 SGB VIII, dass aber jede andere "Unterbrechung" der Hilfe bzw. Hilfeleistung "beachtlich" ist und zur Beendigung der bislang erbrachten "Leistung" führt. Dann aber stellen spätere Maßnahmen und Hilfen den Beginn einer neuen "Leistung" dar, für die nach Maßgabe der §§ 86 ff. SGB VIII unter Umständen ein anderer Träger der öffentlichen Jugendhilfe örtlich zuständig ist als für die vorangegangene, aber beendete "Leistung".
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Gleichzeitig ist indes zu sehen, dass die Maßnahmen und Hilfen, die zusammen eine solche "Leistung" darstellen, in tatsächlicher Hinsicht nicht stets jeden Tag 24 Stunden lang erbracht werden, sondern unter Umständen nur an wenigen Wochenstunden, ohne dass deshalb die Jugendhilfeleistung zwischenzeitlich im Sinne von § 86 Abs. 7 Satz 4, § 86a Abs. 4 Sätze 2 und 3 sowie § 86b Abs. 3 Satz 2 SGB VIII und der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts "unterbrochen" wäre. Im Ergebnis Gleiches kann aber auch dann gelten, wenn entgegen der eigentlichen (Hilfe-)Planung und Bewilligung eine einzelne Hilfeleistung wie eine Therapieeinheit oder auch die tatsächliche Hilfeerbringung insgesamt etwa wegen ernstlicher Erkrankung des betroffenen jungen Menschen oder der hilfeerbringenden Person oder aus vergleichbaren Gründen wie Urlaub oder Ortsabwesenheit vorübergehend unterbleibt. Im Ergebnis Gleiches kann ferner dann gelten, wenn die hilfeerbringende Person plötzlich ganz ausfällt und deswegen die tatsächliche Hilfeerbringung unterbleibt, bis eine andere hilfeerbringende Person oder Anschlusshilfe gefunden ist (vgl. etwa den dem Urteil des VGH Baden-Württemberg vom 15. September 1997 – 9 S 174/98 – FEVS 48, 131 ff. zugrundeliegenden Fall). Im Ergebnis Gleiches kann schließ-lich auch bei einem so genannten Zwischenaufenthalt im Zusammenhang mit einem Einrichtungswechsel insbesondere dann gelten, wenn bereits im Zeitpunkt des Verlassens der Einrichtung feststeht, wann und in welche Einrichtung der betreffende junge Mensch wechseln wird. In allen diesen Fällen stellt sich allerdings ein längerfristiges Unterbleiben der tatsächlichen Hilfeerbringung irgendwann zugleich als "Unterbrechung" der Jugendhilfeleistung im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dar, die dann auch zu beachten ist und zur Beendigung der bisher erbrachten "Leistung" der Jugendhilfe führt, sofern nicht gemäß § 86 Abs. 7 Satz 4, § 86a Abs. 4 Sätze 2 und 3 oder § 86b Abs. 3 Satz 2 SGB VIII ausnahmsweise anderes gilt. Ab welcher Dauer das Unterbleiben einer tatsächlichen Hilfeerbringung zu einer solchen "Unterbrechung" der Jugendhilfeleistung führt, ist – selbst bei etwaiger Anlegung des in § 86 Abs. 7 Satz 4, in § 86a Abs. 4 Satz 2 und 3 sowie in § 86b Abs. 3 Satz 2 SGB VIII zugrunde gelegten Dreimonatszeitraums als gedanklicher Richtschnur – allein abhängig von den Umständen des jeweiligen Einzelfalles, sodass eine "Unterbrechung" der Jugendhilfeleistung auch bereits dann vorliegen kann, wenn die tatsächliche Hilfeerbringung noch nicht drei Monate lang unterblieben ist.
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Sofern hingegen eine bewilligte Jugendhilfeleistung nicht nur vorübergehend tatsächlich nicht erbracht wird, sondern förmlich eingestellt worden ist, liegt eine Beendigung der "Leistung" der Jugendhilfe vor, sofern nicht im Zeitpunkt der Einstellung der Jugendhilfeleistung eine Anschlusshilfeleistung bereits bewilligt oder doch konkret geplant ist (ähnlich Sächsisches OVG, Urteil vom 18. Januar 2010 – 1 A 753/08 –, juris Rn. 23 und Kunkel in LPK-SGB VIII, 4. Aufl. 2011, § 86 Rn. 11) und sofern nicht § 86 Abs. 7 Satz 4, § 86a Abs. 4 Sätze 2 und 3 oder § 86b Abs. 3 Satz 2 SGB VIII ausnahmsweise anderes anordnen. Ansonsten kommt es in einem solchen Fall nicht darauf an, ob ein jugendhilferechtlicher Bedarf nicht mehr besteht oder aber weiterhin besteht, der örtlich zuständige Träger der öffentlichen Jugendhilfe jedoch keine weitere Hilfeleistungen plant und bewilligt, etwa weil es an dem dafür erforderlichen Antrag fehlt. Ferner kommt es ansonsten nicht darauf an, wie lange es dauert, bis erneut Maßnahmen und Hilfen erbracht werden, die in einem solchen Fall vielmehr stets den Beginn einer neuen "Leistung" der Jugendhilfe darstellen, für die nach Maßgabe der §§ 86 ff. SGB VIII indes unter Umständen ein anderer Träger der öffentlichen Jugendhilfe örtlich zuständig ist als für die vorangegangene, aber beendete "Leistung".
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Im vorliegenden Fall hat die Beklagte mit Bescheid vom 27. August 2010 die den Eltern der Kinder K. und P. zuvor bewilligte Hilfe zur Erziehung in Form sozialpädagogischer Familienhilfe förmlich zum 31. August 2010 eingestellt, weil die Kinder nicht mehr im Haushalt ihrer Eltern, sondern bei ihrer für sie allerdings nicht personensorgeberechtigten und damit auch nicht nach § 27 Abs. 1 SGB VIII anspruchsberechtigten Tante H. in Ludwigshafen lebten, weil die Mutter der Kinder sich tatsächlich in Pforzheim aufhielt und ihren dauerhaften Umzug in die Nähe von Stuttgart zum 31. Oktober 2010 bereits angekündigt hatte, weil der Vater der Kinder in Ludwigshafen, nicht aber mit diesen zusammen wohnte und weil nach alledem die Eltern der Kinder keinen Anspruch mehr auf ambulante Erziehungshilfeleistungen hatten. Da das Amtsgericht Frankenthal (Pfalz) am 18. August 2010 den von der Beklagten gestellten Antrag, durch eine einstweilige Anordnung den Eltern der Kinder das Aufenthaltsbestimmungsrecht zu entziehen und auf ihr Jugendamt zu übertragen, abgelehnt und stattdessen die Eröffnung des Hauptsacheverfahrens und die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Erziehungsfähigkeit der Eltern und gegebenenfalls zur zweckmäßigsten Fremdunterbringung der Kinder beschlossen hatte, war zu diesem Zeitpunkt eine Anschlusshilfeleistung, insbesondere eine Heimunterbringung der Kinder weder bewilligt noch auch nur konkret geplant; zumindest der Vater der Kinder hatte zu diesem Zeitpunkt eine andere Jugendhilfeleistung noch nicht einmal beantragt und – anders als die Mutter der Kinder – deren Heimunterbringung sogar ausdrücklich abgelehnt. Folglich endete mit der förmlichen Einstellung der sozialpädagogischen Familienhilfe zum 31. August 2010 durch die Beklagte die bislang von ihr erbrachte "Leistung" der Jugendhilfe und begann mit den später von der Klägerin erbrachten Maßnahmen und Hilfen eine neue "Leistung" der Jugendhilfe, ohne dass es darauf ankommt, ob auch zwischenzeitlich ein jugendhilferechtlicher Bedarf bestanden hat, wieviel Zeit inzwischen vergangen war, aus welchen Gründen erst nunmehr erneut Jugendhilfeleistungen erbracht wurden und ob deswegen jemandem ein Vorwurf zu machen ist. Ferner kann deswegen offen bleiben, ob es sich bei der Mitte März 2011 tatsächlich begonnenen und erst mit Bescheid vom 2. November 2011 förmlich bewilligten "Hilfe zur Erziehung gemäß § 27.2 SGB VIII … in Form von niederschwelliger Hilfe" für den Zeitraum 14. Januar bis 26. September 2011 in Höhe von 100 €/M materiellrechtlich um Hilfe zur Erziehung gehandelt hat. Zwar wurden dadurch allerdings nicht näher berechnete Fahrtkosten – auch – zu Logotherapie-, Ergotherapie- und Psychotherapieeinheiten erstattet. Da sich therapeutische Leistungen gemäß § 27 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII aber nur in Verbindung mit pädagogischen Leistungen als Hilfe zur Erziehung darstellen, bestehen deshalb erhebliche Zweifel, ob sich das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. Februar 2007 – 5 C 32.05 – FEVS 58, 385 ff. auf den vorliegenden Fall übertragen lässt. Hilfe zur Erziehung in Form von stationärer Unterbringung K.s und P.s erfolgte entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts erst ab dem 27. September 2011.
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2) Für die neue "Leistung" der Jugendhilfe ab dem Jahr 2011 war und ist gemäß § 86 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 4 SGB VIII die Klägerin selbst örtlich zuständiger Träger der öffentlichen Jugendhilfe.
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Diesbezüglich gelten gemäß § 86 Abs. 3 SGB VIII dann, wenn die Eltern verschiedene gewöhnliche Aufenthalte haben und die Personensorge keinem Elternteil zusteht, § 86 Abs. 2 Sätze 2 und 4 SGB VIII entsprechend. Diese Voraussetzungen waren vor dem Beginn der neuen "Leistung" und sind noch immer erfüllt: Der Vater der Kinder wohnte damals in Ludwigshafen und zog später nach N. (Rhein-Pfalz-Kreis) um, wo er jetzt noch wohnt, die Mutter der Kinder wohnte und wohnt in S. (Landkreis Ludwigsburg), und beiden war mit Beschluss des Amtsgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 16. Dezember 2010 die elterliche Sorge vollständig entzogen worden und ist dies noch immer.
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Gemäß des somit entsprechend anzuwendenden § 86 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII richtet sich die Zuständigkeit nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Elternteils, bei dem das Kind oder der Jugendliche vor dem Beginn der Leistung zuletzt seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, wenn die Personensorge den Eltern gemeinsam oder – bei entsprechender Anwendung dieser Bestimmung über § 86 Abs. 3 SGB VIII – keinem Elternteil zusteht. Danach wäre der gewöhnliche Aufenthalt der Mutter der Kinder für die örtliche Zuständigkeit im vorliegenden Fall maßgeblich, da K. und P. mit dieser zumindest bis Ende Mai 2010 in Frankenthal (Pfalz) zusammengelebt hatten, während ihr Vater bereits Ende 2009 nach Ludwigshafen gezogen war. Zwar haben K. und P. später ebenfalls in Ludwigshafen und damit ebenfalls im Zuständigkeitsbereich der Klägerin ihren gewöhnlichen Aufenthalt begründet, nicht aber – worauf indes § 86 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII abstellt (vgl. nur Kunkel a.a.O., § 86 Rn. 25 sowie Reisch in Jans/Happe/Saurbier/Maas, Jugendhilferecht, Loseblatt, Art. 1 § 86 KJHG Rn. 31 m.w.N. [Stand April 2012]; vgl. auch Bohnert in Hauck/Noftz, SGB VIII, Loseblatt, § 86 Rn. 49 [Stand März 2012]) – "bei" ihrem Vater, weil sie nicht mehr tatsächlich mit ihm zusammengelebt haben. Abweichend von § 86 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII ist jedoch nach § 86 Abs. 2 Satz 4 Halbs. 1 SGB VIII derjenige örtliche Träger der öffentlichen Jugendhilfe zuständig, in dessen Bereich das Kind oder der Jugendliche vor Beginn der Leistung zuletzt seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, sofern das Kind oder der Jugendliche während der letzten sechs Monate vor Beginn der Leistung bei keinem Elternteil einen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Diese letztere Voraussetzung ist ebenfalls erfüllt, weil K. und P. ihren gewöhnlichen Aufenthalt spätestens seit Ende Juni 2010 nicht mehr bei ihrer Mutter hatten, und zwar unabhängig davon, wann letztere ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Frankenthal (Pfalz) aufgegeben hat.
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Gemäß § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I, zu dem sich aus dem Achten Buch Sozialgesetzbuch Abweichendes nicht ergibt (§ 37 Satz 1 SGB I), hat jemand seinen gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Danach ist zur Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts ein dauerhafter oder längerer Aufenthalt nicht erforderlich; es genügt vielmehr, dass der Betreffende an dem Ort oder in dem Gebiet tatsächlich seinen Aufenthalt genommen hat und sich dort "bis auf Weiteres" im Sinne eines zukunfts- offenen Verbleibs aufhält und dort den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen hat (so die ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts; vgl. nur dessen Urteil vom 29. September 2010 – 5 C 21.09 – BVerwGE 138, 48 [54 f. Rn. 21 m.w.N]).
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K.s und P.s Mutter erlitt am Pfingstwochenende 2010 (22. bis 24. Mai 2010) einen "Zusammenbruch" mit der Folge, dass sie ihre Kinder nicht mehr sehen wollte, sich jedenfalls zu deren Betreuung außer Stande sah. Allerdings glaubte sie, dazu würde sie zwei Wochen später wieder in der Lage sein (vgl. S. 22 des Gutachtens vom 3. November 2010 sowie die E-Mail von Frau W. an Frau N. vom 25. Mai 2010 in dem von der Klägerin vorgelegten Heft "Unterlagen StJA Frankenthal“, das nicht mit Seitenzahlen versehen ist). Angesichts dessen führte der Wechsel K.s und P.s nach Ludwigshafen zu ihrer Tante H. wohl noch Ende Mai 2010 dort anfangs nur zu einem vorübergehenden Verbleib, weil ihre baldige Rückkehr in die Wohnung ihrer Mutter nach Frankenthal (Pfalz) fest geplant war. Zufolge der weiteren Angaben von Frau H. hat sich K.s und P.s Mutter von ihnen jedoch "nach jenen zwei Wochen … am Kindergarten verabschiedet" und ist "endgültig gegangen" (vgl. erneut S. 22 des Gutachtens vom 3. November 2010). Zugleich war deren Versorgung durch Frau H. zunächst längstens bis zum Beginn ihrer unfallbedingten und von der Bundesagentur für Arbeit bezahlten Umschulung zur Eurokauffrau in Heidelberg Ende Juni 2010 vorgesehen gewesen (vgl. nochmals die E-Mail von Frau W. an Frau N. vom 25. Mai 2010), erfolgte dann aber trotz des offenbar vorgezogenen Beginns dieser Umschulungsmaßnahme auf Mitte Juni auch weiterhin. Zudem äußerte Frau H. bereits am 11. Juni 2010, sie wolle sich um eine Anerkennung als Pflegefamilie bemühen, falls K.s und P.s Mutter dauerhaft ausfalle. Diese nahm damals nämlich keine therapeutische Hilfe in Anspruch, wollte schon am 8. Juni 2010 K. und P. gegebenenfalls "auch in eine fremde Pflegefamilie geben" und ab dem 15. Juni 2010 das ihr bewilligte Kindergeld für K. und P. Frau H. zur Verfügung stellen und erklärte am 21. Juni 2010, "dass die Kinder zur Not in ein Heim müssen, wenn es bei der Tante nicht mehr machbar ist" (vgl. S. 4 des SPFH-Abschlussberichts von Frau W. sowie deren E-Mails vom 9., vom 11. und vom 23. Juni 2010 an Frau N., alle im Heft "Unterlagen StJA Frankenthal"). Spätestens zu diesem Zeitpunkt war mit der geplanten baldigen Rückkehr K.s und P.s in die Wohnung ihrer Mutter nach Frankenthal (Pfalz) nicht mehr zu rechnen, diese war vielmehr unabsehbar geworden und folglich K.s und P.s Aufenthalt bei ihrer Tante H. zwar nicht auf Dauer, aber doch "bis auf Weiteres" im Sinne eines "zukunftsoffenen Verbleibs" angelegt. Damit hatten sie noch vor Ende Juni 2010 in der Wohnung ihrer Tante H. in Ludwigshafen ihren gewöhnlichen Aufenthalt begründet.
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Ist aber die Klägerin selbst für die seit dem Jahr 2011 zugunsten der Kinder K. und P. erbrachten Jugendhilfeleistungen der örtlich zuständige Träger der öffentlichen Jugendhilfe, so hat sie gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Kostenerstattung und auf Fallübernahme.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten ergibt sich aus § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10 ZPO.
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Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.
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Beschluss
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Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Verfahren in beiden Rechtszügen auf 139.978,29 € festgesetzt.
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Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes folgt aus § 47 Abs. 1 Satz 1 GKG in Verbindung mit § 52 Abs. 1 und Abs. 3 GKG sowie mit § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG. Das bei der Streitwertfestsetzung ebenfalls zu berücksichtigende Interesse der Klägerin an ihrem Feststellungsbegehren bestimmt der Senat auf den Jahreswert der Kosten der Unterbringung der Kinder K. und P.. Diese betrugen zufolge der Verwaltungsakten der Klägerin zuletzt bei K. 1.653,00 € im Monat = 19.836,00 € im Jahr und bei P. 1.607,00 € im Monat = 19.284,00 € im Jahr. Diese Beträge rundet der Senat angesichts der Notwendigkeit einzelner Sachleistungen (nach Vollendung der Grundausstattung) auf 20.000,00 € bzw. auf 19.450,00 € auf.
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Dieser Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 6. Februar 2014 die Klage abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
- 1
Die Beteiligten streiten über die Zuständigkeit für jugendhilferechtliche Maßnahmen und über die diesbezügliche Kostentragung.
- 2
Die Beklagte erbrachte seit 2005 in verschiedenen Formen Jugendhilfeleistungen zugunsten des am 2. Januar 1996 geborenen J.. J.s seinerzeit allein personensorgeberechtigte Mutter wohnte schon damals in L., sein erst seit dem 29. Mai 2012 ebenfalls personensorgeberechtigter Vater wohnte schon damals in M.. Zuletzt hatte die Beklagte J.s – damals noch allein personensorgeberechtigter – Mutter mit Bescheid vom 13. März 2012 rückwirkend ab dem 5. März 2012 Hilfe zu J.s Erziehung durch dessen Unterbringung im Heim des "L.er V. e.V." bewilligt. In einer E-Mail Herrn B.s vom "L.er V. e.V." vom 10. Mai 2012, 13:36 Uhr, an Herrn T., den damals zuständigen Sachbearbeiter im Jugendamt der Beklagten, hieß es: "J. wird heute abend um 17:30 Uhr von mir zu seiner Mutter gebracht werden. Die Maßnahme ist ab dem 10.05.2012 beendet." Herr T. berichtete später, Herr B. habe ihm am 10. Mai 2012 mitgeteilt, er beende die Maßnahme, weil J. "nicht mehr tragbar" sei. J. wurde dann tatsächlich am 10. Mai 2012 zu seiner Mutter gebracht. Am 11. Mai 2012 fand unter Teilnahme von Herrn T. und Herrn B. eine "Regionale Fachkonferenz" der Beklagten statt, die davon ausging, dass J. "zurzeit bei der Mutter" lebt, und deren Ergebnis es war, J. und seinen Eltern die Bewilligung einer intensiven sozialpädagogischen Einzelbetreuung im Sinne von § 35 SGB VIII vorzuschlagen. Nach der behördeninternen Genehmigung dieses Ergebnisses am 14. Mai 2012 nahm Herr T. Kontakt zu einem möglichen Anbieter auf, der am 15. Mai 2012 einen freien Platz bestätigte. Herr T. erfuhr dann bei einem Telefonat mit J.s damals noch nicht personensorgeberechtigtem Vater, dass dieser J. im Einverständnis mit dessen Mutter in seinen Haushalt aufgenommen hatte und "keine weitere Hilfe zur Erziehung" benötige. Später berichtete Herr T., am 18. Mai 2012 versucht zu haben, J.s damals noch immer allein personensorgeberechtigte Mutter anzurufen, aber nur deren Lebensgefährten gesprochen zu haben, der bestätigt habe, J. sei bei seinem Vater in M.. Angesichts dessen habe er "den Fall nicht weiter betrieben, da die Familie eine eigene Lösung entwickelt" gehabt habe.
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Am 25. Juni 2012 wandte sich J.s Mutter hilfesuchend telefonisch an das Jugendamt der Klägerin, da J.s Vater einen Suizidversuch unternommen hatte und J. nun bei dessen damaliger Lebensgefährtin lebte. Daraufhin forderte das Jugendamt der Klägerin telefonisch die Akten des Jugendamtes der Beklagten an und nahm Kontakt zu J. auf. Dieser erklärte, er wolle in Obhut genommen werden. Da sich hiermit auch beide – inzwischen gemeinsam personensorgeberechtigten – Elternteile J.s einverstanden erklärt hatten, wurde er von der Klägerin am 16. Juli 2012 in Obhut genommen und vorerst im S. M. untergebracht.
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Nachdem das Jugendamt der Klägerin mit E-Mail vom 25. Juli 2012 das Jugendamt der Beklagten über die Inobhutnahme J.s informiert hatte, stellte diese mit Bescheid vom 26. Juli 2012 gegenüber J.s Mutter die ihr bewilligte Hilfe zur Erziehung in einer Einrichtung ein, da sie in einem "erfolgten Mitteilungsgespräch über die weitere Hilfegewährung … erklärt" habe, dass sie "keine weitere Hilfe mehr möchte(n), weil "ihr Sohn zum Vater nach M." wechsele.
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Nach einem neuerlichen – vierten – Suizidversuch J.s und nachdem er nach Zurechtweisungen durch eine Erzieherin aus dem S. weggelaufen war, wurde er am 30. Juli 2012 vorläufig in das Z. M. aufgenommen. Seine Eltern wünschten daraufhin seine dortige stationäre Unterbringung in einer geschlossenen Abteilung zur Diagnostik. Das Amtsgericht – Familiengericht – Mannheim genehmigte dies mit Beschluss vom 5. September 2012 familienrechtlich. Daraufhin wurde J. noch am gleichen Tag förmlich in eine geschlossene Abteilung des Z. M. verlegt und die Inobhutnahme durch die Klägerin beendet. Hierüber informierte diese die Beklagte mit Schreiben vom 6. September 2012 und forderte sie auf, ihr die Kosten der Inobhutnahme J.s zu erstatten sowie eine Hilfe zu dessen Erziehung einzuleiten.
- 6
Ein jugendpsychiatrisches Gutachten vom 22. Oktober 2012 empfahl wegen einer emotional instabilen Persönlichkeitsstörung J.s mit für ihn und andere gefährlicher Impulsivität eine Jugendhilfemaßnahme in der geschlossenen sozialtherapeutisch-forensischen Abteilung des P. in K.. Nachdem auch dies das Amtsgericht – Familiengericht – Mannheim mit Beschluss vom 31. Oktober 2012 bis längstens zum 31. Oktober 2013 familienrechtlich genehmigt hatte, bewilligte die Klägerin mit Bescheiden vom 26. November 2012 J.s Eltern antragsgemäß Hilfe zur Erziehung durch dessen Unterbringung in einer geschlossenen Abteilung im P. K. rückwirkend ab dem 19. November 2012 (Kosten: 398,90 €/Tag; ab dem 1. Januar 2013: 427,75 €/Tag). Mit Schreiben vom 5. Dezember 2012 teilte die Klägerin der Beklagten dies mit, vertrat die Auffassung, da der fortdauernde Hilfebedarf J.s bereits während seines Aufenthalts in L. entstanden sei, sei sie gemäß § 86d SGB VIII lediglich vorläufig statt der Beklagten tätig geworden, und forderte diese zur Erstattung der für die Inobhutnahme J.s vom 16. Juli bis zum 5. September 2012 entstandenen Kosten in Höhe von 7.494,42 € sowie zur Fallübernahme auf. Mit Schreiben vom 19. Dezember 2012 lehnte die Beklagte dies ab, da die von ihr bewilligte Leistung der Jugendhilfe bereits vor J.s Wechsel nach M. beendet gewesen sei und da die Klägerin deshalb gemäß § 86 SGB VIII jeweils selbst örtlich zuständiger Jugendhilfeträger gewesen wäre bzw. sei.
- 7
Zur Begründung ihrer am 24. Oktober 2013 erhobenen Klage hat die Klägerin im Wesentlichen geltend gemacht: Sie habe gemäß § 89b SGB VIII einen Anspruch auf Erstattung der Kosten der Inobhutnahme J.s gegen die Beklagte, da deren Zuständigkeit durch den gewöhnlichen Aufenthalt nach § 86 SGB VIII begründet gewesen wäre. Da J.s Eltern verschiedene gewöhnliche Aufenthalte hätten, komme es nach § 86 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII darauf an, bei welchem Elternteil J. vor Beginn der Leistung seinen gewöhnlichen Aufenthalt gehabt habe. Diesen habe er vor Beginn der Leistung bei seiner Mutter gehabt. Bereits im Februar 2012 sei dieser nämlich Hilfe zur Erziehung durch J.s stationäre Unterbringung bewilligt worden. Zwar habe diese Hilfeleistung am 10. Mai 2012 geendet, weil J.s Mutter keinen weiteren Antrag gestellt habe. Jedoch komme es nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts für die Auslegung des Begriffs "vor Beginn der Leistung" darauf an, ob weiterhin ein qualitativ unveränderter, kontinuierliche Hilfe gebietender jugendhilferechtlicher Bedarf bestanden habe. Dies sei der Fall gewesen. An dieser Zuständigkeit habe sich auch nichts dadurch geändert, dass beide Elternteile seit dem 29. Mai 2012 gemeinsam personensorgeberechtigt seien. Die nach Beginn der Leistung erfolgte Sorgerechtsänderung habe nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts keinen Einfluss auf die zuvor begründete Zuständigkeit. Dann aber müsse die Beklagte ihr nicht nur die Kosten der Inobhutnahme J.s erstatten, sondern gemäß § 89c SGB VIII auch die Kosten der von ihr seit dem 19. November 2012 gemäß § 86d SGB VIII vorläufig erbrachten Jugendhilfeleistung.
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Die Klägerin hat beantragt,
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1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 7.494,42 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
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2. festzustellen, dass die Beklagte örtlich zuständiger Jugendhilfeträger für Leistungen an J. ist.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen,
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und geltend gemacht: Sie habe ihre Hilfeleistung am 10. Mai 2012 eingestellt, nachdem der Jugendliche und seine Eltern das so gewünscht hätten. Eine weitere Hilfeleistung sei ohne dahingehenden Antrag nicht mehr möglich gewesen. Mit der Inobhutnahme J.s sei keine Jugendhilfeleistung im Sinne von § 2 Abs. 2 SGB VIII fortgesetzt, sondern eine andere Aufgabe der Jugendhilfe im Sinne von § 2 Abs. 3 SGB VIII erfüllt worden. Damit seien aber vom 10. Mai bis zum 19. November 2012 keine Jugendhilfeleistungen erbracht worden, sodass von einer durchgängigen Leistungsgewährung nicht ausgegangen werden könne. Zudem könne auch kein durchgängiger Jugendhilfebedarf angenommen werden, weil bei Beendigung der Jugendhilfemaßnahme am 10. Mai 2012 keine Wiederaufnahmeperspektive bestanden habe, da J. aus dem Haushalt seiner Mutter mit neuer Perspektive zu seinem Vater gewechselt und später zur Abklärung des aktuellen Hilfebedarfs im Z. M. untergebracht gewesen sei. Daher habe am 19. November 2012 mit der Aufnahme J.s in das P. K. eine neue Jugendhilfeleistung begonnen. Vor deren Beginn habe J. aber zuletzt seinen gewöhnlichen Aufenthalt bei seinem Vater in M. gehabt.
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Mit Urteil vom 6. Februar 2014 hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die Beklagte wäre im Zeitpunkt der Inobhutnahme und sei im Zeitpunkt der Bewilligung von Hilfe zur Erziehung J.s durch dessen Unterbringung im P. K. örtlich zuständiger Jugendhilfeträger gewesen. Da J.s Eltern verschiedene gewöhnliche Aufenthalte hätten, richte sich gemäß § 86 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII die Zuständigkeit des Jugendhilfeträgers nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Elternteils, bei dem das Kind oder der Jugendliche vor Beginn der "Leistung" zuletzt seinen gewöhnlichen Aufenthalt gehabt habe. Maßgeblich sei deshalb der gewöhnliche Aufenthalt von J.s Mutter in L., da die "Leistung" schon dort begonnen und trotz der (vorübergehenden) Beendigung der Jugendhilfemaßnahme im Mai 2012 fortgedauert habe. "Leistung" sei nämlich unabhängig von der Hilfeart und Hilfeform die Gesamtheit aller zur Deckung eines qualitativ unveränderten, kontinuierliche Hilfe gebietenden jugendhilferechtlichen Bedarfs erforderlichen Hilfemaßnahmen. Nicht zuletzt wegen psychischer Auffälligkeiten habe bei J. bereits im Jahr 2005 ein jugendhilferechtlicher Hilfebedarf bestanden. Dieser habe sich inhaltlich nicht dadurch erledigt, dass die rechtlichen Voraussetzungen für die Fortführung der Leistung entfallen seien, weil seine Eltern keine Hilfe mehr gewollt hätten. Vielmehr habe der Hilfebedarf fortbestanden, wie aus der weiteren Hilfeplanung der Beklagten am 11. Mai 2012, aus dem neuerlichen Hilfeersuchen von J.s Mutter am 25. Juni 2012, aus der Notwendigkeit von J.s Inobhutnahme am 16. Juli 2012 sowie aus der Notwendigkeit der erneuten Bewilligung von Hilfe zur Erziehung ab dem 19. November 2012 folge. Jedenfalls aber habe die Unterbrechung des Hilfebedarfs und des Jugendhilfeprozesses nicht länger als drei Monate gedauert und sei deshalb unbeachtlich. Die jahrelang andauernde Zuständigkeit der Beklagten könne nicht schon deswegen wechseln, weil die hilfeberechtigten Eltern J.s über einen derart kurzen Zeitraum fälschlich davon ausgegangen seien, keiner Hilfe mehr zu bedürfen. Sei aber die Beklagte nach wie vor örtlich zuständiger Jugendhilfeträger im Fall J., so habe sie der Klägerin die Kosten seiner Inobhutnahme zu ersetzen und so habe deren Feststellungsantrag ebenfalls Erfolg.
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Mit Beschluss vom 31. Oktober 2014 hat der Senat die Berufung der Beklagten gegen dieses Urteil zugelassen. Zu deren Begründung macht die Beklagte unter anderem geltend: Die von ihr J.s Mutter bewilligte Jugendhilfeleistung habe am 10. Mai 2012 dadurch geendet, dass J. aus dem Heim des "L.er V. e.V." zu seiner Mutter gebracht worden sei. Überdies sei ihr Bescheid vom 26. Juli 2012, durch den sie die Jugendhilfeleistung förmlich eingestellt habe, mangels Widerspruchserhebung bestandskräftig geworden. Wie aus J.s alsbaldigem Wechsel zu seinem Vater nach M., der einwohnermelderechtlichen Anmeldung dort rückwirkend zum 10. Mai 2012 sowie aus der gemeinsamen Sorgeerklärung vom 29. Mai 2012 folge, habe aber auch kein jugendhilferechtlicher Bedarf mehr bestanden. Jedenfalls aber sei nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ein etwaiger Leistungszusammenhang durch die Inobhutnahme J.s unterbrochen worden, da diese keine Leistung der Jugendhilfe im Sinne von § 2 Abs. 2 SGB VIII darstelle, sondern eine andere Aufgabe der Jugendhilfe im Sinne von § 2 Abs. 3 SGB VIII.
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Die Beklagte beantragt,
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unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 6. Februar 2014 die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen,
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und macht zur Begründung geltend: Entgegen der Annahme der Beklagten sei im vorliegenden Fall die "Leistung" weder durch faktisches Untätigbleiben der Beklagten noch durch deren formale Einstellung wirksam unterbrochen worden. Wie sich aus u.a. aus § 86a Abs. 4 Satz 2 und aus § 86b Abs. 3 Satz 2 SGB VIII ergebe, komme einer Unterbrechung der "Leistung" von bis zu drei Monaten keine die örtliche Zuständigkeit berührende Bedeutung zu. Maßgeblich sei vielmehr gewesen, ob mit einer alsbaldigen Wiederaufnahme der Leistung zu rechnen oder ein zukünftiger Hilfebedarf zumindest noch unklar gewesen sei. Dies sei hier angesichts von J.s Vorgeschichte und der mangelnden Stabilität seines Vaters der Fall gewesen. Zudem habe auch die Beklagte am 11. Mai 2012 weitere Hilfeleistungen geplant, und zwar nach § 35 SGB VIII, der "ultima ratio" im Stufensystem der Hilfen zur Erziehung. Die Einstellung der Hilfe sei deshalb nicht auf tragfähige Gesichtspunkte gestützt gewesen, auch wenn J.s Eltern geäußert hätten, keine Hilfe mehr in Anspruch nehmen zu wollen. Vielmehr hätte die Beklagte beantragen müssen, J.s Eltern das Aufenthaltsbestimmungsrecht zu entziehen. Nach alledem sei von einem ununterbrochenen Hilfebedarf J.s und von einer örtlichen Zuständigkeit der Beklagten auszugehen.
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Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie auf deren Verwaltungsakten Bezug genommen, die allesamt Gegenstand der Beratung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
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Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet.
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Das Verwaltungsgericht hätte die Klage abweisen müssen. Die Klägerin hat gegen die Beklagte weder einen Anspruch gemäß § 89b Abs. 1 SGB VIII auf Erstattung der ihr durch die Inobhutnahme J.s vom 16. Juli bis zum 5. September 2012 entstandenen Kosten (1.) noch einen Anspruch auf die Feststellung, die Beklagte sei bezüglich der Gewährung von Hilfe zur Erziehung ab dem 19. November 2012 durch J.s Unterbringung in der geschlossenen sozialtherapeutisch-forensischen Abteilung des P. in K. der gemäß § 86 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII örtlich zuständige Träger der öffentlichen Jugendhilfe; mithin kann sie von der Beklagten auch nicht gemäß § 89c Abs. 1 Satz 2 SGB VIII die Erstattung der ihr seit dem 19. November 2012 entstandenen Kosten verlangen, was sie im Klageverfahren bereits getan, wenn auch noch nicht eingeklagt hat (2.). Im Einzelnen:
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1. Gemäß § 87 SGB VIII ist für die Inobhutnahme eines Kindes oder eines Jugendlichen im Sinne von § 42 SGB VIII der örtliche Träger der öffentlichen Jugendhilfe zuständig, in dessen Bereich sich das Kind oder der Jugendliche vor Beginn der Maßnahme tatsächlich aufhält. Gemäß § 89b Abs. 1 SGB VIII sind ihm die Kosten, die er im Rahmen der Inobhutnahme aufgewendet hat, von dem örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe zu erstatten, "dessen Zuständigkeit durch den gewöhnlichen Aufenthalt nach § 86 begründet wird". Diese Bestimmung ist dahin zu verstehen, dass kostenerstattungspflichtig derjenige örtliche Träger der öffentlichen Jugendhilfe ist, der für die Inobhutnahme, würde es sich dabei nicht um eine andere Aufgabe der Jugendhilfe im Sinne von § 2 Abs. 3 SGB VIII, sondern um eine Leistung der Jugendhilfe im Sinne von § 2 Abs. 2 SGB VIII handeln, fiktiv nach § 86 SGB VIII zuständig gewesen wäre, sofern es dafür auf den gewöhnlichen Aufenthalt der Eltern, eines Elternteiles, des Kindes oder Jugendlichen oder – vorbehaltlich von § 86 Abs.6 Satz 3 SGB VIII – einer Pflegeperson ankäme.
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In Fällen wie dem vorliegenden, in denen die Eltern eines Kindes oder Jugendlichen verschiedene gewöhnliche Aufenthalte haben und beide personensorgeberechtigt sind, ist gemäß § 86 Abs.2 Satz 2 SGBVIII der gewöhnliche Aufenthalt des Elternteiles maßgeblich, bei dem das Kind oder der Jugendliche "vor Beginn der Leistung" zuletzt seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Diesbezüglich ist unklar, ob für die fiktive örtliche Zuständigkeit, würde sich die Inobhutnahme – wäre sie eine Leistung der Jugendhilfe – als Teil einer ununterbrochenen Jugendhilfeleistung darstellen, dann nach allgemeinen Grundsätzen auf den gewöhnlichen Aufenthalt des Elternteiles abzustellen ist, bei dem das Kind oder der Jugendliche vor dem Beginn dieser Gesamtleistung seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte (so etwa NdsOVG, Beschluss vom 14.März 2012 –4LC143/09– juris Rn. 30 f.), oder aber ob dann für die fiktive Zuständigkeit ungeachtet etwaiger bisheriger Jugendhilfeleistungen ausnahmsweise der gewöhnliche Aufenthalt des Elternteiles maßgeblich ist, bei dem das Kind oder der Jugendliche vor dem Beginn der Inobhutnahme – als fiktiverLeistungderJugendhilfeimSinnevon§2Abs.2SGBVIII – zuletzt seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte (so OVG NRW, Urteile vom 29. November2013 –12 A 1019/13 –juris Rn.19 bis 22 und vom 21.März 2014 – 12 A 1211/12 – JAmt 2014, 644 [648 f.]. = juris Rn. 84 bis 92, Eschelbach/Schindler im Frankfurter Kommentar zumSGBVIII,7.Aufl.2013, §89bRn.1,KerninSchellhorn/Fischer/Mann/Kern, SGB VIII, 4. Aufl. 2012, § 89b Rn.6 und Reisch in Jans/Happe/Saurbier/Maas, Kinder- und Jugendhilferecht, Loseblatt, Art.1 KJHG § 89b Rn. 2 und 12 [Stand 4/2012] sowie Rn.18 [Stand 7/2008]).
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Der Senat sieht diesbezüglich keinen zwingenden Grund für ein ausnahmsweises isoliertes Abstellen nur auf die Inobhutnahme, wäre sie eine Leistung und keine andere Aufgabe der Jugendhilfe. Richtig ist zwar der Hinweis des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen darauf, dass § 86 SGB VIII hier keine unmittelbare, sondern nur entsprechende Anwendung findet. Es ist aber nicht nachvollziehbar, weswegen bei einer lediglich entsprechenden Anwendung von § 86 SGB VIII "folgerichtig" nicht die insoweit allgemein geltenden Grundsätze maßgeblich sein sollen. Dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. März 2010 – 5 C 12.09 – BVerwGE 136, 185 ff., auf welches das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in diesem Zusammenhang weiter hingewiesen hat, lag der Fall zugrunde, dass sich an die Inobhutnahme eines Kindes mit der Bewilligung von Hilfe zu dessen Erziehung eine Leistung der Jugendhilfe angeschlossen hatte. Nur für diese Fallkonstellation hat das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Prüfung der tatsächlichen Zuständigkeit für die Erbringung der Jugendhilfeleistung entschieden, dass es sich bei beidem nicht um eine ununterbrochene Leistung der Jugendhilfe handele, weil die Inobhutnahme keine Leistung, sondern eine andere Aufgabe der Jugendhilfe darstelle (vgl. a.a.O. S. 188 Rn. 22 f.). Es ist nicht nachvollziehbar, warum "Entsprechendes gleichermaßen im umgekehrten Verhältnis zu gelten" haben soll dergestalt, dass entgegen den für die gemäß § 89b Abs. 1 SGB VIII maßgebliche "Zuständigkeit" nach § 86 SGB VIII geltenden allgemeinen Grundsätzen bislang ununterbrochen erbrachte Jugendhilfeleistungen nicht berücksichtigt werden dürften; insoweit geht es nämlich um die Prüfung, wer für eine Inobhutnahme fiktiv zuständig gewesen wäre, würde es sich dabei nicht um eine andere Aufgabe, sondern um eine Leistung der Jugendhilfe handeln. Eschelbach/Schindler und Kern geben für die von ihnen vertretene Auffassung keine Begründung, und die Annahme von Reisch, die Anwendung von § 89b Abs. 1 SGB VIII ginge ansonsten "immer dann ins Leere …, wenn wie bei § 86 Abs. 2 bis 4 SGB VIII auf den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes oder Jugendlichen vor Beginn der Leistung abgehoben" werde, ist nicht nachvollziehbar: Gerade in Reischs Beispielsfällen – Inobhutnahme nach dem Weglaufen aus einer Heimunterbringung ohne Begründung eines neuen gewöhnlichen Aufenthalts – ist es ohne weiteres möglich, die fiktive Zuständigkeit für die Inobhutnahme an den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes oder Jugendlichen oder aber eines Elternteils vor der Heimunterbringung anzuknüpfen.
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Letztlich kann der Senat im vorliegenden Fall dahingestellt lassen, ob für die fiktive örtliche Zuständigkeit nach § 86 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII ausnahms-weise ungeachtet etwaiger bisheriger Jugendhilfeleistungen nur auf die Inobhutnahme, würde es sich dabei um eine Leistung der Jugendhilfe handeln, abzustellen ist oder ob dann, würde sich die Inobhutnahme – wäre sie eine Leistung der Jugendhilfe – als Teil einer ununterbrochenen Jugendhilfeleistung darstellen, für die fiktive Zuständigkeit nach allgemeinen Grundsätzen der gewöhnliche Aufenthalt des Elternteiles maßgeblich ist, bei dem das Kind oder der Jugendliche vor Beginn der Gesamtleistung seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Im vorliegenden Fall wäre nämlich nach beiden Prüfungsansätzen die Klägerin für die Inobhutnahme J.s, hätte es sich dabei um eine Leistung der Jugendhilfe gehandelt, zuständig gewesen.
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Wird in diesem Zusammenhang ausschließlich auf J.s Inobhutnahme am 16. Juli 2012 abgestellt, so gilt dies deshalb, weil derjenige Elternteil, bei dem J. vor seiner Inobhutnahme zuletzt seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, sein Vater war. Dieser hatte indes vor und während J.s Inobhutnahme seinen gewöhnlichen Aufenthalt in M., wie auch zwischen den Beteiligten unstreitig ist.
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Werden in diesem Zusammenhang auch die zuvor von der Beklagten erbrachten Leistungen der Jugendhilfe zur Erziehung J.s berücksichtigt, ergibt sich dasselbe Ergebnis, weil J.s Inobhutnahme, hätte es sich dabei nicht um eine andere Aufgabe, sondern um eine Leistung der Jugendhilfe gehandelt, entgegen der Annahme der Klägerin und des Verwaltungsgerichts nicht mehr Teil einer einzigen "Leistung" der Jugendhilfe war.
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Eine "Leistung" der Jugendhilfe, an welche die §§ 86 ff. SGB VIII für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe anknüpfen, stellen "unabhängig von der Hilfeart und -form im Rahmen einer Gesamtbetrachtung alle zur Deckung eines qualitativ unveränderten, kontinuierliche Hilfe gebietenden jugendhilferechtlichen Bedarfs erforderlichen Maßnahmen und Hilfen dar, sofern sie ohne Unterbrechung gewährt worden sind" (so im Anschluss an das Urteil des OVG RP vom 26. Februar 2003 – 12 A 11452/02.OVG – ZfJ 2004, 147 ff. das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. Januar 2004 – 5 C 9.03 – BVerwGE 120, 116 und 124 [kursive Hervorhebung durch den Senat] und dessen seitdem ständige Rechtsprechung; vgl. etwa auch dessen Urteil vom 25. März 2010 – 5 C 12.09 – BVerwGE 136, 185 [192Rn. 22]). Zwar heißt es in den Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. August 2010 – 5 C 14.09 – BVerwGE 137, 368 (373Rn. 20) und vom 9. Dezember 2010 – 5 C 17.09 – NVwZ-RR 2011, 203 (204Rn. 15), alle zur Deckung eines qualitativ unveränderten, kontinuierliche Hilfe gebietenden jugendhilferechtlichen Bedarfs erforderlichen Maßnahmen und Hilfen bildeten eine einheitliche Leistung, "zumal wenn sie im Einzelfall nahtlos aneinander anschließen, also ohne beachtliche (vgl. § 86a Abs. 4 Satz 2 und 3 SGB VIII) zeitliche Unterbrechung gewährt werden". Jedoch finden sich in diesen beiden Urteilen keine Ausführungen dazu, dass und inwiefern dadurch die bisherige Rechtsprechung geändert oder doch modifiziert werde. Hingegen heißt es in diesen beiden Urteilen in unmittelbarem Anschluss an die eben wiedergegebene Passage jeweils weiter: "Dies gilt auch dann, wenn bei dem vielfach auf einen längeren Zeitraum angelegten Hilfeprozess sich die Schwerpunkte innerhalb des Hilfebedarfes verschieben und für die Ausgestaltung der Hilfe Modifikationen, Änderungen oder Ergänzungen bis hin zu einem Wechsel der Hilfeart erforderlich werden, die Hilfegewährung im Verlauf des ununterbrochenen Hilfeprozesses also einer anderen Nummer des § 2 Abs. 2 SGB VIII zuzuordnen oder innerhalb des Sozialgesetzbuches Achtes Buch nach einer anderen Rechtsgrundlage zu gewähren ist" (kursive Hervorhebung durch den Senat); auch merkt das Bundesverwaltungsgericht in beiden Urteilen jeweils an, diese Ausführungen entsprächen seiner ständigen Rechtsprechung, und zitiert diesbezüglich seine Urteile vom 29. Januar 2004 – 5 C 9.03 – und vom 5. März 2010 – 5 C 12.09 –. Überdies heißt es im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Oktober 2011 – 5 C 25.10 – BVerwGE 141, 77 (80 f. Rn. 20) wieder, unter einer "Leistung" der Jugendhilfe, an welche die §§ 86 ff. SGB VIII für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe anknüpften, seien "unabhängig von der Hilfeart und -form im Rahmen einer Gesamtbetrachtung alle zur Deckung eines qualitativ unveränderten, kontinuierliche Hilfe gebietenden jugendhilferechtlichen Bedarfs erforderlichen Maßnahmen und Hilfen zu verstehen, sofern sie ohne Unterbrechung gewährt worden" seien (kursive Hervorhebung durch den Senat). Folglich wollte das Bundesverwaltungsgericht in seinen beiden Urteilen vom 19. August 2010 – 5 C 14.09 – und vom 9. Dezember 2010 – 5 C 17.09 – lediglich ergänzend zu seiner bisherigen Rechtsprechung darauf hinweisen, dass eine "Unterbrechung" der Hilfeleistung ausnahmsweise dann unbeachtlich ist, wenn dies im Gesetz ausdrücklich angeordnet ist, also in den Fällen des § 86 Abs. 7 Satz 4, des § 86a Abs. 4 Satz 2 und Satz 3 sowie des § 86b Abs. 3 Satz 2 SGB VIII, dass aber jede andere "Unterbrechung" der Hilfe bzw. Hilfeleistung "beachtlich" ist und zur Beendigung der bislang erbrachten "Leistung" führt. Insbesondere hat das Bundesverwaltungsgericht keine analoge Anwendung von § 86 Abs. 7 Satz 4, § 86a Abs. 4 Satz 2 und Satz 3 sowie § 86b Abs. 3 Satz 2 SGB VIII auf alle anderen Zuständigkeitsbestimmungen in §§ 86 ff. SGB VIII erwogen mit der Folge, dass Unterbrechungen einer Leistung unter drei Monaten stets unbeachtlich wären (so aber NdsOVG, Beschluss vom 14. März 2012 –4 LC143/09– juris Rn.35).Es ist auch nicht ersichtlich, dass in allen anderen Zuständigkeitsbestimmungen in den §§ 86 ff. SGB VIII als in den § 86 Abs. 7 Satz 4, § 86a Abs. 4 Satz 2 und Satz 3 sowie § 86b Abs. 3 Satz 2 SGB VIII insoweit eine planwidrige Regelungslücke besteht. Dann aber stellen nach einer beachtlichen Unterbrechung der Leistung spätere Maßnahmen und Hilfen den Beginn einer neuen Leistung dar, für die nach Maßgabe der §§ 86 ff. SGB VIII unter Umständen ein anderer Träger der öffentlichen Jugendhilfe örtlich zuständig ist als für die vorangegangene, aber beendete "Leistung".
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Gleichzeitig ist indes zu sehen, dass die Maßnahmen und Hilfen, die zusammen eine solche "Leistung" darstellen, in tatsächlicher Hinsicht nicht stets jeden Tag 24 Stunden lang erbracht werden, sondern unter Umständen nur an wenigen Wochenstunden, ohne dass deshalb die Jugendhilfeleistung zwischenzeitlich im Sinne von § 86 Abs. 7 Satz 4, § 86a Abs. 4 Sätze 2 und 3 sowie § 86b Abs. 3 Satz 2 SGB VIII und der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts "unterbrochen" wäre. Im Ergebnis Gleiches kann aber auch dann gelten, wenn entgegen der eigentlichen (Hilfe-)Planung und Bewilligung eine einzelne Hilfeleistung wie eine Therapieeinheit oder auch die tatsächliche Hilfeerbringung insgesamt etwa wegen ernstlicher Erkrankung des betroffenen jungen Menschen oder der hilfeerbringenden Person oder aus vergleichbaren Gründen wie Urlaub oder Ortsabwesenheit vorübergehend unterbleibt. Im Ergebnis Gleiches kann ferner dann gelten, wenn die hilfeerbringende Person plötzlich ganz ausfällt und deswegen die tatsächliche Hilfeerbringung unterbleibt, bis eine andere hilfeerbringende Person oder Anschlusshilfe gefunden ist (vgl. etwa den dem Urteil des VGH BW vom 15. September 1997 – 9 S 174/98 – FEVS 48, 131 ff. zugrundeliegenden Fall). Im Ergebnis Gleiches kann schließlich auch bei einem so genannten Zwischenaufenthalt im Zusammenhang mit einem Einrichtungswechsel insbesondere dann gelten, wenn bereits im Zeitpunkt des Verlassens der Einrichtung feststeht, wann und in welche Einrichtung der betreffende junge Mensch wechseln wird. In allen diesen Fällen stellt sich allerdings ein längerfristiges Unterbleiben der tatsächlichen Hilfeerbringung irgendwann zugleich als "Unterbrechung" der Jugendhilfeleistung im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dar, die dann auch zu beachten ist und zur Beendigung der bisher erbrachten "Leistung" der Jugendhilfe führt, sofern nicht gemäß § 86 Abs. 7 Satz 4, § 86a Abs. 4 Sätze 2 und 3 oder § 86b Abs. 3 Satz 2 SGB VIII ausnahmsweise anderes gilt. Ab welcher Dauer das Unterbleiben einer tatsächlichen Hilfeerbringung zu einer solchen "Unterbrechung" der Jugendhilfeleistung führt, ist – selbst bei etwaiger Anlegung des in § 86 Abs. 7 Satz 4, § 86a Abs. 4 Satz 2 und 3 sowie § 86b Abs. 3 Satz 2 SGB VIII zugrunde gelegten Dreimonatszeitraums als gedanklicher Richtschnur – allein abhängig von den Umständen des jeweiligen Einzelfalles, sodass eine "Unterbrechung" der Jugendhilfeleistung auch bereits dann vorliegen kann, wenn die tatsächliche Hilfeerbringung noch nicht drei Monate lang unterblieben ist.
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Sofern hingegen eine Jugendhilfeleistung nicht nur vorübergehend tatsächlich nicht erbracht wird, sondern unterbrochen oder gar förmlich eingestellt worden ist, liegt eine Beendigung der "Leistung" der Jugendhilfe vor, sofern nicht im Zeitpunkt der Einstellung der Jugendhilfeleistung eine Anschlusshilfeleistung bereits bewilligt oder doch konkret geplant ist (ähnlich SächsOVG, Urteil vom 18. Januar 2010 – 1 A 753/08 – juris Rn. 23 und Kunkel in LPK-SGB VIII, 4. Aufl. 2011, § 86 Rn. 11) und sofern nicht § 86 Abs. 7 Satz 4, § 86a Abs. 4 Sätze 2 und 3 oder § 86b Abs. 3 Satz 2 SGB VIII ausnahmsweise anderes anordnen. Ansonsten kommt es in einem solchen Fall nicht darauf an, ob ein jugendhilferechtlicher Bedarf weiterhin besteht, der örtlich zuständige Träger der öffentlichen Jugendhilfe jedoch keine weitere Hilfeleistungen plant oder bewilligt, etwa weil es an dem dafür erforderlichen Antrag fehlt. Ferner kommt es ansonsten nicht darauf an, wie lange es dauert, bis erneut Maßnahmen und Hilfen erbracht werden, die in einem solchen Fall vielmehr stets den Be-ginn einer neuen "Leistung" der Jugendhilfe darstellen, für die nach Maßgabe der §§ 86 ff. SGB VIII unter Umständen ein anderer Träger der öffentlichen Jugendhilfe örtlich zuständig ist als für die vorangegangene, aber beendete "Leistung".
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An dieser bereits seinem Urteil vom 13. Februar 2014 – 7 A 11043/13.OVG – JAmt 2014, 649 ff. zugrundeliegenden Rechtsauffassung hält der Senat trotz der zwischenzeitlich vom Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in dessen Urteil vom 21. März 2014 – 12 A 1211/12 – JAmt 2014, 644 ff. hieran geäußerten Kritik nach nochmaliger Prüfung fest.
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Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen geht zunächst zutreffend davon aus, "Leistung" seien unabhängig von der Hilfeart und Hilfeform alle im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zur Deckung eines qualitativ unveränderten, kontinuierliche Hilfe gebietenden jugendhilferechtlichen Bedarfs erforderlichen Maßnahmen und Hilfen, sofern sie ohne Unterbrechung gewährt worden sind, und zwar auch dann, wenn sich bei einem auf einen längeren Zeitraum angelegten Hilfeprozess die Schwerpunkte innerhalb des Hilfebedarfs verschieben und die Ausgestaltung der Hilfe Modifikationen, Änderungen oder Ergänzungen bis hin zu einem Wechsel der Hilfeart erforderlich werden" (a.a.O. S. 646 = juris Rn. 54; kursive Hervorhebung durch den Senat). Diesen Ansatz, der auf die – zumal "ohne Unterbrechung" erfolgte – "Gewährung" der erforderlichen Hilfen und Maßnahmen abstellt, verlässt das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen indes, wenn es im Folgenden stattdessen einen fortbestehenden "jugendhilferechtlichen Bedarf" für maßgeblich hält. Ein "Bedarf" soll zwar – bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen – durch eine "Leistung" gedeckt werden, stellt aber selbst keine "Leistung" dar. Auch das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen geht unter Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung inzwischen mit dem Bundesverwaltungsgericht (vgl. etwa dessen Urteil vom 19. Oktober 2011 – 5 C 25.10 – BVerwGE 141, 77 [80 ff. Rn. 18 bis 24] m.w.N.) davon aus, dass "Beginn der Leistung" im Sinne von § 86 SGB VIII das Einsetzen der Hilfegewährung, d.h. der Zeitpunkt ist, ab dem die konkrete Hilfeleistung tatsächlich gegenüber dem Hilfeempfänger erbracht wird (vgl. a.a.O. = juris Rn. 52), und nicht etwa das Entstehen eines jugendhilferechtlichen Bedarfs. Eine entsprechende Sichtweise ist aber auch bei einer Unterbrechung der Leistungserbringung geboten. Lediglich in den in § 86 Abs. 7 Satz 4, § 86a Abs. 4 Satz 2 und 3 sowie § 86b Abs. 3 Satz 2 SGB VIII geregelten Fällen bleibt eine Unterbrechung bis zu drei Monaten außer Betracht, ist deshalb ansonsten aber immer beachtlich. Für eine Prüfung, "inwieweit die Hilfeleistung bezogen auf den Bedarf eine zuständigkeitsrelevante Unterbrechung erfahren hat", ist deshalb kein Raum; die Annahme, "dass die erneute Hilfegewährung" durch den klagenden Jugendhilfeträger "in einem hinreichenden Fortsetzungszusammenhang mit der zuvor eingestellten Hilfe ... steht und sich daher nicht als 'neue' Leistung darstellt", nur weil durchgängig Hilfebedarf und damit eine – eine Unterbrechung der Hilfe implizierende – "Wiederaufnahmeperspektive" bestanden habe, obwohl die Rechtmäßigkeit der Leistungseinstellung offengelassen wurde, obwohl über einen Zeitraum von bis zu fünfeinhalb Monaten keine Leistungen mehr erbracht worden waren und obwohl die beiden Kinder in diesem Zeitraum ein- bzw. zweimal in Obhut genommen worden waren, (vgl. a.a.O. S. 645 ff. = juris Rn. 10, 16 f., 61 f., 68 und 72; kursive Hervorhebungen durch den Senat), geht deshalb fehl. Dies gilt insbesondere mit Blick auf die vom Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen geteilte (vgl. a.a.O. S. 648 f. = juris Rn. 85 bis 89) Auffassung, dass eine Inobhutnahme und eine sich anschließende Jugendhilfeleistung nicht als Teile einer einheitlichen "Leistung" im Sinne von § 86 SGB VIII anzusehen sind, weil die Inobhutnahme keine Leistung der Jugendhilfe darstellt (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. März 2010 – 5 C 12.09 – BVerwGE 136, 185 [188 Rn. 22 f.]). Wird aber einem Kind oder Jugendlichen zeitweise schon deshalb keine Leistung der Jugendhilfe gewährt, weil es in Obhut genommen ist und damit eine andere Aufgabe der Jugendhilfe erfüllt wird, so können sich Jugendhilfeleistungen vor und nach dieser Inobhutnahme nicht als Teile einer einheitlichen ununterbrochenen Jugendhilfeleistung darstellen, selbst wenn durchgängig ein jugendhilferechtlicher Bedarf bestanden hat, der die spätere Notwendigkeit einer erneuten Bewilligung von Leistungen der Jugendhilfe wahrscheinlich machte.
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Abgesehen davon besteht keine Notwendigkeit, zur Ausfüllung des Leistungsbegriffs "auf den Aspekt der Kontinuität des jugendhilferechtlichen Bedarfs – soweit dieser qualitativ unverändert fortbesteht –" abzustellen, um die örtliche Zuständigkeit nicht von Irrtümern bei "der subjektiven Einschätzung des zunächst leistenden Jugendamtes" abhängig zu machen und um nicht "möglichen Manipulationen Tür und Tor (zu) öffnen". Im Falle der Einstellung einer Jugendhilfeleistung kann der Betroffene erst Widerspruch und dann Klage erheben, gleiches gilt im Falle der Ablehnung weiterer Jugendhilfeleistungen. Besteht objektiv ein Anspruch auf eine Jugendhilfeleistung, so knüpft die örtliche Zuständigkeit dafür dann nicht an Irrtümer oder gar Manipulationen eines Jugendamtes an. Daneben bestehen im Fall einer unberechtigten Einstellung einer Jugendhilfeleistung oder unberechtigten Ablehnung eines Jugendhilfeantrages die Möglichkeit einer Selbstbeschaffung und sodann ein Erstattungsanspruch nach § 36a Abs. 3 Satz 1 SGB VIII, wenn die Bedarfsdeckung keinen Aufschub duldet. Ferner begründen § 86d Abs. 1 SGB VIII für den Fall, dass der eigentlich zuständige örtliche Träger der Jugendhilfe nicht tätig wird, die Verpflichtung des Trägers, in dessen Bereich sich das Kind oder der Jugendliche tatsächlich aufhält, zum vorläufigen Tätigwerden, und § 86c Abs. 1 Satz 1 SGB VIII für den Fall eines Zuständigkeitswechsels die Verpflichtung des bisherigen Trägers zu weiterer Hilfeleistung bis zur Fortsetzung der Leistung durch den nunmehr zuständigen Träger, wobei der tatsächlich zuständige Träger dem tatsächlich tätig gewordenen bzw. gebliebenen Träger gemäß § 89c Abs. 1 SGB VIII die dadurch entstandenen Kosten zu erstatten hat. Im Übrigen sind außer diesen beiden ausdrücklichen Regelungen für den Fall des etwa unberechtigten Untätigbleibens des – nunmehr – zuständigen Trägers der öffentlichen Jugendhilfe die zahlreichen Zuständigkeitsregelungen in den §§ 86 ff. SGB VIII nicht ausgestaltet, um Irrtümern oder Manipulationen bei der Rechtsanwendung Rechnung zu tragen, auch wird ansonsten keine dieser zahlreichen Zuständigkeitsregelungen von der Rechtsprechung oder der Rechtslehre so ausgelegt; dies ist zudem generell nicht Zweck einer Zuständigkeitsregelung. Im Übrigen ist nach gegenwärtiger Gesetzeslage eine für alle Fallgestaltungen gleichermaßen gerecht erscheinende Zuständigkeits- und Kostenverteilung durch Auslegung des § 86 SGB VIII nicht zu erreichen (so BVerwG, Urteile vom 30. September 2009 – 5 C 18.08 – BVerwGE 135, 58 [64 Rn. 26] und vom 19. Oktober 2011 – 5 C 25.10 – BVerwGE 141, 77 [87 Rn. 38]).
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Vor diesem Hintergrund ist im vorliegenden Fall von der Beendigung der von der Beklagten erbrachten Leistungen noch im Mai 2012 auszugehen und damit davon, dass sich die von der Beklagten erbrachten Leistungen zu J.s Erziehung und dessen Inobhutnahme durch die Klägerin am 16. Juli 2012, hätte es sich dabei um eine Leistung der Jugendhilfe gehandelt, nicht als Teil ein- und derselben Leistung darstellen. Die von der Beklagten zuletzt bewilligte Leistung der Jugendhilfe, J.s Unterbringung im Heim des "L.er V. e.V.", wurde seit dem Abend des 10. Mai 2012 tatsächlich nicht mehr erbracht, weil J. von einem Mitarbeiter des "L.er V. e.V." aus dem Heim zu seiner Mutter verbracht wurde, da sein weiterer Aufenthalt in diesem Heim "nicht mehr tragbar" gewesen sei. J.s Mutter sah sich indes nicht in der Lage, diesen wieder dauerhaft in ihren Haushalt aufzunehmen (vgl. nur S. 1R der Aktennotiz vom 26. März 2012 in der Heftung der Beklagten "Akte J." sowie S. 4 des "Abschlussberichts des P.s K. vom 26. Mai 2012 in der "Pädagogischen Akte" der Klägerin; vgl. ferner S. 3 der Meldung des Polizeipräsidiums Mannheim vom 30. Juli 2012 dortselbst sowie S. 201 der "Wirtschaftl. Akte" der Klägerin). Mit Einwilligung seiner Mutter, die nunmehr ersichtlich die Erziehungsverantwortung für J. weitgehend auf dessen Vater verlagern wollte, wie auch aus der anschließenden Abgabe einer gemeinsamen Sorgeerklärung zusammen mit diesem folgt, wechselte J. – möglicherweise nach einem Streit (vgl. S. 225 der "Wirtschaftl. Akte" der Klägerin) – spätestens an einem der nächsten fünf Tage nach M. zu seinem Vater. Dies steht aufgrund eines Anrufs von J.s Vater beim Sachbearbeiter der Beklagten am 16. Mai 2012 (vgl. den Vermerk von diesem Tag in der Akte der Beklagten "§ 34 Band II") sowie aufgrund von dessen Telefongespräch mit dem Lebensgefährten von J.s Mutter am 18. Mai 2012 fest (vgl. den Vermerk vom 1. August 2012 ebendort sowie die Schilderung der Beklagten in ihrer Berufungsbegründung vom 3. Dezember 2014 – S. 86R und 87 GA). In der Annahme, J. lebe bei seiner Mutter, hatte zwar am 11. Mai 2012 eine "Regionale Fachkonferenz" der Beklagten beschlossen, J. und seinen Eltern die Bewilligung einer intensiven sozialpädagogischen Einzelbetreuung im Sinne von § 35 SGB VIII vorzuschlagen. Nach behördeninterner Genehmigung dieses Beschlusses am 14. Mai 2012 und der Ermittlung eines freien Platzes am 15. Mai 2012 wurde dieser Vorschlag J.s damals noch nicht personensorgeberechtigtem Vater bei dessen Anruf am 16. Mai 2012 unterbreitet, doch erklärte jener, er benötige "keine weitere Hilfe zur Erziehung". Am 18. Mai 2012 versuchte der Sachbearbeiter der Beklagten, diesen Vorschlag auch J.s damals noch allein personensorgeberechtigter Mutter zu unterbreiten, erreichte aber nur deren – zuvor an der Planung von Hilfe zu J.s Erziehung meist beteiligten und auch deshalb informierten – Lebensgefährten. Dieser versprach die Weitergabe des Vorschlages der Beklagten an J.s Mutter und deren Rückruf, zu dem es aber nicht kam. Angesichts dessen verfolgte die Beklagte die von ihr erwogene Anschlusshilfe nicht weiter, die damit nicht mehr konkret geplant war; ohne die Einwilligung von J.s Mutter und gegen den erklärten Willen von J.s Vater, nachdem dieser infolge der gemeinsamen Sorgeerklärung von J.s Eltern am 29. Mai 2012 in M. maßgeblich geworden war, hätte die Beklagte J.s Eltern Hilfe zu dessen Erziehung zudem nicht bewilligen dürfen, es sei denn, sie hätte ihnen zuvor durch das Familiengericht zumindest das Aufenthaltsbestimmungsrecht und die Berechtigung, Jugendhilfeleistungen zu beantragen, entziehen lassen. Auch dann wäre indes die zunächst erwogene Anschlusshilfe nicht mehr konkret geplant gewesen, da das familiengerichtliche Verfahren mit Unsicherheiten sowie mit nicht unerheblichem Zeitaufwand verbunden gewesen wäre, sodass sich dadurch eine Unterbrechung der Jugendhilfeleistung nicht hätte verhindern lassen.
- 38
Zwar geht angesichts der vorübergehenden Bereitschaft der Beklagten, J.s Eltern eine intensive sozialpädagogische Einzelbetreuung im Sinne von § 35 SGB VIII bei Kosten von 220,00 € pro Tag zu bewilligen, vor allem aber angesichts des jugendpsychiatrischen Gutachtens vom 22. Oktober 2012 mit der Empfehlung, J. im Rahmen einer Jugendhilfemaßnahme wegen einer emotional instabilen Persönlichkeitsstörung mit für ihn und andere gefährlicher Impulsivität in der geschlossenen sozialtherapeutisch-forensischen Abteilung des P. in K. unterzubringen, auch der Senat davon aus, dass im vorliegenden Fall weiterhin und durchgängig ein jugendhilferechtlicher Bedarf bestanden hat. Gleichwohl ist es zu einer Unterbrechung der "Leistung" im Sinne von § 86 ff. SGB VIII gekommen, da im Mai 2012 die bislang erbrachte Hilfe zur Erziehung endete und eine andere Hilfe mangels des Einverständnisses von J.s Eltern hiermit nicht bewilligt werden konnte. Allein der Umstand, dass weiterhin ein jugendhilferechtlicher Bedarf bestanden hat, rechtfertigt – wie oben ausgeführt – nicht die Annahme, die Inobhutnahme J.s am 16. Juli 2012, hätte es sich dabei nicht um eine andere Aufgabe, sondern um eine Leistung der Jugendhilfe gehandelt, habe sich zusammen mit den früher bewilligten Hilfen noch als Teil einer einzigen, ununterbrochenen "Leistung" im Sinne von §§ 86 ff. SGB VIII dargestellt. Mithin war die Klägerin für die Inobhutnahme J.s nicht nur gemäß § 87 SGB VIII zuständig, weil jener sich damals in ihrem Bereich tatsächlich aufhielt, sondern ist auch der örtliche Träger der öffentlichen Jugendhilfe, der gemäß § 89b Abs. 1 SGB VIII die Kosten von J.s Inobhutnahme zu erstatten hätte, weil dafür ihre "Zuständigkeit durch den gewöhnlichen Aufenthalt nach § 86 begründet" worden wäre, hätte es sich dabei um eine Leistung und nicht um eine andere Aufgabe der Jugendhilfe gehandelt.
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2. Die Klägerin hat ferner keinen Anspruch auf die Feststellung, die Beklagte sei bezüglich der Gewährung von Hilfe zur Erziehung ab dem 19. November 2012 durch J.s Unterbringung in der geschlossenen sozialtherapeutisch-forensischen Abteilung des P. in K. der gemäß § 86 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII örtlich zuständige Träger der öffentlichen Jugendhilfe mit der Folge, dass diese den Fall in eigene Zuständigkeit zu übernehmen und gemäß § 89c Abs. 1 Satz 2 SGB VIII die ihr seit dem 19. November 2012 entstandenen Kosten zu erstatten hätte.
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Die örtliche Zuständigkeit für die am 19. November 2012 begonnene Hilfe zu J.s Erziehung folgt – vorbehaltlich der Regelung in § 86 Abs. 2 Satz 4 SGB VIII (siehe dazu unten) – aus § 86 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII, weil J.s Eltern für diesen gemeinsam personensorgeberechtigt waren, aber verschiedene gewöhnliche Aufenthalte hatten und weil J. nie bei beiden Elternteilen gleichzeitig seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Da indes im maßgeblichen Zeitraum nur J.s Mutter ihren gewöhnlichen Aufenthalt in L. hatte, wäre die Beklagte für die am 19. November 2012 begonnene Hilfe zu J.s Erziehung gemäß § 86 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII nur dann örtlich zuständig, wenn J. "vor Beginn der Leistung" zuletzt seinen gewöhnlichen Aufenthalt bei ihr gehabt hätte. Das ist jedoch nicht der Fall, da sich die am 19. November 2012 begonnene Hilfe zu J.s Erziehung und die von der Beklagten bis zum 10. Mai 2012 erbrachten Hilfen nicht als Teile einer einzigen, ununterbrochenen "Leistung" im Sinne von §§ 86 ff. SGB VIII darstellen. Vielmehr war die von der Beklagten bis zum 10. Mai 2012 erbrachte Leistung beendet.
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Dies gilt schon deshalb, weil die J.s Mutter zuletzt bewilligte Hilfe zu dessen Erziehung durch seine Unterbringung in einem Heim des "L.er V. e.V." ab dem Abend des 10. Mai 2012 tatsächlich nicht mehr erbracht wurde und weil die Beklagte eine von ihr zunächst erwogene Anschlusshilfe mangels des Einverständnisses von J.s Eltern nicht weiter verfolgte, also nicht mehr konkret plante (s.o.).
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Unabhängig davon war J. vom 16. Juli bis zum 5. September 2012 von der Klägerin in Obhut genommen worden. Auch dadurch wurde eine – etwa noch nicht beendete – Leistung der Jugendhilfe beendet. Das Gesetz nennt die Inobhutnahme nicht in § 2 Abs. 2 SGB VIII im Katalog der Leistungen der Jugendhilfe, sondern führt sie ausdrücklich in § 2 Abs. 3 Nr. 1 SGB VIII unter der Kategorie der sonstigen Aufgaben der Jugendhilfe auf. Diese systematische und begriffliche Unterscheidung setzt sich in den Regelungen über die örtliche Zuständigkeit fort. So hat der Gesetzgeber ausweislich der gesetzlichen Überschriften in § 86 SGB VIII die "örtliche Zuständigkeit für Leistungen" geregelt, während er in § 87 SGB VIII eine gesonderte Zuständigkeitsregelung für die Inobhutnahme getroffen und diese als "örtliche Zuständigkeit für andere Aufgaben" bzw. "für vorläufige Maßnahmen" gekennzeichnet hat. Dass die Inobhutnahme selbst keine Leistung im oben genannten Sinne ist, ergibt sich schließlich auch aus § 86 Abs. 7 Satz 1 Halbs. 2 SGB VIII, der mit der Formulierung "geht der Leistungsgewährung eine Inobhutnahme voraus" letztere der Leistungsgewährung gegenüberstellt (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. März 2010 – 5 C 12.09 – BVerwGE 136, 185 [188 Rn. 23]). Wird aber einem Kind oder Jugendlichen zeitweise schon deshalb keine Leistung der Jugendhilfe gewährt, weil es in Obhut genommen ist und damit eine andere Aufgabe der Jugendhilfe erfüllt wird, so können sich Jugendhilfeleistungen vor und nach dieser Inobhutnahme nicht als Teile einer einheitlichen ununterbrochenen Jugendhilfeleistung darstellen, selbst wenn durchgängig ein jugendhilferechtlicher Bedarf bestanden hat, der spätere erneute Jugendhilfeleistungen wahrscheinlich machte (s.o.).
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Abgesehen davon hat die Beklagte die J.s Mutter mit Bescheid vom 13. März 2012 bewilligte Hilfe zu J.s Erziehung durch dessen Unterbringung in einem Heim des "L.er V. e.V." ohne Planung einer Anschlusshilfe mit Bescheid vom 26. Juli 2012 (in der Akte der Beklagten "§ 34 Band II"), der mangels Erhebung eines Widerspruchs bestandskräftig wurde, rückwirkend zum 11. Mai 2012 förmlich eingestellt und wurde die von der Beklagten erbrachte Leistung auch dadurch beendet. Überdies hat sich an J.s Inobhutnahme dessen stationäre Unterbringung im Z. M. bis zum 19. November 2012 angeschlossen, sodass im vorliegenden Fall zwischen dem 10. Mai und dem 19. November 2012 und damit mehr als sechs Monate keinerlei Leistungen der Jugendhilfe erbracht worden sind. Auch deswegen ist, obwohl durchgängig ein jugendhilferechtlicher Bedarf bestanden hat, von einer beachtlichen Unterbrechung des Leistungsprozesses auszugehen.
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War aber aus jedem dieser Gründe die von der Beklagten früher erbrachte Leistung beendet, so handelt es sich bei der am 19. November 2012 begonnenen Hilfe zu J.s Erziehung um eine neue "Leistung" im Sinne von §§ 86 ff. SGB VIII. Da aber J. im Mai 2012 bei seinem Vater in M. seinen gewöhnlichen Aufenthalt begründet hatte und nicht mehr in den Haushalt seiner Mutter zurückkehrte, wie zwischen den Beteiligten überdies unstreitig ist, knüpft die örtliche Zuständigkeit für die am 19. November 2012 begonnene Hilfe zu J.s Erziehung gemäß § 86 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII nicht mehr an den gewöhnlichen Aufenthalt von J.s Mutter an, sondern an den von J.s Vater, der sich indes im hier maßgeblichen Zeitraum in M. aufhielt; da J. seinen gewöhnlichen Aufenthalt noch im Juni 2012 bei seinem Vater hatte, ist also nicht etwa gemäß § 86 Abs. 2 Satz 4 SGB VIII J.s letzter gewöhnlicher Aufenthalt vor dem Beginn der Leistung maßgeblich, der indes ebenfalls in M. war.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten aus § 167 Abs. 2 und 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10 ZPO.
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Die Revision ist zuzulassen, weil dieses Urteil zu einem anderen Ergebnis kommt als die oben zitierte Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts und des Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen und weil angesichts dessen die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO hat.
Beschluss
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Der Wert des Streitgegenstandes wird gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 52 Abs. 1 und 2 und § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG für beide Rechtszüge auf 154.683,12 € festgesetzt. Mit dem Klageantrag zu 1. hat die Klägerin die Erstattung von 7.494,42 € gefordert. Bezüglich des Klageantrages zu 2. ist die sich für sie ergebende Bedeutung der Sache mit ihrem Interesse an der Tragung der mit der Gewährung von Hilfe zur Erziehung J.s durch seine vom Amtsgericht – Familiengericht – Mannheim bis längstens zum 31. Oktober 2013 genehmigten Unterbringung in der geschlossenen sozialtherapeutisch-forensischen Abteilung des P. in K. ab dem 19. November 2012 verbundenen Kosten zu bewerten. Dies sind 43 Tage à 398,90 € = 17.152,70 € und 304 Tage à 427,75 € = 130.036,00 €.
- 48
Dieser Beschluss ist gemäß § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG unanfechtbar.
Tenor
Das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts vom 16. April 2012 wird abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger die in den Hilfefällen B. und E. V. in der Zeit vom 9. Oktober 2009 bis zum 31. August 2010 aufgewendeten Jugendhilfekosten - mit Ausnahme der auf die Inobhutnahmen vom 9. Oktober 2009 bis 10. November 2009 (B. ) und vom 19. November 2009 bis 12. Januar 2010 (E. ) entfallenden Kosten - nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31. August 2010 zu erstatten.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger in dem Hilfefall B. V. die in der Zeit vom 1. September 2010 bis zum 22. April 2011 und in dem Hilfefall E. V. die in der Zeit vom 1. September 2010 bis zum 31. März 2012 aufgewendeten Jugendhilfekosten nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 1. April 2012 zu erstatten.
Die darüber hinausgehende Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen tragen der Kläger zu 2/5 und die Beklagte zu 3/5.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beteiligten dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweils andere vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
1
T a t b e s t a n d:
2Der Kläger begehrt die Erstattung von Jugendhilfekosten, die er in den Jahren 2009 bis 2012 für die Geschwister B. und E. V. aufgewendet hat, und die Zahlung eines Pflichtwidrigkeitszuschlags.
3B. V. , geb. am 1993, und E. V. , geb. am 1995, sind Kinder der im Jahre 1976 geborenen - und ursprünglich allein personensorgeberechtigten - T. V. , die zwei weitere Töchter (geb. 1999 und 2002) hat.
4Mit Beschluss vom 20. Juni 2005 entzog das Amtsgericht T1. der Frau V. die elterliche Sorge für die Tochter E. , soweit es um die Befugnis zur Beantragung von Erziehungshilfe ging, und übertrug diese dem Jugendamt der Beklagten, in dessen Zuständigkeitsbereich die Familie seinerzeit wohnte. In der Zeit vom 14. Juli 2005 bis zum 4. November 2005 leistete die Beklagte Erziehungshilfe für E. in Gestalt einer sozialpädagogischen Familienhilfe.
5Durch Beschluss vom 15. Februar 2006 übertrug das Amtsgericht das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die vier Kinder dem Jugendamt der Beklagten im Wege der einstweiligen Anordnung. In den Gründen der Entscheidung verwies das Amtsgericht darauf, dass das Jugendamt bereits seit geraumer Zeit erhebliche Mängel bei der Versorgung der Kinder habe feststellen müssen. Alle in der Vergangenheit unternommenen Versuche, die Kinder in der Obhut der Mutter zu belassen und Gefährdungen der Kinder durch Hilfemaßnahmen von außen abzuwenden, müssten als gescheitert angesehen werden.
6Am 15. bzw. 17. Februar 2006 wurden alle vier Töchter durch das Jugendamt der Beklagten in Obhut genommen. B. und E. wurden in der Einrichtung Kin-der- und Jugendhilfe X. in X1. untergebracht. Auf die Anträge der Mutter bzw. des Amtsvormundes (im Falle E. ) gewährte die Beklagte für beide Kinder ab dem 4. April 2006 Erziehungshilfe in Gestalt von Heimerziehung gemäß §§ 27, 34 SGB VIII, die in der Einrichtung in X1. fortgeführt wurde.
7Durch Beschluss vom 21. Januar 2008 übertrug das Amtsgericht T1. das Sorgerecht für alle vier Töchter von der Mutter (vollständig) auf das Jugendamt der Beklagten, das Herrn K. E9. als Amtsvormund (im Falle E. : weiterhin) mit der Ausübung der Vormundschaft betraute.
8Am 26. Februar 2009 verzog die Mutter von T1. nach C. . Unter dem 3. Juni 2009 wandte sich die Beklagte an das Jugendamt des klagenden Kreises und bat mit Hinweis auf den Wohnsitzwechsel der Mutter um „Übernahme der Hilfefälle zu nächstmöglichen Zeitpunkt und um Anerkennung Ihrer Kostenerstattungspflicht ab 26.02.09“. Dazu äußerte sich der Kläger mit Datum vom 8. Juni 2009 ablehnend; die Beklagte sei nach § 86 Abs. 5 SGB VIII zuständig. Diese Auffassung erkannte das Jugendamt der Beklagten - laut Aktenvermerk vom 18. Juni 2009 - als richtig an.
9Ende Juni 2009 verließ B. die Einrichtung in X1. aus eigenem Entschluss und wechselte in den Haushalt ihrer Mutter. In einem Fachgesprächsprotokoll des Jugendamtes der Beklagten vom 3. Juli 2009 hieß es hierzu u. a.:
10„B. ist nicht mehr zu einer Rückkehr in die Gruppe zu bewegen. … Es wurde deutlich, dass keinerlei Problembewusstsein besteht, sondern angeblich nun ‚alles in Ordnung‘ sei, ohne dass dies dargelegt wurde. In X1. wurde erlebt, dass B. noch in jüngst zurückliegender Zeit wiederholt wütend und frustriert im Hinblick auf ihre Mutter war … Es besteht keinerlei Austauschbereitschaft und keine Möglichkeit der Einflussnahme mehr. Die Jugendhilfe ist mit heutigem Datum - wenn auch mit großem Bedauern und prognostisch für B. bedenklich - zu beenden.“
11Mit an den Amtsvormund adressiertem Bescheid vom 3. Juli 2009 stellte die Beklagte die Hilfe für B. „nach umfassenden Bemühungen um Aufrechterhaltung der Hilfe“ zum 3. Juli 2009 ein.
12Aus einem an die Kinder- und Jugendhilfe X1. gerichteten Schreiben des Jugendamtes der Beklagten vom 15. bzw. 23. Juli 2009 geht hervor, dass sich E. , nachdem deren Schwester B. „gegen ausdrückliche fachliche Empfehlung“ die Einrichtung verlassen habe, nunmehr ebenfalls „schwankend hinsichtlich ihres Verbleibs in der Einrichtung“ zeige. E. hatte zu dieser Zeit bereits häufiger den Wunsch geäußert, ebenfalls wieder bei ihrer Mutter leben zu wollen. Sie verließ die Einrichtung am 18. Juli 2009 und nahm lediglich noch am 4. August 2009 an einer Ferienaktion teil (vgl. hierzu den Abschlussbericht der Kinder- und Jugendhilfe X1. vom 4. September 2009).
13In einer Nachricht an die Einrichtung in X1. (wohl vom 18. August 2009) führte die Sachbearbeiterin des Jugendamtes des Beklagten aus:
14„Bezgl. E. steht ja ganz aktuell die Frage im Raum, die Hilfe einzustellen. Versuche, an E. noch heranzukommen, scheiterten …. Heute fährt der Vormund noch mal hin und dann wird - nach langem Offenhalten der HzE - die Entscheidung über das Ende fallen müssen. Ein HPG mit allen wird wenig bringen: entweder zementiertes Bekunden, wie klasse alles ist … oder kein Erscheinen der Hauptpersonen. Wir halten die Lage für völlig unerquicklich für beide ‚Kinder‘, aber sehen wenig Möglichkeiten, etwas zu bewirken …“.
15Der Amtsvormund, Herr E9. , hielt in einer E-Mail an das Jugendamt der beklagten Stadt vom 19. August 2009 u. a. fest, er habe E. am Vortage in der Wohnung der Großmutter mütterlicherseits angetroffen. Sie habe seinen Vorschlag, solange in X1. zu bleiben, bis ihre Mutter akzeptable wohnliche Verhältnisse geschaffen habe, zurückgewiesen, aber nicht erklären können, was sie motiviere, aus X. weg und zur Mutter hin zu wollen. Sie habe mitgeteilt, sie fühle sich bei der Mutter wohl, die in Kürze Ordnung schaffen werde; bis dahin bleibe sie bei der Großmutter. Argumenten und Vernunftaspekten gegenüber sei E. nicht zugänglich gewesen; sie habe kein wirkliches Gespräch zugelassen, sondern immer wieder nur geäußert, bei der Mutter leben zu wollen.
16Mit Bescheid vom 19. August 2009 - wiederum adressiert an den Amtsvormund - stellte die Beklagte die Hilfe auch für E. „nach umfassenden, leider vergeblichen Bemühungen um Aufrechterhaltung der Hilfe mit heutigem Datum“ ein.
17B. ließ sich am 7. September 2009 in T4. und am 9. Oktober 2009 in C. als Selbstmelderin in Obhut nehmen und kehrte aus den Inobhutnahmen jeweils wieder zur Mutter zurück. Die zweite Inobhutnahme, die bis zum 10. November 2009 andauerte, fand auf Kosten des Klägers statt.
18Mit Datum vom 17. November 2009 stellte der Amtsvormund für B. und E. einen Antrag auf Hilfen nach den §§ 27 ff. SGB VIII bei dem Kläger. Dieser bewilligte mit Bescheid vom 6. Januar 2010 Erziehungshilfe in Form einer Erziehungsbeistandschaft für B. beginnend ab dem 21. Dezember 2009; vom 15. April 2010 an wurde die Hilfeleistung - bis zum 22. April 2011 - in Gestalt einer sozialpädagogischen Familienhilfe fortgesetzt. E. ließ sich am 19. November 2009 durch das Jugendamt des Klägers in Obhut nehmen; die Inobhutnahme dauerte bis zum 12. Januar 2010 an. Vom 13. Januar 2010 bis zum 14. April 2010 erhielt sie - ebenfalls auf Kosten des Klägers - Hilfe in Form der Heimerziehung. Anschließend hielt sie sich wieder bei ihrer Mutter auf und nahm die gleiche ambulante Erziehungshilfe wie ihre Schwester in Anspruch, die in ihrem - E. - Fall mit dem 31. Juli 2012 endete.
19Bereits unter dem 20. Januar 2010 stellte der Kläger in beiden Hilfefällen einen „Antrag auf Zuständigkeitswechsel und Kostenerstattung gemäß § 86 Abs. 5 Satz 2 und § 89c SGB VII“ bei der Beklagten und verwies auf ein eingeholtes Gutachten des Deutschen Instituts für Jugendhilfe und Familienrecht vom 7. Januar 2010. Die Beklagte lehnte diesen Antrag mit Schreiben vom 12. April 2010 ab und machte geltend, die Hilfegewährung sei im Juli bzw. August 2009 durch rechtskräftige Bescheide eingestellt worden, weil eine Mitwirkung der Jugendlichen oder der Mutter nicht mehr gegeben gewesen sei. Die erneute Hilfegewährung sei erst möglich gewesen, nachdem sich wieder eine Mitwirkungsbereitschaft entwickelt habe. Insofern handele es sich um eine neue Leistung, für die die örtliche Zuständigkeit neu zu prüfen gewesen sei.
20Mit seiner am 10. August 2010 erhobenen Klage hat der Kläger sein Erstattungsbegehren weiterverfolgt und vorgetragen, dass in den Hilfefällen ein durchgängiger Hilfebedarf bestanden habe, weshalb trotz kurzzeitiger formaler Unterbrechung von einer kontinuierlichen Leistungsgewährung und damit von der örtlichen Zuständigkeit der Beklagten auszugehen sei. Der Fortbestand des Hilfebedarfs habe sowohl dem Vormund als auch den Fachkräften des Sozialen Dienstes der Beklagten bekannt gewesen sein müssen. Die dennoch erfolgte Beendigung der Tätigkeit des Sozialen Dienstes der Beklagten sei gerade vor dem Hintergrund des Sorgerechtsentzugs nicht tragbar gewesen und habe eine Pflichtwidrigkeit im Sinne des § 89c Abs. 2 SGB VIII dargestellt.
21Der Kläger hat beantragt,
22- 23
1. die Beklagte zu verurteilen, ihm die in den Hilfefällen B. und E. V. in der Zeit vom 1. November 2009 bis zum 31. August 2010 aufgewandten Jugendhilfekosten in Höhe von 25.591,72 EUR zuzüglich eines Pflichtwidrigkeitszuschlags gemäß § 89c Abs. 2 SGB VIII in Höhe von 8.530,57 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 31. August 2010 zu erstatten,
- 25
2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger die in dem Hilfefall B. V. in der Zeit vom 1. September 2010 bis zum 22. April 2011 und in dem Hilfefall E. V. in der Zeit vom 1. September 2010 bis zum 31. März 2012 aufgewendeten Jugendhilfekosten zuzüglich eines Pflichtwidrigkeitszuschlags gemäß § 89c Abs. 2 SGB VIll nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz ab dem 1. April 2012 zu erstatten.
Die Beklagte hat beantragt,
27die Klage abzuweisen.
28Sie hat vorgetragen, dass der Kläger für die erneut gewährte Hilfe zur Erziehung zuständig gewesen sei. Die Einstellung der stationären Hilfe zur Erziehung im Sommer 2009 sei erst nach Gesprächen mit der Kindesmutter, den Jugendlichen selbst sowie dem Amtsvormund und nach Durchführung eines Fachgesprächs erfolgt. Der Hilfebedarf sei damals tatsächlich weggefallen. Sei dann später erneut ein Bedarf entstanden, habe dies zum Beginn einer neuen Hilfe mit einer erneuten zuständigkeitsrechtlichen Beurteilung geführt. Dies sei auch in dem vom Kläger eingeholten Gutachten des Deutschen Instituts für Jugendhilfe und Familienrecht so klargestellt worden. Von einem pflichtwidrigen Verhalten im Sinne des § 89c Abs. 2 SGB VIII könne schon deswegen nicht die Rede sein, weil die Hilfeeinstellung aufgrund der Weigerung der Betroffenen erfolgt sei, noch Leistungsangebote der Jugendhilfe anzunehmen. Es habe seitens der Familie V. keine Bereitschaft mehr zur Zusammenarbeit mit dem Jugendamt bestanden. Das SGB VIII kenne keine Verpflichtung der Personensorgeberechtigten, eine Hilfe zur Erziehung in Anspruch zu nehmen.
29Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit dem angefochtenen Urteil abgewiesen und ausgeführt: Ein Erstattungsanspruch des Klägers gegen die Beklagte bestehe nicht. Der Kläger habe die streitgegenständlichen Hilfen in eigener Zuständigkeit erbracht, weil es im Sommer 2009 zu einer Leistungsunterbrechung gekommen sei, infolge derer die örtlichen Zuständigkeit neu zu bestimmen gewesen sei. Im Rahmen der gebotenen Würdigung der Umstände des Einzelfalles komme es zunächst auf die Dauer der Leistungsunterbrechung an, die sich hier immerhin auf 4 bis 6 Monate belaufe. Entscheidend sei weiter, ob nach dem Geschehensablauf mit einer alsbaldigen Wiederaufnahme der Leistungen zu rechnen gewesen sei oder ob ein zukünftiger Hilfebedarf noch unklar gewesen sei. Ersteres sei vorliegend zu verneinen gewesen. Zwar habe weiterhin ein unabweisbarer Bedarf für eine Erziehungshilfe bestanden. Jedoch hätten seinerzeit B. und E. V. - und ihnen folgend deren Mutter - zum Ausdruck gebracht, jugendamtliche Hilfemaßnahmen nicht mehr in Anspruch nehmen zu wollen. Die weitere Entwicklung habe sich als offen dargestellt. Der Amtsvormund habe erst wieder Erziehungshilfe beantragt, als nach seiner fachlichen Einschätzung von einer Akzeptanz auszugehen gewesen sei. Dieses Vorgehen habe dem Grundsatz der Freiwilligkeit der Inanspruchnahme von Erziehungshilfen entsprochen.
30Zur Begründung der mit Beschluss des Senats vom 19. Februar 2013 zugelassenen Berufung macht der Kläger geltend, eine Neubestimmung der örtlichen Zuständigkeit sei nicht geboten gewesen. Die Feststellungen des Verwaltungsgerichts zu den zeitlichen Abläufen seien unvollständig und ungenau. Wann genau die Erziehungshilfe für B. V. eingestellt worden sei, ergebe sich aus dem angefochtenen Urteil nicht. Der tatsächliche Zeitraum einer Leistungsunterbrechung sei, falls eine solche überhaupt vorgelegen habe, deutlich kürzer gewesen als vom Verwaltungsgericht angenommen. Maßgeblich sei in diesem Zusammenhang nicht der Zeitpunkt der Wiederaufnahme der Leistungsgewährung, sondern der der Antragstellung durch den Amtsvormund im September und November 2009. Dass die Leistungsgewährung wirksam förmlich beendet worden sei und zu welchem Zeitpunkt, werde mit Nichtwissen bestritten. Bei Einstellung der Jugendhilfeleistungen sei von vornherein mit einer alsbaldigen Wiederaufnahme von Leistungen zu rechnen gewesen. Dafür habe das Alter der Geschwister, die bekannte Erziehungsunfähigkeit der Mutter und der - nach Auffassung aller mit dem Fall vertrauten Fachkräfte - fortbestehende unabweisbare Hilfebedarf gesprochen; auch sei die angebliche Ablehnung einer Mitwirkung durch die Geschwister nicht belegt. Es sei seinerzeit lediglich eine Frage der Zeit gewesen, dass die Geschwister erkennen würden, sie könnten und sollten nicht länger bei ihrer Mutter bleiben, und wieder jugendamtliche Hilfe in Anspruch nehmen würden. Zumindest eine ambulante Erziehungshilfe sei durchgehend erforderlich gewesen. Es sei nicht nachvollziehbar gewesen, wenn der Amtsvormund angenommen habe, die Geschwister würden nicht nur kurzzeitig jegliche Hilfeleistung durch das Jugendamt ablehnen. Selbst wenn diese nicht mehr bereit gewesen seien, stationäre Leistungen in Anspruch zu nehmen, habe das nicht jegliche Leistungen im Sinne des § 2 Abs. 2 SGB VIII ausgeschlossen. Der weitere Fortgang des Geschehens, so auch die wiederholten Inobhutnahmen, habe die anfängliche Wiederaufnahmeperspektive - zumindest mit Blick auf ambulante Hilfeleistungen - nachträglich bestätigt. Im Zusammenhang mit einer Hilfeablehnung könne von einer zuständigkeitsrelevanten Leistungsunterbrechung allenfalls die Rede sein, wenn der Amtsvormund ernsthafte Bemühungen unternommen hätte, die Jugendlichen zu einer Mitwirkung zu bewegen, und diese solche Bemühungen anhaltend ignoriert oder zurückgewiesen hätten. Daran fehle es hier aber. Hätte sich der Amtsvormund hinreichend bemüht und seine Verantwortlichkeit sachgerecht wahrgenommen, wäre es nie zu einer Einstellung von Jugendhilfeleistungen gekommen.
31Der Kläger beantragt,
32das Urteil des Verwaltungsgerichts Arnsberg vom 16. April 2012 abzuändern und
33- 34
1. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger die in den Hilfefällen B. und E. V. in der Zeit vom 9. Oktober 2009 bis zum 31. August 2010 aufgewandten Jugendhilfekosten in Höhe von 25.591,72 Euro zuzüglich eines Pflichtwidrigkeitszuschlags gemäß § 89c Abs. 2 SGB VIII in Höhe von 8.530,57 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31. August 2010 zu erstatten,
- 36
2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger die in dem Hilfefall B. V. in der Zeit vom 1. September 2010 bis zum 22. April 2011 und in dem Hilfefall E. V. in der Zeit vom 1. September 2010 bis zum 31. März 2012 aufgewendeten Jugendhilfekosten zuzüglich eines Pflichtwidrigkeitszuschlags gemäß § 89c Abs. 2 SGB VIll nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 1. April 2012 zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
38die Berufung zurückzuweisen.
39Sie vertritt den Standpunkt, dass sich die Frage der örtlichen Zuständigkeit neu gestellt habe. Es treffe nicht zu, dass das Verwaltungsgericht die zeitlichen Abläufe unvollständig festgestellt habe. Der Zeitpunkt der Leistungseinstellung habe sich aus den Bescheiden vom 3. Juli 2009 bzw. 19. August 2009 ergeben, die dem Vormund jeweils - wie üblich - am selben Tag persönlich übergeben worden seien. Entgegen der Auffassung des Klägers sei für die Ermittlung des Zeitraums der Leistungsunterbrechung nicht auf den Eingang des erneuten Antrags abzustellen, sondern vielmehr auf den nachfolgenden Beginn der konkreten Hilfeleistung. Insofern sei die Leistungserbringung hier für gut 5 ½ Monate (B. ) bzw. knapp 5 Monate (E. ) unterbrochen gewesen. Diese Zeiträume seien deutlich länger als die vom Bundesverwaltungsgericht für maßgeblich erachteten 3 Mo-nate. Mit einer baldigen Wiederaufnahme der Hilfen sei nicht zu rechnen gewesen. Aus dem Protokoll des Fachgesprächs vom 3. Juli 2009 ergebe sich, dass B. nicht zu einer Rückkehr in die Einrichtung in X1. zu bewegen gewesen sei. Die beteiligten Fachkräfte seien seinerzeit übereinstimmend zu dem Ergebnis gekommen, dass die Hilfe für sie unter den gegebenen Umständen einzustellen sei. Diese fachliche Einschätzung habe der Kläger nicht in Zweifel ziehen können. Gegen den Willen des Kindes und ohne seine Bereitschaft zur Mitwirkung sei eine Leistungsbewilligung nicht möglich gewesen. Entsprechendes habe auch im Fall von E. gegolten. Die Erwägungen, die zur Einstellung der Hilfen geführt hätten, seien aktenkundig. Der Kläger verkenne, dass es sich bei der Hilfeplanung um einen komplexen partizipativen Entscheidungsprozess handele, dessen Ergebnis verwaltungsgerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar sei und der durch eine nachträgliche Beurteilung nichtbeteiligter Stellen nicht ersetzt werden könne. Bei Einstellung der Hilfen sei nicht absehbar und schon gar nicht sicher gewesen, dass die Geschwister wieder eine Mitwirkungsbereitschaft zeigen würden. Ohne neuen Antrag des Amtsvormundes habe die Beklagte eine Hilfe auch gar nicht bewilligen können. Ob der Vormund hierzu verpflichtet gewesen wäre, wie der Kläger offenbar meine, sei nicht erheblich. Angesichts der relativen Weisungsfreiheit des Amtsvormundes sei eine unterstellte Pflichtverletzung seinerseits der Beklagten nicht zuzurechnen.
40Hinsichtlich des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung wird auf das Protokoll der öffentlichen Sitzung vom 21. März 2014 verwiesen.
41Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
42E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
43Die zulässige Berufung hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
44Die Leistungsklage ist statthaft und auch sonst zulässig. Soweit der in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat gestellte Antrag von dem in der 1. Instanz gestellten hinsichtlich des angegebenen Beginns des Leistungszeitraums abweicht (9. Oktober 2009 statt 1. November 2009), handelt es sich um eine Richtigstellung einer erkennbar irrtümlichen Falschbezeichnung, ohne dass damit das Klagebegehren der Sache nach erweitert worden wäre.
45Auch die Zulässigkeit der weiter erhobenen Feststellungsklage unterliegt nach § 43 VwGO keinen Bedenken.
46Vgl. zur Zulässigkeit eines Feststellungsantrags in einem sozialrechtlichen Kostenerstattungsstreit: OVG NRW, Urteile vom 25. Oktober 2005
47- 12 A 4342/03 -, juris, und vom 7. November 2003 - 12 A 3187/01 -, FEVS 55, 495, juris, m. w. N.
48Die Leistungs- und Feststellungsklagen sind jeweils teilweise begründet. Für die streitgegenständlichen Zeiträume der Hilfegewährung in den Hilfefällen B. und E. V. steht dem Kläger ein Erstattungsanspruch gegen die Beklagte nach § 89c Abs. 1 Satz 2 SGB VIII zu (dazu 1.). Den geltend gemachten Pflichtwidrigkeitszuschlag nach § 89c Abs. 2 SGB VIII (dazu 2.) kann der Kläger von der Beklagten indes ebenso wenig verlangen wie eine auf § 89b Abs. 1 SGB VIII zu stützende Erstattung der streitgegenständlichen Inobhutnahmekosten (dazu 3.).
491. Nach § 89c Abs. 1 Satz 2 SGB VIII sind Kosten, die ein örtlicher Träger im Rahmen seiner Verpflichtung nach § 86d SGB VIII aufgewendet hat, von dem örtlichen Träger zu erstatten, dessen Zuständigkeit durch den gewöhnlichen Aufenthalt nach §§ 86, 86a und 86b SGB VIII begründet wird.
50Der Kläger hat die streitgegenständlichen Kosten, soweit sie für Leistungen im Sinne von § 2 Abs. 2 SGB VIII angefallen sind, im Rahmen seiner Verpflichtung nach § 86d SGB VIII aufgewendet.
51Gemäß § 86d SGB VIII ist, wenn die örtliche Zuständigkeit nicht feststeht oder der zuständige örtliche Träger nicht tätig wird, der örtliche Träger vorläufig zum Tätigwerden verpflichtet, in dessen Bereich sich das Kind vor Beginn der Leistung tatsächlich aufhält. Demnach ist Voraussetzung für die Anwendung des § 86d SGB VIII, dass entweder die örtliche Zuständigkeit nicht feststeht (§ 86d Alt. 1 SGB VIII), was insbesondere der Fall sein kann, wenn Streit über die örtliche Zuständigkeit besteht oder ihre Klärung schwierig ist und längere Zeit erfordert,
52vgl. Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 4. Auflage 2011, § 86d Rn. 3; Kunkel, in: LPK-SGB VIII, 4. Auflage 2011, § 86d Rn. 3, Reisch, in: Jens/Happe/Saurbier/Maas, Kinder- und Jugendhilferecht, Stand Juli 2013, Erl. Art. 1 § 86d KJHG Rn. 7,
53oder die örtliche Zuständigkeit zwar feststeht, aber der zuständige örtliche Träger nicht tätig wird (§ 86d Alt. 2 SGB VIII),
54vgl. Wiesner, a. a. O., § 86d Rn. 4; Kunkel, a. a. O., § 86d Rn. 4; Reisch, a. a. O., § 86d Rn. 8.
55Hier war ersteres der Fall, da sich die Beteiligten bereits im Zeitpunkt der erneuten Hilfegewährung uneins darüber waren, wer als örtlich zuständiger Träger einzustehen hatte. In Anbetracht dessen liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass § 86d SGB VIII nicht greifen könnte, weil der Kläger von einer vermeintlichen eigenen Zuständigkeit ausgegangen wäre und deshalb nicht aufgrund einer Pflicht zumvorläufigen Tätigwerden gehandelt hätte.
56Vgl. zu diesem Aspekt: VG Würzburg, Urteil vom 19. September 2013 - W 3 K 12.223 -, juris, unter Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 28. März 1984 - 9a RV 50/82 -, juris (zu § 102 SGB X).
57Die Beklagte ist erstattungspflichtig, weil ihre Zuständigkeit durch den gewöhnlichen Aufenthalt nach § 86 SGB VIII begründet wurde.
58Gemäß § 86 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII richtet sich bei verschiedenen gewöhnlichen Aufenthalten der Elternteile die Zuständigkeit nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Elternteils, das personensorgeberechtigt ist. Zuständigkeitsrechtlich hat die Leistungserbringung vorliegend bereits mit der Heimunterbringung der Hilfeempfänger nach §§ 27, 34 SGB VIII im April 2006 begonnen. Die streitbefangenen Leistungen, deren Kostenaufwand der Kläger erstattet verlangt, stellen sich lediglich als Fortsetzung der früheren Leistung der Beklagten dar. Bei Beginn der als einheitlich zu wertenden Leistungserbringung im Jahre 2006 hatte die Mutter von B. und E. V. ihren gewöhnlichen Aufenthalt unzweifelhaft im Zuständigkeitsbereich der Beklagten, während der (nicht sorgeberechtigte) Vater offenbar im Zuständigkeitsbereich des Klägers wohnte. Die Mutter war seinerzeit auch (noch) personensorgeberechtigt; auf den vorherigen partiellen Entzug des Sorgerechts für E. kam es nicht an (vgl. § 86 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 SGB VIII). Abweichendes ergäbe sich auch dann nicht, wenn man im Falle von E. bereits auf den früheren Beginn der Hilfe zur Erziehung im Juli 2005 abstellte, weil die Aufenthaltsumstände seinerzeit identisch waren.
59Als somit entscheidungserheblicher Beginn der Leistung i. S. v. § 86 SGB VIII ist das Einsetzen der Hilfegewährung und damit grundsätzlich der Zeitpunkt anzusehen, ab dem die konkrete Hilfeleistung tatsächlich gegenüber dem Hilfeempfänger erbracht wird.
60Vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Oktober 2011
61- 5 C 25.10 -, BVerwGE 141, 77; a. A. noch: OVG NRW, Beschluss vom 27. Januar 2010 - 12 B 1717/09 -, juris, m. w. N.
62"Leistung", an deren Beginn § 86 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII ausweislich § 86 Abs. 5 SGB VIII für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit anknüpft, sind unabhängig von der Hilfeart und Hilfeform alle im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zur Deckung eines qualitativ unveränderten, kontinuierliche Hilfe gebietenden jugendhilferechtlichen Bedarfs erforderlichen Maßnahmen und Hilfen, sofern sie ohne Unterbrechung gewährt worden sind, und zwar auch dann, wenn sich bei einem auf einen längeren Zeitraum angelegten Hilfeprozess die Schwerpunkte innerhalb des Hilfebedarfs verschieben und die Ausgestaltung der Hilfe Modifikationen, Änderungen oder Ergänzungen bis hin zu einem Wechsel der Hilfeart erforderlich werden.
63Vgl. NdsOVG, Beschluss vom 14. März 2012
64- 4 LC 143/09 -, EuG 2012, 381, mit Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 29. Januar 2004 - 5 C 9.03 -, BVerwGE 120, 116, juris, bestätigt durch Urteile vom 23. März 2010 - 5 C 12.09 -, BVerwGE 136, 185, juris, und vom 19. Oktober 2011 - 5 C 25.10 -, BVerwGE 141, 77, juris.
65Im Vordergrund der Gesetzesauslegung steht dabei die Kontinuität einer bedarfsgerechten Hilfegewährung im Rahmen einer in aller Regel auf einen längeren Zeitraum angelegten Hilfegewährung. Der dementsprechend auf eine Gesamtbetrachtung des konkreten Hilfebedarfs abstellende zuständigkeitsrechtliche Leistungsbegriff bedeutet deshalb weder, dass jede neue Maßnahme der Jugendhilfe den Beginn einer neuen Leistung markiert, noch, dass es allein auf die erstmalige Gewährung von Jugendhilfe im Sinne eines Beginns einer „Jugendhilfekarriere“ ankommt.
66Vgl. auch OVG NRW, Beschluss vom 28. Feb-ruar 2012 - 12 A 1263/11 -, juris, m. w. N.
67Der Interpretation der höchstrichterlichen Rechtsprechung dahingehend, dass bei förmlicher Einstellung einer Jugendhilfeleistung immer auch eine Beendigung der Leistung vorliegt, sofern nicht im Zeitpunkt der Einstellung der Jugendhilfeleistung eine Anschlussleistung bereits bewilligt oder doch konkret geplant ist oder eine Zuständigkeitsvorschrift des SGB VIII ausnahmsweise anderes anordnet,
68so OVG Rh.-Pf., Urteil vom 13. Februar 2014
69- 7 A 11043/13 -, juris,
70folgt der Senat nicht, weil damit - ohne exakte Vorgabe im Gesetz außerhalb der ausdrücklich geregelten Ausnahmefälle - die Zuständigkeit von der subjektiven Einschätzung des zunächst leistenden Jugendamtes und nicht objektiv vom Hilfebedarf des Kindes oder Jugendlichen abhängig gemacht würde. Eine solche Perspektivverschiebung, die möglichen Manipulationen Tür und Tor öffnen würde, ist in der zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, die maßgeblich auf den Aspekt der Kontinuität des jugendhilferechtlichen Bedarfs - soweit dieser qualitativ unverändert fortbesteht - abstellt, nicht angelegt.
71Ist hiernach vielmehr eine den objektiven Gegebenheiten Rechnung tragende Gesamtbetrachtung vorzunehmen, inwieweit die Hilfeleistung bezogen auf den Bedarf eine zuständigkeitsrelevante Unterbrechung erfahren hat, führt diese im vorliegenden Fall zu dem Ergebnis, dass die erneute Hilfegewährung durch den Kläger in einem hinreichenden Fortsetzungszusammenhang mit der zuvor eingestellten Hilfe der Beklagten steht und sich daher nicht als „neue" Leistung darstellt.
72Dabei kommt es im Ansatz nicht entscheidend darauf an, ob die von der Beklagten verfügte Einstellung der Heimunterbringung bedarfsgerecht und damit rechtmäßig war. § 89f Abs. 1 Satz 1 SGB VIII betrifft nur die tatsächlich aufgewendeten Kosten, während es hier um die Würdigung des Umstandes, dass tatsächlich über einen Zeitraum von ca. 5 ½ Monaten (B. ) bzw. knapp 5 Monaten (E. ) keine Leistungen mehr erbracht worden sind, unter dem Gesichtspunkt des Zusammenhanges der Leistungsabschnitte geht. Anhaltspunkte dafür, dass die Hilfe, deren Kosten erstattet verlangt werden, für sich gesehen nicht rechtmäßig erbracht worden sein könnte, bestehen nicht. Insbesondere ist sie mit dem notwendigen Einverständnis des sorgeberechtigten Amtsvormunds erbracht worden.
73Vgl. zum Antragserfordernis etwa: NdsOVG, Beschluss vom 2. August 2013 - 4 LA 112/12 -, juris, OVG NRW, Urteil vom 25. Oktober 2005
74- 12 A 606/05 -, juris, jeweils m. w. N.
75Unter welchen Voraussetzungen bei einer Wiederaufnahme von Leistungen von einem zuständigkeitsrelevanten (Neu-)Beginn oder einer Fortsetzung auszugehen ist, regelt der hier maßgebliche § 86 Abs. 2 SGB VIII nicht kraft Gesetzes. Das SGB VIII stellt lediglich in anderen Vorschriften - nämlich §§ 86 Abs. 7 Satz 4, 86a Abs. 4 Satz 3, 86b Abs. 3 Satz 2 und 88 Abs. 2 Halbsatz 2 SGB VIII - im Zusammenhang mit der Frage eines Zuständigkeitswechsels auf den Gesichtspunkt der „Unterbrechung der Jugendhilfeleistungen“ ab. Dort misst es für bestimmte Leistungen und Hilfeempfänger - die hier jedoch nicht einschlägig sind - einer Unterbrechung der Leistung von bis zu 3 Monaten keine die bisherige Zuständigkeit in Frage stellende Bedeutung zu. Daneben beschränkt die „Unterbrechung der Leistung" gemäß § 95 Abs. 3 SGB VIII den Zeitraum der Wirksamkeit einer rechtswahrenden Anzeige, wenn dieser mehr als 2 Monate beträgt. Für die Frage eines - neuen - „Beginns der Leistung“ dürften alle diese Regelungen jedoch unmittelbar nichts hergeben.
76So auch: SächsOVG, Urteil vom 18. Januar 2010 - 1 A 753/08 -, juris; a. A. VG Ansbach, Urteil vom 14. Juni 2012 - AN 14 K 10.00668 -, juris, und NdsOVG, Beschluss vom 14. März 2012
77- 4 LC 143/09 -, EUG 2012, 381, juris, wonach Unterbrechungen unter 3 Monaten grundsätzlich außer Betracht bleiben sollen.
78Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der grundlegenden Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. Januar 2004 - 5 C 9.03 -, a. a. O. Die angeführten Vorschriften lassen jedoch zumindest erkennen, dass Hilfeleistungen nur dann als unterbrochen angesehen werden sollen, wenn sie während einer gewissen Zeit davor nicht erbracht wurden.
79Vgl. SächsOVG, a. a. O., mit Hinweis auf VGH C2. .-Württ., Urteil vom 15. September 1997
80- 9 S 174/96 -, FEVS 48, 131, juris.
81Entscheidend bleibt mangels weitergehender konkreter gesetzlicher Vorgaben für die Frage einer zuständigkeitsrelevanten Unterbrechung im Rahmen der einer Würdigung der Gesamtumstände danach, ob nach der Einstellung der Leistungen zum 3. Juli 2009 bzw. 19. August 2009 mit einer alsbaldigen Wiederaufnahme von Leistungen auf den gleichartigen Bedarf zu rechnen oder ein zukünftiger Hilfebedarf zumindest noch nicht hinreichend klar auszuschließen war. Die bloße Einstellung der Hilfe vermag insoweit für sich genommen nicht genügen, sofern sie nicht durch tragfähige Gesichtspunkte im Hinblick auf eine nicht absehbare zukünftige Hilfegewährung gestützt ist, d. h. eine konkretisierte Wiederaufnahmeperspektive nicht besteht.
82Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19. Februar 2013 - 12 A 2913/12 -, juris; SächsOVG, a. a. O.; VGH C2. .-Württ., a.a.O., VG Augsburg, Beschluss vom 13. April 2012 - Au 3 E 12.434 -, juris; Funke, in: LPK-SGB VIII, 4. Auflage 2011, § 86 Rn. 11, vgl. auch die Unterscheidung zwischen Abbruch und Unterbrechung bei: Kunkel, a. a. O., § 95 Rn. 29.
83Das bestimmt sich danach, wie sicher bei Einstellung der stationären Hilfe zur Erziehung nach §§ 27, 34 SGB VIII damit zu rechnen war, dass B. und E. Mutter dem Erziehungs- und Betreuungsbedarf der Jugendlichen ohne Inanspruchnahme zumindest ergänzender Hilfe zur Erziehung nach § 27 SGB VIII auf Dauer gerecht werden würde. Je mehr erwartet werden musste, dass sie diesen Bedarf nicht ohne professionelle Unterstützung würde abdecken können, umso konkreter zeichnete sich eine Wiederaufnahme der jugendamtlichen Hilfeleistung ab, wenn auch möglicherweise in weniger umfassender und intensiver Form.
84Daran orientiert ist im vorliegenden Fall festzustellen, dass - nach objektiven Maßstäben - schon bei Einstellung der Hilfe im Juli bzw. August 2009 von einer solchen konkretisierten Wiederaufnahmeperspektive auszugehen war.
85Dieser Würdigung ist zunächst zugrundezulegen, dass der seit Jahren bekannte Erziehungshilfebedarf unverändert und unabweisbar fortbestand. Dass die manifest erziehungsunfähige und nicht mehr sorgeberechtigte Mutter während der mehrjährigen Heimunterbringung ihrer Kinder an erzieherischer Kompetenz gewonnen haben sollte, war nicht anzunehmen. Ihre Lebensumstände, soweit aus den Akten ersichtlich, vermittelten auch im Zeitpunkt der Hilfeeinstellung nach wie vor einen eher desolaten Eindruck: So hatte sie, wie aus jugendamtlichen Gesprächsprotokollen und den Abschlussberichten der Einrichtung in X1. hervorgeht, ihre frühere Wohnung in T1. offenbar im Januar 2009 zwangsweise räumen müssen, hatte sich wiederholt nicht an Vereinbarungen zu Besuchskontakten gehalten und war alkoholisiert zu einem Sommerfest erschienen. Wie dem Vermerk über einen - vom Allgemeinen Sozialen Dienst des Jugendamtes des Klägers durchgeführten - unangekündigten Hausbesuch am 17. August 2009 zu entnehmen ist, erwies sich die von der Mutter seinerzeit bezogene Wohnung in C. als „verwahrlost“, die Böden „verschmutzt und mit Gerümpel bedeckt“; der Umstand, dass sie für B. und E. zwei Zimmer in einer Pension angemietet hatte, ließ die Wohnsituation nicht unbedenklicher erscheinen.
86Zu der Problematik fehlender Mitwirkungsbereitschaft auf Seiten der beiden Hilfeempfängerinnen und deren Mutter ist festzuhalten, dass die Beklagte es aufgrund der Übertragung des Personensorgerechts selbst in der Hand hatte, auf die Einleitung eines Verwaltungsverfahrens zur erneuten Gewährung von Jugendhilfeleistungen hinzuwirken; eines Antrags der - nicht sorgeberechtigten - Mutter bedurfte es insofern nicht, was das Verwaltungsgericht auch berücksichtigt hat.
87Hiervon zu trennen ist die - auf die Eignung in Betracht kommender Maßnahmen zielende - Frage, ob der Hilfebedürftige willens ist, eine seinem Bedarf entsprechende Hilfeleistung in Anspruch zu nehmen und sich in den Prozess der Hilfegewährung erfolgversprechend einzubringen. Dabei besteht keine Veranlassung, verallgemeinernd der Frage nachzugehen, unter welchen Umständen Erziehungshilfe auch gegen den erklärten Willen des Hilfebedürftigen zu leisten ist. Besteht nämlich, wie es hier der Fall war, nach Einstellung einer Hilfeleistung der Erziehungshilfebedarf unverändert fort, ist allenfalls unter sehr engen Voraussetzungen - die hier nicht vorlagen - darauf zu schließen, dass eine jegliche weitere Gewährung von gegebenenfalls auch andersartiger Erziehungshilfe absehbar ungeeignet erscheint, weil im Zeitpunkt der Beendigung der Hilfe anzunehmen ist, dem betroffenen Minderjährigen fehle es an der Mitwirkungsbereitschaft. Wenn selbst bei der Hilfe für junge Volljährige zu bedenken ist, dass eine mangelnde Mitwirkung des Hilfebedürftigen gerade auch durch Erziehungs- oder Entwicklungsdefizite, denen mit der Hilfe begegnet werden kann, bedingt sein mag,
88vgl. zu diesem Aspekt: OVG NRW, Beschluss vom 13. Januar 2012 - 12 B 1583/11 -, juris; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 16. Oktober 2003 - 19 L 2526/03 -, juris Rn. 10 ff.; Tammen, in: FK-SGB VIII, 7. Auflage 2013, § 41 Rn. 7; Wiesner, a. a. O., § 41 Rn. 24,
89und insofern eine gewisse Zurückhaltung geboten ist, wenn ein Ausschluss der (weiteren) Hilfegewährung wegen Kooperationsunwilligkeit des Betroffenen in Rede steht, so gilt dies erst recht bei der auf Kinder und Jugendliche zugeschnittenen Erziehungshilfe. Dort muss typischerweise mit sprunghaftem Verhalten und unüberlegten Willensäußerungen der Minderjährigen gerechnet werden. Eine zum Ausdruck gebrachte Ablehnung der weiteren Inanspruchnahme von Jugendhilfe wird häufig - und so auch hier - nicht darauf schließen lassen können, dass sie Ausdruck einer deutlich gefestigten und absehbar nicht veränderlichen inneren Haltung ist.
90Die vorliegenden Vorgänge, insbesondere die Abschlussberichte der Kinder- und Jugendhilfe X1. vom 19. August 2009 (B. ) bzw. 4. September 2009 (E. ) sowie die zahlreichen Protokolle vorangegangener Hilfeplangespräche, vermitteln das Bild eines sehr wechselhaften Beziehungsgefüges zwischen den Schwestern B. und E. auf der einen und der Mutter der beiden Mädchen auf der anderen Seite. Die Frage der Dauerhaftigkeit des im Juni 2009 - offenbar nach außen hin überraschend gefassten - Entschlusses der seinerzeit 16-jähri-gen B. , die Einrichtung in X1. zu verlassen, zur Mutter nach C. zu ziehen und Leistungen der Erziehungshilfe nicht mehr in Anspruch nehmen zu wollen, war vor diesem Hintergrund entsprechend zu würdigen. Aus dem Protokoll eines am 3. Juli 2009 geführten Fachgesprächs und einer E-Mail des Amtsvormunds, Herrn E9. , vom 25. Juni 2009 geht hervor, dass bei B. seinerzeit „keinerlei Problembewusstein“ bestanden habe und ihrer - nicht weiter begründeten - Meinung nach im Verhältnis zur Mutter nunmehr „alles in Ordnung“ gewesen sei, obwohl man in X1. „B. noch in jüngst zurückliegender Zeit wiederholt wütend und frustriert im Hinblick auf ihre Mutter“ erlebt habe. Schon in Anbetracht der darin deutlich zum Ausdruck kommenden unreflektierten Wahrnehmung der Unbeständigkeit ihrer Beziehung zur Mutter musste sich aufdrängen, dass die Einschätzung, nun sei „alles in Ordnung“, absehbar ebenso ins Wanken geraten würde wie die damit zusammenhängende Auffassung, ohne Jugendhilfe auszukommen; retrospektiv hat sich das bestätigt. Ebenso naheliegend war, dass sich in diesem Fall ein gleichförmiger Prozess auch bei der jüngeren Schwester E. vollziehen würde, deren Verhältnis zur Mutter offenbar, wie der Abschlussbericht vom 4. September 2009 andeutet, auch erst im Gefolge des Wegzugs B. nach C. wieder enger geworden war.
91Vor diesem Hintergrund erscheint die Annahme des Amtsvormundes in seinem an das Jugendamt des Klägers adressierten Antragsschreiben vom 17. November 2009, eine zunächst artikulierte Ablehnung der Hilfegewährung durch die beiden Schwestern schließe die Hilfe selbst nicht aus, es müsse dann erst versucht werden, „einen Zugang zu finden“, ebenso zutreffend wie bezeichnend; das hätte entsprechend auch schon im Zeitpunkt der vorangegangenen Einstellung der Hilfen gegolten.
92Die seinerzeit gleichfalls ablehnende Haltung der Mutter stand einer Wiederaufnahmeperspektive im dargelegten Sinne ebenso wenig entgegen. Ungeachtet der Frage, inwieweit ihre Ablehnung als gefestigt und gereift einzuschätzen war, drängte sich auf, dass bei fortdauernder Verweigerung eigener Mitwirkung Maßnahmen unausweichlich sein würden, bei denen es ihrer Beteiligung nicht bedurft hätte, gegebenenfalls bis hin zu einer erneuten Heimunterbringung.
932. Der weiter geforderte Verwaltungskostenzuschlag nach § 89c Abs. 2 SGB VIII steht dem Kläger allerdings nicht zu. Nach dieser Vorschrift hat der zuständige örtliche Träger zusätzlich einen Betrag in Höhe eines Drittels der Kosten, mindestens jedoch 50 Euro, zu erstatten, wenn der unzuständige örtliche Träger die Kosten deshalb aufgewendet hat, weil ersterer pflichtwidrig gehandelt hat. Hier fehlt es an einem pflichtwidrigen Handeln der Beklagten als demjenigen Jugendhilfeträger, der für die erneute Leistungserbringung nach der Hilfeeinstellung im Sommer 2009 örtlich zuständig war.
94Pflichtwidrigkeit wird in der Regel angenommen, wenn der erstattungspflichtige Träger seine Zuständigkeit erkannt hat bzw. bei Anwendung der ihm obliegenden Sorgfalt hätte erkennen müssen und dennoch die Hilfeleistung ablehnt, verzögert oder unzureichend gewährt. Dabei ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass dann, wenn der ersatzpflichtige Träger aufgrund einer schwierig zu beurteilenden rechtlichen Situation seine Ersatzpflicht ablehnt bzw. im Kompetenzkonflikt mit einem anderen Jugendhilfeträger seine Zuständigkeit aus rechtlichen Erwägungen heraus verneint, pflichtwidriges Verhalten ausscheiden kann; nicht jeder Rechtsirrtum ist pflichtwidrig.
95Vgl. zum Vorstehenden: OVG M.-V., Urteil vom 30. November 2011 - 1 L 71/09 -, juris, m. w. N.
96Davon ausgehend ist der Beklagten, auch wenn sie ihre (weitere) Zuständigkeit nach Einstellung der Hilfegewährung im Juli bzw. August 2009 zu Unrecht verneint hat, nicht der Vorwurf pflichtwidriger Untätigkeit zu machen. Denn die Prüfung der Zuständigkeit erforderte hier eine umfassende und keineswegs allein nach schematischen Kriterien zu bewältigende Würdigung der maßgeblichen Umstände des Einzelfalles, bei der die gesamte „Jugendhilfekarriere“ der Schwestern, die Lebensumstände der Mutter und die Beziehung beider Seiten zueinander in den Blick zu nehmen waren. Vor diesem Hintergrund erwies sich die Beantwortung der Zuständigkeitsfrage jedenfalls als so schwierig, dass die Fehlerhaftigkeit des Ergebnisses der Beklagten nicht als sorgfaltswidrig angelastet werden kann. Die Komplexität der rechtlichen Prüfung wird dadurch unterstrichen, dass sich der Kläger zur Klärung der Zuständigkeit sowohl an das Deutsche Institut für Jugendhilfe und Familienrecht als auch an das Landesjugendamt gewandt, das Verwaltungsgericht seine angefochtene - einen Zuständigkeitswechsel bejahende - Entscheidung u. a. auf die Ergebnisse einer eingehenden Befragung des Amtsvormundes in der mündlichen Verhandlung gestützt und der Senat die Berufung aufgrund besonderer Schwierigkeiten im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zugelassen hat.
973. Die geltend gemachten Kosten der Inobhutnahmen hat die Beklagte dem Kläger ebenfalls nicht zu erstatten. Die als Grundlage eines Erstattungsanspruchs allein in Betracht kommende Vorschrift des § 89b Abs. 1 SGB VIII greift nicht. Hiernach sind Kosten, die ein örtlicher Träger im Rahmen der Inobhutnahme von Kindern und Jugendlichen (§ 42 SGB VIII) aufgewendet hat, von dem örtlichen Träger zu erstatten, dessen Zuständigkeit durch den gewöhnlichen Aufenthalt nach § 86 SGB VIII begründet wird. Letzterer war indes nicht die Beklagte, sondern vielmehr der Kläger.
98Für die Zuständigkeitsbestimmung entsprechend § 86 SGB VIII, die § 89b SGB VIII verlangt, ist in Abgrenzung zum einheitlichen Leistungsbegriff auf den Zeitpunkt des Beginns der Inobhutnahme abzustellen, auch wenn bereits eine Leistung der Jugendhilfe gewährt wurde oder wird.
99Vgl. Eschenbach/Schindler, in: FK-SGB VIII, 7. Auflage 2013, § 89b Rn. 1; Reisch, a. a. O., Erl. § 89b Art. 1 KJHG Rn. 2.
100Dieser Ansatz folgt der in § 2 SGB VIII angelegten Differenzierung zwischen „Leistungen“ und „anderen Aufgaben“ der Jugendhilfe. Das Gesetz nennt die Inobhutnahme nicht im Katalog der Leistungen der Jugendhilfe (§ 2 Abs. 2 SGB VIII), sondern führt sie ausdrücklich in § 2 Abs. 3 Nr. 1 SGB VIII unter der Kategorie der sonstigen Aufgaben der Jugendhilfe auf. Diese systematische und begriffliche Unterscheidung setzt sich in den Regelungen über die örtliche Zuständigkeit fort. Insofern ist der Übergang von einer Inobhutnahme zur Gewährung von Hilfe zur Erziehung - auch bei einem an sich nicht qualitativ veränderten Bedarf - nicht mit einem bloßen Wechsel innerhalb des Leistungskatalogs des § 2 Abs. 2 SGB VIII gleichzusetzen,
101vgl. BVerwG, Urteil vom 25. März 2010
102- 5 C 12.09 -, BVerwGE 136, 185, juris,
103wobei Entsprechendes gleichermaßen im umgekehrten Verhältnis zu gelten hat.
104Auch die hinter der Regelung des § 89b SGB VIII stehende Zielsetzung, Großstädte und andere Zentralorte zu entlasten, in denen, weil es sich um typische Anziehungspunkte für schutzbedürftige Kinder und Jugendliche handelt, die Jugendhilfeträger in erhöhtem Maße vorläufige Schutzmaßnahmen ergreifen müssen,
105vgl. hierzu nur Reisch, a. a. O., Erl. § 89b Art. 1 KJHG Rn. 1; Kunkel, a. a. O, § 89b Rn. 1; Wiesner, a. a. O., § 89b Rn. 1,
106rechtfertigt es nicht, bei der durch den gewöhnlichen Aufenthalt begründeten Kostenverantwortlichkeit - abweichend vom Zeitpunkt des Maßnahmebeginns - auf weiter zurückliegende Aufenthaltsumstände abzustellen, wenn vor der Inob-hutnahme Leistungen der Jugendhilfe i. S. d. § 2 Abs. 2 SGB VIII erbracht wurden.
107Hiervon ausgehend lag bei Beginn der hier streitgegenständlichen Inobhutnah-men, die vom 9. Oktober 2009 bis zum 10. November 2009 (B. ) bzw. vom 19. November 2009 bis zum 12. Januar 2010 (E. ) andauerten, in beiden Fällen ein gewöhnlicher Aufenthalt im Zuständigkeitsbereich des Klägers vor, wie aus einer entsprechenden Anwendung von § 86 Abs. 3 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 SGB VIII folgt. Denn sowohl B. als auch E. hatten, bevor sie am 9. Oktober 2009 bzw. 19. November 2009 in Obhut genommen wurden, ihren gewöhnlichen Aufenthalt bei der in C. wohnhaften Mutter.
108Der Anspruch auf die geltend gemachten Zinsen ab Rechtshängigkeit folgt aus der entsprechenden Anwendung der §§ 291, 188 BGB stützen. Diese Vorschriften gelten vorbehaltlich spezieller Regelungen in den Fachgesetzen auch für öffentlich-rechtliche Geldschulden.
109Vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Januar 2014 - 5 C 8.13 -, juris; Beschluss vom 21. Januar 2010
110- 9 B 66.08 -, DVBl. 2010, 575, juris; OVG NRW, Urteil vom 16. September 2011 - 12 A 2308/10 -, juris.
111Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 155 Abs. 1 Satz 1, 188 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO.
112Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
113Die Revision war nach § 132 Abs. 2 VwGO zuzulassen, weil die Frage, ob in der förmlichen Einstellung der Jugendhilfe regelmäßig die zuständigkeitsrechtliche Beendigung der Leistung liegt, von grundsätzlicher Bedeutung ist.
(1) Für die Gewährung von Leistungen nach diesem Buch ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich die Eltern ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. An die Stelle der Eltern tritt die Mutter, wenn und solange die Vaterschaft nicht anerkannt oder gerichtlich festgestellt ist. Lebt nur ein Elternteil, so ist dessen gewöhnlicher Aufenthalt maßgebend.
(2) Haben die Elternteile verschiedene gewöhnliche Aufenthalte, so ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich der personensorgeberechtigte Elternteil seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat; dies gilt auch dann, wenn ihm einzelne Angelegenheiten der Personensorge entzogen sind. Steht die Personensorge im Fall des Satzes 1 den Eltern gemeinsam zu, so richtet sich die Zuständigkeit nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Elternteils, bei dem das Kind oder der Jugendliche vor Beginn der Leistung zuletzt seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Hatte das Kind oder der Jugendliche im Fall des Satzes 2 zuletzt bei beiden Elternteilen seinen gewöhnlichen Aufenthalt, so richtet sich die Zuständigkeit nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Elternteils, bei dem das Kind oder der Jugendliche vor Beginn der Leistung zuletzt seinen tatsächlichen Aufenthalt hatte. Hatte das Kind oder der Jugendliche im Fall des Satzes 2 während der letzten sechs Monate vor Beginn der Leistung bei keinem Elternteil einen gewöhnlichen Aufenthalt, so ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich das Kind oder der Jugendliche vor Beginn der Leistung zuletzt seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte; hatte das Kind oder der Jugendliche während der letzten sechs Monate keinen gewöhnlichen Aufenthalt, so richtet sich die Zuständigkeit nach dem tatsächlichen Aufenthalt des Kindes oder des Jugendlichen vor Beginn der Leistung.
(3) Haben die Elternteile verschiedene gewöhnliche Aufenthalte und steht die Personensorge keinem Elternteil zu, so gilt Absatz 2 Satz 2 und 4 entsprechend.
(4) Haben die Eltern oder der nach den Absätzen 1 bis 3 maßgebliche Elternteil im Inland keinen gewöhnlichen Aufenthalt, oder ist ein gewöhnlicher Aufenthalt nicht feststellbar, oder sind sie verstorben, so richtet sich die Zuständigkeit nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes oder des Jugendlichen vor Beginn der Leistung. Hatte das Kind oder der Jugendliche während der letzten sechs Monate vor Beginn der Leistung keinen gewöhnlichen Aufenthalt, so ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich sich das Kind oder der Jugendliche vor Beginn der Leistung tatsächlich aufhält.
(5) Begründen die Elternteile nach Beginn der Leistung verschiedene gewöhnliche Aufenthalte, so wird der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich der personensorgeberechtigte Elternteil seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat; dies gilt auch dann, wenn ihm einzelne Angelegenheiten der Personensorge entzogen sind. Solange in diesen Fällen die Personensorge beiden Elternteilen gemeinsam oder keinem Elternteil zusteht, bleibt die bisherige Zuständigkeit bestehen. Absatz 4 gilt entsprechend.
(6) Lebt ein Kind oder ein Jugendlicher zwei Jahre bei einer Pflegeperson und ist sein Verbleib bei dieser Pflegeperson auf Dauer zu erwarten, so ist oder wird abweichend von den Absätzen 1 bis 5 der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich die Pflegeperson ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. Er hat die Eltern und, falls den Eltern die Personensorge nicht oder nur teilweise zusteht, den Personensorgeberechtigten über den Wechsel der Zuständigkeit zu unterrichten. Endet der Aufenthalt bei der Pflegeperson, so endet die Zuständigkeit nach Satz 1.
(7) Für Leistungen an Kinder oder Jugendliche, die um Asyl nachsuchen oder einen Asylantrag gestellt haben, ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich sich die Person vor Beginn der Leistung tatsächlich aufhält; geht der Leistungsgewährung eine Inobhutnahme voraus, so bleibt die nach § 87 begründete Zuständigkeit bestehen. Unterliegt die Person einem Verteilungsverfahren, so richtet sich die örtliche Zuständigkeit nach der Zuweisungsentscheidung der zuständigen Landesbehörde; bis zur Zuweisungsentscheidung gilt Satz 1 entsprechend. Die nach Satz 1 oder 2 begründete örtliche Zuständigkeit bleibt auch nach Abschluss des Asylverfahrens so lange bestehen, bis die für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit maßgebliche Person einen gewöhnlichen Aufenthalt im Bereich eines anderen Trägers der öffentlichen Jugendhilfe begründet. Eine Unterbrechung der Leistung von bis zu drei Monaten bleibt außer Betracht.
Tenor
Das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts vom 16. April 2012 wird abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger die in den Hilfefällen B. und E. V. in der Zeit vom 9. Oktober 2009 bis zum 31. August 2010 aufgewendeten Jugendhilfekosten - mit Ausnahme der auf die Inobhutnahmen vom 9. Oktober 2009 bis 10. November 2009 (B. ) und vom 19. November 2009 bis 12. Januar 2010 (E. ) entfallenden Kosten - nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31. August 2010 zu erstatten.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger in dem Hilfefall B. V. die in der Zeit vom 1. September 2010 bis zum 22. April 2011 und in dem Hilfefall E. V. die in der Zeit vom 1. September 2010 bis zum 31. März 2012 aufgewendeten Jugendhilfekosten nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 1. April 2012 zu erstatten.
Die darüber hinausgehende Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen tragen der Kläger zu 2/5 und die Beklagte zu 3/5.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beteiligten dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweils andere vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
1
T a t b e s t a n d:
2Der Kläger begehrt die Erstattung von Jugendhilfekosten, die er in den Jahren 2009 bis 2012 für die Geschwister B. und E. V. aufgewendet hat, und die Zahlung eines Pflichtwidrigkeitszuschlags.
3B. V. , geb. am 1993, und E. V. , geb. am 1995, sind Kinder der im Jahre 1976 geborenen - und ursprünglich allein personensorgeberechtigten - T. V. , die zwei weitere Töchter (geb. 1999 und 2002) hat.
4Mit Beschluss vom 20. Juni 2005 entzog das Amtsgericht T1. der Frau V. die elterliche Sorge für die Tochter E. , soweit es um die Befugnis zur Beantragung von Erziehungshilfe ging, und übertrug diese dem Jugendamt der Beklagten, in dessen Zuständigkeitsbereich die Familie seinerzeit wohnte. In der Zeit vom 14. Juli 2005 bis zum 4. November 2005 leistete die Beklagte Erziehungshilfe für E. in Gestalt einer sozialpädagogischen Familienhilfe.
5Durch Beschluss vom 15. Februar 2006 übertrug das Amtsgericht das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die vier Kinder dem Jugendamt der Beklagten im Wege der einstweiligen Anordnung. In den Gründen der Entscheidung verwies das Amtsgericht darauf, dass das Jugendamt bereits seit geraumer Zeit erhebliche Mängel bei der Versorgung der Kinder habe feststellen müssen. Alle in der Vergangenheit unternommenen Versuche, die Kinder in der Obhut der Mutter zu belassen und Gefährdungen der Kinder durch Hilfemaßnahmen von außen abzuwenden, müssten als gescheitert angesehen werden.
6Am 15. bzw. 17. Februar 2006 wurden alle vier Töchter durch das Jugendamt der Beklagten in Obhut genommen. B. und E. wurden in der Einrichtung Kin-der- und Jugendhilfe X. in X1. untergebracht. Auf die Anträge der Mutter bzw. des Amtsvormundes (im Falle E. ) gewährte die Beklagte für beide Kinder ab dem 4. April 2006 Erziehungshilfe in Gestalt von Heimerziehung gemäß §§ 27, 34 SGB VIII, die in der Einrichtung in X1. fortgeführt wurde.
7Durch Beschluss vom 21. Januar 2008 übertrug das Amtsgericht T1. das Sorgerecht für alle vier Töchter von der Mutter (vollständig) auf das Jugendamt der Beklagten, das Herrn K. E9. als Amtsvormund (im Falle E. : weiterhin) mit der Ausübung der Vormundschaft betraute.
8Am 26. Februar 2009 verzog die Mutter von T1. nach C. . Unter dem 3. Juni 2009 wandte sich die Beklagte an das Jugendamt des klagenden Kreises und bat mit Hinweis auf den Wohnsitzwechsel der Mutter um „Übernahme der Hilfefälle zu nächstmöglichen Zeitpunkt und um Anerkennung Ihrer Kostenerstattungspflicht ab 26.02.09“. Dazu äußerte sich der Kläger mit Datum vom 8. Juni 2009 ablehnend; die Beklagte sei nach § 86 Abs. 5 SGB VIII zuständig. Diese Auffassung erkannte das Jugendamt der Beklagten - laut Aktenvermerk vom 18. Juni 2009 - als richtig an.
9Ende Juni 2009 verließ B. die Einrichtung in X1. aus eigenem Entschluss und wechselte in den Haushalt ihrer Mutter. In einem Fachgesprächsprotokoll des Jugendamtes der Beklagten vom 3. Juli 2009 hieß es hierzu u. a.:
10„B. ist nicht mehr zu einer Rückkehr in die Gruppe zu bewegen. … Es wurde deutlich, dass keinerlei Problembewusstsein besteht, sondern angeblich nun ‚alles in Ordnung‘ sei, ohne dass dies dargelegt wurde. In X1. wurde erlebt, dass B. noch in jüngst zurückliegender Zeit wiederholt wütend und frustriert im Hinblick auf ihre Mutter war … Es besteht keinerlei Austauschbereitschaft und keine Möglichkeit der Einflussnahme mehr. Die Jugendhilfe ist mit heutigem Datum - wenn auch mit großem Bedauern und prognostisch für B. bedenklich - zu beenden.“
11Mit an den Amtsvormund adressiertem Bescheid vom 3. Juli 2009 stellte die Beklagte die Hilfe für B. „nach umfassenden Bemühungen um Aufrechterhaltung der Hilfe“ zum 3. Juli 2009 ein.
12Aus einem an die Kinder- und Jugendhilfe X1. gerichteten Schreiben des Jugendamtes der Beklagten vom 15. bzw. 23. Juli 2009 geht hervor, dass sich E. , nachdem deren Schwester B. „gegen ausdrückliche fachliche Empfehlung“ die Einrichtung verlassen habe, nunmehr ebenfalls „schwankend hinsichtlich ihres Verbleibs in der Einrichtung“ zeige. E. hatte zu dieser Zeit bereits häufiger den Wunsch geäußert, ebenfalls wieder bei ihrer Mutter leben zu wollen. Sie verließ die Einrichtung am 18. Juli 2009 und nahm lediglich noch am 4. August 2009 an einer Ferienaktion teil (vgl. hierzu den Abschlussbericht der Kinder- und Jugendhilfe X1. vom 4. September 2009).
13In einer Nachricht an die Einrichtung in X1. (wohl vom 18. August 2009) führte die Sachbearbeiterin des Jugendamtes des Beklagten aus:
14„Bezgl. E. steht ja ganz aktuell die Frage im Raum, die Hilfe einzustellen. Versuche, an E. noch heranzukommen, scheiterten …. Heute fährt der Vormund noch mal hin und dann wird - nach langem Offenhalten der HzE - die Entscheidung über das Ende fallen müssen. Ein HPG mit allen wird wenig bringen: entweder zementiertes Bekunden, wie klasse alles ist … oder kein Erscheinen der Hauptpersonen. Wir halten die Lage für völlig unerquicklich für beide ‚Kinder‘, aber sehen wenig Möglichkeiten, etwas zu bewirken …“.
15Der Amtsvormund, Herr E9. , hielt in einer E-Mail an das Jugendamt der beklagten Stadt vom 19. August 2009 u. a. fest, er habe E. am Vortage in der Wohnung der Großmutter mütterlicherseits angetroffen. Sie habe seinen Vorschlag, solange in X1. zu bleiben, bis ihre Mutter akzeptable wohnliche Verhältnisse geschaffen habe, zurückgewiesen, aber nicht erklären können, was sie motiviere, aus X. weg und zur Mutter hin zu wollen. Sie habe mitgeteilt, sie fühle sich bei der Mutter wohl, die in Kürze Ordnung schaffen werde; bis dahin bleibe sie bei der Großmutter. Argumenten und Vernunftaspekten gegenüber sei E. nicht zugänglich gewesen; sie habe kein wirkliches Gespräch zugelassen, sondern immer wieder nur geäußert, bei der Mutter leben zu wollen.
16Mit Bescheid vom 19. August 2009 - wiederum adressiert an den Amtsvormund - stellte die Beklagte die Hilfe auch für E. „nach umfassenden, leider vergeblichen Bemühungen um Aufrechterhaltung der Hilfe mit heutigem Datum“ ein.
17B. ließ sich am 7. September 2009 in T4. und am 9. Oktober 2009 in C. als Selbstmelderin in Obhut nehmen und kehrte aus den Inobhutnahmen jeweils wieder zur Mutter zurück. Die zweite Inobhutnahme, die bis zum 10. November 2009 andauerte, fand auf Kosten des Klägers statt.
18Mit Datum vom 17. November 2009 stellte der Amtsvormund für B. und E. einen Antrag auf Hilfen nach den §§ 27 ff. SGB VIII bei dem Kläger. Dieser bewilligte mit Bescheid vom 6. Januar 2010 Erziehungshilfe in Form einer Erziehungsbeistandschaft für B. beginnend ab dem 21. Dezember 2009; vom 15. April 2010 an wurde die Hilfeleistung - bis zum 22. April 2011 - in Gestalt einer sozialpädagogischen Familienhilfe fortgesetzt. E. ließ sich am 19. November 2009 durch das Jugendamt des Klägers in Obhut nehmen; die Inobhutnahme dauerte bis zum 12. Januar 2010 an. Vom 13. Januar 2010 bis zum 14. April 2010 erhielt sie - ebenfalls auf Kosten des Klägers - Hilfe in Form der Heimerziehung. Anschließend hielt sie sich wieder bei ihrer Mutter auf und nahm die gleiche ambulante Erziehungshilfe wie ihre Schwester in Anspruch, die in ihrem - E. - Fall mit dem 31. Juli 2012 endete.
19Bereits unter dem 20. Januar 2010 stellte der Kläger in beiden Hilfefällen einen „Antrag auf Zuständigkeitswechsel und Kostenerstattung gemäß § 86 Abs. 5 Satz 2 und § 89c SGB VII“ bei der Beklagten und verwies auf ein eingeholtes Gutachten des Deutschen Instituts für Jugendhilfe und Familienrecht vom 7. Januar 2010. Die Beklagte lehnte diesen Antrag mit Schreiben vom 12. April 2010 ab und machte geltend, die Hilfegewährung sei im Juli bzw. August 2009 durch rechtskräftige Bescheide eingestellt worden, weil eine Mitwirkung der Jugendlichen oder der Mutter nicht mehr gegeben gewesen sei. Die erneute Hilfegewährung sei erst möglich gewesen, nachdem sich wieder eine Mitwirkungsbereitschaft entwickelt habe. Insofern handele es sich um eine neue Leistung, für die die örtliche Zuständigkeit neu zu prüfen gewesen sei.
20Mit seiner am 10. August 2010 erhobenen Klage hat der Kläger sein Erstattungsbegehren weiterverfolgt und vorgetragen, dass in den Hilfefällen ein durchgängiger Hilfebedarf bestanden habe, weshalb trotz kurzzeitiger formaler Unterbrechung von einer kontinuierlichen Leistungsgewährung und damit von der örtlichen Zuständigkeit der Beklagten auszugehen sei. Der Fortbestand des Hilfebedarfs habe sowohl dem Vormund als auch den Fachkräften des Sozialen Dienstes der Beklagten bekannt gewesen sein müssen. Die dennoch erfolgte Beendigung der Tätigkeit des Sozialen Dienstes der Beklagten sei gerade vor dem Hintergrund des Sorgerechtsentzugs nicht tragbar gewesen und habe eine Pflichtwidrigkeit im Sinne des § 89c Abs. 2 SGB VIII dargestellt.
21Der Kläger hat beantragt,
22- 23
1. die Beklagte zu verurteilen, ihm die in den Hilfefällen B. und E. V. in der Zeit vom 1. November 2009 bis zum 31. August 2010 aufgewandten Jugendhilfekosten in Höhe von 25.591,72 EUR zuzüglich eines Pflichtwidrigkeitszuschlags gemäß § 89c Abs. 2 SGB VIII in Höhe von 8.530,57 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 31. August 2010 zu erstatten,
- 25
2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger die in dem Hilfefall B. V. in der Zeit vom 1. September 2010 bis zum 22. April 2011 und in dem Hilfefall E. V. in der Zeit vom 1. September 2010 bis zum 31. März 2012 aufgewendeten Jugendhilfekosten zuzüglich eines Pflichtwidrigkeitszuschlags gemäß § 89c Abs. 2 SGB VIll nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz ab dem 1. April 2012 zu erstatten.
Die Beklagte hat beantragt,
27die Klage abzuweisen.
28Sie hat vorgetragen, dass der Kläger für die erneut gewährte Hilfe zur Erziehung zuständig gewesen sei. Die Einstellung der stationären Hilfe zur Erziehung im Sommer 2009 sei erst nach Gesprächen mit der Kindesmutter, den Jugendlichen selbst sowie dem Amtsvormund und nach Durchführung eines Fachgesprächs erfolgt. Der Hilfebedarf sei damals tatsächlich weggefallen. Sei dann später erneut ein Bedarf entstanden, habe dies zum Beginn einer neuen Hilfe mit einer erneuten zuständigkeitsrechtlichen Beurteilung geführt. Dies sei auch in dem vom Kläger eingeholten Gutachten des Deutschen Instituts für Jugendhilfe und Familienrecht so klargestellt worden. Von einem pflichtwidrigen Verhalten im Sinne des § 89c Abs. 2 SGB VIII könne schon deswegen nicht die Rede sein, weil die Hilfeeinstellung aufgrund der Weigerung der Betroffenen erfolgt sei, noch Leistungsangebote der Jugendhilfe anzunehmen. Es habe seitens der Familie V. keine Bereitschaft mehr zur Zusammenarbeit mit dem Jugendamt bestanden. Das SGB VIII kenne keine Verpflichtung der Personensorgeberechtigten, eine Hilfe zur Erziehung in Anspruch zu nehmen.
29Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit dem angefochtenen Urteil abgewiesen und ausgeführt: Ein Erstattungsanspruch des Klägers gegen die Beklagte bestehe nicht. Der Kläger habe die streitgegenständlichen Hilfen in eigener Zuständigkeit erbracht, weil es im Sommer 2009 zu einer Leistungsunterbrechung gekommen sei, infolge derer die örtlichen Zuständigkeit neu zu bestimmen gewesen sei. Im Rahmen der gebotenen Würdigung der Umstände des Einzelfalles komme es zunächst auf die Dauer der Leistungsunterbrechung an, die sich hier immerhin auf 4 bis 6 Monate belaufe. Entscheidend sei weiter, ob nach dem Geschehensablauf mit einer alsbaldigen Wiederaufnahme der Leistungen zu rechnen gewesen sei oder ob ein zukünftiger Hilfebedarf noch unklar gewesen sei. Ersteres sei vorliegend zu verneinen gewesen. Zwar habe weiterhin ein unabweisbarer Bedarf für eine Erziehungshilfe bestanden. Jedoch hätten seinerzeit B. und E. V. - und ihnen folgend deren Mutter - zum Ausdruck gebracht, jugendamtliche Hilfemaßnahmen nicht mehr in Anspruch nehmen zu wollen. Die weitere Entwicklung habe sich als offen dargestellt. Der Amtsvormund habe erst wieder Erziehungshilfe beantragt, als nach seiner fachlichen Einschätzung von einer Akzeptanz auszugehen gewesen sei. Dieses Vorgehen habe dem Grundsatz der Freiwilligkeit der Inanspruchnahme von Erziehungshilfen entsprochen.
30Zur Begründung der mit Beschluss des Senats vom 19. Februar 2013 zugelassenen Berufung macht der Kläger geltend, eine Neubestimmung der örtlichen Zuständigkeit sei nicht geboten gewesen. Die Feststellungen des Verwaltungsgerichts zu den zeitlichen Abläufen seien unvollständig und ungenau. Wann genau die Erziehungshilfe für B. V. eingestellt worden sei, ergebe sich aus dem angefochtenen Urteil nicht. Der tatsächliche Zeitraum einer Leistungsunterbrechung sei, falls eine solche überhaupt vorgelegen habe, deutlich kürzer gewesen als vom Verwaltungsgericht angenommen. Maßgeblich sei in diesem Zusammenhang nicht der Zeitpunkt der Wiederaufnahme der Leistungsgewährung, sondern der der Antragstellung durch den Amtsvormund im September und November 2009. Dass die Leistungsgewährung wirksam förmlich beendet worden sei und zu welchem Zeitpunkt, werde mit Nichtwissen bestritten. Bei Einstellung der Jugendhilfeleistungen sei von vornherein mit einer alsbaldigen Wiederaufnahme von Leistungen zu rechnen gewesen. Dafür habe das Alter der Geschwister, die bekannte Erziehungsunfähigkeit der Mutter und der - nach Auffassung aller mit dem Fall vertrauten Fachkräfte - fortbestehende unabweisbare Hilfebedarf gesprochen; auch sei die angebliche Ablehnung einer Mitwirkung durch die Geschwister nicht belegt. Es sei seinerzeit lediglich eine Frage der Zeit gewesen, dass die Geschwister erkennen würden, sie könnten und sollten nicht länger bei ihrer Mutter bleiben, und wieder jugendamtliche Hilfe in Anspruch nehmen würden. Zumindest eine ambulante Erziehungshilfe sei durchgehend erforderlich gewesen. Es sei nicht nachvollziehbar gewesen, wenn der Amtsvormund angenommen habe, die Geschwister würden nicht nur kurzzeitig jegliche Hilfeleistung durch das Jugendamt ablehnen. Selbst wenn diese nicht mehr bereit gewesen seien, stationäre Leistungen in Anspruch zu nehmen, habe das nicht jegliche Leistungen im Sinne des § 2 Abs. 2 SGB VIII ausgeschlossen. Der weitere Fortgang des Geschehens, so auch die wiederholten Inobhutnahmen, habe die anfängliche Wiederaufnahmeperspektive - zumindest mit Blick auf ambulante Hilfeleistungen - nachträglich bestätigt. Im Zusammenhang mit einer Hilfeablehnung könne von einer zuständigkeitsrelevanten Leistungsunterbrechung allenfalls die Rede sein, wenn der Amtsvormund ernsthafte Bemühungen unternommen hätte, die Jugendlichen zu einer Mitwirkung zu bewegen, und diese solche Bemühungen anhaltend ignoriert oder zurückgewiesen hätten. Daran fehle es hier aber. Hätte sich der Amtsvormund hinreichend bemüht und seine Verantwortlichkeit sachgerecht wahrgenommen, wäre es nie zu einer Einstellung von Jugendhilfeleistungen gekommen.
31Der Kläger beantragt,
32das Urteil des Verwaltungsgerichts Arnsberg vom 16. April 2012 abzuändern und
33- 34
1. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger die in den Hilfefällen B. und E. V. in der Zeit vom 9. Oktober 2009 bis zum 31. August 2010 aufgewandten Jugendhilfekosten in Höhe von 25.591,72 Euro zuzüglich eines Pflichtwidrigkeitszuschlags gemäß § 89c Abs. 2 SGB VIII in Höhe von 8.530,57 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31. August 2010 zu erstatten,
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2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger die in dem Hilfefall B. V. in der Zeit vom 1. September 2010 bis zum 22. April 2011 und in dem Hilfefall E. V. in der Zeit vom 1. September 2010 bis zum 31. März 2012 aufgewendeten Jugendhilfekosten zuzüglich eines Pflichtwidrigkeitszuschlags gemäß § 89c Abs. 2 SGB VIll nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 1. April 2012 zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
38die Berufung zurückzuweisen.
39Sie vertritt den Standpunkt, dass sich die Frage der örtlichen Zuständigkeit neu gestellt habe. Es treffe nicht zu, dass das Verwaltungsgericht die zeitlichen Abläufe unvollständig festgestellt habe. Der Zeitpunkt der Leistungseinstellung habe sich aus den Bescheiden vom 3. Juli 2009 bzw. 19. August 2009 ergeben, die dem Vormund jeweils - wie üblich - am selben Tag persönlich übergeben worden seien. Entgegen der Auffassung des Klägers sei für die Ermittlung des Zeitraums der Leistungsunterbrechung nicht auf den Eingang des erneuten Antrags abzustellen, sondern vielmehr auf den nachfolgenden Beginn der konkreten Hilfeleistung. Insofern sei die Leistungserbringung hier für gut 5 ½ Monate (B. ) bzw. knapp 5 Monate (E. ) unterbrochen gewesen. Diese Zeiträume seien deutlich länger als die vom Bundesverwaltungsgericht für maßgeblich erachteten 3 Mo-nate. Mit einer baldigen Wiederaufnahme der Hilfen sei nicht zu rechnen gewesen. Aus dem Protokoll des Fachgesprächs vom 3. Juli 2009 ergebe sich, dass B. nicht zu einer Rückkehr in die Einrichtung in X1. zu bewegen gewesen sei. Die beteiligten Fachkräfte seien seinerzeit übereinstimmend zu dem Ergebnis gekommen, dass die Hilfe für sie unter den gegebenen Umständen einzustellen sei. Diese fachliche Einschätzung habe der Kläger nicht in Zweifel ziehen können. Gegen den Willen des Kindes und ohne seine Bereitschaft zur Mitwirkung sei eine Leistungsbewilligung nicht möglich gewesen. Entsprechendes habe auch im Fall von E. gegolten. Die Erwägungen, die zur Einstellung der Hilfen geführt hätten, seien aktenkundig. Der Kläger verkenne, dass es sich bei der Hilfeplanung um einen komplexen partizipativen Entscheidungsprozess handele, dessen Ergebnis verwaltungsgerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar sei und der durch eine nachträgliche Beurteilung nichtbeteiligter Stellen nicht ersetzt werden könne. Bei Einstellung der Hilfen sei nicht absehbar und schon gar nicht sicher gewesen, dass die Geschwister wieder eine Mitwirkungsbereitschaft zeigen würden. Ohne neuen Antrag des Amtsvormundes habe die Beklagte eine Hilfe auch gar nicht bewilligen können. Ob der Vormund hierzu verpflichtet gewesen wäre, wie der Kläger offenbar meine, sei nicht erheblich. Angesichts der relativen Weisungsfreiheit des Amtsvormundes sei eine unterstellte Pflichtverletzung seinerseits der Beklagten nicht zuzurechnen.
40Hinsichtlich des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung wird auf das Protokoll der öffentlichen Sitzung vom 21. März 2014 verwiesen.
41Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
42E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
43Die zulässige Berufung hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
44Die Leistungsklage ist statthaft und auch sonst zulässig. Soweit der in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat gestellte Antrag von dem in der 1. Instanz gestellten hinsichtlich des angegebenen Beginns des Leistungszeitraums abweicht (9. Oktober 2009 statt 1. November 2009), handelt es sich um eine Richtigstellung einer erkennbar irrtümlichen Falschbezeichnung, ohne dass damit das Klagebegehren der Sache nach erweitert worden wäre.
45Auch die Zulässigkeit der weiter erhobenen Feststellungsklage unterliegt nach § 43 VwGO keinen Bedenken.
46Vgl. zur Zulässigkeit eines Feststellungsantrags in einem sozialrechtlichen Kostenerstattungsstreit: OVG NRW, Urteile vom 25. Oktober 2005
47- 12 A 4342/03 -, juris, und vom 7. November 2003 - 12 A 3187/01 -, FEVS 55, 495, juris, m. w. N.
48Die Leistungs- und Feststellungsklagen sind jeweils teilweise begründet. Für die streitgegenständlichen Zeiträume der Hilfegewährung in den Hilfefällen B. und E. V. steht dem Kläger ein Erstattungsanspruch gegen die Beklagte nach § 89c Abs. 1 Satz 2 SGB VIII zu (dazu 1.). Den geltend gemachten Pflichtwidrigkeitszuschlag nach § 89c Abs. 2 SGB VIII (dazu 2.) kann der Kläger von der Beklagten indes ebenso wenig verlangen wie eine auf § 89b Abs. 1 SGB VIII zu stützende Erstattung der streitgegenständlichen Inobhutnahmekosten (dazu 3.).
491. Nach § 89c Abs. 1 Satz 2 SGB VIII sind Kosten, die ein örtlicher Träger im Rahmen seiner Verpflichtung nach § 86d SGB VIII aufgewendet hat, von dem örtlichen Träger zu erstatten, dessen Zuständigkeit durch den gewöhnlichen Aufenthalt nach §§ 86, 86a und 86b SGB VIII begründet wird.
50Der Kläger hat die streitgegenständlichen Kosten, soweit sie für Leistungen im Sinne von § 2 Abs. 2 SGB VIII angefallen sind, im Rahmen seiner Verpflichtung nach § 86d SGB VIII aufgewendet.
51Gemäß § 86d SGB VIII ist, wenn die örtliche Zuständigkeit nicht feststeht oder der zuständige örtliche Träger nicht tätig wird, der örtliche Träger vorläufig zum Tätigwerden verpflichtet, in dessen Bereich sich das Kind vor Beginn der Leistung tatsächlich aufhält. Demnach ist Voraussetzung für die Anwendung des § 86d SGB VIII, dass entweder die örtliche Zuständigkeit nicht feststeht (§ 86d Alt. 1 SGB VIII), was insbesondere der Fall sein kann, wenn Streit über die örtliche Zuständigkeit besteht oder ihre Klärung schwierig ist und längere Zeit erfordert,
52vgl. Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 4. Auflage 2011, § 86d Rn. 3; Kunkel, in: LPK-SGB VIII, 4. Auflage 2011, § 86d Rn. 3, Reisch, in: Jens/Happe/Saurbier/Maas, Kinder- und Jugendhilferecht, Stand Juli 2013, Erl. Art. 1 § 86d KJHG Rn. 7,
53oder die örtliche Zuständigkeit zwar feststeht, aber der zuständige örtliche Träger nicht tätig wird (§ 86d Alt. 2 SGB VIII),
54vgl. Wiesner, a. a. O., § 86d Rn. 4; Kunkel, a. a. O., § 86d Rn. 4; Reisch, a. a. O., § 86d Rn. 8.
55Hier war ersteres der Fall, da sich die Beteiligten bereits im Zeitpunkt der erneuten Hilfegewährung uneins darüber waren, wer als örtlich zuständiger Träger einzustehen hatte. In Anbetracht dessen liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass § 86d SGB VIII nicht greifen könnte, weil der Kläger von einer vermeintlichen eigenen Zuständigkeit ausgegangen wäre und deshalb nicht aufgrund einer Pflicht zumvorläufigen Tätigwerden gehandelt hätte.
56Vgl. zu diesem Aspekt: VG Würzburg, Urteil vom 19. September 2013 - W 3 K 12.223 -, juris, unter Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 28. März 1984 - 9a RV 50/82 -, juris (zu § 102 SGB X).
57Die Beklagte ist erstattungspflichtig, weil ihre Zuständigkeit durch den gewöhnlichen Aufenthalt nach § 86 SGB VIII begründet wurde.
58Gemäß § 86 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII richtet sich bei verschiedenen gewöhnlichen Aufenthalten der Elternteile die Zuständigkeit nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Elternteils, das personensorgeberechtigt ist. Zuständigkeitsrechtlich hat die Leistungserbringung vorliegend bereits mit der Heimunterbringung der Hilfeempfänger nach §§ 27, 34 SGB VIII im April 2006 begonnen. Die streitbefangenen Leistungen, deren Kostenaufwand der Kläger erstattet verlangt, stellen sich lediglich als Fortsetzung der früheren Leistung der Beklagten dar. Bei Beginn der als einheitlich zu wertenden Leistungserbringung im Jahre 2006 hatte die Mutter von B. und E. V. ihren gewöhnlichen Aufenthalt unzweifelhaft im Zuständigkeitsbereich der Beklagten, während der (nicht sorgeberechtigte) Vater offenbar im Zuständigkeitsbereich des Klägers wohnte. Die Mutter war seinerzeit auch (noch) personensorgeberechtigt; auf den vorherigen partiellen Entzug des Sorgerechts für E. kam es nicht an (vgl. § 86 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 SGB VIII). Abweichendes ergäbe sich auch dann nicht, wenn man im Falle von E. bereits auf den früheren Beginn der Hilfe zur Erziehung im Juli 2005 abstellte, weil die Aufenthaltsumstände seinerzeit identisch waren.
59Als somit entscheidungserheblicher Beginn der Leistung i. S. v. § 86 SGB VIII ist das Einsetzen der Hilfegewährung und damit grundsätzlich der Zeitpunkt anzusehen, ab dem die konkrete Hilfeleistung tatsächlich gegenüber dem Hilfeempfänger erbracht wird.
60Vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Oktober 2011
61- 5 C 25.10 -, BVerwGE 141, 77; a. A. noch: OVG NRW, Beschluss vom 27. Januar 2010 - 12 B 1717/09 -, juris, m. w. N.
62"Leistung", an deren Beginn § 86 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII ausweislich § 86 Abs. 5 SGB VIII für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit anknüpft, sind unabhängig von der Hilfeart und Hilfeform alle im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zur Deckung eines qualitativ unveränderten, kontinuierliche Hilfe gebietenden jugendhilferechtlichen Bedarfs erforderlichen Maßnahmen und Hilfen, sofern sie ohne Unterbrechung gewährt worden sind, und zwar auch dann, wenn sich bei einem auf einen längeren Zeitraum angelegten Hilfeprozess die Schwerpunkte innerhalb des Hilfebedarfs verschieben und die Ausgestaltung der Hilfe Modifikationen, Änderungen oder Ergänzungen bis hin zu einem Wechsel der Hilfeart erforderlich werden.
63Vgl. NdsOVG, Beschluss vom 14. März 2012
64- 4 LC 143/09 -, EuG 2012, 381, mit Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 29. Januar 2004 - 5 C 9.03 -, BVerwGE 120, 116, juris, bestätigt durch Urteile vom 23. März 2010 - 5 C 12.09 -, BVerwGE 136, 185, juris, und vom 19. Oktober 2011 - 5 C 25.10 -, BVerwGE 141, 77, juris.
65Im Vordergrund der Gesetzesauslegung steht dabei die Kontinuität einer bedarfsgerechten Hilfegewährung im Rahmen einer in aller Regel auf einen längeren Zeitraum angelegten Hilfegewährung. Der dementsprechend auf eine Gesamtbetrachtung des konkreten Hilfebedarfs abstellende zuständigkeitsrechtliche Leistungsbegriff bedeutet deshalb weder, dass jede neue Maßnahme der Jugendhilfe den Beginn einer neuen Leistung markiert, noch, dass es allein auf die erstmalige Gewährung von Jugendhilfe im Sinne eines Beginns einer „Jugendhilfekarriere“ ankommt.
66Vgl. auch OVG NRW, Beschluss vom 28. Feb-ruar 2012 - 12 A 1263/11 -, juris, m. w. N.
67Der Interpretation der höchstrichterlichen Rechtsprechung dahingehend, dass bei förmlicher Einstellung einer Jugendhilfeleistung immer auch eine Beendigung der Leistung vorliegt, sofern nicht im Zeitpunkt der Einstellung der Jugendhilfeleistung eine Anschlussleistung bereits bewilligt oder doch konkret geplant ist oder eine Zuständigkeitsvorschrift des SGB VIII ausnahmsweise anderes anordnet,
68so OVG Rh.-Pf., Urteil vom 13. Februar 2014
69- 7 A 11043/13 -, juris,
70folgt der Senat nicht, weil damit - ohne exakte Vorgabe im Gesetz außerhalb der ausdrücklich geregelten Ausnahmefälle - die Zuständigkeit von der subjektiven Einschätzung des zunächst leistenden Jugendamtes und nicht objektiv vom Hilfebedarf des Kindes oder Jugendlichen abhängig gemacht würde. Eine solche Perspektivverschiebung, die möglichen Manipulationen Tür und Tor öffnen würde, ist in der zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, die maßgeblich auf den Aspekt der Kontinuität des jugendhilferechtlichen Bedarfs - soweit dieser qualitativ unverändert fortbesteht - abstellt, nicht angelegt.
71Ist hiernach vielmehr eine den objektiven Gegebenheiten Rechnung tragende Gesamtbetrachtung vorzunehmen, inwieweit die Hilfeleistung bezogen auf den Bedarf eine zuständigkeitsrelevante Unterbrechung erfahren hat, führt diese im vorliegenden Fall zu dem Ergebnis, dass die erneute Hilfegewährung durch den Kläger in einem hinreichenden Fortsetzungszusammenhang mit der zuvor eingestellten Hilfe der Beklagten steht und sich daher nicht als „neue" Leistung darstellt.
72Dabei kommt es im Ansatz nicht entscheidend darauf an, ob die von der Beklagten verfügte Einstellung der Heimunterbringung bedarfsgerecht und damit rechtmäßig war. § 89f Abs. 1 Satz 1 SGB VIII betrifft nur die tatsächlich aufgewendeten Kosten, während es hier um die Würdigung des Umstandes, dass tatsächlich über einen Zeitraum von ca. 5 ½ Monaten (B. ) bzw. knapp 5 Monaten (E. ) keine Leistungen mehr erbracht worden sind, unter dem Gesichtspunkt des Zusammenhanges der Leistungsabschnitte geht. Anhaltspunkte dafür, dass die Hilfe, deren Kosten erstattet verlangt werden, für sich gesehen nicht rechtmäßig erbracht worden sein könnte, bestehen nicht. Insbesondere ist sie mit dem notwendigen Einverständnis des sorgeberechtigten Amtsvormunds erbracht worden.
73Vgl. zum Antragserfordernis etwa: NdsOVG, Beschluss vom 2. August 2013 - 4 LA 112/12 -, juris, OVG NRW, Urteil vom 25. Oktober 2005
74- 12 A 606/05 -, juris, jeweils m. w. N.
75Unter welchen Voraussetzungen bei einer Wiederaufnahme von Leistungen von einem zuständigkeitsrelevanten (Neu-)Beginn oder einer Fortsetzung auszugehen ist, regelt der hier maßgebliche § 86 Abs. 2 SGB VIII nicht kraft Gesetzes. Das SGB VIII stellt lediglich in anderen Vorschriften - nämlich §§ 86 Abs. 7 Satz 4, 86a Abs. 4 Satz 3, 86b Abs. 3 Satz 2 und 88 Abs. 2 Halbsatz 2 SGB VIII - im Zusammenhang mit der Frage eines Zuständigkeitswechsels auf den Gesichtspunkt der „Unterbrechung der Jugendhilfeleistungen“ ab. Dort misst es für bestimmte Leistungen und Hilfeempfänger - die hier jedoch nicht einschlägig sind - einer Unterbrechung der Leistung von bis zu 3 Monaten keine die bisherige Zuständigkeit in Frage stellende Bedeutung zu. Daneben beschränkt die „Unterbrechung der Leistung" gemäß § 95 Abs. 3 SGB VIII den Zeitraum der Wirksamkeit einer rechtswahrenden Anzeige, wenn dieser mehr als 2 Monate beträgt. Für die Frage eines - neuen - „Beginns der Leistung“ dürften alle diese Regelungen jedoch unmittelbar nichts hergeben.
76So auch: SächsOVG, Urteil vom 18. Januar 2010 - 1 A 753/08 -, juris; a. A. VG Ansbach, Urteil vom 14. Juni 2012 - AN 14 K 10.00668 -, juris, und NdsOVG, Beschluss vom 14. März 2012
77- 4 LC 143/09 -, EUG 2012, 381, juris, wonach Unterbrechungen unter 3 Monaten grundsätzlich außer Betracht bleiben sollen.
78Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der grundlegenden Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. Januar 2004 - 5 C 9.03 -, a. a. O. Die angeführten Vorschriften lassen jedoch zumindest erkennen, dass Hilfeleistungen nur dann als unterbrochen angesehen werden sollen, wenn sie während einer gewissen Zeit davor nicht erbracht wurden.
79Vgl. SächsOVG, a. a. O., mit Hinweis auf VGH C2. .-Württ., Urteil vom 15. September 1997
80- 9 S 174/96 -, FEVS 48, 131, juris.
81Entscheidend bleibt mangels weitergehender konkreter gesetzlicher Vorgaben für die Frage einer zuständigkeitsrelevanten Unterbrechung im Rahmen der einer Würdigung der Gesamtumstände danach, ob nach der Einstellung der Leistungen zum 3. Juli 2009 bzw. 19. August 2009 mit einer alsbaldigen Wiederaufnahme von Leistungen auf den gleichartigen Bedarf zu rechnen oder ein zukünftiger Hilfebedarf zumindest noch nicht hinreichend klar auszuschließen war. Die bloße Einstellung der Hilfe vermag insoweit für sich genommen nicht genügen, sofern sie nicht durch tragfähige Gesichtspunkte im Hinblick auf eine nicht absehbare zukünftige Hilfegewährung gestützt ist, d. h. eine konkretisierte Wiederaufnahmeperspektive nicht besteht.
82Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19. Februar 2013 - 12 A 2913/12 -, juris; SächsOVG, a. a. O.; VGH C2. .-Württ., a.a.O., VG Augsburg, Beschluss vom 13. April 2012 - Au 3 E 12.434 -, juris; Funke, in: LPK-SGB VIII, 4. Auflage 2011, § 86 Rn. 11, vgl. auch die Unterscheidung zwischen Abbruch und Unterbrechung bei: Kunkel, a. a. O., § 95 Rn. 29.
83Das bestimmt sich danach, wie sicher bei Einstellung der stationären Hilfe zur Erziehung nach §§ 27, 34 SGB VIII damit zu rechnen war, dass B. und E. Mutter dem Erziehungs- und Betreuungsbedarf der Jugendlichen ohne Inanspruchnahme zumindest ergänzender Hilfe zur Erziehung nach § 27 SGB VIII auf Dauer gerecht werden würde. Je mehr erwartet werden musste, dass sie diesen Bedarf nicht ohne professionelle Unterstützung würde abdecken können, umso konkreter zeichnete sich eine Wiederaufnahme der jugendamtlichen Hilfeleistung ab, wenn auch möglicherweise in weniger umfassender und intensiver Form.
84Daran orientiert ist im vorliegenden Fall festzustellen, dass - nach objektiven Maßstäben - schon bei Einstellung der Hilfe im Juli bzw. August 2009 von einer solchen konkretisierten Wiederaufnahmeperspektive auszugehen war.
85Dieser Würdigung ist zunächst zugrundezulegen, dass der seit Jahren bekannte Erziehungshilfebedarf unverändert und unabweisbar fortbestand. Dass die manifest erziehungsunfähige und nicht mehr sorgeberechtigte Mutter während der mehrjährigen Heimunterbringung ihrer Kinder an erzieherischer Kompetenz gewonnen haben sollte, war nicht anzunehmen. Ihre Lebensumstände, soweit aus den Akten ersichtlich, vermittelten auch im Zeitpunkt der Hilfeeinstellung nach wie vor einen eher desolaten Eindruck: So hatte sie, wie aus jugendamtlichen Gesprächsprotokollen und den Abschlussberichten der Einrichtung in X1. hervorgeht, ihre frühere Wohnung in T1. offenbar im Januar 2009 zwangsweise räumen müssen, hatte sich wiederholt nicht an Vereinbarungen zu Besuchskontakten gehalten und war alkoholisiert zu einem Sommerfest erschienen. Wie dem Vermerk über einen - vom Allgemeinen Sozialen Dienst des Jugendamtes des Klägers durchgeführten - unangekündigten Hausbesuch am 17. August 2009 zu entnehmen ist, erwies sich die von der Mutter seinerzeit bezogene Wohnung in C. als „verwahrlost“, die Böden „verschmutzt und mit Gerümpel bedeckt“; der Umstand, dass sie für B. und E. zwei Zimmer in einer Pension angemietet hatte, ließ die Wohnsituation nicht unbedenklicher erscheinen.
86Zu der Problematik fehlender Mitwirkungsbereitschaft auf Seiten der beiden Hilfeempfängerinnen und deren Mutter ist festzuhalten, dass die Beklagte es aufgrund der Übertragung des Personensorgerechts selbst in der Hand hatte, auf die Einleitung eines Verwaltungsverfahrens zur erneuten Gewährung von Jugendhilfeleistungen hinzuwirken; eines Antrags der - nicht sorgeberechtigten - Mutter bedurfte es insofern nicht, was das Verwaltungsgericht auch berücksichtigt hat.
87Hiervon zu trennen ist die - auf die Eignung in Betracht kommender Maßnahmen zielende - Frage, ob der Hilfebedürftige willens ist, eine seinem Bedarf entsprechende Hilfeleistung in Anspruch zu nehmen und sich in den Prozess der Hilfegewährung erfolgversprechend einzubringen. Dabei besteht keine Veranlassung, verallgemeinernd der Frage nachzugehen, unter welchen Umständen Erziehungshilfe auch gegen den erklärten Willen des Hilfebedürftigen zu leisten ist. Besteht nämlich, wie es hier der Fall war, nach Einstellung einer Hilfeleistung der Erziehungshilfebedarf unverändert fort, ist allenfalls unter sehr engen Voraussetzungen - die hier nicht vorlagen - darauf zu schließen, dass eine jegliche weitere Gewährung von gegebenenfalls auch andersartiger Erziehungshilfe absehbar ungeeignet erscheint, weil im Zeitpunkt der Beendigung der Hilfe anzunehmen ist, dem betroffenen Minderjährigen fehle es an der Mitwirkungsbereitschaft. Wenn selbst bei der Hilfe für junge Volljährige zu bedenken ist, dass eine mangelnde Mitwirkung des Hilfebedürftigen gerade auch durch Erziehungs- oder Entwicklungsdefizite, denen mit der Hilfe begegnet werden kann, bedingt sein mag,
88vgl. zu diesem Aspekt: OVG NRW, Beschluss vom 13. Januar 2012 - 12 B 1583/11 -, juris; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 16. Oktober 2003 - 19 L 2526/03 -, juris Rn. 10 ff.; Tammen, in: FK-SGB VIII, 7. Auflage 2013, § 41 Rn. 7; Wiesner, a. a. O., § 41 Rn. 24,
89und insofern eine gewisse Zurückhaltung geboten ist, wenn ein Ausschluss der (weiteren) Hilfegewährung wegen Kooperationsunwilligkeit des Betroffenen in Rede steht, so gilt dies erst recht bei der auf Kinder und Jugendliche zugeschnittenen Erziehungshilfe. Dort muss typischerweise mit sprunghaftem Verhalten und unüberlegten Willensäußerungen der Minderjährigen gerechnet werden. Eine zum Ausdruck gebrachte Ablehnung der weiteren Inanspruchnahme von Jugendhilfe wird häufig - und so auch hier - nicht darauf schließen lassen können, dass sie Ausdruck einer deutlich gefestigten und absehbar nicht veränderlichen inneren Haltung ist.
90Die vorliegenden Vorgänge, insbesondere die Abschlussberichte der Kinder- und Jugendhilfe X1. vom 19. August 2009 (B. ) bzw. 4. September 2009 (E. ) sowie die zahlreichen Protokolle vorangegangener Hilfeplangespräche, vermitteln das Bild eines sehr wechselhaften Beziehungsgefüges zwischen den Schwestern B. und E. auf der einen und der Mutter der beiden Mädchen auf der anderen Seite. Die Frage der Dauerhaftigkeit des im Juni 2009 - offenbar nach außen hin überraschend gefassten - Entschlusses der seinerzeit 16-jähri-gen B. , die Einrichtung in X1. zu verlassen, zur Mutter nach C. zu ziehen und Leistungen der Erziehungshilfe nicht mehr in Anspruch nehmen zu wollen, war vor diesem Hintergrund entsprechend zu würdigen. Aus dem Protokoll eines am 3. Juli 2009 geführten Fachgesprächs und einer E-Mail des Amtsvormunds, Herrn E9. , vom 25. Juni 2009 geht hervor, dass bei B. seinerzeit „keinerlei Problembewusstein“ bestanden habe und ihrer - nicht weiter begründeten - Meinung nach im Verhältnis zur Mutter nunmehr „alles in Ordnung“ gewesen sei, obwohl man in X1. „B. noch in jüngst zurückliegender Zeit wiederholt wütend und frustriert im Hinblick auf ihre Mutter“ erlebt habe. Schon in Anbetracht der darin deutlich zum Ausdruck kommenden unreflektierten Wahrnehmung der Unbeständigkeit ihrer Beziehung zur Mutter musste sich aufdrängen, dass die Einschätzung, nun sei „alles in Ordnung“, absehbar ebenso ins Wanken geraten würde wie die damit zusammenhängende Auffassung, ohne Jugendhilfe auszukommen; retrospektiv hat sich das bestätigt. Ebenso naheliegend war, dass sich in diesem Fall ein gleichförmiger Prozess auch bei der jüngeren Schwester E. vollziehen würde, deren Verhältnis zur Mutter offenbar, wie der Abschlussbericht vom 4. September 2009 andeutet, auch erst im Gefolge des Wegzugs B. nach C. wieder enger geworden war.
91Vor diesem Hintergrund erscheint die Annahme des Amtsvormundes in seinem an das Jugendamt des Klägers adressierten Antragsschreiben vom 17. November 2009, eine zunächst artikulierte Ablehnung der Hilfegewährung durch die beiden Schwestern schließe die Hilfe selbst nicht aus, es müsse dann erst versucht werden, „einen Zugang zu finden“, ebenso zutreffend wie bezeichnend; das hätte entsprechend auch schon im Zeitpunkt der vorangegangenen Einstellung der Hilfen gegolten.
92Die seinerzeit gleichfalls ablehnende Haltung der Mutter stand einer Wiederaufnahmeperspektive im dargelegten Sinne ebenso wenig entgegen. Ungeachtet der Frage, inwieweit ihre Ablehnung als gefestigt und gereift einzuschätzen war, drängte sich auf, dass bei fortdauernder Verweigerung eigener Mitwirkung Maßnahmen unausweichlich sein würden, bei denen es ihrer Beteiligung nicht bedurft hätte, gegebenenfalls bis hin zu einer erneuten Heimunterbringung.
932. Der weiter geforderte Verwaltungskostenzuschlag nach § 89c Abs. 2 SGB VIII steht dem Kläger allerdings nicht zu. Nach dieser Vorschrift hat der zuständige örtliche Träger zusätzlich einen Betrag in Höhe eines Drittels der Kosten, mindestens jedoch 50 Euro, zu erstatten, wenn der unzuständige örtliche Träger die Kosten deshalb aufgewendet hat, weil ersterer pflichtwidrig gehandelt hat. Hier fehlt es an einem pflichtwidrigen Handeln der Beklagten als demjenigen Jugendhilfeträger, der für die erneute Leistungserbringung nach der Hilfeeinstellung im Sommer 2009 örtlich zuständig war.
94Pflichtwidrigkeit wird in der Regel angenommen, wenn der erstattungspflichtige Träger seine Zuständigkeit erkannt hat bzw. bei Anwendung der ihm obliegenden Sorgfalt hätte erkennen müssen und dennoch die Hilfeleistung ablehnt, verzögert oder unzureichend gewährt. Dabei ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass dann, wenn der ersatzpflichtige Träger aufgrund einer schwierig zu beurteilenden rechtlichen Situation seine Ersatzpflicht ablehnt bzw. im Kompetenzkonflikt mit einem anderen Jugendhilfeträger seine Zuständigkeit aus rechtlichen Erwägungen heraus verneint, pflichtwidriges Verhalten ausscheiden kann; nicht jeder Rechtsirrtum ist pflichtwidrig.
95Vgl. zum Vorstehenden: OVG M.-V., Urteil vom 30. November 2011 - 1 L 71/09 -, juris, m. w. N.
96Davon ausgehend ist der Beklagten, auch wenn sie ihre (weitere) Zuständigkeit nach Einstellung der Hilfegewährung im Juli bzw. August 2009 zu Unrecht verneint hat, nicht der Vorwurf pflichtwidriger Untätigkeit zu machen. Denn die Prüfung der Zuständigkeit erforderte hier eine umfassende und keineswegs allein nach schematischen Kriterien zu bewältigende Würdigung der maßgeblichen Umstände des Einzelfalles, bei der die gesamte „Jugendhilfekarriere“ der Schwestern, die Lebensumstände der Mutter und die Beziehung beider Seiten zueinander in den Blick zu nehmen waren. Vor diesem Hintergrund erwies sich die Beantwortung der Zuständigkeitsfrage jedenfalls als so schwierig, dass die Fehlerhaftigkeit des Ergebnisses der Beklagten nicht als sorgfaltswidrig angelastet werden kann. Die Komplexität der rechtlichen Prüfung wird dadurch unterstrichen, dass sich der Kläger zur Klärung der Zuständigkeit sowohl an das Deutsche Institut für Jugendhilfe und Familienrecht als auch an das Landesjugendamt gewandt, das Verwaltungsgericht seine angefochtene - einen Zuständigkeitswechsel bejahende - Entscheidung u. a. auf die Ergebnisse einer eingehenden Befragung des Amtsvormundes in der mündlichen Verhandlung gestützt und der Senat die Berufung aufgrund besonderer Schwierigkeiten im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zugelassen hat.
973. Die geltend gemachten Kosten der Inobhutnahmen hat die Beklagte dem Kläger ebenfalls nicht zu erstatten. Die als Grundlage eines Erstattungsanspruchs allein in Betracht kommende Vorschrift des § 89b Abs. 1 SGB VIII greift nicht. Hiernach sind Kosten, die ein örtlicher Träger im Rahmen der Inobhutnahme von Kindern und Jugendlichen (§ 42 SGB VIII) aufgewendet hat, von dem örtlichen Träger zu erstatten, dessen Zuständigkeit durch den gewöhnlichen Aufenthalt nach § 86 SGB VIII begründet wird. Letzterer war indes nicht die Beklagte, sondern vielmehr der Kläger.
98Für die Zuständigkeitsbestimmung entsprechend § 86 SGB VIII, die § 89b SGB VIII verlangt, ist in Abgrenzung zum einheitlichen Leistungsbegriff auf den Zeitpunkt des Beginns der Inobhutnahme abzustellen, auch wenn bereits eine Leistung der Jugendhilfe gewährt wurde oder wird.
99Vgl. Eschenbach/Schindler, in: FK-SGB VIII, 7. Auflage 2013, § 89b Rn. 1; Reisch, a. a. O., Erl. § 89b Art. 1 KJHG Rn. 2.
100Dieser Ansatz folgt der in § 2 SGB VIII angelegten Differenzierung zwischen „Leistungen“ und „anderen Aufgaben“ der Jugendhilfe. Das Gesetz nennt die Inobhutnahme nicht im Katalog der Leistungen der Jugendhilfe (§ 2 Abs. 2 SGB VIII), sondern führt sie ausdrücklich in § 2 Abs. 3 Nr. 1 SGB VIII unter der Kategorie der sonstigen Aufgaben der Jugendhilfe auf. Diese systematische und begriffliche Unterscheidung setzt sich in den Regelungen über die örtliche Zuständigkeit fort. Insofern ist der Übergang von einer Inobhutnahme zur Gewährung von Hilfe zur Erziehung - auch bei einem an sich nicht qualitativ veränderten Bedarf - nicht mit einem bloßen Wechsel innerhalb des Leistungskatalogs des § 2 Abs. 2 SGB VIII gleichzusetzen,
101vgl. BVerwG, Urteil vom 25. März 2010
102- 5 C 12.09 -, BVerwGE 136, 185, juris,
103wobei Entsprechendes gleichermaßen im umgekehrten Verhältnis zu gelten hat.
104Auch die hinter der Regelung des § 89b SGB VIII stehende Zielsetzung, Großstädte und andere Zentralorte zu entlasten, in denen, weil es sich um typische Anziehungspunkte für schutzbedürftige Kinder und Jugendliche handelt, die Jugendhilfeträger in erhöhtem Maße vorläufige Schutzmaßnahmen ergreifen müssen,
105vgl. hierzu nur Reisch, a. a. O., Erl. § 89b Art. 1 KJHG Rn. 1; Kunkel, a. a. O, § 89b Rn. 1; Wiesner, a. a. O., § 89b Rn. 1,
106rechtfertigt es nicht, bei der durch den gewöhnlichen Aufenthalt begründeten Kostenverantwortlichkeit - abweichend vom Zeitpunkt des Maßnahmebeginns - auf weiter zurückliegende Aufenthaltsumstände abzustellen, wenn vor der Inob-hutnahme Leistungen der Jugendhilfe i. S. d. § 2 Abs. 2 SGB VIII erbracht wurden.
107Hiervon ausgehend lag bei Beginn der hier streitgegenständlichen Inobhutnah-men, die vom 9. Oktober 2009 bis zum 10. November 2009 (B. ) bzw. vom 19. November 2009 bis zum 12. Januar 2010 (E. ) andauerten, in beiden Fällen ein gewöhnlicher Aufenthalt im Zuständigkeitsbereich des Klägers vor, wie aus einer entsprechenden Anwendung von § 86 Abs. 3 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 SGB VIII folgt. Denn sowohl B. als auch E. hatten, bevor sie am 9. Oktober 2009 bzw. 19. November 2009 in Obhut genommen wurden, ihren gewöhnlichen Aufenthalt bei der in C. wohnhaften Mutter.
108Der Anspruch auf die geltend gemachten Zinsen ab Rechtshängigkeit folgt aus der entsprechenden Anwendung der §§ 291, 188 BGB stützen. Diese Vorschriften gelten vorbehaltlich spezieller Regelungen in den Fachgesetzen auch für öffentlich-rechtliche Geldschulden.
109Vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Januar 2014 - 5 C 8.13 -, juris; Beschluss vom 21. Januar 2010
110- 9 B 66.08 -, DVBl. 2010, 575, juris; OVG NRW, Urteil vom 16. September 2011 - 12 A 2308/10 -, juris.
111Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 155 Abs. 1 Satz 1, 188 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO.
112Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
113Die Revision war nach § 132 Abs. 2 VwGO zuzulassen, weil die Frage, ob in der förmlichen Einstellung der Jugendhilfe regelmäßig die zuständigkeitsrechtliche Beendigung der Leistung liegt, von grundsätzlicher Bedeutung ist.
(1) Ein Personensorgeberechtigter hat bei der Erziehung eines Kindes oder eines Jugendlichen Anspruch auf Hilfe (Hilfe zur Erziehung), wenn eine dem Wohl des Kindes oder des Jugendlichen entsprechende Erziehung nicht gewährleistet ist und die Hilfe für seine Entwicklung geeignet und notwendig ist.
(2) Hilfe zur Erziehung wird insbesondere nach Maßgabe der §§ 28 bis 35 gewährt. Art und Umfang der Hilfe richten sich nach dem erzieherischen Bedarf im Einzelfall; dabei soll das engere soziale Umfeld des Kindes oder des Jugendlichen einbezogen werden. Unterschiedliche Hilfearten können miteinander kombiniert werden, sofern dies dem erzieherischen Bedarf des Kindes oder Jugendlichen im Einzelfall entspricht.
(2a) Ist eine Erziehung des Kindes oder Jugendlichen außerhalb des Elternhauses erforderlich, so entfällt der Anspruch auf Hilfe zur Erziehung nicht dadurch, dass eine andere unterhaltspflichtige Person bereit ist, diese Aufgabe zu übernehmen; die Gewährung von Hilfe zur Erziehung setzt in diesem Fall voraus, dass diese Person bereit und geeignet ist, den Hilfebedarf in Zusammenarbeit mit dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe nach Maßgabe der §§ 36 und 37 zu decken.
(3) Hilfe zur Erziehung umfasst insbesondere die Gewährung pädagogischer und damit verbundener therapeutischer Leistungen. Bei Bedarf soll sie Ausbildungs- und Beschäftigungsmaßnahmen im Sinne des § 13 Absatz 2 einschließen und kann mit anderen Leistungen nach diesem Buch kombiniert werden. Die in der Schule oder Hochschule wegen des erzieherischen Bedarfs erforderliche Anleitung und Begleitung können als Gruppenangebote an Kinder oder Jugendliche gemeinsam erbracht werden, soweit dies dem Bedarf des Kindes oder Jugendlichen im Einzelfall entspricht.
(4) Wird ein Kind oder eine Jugendliche während ihres Aufenthalts in einer Einrichtung oder einer Pflegefamilie selbst Mutter eines Kindes, so umfasst die Hilfe zur Erziehung auch die Unterstützung bei der Pflege und Erziehung dieses Kindes.
Hilfe zur Erziehung in einer Einrichtung über Tag und Nacht (Heimerziehung) oder in einer sonstigen betreuten Wohnform soll Kinder und Jugendliche durch eine Verbindung von Alltagserleben mit pädagogischen und therapeutischen Angeboten in ihrer Entwicklung fördern. Sie soll entsprechend dem Alter und Entwicklungsstand des Kindes oder des Jugendlichen sowie den Möglichkeiten der Verbesserung der Erziehungsbedingungen in der Herkunftsfamilie
- 1.
eine Rückkehr in die Familie zu erreichen versuchen oder - 2.
die Erziehung in einer anderen Familie vorbereiten oder - 3.
eine auf längere Zeit angelegte Lebensform bieten und auf ein selbständiges Leben vorbereiten.
(1) Ein Personensorgeberechtigter hat bei der Erziehung eines Kindes oder eines Jugendlichen Anspruch auf Hilfe (Hilfe zur Erziehung), wenn eine dem Wohl des Kindes oder des Jugendlichen entsprechende Erziehung nicht gewährleistet ist und die Hilfe für seine Entwicklung geeignet und notwendig ist.
(2) Hilfe zur Erziehung wird insbesondere nach Maßgabe der §§ 28 bis 35 gewährt. Art und Umfang der Hilfe richten sich nach dem erzieherischen Bedarf im Einzelfall; dabei soll das engere soziale Umfeld des Kindes oder des Jugendlichen einbezogen werden. Unterschiedliche Hilfearten können miteinander kombiniert werden, sofern dies dem erzieherischen Bedarf des Kindes oder Jugendlichen im Einzelfall entspricht.
(2a) Ist eine Erziehung des Kindes oder Jugendlichen außerhalb des Elternhauses erforderlich, so entfällt der Anspruch auf Hilfe zur Erziehung nicht dadurch, dass eine andere unterhaltspflichtige Person bereit ist, diese Aufgabe zu übernehmen; die Gewährung von Hilfe zur Erziehung setzt in diesem Fall voraus, dass diese Person bereit und geeignet ist, den Hilfebedarf in Zusammenarbeit mit dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe nach Maßgabe der §§ 36 und 37 zu decken.
(3) Hilfe zur Erziehung umfasst insbesondere die Gewährung pädagogischer und damit verbundener therapeutischer Leistungen. Bei Bedarf soll sie Ausbildungs- und Beschäftigungsmaßnahmen im Sinne des § 13 Absatz 2 einschließen und kann mit anderen Leistungen nach diesem Buch kombiniert werden. Die in der Schule oder Hochschule wegen des erzieherischen Bedarfs erforderliche Anleitung und Begleitung können als Gruppenangebote an Kinder oder Jugendliche gemeinsam erbracht werden, soweit dies dem Bedarf des Kindes oder Jugendlichen im Einzelfall entspricht.
(4) Wird ein Kind oder eine Jugendliche während ihres Aufenthalts in einer Einrichtung oder einer Pflegefamilie selbst Mutter eines Kindes, so umfasst die Hilfe zur Erziehung auch die Unterstützung bei der Pflege und Erziehung dieses Kindes.
Tenor
Das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts vom 16. April 2012 wird abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger die in den Hilfefällen B. und E. V. in der Zeit vom 9. Oktober 2009 bis zum 31. August 2010 aufgewendeten Jugendhilfekosten - mit Ausnahme der auf die Inobhutnahmen vom 9. Oktober 2009 bis 10. November 2009 (B. ) und vom 19. November 2009 bis 12. Januar 2010 (E. ) entfallenden Kosten - nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31. August 2010 zu erstatten.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger in dem Hilfefall B. V. die in der Zeit vom 1. September 2010 bis zum 22. April 2011 und in dem Hilfefall E. V. die in der Zeit vom 1. September 2010 bis zum 31. März 2012 aufgewendeten Jugendhilfekosten nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 1. April 2012 zu erstatten.
Die darüber hinausgehende Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen tragen der Kläger zu 2/5 und die Beklagte zu 3/5.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beteiligten dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweils andere vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
1
T a t b e s t a n d:
2Der Kläger begehrt die Erstattung von Jugendhilfekosten, die er in den Jahren 2009 bis 2012 für die Geschwister B. und E. V. aufgewendet hat, und die Zahlung eines Pflichtwidrigkeitszuschlags.
3B. V. , geb. am 1993, und E. V. , geb. am 1995, sind Kinder der im Jahre 1976 geborenen - und ursprünglich allein personensorgeberechtigten - T. V. , die zwei weitere Töchter (geb. 1999 und 2002) hat.
4Mit Beschluss vom 20. Juni 2005 entzog das Amtsgericht T1. der Frau V. die elterliche Sorge für die Tochter E. , soweit es um die Befugnis zur Beantragung von Erziehungshilfe ging, und übertrug diese dem Jugendamt der Beklagten, in dessen Zuständigkeitsbereich die Familie seinerzeit wohnte. In der Zeit vom 14. Juli 2005 bis zum 4. November 2005 leistete die Beklagte Erziehungshilfe für E. in Gestalt einer sozialpädagogischen Familienhilfe.
5Durch Beschluss vom 15. Februar 2006 übertrug das Amtsgericht das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die vier Kinder dem Jugendamt der Beklagten im Wege der einstweiligen Anordnung. In den Gründen der Entscheidung verwies das Amtsgericht darauf, dass das Jugendamt bereits seit geraumer Zeit erhebliche Mängel bei der Versorgung der Kinder habe feststellen müssen. Alle in der Vergangenheit unternommenen Versuche, die Kinder in der Obhut der Mutter zu belassen und Gefährdungen der Kinder durch Hilfemaßnahmen von außen abzuwenden, müssten als gescheitert angesehen werden.
6Am 15. bzw. 17. Februar 2006 wurden alle vier Töchter durch das Jugendamt der Beklagten in Obhut genommen. B. und E. wurden in der Einrichtung Kin-der- und Jugendhilfe X. in X1. untergebracht. Auf die Anträge der Mutter bzw. des Amtsvormundes (im Falle E. ) gewährte die Beklagte für beide Kinder ab dem 4. April 2006 Erziehungshilfe in Gestalt von Heimerziehung gemäß §§ 27, 34 SGB VIII, die in der Einrichtung in X1. fortgeführt wurde.
7Durch Beschluss vom 21. Januar 2008 übertrug das Amtsgericht T1. das Sorgerecht für alle vier Töchter von der Mutter (vollständig) auf das Jugendamt der Beklagten, das Herrn K. E9. als Amtsvormund (im Falle E. : weiterhin) mit der Ausübung der Vormundschaft betraute.
8Am 26. Februar 2009 verzog die Mutter von T1. nach C. . Unter dem 3. Juni 2009 wandte sich die Beklagte an das Jugendamt des klagenden Kreises und bat mit Hinweis auf den Wohnsitzwechsel der Mutter um „Übernahme der Hilfefälle zu nächstmöglichen Zeitpunkt und um Anerkennung Ihrer Kostenerstattungspflicht ab 26.02.09“. Dazu äußerte sich der Kläger mit Datum vom 8. Juni 2009 ablehnend; die Beklagte sei nach § 86 Abs. 5 SGB VIII zuständig. Diese Auffassung erkannte das Jugendamt der Beklagten - laut Aktenvermerk vom 18. Juni 2009 - als richtig an.
9Ende Juni 2009 verließ B. die Einrichtung in X1. aus eigenem Entschluss und wechselte in den Haushalt ihrer Mutter. In einem Fachgesprächsprotokoll des Jugendamtes der Beklagten vom 3. Juli 2009 hieß es hierzu u. a.:
10„B. ist nicht mehr zu einer Rückkehr in die Gruppe zu bewegen. … Es wurde deutlich, dass keinerlei Problembewusstsein besteht, sondern angeblich nun ‚alles in Ordnung‘ sei, ohne dass dies dargelegt wurde. In X1. wurde erlebt, dass B. noch in jüngst zurückliegender Zeit wiederholt wütend und frustriert im Hinblick auf ihre Mutter war … Es besteht keinerlei Austauschbereitschaft und keine Möglichkeit der Einflussnahme mehr. Die Jugendhilfe ist mit heutigem Datum - wenn auch mit großem Bedauern und prognostisch für B. bedenklich - zu beenden.“
11Mit an den Amtsvormund adressiertem Bescheid vom 3. Juli 2009 stellte die Beklagte die Hilfe für B. „nach umfassenden Bemühungen um Aufrechterhaltung der Hilfe“ zum 3. Juli 2009 ein.
12Aus einem an die Kinder- und Jugendhilfe X1. gerichteten Schreiben des Jugendamtes der Beklagten vom 15. bzw. 23. Juli 2009 geht hervor, dass sich E. , nachdem deren Schwester B. „gegen ausdrückliche fachliche Empfehlung“ die Einrichtung verlassen habe, nunmehr ebenfalls „schwankend hinsichtlich ihres Verbleibs in der Einrichtung“ zeige. E. hatte zu dieser Zeit bereits häufiger den Wunsch geäußert, ebenfalls wieder bei ihrer Mutter leben zu wollen. Sie verließ die Einrichtung am 18. Juli 2009 und nahm lediglich noch am 4. August 2009 an einer Ferienaktion teil (vgl. hierzu den Abschlussbericht der Kinder- und Jugendhilfe X1. vom 4. September 2009).
13In einer Nachricht an die Einrichtung in X1. (wohl vom 18. August 2009) führte die Sachbearbeiterin des Jugendamtes des Beklagten aus:
14„Bezgl. E. steht ja ganz aktuell die Frage im Raum, die Hilfe einzustellen. Versuche, an E. noch heranzukommen, scheiterten …. Heute fährt der Vormund noch mal hin und dann wird - nach langem Offenhalten der HzE - die Entscheidung über das Ende fallen müssen. Ein HPG mit allen wird wenig bringen: entweder zementiertes Bekunden, wie klasse alles ist … oder kein Erscheinen der Hauptpersonen. Wir halten die Lage für völlig unerquicklich für beide ‚Kinder‘, aber sehen wenig Möglichkeiten, etwas zu bewirken …“.
15Der Amtsvormund, Herr E9. , hielt in einer E-Mail an das Jugendamt der beklagten Stadt vom 19. August 2009 u. a. fest, er habe E. am Vortage in der Wohnung der Großmutter mütterlicherseits angetroffen. Sie habe seinen Vorschlag, solange in X1. zu bleiben, bis ihre Mutter akzeptable wohnliche Verhältnisse geschaffen habe, zurückgewiesen, aber nicht erklären können, was sie motiviere, aus X. weg und zur Mutter hin zu wollen. Sie habe mitgeteilt, sie fühle sich bei der Mutter wohl, die in Kürze Ordnung schaffen werde; bis dahin bleibe sie bei der Großmutter. Argumenten und Vernunftaspekten gegenüber sei E. nicht zugänglich gewesen; sie habe kein wirkliches Gespräch zugelassen, sondern immer wieder nur geäußert, bei der Mutter leben zu wollen.
16Mit Bescheid vom 19. August 2009 - wiederum adressiert an den Amtsvormund - stellte die Beklagte die Hilfe auch für E. „nach umfassenden, leider vergeblichen Bemühungen um Aufrechterhaltung der Hilfe mit heutigem Datum“ ein.
17B. ließ sich am 7. September 2009 in T4. und am 9. Oktober 2009 in C. als Selbstmelderin in Obhut nehmen und kehrte aus den Inobhutnahmen jeweils wieder zur Mutter zurück. Die zweite Inobhutnahme, die bis zum 10. November 2009 andauerte, fand auf Kosten des Klägers statt.
18Mit Datum vom 17. November 2009 stellte der Amtsvormund für B. und E. einen Antrag auf Hilfen nach den §§ 27 ff. SGB VIII bei dem Kläger. Dieser bewilligte mit Bescheid vom 6. Januar 2010 Erziehungshilfe in Form einer Erziehungsbeistandschaft für B. beginnend ab dem 21. Dezember 2009; vom 15. April 2010 an wurde die Hilfeleistung - bis zum 22. April 2011 - in Gestalt einer sozialpädagogischen Familienhilfe fortgesetzt. E. ließ sich am 19. November 2009 durch das Jugendamt des Klägers in Obhut nehmen; die Inobhutnahme dauerte bis zum 12. Januar 2010 an. Vom 13. Januar 2010 bis zum 14. April 2010 erhielt sie - ebenfalls auf Kosten des Klägers - Hilfe in Form der Heimerziehung. Anschließend hielt sie sich wieder bei ihrer Mutter auf und nahm die gleiche ambulante Erziehungshilfe wie ihre Schwester in Anspruch, die in ihrem - E. - Fall mit dem 31. Juli 2012 endete.
19Bereits unter dem 20. Januar 2010 stellte der Kläger in beiden Hilfefällen einen „Antrag auf Zuständigkeitswechsel und Kostenerstattung gemäß § 86 Abs. 5 Satz 2 und § 89c SGB VII“ bei der Beklagten und verwies auf ein eingeholtes Gutachten des Deutschen Instituts für Jugendhilfe und Familienrecht vom 7. Januar 2010. Die Beklagte lehnte diesen Antrag mit Schreiben vom 12. April 2010 ab und machte geltend, die Hilfegewährung sei im Juli bzw. August 2009 durch rechtskräftige Bescheide eingestellt worden, weil eine Mitwirkung der Jugendlichen oder der Mutter nicht mehr gegeben gewesen sei. Die erneute Hilfegewährung sei erst möglich gewesen, nachdem sich wieder eine Mitwirkungsbereitschaft entwickelt habe. Insofern handele es sich um eine neue Leistung, für die die örtliche Zuständigkeit neu zu prüfen gewesen sei.
20Mit seiner am 10. August 2010 erhobenen Klage hat der Kläger sein Erstattungsbegehren weiterverfolgt und vorgetragen, dass in den Hilfefällen ein durchgängiger Hilfebedarf bestanden habe, weshalb trotz kurzzeitiger formaler Unterbrechung von einer kontinuierlichen Leistungsgewährung und damit von der örtlichen Zuständigkeit der Beklagten auszugehen sei. Der Fortbestand des Hilfebedarfs habe sowohl dem Vormund als auch den Fachkräften des Sozialen Dienstes der Beklagten bekannt gewesen sein müssen. Die dennoch erfolgte Beendigung der Tätigkeit des Sozialen Dienstes der Beklagten sei gerade vor dem Hintergrund des Sorgerechtsentzugs nicht tragbar gewesen und habe eine Pflichtwidrigkeit im Sinne des § 89c Abs. 2 SGB VIII dargestellt.
21Der Kläger hat beantragt,
22- 23
1. die Beklagte zu verurteilen, ihm die in den Hilfefällen B. und E. V. in der Zeit vom 1. November 2009 bis zum 31. August 2010 aufgewandten Jugendhilfekosten in Höhe von 25.591,72 EUR zuzüglich eines Pflichtwidrigkeitszuschlags gemäß § 89c Abs. 2 SGB VIII in Höhe von 8.530,57 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 31. August 2010 zu erstatten,
- 25
2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger die in dem Hilfefall B. V. in der Zeit vom 1. September 2010 bis zum 22. April 2011 und in dem Hilfefall E. V. in der Zeit vom 1. September 2010 bis zum 31. März 2012 aufgewendeten Jugendhilfekosten zuzüglich eines Pflichtwidrigkeitszuschlags gemäß § 89c Abs. 2 SGB VIll nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz ab dem 1. April 2012 zu erstatten.
Die Beklagte hat beantragt,
27die Klage abzuweisen.
28Sie hat vorgetragen, dass der Kläger für die erneut gewährte Hilfe zur Erziehung zuständig gewesen sei. Die Einstellung der stationären Hilfe zur Erziehung im Sommer 2009 sei erst nach Gesprächen mit der Kindesmutter, den Jugendlichen selbst sowie dem Amtsvormund und nach Durchführung eines Fachgesprächs erfolgt. Der Hilfebedarf sei damals tatsächlich weggefallen. Sei dann später erneut ein Bedarf entstanden, habe dies zum Beginn einer neuen Hilfe mit einer erneuten zuständigkeitsrechtlichen Beurteilung geführt. Dies sei auch in dem vom Kläger eingeholten Gutachten des Deutschen Instituts für Jugendhilfe und Familienrecht so klargestellt worden. Von einem pflichtwidrigen Verhalten im Sinne des § 89c Abs. 2 SGB VIII könne schon deswegen nicht die Rede sein, weil die Hilfeeinstellung aufgrund der Weigerung der Betroffenen erfolgt sei, noch Leistungsangebote der Jugendhilfe anzunehmen. Es habe seitens der Familie V. keine Bereitschaft mehr zur Zusammenarbeit mit dem Jugendamt bestanden. Das SGB VIII kenne keine Verpflichtung der Personensorgeberechtigten, eine Hilfe zur Erziehung in Anspruch zu nehmen.
29Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit dem angefochtenen Urteil abgewiesen und ausgeführt: Ein Erstattungsanspruch des Klägers gegen die Beklagte bestehe nicht. Der Kläger habe die streitgegenständlichen Hilfen in eigener Zuständigkeit erbracht, weil es im Sommer 2009 zu einer Leistungsunterbrechung gekommen sei, infolge derer die örtlichen Zuständigkeit neu zu bestimmen gewesen sei. Im Rahmen der gebotenen Würdigung der Umstände des Einzelfalles komme es zunächst auf die Dauer der Leistungsunterbrechung an, die sich hier immerhin auf 4 bis 6 Monate belaufe. Entscheidend sei weiter, ob nach dem Geschehensablauf mit einer alsbaldigen Wiederaufnahme der Leistungen zu rechnen gewesen sei oder ob ein zukünftiger Hilfebedarf noch unklar gewesen sei. Ersteres sei vorliegend zu verneinen gewesen. Zwar habe weiterhin ein unabweisbarer Bedarf für eine Erziehungshilfe bestanden. Jedoch hätten seinerzeit B. und E. V. - und ihnen folgend deren Mutter - zum Ausdruck gebracht, jugendamtliche Hilfemaßnahmen nicht mehr in Anspruch nehmen zu wollen. Die weitere Entwicklung habe sich als offen dargestellt. Der Amtsvormund habe erst wieder Erziehungshilfe beantragt, als nach seiner fachlichen Einschätzung von einer Akzeptanz auszugehen gewesen sei. Dieses Vorgehen habe dem Grundsatz der Freiwilligkeit der Inanspruchnahme von Erziehungshilfen entsprochen.
30Zur Begründung der mit Beschluss des Senats vom 19. Februar 2013 zugelassenen Berufung macht der Kläger geltend, eine Neubestimmung der örtlichen Zuständigkeit sei nicht geboten gewesen. Die Feststellungen des Verwaltungsgerichts zu den zeitlichen Abläufen seien unvollständig und ungenau. Wann genau die Erziehungshilfe für B. V. eingestellt worden sei, ergebe sich aus dem angefochtenen Urteil nicht. Der tatsächliche Zeitraum einer Leistungsunterbrechung sei, falls eine solche überhaupt vorgelegen habe, deutlich kürzer gewesen als vom Verwaltungsgericht angenommen. Maßgeblich sei in diesem Zusammenhang nicht der Zeitpunkt der Wiederaufnahme der Leistungsgewährung, sondern der der Antragstellung durch den Amtsvormund im September und November 2009. Dass die Leistungsgewährung wirksam förmlich beendet worden sei und zu welchem Zeitpunkt, werde mit Nichtwissen bestritten. Bei Einstellung der Jugendhilfeleistungen sei von vornherein mit einer alsbaldigen Wiederaufnahme von Leistungen zu rechnen gewesen. Dafür habe das Alter der Geschwister, die bekannte Erziehungsunfähigkeit der Mutter und der - nach Auffassung aller mit dem Fall vertrauten Fachkräfte - fortbestehende unabweisbare Hilfebedarf gesprochen; auch sei die angebliche Ablehnung einer Mitwirkung durch die Geschwister nicht belegt. Es sei seinerzeit lediglich eine Frage der Zeit gewesen, dass die Geschwister erkennen würden, sie könnten und sollten nicht länger bei ihrer Mutter bleiben, und wieder jugendamtliche Hilfe in Anspruch nehmen würden. Zumindest eine ambulante Erziehungshilfe sei durchgehend erforderlich gewesen. Es sei nicht nachvollziehbar gewesen, wenn der Amtsvormund angenommen habe, die Geschwister würden nicht nur kurzzeitig jegliche Hilfeleistung durch das Jugendamt ablehnen. Selbst wenn diese nicht mehr bereit gewesen seien, stationäre Leistungen in Anspruch zu nehmen, habe das nicht jegliche Leistungen im Sinne des § 2 Abs. 2 SGB VIII ausgeschlossen. Der weitere Fortgang des Geschehens, so auch die wiederholten Inobhutnahmen, habe die anfängliche Wiederaufnahmeperspektive - zumindest mit Blick auf ambulante Hilfeleistungen - nachträglich bestätigt. Im Zusammenhang mit einer Hilfeablehnung könne von einer zuständigkeitsrelevanten Leistungsunterbrechung allenfalls die Rede sein, wenn der Amtsvormund ernsthafte Bemühungen unternommen hätte, die Jugendlichen zu einer Mitwirkung zu bewegen, und diese solche Bemühungen anhaltend ignoriert oder zurückgewiesen hätten. Daran fehle es hier aber. Hätte sich der Amtsvormund hinreichend bemüht und seine Verantwortlichkeit sachgerecht wahrgenommen, wäre es nie zu einer Einstellung von Jugendhilfeleistungen gekommen.
31Der Kläger beantragt,
32das Urteil des Verwaltungsgerichts Arnsberg vom 16. April 2012 abzuändern und
33- 34
1. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger die in den Hilfefällen B. und E. V. in der Zeit vom 9. Oktober 2009 bis zum 31. August 2010 aufgewandten Jugendhilfekosten in Höhe von 25.591,72 Euro zuzüglich eines Pflichtwidrigkeitszuschlags gemäß § 89c Abs. 2 SGB VIII in Höhe von 8.530,57 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31. August 2010 zu erstatten,
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2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger die in dem Hilfefall B. V. in der Zeit vom 1. September 2010 bis zum 22. April 2011 und in dem Hilfefall E. V. in der Zeit vom 1. September 2010 bis zum 31. März 2012 aufgewendeten Jugendhilfekosten zuzüglich eines Pflichtwidrigkeitszuschlags gemäß § 89c Abs. 2 SGB VIll nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 1. April 2012 zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
38die Berufung zurückzuweisen.
39Sie vertritt den Standpunkt, dass sich die Frage der örtlichen Zuständigkeit neu gestellt habe. Es treffe nicht zu, dass das Verwaltungsgericht die zeitlichen Abläufe unvollständig festgestellt habe. Der Zeitpunkt der Leistungseinstellung habe sich aus den Bescheiden vom 3. Juli 2009 bzw. 19. August 2009 ergeben, die dem Vormund jeweils - wie üblich - am selben Tag persönlich übergeben worden seien. Entgegen der Auffassung des Klägers sei für die Ermittlung des Zeitraums der Leistungsunterbrechung nicht auf den Eingang des erneuten Antrags abzustellen, sondern vielmehr auf den nachfolgenden Beginn der konkreten Hilfeleistung. Insofern sei die Leistungserbringung hier für gut 5 ½ Monate (B. ) bzw. knapp 5 Monate (E. ) unterbrochen gewesen. Diese Zeiträume seien deutlich länger als die vom Bundesverwaltungsgericht für maßgeblich erachteten 3 Mo-nate. Mit einer baldigen Wiederaufnahme der Hilfen sei nicht zu rechnen gewesen. Aus dem Protokoll des Fachgesprächs vom 3. Juli 2009 ergebe sich, dass B. nicht zu einer Rückkehr in die Einrichtung in X1. zu bewegen gewesen sei. Die beteiligten Fachkräfte seien seinerzeit übereinstimmend zu dem Ergebnis gekommen, dass die Hilfe für sie unter den gegebenen Umständen einzustellen sei. Diese fachliche Einschätzung habe der Kläger nicht in Zweifel ziehen können. Gegen den Willen des Kindes und ohne seine Bereitschaft zur Mitwirkung sei eine Leistungsbewilligung nicht möglich gewesen. Entsprechendes habe auch im Fall von E. gegolten. Die Erwägungen, die zur Einstellung der Hilfen geführt hätten, seien aktenkundig. Der Kläger verkenne, dass es sich bei der Hilfeplanung um einen komplexen partizipativen Entscheidungsprozess handele, dessen Ergebnis verwaltungsgerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar sei und der durch eine nachträgliche Beurteilung nichtbeteiligter Stellen nicht ersetzt werden könne. Bei Einstellung der Hilfen sei nicht absehbar und schon gar nicht sicher gewesen, dass die Geschwister wieder eine Mitwirkungsbereitschaft zeigen würden. Ohne neuen Antrag des Amtsvormundes habe die Beklagte eine Hilfe auch gar nicht bewilligen können. Ob der Vormund hierzu verpflichtet gewesen wäre, wie der Kläger offenbar meine, sei nicht erheblich. Angesichts der relativen Weisungsfreiheit des Amtsvormundes sei eine unterstellte Pflichtverletzung seinerseits der Beklagten nicht zuzurechnen.
40Hinsichtlich des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung wird auf das Protokoll der öffentlichen Sitzung vom 21. März 2014 verwiesen.
41Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
42E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
43Die zulässige Berufung hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
44Die Leistungsklage ist statthaft und auch sonst zulässig. Soweit der in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat gestellte Antrag von dem in der 1. Instanz gestellten hinsichtlich des angegebenen Beginns des Leistungszeitraums abweicht (9. Oktober 2009 statt 1. November 2009), handelt es sich um eine Richtigstellung einer erkennbar irrtümlichen Falschbezeichnung, ohne dass damit das Klagebegehren der Sache nach erweitert worden wäre.
45Auch die Zulässigkeit der weiter erhobenen Feststellungsklage unterliegt nach § 43 VwGO keinen Bedenken.
46Vgl. zur Zulässigkeit eines Feststellungsantrags in einem sozialrechtlichen Kostenerstattungsstreit: OVG NRW, Urteile vom 25. Oktober 2005
47- 12 A 4342/03 -, juris, und vom 7. November 2003 - 12 A 3187/01 -, FEVS 55, 495, juris, m. w. N.
48Die Leistungs- und Feststellungsklagen sind jeweils teilweise begründet. Für die streitgegenständlichen Zeiträume der Hilfegewährung in den Hilfefällen B. und E. V. steht dem Kläger ein Erstattungsanspruch gegen die Beklagte nach § 89c Abs. 1 Satz 2 SGB VIII zu (dazu 1.). Den geltend gemachten Pflichtwidrigkeitszuschlag nach § 89c Abs. 2 SGB VIII (dazu 2.) kann der Kläger von der Beklagten indes ebenso wenig verlangen wie eine auf § 89b Abs. 1 SGB VIII zu stützende Erstattung der streitgegenständlichen Inobhutnahmekosten (dazu 3.).
491. Nach § 89c Abs. 1 Satz 2 SGB VIII sind Kosten, die ein örtlicher Träger im Rahmen seiner Verpflichtung nach § 86d SGB VIII aufgewendet hat, von dem örtlichen Träger zu erstatten, dessen Zuständigkeit durch den gewöhnlichen Aufenthalt nach §§ 86, 86a und 86b SGB VIII begründet wird.
50Der Kläger hat die streitgegenständlichen Kosten, soweit sie für Leistungen im Sinne von § 2 Abs. 2 SGB VIII angefallen sind, im Rahmen seiner Verpflichtung nach § 86d SGB VIII aufgewendet.
51Gemäß § 86d SGB VIII ist, wenn die örtliche Zuständigkeit nicht feststeht oder der zuständige örtliche Träger nicht tätig wird, der örtliche Träger vorläufig zum Tätigwerden verpflichtet, in dessen Bereich sich das Kind vor Beginn der Leistung tatsächlich aufhält. Demnach ist Voraussetzung für die Anwendung des § 86d SGB VIII, dass entweder die örtliche Zuständigkeit nicht feststeht (§ 86d Alt. 1 SGB VIII), was insbesondere der Fall sein kann, wenn Streit über die örtliche Zuständigkeit besteht oder ihre Klärung schwierig ist und längere Zeit erfordert,
52vgl. Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 4. Auflage 2011, § 86d Rn. 3; Kunkel, in: LPK-SGB VIII, 4. Auflage 2011, § 86d Rn. 3, Reisch, in: Jens/Happe/Saurbier/Maas, Kinder- und Jugendhilferecht, Stand Juli 2013, Erl. Art. 1 § 86d KJHG Rn. 7,
53oder die örtliche Zuständigkeit zwar feststeht, aber der zuständige örtliche Träger nicht tätig wird (§ 86d Alt. 2 SGB VIII),
54vgl. Wiesner, a. a. O., § 86d Rn. 4; Kunkel, a. a. O., § 86d Rn. 4; Reisch, a. a. O., § 86d Rn. 8.
55Hier war ersteres der Fall, da sich die Beteiligten bereits im Zeitpunkt der erneuten Hilfegewährung uneins darüber waren, wer als örtlich zuständiger Träger einzustehen hatte. In Anbetracht dessen liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass § 86d SGB VIII nicht greifen könnte, weil der Kläger von einer vermeintlichen eigenen Zuständigkeit ausgegangen wäre und deshalb nicht aufgrund einer Pflicht zumvorläufigen Tätigwerden gehandelt hätte.
56Vgl. zu diesem Aspekt: VG Würzburg, Urteil vom 19. September 2013 - W 3 K 12.223 -, juris, unter Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 28. März 1984 - 9a RV 50/82 -, juris (zu § 102 SGB X).
57Die Beklagte ist erstattungspflichtig, weil ihre Zuständigkeit durch den gewöhnlichen Aufenthalt nach § 86 SGB VIII begründet wurde.
58Gemäß § 86 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII richtet sich bei verschiedenen gewöhnlichen Aufenthalten der Elternteile die Zuständigkeit nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Elternteils, das personensorgeberechtigt ist. Zuständigkeitsrechtlich hat die Leistungserbringung vorliegend bereits mit der Heimunterbringung der Hilfeempfänger nach §§ 27, 34 SGB VIII im April 2006 begonnen. Die streitbefangenen Leistungen, deren Kostenaufwand der Kläger erstattet verlangt, stellen sich lediglich als Fortsetzung der früheren Leistung der Beklagten dar. Bei Beginn der als einheitlich zu wertenden Leistungserbringung im Jahre 2006 hatte die Mutter von B. und E. V. ihren gewöhnlichen Aufenthalt unzweifelhaft im Zuständigkeitsbereich der Beklagten, während der (nicht sorgeberechtigte) Vater offenbar im Zuständigkeitsbereich des Klägers wohnte. Die Mutter war seinerzeit auch (noch) personensorgeberechtigt; auf den vorherigen partiellen Entzug des Sorgerechts für E. kam es nicht an (vgl. § 86 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 SGB VIII). Abweichendes ergäbe sich auch dann nicht, wenn man im Falle von E. bereits auf den früheren Beginn der Hilfe zur Erziehung im Juli 2005 abstellte, weil die Aufenthaltsumstände seinerzeit identisch waren.
59Als somit entscheidungserheblicher Beginn der Leistung i. S. v. § 86 SGB VIII ist das Einsetzen der Hilfegewährung und damit grundsätzlich der Zeitpunkt anzusehen, ab dem die konkrete Hilfeleistung tatsächlich gegenüber dem Hilfeempfänger erbracht wird.
60Vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Oktober 2011
61- 5 C 25.10 -, BVerwGE 141, 77; a. A. noch: OVG NRW, Beschluss vom 27. Januar 2010 - 12 B 1717/09 -, juris, m. w. N.
62"Leistung", an deren Beginn § 86 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII ausweislich § 86 Abs. 5 SGB VIII für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit anknüpft, sind unabhängig von der Hilfeart und Hilfeform alle im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zur Deckung eines qualitativ unveränderten, kontinuierliche Hilfe gebietenden jugendhilferechtlichen Bedarfs erforderlichen Maßnahmen und Hilfen, sofern sie ohne Unterbrechung gewährt worden sind, und zwar auch dann, wenn sich bei einem auf einen längeren Zeitraum angelegten Hilfeprozess die Schwerpunkte innerhalb des Hilfebedarfs verschieben und die Ausgestaltung der Hilfe Modifikationen, Änderungen oder Ergänzungen bis hin zu einem Wechsel der Hilfeart erforderlich werden.
63Vgl. NdsOVG, Beschluss vom 14. März 2012
64- 4 LC 143/09 -, EuG 2012, 381, mit Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 29. Januar 2004 - 5 C 9.03 -, BVerwGE 120, 116, juris, bestätigt durch Urteile vom 23. März 2010 - 5 C 12.09 -, BVerwGE 136, 185, juris, und vom 19. Oktober 2011 - 5 C 25.10 -, BVerwGE 141, 77, juris.
65Im Vordergrund der Gesetzesauslegung steht dabei die Kontinuität einer bedarfsgerechten Hilfegewährung im Rahmen einer in aller Regel auf einen längeren Zeitraum angelegten Hilfegewährung. Der dementsprechend auf eine Gesamtbetrachtung des konkreten Hilfebedarfs abstellende zuständigkeitsrechtliche Leistungsbegriff bedeutet deshalb weder, dass jede neue Maßnahme der Jugendhilfe den Beginn einer neuen Leistung markiert, noch, dass es allein auf die erstmalige Gewährung von Jugendhilfe im Sinne eines Beginns einer „Jugendhilfekarriere“ ankommt.
66Vgl. auch OVG NRW, Beschluss vom 28. Feb-ruar 2012 - 12 A 1263/11 -, juris, m. w. N.
67Der Interpretation der höchstrichterlichen Rechtsprechung dahingehend, dass bei förmlicher Einstellung einer Jugendhilfeleistung immer auch eine Beendigung der Leistung vorliegt, sofern nicht im Zeitpunkt der Einstellung der Jugendhilfeleistung eine Anschlussleistung bereits bewilligt oder doch konkret geplant ist oder eine Zuständigkeitsvorschrift des SGB VIII ausnahmsweise anderes anordnet,
68so OVG Rh.-Pf., Urteil vom 13. Februar 2014
69- 7 A 11043/13 -, juris,
70folgt der Senat nicht, weil damit - ohne exakte Vorgabe im Gesetz außerhalb der ausdrücklich geregelten Ausnahmefälle - die Zuständigkeit von der subjektiven Einschätzung des zunächst leistenden Jugendamtes und nicht objektiv vom Hilfebedarf des Kindes oder Jugendlichen abhängig gemacht würde. Eine solche Perspektivverschiebung, die möglichen Manipulationen Tür und Tor öffnen würde, ist in der zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, die maßgeblich auf den Aspekt der Kontinuität des jugendhilferechtlichen Bedarfs - soweit dieser qualitativ unverändert fortbesteht - abstellt, nicht angelegt.
71Ist hiernach vielmehr eine den objektiven Gegebenheiten Rechnung tragende Gesamtbetrachtung vorzunehmen, inwieweit die Hilfeleistung bezogen auf den Bedarf eine zuständigkeitsrelevante Unterbrechung erfahren hat, führt diese im vorliegenden Fall zu dem Ergebnis, dass die erneute Hilfegewährung durch den Kläger in einem hinreichenden Fortsetzungszusammenhang mit der zuvor eingestellten Hilfe der Beklagten steht und sich daher nicht als „neue" Leistung darstellt.
72Dabei kommt es im Ansatz nicht entscheidend darauf an, ob die von der Beklagten verfügte Einstellung der Heimunterbringung bedarfsgerecht und damit rechtmäßig war. § 89f Abs. 1 Satz 1 SGB VIII betrifft nur die tatsächlich aufgewendeten Kosten, während es hier um die Würdigung des Umstandes, dass tatsächlich über einen Zeitraum von ca. 5 ½ Monaten (B. ) bzw. knapp 5 Monaten (E. ) keine Leistungen mehr erbracht worden sind, unter dem Gesichtspunkt des Zusammenhanges der Leistungsabschnitte geht. Anhaltspunkte dafür, dass die Hilfe, deren Kosten erstattet verlangt werden, für sich gesehen nicht rechtmäßig erbracht worden sein könnte, bestehen nicht. Insbesondere ist sie mit dem notwendigen Einverständnis des sorgeberechtigten Amtsvormunds erbracht worden.
73Vgl. zum Antragserfordernis etwa: NdsOVG, Beschluss vom 2. August 2013 - 4 LA 112/12 -, juris, OVG NRW, Urteil vom 25. Oktober 2005
74- 12 A 606/05 -, juris, jeweils m. w. N.
75Unter welchen Voraussetzungen bei einer Wiederaufnahme von Leistungen von einem zuständigkeitsrelevanten (Neu-)Beginn oder einer Fortsetzung auszugehen ist, regelt der hier maßgebliche § 86 Abs. 2 SGB VIII nicht kraft Gesetzes. Das SGB VIII stellt lediglich in anderen Vorschriften - nämlich §§ 86 Abs. 7 Satz 4, 86a Abs. 4 Satz 3, 86b Abs. 3 Satz 2 und 88 Abs. 2 Halbsatz 2 SGB VIII - im Zusammenhang mit der Frage eines Zuständigkeitswechsels auf den Gesichtspunkt der „Unterbrechung der Jugendhilfeleistungen“ ab. Dort misst es für bestimmte Leistungen und Hilfeempfänger - die hier jedoch nicht einschlägig sind - einer Unterbrechung der Leistung von bis zu 3 Monaten keine die bisherige Zuständigkeit in Frage stellende Bedeutung zu. Daneben beschränkt die „Unterbrechung der Leistung" gemäß § 95 Abs. 3 SGB VIII den Zeitraum der Wirksamkeit einer rechtswahrenden Anzeige, wenn dieser mehr als 2 Monate beträgt. Für die Frage eines - neuen - „Beginns der Leistung“ dürften alle diese Regelungen jedoch unmittelbar nichts hergeben.
76So auch: SächsOVG, Urteil vom 18. Januar 2010 - 1 A 753/08 -, juris; a. A. VG Ansbach, Urteil vom 14. Juni 2012 - AN 14 K 10.00668 -, juris, und NdsOVG, Beschluss vom 14. März 2012
77- 4 LC 143/09 -, EUG 2012, 381, juris, wonach Unterbrechungen unter 3 Monaten grundsätzlich außer Betracht bleiben sollen.
78Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der grundlegenden Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. Januar 2004 - 5 C 9.03 -, a. a. O. Die angeführten Vorschriften lassen jedoch zumindest erkennen, dass Hilfeleistungen nur dann als unterbrochen angesehen werden sollen, wenn sie während einer gewissen Zeit davor nicht erbracht wurden.
79Vgl. SächsOVG, a. a. O., mit Hinweis auf VGH C2. .-Württ., Urteil vom 15. September 1997
80- 9 S 174/96 -, FEVS 48, 131, juris.
81Entscheidend bleibt mangels weitergehender konkreter gesetzlicher Vorgaben für die Frage einer zuständigkeitsrelevanten Unterbrechung im Rahmen der einer Würdigung der Gesamtumstände danach, ob nach der Einstellung der Leistungen zum 3. Juli 2009 bzw. 19. August 2009 mit einer alsbaldigen Wiederaufnahme von Leistungen auf den gleichartigen Bedarf zu rechnen oder ein zukünftiger Hilfebedarf zumindest noch nicht hinreichend klar auszuschließen war. Die bloße Einstellung der Hilfe vermag insoweit für sich genommen nicht genügen, sofern sie nicht durch tragfähige Gesichtspunkte im Hinblick auf eine nicht absehbare zukünftige Hilfegewährung gestützt ist, d. h. eine konkretisierte Wiederaufnahmeperspektive nicht besteht.
82Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19. Februar 2013 - 12 A 2913/12 -, juris; SächsOVG, a. a. O.; VGH C2. .-Württ., a.a.O., VG Augsburg, Beschluss vom 13. April 2012 - Au 3 E 12.434 -, juris; Funke, in: LPK-SGB VIII, 4. Auflage 2011, § 86 Rn. 11, vgl. auch die Unterscheidung zwischen Abbruch und Unterbrechung bei: Kunkel, a. a. O., § 95 Rn. 29.
83Das bestimmt sich danach, wie sicher bei Einstellung der stationären Hilfe zur Erziehung nach §§ 27, 34 SGB VIII damit zu rechnen war, dass B. und E. Mutter dem Erziehungs- und Betreuungsbedarf der Jugendlichen ohne Inanspruchnahme zumindest ergänzender Hilfe zur Erziehung nach § 27 SGB VIII auf Dauer gerecht werden würde. Je mehr erwartet werden musste, dass sie diesen Bedarf nicht ohne professionelle Unterstützung würde abdecken können, umso konkreter zeichnete sich eine Wiederaufnahme der jugendamtlichen Hilfeleistung ab, wenn auch möglicherweise in weniger umfassender und intensiver Form.
84Daran orientiert ist im vorliegenden Fall festzustellen, dass - nach objektiven Maßstäben - schon bei Einstellung der Hilfe im Juli bzw. August 2009 von einer solchen konkretisierten Wiederaufnahmeperspektive auszugehen war.
85Dieser Würdigung ist zunächst zugrundezulegen, dass der seit Jahren bekannte Erziehungshilfebedarf unverändert und unabweisbar fortbestand. Dass die manifest erziehungsunfähige und nicht mehr sorgeberechtigte Mutter während der mehrjährigen Heimunterbringung ihrer Kinder an erzieherischer Kompetenz gewonnen haben sollte, war nicht anzunehmen. Ihre Lebensumstände, soweit aus den Akten ersichtlich, vermittelten auch im Zeitpunkt der Hilfeeinstellung nach wie vor einen eher desolaten Eindruck: So hatte sie, wie aus jugendamtlichen Gesprächsprotokollen und den Abschlussberichten der Einrichtung in X1. hervorgeht, ihre frühere Wohnung in T1. offenbar im Januar 2009 zwangsweise räumen müssen, hatte sich wiederholt nicht an Vereinbarungen zu Besuchskontakten gehalten und war alkoholisiert zu einem Sommerfest erschienen. Wie dem Vermerk über einen - vom Allgemeinen Sozialen Dienst des Jugendamtes des Klägers durchgeführten - unangekündigten Hausbesuch am 17. August 2009 zu entnehmen ist, erwies sich die von der Mutter seinerzeit bezogene Wohnung in C. als „verwahrlost“, die Böden „verschmutzt und mit Gerümpel bedeckt“; der Umstand, dass sie für B. und E. zwei Zimmer in einer Pension angemietet hatte, ließ die Wohnsituation nicht unbedenklicher erscheinen.
86Zu der Problematik fehlender Mitwirkungsbereitschaft auf Seiten der beiden Hilfeempfängerinnen und deren Mutter ist festzuhalten, dass die Beklagte es aufgrund der Übertragung des Personensorgerechts selbst in der Hand hatte, auf die Einleitung eines Verwaltungsverfahrens zur erneuten Gewährung von Jugendhilfeleistungen hinzuwirken; eines Antrags der - nicht sorgeberechtigten - Mutter bedurfte es insofern nicht, was das Verwaltungsgericht auch berücksichtigt hat.
87Hiervon zu trennen ist die - auf die Eignung in Betracht kommender Maßnahmen zielende - Frage, ob der Hilfebedürftige willens ist, eine seinem Bedarf entsprechende Hilfeleistung in Anspruch zu nehmen und sich in den Prozess der Hilfegewährung erfolgversprechend einzubringen. Dabei besteht keine Veranlassung, verallgemeinernd der Frage nachzugehen, unter welchen Umständen Erziehungshilfe auch gegen den erklärten Willen des Hilfebedürftigen zu leisten ist. Besteht nämlich, wie es hier der Fall war, nach Einstellung einer Hilfeleistung der Erziehungshilfebedarf unverändert fort, ist allenfalls unter sehr engen Voraussetzungen - die hier nicht vorlagen - darauf zu schließen, dass eine jegliche weitere Gewährung von gegebenenfalls auch andersartiger Erziehungshilfe absehbar ungeeignet erscheint, weil im Zeitpunkt der Beendigung der Hilfe anzunehmen ist, dem betroffenen Minderjährigen fehle es an der Mitwirkungsbereitschaft. Wenn selbst bei der Hilfe für junge Volljährige zu bedenken ist, dass eine mangelnde Mitwirkung des Hilfebedürftigen gerade auch durch Erziehungs- oder Entwicklungsdefizite, denen mit der Hilfe begegnet werden kann, bedingt sein mag,
88vgl. zu diesem Aspekt: OVG NRW, Beschluss vom 13. Januar 2012 - 12 B 1583/11 -, juris; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 16. Oktober 2003 - 19 L 2526/03 -, juris Rn. 10 ff.; Tammen, in: FK-SGB VIII, 7. Auflage 2013, § 41 Rn. 7; Wiesner, a. a. O., § 41 Rn. 24,
89und insofern eine gewisse Zurückhaltung geboten ist, wenn ein Ausschluss der (weiteren) Hilfegewährung wegen Kooperationsunwilligkeit des Betroffenen in Rede steht, so gilt dies erst recht bei der auf Kinder und Jugendliche zugeschnittenen Erziehungshilfe. Dort muss typischerweise mit sprunghaftem Verhalten und unüberlegten Willensäußerungen der Minderjährigen gerechnet werden. Eine zum Ausdruck gebrachte Ablehnung der weiteren Inanspruchnahme von Jugendhilfe wird häufig - und so auch hier - nicht darauf schließen lassen können, dass sie Ausdruck einer deutlich gefestigten und absehbar nicht veränderlichen inneren Haltung ist.
90Die vorliegenden Vorgänge, insbesondere die Abschlussberichte der Kinder- und Jugendhilfe X1. vom 19. August 2009 (B. ) bzw. 4. September 2009 (E. ) sowie die zahlreichen Protokolle vorangegangener Hilfeplangespräche, vermitteln das Bild eines sehr wechselhaften Beziehungsgefüges zwischen den Schwestern B. und E. auf der einen und der Mutter der beiden Mädchen auf der anderen Seite. Die Frage der Dauerhaftigkeit des im Juni 2009 - offenbar nach außen hin überraschend gefassten - Entschlusses der seinerzeit 16-jähri-gen B. , die Einrichtung in X1. zu verlassen, zur Mutter nach C. zu ziehen und Leistungen der Erziehungshilfe nicht mehr in Anspruch nehmen zu wollen, war vor diesem Hintergrund entsprechend zu würdigen. Aus dem Protokoll eines am 3. Juli 2009 geführten Fachgesprächs und einer E-Mail des Amtsvormunds, Herrn E9. , vom 25. Juni 2009 geht hervor, dass bei B. seinerzeit „keinerlei Problembewusstein“ bestanden habe und ihrer - nicht weiter begründeten - Meinung nach im Verhältnis zur Mutter nunmehr „alles in Ordnung“ gewesen sei, obwohl man in X1. „B. noch in jüngst zurückliegender Zeit wiederholt wütend und frustriert im Hinblick auf ihre Mutter“ erlebt habe. Schon in Anbetracht der darin deutlich zum Ausdruck kommenden unreflektierten Wahrnehmung der Unbeständigkeit ihrer Beziehung zur Mutter musste sich aufdrängen, dass die Einschätzung, nun sei „alles in Ordnung“, absehbar ebenso ins Wanken geraten würde wie die damit zusammenhängende Auffassung, ohne Jugendhilfe auszukommen; retrospektiv hat sich das bestätigt. Ebenso naheliegend war, dass sich in diesem Fall ein gleichförmiger Prozess auch bei der jüngeren Schwester E. vollziehen würde, deren Verhältnis zur Mutter offenbar, wie der Abschlussbericht vom 4. September 2009 andeutet, auch erst im Gefolge des Wegzugs B. nach C. wieder enger geworden war.
91Vor diesem Hintergrund erscheint die Annahme des Amtsvormundes in seinem an das Jugendamt des Klägers adressierten Antragsschreiben vom 17. November 2009, eine zunächst artikulierte Ablehnung der Hilfegewährung durch die beiden Schwestern schließe die Hilfe selbst nicht aus, es müsse dann erst versucht werden, „einen Zugang zu finden“, ebenso zutreffend wie bezeichnend; das hätte entsprechend auch schon im Zeitpunkt der vorangegangenen Einstellung der Hilfen gegolten.
92Die seinerzeit gleichfalls ablehnende Haltung der Mutter stand einer Wiederaufnahmeperspektive im dargelegten Sinne ebenso wenig entgegen. Ungeachtet der Frage, inwieweit ihre Ablehnung als gefestigt und gereift einzuschätzen war, drängte sich auf, dass bei fortdauernder Verweigerung eigener Mitwirkung Maßnahmen unausweichlich sein würden, bei denen es ihrer Beteiligung nicht bedurft hätte, gegebenenfalls bis hin zu einer erneuten Heimunterbringung.
932. Der weiter geforderte Verwaltungskostenzuschlag nach § 89c Abs. 2 SGB VIII steht dem Kläger allerdings nicht zu. Nach dieser Vorschrift hat der zuständige örtliche Träger zusätzlich einen Betrag in Höhe eines Drittels der Kosten, mindestens jedoch 50 Euro, zu erstatten, wenn der unzuständige örtliche Träger die Kosten deshalb aufgewendet hat, weil ersterer pflichtwidrig gehandelt hat. Hier fehlt es an einem pflichtwidrigen Handeln der Beklagten als demjenigen Jugendhilfeträger, der für die erneute Leistungserbringung nach der Hilfeeinstellung im Sommer 2009 örtlich zuständig war.
94Pflichtwidrigkeit wird in der Regel angenommen, wenn der erstattungspflichtige Träger seine Zuständigkeit erkannt hat bzw. bei Anwendung der ihm obliegenden Sorgfalt hätte erkennen müssen und dennoch die Hilfeleistung ablehnt, verzögert oder unzureichend gewährt. Dabei ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass dann, wenn der ersatzpflichtige Träger aufgrund einer schwierig zu beurteilenden rechtlichen Situation seine Ersatzpflicht ablehnt bzw. im Kompetenzkonflikt mit einem anderen Jugendhilfeträger seine Zuständigkeit aus rechtlichen Erwägungen heraus verneint, pflichtwidriges Verhalten ausscheiden kann; nicht jeder Rechtsirrtum ist pflichtwidrig.
95Vgl. zum Vorstehenden: OVG M.-V., Urteil vom 30. November 2011 - 1 L 71/09 -, juris, m. w. N.
96Davon ausgehend ist der Beklagten, auch wenn sie ihre (weitere) Zuständigkeit nach Einstellung der Hilfegewährung im Juli bzw. August 2009 zu Unrecht verneint hat, nicht der Vorwurf pflichtwidriger Untätigkeit zu machen. Denn die Prüfung der Zuständigkeit erforderte hier eine umfassende und keineswegs allein nach schematischen Kriterien zu bewältigende Würdigung der maßgeblichen Umstände des Einzelfalles, bei der die gesamte „Jugendhilfekarriere“ der Schwestern, die Lebensumstände der Mutter und die Beziehung beider Seiten zueinander in den Blick zu nehmen waren. Vor diesem Hintergrund erwies sich die Beantwortung der Zuständigkeitsfrage jedenfalls als so schwierig, dass die Fehlerhaftigkeit des Ergebnisses der Beklagten nicht als sorgfaltswidrig angelastet werden kann. Die Komplexität der rechtlichen Prüfung wird dadurch unterstrichen, dass sich der Kläger zur Klärung der Zuständigkeit sowohl an das Deutsche Institut für Jugendhilfe und Familienrecht als auch an das Landesjugendamt gewandt, das Verwaltungsgericht seine angefochtene - einen Zuständigkeitswechsel bejahende - Entscheidung u. a. auf die Ergebnisse einer eingehenden Befragung des Amtsvormundes in der mündlichen Verhandlung gestützt und der Senat die Berufung aufgrund besonderer Schwierigkeiten im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zugelassen hat.
973. Die geltend gemachten Kosten der Inobhutnahmen hat die Beklagte dem Kläger ebenfalls nicht zu erstatten. Die als Grundlage eines Erstattungsanspruchs allein in Betracht kommende Vorschrift des § 89b Abs. 1 SGB VIII greift nicht. Hiernach sind Kosten, die ein örtlicher Träger im Rahmen der Inobhutnahme von Kindern und Jugendlichen (§ 42 SGB VIII) aufgewendet hat, von dem örtlichen Träger zu erstatten, dessen Zuständigkeit durch den gewöhnlichen Aufenthalt nach § 86 SGB VIII begründet wird. Letzterer war indes nicht die Beklagte, sondern vielmehr der Kläger.
98Für die Zuständigkeitsbestimmung entsprechend § 86 SGB VIII, die § 89b SGB VIII verlangt, ist in Abgrenzung zum einheitlichen Leistungsbegriff auf den Zeitpunkt des Beginns der Inobhutnahme abzustellen, auch wenn bereits eine Leistung der Jugendhilfe gewährt wurde oder wird.
99Vgl. Eschenbach/Schindler, in: FK-SGB VIII, 7. Auflage 2013, § 89b Rn. 1; Reisch, a. a. O., Erl. § 89b Art. 1 KJHG Rn. 2.
100Dieser Ansatz folgt der in § 2 SGB VIII angelegten Differenzierung zwischen „Leistungen“ und „anderen Aufgaben“ der Jugendhilfe. Das Gesetz nennt die Inobhutnahme nicht im Katalog der Leistungen der Jugendhilfe (§ 2 Abs. 2 SGB VIII), sondern führt sie ausdrücklich in § 2 Abs. 3 Nr. 1 SGB VIII unter der Kategorie der sonstigen Aufgaben der Jugendhilfe auf. Diese systematische und begriffliche Unterscheidung setzt sich in den Regelungen über die örtliche Zuständigkeit fort. Insofern ist der Übergang von einer Inobhutnahme zur Gewährung von Hilfe zur Erziehung - auch bei einem an sich nicht qualitativ veränderten Bedarf - nicht mit einem bloßen Wechsel innerhalb des Leistungskatalogs des § 2 Abs. 2 SGB VIII gleichzusetzen,
101vgl. BVerwG, Urteil vom 25. März 2010
102- 5 C 12.09 -, BVerwGE 136, 185, juris,
103wobei Entsprechendes gleichermaßen im umgekehrten Verhältnis zu gelten hat.
104Auch die hinter der Regelung des § 89b SGB VIII stehende Zielsetzung, Großstädte und andere Zentralorte zu entlasten, in denen, weil es sich um typische Anziehungspunkte für schutzbedürftige Kinder und Jugendliche handelt, die Jugendhilfeträger in erhöhtem Maße vorläufige Schutzmaßnahmen ergreifen müssen,
105vgl. hierzu nur Reisch, a. a. O., Erl. § 89b Art. 1 KJHG Rn. 1; Kunkel, a. a. O, § 89b Rn. 1; Wiesner, a. a. O., § 89b Rn. 1,
106rechtfertigt es nicht, bei der durch den gewöhnlichen Aufenthalt begründeten Kostenverantwortlichkeit - abweichend vom Zeitpunkt des Maßnahmebeginns - auf weiter zurückliegende Aufenthaltsumstände abzustellen, wenn vor der Inob-hutnahme Leistungen der Jugendhilfe i. S. d. § 2 Abs. 2 SGB VIII erbracht wurden.
107Hiervon ausgehend lag bei Beginn der hier streitgegenständlichen Inobhutnah-men, die vom 9. Oktober 2009 bis zum 10. November 2009 (B. ) bzw. vom 19. November 2009 bis zum 12. Januar 2010 (E. ) andauerten, in beiden Fällen ein gewöhnlicher Aufenthalt im Zuständigkeitsbereich des Klägers vor, wie aus einer entsprechenden Anwendung von § 86 Abs. 3 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 SGB VIII folgt. Denn sowohl B. als auch E. hatten, bevor sie am 9. Oktober 2009 bzw. 19. November 2009 in Obhut genommen wurden, ihren gewöhnlichen Aufenthalt bei der in C. wohnhaften Mutter.
108Der Anspruch auf die geltend gemachten Zinsen ab Rechtshängigkeit folgt aus der entsprechenden Anwendung der §§ 291, 188 BGB stützen. Diese Vorschriften gelten vorbehaltlich spezieller Regelungen in den Fachgesetzen auch für öffentlich-rechtliche Geldschulden.
109Vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Januar 2014 - 5 C 8.13 -, juris; Beschluss vom 21. Januar 2010
110- 9 B 66.08 -, DVBl. 2010, 575, juris; OVG NRW, Urteil vom 16. September 2011 - 12 A 2308/10 -, juris.
111Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 155 Abs. 1 Satz 1, 188 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO.
112Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
113Die Revision war nach § 132 Abs. 2 VwGO zuzulassen, weil die Frage, ob in der förmlichen Einstellung der Jugendhilfe regelmäßig die zuständigkeitsrechtliche Beendigung der Leistung liegt, von grundsätzlicher Bedeutung ist.
(1) Hat ein unzuständiger Leistungsträger Sozialleistungen erbracht, ohne dass die Voraussetzungen von § 102 Abs. 1 vorliegen, ist der zuständige oder zuständig gewesene Leistungsträger erstattungspflichtig, soweit dieser nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat. § 104 Abs. 2 gilt entsprechend.
(2) Der Umfang des Erstattungsanspruchs richtet sich nach den für den zuständigen Leistungsträger geltenden Rechtsvorschriften.
(3) Die Absätze 1 und 2 gelten gegenüber den Trägern der Eingliederungshilfe, der Sozialhilfe, der Kriegsopferfürsorge und der Jugendhilfe nur von dem Zeitpunkt ab, von dem ihnen bekannt war, dass die Voraussetzungen für ihre Leistungspflicht vorlagen.
Der Anspruch auf Erstattung ist ausgeschlossen, wenn der Erstattungsberechtigte ihn nicht spätestens zwölf Monate nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde, geltend macht. Der Lauf der Frist beginnt frühestens mit dem Zeitpunkt, zu dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über seine Leistungspflicht Kenntnis erlangt hat.
Eine Geldschuld hat der Schuldner von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an zu verzinsen, auch wenn er nicht im Verzug ist; wird die Schuld erst später fällig, so ist sie von der Fälligkeit an zu verzinsen. Die Vorschriften des § 288 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, Abs. 3 und des § 289 Satz 1 finden entsprechende Anwendung.
(1) Sach- und Dienstleistungen sind in Geld zu erstatten.
(2) Ein Erstattungsanspruch der Träger der Eingliederungshilfe, der Sozialhilfe, der Kriegsopferfürsorge und der Jugendhilfe ist von anderen Leistungsträgern
- 1.
für die Dauer des Erstattungszeitraumes und - 2.
für den Zeitraum nach Ablauf eines Kalendermonats nach Eingang des vollständigen, den gesamten Erstattungszeitraum umfassenden Erstattungsantrages beim zuständigen Erstattungsverpflichteten bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung
Tatbestand
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Die Klägerin, ein privatisierter ehemals volkseigener Betrieb, beansprucht von der Beklagten die Auskehrung des Erlöses aus der im Jahre 1994 vorgenommenen Veräußerung eines früher volkseigenen und in Rechtsträgerschaft der Deutschen Reichsbahn stehenden Grundstücks nach § 8 Abs. 4 Satz 2 des Vermögenszuordnungsgesetzes - VZOG -. Vertragspartner des Veräußerungsgeschäfts war die Klägerin selbst, die der Beklagten das Grundstück zum Preis von insgesamt 443 364,35 DM (= 226 688,59 €) abkaufte.
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Auf Antrag der Klägerin stellte das Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen mit Bescheid vom 13. Juni 2006 fest, dass sie vorbehaltlich privater Rechte Dritter am 1. Juli 1990 gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2 des Treuhandgesetzes - TreuhG - Eigentümerin des betroffenen Grundstücks geworden sei. Daraufhin forderte die Klägerin die Beklagte mit Schreiben vom 31. Juli 2006 zur Herausgabe des Veräußerungserlöses bis zum 9. August 2006 auf. Die Beklagte verweigerte dies wie bereits im Zuordnungsverfahren.
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Am 24. August 2006 hat die Klägerin gegen die Beklagte Klage auf Zahlung des Veräußerungserlöses nebst 8 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 10. August 2006 erhoben.
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Das Verwaltungsgericht hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Anspruchsgrundlage für die Forderung der Klägerin sei § 8 Abs. 4 Satz 2 VZOG. Zwar werde die Beklagte in § 8 Abs. 1 VZOG nicht als eine zur Verfügung befugte Stelle genannt, ihre Verfügung sei jedoch als eine solche des Bundeseisenbahnvermögens und damit als eine Verfügung des Bundes nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Buchst. d VZOG anzusehen; denn sie habe über ein Grundstück verfügt, das mangels Aussonderung nach § 23 des Bundeseisenbahnneugliederungsgesetzes - BEZNG - noch zum Bundeseisenbahnvermögen gehört habe. Ihre Verfügung gelte nach § 22 Abs. 1 BEZNG als Verfügung des Berechtigten, nämlich des Bundeseisenbahnvermögens. Somit sei § 8 Abs. 4 Satz 2 VZOG direkt anzuwenden. Der Anspruch sei auch nicht verjährt; für ihn gelte die dreißigjährige Verjährungsfrist des § 195 BGB a.F.
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Mit ihrer durch den Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Sie macht im Wesentlichen geltend: § 8 Abs. 4 Satz 2 VZOG sei schon deswegen nicht anwendbar, weil der zwischen den Beteiligten abgeschlossene Kaufvertrag vorrangig sei, der den Rechtsgrund für den gezahlten Kaufpreis bilde. Abgesehen davon seien die Voraussetzungen der Vorschrift nicht erfüllt. Zunächst liege keine Verfügung nach § 8 Abs. 1 Satz 1 VZOG vor; denn die Kammer führe selbst aus, dass die Verfügung nach § 22 Abs. 2 Satz 2 BEZNG wirksam geworden sei. Dann bestehe aber kein Raum für die Verleihung einer Verfügungsbefugnis nach § 8 Abs. 1 Satz 1 VZOG. Im Übrigen gebe es keine wirksame Verfügung; vielmehr sei die Klägerin vor und nach der Auflassung des Grundstücks dessen Eigentümerin gewesen. Der Bund sei, insbesondere in Gestalt des Bundeseisenbahnvermögens, niemals Berechtigter gewesen. Auch zivilrechtliche Bereicherungsansprüche stünden der Klägerin nicht zu, weil solche Ansprüche spätestens mit Ende des zehnten Jahres nach der Zahlung des Kaufpreises, mit der der Anspruch entstanden wäre, und somit mit Ablauf des 31. Dezember 2005 verjährt seien. Schließlich habe die Klägerin keinen Rückzahlungsanspruch aus § 346 BGB. Sie habe weder den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt, noch stehe ihr ein Rücktrittsrecht zu. Die Zumutbarkeit des Festhaltens am Vertrag ergebe sich nach zehn Jahren insbesondere aus den Wertungen von § 121 Abs. 2 BGB, wonach Verträge nach zehn Jahren nicht mehr anfechtbar seien, und § 199 Abs. 4 BGB, wonach Ansprüche auf Leistungskondiktion nach zehn Jahren verjährten.
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Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen. Sie verteidigt das angegriffene Urteil und erwidert: Entgegen der Auffassung der Beklagten sei ohne Belang, dass das Grundstück niemals im Eigentum des Bundeseisenbahnvermögens gestanden habe; denn dies sei für die Verfügungsberechtigung der Beklagten nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Buchst. d VZOG und für den an die Verfügung anknüpfenden Anspruch des Berechtigten auf Erlösauskehr ohne Bedeutung. Da der Beklagten der Erlös aus dem Verkaufsgeschäft aufgrund einer Rahmenvereinbarung nach § 23 Abs. 6 BEZNG zwischen der Bundesrepublik Deutschland, dem Bundeseisenbahnvermögen und der Beklagten zugesprochen worden sei, müsse sie ihn auch anstelle der nicht durchführbaren Grundbuchberichtigung auskehren. Dasselbe würde sich ergeben, wenn § 816 Abs. 1 Satz 1 BGB anwendbar wäre. Der Anspruch sei auch nicht deswegen ausgeschlossen, weil sie - die Klägerin - beim Erwerb des Grundstücks, ohne dies zu wissen, bereits Eigentümerin gewesen sei; denn dieser Zufall dürfe nicht dazu führen, dass die von § 11 Abs. 2 Satz 2 TreuhG beabsichtigte Zielsetzung, die umgewandelten Kapitalgesellschaften mit dem erforderlichen Betriebsvermögen auszustatten, verfehlt werde. Daran ändere auch der Kaufvertrag nichts. Ebenso wie nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der Eigentümer, der ein Grundstück in Unkenntnis seines Eigentums vom Verfügungsberechtigten gemietet habe, von diesem nach § 988 BGB die gezahlte Miete als gezogene Nutzung herausverlangen könne (Urteil vom 22. Juni 2007 - V ZR 136/06 - NJW 2008, 221), dürfe der Eigentümer einen gezahlten Kaufpreis für den vermeintlichen Eigentumserwerb zurückfordern. Insoweit mache es keinen Unterschied, ob der Zuordnungsberechtigte selbst oder ein Dritter Partei des der Verfügung zugrunde liegenden Vertrages sei. Der geltend gemachte Anspruch sei auch nicht verjährt, selbst wenn es sich um einen zivilrechtlichen Bereicherungsanspruch handeln sollte; denn sie habe erst mit der Bestandskraft des Zuordnungsbescheides, frühestens aber zum Zeitpunkt ihres Antrags auf Zuordnung Kenntnis von einem möglichen Anspruch erhalten, so dass die dreijährige Frist des § 195 BGB nach § 199 Abs. 1 BGB erst am 31. Dezember 2008 und damit nach Klageerhebung abgelaufen sei.
Entscheidungsgründe
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Die Revision ist im Wesentlichen unbegründet. Das angegriffene Urteil lässt mit Ausnahme des der Klägerin zuerkannten Zinsanspruchs keinen Verstoß gegen Bundesrecht erkennen. Das Verwaltungsgericht hat der Klage auf der Grundlage der von ihm festgestellten Tatsachen hinsichtlich der Hauptforderung zu Recht stattgegeben, hinsichtlich der Nebenforderung hat es der Klägerin allerdings einen zu hohen Zinssatz zuerkannt.
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1. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend entschieden, dass die Klägerin gegen die Beklagte einen Anspruch auf Auskehrung des Veräußerungserlöses nach § 8 Abs. 4 Satz 2 VZOG hat. Diese Vorschrift verpflichtet die nach § 8 Abs. 1 VZOG verfügende Stelle, den Erlös, mindestens aber den Wert des Vermögensgegenstandes dem aus einem unanfechtbaren Bescheid über die Zuordnung nach den §§ 1 und 2 VZOG hervorgehenden Berechtigten auszukehren. Die Beklagte handelte bei der Grundstücksveräußerung im Rahmen der dem Bund nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Buchst. d VZOG eingeräumten Verfügungsbefugnis und war daher die verfügende Stelle im Sinne dieser Norm (a). Dem daraus folgenden Anspruch der zuordnungsberechtigten Klägerin auf Erlösauskehr kann die Beklagte weder entgegenhalten, dass die Klägerin selbst Vertragspartnerin des Verpflichtungsgeschäfts war, noch dass die Verfügung zugunsten der Klägerin wirkungslos blieb, weil sie bereits zuvor auf gesetzlichem Wege Eigentümerin des Grundstücks geworden war (b).
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a) Die Beklagte handelte bei der Veräußerung im Jahre 1994 als verfügende Stelle im Sinne des § 8 Abs. 1 VZOG. Zwar war sie zu diesem Zeitpunkt bereits eine Aktiengesellschaft (Gesetz über die Gründung einer Deutsche Bahn Aktiengesellschaft, verkündet als Artikel 2 des Gesetzes zur Neuordnung des Eisenbahnwesens vom 27. Dezember 1993 - BGBl I S. 2378 -
, insoweit in Kraft getreten am 1. Januar 1994, vgl. Art. 11 Abs. 1 Satz 1 ENeuOG) und gehörte damit nicht mehr zu den in § 8 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a bis d VZOG aufgeführten verfügungsbefugten Personen. Dennoch ist ihre Verfügung als eine solche des Bundeseisenbahnvermögens und damit als eine Verfügung des Bundes nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Buchst. d VZOG anzusehen. Dies ergibt sich aus § 22 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 Satz 1 BEZNG.
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Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 BEZNG ist die Beklagte unter anderem zu Verfügungen über Liegenschaften befugt, die - wie seinerzeit das betroffene Grundstück - als volkseigen und in Rechtsträgerschaft der Deutschen Reichsbahn stehend im Grundbuch eingetragen sind und damit zu dem Vermögen gehören, das nach § 1 BEZNG vom Bund als nicht rechtsfähiges Sondervermögen unter dem Namen Bundeseisenbahnvermögen verwaltet wird. Diese Verfügungsbefugnis endet nach § 23 Abs. 1 Satz 1 BEZNG mit der Vollziehbarkeit eines Übergabebescheides nach § 23 BEZNG und einem entsprechenden Grundbuchberichtigungsantrag. Ein solcher Übergabebescheid war hier nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts bis zur Veräußerung des Grundstücks nicht ergangen. Die Beklagte handelte daher im Rahmen der ihr nach § 22 Abs. 1 Satz 1 BEZNG eingeräumten Verfügungsbefugnis, so dass das Rechtsgeschäft nach § 22 Abs. 2 Satz 2 BEZNG als ein solches des Berechtigten gilt, mithin als eines des Bundes als Träger des Sondervermögens.
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Das bedeutet jedoch nicht, dass - wie offenbar die Beklagte meint - neben diesen speziellen Regelungen des Eisenbahnneuordnungsrechts kein Raum für die Anwendung des § 8 Abs. 1 VZOG und die daran anschließenden Regelungen des Vermögenszuordnungsrechts verbleibt. Vielmehr gewinnen diese Bestimmungen Bedeutung, wenn der Vermögenswert, über den die Beklagte mit Wirkung für das Sondervermögen verfügt hat, einem Dritten außerhalb des - untechnisch gesprochen - Bahnbereichs (so schon der Sprachgebrauch im Urteil des Senats vom 19. August 2003 - BVerwG 3 C 30.02 - Buchholz 428.2 § 18 VZOG Nr. 2) hätte zugeordnet werden müssen. Dessen Rechte werden durch § 8 Abs. 1 Satz 1 Buchst. d VZOG und § 8 Abs. 4 Satz 2 VZOG gewahrt, anders ausgedrückt: Die Beklagte handelt "bahnintern" für das vom Bund gehaltene Bundeseisenbahnvermögen, nach "außen" handelt der Bund in Gestalt der Beklagten für den Zuordnungsberechtigten nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Buchst. d VZOG i.V.m. § 8 Abs. 2 Satz 2 VZOG mit den sich daraus nach § 8 Abs. 4 Satz 2 VZOG ergebenden Verpflichtungen. Nur diese, die bahninternen Verhältnisse von dem Außenverhältnis zu Dritten trennende Betrachtungsweise macht die Regelung des § 22 Abs. 4 BEZNG erklärlich, nach der die Beklagte zwar dem Bundeseisenbahnvermögen Mitteilung von allen Veräußerungsgeschäften nach § 22 Abs. 1 Satz 1 BEZNG machen muss, den Erlös aber nach Satz 2 nur in den Fällen an das Bundeseisenbahnvermögen auszukehren hat, in denen der Vermögensgegenstand diesem durch vollziehbaren Übergabebescheid zugeordnet wird. Die Beschränkung der Erlösauskehr auf diese Fälle verdeutlicht, dass der Gesetzgeber hier nur die bahninterne Konkurrenz zwischen Bundeseisenbahnvermögen und Beklagter im Blick hatte. Folgerichtig trifft das Bundeseisenbahnneugliederungsgesetz keine Aussage dazu, was mit dem Erlös zu geschehen hat, wenn der Vermögenswert weder der Beklagten noch dem Bundeseisenbahnvermögen, sondern einem Dritten zugestanden hat. In diesen Fällen muss die Beklagte, die den Erlös vereinnahmt hat und ihn nicht an das Bundeseisenbahnvermögen weiterreichen muss, daher notwendigerweise Adressat des Anspruchs des Dritten aus § 8 Abs. 4 Satz 2 VZOG sein. Sie ist diejenige, die für das Sondervermögen und damit für den Bund nach § 22 Abs. 1 Satz 2 BEZNG im eigenen Namen die Verfügung getroffen hat.
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Dieses Verständnis des Zusammenspiels der allgemeinen vermögenszuordnungsrechtlichen Bestimmungen mit denen des Bundeseisenbahnneugliederungsgesetzes liegt auch der bisherigen Rechtsprechung des Senats zum Verhältnis von Art. 26 des Einigungsvertrages - EV - und dem zu seiner Umsetzung geschaffenen § 18 VZOG zu den §§ 20 ff. BEZNG zugrunde (vgl. Urteil vom 19. August 2003 a.a.O.). Auch dort ist der Senat davon ausgegangen, dass der erste Normkomplex die Frage regelt, ob der Vermögensgegenstand überhaupt dem Bahnbereich zugeordnet werden kann, während der zweite Normkomplex die bahninterne Aufteilung zwischen dem Bundeseisenbahnvermögen und der Beklagten bestimmt.
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Aus der dargelegten Systematik ergibt sich - entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts Berlin (Urteil vom 9. Dezember 2009 - 27 A 318.08) - zugleich, dass selbst dann, wenn es einen Übergabebescheid zugunsten der Beklagten gegeben hätte, die Anwendbarkeit des § 8 Abs. 4 Satz 2 VZOG nicht ausgeschlossen gewesen wäre, obwohl mit der Vollziehbarkeit eines solchen Bescheides und dem Eingang des Grundbuchberichtigungsantrages nach § 22 Abs. 3 Satz 1 BEZNG die Verfügungsbefugnis der Beklagten nach