Verwaltungsgericht Köln Urteil, 29. Sept. 2015 - 17 K 706/15
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
1
T a t b e s t a n d
2Die Klägerin ist Eigentümerin des in Siegburg gelegenen Grundstücks "I.----straße 000-000".
3Der Rat der Beklagten beschloss am 18. Dezember 2014, den Hebesatz für die Grundsteuer B für das Haushaltsjahr 2015 als Beitrag zur Haushaltskonsolidierung von bisher 460 % auf 790 % heraufzusetzen. Die Satzung zur Festsetzung des Hebesatzes wurde am 23. Dezember 2014 im Amtsblatt der Beklagten veröffentlicht.
4Mit Bescheid vom 6. Januar 2015 zog die Beklagte die Klägerin zur Grundsteuer B für das Jahr 2015 heran. Ausgehend von einem Grundsteuer-Messbetrag in Höhe von 3.009,43 EUR und dem (erhöhten) Hebesatz von 790 % setzte sie die Grundsteuer auf 23.774,50 EUR fest, was einer Erhöhung um 9.931,12 EUR gegenüber dem Vorjahr entsprach.
5In seiner Sitzung vom 19. März 2015 lehnte der Rat der Beklagten Anträge auf Rücknahme der Erhöhung der Grundsteuer B ab und wies Beschwerden nach § 24 GO NRW gegen die Erhöhung der Grundsteuer B zurück.
6Am 6. Februar 2015 hat die Klägerin Klage erhoben, zu deren Begründung sie im Wesentlichen vorträgt: Zwar habe die Gemeinde bei der Festsetzung der Höhe des Hebesatzes einen Ermessensspielraum. Allerdings dürfe die Grundsteuer die ihr unterworfenen Bürger nicht übermäßig belasten und ihre Vermögensverhältnisse nicht grundlegend beeinträchtigen. Sie dürfe keine erdrosselnde Wirkung haben. Die Gemeinde dürfe bei ihrer eigenverantwortlichen Abschätzung des Finanzbedarfs keine grob unsachlichen, d.h. evident willkürlichen Entschließungskriterien tragend werden lassen oder gar den zu bestimmenden Hebesatz ohne jede Würdigung seiner Wirkungen auf die Steuerpflichtigen „greifen“. Sie müsse sich bei ihrer Satzungsfindung am Gemeindefinanzierungsgesetz (GFG) orientieren. Für das GFG NRW 2015 sei, ausgehend von einem um 5% reduzierten gewogenen Landesdurchschnitt der tatsächlichen Hebesätze, ein fiktiver Hebesatz für die Grundsteuer B von 423% ermittelt worden gegenüber 413% im Jahr 2014. Diese Obergrenze empfehle das Land den Kommunen. Hieraus ergebe sich unmittelbar die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides.
7Die Klägerin beantragt,
8den Bescheid der Beklagten vom 6. Januar 2015 aufzuheben.
9Die Beklagte beantragt,
10die Klage abzuweisen.
11Sie tritt dem Vorbringen der Klägerin im Einzelnen entgegen.
12Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
13Entscheidungsgründe
14Die zulässige Anfechtungsklage ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 6. Januar 2015 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
15Die Grundsteuerfestsetzung beruht auf einer wirksamen Rechtsgrundlage. Insbesondere leidet die Satzung der Beklagten vom 18. Dezember 2014, mit der der Hebesatz für die Grundsteuer B für das Jahr 2015 auf 790% festgesetzt worden ist, nicht an Rechtsfehlern.
16Formell-rechtliche Bedenken gegen die Wirksamkeit der Satzung sind weder vorgetragen noch erkennbar.
17Materiell-rechtlich hält sich die Erhöhung des Hebesatzes für die Grundsteuer B von 460% auf 790% im Rahmen des gerichtlich ohnehin nur sehr eingeschränkt überprüfbaren Ermessens der Beklagten.
18Nach Art. 106 Abs. 6 Satz 1 GG steht den Gemeinden u.a. das Aufkommen der Grundsteuer zu. Nach Satz 2 dieser Vorschrift i.V.m. § 25 Abs. 1 Grundsteuergesetz (GrStG) haben sie das Recht, die Hebesätze der Grundsteuer festzusetzen. Das Hebesatzrecht dient der Sicherung einer angemessenen Finanzausstattung der Gemeinden. Es ermöglicht ihnen, ihre Einnahmen durch Anhebung der Grundsteuer (und/oder der ebenfalls ihrem Hebesatzrecht unterliegenden Gewerbesteuer) an den Finanzbedarf anzupassen und damit angesichts wachsender Haushaltslasten handlungsfähig zu bleiben.
19Vgl. BVerwG, Urteil vom 27.10.2010 – 8 C 43.09 –, juris, Rn. 16.
20Aufgrund dieser verfassungsrechtlich garantierten Steuerhoheit als Bestandteil ihrer Finanzhoheit, die eine eigenverantwortliche Einnahmen- und Ausgabenwirtschaft gewährleistet, haben die Gemeinden bei der Festsetzung der Hebesätze einen weiten Entschließungsspielraum. Die gerichtliche Kontrolle des vom Rat zu beschließenden Hebesatzes beschränkt sich auf die Überprüfung seiner Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht. Sie umfasst demgegenüber keine Überprüfung des Hebesatzbeschlusses nach Art ermessensgeleiteter Verwaltungsakte.
21Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 16.07.2013 – 14 A 464/13 und 14 A 2714 A 2761/12 –, juris, jeweils Rn. 4 ff., VG Düsseldorf, Urteil vom 03.06.2015 – 5 K 784/15 –, juris, Rn. 22 ff.; VG Münster, Urteil vom 01.12.2010 – 9 K 1493/10 –, juris, Rn. 33 ff.
22Daraus folgt, dass die Wirksamkeit gemeindlicher satzungsrechtlicher Abgabenregelungen, soweit es – wie hier – an entsprechenden gesetzlichen Anordnungen fehlt, weder von einer im Rahmen des Satzungserlasses vorgenommenen Zusammenstellung von Abwägungsmaterial noch von der Fehlerfreiheit des Abwägungsvorganges abhängt. Steuersätze müssen sich hinsichtlich ihrer Höhe nicht daran messen lassen, wie die kommunale Willensbildung abgelaufen ist. Auf die Erwägungen und Beweggründe, also die Motivation des Satzungsgebers, kommt es bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit nicht an.
23Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 16.07.2013 – 14 A 464/13 und 14 A 2714 A 2761/12 –, juris, jeweils Rn. 6.
24Weder das Gericht noch der jeweilige Steuerpflichtige sind befugt, ihre eigenen für richtig oder sachgerecht gehaltenen Bewertungen an die Stelle des hierzu nach der Rechtsordnung berufenen – und entsprechend legitimierten – Satzungsgebers zu setzen.
25Vgl. VG Münster, Urteil vom 01.12.2010 – 9 K 1493/10 –, juris, Rn. 35.
26Dies zugrundegelegt, ist der vom Rat der Beklagten für das Haushaltsjahr 2015 beschlossene Hebesatz für die Grundsteuer B von 790% nicht zu beanstanden. Die Hebesatzregelung verstößt weder gegen Vorschriften des (Grund-)Steuerrechts (1.) noch gegen die von der Klägerin in den Mittelpunkt ihres Vorbringens gestellten Vorschriften des Gemeindefinanzierungsgesetzes NRW 2015 (2.). Sie verstößt auch nicht gegen Vorschriften des Gemeindehaushaltsrechts (3.) und genügt den verfassungsrechtlichen Anforderungen (4.).
271. Das Grundsteuergesetz selbst gibt den Gemeinden keine Höchstgrenze bei der Festsetzung von Hebesätzen im Sinne einer zahlenmäßigen Begrenzung vor. § 26 GrStG ermächtigt lediglich die Länder zu einer entsprechenden landesrechtlichen Regelung. Von dieser Ermächtigung hat Nordrhein-Westfalen – ebenso wie (soweit ersichtlich) die übrigen Bundesländer – jedoch keinen Gebrauch gemacht.
28Vgl. näher Rauber, Gibt es rechtliche Grenzen für die Hebesätze der Grundsteuer B?, in: KStZ 2015, S. 121 (123).
292. Auch die Vorschriften des Gemeindefinanzierungsgesetzes NRW 2015 setzen dem Grundsteuerhebesatzrecht der Gemeinden keine (Ober-)Grenze. Das Gemeindefinanzierungsgesetz NRW 2015 regelt die Zuweisungen des Landes Nordrhein-Westfalen an die Gemeinden und Gemeindeverbände im Haushaltsjahr 2015 (sog. kommunaler Finanz- und Lastenausgleich). Die Schlüsselzuweisungen werden dabei gemäß § 7 Abs. 1 GFG NRW 2015 aus einer Gegenüberstellung der maßgeblichen Ausgangsmesszahl (§ 8 GFG NRW 2015) und der maßgeblichen Steuerkraftmesszahl (§ 9 GFG NRW 2015) ermittelt. Die maßgebliche Steuerkraftmesszahl einer Gemeinde ergibt sich gemäß § 9 Abs. 1 GFG NRW 2015 wiederum aus der Summe der für die Gemeinde geltenden Steuerkraftzahlen der Gewerbesteuer, der Grundsteuern, des Gemeindeanteils an der Einkommensteuer und des Gemeindeanteils an der Umsatzsteuer und der jeweiligen Abrechnungsbeträge nach § 7 des Einheitslastenabrechnungsgesetzes NRW. Zur Ermittlung der gemeindeindividuellen Steuerkraftzahlen der Steuern mit Hebesatzrecht (Gewerbesteuer und Grundsteuern) sieht § 9 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 GFG NRW 2015 – gleichsam als Rechengröße – die Anwendung sog. Nivellierungshebesätze vor, die sich am gewogenen Durchschnittshebesatz orientieren. Auf diese Weise stellt das Gesetz sicher, dass Steuersatzdumping nicht zu höheren Zuweisungen führt und das Mehraufkommen aus überdurchschnittlichen Steuersätzen der Gemeinde verbleibt.
30Vgl. Rauber, KStZ 2015, S. 121 (123).
31Aus diesem gesetzlichen (Berechnungs-)System und der Funktion der Nivellierungshebesätze ergibt sich, dass diese keine Vorgaben an die einzelnen Kommunen bei der Festsetzung ihrer jeweiligen Hebesätze darstellen (können). Auch eine Empfehlung an die Kommunen beinhalten sie entgegen der Auffassung der Klägerin nicht.
323. Die gemeindehaushaltsrechtlichen Vorschriften der Gemeindeordnung (GO) NRW können schon aus kompetenziellen Gründen das in § 25 Abs. 1 GrStG bundesgesetzlich verankerte Hebesatzrecht der Gemeinden nicht einschränken.
33Vgl. (zur Gewerbesteuer) näher BVerwG, Urteil vom 11.06.1993 – 8 C 32.90 –, juris, Rn. 6 ff.; zur Übertragbarkeit auf die Grundsteuer vgl. OVG NRW, Beschluss vom 26.11.2009 – 14 A 131/08 –, juris, Rn. 12 ff.
34a) Dies gilt namentlich für § 77 Abs. 2 GO NRW, wonach die Gemeinde die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Finanzmittel soweit vertretbar und geboten aus speziellen Entgelten für die von ihr erbrachten Leistungen und (nur) im Übrigen aus Steuern zu beschaffen hat, soweit die sonstigen Finanzmittel nicht ausreichen. Eine „Koppelung“ des Hebesatzrechtes an die vorrangige Ausschöpfung von Leistungsentgelten lässt sich dieser Vorschrift bei verfassungs- und bundesrechtskonformer Auslegung nicht entnehmen. Ob und in welchem Umfang die Gemeinden zur Deckung ihres Finanzbedarfs von der ihnen kraft Bundesrechts zugewiesenen Befugnis zur Erhebung der Grundsteuer B (vgl. § 1 Abs. 1 GrStG) und ihrer Befugnis zur Bestimmung des Hebesatzes (vgl. § 25 Abs. 1 GrStG) Gebrauch machen, bleibt vielmehr ihrem Ermessen überlassen.
35Vgl. BVerwG, Urteil vom 11.06.1993 – 8 C 32.90 –, juris, Rn. 11 (zur Gewerbesteuer); OVG NRW, Beschluss vom 26.11.2009 – 14 A 131/08 –, juris, Rn. 12 ff.; ausführlich VG Düsseldorf, Urteil vom 03.06.2015 – 5 K 784/15 –, juris, Rn. 45 ff.; Articus/Schneider, GO NRW, Kommentar, 3. Auflage, § 77, Erl. 3. a.E.
36b) Entsprechendes gilt hinsichtlich des Gebots des § 75 Abs. 1 Satz 2 GO NRW zur wirtschaftlichen, effizienten und sparsamen Haushaltsführung. Selbst wenn danach einzelne Ausgabeposten der Gemeinde als willkürlich und außerhalb jedes vernünftigen und sachlich vertretbaren Maßes liegend haushaltsrechtlich zu beanstanden sein sollten, hätte dies nicht die Unzulässigkeit der Steuererhebung bzw. der Erhöhung des Hebesatzes zur Folge.
37Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16.07.2013 – 14 A 2761/12 –, juris, Rn. 17; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 05.09.2013 – 5 K 930/13 –, juris, Rn. 50 ff., und vom 25.10.2012 – 5 K 1137/12 –, juris, Rn. 69 ff.
384. Der vom Rat der Beklagten beschlossene Hebesatz von 790% hält schließlich auch die verfassungsrechtlichen Grenzen ein.
39a) Mit Blick auf die durch Art. 14 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich gewährleistete Privatnützigkeit des Eigentums darf die Grundsteuer keine „erdrosselnde“ Wirkung haben. Diese ist jedoch erst dann gegeben, wenn nicht nur ein einzelner Grundsteuerpflichtiger, sondern die Gesamtheit der Grundsteuerpflichtigen die sie jeweils treffende Grundsteuer unter normalen Umständen nicht mehr aufbringen kann.
40Vgl. FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 16.02.2011 – 3 K 3096/07 –, juris, Rn. 21 m.w.N.; FG Berlin, Urteil vom 06.10.2004 – 2 K 2386/02 –, juris, Rn. 25 ff.
41Dies ist in der Rechtsprechung selbst bei Hebesätzen von 800% und mehr bislang nicht angenommen worden,
42vgl. etwa VG Arnsberg, Urteile vom 17.02.2014 – 5 K 1205/13 und 5 K 1083/13 –, beide juris (800%); OVG NRW, Beschluss vom 16.07.2013 – 14 A 2761/12 –, juris (825%); FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 16.02.2011 – 3 K 3096/07 –, juris, Rn. 23 (810%),
43und ist auch im vorliegenden Fall ungeachtet der Höhe der Steuerfestsetzung nicht ersichtlich. Nach dem von der Beklagten aufbereiteten Zahlenmaterial ist davon ausgehen, dass in rund 64% aller Fälle die monatliche Gesamtbelastung durch die Grundsteuer B weniger als 48 Euro und die monatliche Mehrbelastung aufgrund der für das Haushaltsjahr 2015 beschlossenen Erhöhung nicht mehr als 20 Euro beträgt.
44Ein Verstoß gegen das allgemeine Übermaßverbot ist vor diesem Hintergrund ebenfalls nicht erkennbar.
45Vgl. dazu näher OVG NRW, Beschlüsse vom 16.07.2013 – 14 A 464/13 –, juris, Rn. 24 ff., und vom 04.07.2014 – 15 B 571/14 –, juris, Rn. 34 (910%).
46b) Der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG ist nicht verletzt.
47Insoweit ist es rechtlich unerheblich, wie hoch der Hebesatz für die Grundsteuer B in anderen Kommunen ist. Jede Gemeinde hat das Recht, in Ausübung ihres Hebesatzrechts als Teil ihrer verfassungsrechtlich garantierten Steuerhoheit den Hebesatz nach ihren finanziellen Bedürfnissen festzulegen. Eine Verpflichtung, sich an den Hebesätzen anderer Kommunen zu orientieren, wäre hiermit unvereinbar.
48Vgl. VG Gelsenkirchen, Urteil vom 25.10.2012 – 5 K 1137/12 –, juris, Rn. 75 ff.; VG Arnsberg, Urteil vom 17.02.2014 – 5 K 1087/13 –, juris, Rn. 56 ff.; VG Düsseldorf, Urteil vom 03.06.2015 – 5 K 784/15 –, juris, Rn. 55 ff.; VG Münster, Urteil vom 01.12.2010 – 9 K 1493/10 –, juris, Rn. 38.
49Aus diesem Grunde steht es den Kommunen auch frei, die Hebesätze für die Grundsteuer A und B und die Gewerbesteuer in unterschiedlicher Höhe zu beschließen oder hieran im Vergleich zu vorausgegangenen Steuerjahren unterschiedliche Veränderungen vorzunehmen.
50Vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 03.06.2015 – 5 K 784/15 –, juris, Rn. 59 ff.; FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 16.02.2011 – 3 K 3096/07 –, juris, Rn. 21; VG Münster, Urteil vom 01.12.2010 – 9 K 1493/10 –, juris, Rn. 38.
51Begrenzt wird ihr Entschließungsspielraum bei der Festsetzung des Hebesatzes allein durch das Willkürverbot. Die Gemeinde darf bei der eigenverantwortlichen Abschätzung ihres Finanzbedarfs keine grob unsachlichen, also evident willkürlichen Entschließungskriterien maßgeblich werden lassen. Ob dies – wie in der Rechtsprechung teilweise angenommen wird – etwa der Fall sein könnte, wenn die durch die Erhöhung des Hebesatzes erzielten Mehreinnahmen nicht zur Erfüllung gemeindlicher Aufgaben erforderlich wären, sondern der Kapitalbildung der Gemeinde dienten,
52vgl. VGH München, Beschluss vom 23.04.2013 – 4 ZB 12.2144 –, juris, Rn. 14; Hess. VGH, Beschluss vom 05.08.2014 – 5 B 1100/14 –, juris, Rn. 10,
53kann dahinstehen. Denn hierfür bestehen im vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte.
54Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
ra.de-Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Köln Urteil, 29. Sept. 2015 - 17 K 706/15
Urteilsbesprechung schreiben0 Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Köln Urteil, 29. Sept. 2015 - 17 K 706/15
Referenzen - Gesetze
Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154
Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113
Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 3
Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 14
Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 106
Grundsteuergesetz
Grundsteuergesetz - GrStG 1973 | § 25 Festsetzung des Hebesatzes
Grundsteuergesetz - GrStG 1973 | § 1 Heberecht
Gesetz über die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses an den Hochschulen
Grundsteuergesetz - GrStG 1973 | § 26 Koppelungsvorschriften und Höchsthebesätze
Graduiertenförderungsgesetz - GFG | § 8 Dauer der Förderung
Graduiertenförderungsgesetz - GFG | § 9 Nebentätigkeit
Graduiertenförderungsgesetz - GFG | § 7 Art der Förderung
Referenzen - Urteile
Urteil einreichenVerwaltungsgericht Köln Urteil, 29. Sept. 2015 - 17 K 706/15 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).
Verwaltungsgericht Düsseldorf Urteil, 03. Juni 2015 - 5 K 784/15
Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Beschluss, 04. Juli 2014 - 15 B 571/14
Verwaltungsgericht Arnsberg Urteil, 17. Feb. 2014 - 5 K 1205/13
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Der Ertrag der Finanzmonopole und das Aufkommen der folgenden Steuern stehen dem Bund zu:
- 1.
die Zölle, - 2.
die Verbrauchsteuern, soweit sie nicht nach Absatz 2 den Ländern, nach Absatz 3 Bund und Ländern gemeinsam oder nach Absatz 6 den Gemeinden zustehen, - 3.
die Straßengüterverkehrsteuer, die Kraftfahrzeugsteuer und sonstige auf motorisierte Verkehrsmittel bezogene Verkehrsteuern, - 4.
die Kapitalverkehrsteuern, die Versicherungsteuer und die Wechselsteuer, - 5.
die einmaligen Vermögensabgaben und die zur Durchführung des Lastenausgleichs erhobenen Ausgleichsabgaben, - 6.
die Ergänzungsabgabe zur Einkommensteuer und zur Körperschaftsteuer, - 7.
Abgaben im Rahmen der Europäischen Gemeinschaften.
(2) Das Aufkommen der folgenden Steuern steht den Ländern zu:
- 1.
die Vermögensteuer, - 2.
die Erbschaftsteuer, - 3.
die Verkehrsteuern, soweit sie nicht nach Absatz 1 dem Bund oder nach Absatz 3 Bund und Ländern gemeinsam zustehen, - 4.
die Biersteuer, - 5.
die Abgabe von Spielbanken.
(3) Das Aufkommen der Einkommensteuer, der Körperschaftsteuer und der Umsatzsteuer steht dem Bund und den Ländern gemeinsam zu (Gemeinschaftsteuern), soweit das Aufkommen der Einkommensteuer nicht nach Absatz 5 und das Aufkommen der Umsatzsteuer nicht nach Absatz 5a den Gemeinden zugewiesen wird. Am Aufkommen der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer sind der Bund und die Länder je zur Hälfte beteiligt. Die Anteile von Bund und Ländern an der Umsatzsteuer werden durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, festgesetzt. Bei der Festsetzung ist von folgenden Grundsätzen auszugehen:
- 1.
Im Rahmen der laufenden Einnahmen haben der Bund und die Länder gleichmäßig Anspruch auf Deckung ihrer notwendigen Ausgaben. Dabei ist der Umfang der Ausgaben unter Berücksichtigung einer mehrjährigen Finanzplanung zu ermitteln. - 2.
Die Deckungsbedürfnisse des Bundes und der Länder sind so aufeinander abzustimmen, daß ein billiger Ausgleich erzielt, eine Überbelastung der Steuerpflichtigen vermieden und die Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet gewahrt wird.
(4) Die Anteile von Bund und Ländern an der Umsatzsteuer sind neu festzusetzen, wenn sich das Verhältnis zwischen den Einnahmen und Ausgaben des Bundes und der Länder wesentlich anders entwickelt; Steuermindereinnahmen, die nach Absatz 3 Satz 5 in die Festsetzung der Umsatzsteueranteile zusätzlich einbezogen werden, bleiben hierbei unberücksichtigt. Werden den Ländern durch Bundesgesetz zusätzliche Ausgaben auferlegt oder Einnahmen entzogen, so kann die Mehrbelastung durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, auch mit Finanzzuweisungen des Bundes ausgeglichen werden, wenn sie auf einen kurzen Zeitraum begrenzt ist. In dem Gesetz sind die Grundsätze für die Bemessung dieser Finanzzuweisungen und für ihre Verteilung auf die Länder zu bestimmen.
(5) Die Gemeinden erhalten einen Anteil an dem Aufkommen der Einkommensteuer, der von den Ländern an ihre Gemeinden auf der Grundlage der Einkommensteuerleistungen ihrer Einwohner weiterzuleiten ist. Das Nähere bestimmt ein Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf. Es kann bestimmen, daß die Gemeinden Hebesätze für den Gemeindeanteil festsetzen.
(5a) Die Gemeinden erhalten ab dem 1. Januar 1998 einen Anteil an dem Aufkommen der Umsatzsteuer. Er wird von den Ländern auf der Grundlage eines orts- und wirtschaftsbezogenen Schlüssels an ihre Gemeinden weitergeleitet. Das Nähere wird durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, bestimmt.
(6) Das Aufkommen der Grundsteuer und Gewerbesteuer steht den Gemeinden, das Aufkommen der örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern steht den Gemeinden oder nach Maßgabe der Landesgesetzgebung den Gemeindeverbänden zu. Den Gemeinden ist das Recht einzuräumen, die Hebesätze der Grundsteuer und Gewerbesteuer im Rahmen der Gesetze festzusetzen. Bestehen in einem Land keine Gemeinden, so steht das Aufkommen der Grundsteuer und Gewerbesteuer sowie der örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern dem Land zu. Bund und Länder können durch eine Umlage an dem Aufkommen der Gewerbesteuer beteiligt werden. Das Nähere über die Umlage bestimmt ein Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf. Nach Maßgabe der Landesgesetzgebung können die Grundsteuer und Gewerbesteuer sowie der Gemeindeanteil vom Aufkommen der Einkommensteuer und der Umsatzsteuer als Bemessungsgrundlagen für Umlagen zugrunde gelegt werden.
(7) Von dem Länderanteil am Gesamtaufkommen der Gemeinschaftsteuern fließt den Gemeinden und Gemeindeverbänden insgesamt ein von der Landesgesetzgebung zu bestimmender Hundertsatz zu. Im übrigen bestimmt die Landesgesetzgebung, ob und inwieweit das Aufkommen der Landessteuern den Gemeinden (Gemeindeverbänden) zufließt.
(8) Veranlaßt der Bund in einzelnen Ländern oder Gemeinden (Gemeindeverbänden) besondere Einrichtungen, die diesen Ländern oder Gemeinden (Gemeindeverbänden) unmittelbar Mehrausgaben oder Mindereinnahmen (Sonderbelastungen) verursachen, gewährt der Bund den erforderlichen Ausgleich, wenn und soweit den Ländern oder Gemeinden (Gemeindeverbänden) nicht zugemutet werden kann, die Sonderbelastungen zu tragen. Entschädigungsleistungen Dritter und finanzielle Vorteile, die diesen Ländern oder Gemeinden (Gemeindeverbänden) als Folge der Einrichtungen erwachsen, werden bei dem Ausgleich berücksichtigt.
(9) Als Einnahmen und Ausgaben der Länder im Sinne dieses Artikels gelten auch die Einnahmen und Ausgaben der Gemeinden (Gemeindeverbände).
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Leistung einer Sicherheit oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2Mit Satzung vom 1. Dezember 2014 hat der Rat der Beklagten den Steuersatz für die Grundsteuer B für das Jahr 2015 auf 784 von Hundert festgesetzt.
3Mit Bescheid vom 23. Januar 2015 zog die Beklagte den Kläger wegen des streitgegenständlichen Steuerobjektes, das dem Kläger zugerechnet ist, u.a. zur Grundsteuer B heran. Dabei veranlagte die Beklagte den Kläger nach Maßgabe des von dem zuständigen Finanzamt für das Steuerobjekt festgestellten Steuermessbetrages vervielfältigt mit dem von ihr für das Jahr 2015 festgesetzten Hebesatz.
4Gegen diese Festsetzung der Grundsteuer hat der Kläger am 5. Februar 2015 Klage erhoben. Zu deren Begründung macht er sinngemäß folgendes geltend:
5Der Grundsteuerbescheid sei rechtswidrig, weil die zu Grunde liegenden Beschlüsse des Rates der Beklagten gegen Europäisches Recht, das Grundgesetz und die Gemeindeordnung verstießen. In Höhe eines Betrages von 209,69 EUR, der dem für sein Grundstück anfallenden Betrag der Grundsteuererhöhung 2015 gegenüber 2014 entspreche, erkläre er die Aufrechnung der Grundsteuerforderung mit ihm zustehenden Schadensersatzansprüchen aus der Verletzung zwingender gesetzlicher Vorschriften durch Organe der Beklagten.
6Alle Einwohner einer Kommune bildeten eine zivilrechtliche Gesamthandsgemeinschaft, der gemeinschaftlich alle aktiven und passiven Vermögensgegenstände einer Kommune als „Eigentümer“ zuzurechnen seien. Für einen negativen kommunalen Eigenkapitalbetrag, für den keine Deckung durch das Kommunalvermögen bestehe, hafteten die Bürger daher mit ihrem privaten Vermögen. Gemeinderechtlich dürfe der Wert der aktiven Vermögensgegenstände aber den Wert der passiven Vermögensgegenstände des kommunalen Vermögens nicht unterschreiten. Das sei gemäß § 75 Abs. 7 Gemeindeordnung (GemO) verboten, wonach sich die Gemeinde nicht überschuldeten dürfe. Die Organe der Beklagten handelten immer nur als Treuhänder des gemeinschaftlichen Vermögens ihrer Bürger. Verstießen die Organe gegen die Pflicht aus § 75 Abs. 7 GemO und verursachten sie so eine private Haftung ihrer Bürger, stünde diesen ein entsprechender Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zu. So liege der Fall hier. Seit Jahren überstiegen die Verbindlichkeiten das Eigenkapital der Beklagten. Seit Juni 2013 sei den Organen der Beklagten zudem nachweisbar bekannt, dass die Beklagte im Sinne der Gemeindeordnung überschuldet sei. Denn seither sei den Organen der Beklagten bewusst, dass der noch Gewerbesteuer zahlende Einzelhandel durch das DOC-Projekt erhebliche Umsatz- und Gewinneinbußen erleiden werde und die Beklagte aus dem DOC-Projekt keine Gewerbesteuereinnahmen zu erwarten habe. Dennoch hätten die Organe der Beklagten bewusst auf eine europaweite Ausschreibung des Projektes oder auf eine umsatzbezogene Vermietung der für das Projekt benötigten städtischen Flächen verzichtet und die Pro-DOC-Entscheidung im Dezember 2013 in ein schuldrechtliches Verpflichtungsgeschäft (Grundstückskaufvertrag) umgesetzt. Dies sei mit Blick auf die europarechtlichen Beihilfevorschriften bedenklich; das Handeln der Stadt verletze darüber hinaus die EU-Grundrechte-Charta. Statt die untreuen Organe der Beklagten in Anspruch zu nehmen, habe der Rat der Beklagten die Erhöhung der Grundsteuer B um rund 30 % beschlossen. Das Hebesatzgebaren der Beklagten widerspreche den (europarechtlichen) Ansprüchen der Bürger auf Rechtsstaatlichkeit, auf Eigentum, auf eine „gute“ Verwaltung und auf Schadensersatz bei Enteignung.
7Der Kläger beantragt sinngemäß,
8den Bescheid der Beklagten vom 23. Januar 2015 - soweit darin Grundsteuer erhoben wird - aufzuheben.
9Die Beklagte beantragt,
10die Klage abzuweisen.
11Sie tritt der Klagebegründung unter ausführlicher Darlegung ihrer Rechtsauffassung entgegen.
12Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
13Entscheidungsgründe:
14Der Einzelrichter, dem die Kammer das Verfahren nach § 6 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zur Entscheidung übertragen hat, konnte gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten sich hiermit einverstanden erklärt haben.
15Die zulässige Klage ist unbegründet.
16Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO)).
17Die Rechtsgrundlage für die Heranziehung zu den Grundsteuern für das Jahr 2015 bilden §§ 1 Abs. 1, 27, 25 und 13 ff. Grundsteuergesetz (GrStG) in Verbindung mit § 1 Nr. 1 lit. b) der „Satzung vom 01.12.2014 über die Festsetzung der Steuersätze für die Gemeindesteuern der Stadt S. in den Haushaltsjahren 2015 und 2016 (Hebelsatzsatzung)“, mit der der Rat der Beklagten u.a. den Hebesatz für die Grundsteuer B für das Haushaltsjahr 2015 beschlossen hat.
18Gemäß §§ 1 Abs. 1, 27, 25 und 13 ff. Grundsteuergesetz (GrStG) bestimmt sich die Höhe der festzusetzenden Grundsteuer nach einer Vervielfältigung des von der über die Erhebung der Steuer entscheidenden Gemeinde festgelegten Hebesatzes mit dem Steuermessbetrag. Der Steuermessbetrag wird für das betroffene Steuerobjekt vom zuständigen Finanzamt ausgehend von dem von ihm festgestellten Einheitswert festgesetzt. Der Feststellungsbescheid über den Einheitswert (§§ 179 Abs. 1 in Verbindung mit § 180 Abs. 1 Nr. 1 Abgabenordnung (AO)) ist für den (Grund-) Steuermessbescheid (§ 184 AO) ebenso bindend wie der Einheitswertbescheid und der Grundsteuermessbescheid als Grundlagenbescheide für den hier in Rede stehenden Grundsteuerbescheid als Folgebescheid, auch wenn sie noch nicht unanfechtbar sind (§§ 182 Abs. 1 Satz 1, 184 Abs. 1 AO). Infolge dieser Bindung der Gemeinde an die Feststellungen in den Grundlagenbescheiden sind Einwendungen gegen die Bewertung des Grundstücks allein bei dem zuständigen Finanzamt geltend zu machen und können gegenüber dem Steuerbescheid der Gemeinde nicht geltend gemacht werden.
19Die Beklagte hat der Veranlagung der Klägerseite, der der streitgegenständliche Steuergegenstand in den Grundlagenbescheiden zugerechnet ist, zu den Grundsteuern für das Jahr 2015 den letztgültigen, sie bei der Festsetzung bindenden Grundsteuermessbetrag zugrundegelegt, den das zuständige Finanzamt festgestellt hat. Diesen Betrag hat sie mit dem für das Jahr 2015 geltenden Hebesatz vervielfältigt. Dies ist auch unstreitig.
20Die Heranziehung der Klägerseite zu dem sich danach ergebenden Steuerbetrag ist nicht zu beanstanden, weil auch die – hier allein streitige – Festsetzung des Hebesatzes für die Grundsteuer B des Jahres 2015 rechtmäßig ist. Formelle oder materielle Bedenken gegen die Wirksamkeit der Hebesatzsatzung bestehen, soweit das vorliegende Verfahren eine Überprüfung gebietet, nicht.
21Die Gemeinde ist nach § 25 Abs. 1 GrStG ermächtigt zu bestimmen, mit welchem Vomhundertsatz des Steuermessbetrages die Grundsteuer zu erheben ist. Die Bestimmung erfolgt gemäß §§ 7, 41 und 78 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 GO durch Satzung des Rates. Die Beklagte hat mit der satzungsförmigen Bestimmung eines Hebesatzes von 784 % für die Grundsteuer B des Jahres 2015 von dieser Befugnis in rechtlich nicht zu beanstandender Weise Gebrauch gemacht, denn die Festsetzung verstößt nicht gegen höherrangiges Recht.
22Das durch Art. 106 Abs. 6 Satz 2 Grundgesetz (GG) i.V.m. § 25 Abs. 1 GrStG eingeräumte Hebesatzrecht dient der Sicherung einer angemessenen Finanzausstattung der Gemeinden. Es ermöglicht ihnen, Unterschiede in der Belastung und in der Ergiebigkeit der zugewiesenen Steuerquellen auszugleichen. Die Gemeinden sollen die Möglichkeit haben, ihre Einnahmen durch Anspannung der Grundsteuer (und/oder der ebenfalls ihrem Hebesatzrecht unterliegenden Gewerbesteuer) an den Finanzbedarf anzupassen, um damit angesichts wachsender Haushaltslasten handlungsfähig zu bleiben.
23Vgl. so zum parallelen Fall der in Art. 106 Abs. 6 Satz 2 GG ebenfalls angesprochenen Gewerbesteuer: Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 27. Januar 2010 – 2 BvR 2185/04, BVerfGE 125, 141, veröffentlicht u.a. in juris, s. dort insbesondere Rdnr. 86, und zur Grundsteuer: Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 27. Oktober 2010 – 8 C 43/09 –, veröffentlicht u.a. in juris, s. dort insbesondere Rdnr. 16.
24Aufgrund ihrer durch Art. 28 Abs. 2 und 106 Abs. 6 Satz 2 GG verfassungsrechtlich „im Rahmen der Gesetze“ garantierten Selbstverwaltungs- und Steuerhoheit haben die Gemeinden bei der – sich an ihrem Finanzbedarf orientierenden – Festsetzung der Hebesätze durch Satzung einen weitgehenden normgeberischen Spielraum. Sie sind berechtigt, im Rahmen der Gesetze selbst zu entscheiden, in welchem Umfang sie ihren Finanzbedarf über die Grundsteuer (oder anderweitig) decken wollen und welche Höhe der Hebesatz erreichen soll.
25Die gerichtliche Kontrolle von Hebesatzregelungen beschränkt sich vor diesem Hintergrund auf die Vereinbarkeit der (aus dem Konzept der Gemeinde zur Deckung ihres Finanzbedarfs folgenden) Festsetzung mit (einschlägigem) höherrangigem Recht,
26vgl. in diesem Sinne BVerwG, Beschluss vom 27. Oktober 2010 - 8 C 43/09 -, NVwZ 2011, 424; OVG NRW, Urteil vom 22. Juli 2009 – 15 A 2324/07-, KStZ 2009, 190,
27das sich vor allem aus den Vorgaben des Gemeindehaushalts- und Steuerrechts ergibt, soweit es hebesatzrechtlich bedeutsam ist; zudem sind die grundrechtlichen Bindungen hoheitlichen Handelns zu beachten.
28Die Kontrolle umfasst mangels entsprechender rechtlicher Anforderungen an die Hebesatzentscheidung des Rats
29- weder deren Überprüfung nach der Art, der ermessensgeleitete Verwaltungsakte unterliegen (vgl. § 114 VwGO), mit der Folge, dass jeder - vermeintliche - Kalkulationsirrtum als "Ermessensfehler" (vgl. §§ 1 Abs. 2, 5 der Abgabenordnung - AO -) angesehen werden müsste,
30vgl. in diesem Sinne zur Kontrolle satzungsrechtlicher Bemessungsregeln zur Höhe der Vergnügungssteuer: Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Urteil vom 23 . Juni 2010 – 14 A 597/09 –, veröffentlicht u.a. in juris, s. dort insbesondere Rdnr. 49; für Grundsteuerhebesätze: OVG NRW, Beschluss vom 9. März 2012 – 14 A 73/11 –,
31- noch deren Überprüfung nach Art der Bauleitplanung auf „Abwägungsmängel“.
32Wegen des weiten normgeberischen Entscheidungsspielraums der mit Selbstverwaltungs- und Steuerhoheit ausgestatteten Gemeinde sind die Gerichte bei der inzidenten Prüfung der Rechtmäßigkeit der Hebesatzfestlegung anlässlich der Anfechtung von Steuerbescheiden
33- weder berechtigt, ihre eigenen – oder gar klägerseitig – für sachgerecht gehaltenen Bewertungen an die Stelle der nach Art. 106 Abs. 6 Satz 2 Grundgesetz (GG) i.V.m. § 25 Abs. 1 GrStG und §§ 78 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4, 80 Gemeindeordnung NRW (GO) dem Rat vorbehaltenen Bewertung zu setzen, in welchem Umfang die Gemeinde ihren Finanzbedarf über die Grundsteuer (oder anderweitig) decken sollte,
34- noch sind sie mit Blick auf den weiten Entscheidungsspielraum der Gemeinde bei ihrer Aufgaben- und Haushaltsführung berufen zu entscheiden, ob der Mitteleinsatz, der dem Finanzierungsbedarf zugrunde liegt, als solcher „sinnvoll“ ist, solange kein Verbrauch von öffentlichen Mitteln festzustellen ist, der wirtschaftlich in keinem Fall mehr vertretbar ist und deshalb auch nicht mehr im Rahmen einer ordnungsgemäß, d. h. im Sinne des § 75 Abs. 1 Satz 2 GO NRW wirtschaftlich, effizient und sparsam geführten Verwaltung liegt.
35Vgl. zu letzterer Einschränkung sinngemäß Bay. VGH, Beschluss vom 11. Februar 1976 - Nr. 243 IV 74 -, KStZ 1976, 150 (152 ff.).
36Denn es ist zu beachten, dass nach der Rechtsprechung des OVG NRW,
37Beschluss vom 26. Oktober 1990 – 15 A 1099/97 –, veröffentlicht u.a. in juris,
38selbst die Aufsichtsbehörde von einem Verstoß gegen den Grundsatz der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit erst ausgehen darf, wenn die Gemeinde ihre Entscheidungsbefugnis in nicht mehr vertretbarer Weise ausgeübt hat.
39Bei Anwendung dieser Maßstäbe ist die Festsetzung eines Hebesatzes von 784 % hier rechtlich nicht zu beanstanden. Denn der Hebesatz entspricht sowohl den haushaltsrechtlichen Vorgaben, die die Gemeinden bei dessen Festsetzung zu beachten haben (a.), als auch den grundsteuer- oder sonstigen steuerrechtlichen Anforderungen an die Hebesatzbestimmung (b.).
40a.
41(Zu den gemeindehaushaltsrechtlichen Anforderungen)
42Die Gemeinde hat nach dem Gemeindehaushaltsrecht ihre Haushaltswirtschaft so zu planen und zu führen, dass die stetige Erfüllung ihrer (gesetzlich übertragenen oder freiwillig übernommenen) Aufgaben gesichert ist (§ 75 Abs. 1 Satz 1 Gemeindeordnung NRW (GO)). Sie muss dafür sorgen, dass Erträge und Aufwendungen haushaltsmäßig ausgeglichen sind (§ 75 Abs. 2 GO NRW). Zur Beschaffung der finanziellen Mittel, die dazu erforderlich sind, muss die Gemeinde die ihr zur Verfügung stehenden Einnahmequellen im Rahmen des Möglichen und wirtschaftlich nicht Unzweckmäßigen ausschöpfen; sie kann dabei auch auf Steuern zurückgreifen (§ 77 Abs. 2 GO). Die Haushaltswirtschaft hat sie wirtschaftlich, effizient und sparsam zu führen (§ 75 Abs. 1 Satz 2 GO). Die Gemeinde darf sich nicht überschulden (§ 75 Abs. 7 GO).
43Diesen haushaltsrechtlichen Anforderungen genügt die Hebesatzregelung.
44Es unterliegt keinen Zweifeln, dass die Hebesatzfestsetzung hier der Erfüllung dieser haushaltsrechtlichen Pflichten und dabei insbesondere der Beschaffung der für eine ordnungsgemäße Haushaltswirtschaft erforderlichen finanziellen Mittel dient, indem sie zur Erzielung aufwendungsdeckender Erträge beiträgt. Die angespannte Haushaltssituation der Beklagten ist allgemeinkundig. Ausweislich der Beschlussvorlage an Haupt-, Finanz-und Beteiligungsausschuss sowie an den Rat (Drucksache 15/0515 vom 5. November 2014) erfolgte die Hebesatzerhöhung hier zudem ausdrücklich, um die Vorgaben des Stärkungspaktgesetzes (Ausgleich des Ergebnisplans im Jahre 2016; Abbau des Liquiditätskreditbestandes) trotz der negativen Entwicklung der Erträge aus der Gewerbesteuer im Jahre 2014 und dem geringeren Gemeindeanteil an Einkommens- und Umsatzsteuern ab 2015 zu erreichen. Folge einer Verfehlung dieser Vorgaben wäre es, dass die Beklagte keine weiteren Zuweisungen im Rahmen des Stärkungspaktgesetzes erhielte (17,7 Millionen EUR im Jahre 2016 – vgl. die ergänzenden Erläuterungen der Beklagten in der Klageerwiderung).
45Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass eine Überspannung des gemeindlichen Spielraums bei der Hebesatzfestlegung deshalb festzustellen wäre, weil das auf- und ausgabenbezogene Haushaltsgebahren der Beklagten, das ihren zu deckenden Finanzbedarf auslöst, mit Blick auf die Anforderungen an Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit der Haushaltsführung völlig unvertretbar wäre.
46Der Hinweis des Klägers auf die Handhabung des DOC-Projektes durch die Beklagte und auf die seiner Auffassung nach negativen Folgen dieses Projektes für die Entwicklung der Gewerbesteuereinnahmen der Beklagten bietet keinen Anlass, einen unvertretbaren Mittelverbrauch näher in Erwägung zu ziehen. Denn der Gemeinde kommt bei der Entscheidung über die Realisierung von Projekten der Stadtentwicklung in Wahrnehmung ihres verfassungsrechtlich garantierten Rechtes, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln, ein weiter Einschätzungsspielraum zu, bei dessen Ausübung die klägerseits in den Vordergrund gerückten steuerrechtlichen Auswirkungen eines Stadtentwicklungsvorhabens nur einen Abwägungsaspekt unter vielen anderen bilden.
47In diesem Zusammenhang sei mit Blick auf den unterschwellig erhobenen Vorwurf der „schuldenhäufenden Misswirtschaft in der Vergangenheit“ darauf hingewiesen, dass es selbstverständlich ist, dass die Gemeinde im betroffenen Haushaltsjahr zu bedienende Schulden aus der Vergangenheit zu erfüllen und die damit verbundenen Ausgaben zu finanzieren hat, und sie daher auch den dadurch ausgelösten Finanzbedarf steuerfinanzieren darf, ohne dass im Nachhinein noch zu prüfen wäre, ob der seinerzeit betriebene Aufwand „nicht mehr vertretbar“ war.
48Eine Rechtswidrigkeit des Hebesatzes wegen Verletzung haushaltsrechtlicher Vorgaben lässt sich auch nicht aus einem eventuellen Verstoß gegen den sogenannten „haushaltsrechtlichen Subsidiaritätsgrundsatz“ des § 77 Abs. 2 GemO herleiten. Denn das im landesrechtlichen Gemeindehaushaltswirtschaftsrecht vorgesehene „Subsidiaritätsprinzip“ schränkt das grundsteuerliche Hebesatzrecht der Gemeinde nicht ein. In § 77 Abs. 2 GO ist zwar bestimmt, dass die Gemeinde die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Finanzmittel soweit vertretbar und geboten aus speziellen Entgelten für die von ihr erbrachten Leistungen (zu diesen Leistungsentgelten zählen insbesondere Benutzungsgebühren), und (erst) im Übrigen aus Steuern zu beschaffen hat, soweit die sonstigen Finanzmittel nicht ausreichen.
49Der kompetenzrechtlich zuständige Bundesgesetzgeber (Art. 105 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 106 Abs. 6 Satz 1 GG) hat seine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz für die Grundsteuer in Anspruch genommen und den Gemeinden in Erfüllung des Verfassungsauftrages das Recht zur Festsetzung der Hebesätze eingeräumt (§ 25 Abs. 1 GrStG). Eine Einschränkung des von ihm verliehenen Hebesatzrechtes durch Landes(-haushalts-)recht bedarf daher einer bundesrechtlichen Grundlage (Art. 72 GG). Einen gegenständlich begrenzten bundesrechtlichen Vorbehalt für hebesatzbezogenes Landesrecht enthält § 26 GrStG, der aber nur bestimmte Koppelungsvorschriften (zum Verhältnis der Hebesätze für die Grundsteuer „A“ und „B“ und der Gewerbesteuer zueinander) oder die Festlegung von Höchsthebesätzen zulässt, aber grundsätzlich keinen darüber hinausgehenden Zugriff des Landesgesetzgebers auf die bundesrechtlich geschützte eigenverantwortliche Festlegung des Grundsteuerhebesatzes durch die Gemeinde rechtfertigt, d.h. insbesondere keine „Koppelung“ des Hebesatzes an die vorrangige Ausschöpfung von Leistungsentgelten. In welchem Ausmaß die Gemeinde zur Deckung ihres Finanzbedarfs aus den ihr zur Verfügung stehenden Abgaben- und Steuerquellen schöpfen will, bleibt insofern ihrer Entscheidung überlassen.
50Vgl. in diesem Sinne zu dem entsprechenden gemeindlichen Hebesatzrecht bei der Gewerbesteuer: BVerwG, Urteil vom 11. Juni 1993 - 8 C 32.90 -, KStZ 1993, 193 ff., veröffentlicht auch in juris; für die Gewerbesteuer hat der Bundesgesetzgeber zwischenzeitlich in § 16 Abs. 4 Satz 2 GewStG auch einen Mindesthebesatz eingeführt, der Gegenstand des o.g. Beschlusses des BVerfG vom 27. Januar 2010 war.
51Die gemeindehaushaltswirtschaftliche Subsidiaritätsregel ist für Steuern, die wie die Grundsteuer der Gesetzgebungskompetenz des Bundes unterliegen, daher verfassungskonform einschränkend dahin auszulegen, dass sie keine verbindlichen Vorgaben für die Ausübung des Hebesatzrechtes durch die Gemeinde machen will, auf die sich etwa der Steuerzahler berufen könnte.
52Vgl. in diesem Sinne auch OVG NRW, Beschluss vom 26. November 2009 – 14 A 131/08 –, u.a. veröffentlicht in juris, s. dort insbesondere Rdnr. 11.
53Diese fehlende Verbindlichkeit der Subsidiaritätsregel für die Ausübung des Hebesatzrechtes durch die Gemeinde gilt nicht nur bezüglich der speziellen Entgelte, sondern auch bezüglich der in § 77 Abs. 2 GemO (am Ende) genannten „sonstigen Finanzmittel“. Zu Letzteren dürften auch eventuelle Regress-/Amtshaftungsansprüche gegen „untreue“ Organe der Beklagten zählen, auf die der Kläger abhebt.
54Besteht kein Nachrang der Grundsteuerfinanzierung gegenüber der Finanzierung aus speziellen Entgelten für erbrachte Leistungen oder aus sonstigen Finanzmitteln, darf die Beklagte die Frage, ob und in welchem Umfang sie ihren Finanzbedarf aus der Grundsteuer decken will, bevor sie die Finanzierungsmöglichkeit aus speziellen Entgelten oder aus sonstigen Finanzmitteln ausgeschöpft hat, nach Zweckmäßigkeitserwägungen beantworten.
55b.
56(Zu den steuerrechtlichen Anforderungen)
57Die Hebesatzregelung genügt aber auch den steuerrechtlichen Anforderungen einschließlich der bei der Steuernormgebung zu beachtenden grundrechtlichen Bindungen.
58Die Hebesatzregelung hält sich zum einen im Rahmen der speziell dem Grundsteuerrecht zu entnehmenden Anforderungen.
59Einen grundsteuergesetzlich vorgeschriebenen Höchstsatz gibt es nicht, da der Landesgesetzgeber von dieser Möglichkeit nach § 26 GrStG keinen Gebrauch gemacht hat. Auf die Frage, wie hoch die Grundsteuer in anderen Gemeinden ist, kommt es auch nicht an. Die Gemeinden sind weder verpflichtet, sich an die Hebesätze anderer Gemeinden zu halten, noch sind sie an den Landesdurchschnitt der Hebesätze gebunden.
60S. zur Unerheblichkeit des interkommunalen Vergleichs für die Höhe von Abfallgebühren: BVerfG, Beschluss vom 23. November 1988 - 2 BvR 1619/83 -, BVerfGE 79, 127, 151 f; die Unerheblichkeit für einen Grundsteuerhebesatz von 590 vom Hundert bestätigend: VG Gelsenkirchen, Urteil 19. Mai 2011 – 5 K 3622/10 -, Gemeindehaushalt, 2011, 167; vgl. auch Troll/Eisele, Grundsteuergesetz, 2010, § 25 Rn. 4.
61Die Frage, ob und in welchem Umfang eine Gemeinde gerade die – hier in Rede stehende – Grundsteuer B als Ertragsquelle oder andere steuerliche Quellen ausschöpfen will, um ihre o.g. haushaltsrechtlichen Ausgleichspflichten zu erfüllen, unterliegt im hier gegebenen Finanzbedarfsfalle ihrer weitgehend freien, allerdings gemäß Art. 3 Abs. 1 GG gleichheitssatzgerecht auszuübenden Beurteilung, die sich nach Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten richten darf. Denn das Hebesatzrecht nach dem Grundsteuergesetz dient – wie bereits oben dargelegt – der Sicherung einer angemessenen Finanzausstattung der Gemeinden und soll es ihnen ermöglichen, ihre Einnahmen durch Anhebung des Hebesatzes an ihren Finanzbedarf anzupassen sowie Unterschiede in der Belastung und in der Ergiebigkeit der ihnen zugewiesenen Steuerquellen auszugleichen, um auch angesichts wachsender Haushaltslasten handlungsfähig zu bleiben. Aus diesem Zweck des Hebesatzrechts folgt zugleich, dass das Grundsteuergesetz einer Erhöhung des Hebesatzes von einem Jahr auf das andere auch keine „prozentuale Beschränkung“ in dem Sinne auferlegt, dass sich die Erhöhung etwa an einer „allgemeinen Inflationsrate“ oder einer „durchschnittlichen Einkommenssteigerung“ o.ä. zu orientieren hätte.
62Vor diesem Hintergrund ist es nicht zu beanstanden, dass die Beklagte sich entschieden hat, ihren (gegebenen, erhöhten) Finanzbedarf durch Anhebung des Hebesatzes der Grundsteuer B um ca. 30 % auf 784 % zu decken.
63Daran änderte es nichts, dass die Beklagte sich zur Deckung des erhöhten Finanzbedarfs entschieden hat, nur den Hebesatz der Grundsteuer B und nicht auch den der Grundsteuer A und/oder den der Gewerbesteuer anzuheben oder eine andere ihr zustehende Steuer zu erhöhen oder ev. neu einzuführen. Anhaltspunkte dafür, dass eine Konzentration ihrer Bemühungen um steuerliche Ertragserhöhungen auf die Grundsteuer B vor dem Gleichheitssatz, der fordert, Gleiches nicht ohne hinreichend gewichtigen Grund ungleich zu behandeln,
64vgl. Jarass/Pieroth, Kommentar zum Grundgesetz, 12. Auflage, 2012, zu Art. 3 GG, Rdnrn.14 f., m.w.N. aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts,
65nicht gerechtfertigt sein könnte, sind nicht ersichtlich. Denn die Entscheidung der Beklagten, ihre verschiedenen Steuerquellen zur Deckung des erhöhten Finanzbedarfs unterschiedlich zu beanspruchen, rechtfertigt sich vor dem Gleichheitssatz mit Blick auf das der Gemeinde nach dem Zweck des Hebesatzrechts zuzugestehende Recht, nach Zweckmäßigkeitserwägungen zu entscheiden, die sich etwa auf Tragkraft und Ergiebigkeit der Steuerquellen oder auf die Abwägung der mit bestimmten Steuererhöhungen verbundenen weiteren Folgen (Stichwort: Gewerbesteuersätze im Umfeld von Standortkonkurrenzen) erstrecken können.
66Besteht nach dem oben zu a. Dargelegten kein Nachrang der Grundsteuerfinanzierung gegenüber der Finanzierung aus speziellen Entgelten für erbrachte Leistungen (zu diesen Leistungsentgelten zählen insbesondere Benutzungsgebühren), darf die Beklagte schließlich auch die Frage, ob und in welchem Umfang sie ihren Finanzbedarf aus der Grundsteuer decken will, bevor sie die Finanzierungsmöglichkeit aus speziellen Entgelten ausgeschöpft hat, nach Zweckmäßigkeitserwägungen beantworten.
67Die Hebesatzregelung genügt ferner auch allgemein steuerrechtlichen Anforderungen.
68Auch nach allgemeinen steuerlichen Grundsätzen ist der der Gemeinde durch § 25 Abs. 1 GrStG eingeräumte Entscheidungsspielraum bei der Bestimmung der Höhe des Hebesatzes im Sinne einer steuerlichen Gestaltungsfreiheit weit gespannt, so dass sich der Normgeber (z. B.) von finanzpolitischen, volkswirtschaftlichen, sozialpolitischen oder steuertechnischen Erwägungen leiten lassen kann.
69Vgl. BVerfG, Urteil vom 10. Februar 1987, BVerfGE 74, 182, 200.
70Der allgemeine Entscheidungsspielraum des Steuergesetzgebers wird durch das Gebot einer rechtsstaatlichen, grundrechtsgebundenen Steuerpolitik (Art. 1 Abs. 3, Art. 20 Abs. 3 GG) begrenzt. Danach darf eine (gleichheitssatzgerecht ausgestaltete) Steuer die Steuerpflichtigen nicht übermäßig belasten und ihre Vermögensverhältnisse nicht grundlegend beeinträchtigen; sie darf also mit anderen Worten nicht zu einer – grundrechtlich unzulässigen (Art. 2 Abs. 1, Art. 12 und/oder Art. 14 GG), konfiskatorischen – „Erdrosselungssteuer“ werden. Diese Anforderung steht einer „uferlosen“ Erhöhung des Hebesatzes entgegen. Von einer erdrosselnden Wirkung einer Steuer kann allerdings erst dann gesprochen werden, wenn nicht nur ein einzelner Steuerpflichtiger, sondern die Steuerpflichtigen ganz allgemein unter normalen Umständen die Steuer nicht mehr aufbringen können. Dies ist vorliegend wegen der nach wie vor überschaubaren absoluten Höhe der Grundsteuer nicht anzunehmen.
71Vgl. zu deren Maßgeblichkeit: VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 27. Juni 2005 - 2 S 1313/04 – DStRE 2005, 1224.
72Dass die Entscheidung der Beklagten über den örtlichen Grundsteuer-Hebesatz gegen die Charta der Grundrechte der Europäischen Union verstoßen sollte, erschließt sich dem Gericht nicht. Nach Art. 51 Abs. 1 S. 1 Grundrechte-Charta gilt die Charta für die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union unter Wahrung des Subsidiaritätsprinzips und für die Mitgliedstaatenausschließlich bei der Durchführung des Rechts der Union. Bei der Ausübung des gemeindlichen Hebesatzrechts für die Grundsteuer wird aber kein Recht der Union durchgeführt. Denn es handelt sich bei der Grundsteuer um eine direkte Steuer, für die es keine harmonisierenden Regeln der EU gibt,
73vgl. zum Stand der Harmonisierung direkter Steuern (Rechtsgrundlage Art. 114 Abs. 2, 115 AEUV): Oppermann, Europarecht, 3. Auflage, 2005, § 17 III Nr. 3 (Rn. 35 ff.) und Wernsmann in Schulze/Zuleeg/Kadelbach, Europarecht, Handbuch für die deutsche Rechtspraxis, 3. Auflage, 2015, § 30 Rn. 66 ff.,
74zu deren „Durchführung“ es normativer oder administrativer Akte der Umsetzung durch die Mitgliedstaaten bedürfte (sog. „Agency-Situation“).
75Vgl. zu dem auf derartige Umsetzungsmaßnahmen bezogenen „Durchführungsbegriff“: Bobrowsky in Meyer, Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 3. Auflage, 2011, zu Art. 51, Rn 24 und 26 ff.; vgl. zur „Agency-Situation“: Haltern, Europarecht, 2005, § 9, S. 447 ff.
76Offen bleiben kann, ob der Begriff der „Durchführung“ auch mitgliedstaatliche Maßnahmen im Anwendungsbereich der EU-Grundfreiheiten betrifft, deren Rechtmäßigkeit der EuGH nach seiner vor Inkrafttreten der Grundrechte-Charta entfalteten Rechtsprechung unter bestimmten Voraussetzungen auch an den Gemeinschaftsgrundrechten gemessen hat (sog. „ERT-Situation“). Dagegen dürfte sprechen, dass Art. 51 Grundrechte-Charta auf diese Auffassung einschränkend einwirken sollte.
77Vgl. dazu Bobrowsky in Meyer, Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 3. Auflage, 2011, zu Art. 51, Rn 24 und 26 ff.; vgl. zur „ERT-Situation“: Haltern, Europarecht, 2005, § 9, S. 449 ff.
78Vor dem Hintergrund, dass die EU-Grundfreiheiten dem Schutz vor (sachlich unberechtigten) Beschränkungen und Diskriminierungen dienen,
79vgl. Oppermann, Europarecht, 3. Auflage, 2005, § 19 I Nr. 2 (Rn. 3.),
80bezog sich die hier in Rede stehende Rechtsprechung des EuGH jedenfalls nur auf mitgliedstaatliche Maßnahmen, durch die die EU-Grundfreiheiten unter Berufung auf europarechtsimmanente Ausnahmeklauseln beschränkt werden sollten, d.h. mit anderen Worten auf Maßnahmen, die geeignet sind, die Ausübung einer Grundfreiheit zu behindern.
81Vgl. in diesem Sinne: Bobrowsky in Meyer, Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 3. Auflage, 2011, zu Art. 51, Rn 24 und 29, sowie EuGH C-260/89, Rn. 42,43 (bzgl. Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit unter Berufung auf europarechtliche Ausnahmeregelungen).
82Vor diesem Hintergrund spricht auch folgende Erwägung dagegen, dass die Beklagte bei der Festlegung des Hebesatzes Recht der Union im Sinne des Art. 51 Abs. 1 Grundrechte-Charta „durchgeführt“ hat. Da die Beklagte für alle besteuerbaren Grundstücke im Sinne des § 2 Nr. 2 GrStG einen einheitlichen Hebesatz festgelegt hat, erscheint diese Maßnahme nicht geeignet, die Ausübung einer Grundfreiheit diskriminierend zu behindern. Denn es besteht infolgedessen kein Anlass für die Annahme, die in der Festlegung eines solchen Hebesatzes gelegene Maßnahme sei nicht diskriminierungsfrei (Art. 18, 110 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union – Lissabon – AEUV) oder sei nicht „wettbewerbsneutral“ in dem Sinne, dass sie nicht beschränkend in die vier Grundfreiheiten des Binnenmarktes (Art. 26 Abs. 2 AEUV – freier Verkehr von Waren (Art. 28 ff. AEUV), Personen (Art. 45 ff. AEUV), Dienstleistungen (Art. 56 ff. AEUV) und Kapital (Art. 63 ff. AEUV)) eingreift. Ebenso wenig besteht Anlass zu der Annahme, dass diese Maßnahme nicht „freizügigkeitsneutral“ sei (Art. 21 AEUV) oder nicht „beihilfeneutral“ in dem Sinne sei, dass sie als solche nicht gegen das Beihilfeverbot (Art. 107 AEUV) verstößt.
83Vgl. zur Bedeutung dieser Gesichtspunkte bei der europarechtlichen Prüfung der Erhebung direkter Steuern auch: Wernsmann in Schulze/Zuleeg/Kadelbach, Europarecht, Handbuch für die deutsche Rechtspraxis, 3. Auflage, 2015, § 30 Rn. 77 und 121 f. sowie Oppermann, Europarecht, 3. Auflage, 2005, § 17 III Nr. 3 (Rn. 32).
84Damit fehlt es an einem hinreichenden europarechtlichen Bezug, der die Anwendung der Grundrechte-Charta rechtfertigen könnte.
85Mit der Hebesatzfestlegung ist entgegen der klägerischen Auffassung auch keine (entschädigungspflichtige) Enteignung im Sinne des Art. 14 Abs. 3 GG verbunden. Denn die mit der gemeindlichen Hebesatzfestsetzung indirekt verbundene Begründung einer Abgabenzahlungspflicht ist als allgemeine Vermögensbelastung nicht auf die vollständige oder teilweise Entziehung einer konkreten subjektiven Eigentumsposition im Sinne des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG zur Erfüllung bestimmter öffentlicher Aufgaben gerichtet.
86Vgl. zum Enteignungsbegriff des Art. 14 GG: Jarass in Jarass/Pieroth, Kommentar zum Grundgesetz, 13. Auflage, 2014, zu Art. 14, Rn. 75, mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts.
87Nach allem hat die Beklagte die angefochtene Grundsteuerforderung gegenüber dem Kläger, dem das Steuerobjekt zugerechnet ist und der daher gemäß § 10 Abs. 1 GrStG Steuerschuldner ist, also zu Recht festgesetzt.
88Der Kläger kann gegen diese Steuerforderung auch nicht die von ihm behauptete Schadensersatzforderung gegen die Beklagte aufrechnen. Dem steht § 226 Abs. 3 Abgabenordnung (AO) entgegen, der gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 5 i.V.m. § 3 Abs. 3 AO auf die Grundsteuer entsprechend anwendbar ist. Nach § 226 Abs. 3 AO kann der Steuerpflichtige gegen Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis nämlich nur mit unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Gegenansprüchen aufrechnen. Der von dem Kläger geltend gemachte Schadensersatzanspruch ist aber weder rechtskräftig festgestellt noch unbestritten.
89An dieser Stelle sei zur Vermeidung weiterer Streitigkeiten darauf hingewiesen, dass dem Kläger ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte wegen des behaupteten treuwidrigen Verhaltens bei der „Bewirtschaftung“ des gemeindlichen Haushalts und Vermögens nicht zustehen dürfte. Der Kläger geht bei der Herleitung seines vermeintlichen Schadensersatzanspruches von der rechtlichen Fehlvorstellung aus, dass alle Einwohner einer Gemeinde eine zivilrechtliche Gesamthandsgemeinschaft bildeten, als solche selbst unmittelbar Träger der Vermögensrechte und -pflichten der Gemeinde wären und für deren Schulden mit ihrem privaten Vermögen hafteten; daraus zieht der Kläger die Schlussfolgerung, dass die Treuepflichten der Organe der Beklagten bei der „Bewirtschaftung“ des gemeindlichen Haushalts und Vermögens nicht (nur) unmittelbar der Beklagten gegenüber, sondern (auch) unmittelbar gegenüber jedem Einwohner persönlich bestünden. Das ist aber nicht der Fall. Gemeinden sind Gebietskörperschaften des öffentlichen Rechts (§ 1 Abs. 2 GO) und damit als juristische Person des öffentlichen Rechts selbst Träger von (Vermögens-) Rechten und (Vermögens-)Pflichten. Die Einwohner einer Gemeinde haften daher entgegen der klägerseitigen Annahme nicht mit ihrem Privatvermögen für deren Schulden.
90Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
91Die Berufung war nicht zuzulassen, weil die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4 VwGO nicht vorliegen (§ 124 a Abs. 1 VwGO).
In welchem Verhältnis die Hebesätze für die Grundsteuer der Betriebe der Land- und Forstwirtschaft, für die Grundsteuer der Grundstücke und für die Gewerbesteuer zueinander stehen müssen, welche Höchstsätze nicht überschritten werden dürfen und inwieweit mit Genehmigung der Gemeindeaufsichtsbehörde Ausnahmen zugelassen werden können, bleibt einer landesrechtlichen Regelung vorbehalten.
Die Stipendien werden als Darlehen, Zuschläge für Sach- und Reisekosten werden als Zuschüsse gewährt. Sie sind Zuwendungen im Sinne des Haushaltsrechts. Der Verwendungsnachweis beschränkt sich auf die in diesem Gesetz und auf Grund dieses Gesetzes vorgesehenen Leistungsnachweise.
(1) Das Stipendium wird zunächst für einen Zeitraum bis zu einem Jahr gewährt. Vor Ablauf des Bewilligungszeitraums ist festzustellen, ob eine weitere Förderung gerechtfertigt ist. Die Förderung endet im Regelfall nach zwei Jahren (Regelförderungsdauer).
(2) In besonderen Fällen kann das Stipendium über die Regelförderungsdauer hinaus gewährt werden. Eröffnet das in einem weiteren Studium im Sinne des § 3 erreichte Arbeitsergebnis die Möglichkeit zur Promotion, so kann für den Abschluß der Arbeit das Stipendium bis zu einem Jahr über die Regelförderungsdauer hinaus gewährt werden, wenn ein wichtiger Beitrag zur Forschung zu erwarten ist. Im übrigen ist die Gewährung eines Stipendiums ausgeschlossen, wenn die Vorbereitung auf die Promotion oder die Teilnahme an einem weiteren Studium bereits auf Grund dieses Gesetzes gefördert worden ist.
(3) Die Gewährung des Stipendiums endet spätestens
(1) Übt der Stipendiat neben der Vorbereitung auf die Promotion oder der Teilnahme an dem weiteren Studium eine Tätigkeit aus, die seine Arbeitskraft ganz oder zum Teil in Anspruch nimmt, so ist eine Förderung nach diesem Gesetz ausgeschlossen.
(2) Abweichend von Absatz 1 sind mit der Förderung vereinbar
Der Stipendiat ist zur Übernahme einer dieser Tätigkeiten nicht verpflichtet.(1) Die Gemeinde bestimmt, mit welchem Hundertsatz des Steuermeßbetrags oder des Zerlegungsanteils die Grundsteuer zu erheben ist (Hebesatz).
(2) Der Hebesatz ist für ein oder mehrere Kalenderjahre, höchstens jedoch für den Hauptveranlagungszeitraum der Steuermeßbeträge festzusetzen.
(3) Der Beschluß über die Festsetzung oder Änderung des Hebesatzes ist bis zum 30. Juni eines Kalenderjahres mit Wirkung vom Beginn dieses Kalenderjahres zu fassen. Nach diesem Zeitpunkt kann der Beschluß über die Festsetzung des Hebesatzes gefaßt werden, wenn der Hebesatz die Höhe der letzten Festsetzung nicht überschreitet.
(4) Der Hebesatz muß jeweils einheitlich sein
Wird das Gebiet von Gemeinden geändert, so kann die Landesregierung oder die von ihr bestimmte Stelle für die von der Änderung betroffenen Gebietsteile auf eine bestimmte Zeit verschiedene Hebesätze zulassen.(1) Die Gemeinde bestimmt, ob von dem in ihrem Gebiet liegenden Grundbesitz Grundsteuer zu erheben ist.
(2) Bestehen in einem Land keine Gemeinden, so stehen das Recht des Absatzes 1 und die in diesem Gesetz bestimmten weiteren Rechte dem Land zu.
(3) Für den in gemeindefreien Gebieten liegenden Grundbesitz bestimmt die Landesregierung durch Rechtsverordnung, wer die nach diesem Gesetz den Gemeinden zustehenden Befugnisse ausübt.
(1) Die Gemeinde bestimmt, mit welchem Hundertsatz des Steuermeßbetrags oder des Zerlegungsanteils die Grundsteuer zu erheben ist (Hebesatz).
(2) Der Hebesatz ist für ein oder mehrere Kalenderjahre, höchstens jedoch für den Hauptveranlagungszeitraum der Steuermeßbeträge festzusetzen.
(3) Der Beschluß über die Festsetzung oder Änderung des Hebesatzes ist bis zum 30. Juni eines Kalenderjahres mit Wirkung vom Beginn dieses Kalenderjahres zu fassen. Nach diesem Zeitpunkt kann der Beschluß über die Festsetzung des Hebesatzes gefaßt werden, wenn der Hebesatz die Höhe der letzten Festsetzung nicht überschreitet.
(4) Der Hebesatz muß jeweils einheitlich sein
Wird das Gebiet von Gemeinden geändert, so kann die Landesregierung oder die von ihr bestimmte Stelle für die von der Änderung betroffenen Gebietsteile auf eine bestimmte Zeit verschiedene Hebesätze zulassen.Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Leistung einer Sicherheit oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2Mit Satzung vom 1. Dezember 2014 hat der Rat der Beklagten den Steuersatz für die Grundsteuer B für das Jahr 2015 auf 784 von Hundert festgesetzt.
3Mit Bescheid vom 23. Januar 2015 zog die Beklagte den Kläger wegen des streitgegenständlichen Steuerobjektes, das dem Kläger zugerechnet ist, u.a. zur Grundsteuer B heran. Dabei veranlagte die Beklagte den Kläger nach Maßgabe des von dem zuständigen Finanzamt für das Steuerobjekt festgestellten Steuermessbetrages vervielfältigt mit dem von ihr für das Jahr 2015 festgesetzten Hebesatz.
4Gegen diese Festsetzung der Grundsteuer hat der Kläger am 5. Februar 2015 Klage erhoben. Zu deren Begründung macht er sinngemäß folgendes geltend:
5Der Grundsteuerbescheid sei rechtswidrig, weil die zu Grunde liegenden Beschlüsse des Rates der Beklagten gegen Europäisches Recht, das Grundgesetz und die Gemeindeordnung verstießen. In Höhe eines Betrages von 209,69 EUR, der dem für sein Grundstück anfallenden Betrag der Grundsteuererhöhung 2015 gegenüber 2014 entspreche, erkläre er die Aufrechnung der Grundsteuerforderung mit ihm zustehenden Schadensersatzansprüchen aus der Verletzung zwingender gesetzlicher Vorschriften durch Organe der Beklagten.
6Alle Einwohner einer Kommune bildeten eine zivilrechtliche Gesamthandsgemeinschaft, der gemeinschaftlich alle aktiven und passiven Vermögensgegenstände einer Kommune als „Eigentümer“ zuzurechnen seien. Für einen negativen kommunalen Eigenkapitalbetrag, für den keine Deckung durch das Kommunalvermögen bestehe, hafteten die Bürger daher mit ihrem privaten Vermögen. Gemeinderechtlich dürfe der Wert der aktiven Vermögensgegenstände aber den Wert der passiven Vermögensgegenstände des kommunalen Vermögens nicht unterschreiten. Das sei gemäß § 75 Abs. 7 Gemeindeordnung (GemO) verboten, wonach sich die Gemeinde nicht überschuldeten dürfe. Die Organe der Beklagten handelten immer nur als Treuhänder des gemeinschaftlichen Vermögens ihrer Bürger. Verstießen die Organe gegen die Pflicht aus § 75 Abs. 7 GemO und verursachten sie so eine private Haftung ihrer Bürger, stünde diesen ein entsprechender Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zu. So liege der Fall hier. Seit Jahren überstiegen die Verbindlichkeiten das Eigenkapital der Beklagten. Seit Juni 2013 sei den Organen der Beklagten zudem nachweisbar bekannt, dass die Beklagte im Sinne der Gemeindeordnung überschuldet sei. Denn seither sei den Organen der Beklagten bewusst, dass der noch Gewerbesteuer zahlende Einzelhandel durch das DOC-Projekt erhebliche Umsatz- und Gewinneinbußen erleiden werde und die Beklagte aus dem DOC-Projekt keine Gewerbesteuereinnahmen zu erwarten habe. Dennoch hätten die Organe der Beklagten bewusst auf eine europaweite Ausschreibung des Projektes oder auf eine umsatzbezogene Vermietung der für das Projekt benötigten städtischen Flächen verzichtet und die Pro-DOC-Entscheidung im Dezember 2013 in ein schuldrechtliches Verpflichtungsgeschäft (Grundstückskaufvertrag) umgesetzt. Dies sei mit Blick auf die europarechtlichen Beihilfevorschriften bedenklich; das Handeln der Stadt verletze darüber hinaus die EU-Grundrechte-Charta. Statt die untreuen Organe der Beklagten in Anspruch zu nehmen, habe der Rat der Beklagten die Erhöhung der Grundsteuer B um rund 30 % beschlossen. Das Hebesatzgebaren der Beklagten widerspreche den (europarechtlichen) Ansprüchen der Bürger auf Rechtsstaatlichkeit, auf Eigentum, auf eine „gute“ Verwaltung und auf Schadensersatz bei Enteignung.
7Der Kläger beantragt sinngemäß,
8den Bescheid der Beklagten vom 23. Januar 2015 - soweit darin Grundsteuer erhoben wird - aufzuheben.
9Die Beklagte beantragt,
10die Klage abzuweisen.
11Sie tritt der Klagebegründung unter ausführlicher Darlegung ihrer Rechtsauffassung entgegen.
12Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
13Entscheidungsgründe:
14Der Einzelrichter, dem die Kammer das Verfahren nach § 6 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zur Entscheidung übertragen hat, konnte gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten sich hiermit einverstanden erklärt haben.
15Die zulässige Klage ist unbegründet.
16Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO)).
17Die Rechtsgrundlage für die Heranziehung zu den Grundsteuern für das Jahr 2015 bilden §§ 1 Abs. 1, 27, 25 und 13 ff. Grundsteuergesetz (GrStG) in Verbindung mit § 1 Nr. 1 lit. b) der „Satzung vom 01.12.2014 über die Festsetzung der Steuersätze für die Gemeindesteuern der Stadt S. in den Haushaltsjahren 2015 und 2016 (Hebelsatzsatzung)“, mit der der Rat der Beklagten u.a. den Hebesatz für die Grundsteuer B für das Haushaltsjahr 2015 beschlossen hat.
18Gemäß §§ 1 Abs. 1, 27, 25 und 13 ff. Grundsteuergesetz (GrStG) bestimmt sich die Höhe der festzusetzenden Grundsteuer nach einer Vervielfältigung des von der über die Erhebung der Steuer entscheidenden Gemeinde festgelegten Hebesatzes mit dem Steuermessbetrag. Der Steuermessbetrag wird für das betroffene Steuerobjekt vom zuständigen Finanzamt ausgehend von dem von ihm festgestellten Einheitswert festgesetzt. Der Feststellungsbescheid über den Einheitswert (§§ 179 Abs. 1 in Verbindung mit § 180 Abs. 1 Nr. 1 Abgabenordnung (AO)) ist für den (Grund-) Steuermessbescheid (§ 184 AO) ebenso bindend wie der Einheitswertbescheid und der Grundsteuermessbescheid als Grundlagenbescheide für den hier in Rede stehenden Grundsteuerbescheid als Folgebescheid, auch wenn sie noch nicht unanfechtbar sind (§§ 182 Abs. 1 Satz 1, 184 Abs. 1 AO). Infolge dieser Bindung der Gemeinde an die Feststellungen in den Grundlagenbescheiden sind Einwendungen gegen die Bewertung des Grundstücks allein bei dem zuständigen Finanzamt geltend zu machen und können gegenüber dem Steuerbescheid der Gemeinde nicht geltend gemacht werden.
19Die Beklagte hat der Veranlagung der Klägerseite, der der streitgegenständliche Steuergegenstand in den Grundlagenbescheiden zugerechnet ist, zu den Grundsteuern für das Jahr 2015 den letztgültigen, sie bei der Festsetzung bindenden Grundsteuermessbetrag zugrundegelegt, den das zuständige Finanzamt festgestellt hat. Diesen Betrag hat sie mit dem für das Jahr 2015 geltenden Hebesatz vervielfältigt. Dies ist auch unstreitig.
20Die Heranziehung der Klägerseite zu dem sich danach ergebenden Steuerbetrag ist nicht zu beanstanden, weil auch die – hier allein streitige – Festsetzung des Hebesatzes für die Grundsteuer B des Jahres 2015 rechtmäßig ist. Formelle oder materielle Bedenken gegen die Wirksamkeit der Hebesatzsatzung bestehen, soweit das vorliegende Verfahren eine Überprüfung gebietet, nicht.
21Die Gemeinde ist nach § 25 Abs. 1 GrStG ermächtigt zu bestimmen, mit welchem Vomhundertsatz des Steuermessbetrages die Grundsteuer zu erheben ist. Die Bestimmung erfolgt gemäß §§ 7, 41 und 78 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 GO durch Satzung des Rates. Die Beklagte hat mit der satzungsförmigen Bestimmung eines Hebesatzes von 784 % für die Grundsteuer B des Jahres 2015 von dieser Befugnis in rechtlich nicht zu beanstandender Weise Gebrauch gemacht, denn die Festsetzung verstößt nicht gegen höherrangiges Recht.
22Das durch Art. 106 Abs. 6 Satz 2 Grundgesetz (GG) i.V.m. § 25 Abs. 1 GrStG eingeräumte Hebesatzrecht dient der Sicherung einer angemessenen Finanzausstattung der Gemeinden. Es ermöglicht ihnen, Unterschiede in der Belastung und in der Ergiebigkeit der zugewiesenen Steuerquellen auszugleichen. Die Gemeinden sollen die Möglichkeit haben, ihre Einnahmen durch Anspannung der Grundsteuer (und/oder der ebenfalls ihrem Hebesatzrecht unterliegenden Gewerbesteuer) an den Finanzbedarf anzupassen, um damit angesichts wachsender Haushaltslasten handlungsfähig zu bleiben.
23Vgl. so zum parallelen Fall der in Art. 106 Abs. 6 Satz 2 GG ebenfalls angesprochenen Gewerbesteuer: Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 27. Januar 2010 – 2 BvR 2185/04, BVerfGE 125, 141, veröffentlicht u.a. in juris, s. dort insbesondere Rdnr. 86, und zur Grundsteuer: Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 27. Oktober 2010 – 8 C 43/09 –, veröffentlicht u.a. in juris, s. dort insbesondere Rdnr. 16.
24Aufgrund ihrer durch Art. 28 Abs. 2 und 106 Abs. 6 Satz 2 GG verfassungsrechtlich „im Rahmen der Gesetze“ garantierten Selbstverwaltungs- und Steuerhoheit haben die Gemeinden bei der – sich an ihrem Finanzbedarf orientierenden – Festsetzung der Hebesätze durch Satzung einen weitgehenden normgeberischen Spielraum. Sie sind berechtigt, im Rahmen der Gesetze selbst zu entscheiden, in welchem Umfang sie ihren Finanzbedarf über die Grundsteuer (oder anderweitig) decken wollen und welche Höhe der Hebesatz erreichen soll.
25Die gerichtliche Kontrolle von Hebesatzregelungen beschränkt sich vor diesem Hintergrund auf die Vereinbarkeit der (aus dem Konzept der Gemeinde zur Deckung ihres Finanzbedarfs folgenden) Festsetzung mit (einschlägigem) höherrangigem Recht,
26vgl. in diesem Sinne BVerwG, Beschluss vom 27. Oktober 2010 - 8 C 43/09 -, NVwZ 2011, 424; OVG NRW, Urteil vom 22. Juli 2009 – 15 A 2324/07-, KStZ 2009, 190,
27das sich vor allem aus den Vorgaben des Gemeindehaushalts- und Steuerrechts ergibt, soweit es hebesatzrechtlich bedeutsam ist; zudem sind die grundrechtlichen Bindungen hoheitlichen Handelns zu beachten.
28Die Kontrolle umfasst mangels entsprechender rechtlicher Anforderungen an die Hebesatzentscheidung des Rats
29- weder deren Überprüfung nach der Art, der ermessensgeleitete Verwaltungsakte unterliegen (vgl. § 114 VwGO), mit der Folge, dass jeder - vermeintliche - Kalkulationsirrtum als "Ermessensfehler" (vgl. §§ 1 Abs. 2, 5 der Abgabenordnung - AO -) angesehen werden müsste,
30vgl. in diesem Sinne zur Kontrolle satzungsrechtlicher Bemessungsregeln zur Höhe der Vergnügungssteuer: Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Urteil vom 23 . Juni 2010 – 14 A 597/09 –, veröffentlicht u.a. in juris, s. dort insbesondere Rdnr. 49; für Grundsteuerhebesätze: OVG NRW, Beschluss vom 9. März 2012 – 14 A 73/11 –,
31- noch deren Überprüfung nach Art der Bauleitplanung auf „Abwägungsmängel“.
32Wegen des weiten normgeberischen Entscheidungsspielraums der mit Selbstverwaltungs- und Steuerhoheit ausgestatteten Gemeinde sind die Gerichte bei der inzidenten Prüfung der Rechtmäßigkeit der Hebesatzfestlegung anlässlich der Anfechtung von Steuerbescheiden
33- weder berechtigt, ihre eigenen – oder gar klägerseitig – für sachgerecht gehaltenen Bewertungen an die Stelle der nach Art. 106 Abs. 6 Satz 2 Grundgesetz (GG) i.V.m. § 25 Abs. 1 GrStG und §§ 78 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4, 80 Gemeindeordnung NRW (GO) dem Rat vorbehaltenen Bewertung zu setzen, in welchem Umfang die Gemeinde ihren Finanzbedarf über die Grundsteuer (oder anderweitig) decken sollte,
34- noch sind sie mit Blick auf den weiten Entscheidungsspielraum der Gemeinde bei ihrer Aufgaben- und Haushaltsführung berufen zu entscheiden, ob der Mitteleinsatz, der dem Finanzierungsbedarf zugrunde liegt, als solcher „sinnvoll“ ist, solange kein Verbrauch von öffentlichen Mitteln festzustellen ist, der wirtschaftlich in keinem Fall mehr vertretbar ist und deshalb auch nicht mehr im Rahmen einer ordnungsgemäß, d. h. im Sinne des § 75 Abs. 1 Satz 2 GO NRW wirtschaftlich, effizient und sparsam geführten Verwaltung liegt.
35Vgl. zu letzterer Einschränkung sinngemäß Bay. VGH, Beschluss vom 11. Februar 1976 - Nr. 243 IV 74 -, KStZ 1976, 150 (152 ff.).
36Denn es ist zu beachten, dass nach der Rechtsprechung des OVG NRW,
37Beschluss vom 26. Oktober 1990 – 15 A 1099/97 –, veröffentlicht u.a. in juris,
38selbst die Aufsichtsbehörde von einem Verstoß gegen den Grundsatz der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit erst ausgehen darf, wenn die Gemeinde ihre Entscheidungsbefugnis in nicht mehr vertretbarer Weise ausgeübt hat.
39Bei Anwendung dieser Maßstäbe ist die Festsetzung eines Hebesatzes von 784 % hier rechtlich nicht zu beanstanden. Denn der Hebesatz entspricht sowohl den haushaltsrechtlichen Vorgaben, die die Gemeinden bei dessen Festsetzung zu beachten haben (a.), als auch den grundsteuer- oder sonstigen steuerrechtlichen Anforderungen an die Hebesatzbestimmung (b.).
40a.
41(Zu den gemeindehaushaltsrechtlichen Anforderungen)
42Die Gemeinde hat nach dem Gemeindehaushaltsrecht ihre Haushaltswirtschaft so zu planen und zu führen, dass die stetige Erfüllung ihrer (gesetzlich übertragenen oder freiwillig übernommenen) Aufgaben gesichert ist (§ 75 Abs. 1 Satz 1 Gemeindeordnung NRW (GO)). Sie muss dafür sorgen, dass Erträge und Aufwendungen haushaltsmäßig ausgeglichen sind (§ 75 Abs. 2 GO NRW). Zur Beschaffung der finanziellen Mittel, die dazu erforderlich sind, muss die Gemeinde die ihr zur Verfügung stehenden Einnahmequellen im Rahmen des Möglichen und wirtschaftlich nicht Unzweckmäßigen ausschöpfen; sie kann dabei auch auf Steuern zurückgreifen (§ 77 Abs. 2 GO). Die Haushaltswirtschaft hat sie wirtschaftlich, effizient und sparsam zu führen (§ 75 Abs. 1 Satz 2 GO). Die Gemeinde darf sich nicht überschulden (§ 75 Abs. 7 GO).
43Diesen haushaltsrechtlichen Anforderungen genügt die Hebesatzregelung.
44Es unterliegt keinen Zweifeln, dass die Hebesatzfestsetzung hier der Erfüllung dieser haushaltsrechtlichen Pflichten und dabei insbesondere der Beschaffung der für eine ordnungsgemäße Haushaltswirtschaft erforderlichen finanziellen Mittel dient, indem sie zur Erzielung aufwendungsdeckender Erträge beiträgt. Die angespannte Haushaltssituation der Beklagten ist allgemeinkundig. Ausweislich der Beschlussvorlage an Haupt-, Finanz-und Beteiligungsausschuss sowie an den Rat (Drucksache 15/0515 vom 5. November 2014) erfolgte die Hebesatzerhöhung hier zudem ausdrücklich, um die Vorgaben des Stärkungspaktgesetzes (Ausgleich des Ergebnisplans im Jahre 2016; Abbau des Liquiditätskreditbestandes) trotz der negativen Entwicklung der Erträge aus der Gewerbesteuer im Jahre 2014 und dem geringeren Gemeindeanteil an Einkommens- und Umsatzsteuern ab 2015 zu erreichen. Folge einer Verfehlung dieser Vorgaben wäre es, dass die Beklagte keine weiteren Zuweisungen im Rahmen des Stärkungspaktgesetzes erhielte (17,7 Millionen EUR im Jahre 2016 – vgl. die ergänzenden Erläuterungen der Beklagten in der Klageerwiderung).
45Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass eine Überspannung des gemeindlichen Spielraums bei der Hebesatzfestlegung deshalb festzustellen wäre, weil das auf- und ausgabenbezogene Haushaltsgebahren der Beklagten, das ihren zu deckenden Finanzbedarf auslöst, mit Blick auf die Anforderungen an Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit der Haushaltsführung völlig unvertretbar wäre.
46Der Hinweis des Klägers auf die Handhabung des DOC-Projektes durch die Beklagte und auf die seiner Auffassung nach negativen Folgen dieses Projektes für die Entwicklung der Gewerbesteuereinnahmen der Beklagten bietet keinen Anlass, einen unvertretbaren Mittelverbrauch näher in Erwägung zu ziehen. Denn der Gemeinde kommt bei der Entscheidung über die Realisierung von Projekten der Stadtentwicklung in Wahrnehmung ihres verfassungsrechtlich garantierten Rechtes, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln, ein weiter Einschätzungsspielraum zu, bei dessen Ausübung die klägerseits in den Vordergrund gerückten steuerrechtlichen Auswirkungen eines Stadtentwicklungsvorhabens nur einen Abwägungsaspekt unter vielen anderen bilden.
47In diesem Zusammenhang sei mit Blick auf den unterschwellig erhobenen Vorwurf der „schuldenhäufenden Misswirtschaft in der Vergangenheit“ darauf hingewiesen, dass es selbstverständlich ist, dass die Gemeinde im betroffenen Haushaltsjahr zu bedienende Schulden aus der Vergangenheit zu erfüllen und die damit verbundenen Ausgaben zu finanzieren hat, und sie daher auch den dadurch ausgelösten Finanzbedarf steuerfinanzieren darf, ohne dass im Nachhinein noch zu prüfen wäre, ob der seinerzeit betriebene Aufwand „nicht mehr vertretbar“ war.
48Eine Rechtswidrigkeit des Hebesatzes wegen Verletzung haushaltsrechtlicher Vorgaben lässt sich auch nicht aus einem eventuellen Verstoß gegen den sogenannten „haushaltsrechtlichen Subsidiaritätsgrundsatz“ des § 77 Abs. 2 GemO herleiten. Denn das im landesrechtlichen Gemeindehaushaltswirtschaftsrecht vorgesehene „Subsidiaritätsprinzip“ schränkt das grundsteuerliche Hebesatzrecht der Gemeinde nicht ein. In § 77 Abs. 2 GO ist zwar bestimmt, dass die Gemeinde die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Finanzmittel soweit vertretbar und geboten aus speziellen Entgelten für die von ihr erbrachten Leistungen (zu diesen Leistungsentgelten zählen insbesondere Benutzungsgebühren), und (erst) im Übrigen aus Steuern zu beschaffen hat, soweit die sonstigen Finanzmittel nicht ausreichen.
49Der kompetenzrechtlich zuständige Bundesgesetzgeber (Art. 105 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 106 Abs. 6 Satz 1 GG) hat seine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz für die Grundsteuer in Anspruch genommen und den Gemeinden in Erfüllung des Verfassungsauftrages das Recht zur Festsetzung der Hebesätze eingeräumt (§ 25 Abs. 1 GrStG). Eine Einschränkung des von ihm verliehenen Hebesatzrechtes durch Landes(-haushalts-)recht bedarf daher einer bundesrechtlichen Grundlage (Art. 72 GG). Einen gegenständlich begrenzten bundesrechtlichen Vorbehalt für hebesatzbezogenes Landesrecht enthält § 26 GrStG, der aber nur bestimmte Koppelungsvorschriften (zum Verhältnis der Hebesätze für die Grundsteuer „A“ und „B“ und der Gewerbesteuer zueinander) oder die Festlegung von Höchsthebesätzen zulässt, aber grundsätzlich keinen darüber hinausgehenden Zugriff des Landesgesetzgebers auf die bundesrechtlich geschützte eigenverantwortliche Festlegung des Grundsteuerhebesatzes durch die Gemeinde rechtfertigt, d.h. insbesondere keine „Koppelung“ des Hebesatzes an die vorrangige Ausschöpfung von Leistungsentgelten. In welchem Ausmaß die Gemeinde zur Deckung ihres Finanzbedarfs aus den ihr zur Verfügung stehenden Abgaben- und Steuerquellen schöpfen will, bleibt insofern ihrer Entscheidung überlassen.
50Vgl. in diesem Sinne zu dem entsprechenden gemeindlichen Hebesatzrecht bei der Gewerbesteuer: BVerwG, Urteil vom 11. Juni 1993 - 8 C 32.90 -, KStZ 1993, 193 ff., veröffentlicht auch in juris; für die Gewerbesteuer hat der Bundesgesetzgeber zwischenzeitlich in § 16 Abs. 4 Satz 2 GewStG auch einen Mindesthebesatz eingeführt, der Gegenstand des o.g. Beschlusses des BVerfG vom 27. Januar 2010 war.
51Die gemeindehaushaltswirtschaftliche Subsidiaritätsregel ist für Steuern, die wie die Grundsteuer der Gesetzgebungskompetenz des Bundes unterliegen, daher verfassungskonform einschränkend dahin auszulegen, dass sie keine verbindlichen Vorgaben für die Ausübung des Hebesatzrechtes durch die Gemeinde machen will, auf die sich etwa der Steuerzahler berufen könnte.
52Vgl. in diesem Sinne auch OVG NRW, Beschluss vom 26. November 2009 – 14 A 131/08 –, u.a. veröffentlicht in juris, s. dort insbesondere Rdnr. 11.
53Diese fehlende Verbindlichkeit der Subsidiaritätsregel für die Ausübung des Hebesatzrechtes durch die Gemeinde gilt nicht nur bezüglich der speziellen Entgelte, sondern auch bezüglich der in § 77 Abs. 2 GemO (am Ende) genannten „sonstigen Finanzmittel“. Zu Letzteren dürften auch eventuelle Regress-/Amtshaftungsansprüche gegen „untreue“ Organe der Beklagten zählen, auf die der Kläger abhebt.
54Besteht kein Nachrang der Grundsteuerfinanzierung gegenüber der Finanzierung aus speziellen Entgelten für erbrachte Leistungen oder aus sonstigen Finanzmitteln, darf die Beklagte die Frage, ob und in welchem Umfang sie ihren Finanzbedarf aus der Grundsteuer decken will, bevor sie die Finanzierungsmöglichkeit aus speziellen Entgelten oder aus sonstigen Finanzmitteln ausgeschöpft hat, nach Zweckmäßigkeitserwägungen beantworten.
55b.
56(Zu den steuerrechtlichen Anforderungen)
57Die Hebesatzregelung genügt aber auch den steuerrechtlichen Anforderungen einschließlich der bei der Steuernormgebung zu beachtenden grundrechtlichen Bindungen.
58Die Hebesatzregelung hält sich zum einen im Rahmen der speziell dem Grundsteuerrecht zu entnehmenden Anforderungen.
59Einen grundsteuergesetzlich vorgeschriebenen Höchstsatz gibt es nicht, da der Landesgesetzgeber von dieser Möglichkeit nach § 26 GrStG keinen Gebrauch gemacht hat. Auf die Frage, wie hoch die Grundsteuer in anderen Gemeinden ist, kommt es auch nicht an. Die Gemeinden sind weder verpflichtet, sich an die Hebesätze anderer Gemeinden zu halten, noch sind sie an den Landesdurchschnitt der Hebesätze gebunden.
60S. zur Unerheblichkeit des interkommunalen Vergleichs für die Höhe von Abfallgebühren: BVerfG, Beschluss vom 23. November 1988 - 2 BvR 1619/83 -, BVerfGE 79, 127, 151 f; die Unerheblichkeit für einen Grundsteuerhebesatz von 590 vom Hundert bestätigend: VG Gelsenkirchen, Urteil 19. Mai 2011 – 5 K 3622/10 -, Gemeindehaushalt, 2011, 167; vgl. auch Troll/Eisele, Grundsteuergesetz, 2010, § 25 Rn. 4.
61Die Frage, ob und in welchem Umfang eine Gemeinde gerade die – hier in Rede stehende – Grundsteuer B als Ertragsquelle oder andere steuerliche Quellen ausschöpfen will, um ihre o.g. haushaltsrechtlichen Ausgleichspflichten zu erfüllen, unterliegt im hier gegebenen Finanzbedarfsfalle ihrer weitgehend freien, allerdings gemäß Art. 3 Abs. 1 GG gleichheitssatzgerecht auszuübenden Beurteilung, die sich nach Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten richten darf. Denn das Hebesatzrecht nach dem Grundsteuergesetz dient – wie bereits oben dargelegt – der Sicherung einer angemessenen Finanzausstattung der Gemeinden und soll es ihnen ermöglichen, ihre Einnahmen durch Anhebung des Hebesatzes an ihren Finanzbedarf anzupassen sowie Unterschiede in der Belastung und in der Ergiebigkeit der ihnen zugewiesenen Steuerquellen auszugleichen, um auch angesichts wachsender Haushaltslasten handlungsfähig zu bleiben. Aus diesem Zweck des Hebesatzrechts folgt zugleich, dass das Grundsteuergesetz einer Erhöhung des Hebesatzes von einem Jahr auf das andere auch keine „prozentuale Beschränkung“ in dem Sinne auferlegt, dass sich die Erhöhung etwa an einer „allgemeinen Inflationsrate“ oder einer „durchschnittlichen Einkommenssteigerung“ o.ä. zu orientieren hätte.
62Vor diesem Hintergrund ist es nicht zu beanstanden, dass die Beklagte sich entschieden hat, ihren (gegebenen, erhöhten) Finanzbedarf durch Anhebung des Hebesatzes der Grundsteuer B um ca. 30 % auf 784 % zu decken.
63Daran änderte es nichts, dass die Beklagte sich zur Deckung des erhöhten Finanzbedarfs entschieden hat, nur den Hebesatz der Grundsteuer B und nicht auch den der Grundsteuer A und/oder den der Gewerbesteuer anzuheben oder eine andere ihr zustehende Steuer zu erhöhen oder ev. neu einzuführen. Anhaltspunkte dafür, dass eine Konzentration ihrer Bemühungen um steuerliche Ertragserhöhungen auf die Grundsteuer B vor dem Gleichheitssatz, der fordert, Gleiches nicht ohne hinreichend gewichtigen Grund ungleich zu behandeln,
64vgl. Jarass/Pieroth, Kommentar zum Grundgesetz, 12. Auflage, 2012, zu Art. 3 GG, Rdnrn.14 f., m.w.N. aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts,
65nicht gerechtfertigt sein könnte, sind nicht ersichtlich. Denn die Entscheidung der Beklagten, ihre verschiedenen Steuerquellen zur Deckung des erhöhten Finanzbedarfs unterschiedlich zu beanspruchen, rechtfertigt sich vor dem Gleichheitssatz mit Blick auf das der Gemeinde nach dem Zweck des Hebesatzrechts zuzugestehende Recht, nach Zweckmäßigkeitserwägungen zu entscheiden, die sich etwa auf Tragkraft und Ergiebigkeit der Steuerquellen oder auf die Abwägung der mit bestimmten Steuererhöhungen verbundenen weiteren Folgen (Stichwort: Gewerbesteuersätze im Umfeld von Standortkonkurrenzen) erstrecken können.
66Besteht nach dem oben zu a. Dargelegten kein Nachrang der Grundsteuerfinanzierung gegenüber der Finanzierung aus speziellen Entgelten für erbrachte Leistungen (zu diesen Leistungsentgelten zählen insbesondere Benutzungsgebühren), darf die Beklagte schließlich auch die Frage, ob und in welchem Umfang sie ihren Finanzbedarf aus der Grundsteuer decken will, bevor sie die Finanzierungsmöglichkeit aus speziellen Entgelten ausgeschöpft hat, nach Zweckmäßigkeitserwägungen beantworten.
67Die Hebesatzregelung genügt ferner auch allgemein steuerrechtlichen Anforderungen.
68Auch nach allgemeinen steuerlichen Grundsätzen ist der der Gemeinde durch § 25 Abs. 1 GrStG eingeräumte Entscheidungsspielraum bei der Bestimmung der Höhe des Hebesatzes im Sinne einer steuerlichen Gestaltungsfreiheit weit gespannt, so dass sich der Normgeber (z. B.) von finanzpolitischen, volkswirtschaftlichen, sozialpolitischen oder steuertechnischen Erwägungen leiten lassen kann.
69Vgl. BVerfG, Urteil vom 10. Februar 1987, BVerfGE 74, 182, 200.
70Der allgemeine Entscheidungsspielraum des Steuergesetzgebers wird durch das Gebot einer rechtsstaatlichen, grundrechtsgebundenen Steuerpolitik (Art. 1 Abs. 3, Art. 20 Abs. 3 GG) begrenzt. Danach darf eine (gleichheitssatzgerecht ausgestaltete) Steuer die Steuerpflichtigen nicht übermäßig belasten und ihre Vermögensverhältnisse nicht grundlegend beeinträchtigen; sie darf also mit anderen Worten nicht zu einer – grundrechtlich unzulässigen (Art. 2 Abs. 1, Art. 12 und/oder Art. 14 GG), konfiskatorischen – „Erdrosselungssteuer“ werden. Diese Anforderung steht einer „uferlosen“ Erhöhung des Hebesatzes entgegen. Von einer erdrosselnden Wirkung einer Steuer kann allerdings erst dann gesprochen werden, wenn nicht nur ein einzelner Steuerpflichtiger, sondern die Steuerpflichtigen ganz allgemein unter normalen Umständen die Steuer nicht mehr aufbringen können. Dies ist vorliegend wegen der nach wie vor überschaubaren absoluten Höhe der Grundsteuer nicht anzunehmen.
71Vgl. zu deren Maßgeblichkeit: VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 27. Juni 2005 - 2 S 1313/04 – DStRE 2005, 1224.
72Dass die Entscheidung der Beklagten über den örtlichen Grundsteuer-Hebesatz gegen die Charta der Grundrechte der Europäischen Union verstoßen sollte, erschließt sich dem Gericht nicht. Nach Art. 51 Abs. 1 S. 1 Grundrechte-Charta gilt die Charta für die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union unter Wahrung des Subsidiaritätsprinzips und für die Mitgliedstaatenausschließlich bei der Durchführung des Rechts der Union. Bei der Ausübung des gemeindlichen Hebesatzrechts für die Grundsteuer wird aber kein Recht der Union durchgeführt. Denn es handelt sich bei der Grundsteuer um eine direkte Steuer, für die es keine harmonisierenden Regeln der EU gibt,
73vgl. zum Stand der Harmonisierung direkter Steuern (Rechtsgrundlage Art. 114 Abs. 2, 115 AEUV): Oppermann, Europarecht, 3. Auflage, 2005, § 17 III Nr. 3 (Rn. 35 ff.) und Wernsmann in Schulze/Zuleeg/Kadelbach, Europarecht, Handbuch für die deutsche Rechtspraxis, 3. Auflage, 2015, § 30 Rn. 66 ff.,
74zu deren „Durchführung“ es normativer oder administrativer Akte der Umsetzung durch die Mitgliedstaaten bedürfte (sog. „Agency-Situation“).
75Vgl. zu dem auf derartige Umsetzungsmaßnahmen bezogenen „Durchführungsbegriff“: Bobrowsky in Meyer, Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 3. Auflage, 2011, zu Art. 51, Rn 24 und 26 ff.; vgl. zur „Agency-Situation“: Haltern, Europarecht, 2005, § 9, S. 447 ff.
76Offen bleiben kann, ob der Begriff der „Durchführung“ auch mitgliedstaatliche Maßnahmen im Anwendungsbereich der EU-Grundfreiheiten betrifft, deren Rechtmäßigkeit der EuGH nach seiner vor Inkrafttreten der Grundrechte-Charta entfalteten Rechtsprechung unter bestimmten Voraussetzungen auch an den Gemeinschaftsgrundrechten gemessen hat (sog. „ERT-Situation“). Dagegen dürfte sprechen, dass Art. 51 Grundrechte-Charta auf diese Auffassung einschränkend einwirken sollte.
77Vgl. dazu Bobrowsky in Meyer, Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 3. Auflage, 2011, zu Art. 51, Rn 24 und 26 ff.; vgl. zur „ERT-Situation“: Haltern, Europarecht, 2005, § 9, S. 449 ff.
78Vor dem Hintergrund, dass die EU-Grundfreiheiten dem Schutz vor (sachlich unberechtigten) Beschränkungen und Diskriminierungen dienen,
79vgl. Oppermann, Europarecht, 3. Auflage, 2005, § 19 I Nr. 2 (Rn. 3.),
80bezog sich die hier in Rede stehende Rechtsprechung des EuGH jedenfalls nur auf mitgliedstaatliche Maßnahmen, durch die die EU-Grundfreiheiten unter Berufung auf europarechtsimmanente Ausnahmeklauseln beschränkt werden sollten, d.h. mit anderen Worten auf Maßnahmen, die geeignet sind, die Ausübung einer Grundfreiheit zu behindern.
81Vgl. in diesem Sinne: Bobrowsky in Meyer, Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 3. Auflage, 2011, zu Art. 51, Rn 24 und 29, sowie EuGH C-260/89, Rn. 42,43 (bzgl. Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit unter Berufung auf europarechtliche Ausnahmeregelungen).
82Vor diesem Hintergrund spricht auch folgende Erwägung dagegen, dass die Beklagte bei der Festlegung des Hebesatzes Recht der Union im Sinne des Art. 51 Abs. 1 Grundrechte-Charta „durchgeführt“ hat. Da die Beklagte für alle besteuerbaren Grundstücke im Sinne des § 2 Nr. 2 GrStG einen einheitlichen Hebesatz festgelegt hat, erscheint diese Maßnahme nicht geeignet, die Ausübung einer Grundfreiheit diskriminierend zu behindern. Denn es besteht infolgedessen kein Anlass für die Annahme, die in der Festlegung eines solchen Hebesatzes gelegene Maßnahme sei nicht diskriminierungsfrei (Art. 18, 110 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union – Lissabon – AEUV) oder sei nicht „wettbewerbsneutral“ in dem Sinne, dass sie nicht beschränkend in die vier Grundfreiheiten des Binnenmarktes (Art. 26 Abs. 2 AEUV – freier Verkehr von Waren (Art. 28 ff. AEUV), Personen (Art. 45 ff. AEUV), Dienstleistungen (Art. 56 ff. AEUV) und Kapital (Art. 63 ff. AEUV)) eingreift. Ebenso wenig besteht Anlass zu der Annahme, dass diese Maßnahme nicht „freizügigkeitsneutral“ sei (Art. 21 AEUV) oder nicht „beihilfeneutral“ in dem Sinne sei, dass sie als solche nicht gegen das Beihilfeverbot (Art. 107 AEUV) verstößt.
83Vgl. zur Bedeutung dieser Gesichtspunkte bei der europarechtlichen Prüfung der Erhebung direkter Steuern auch: Wernsmann in Schulze/Zuleeg/Kadelbach, Europarecht, Handbuch für die deutsche Rechtspraxis, 3. Auflage, 2015, § 30 Rn. 77 und 121 f. sowie Oppermann, Europarecht, 3. Auflage, 2005, § 17 III Nr. 3 (Rn. 32).
84Damit fehlt es an einem hinreichenden europarechtlichen Bezug, der die Anwendung der Grundrechte-Charta rechtfertigen könnte.
85Mit der Hebesatzfestlegung ist entgegen der klägerischen Auffassung auch keine (entschädigungspflichtige) Enteignung im Sinne des Art. 14 Abs. 3 GG verbunden. Denn die mit der gemeindlichen Hebesatzfestsetzung indirekt verbundene Begründung einer Abgabenzahlungspflicht ist als allgemeine Vermögensbelastung nicht auf die vollständige oder teilweise Entziehung einer konkreten subjektiven Eigentumsposition im Sinne des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG zur Erfüllung bestimmter öffentlicher Aufgaben gerichtet.
86Vgl. zum Enteignungsbegriff des Art. 14 GG: Jarass in Jarass/Pieroth, Kommentar zum Grundgesetz, 13. Auflage, 2014, zu Art. 14, Rn. 75, mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts.
87Nach allem hat die Beklagte die angefochtene Grundsteuerforderung gegenüber dem Kläger, dem das Steuerobjekt zugerechnet ist und der daher gemäß § 10 Abs. 1 GrStG Steuerschuldner ist, also zu Recht festgesetzt.
88Der Kläger kann gegen diese Steuerforderung auch nicht die von ihm behauptete Schadensersatzforderung gegen die Beklagte aufrechnen. Dem steht § 226 Abs. 3 Abgabenordnung (AO) entgegen, der gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 5 i.V.m. § 3 Abs. 3 AO auf die Grundsteuer entsprechend anwendbar ist. Nach § 226 Abs. 3 AO kann der Steuerpflichtige gegen Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis nämlich nur mit unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Gegenansprüchen aufrechnen. Der von dem Kläger geltend gemachte Schadensersatzanspruch ist aber weder rechtskräftig festgestellt noch unbestritten.
89An dieser Stelle sei zur Vermeidung weiterer Streitigkeiten darauf hingewiesen, dass dem Kläger ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte wegen des behaupteten treuwidrigen Verhaltens bei der „Bewirtschaftung“ des gemeindlichen Haushalts und Vermögens nicht zustehen dürfte. Der Kläger geht bei der Herleitung seines vermeintlichen Schadensersatzanspruches von der rechtlichen Fehlvorstellung aus, dass alle Einwohner einer Gemeinde eine zivilrechtliche Gesamthandsgemeinschaft bildeten, als solche selbst unmittelbar Träger der Vermögensrechte und -pflichten der Gemeinde wären und für deren Schulden mit ihrem privaten Vermögen hafteten; daraus zieht der Kläger die Schlussfolgerung, dass die Treuepflichten der Organe der Beklagten bei der „Bewirtschaftung“ des gemeindlichen Haushalts und Vermögens nicht (nur) unmittelbar der Beklagten gegenüber, sondern (auch) unmittelbar gegenüber jedem Einwohner persönlich bestünden. Das ist aber nicht der Fall. Gemeinden sind Gebietskörperschaften des öffentlichen Rechts (§ 1 Abs. 2 GO) und damit als juristische Person des öffentlichen Rechts selbst Träger von (Vermögens-) Rechten und (Vermögens-)Pflichten. Die Einwohner einer Gemeinde haften daher entgegen der klägerseitigen Annahme nicht mit ihrem Privatvermögen für deren Schulden.
90Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
91Die Berufung war nicht zuzulassen, weil die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4 VwGO nicht vorliegen (§ 124 a Abs. 1 VwGO).
(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.
(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.
(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
1
T a t b e s t a n d :
2Die Beteiligten streiten über die Erhebung von Grundsteuer B nach Anhebung des Grundsteuerhebesatzes von 421 v.H. auf 800 v.H.
3Seit dem Haushaltsjahr 1994 war die Beklagte aufgrund ihrer schwierigen finanziellen Situation verpflichtet, ein Haushaltssicherungskonzept aufzustellen. Ab dem Jahr 2004 wurde das Haushaltssicherungskonzept von der Aufsichtsbehörde nicht mehr genehmigt. Für das Haushaltsjahr 2013 musste die Beklagte einen Kassenkredit von ca. 75 Mio. EUR aufnehmen, der sich zusammen mit anderen Verbindlichkeiten auf einen Fehlbetrag von 103,5 Mio. EUR summierte. Bereits mit Bescheid vom 21. Dezember 2011 hatte die Bezirksregierung B°°° gemäß § 3 des Gesetzes zur Unterstützung der kommunalen Haushaltskonsolidierung im Rahmen des Stärkungspakts Stadtfinanzen (Stärkungspaktgesetz - StPG) festgestellt, dass die Beklagte als pflichtig teilnehmende Gemeinde an der Konsolidierungshilfe zu beteiligen ist. Zur Umsetzung der zur Haushaltskonsolidierung erforderlichen Maßnahmen erfolgten u.a. eine Beratung und Unterstützung durch die Gemeindeprüfungsanstalt und die Erstellung eines Haushaltssanierungsplans. Im Rahmen dieses Plans wurde eine Vielzahl von Maßnahmen festgelegt, die bis zum Jahr 2021 Einsparungen von mehr als 55 Mio. EUR bewirken sollen. In der Ratssitzung vom 28. Juni 2012 beschloss der Rat der Beklagten den Haushaltssanierungsplan und die Satzung über die Festsetzung der Realsteuerhebesätze 2013, durch die mit Wirkung zum 1. Januar 2013 u.a. der Hebesatz für die Grundsteuer B auf 800 v.H. angehoben wurde. Aufgrund Bekanntmachungsanordnung des Bürgermeisters vom 29. Juni 2012 wurde im Amtsblatt der Stadt X°°° - amtliches Veröffentlichungsorgan der Stadt X1°°° - vom 5. Juli 2012 die Satzung über die Festsetzung der Hebesätze der Grundsteuer und der Gewerbesteuer (Hebesatz-Satzung der Stadt X2°°° vom 29. Juni 2012 - HS 2013) bekanntgemacht. Mit Bescheid vom 11. September 2012 genehmigte die Bezirksregierung B1°°° den Haushaltssanierungsplan der Stadt X3°°° für das Haushaltsjahr 2012.
4Die Klägerin ist Eigentümerin mehrerer Grundstücke im Stadtgebiet X4°°°. Mit Grundbesitzabgabenbescheiden vom 8. Februar 2013 setzte der Bürgermeister der Beklagten u.a. Grundsteuer B für das Jahr 2013 für das Grundstück L°°°40 in Höhe von 716,40 EUR und für das Grundstück C°°° Straße 16 von 1.120,96 EUR, insgesamt 1.837,36 EUR fest.
5Am 5. März 2013 hat die Klägerin Klage erhoben. Zu deren Begründung trägt sie u.a. vor: Die Hebesatzsatzung sei schon deshalb unwirksam, weil zu der Ratssitzung am 28. Juni 2012 nicht ordnungsgemäß eingeladen und die Tagesordnung nicht formfehlerfrei übersandt worden sei. Eine Vorberatung im Haupt- und Finanzausschuss sei nicht erfolgt. Überdies sei es unzulässig, den Hebesatz in einer isolierten Satzung festzulegen. Die Anhebung der Grundsteuer B verstoße außerdem gegen das verfassungsrechtliche Übermaßverbot, Art. 14 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG), und das Gebot der sozialen Steuerpolitik, Art. 20 Abs. 1 GG. Die Beklagte habe keine Überlegungen angestellt, die Lücke im Etat durch andere gemeindliche Einnahmequellen zu schließen. Deshalb sei ein Abwägungsdefizit festzustellen. Im Übrigen entfalte die Steuer erdrosselnde Wirkung. Wegen der Steuerhöhe sei zu berücksichtigen, dass weder eine Umlage auf die Miete noch ein Aufbringen aus eigenen Vermögenswerten zumutbar sei.
6Die Klägerin beantragt,
7die Grundbesitzabgabenbescheide des Bürgermeisters der Beklagten vom 8. Februar 2013 aufzuheben, soweit darin Grundsteuer B für das Grundstück L1°°° 40 in Höhe von 716,40 EUR und für das Grundstück C1°°° Straße 16 von 1.120,96 EUR, insgesamt 1.837,36 EUR, festgesetzt ist.
8Die Beklagte beantragt,
9die Klage abzuweisen.
10Zur Begründung macht sie geltend: Der Beschluss des Rates sei formal nicht zu beanstanden. Die Einladung zur Ratssitzung sei ordnungsgemäß erfolgt. Es habe keiner Vorberatung in Ausschüssen bedurft. Die Satzung sei ordnungsgemäß bekanntgemacht und die isolierte Beschlussfassung in einer gesonderten Hebesatzsatzung sei zulässig. Materiell-rechtlich bestünden gegen das Satzungsrecht keine Bedenken. Das Gebot der sozialen Steuerpolitik sei nicht verletzt. Auch eine Erdrosselungswirkung sei nicht feststellbar. Für die überwiegende Zahl der Steuerpflichtigen betrage die jährliche Mehrbelastung weniger als 500 EUR. In Härtefällen stehe die Möglichkeit eines Erlassverfahrens zur Verfügung. Bei der Entscheidung sei das Ermessen des Satzungsgebers durch die Vorgaben des Stärkungspaktgesetzes eingeschränkt gewesen. Im Rahmen der Haushaltssanierung habe sich die Steueranpassung als unabweisbar dargestellt. Es seien auch keine Verstöße gegen § 77 Abs. 2 der Gemeindeordnung (GO NRW) oder § 75 Abs. 1 Satz 2 GO NRW festzustellen. Zudem entspreche die Anhebung des Hebesatzes dem allgemeinen Gleichheitssatz bzw. dem Grundsatz der Abgabengerechtigkeit.
11Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Verfahrensakte sowie der in dem Verfahren 5 K 1087/13 beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
12E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
13Die als Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zulässige Klage ist nicht begründet. Die angefochtene Grundsteuerfestsetzung in den Grundbesitzabgabenbescheiden vom 8. Februar 2013 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin daher nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
14Grundlage für die Grundsteuerfestsetzung sind die §§ 1 Abs. 1, 2 Nr. 2 Satz 1, 10 Abs. 1, 13 ff., 25 Abs. 1 bis 3, 4 Satz 1 und 27 Abs. 1 Satz 1 des Grundsteuergesetzes (GrStG) in Verbindung mit § 1 Nr. 2 HS 2013. Danach sind die Voraussetzungen für die Heranziehung der Klägerin zur Grundsteuer für das Jahr 2013 für das Grundstück L2°°°40 in Höhe von 716,40 EUR und für das Grundstück C2°°° Straße 16 von 1.120,96 EUR, insgesamt 1.837,36 EUR, gegeben.
15Die Klägerin ist grundsteuerpflichtig. Nach § 2 Nr. 2 GrStG unterfällt ihr Grundstück als Steuergegenstand der Grundsteuer (vgl. §§ 68, 70 des Bewertungsgesetzes ‑ BewG). Gegen die Berechnungsgrundlage, die auf dem Grundsteuermessverfahren beruht, durch das zugleich gegenüber der die Grundsteuer festsetzenden Behörde über die sachliche Steuerpflicht entschieden worden ist (vgl. §§ 184 Abs. 1, 182 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung ‑ AO), hat die Klägerin keine Einwände erhoben.
16Die Festsetzung der Grundsteuer B durch die Bescheide vom 8. Februar 2013 findet in der Hebesatzsatzung vom 29. Juni 2012 eine wirksame Grundlage. Die Satzung ist formell und materiell wirksam.
17Die Hebesatzsatzung ist vom Rat der Stadt X5°°°in seiner Sitzung vom 28. Juni 2012 formwirksam beschlossen worden.
18Der formwirksamen Beschlussfassung steht zunächst nicht entgegen, dass die Einladungen der Ratsmitglieder und die Tagesordnungen nicht jeweils vom Bürgermeister handschriftlich unterzeichnet waren. Nach dem unbestrittenen Vorbringen der Beklagten wird nur die Ladungsverfügung für die Ratsmitglieder vom Bürgermeister eigenhändig unterzeichnet. Den Ratsmitgliedern werden sodann Schriftstücke mit der Einladung und der Tagesordnung übermittelt, die als solche nicht handschriftlich vom Bürgermeister unterzeichnet sind.
19Dieses Verfahren steht im Einklang mit der zur Zeit der Einladung zu der Ratssitzung geltenden Geschäftsordnung für den Rat und die Ausschüsse der Stadt X6°°° vom 11. November 1999 einschließlich der Änderungen vom 23. Februar 2010 und 25. März 2010 (GeschO). Nach deren § 1 Abs. 2 und 3 erfolgt die Einberufung (der Ratssitzung) durch Übersendung einer schriftlichen Einladung an alle Ratsmitglieder sowie an den allgemeinen Vertreter / die allgemeine Vertreterin. In der Einladung sind Zeit, Ort und Tagesordnung anzugeben.
20Das Schriftformerfordernis, wie es § 1 Abs. 2 GeschO normiert, ist nicht in der Weise zu verstehen, dass jede einzelne Einladung an ein Ratsmitglied vom Bürgermeister persönlich zu unterzeichnen wäre. Sinn und Zweck der Einladung ist eine ordnungsgemäße Unterrichtung der Ratsmitglieder über Zeitpunkt, Ort und Inhalt der Ratssitzung. Hierdurch soll ihrem Mitwirkungs- und Teilnahmerecht Rechnung getragen werden. Demgemäß genügt es, dass der Bürgermeister die Urschrift der Ladung unterzeichnet und den Adressaten lediglich Abschriften bzw. Ablichtungen zugeleitet werden.
21Vgl. Rehn/Cronauge/von Lennep/Knirsch, Gemeineordnung für das Land Nordrhein-Westfalen, Kommentar, Loseblattsammlung, Stand der Bearbeitung: Juli 2013, § 47 GO, Anm. II 3.
22Abgesehen davon führte ein etwaiger ‑ hier nur unterstellter ‑ Verstoß gegen das Schriftformerfordernis nach § 1 Abs. 2 und 3 GeschO jedenfalls aus den nachfolgenden Gründen nicht zur Unwirksamkeit des Ratsbeschlusses:
23Die Geschäftsordnung eines Rates gestaltet die Binnenrechtsbeziehungen innerhalb des Vertretungsorgans Rat durch von ihm selbst aufgestellte Regeln und stellt daher grundsätzlich kein Außenrecht dar. Nur soweit die Geschäftsordnung zwingende gesetzliche, d.h. in formellen Gesetzen und Rechtsverordnungen enthaltene Vorschriften wörtlich oder der Sache nach wiedergibt, kann etwas anderes gelten und bei Nichteinhaltung der Geschäftsordnungsregelung ein Verstoß gegen Außenrecht eintreten.
24Vgl. dazu grundsätzlich: Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Urteil vom 27. August 1996 - 15 A 32/93 -, Nordrhein-Westfälische Verwaltungsblätter (NWVBl.) 1997, 69 m.w.N.
25Letzteres scheidet hier aus. Das Schriftformerfordernis, wie es aus § 1 Abs. 2 GeschO folgt, beruht nicht auf der Wiedergabe einer entsprechenden gesetzlichen Vorschrift, insbesondere nicht des § 47 Abs. 1 Satz 1 GO NRW. Dort ist zwar die Einberufung des Rates durch den Bürgermeister geregelt, ein Schriftformerfordernis ist dieser Gesetzesnorm hingegen nicht zu entnehmen. Auch aus Sinn und Zweck des § 47 Abs. 1 Satz 1 GO NRW ergibt sich nichts anderes. Zweck der Einberufung ist (nur), den Ratsmitgliedern Kenntnis von der bevorstehenden Ratssitzung und damit die Möglichkeit zur Teilnahme zu geben.
26Vgl. dazu auch: Schneider, Der verfahrensfehlerhafte Ratsbeschluß - Zur Dogmatik der Verfahrensfehlerfolgen, NWVBl. 1996, 89, 93; siehe ferner Held/Winkel, Gemeindeordnung Nordrhein-Westfalen, Kommentar, § 47 Anm. 4.
27Auch danach bedurfte es hier keiner besonderen Legitimation jeder einzelnen Einladung zu der Ratssitzung vom 28. Juni 2012 durch eine jeweils dort vollzogene eigenhändige Unterschrift des Bürgermeisters.
28Andere Verfahrensfehler liegen ebenfalls nicht vor: Es bedurfte vor dem Satzungsbeschluss durch den Rat keiner Vorberatung im Hauptausschuss; auch ist die Hebesatzerhöhung durch eine isolierte Hebesatzsatzung nicht verfahrensfehlerhaft erfolgt. Hierzu hat das Verwaltungsgericht (VG) Gelsenkirchen in seinem Urteil vom 25. Oktober 2012 - 5 K 1137/12 - (Zeitschrift für Kommunalfinanzen - ZKF - 2012, 288) Folgendes ausgeführt:
29„Soweit demgegenüber gerügt wird, dass keine ordnungsgemäße Vorberatung im Haupt- und Finanzausschuss erfolgt sei, steht dies der Wirksamkeit der Hebesatzung nicht entgegen. Denn auch wenn in §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 3 der Zuständigkeitsordnung und Vergaberichtlinien in der Fassung des Ratsbeschlusses vom 17. Dezember 2009 der Stadt T1. eine Vorberatung durch den Haupt- und Finanzausschuss vorgesehen ist, handelt es sich dabei um auf Grundlage von §§ 57 Abs. 4, 58 Abs. 1 GO NRW ergangenes reines Innenrecht der Verwaltung. Im Rahmen der aus dem Selbstverwaltungsrecht folgenden Organisationshoheit erlaubt § 57 Abs. 1 GO NRW dem Rat, Ausschüsse zu bilden und ihnen Aufgaben zuzuweisen. Für das Verfahren gelten die Geschäftsordnung des Rates oder spezielle allgemeine Verfahrensregeln, die der Rat nach § 57 Abs. 4 GO NRW erlässt. Diese Vorschriften sind zwar rechtlich verbindlich, zeitigen aber keine Rechtsfolgen für außerhalb der Verwaltung Stehende, die sich nicht auf die entsprechenden Vorschriften berufen können. Verstöße gegen die entsprechenden Innenrechtssätze führen grundsätzlich nicht zur Unwirksamkeit des davon betroffenen Ratsbeschlusses, auch wenn dieser einen Rechtssetzungsakt zum Gegenstand hat.
30Vgl. für die Geschäftsordnung des Rates OVG Münster, Urt. v. 27. August 1996 - 15 A 32/93 -, zit. nach juris; Holtbrügge, in: Driehaus (Hrsg.), Kommunalabgabenrecht, Kommentar, Bd. I, Loseblatt, § 2 KAG Rn. 12; Held/Becker/Decker/Kirchhof/Krämer/ Wansleben, Kommunalverfassungsrecht NRW, Loseblatt, Erl. 6.2 zu § 47 GO NRW m.w.N.; Rehn/Cronauge/von Lennep/Knirsch, GO NRW, Loseblatt, Erl. II. 3. f) zu § 41 GO NRW; Dietlein/Burgi/ Hellermann, Öffentliches Recht in Nordrhein-Westfalen, 2. Aufl. 2007, § 2 Rn. 203.
31Auch gegen die Festlegung des Hebesatzes in einer isolierten Hebesatzung bestehen keine Bedenken. Es steht der Gemeinde frei, den Hebesatz in der jährlichen Haushaltssatzung oder (mehrjährig) in einer besonderen Abgabensatzung festzulegen.
32Vgl. OVG Münster, Urt. v. 6. August 1990 - 22 A 57/89 - , NVwZ 1991, 1208 f.; Troll/Eisele, GrStG, 10. Aufl. 2010, § 25 Rn. 3, 7; Stöckel/ Volquardsen, Grundsteuerrecht, Kommentar, 2. Aufl. 2012, § 25 Rn. 3; Rehn/Cronauge/ von Lennep/Knirsch, GO NRW, Band 2, Loseblatt, § 78 Anm. III. 3.; Holtbrügge, in: Driehaus (Hrsg.), Kommunalabgabenrecht, Kommentar, Bd. I, Loseblatt, § 2 KAG Rn. 4; vgl. auch OVG Lüneburg, Urt. v. 19. September 1990 ‑ 13 C 4/87 ‑ , NVwZ 1991, 907, 908; BayVGH, Beschl. v. 21. Februar 2006 - 4 ZB 05.1169 -; VG Karlsruhe, Urt. v. 18. Februar 2004 - 7 K 4720/02 -, jeweils zit. nach juris.“
33Dem schließt sich das erkennende Gericht an.
34Bekanntmachungsmängel liegen ebenfalls nicht vor. Die Hebesatzsatzung wurde aufgrund der Anordnung des Bürgermeisters vom 29. Juni 2012 rechtsfehlerfrei im Amtsblatt der Stadt X7°°° vom 5. Juli 2012 bekanntgemacht.
35Die Satzung ist auch materiell wirksam.
36In der höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung
37vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteile vom 17. April 2002- 9 CN 1.01 -, Kommunale Steuerzeitschrift (KStZ) 2002, 213 und vom 10. Dezember 2009 - 9 C 13.08 - (juris); OVG NRW, Urteil vom 23. Juni 2010 - 14 A 597/09 - (www.nrwe.de und juris)
38wie auch in derjenigen des erkennenden Gerichts
39vgl. VG Arnsberg, Urteil vom 14. September 2013 ‑ 5 K 2417/12 ‑,Deutsches Verwaltungsblatt (DVBl.) 2014, 59 = NWVBl. 2014, 79
40ist geklärt, dass sich mit Blick auf das kommunale Selbstverwaltungsrecht aus Art. 28 Abs. 2 GG bei der Prüfung satzungsrechtlicher Abgaberegelungen die gerichtliche Kontrolle auf die Prüfung der Vereinbarkeit der Festsetzungen mit höherrangigem Recht beschränkt und nicht die Überprüfung nach Art ermessensgeleiteter Verwaltungsakte umfasst. Daraus folgt zugleich, dass die Wirksamkeit gemeindlicher satzungsrechtlicher Abgabenregelungen, soweit es an entsprechenden gesetzlichen Anordnungen fehlt, weder von einer im Rahmen des Satzungserlasses vorgenommenen Zusammenstellung von Abwägungsmaterial noch von der Fehlerfreiheit des Abwägungsvorganges abhängt. Steuersätze müssen sich hinsichtlich ihrer Höhe nicht daran messen lassen, wie die kommunale Willensbildung erfolgt ist. Auf die Erwägungen und Beweggründe, also die Motivation des Satzungsgebers, kommt es bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit nicht an.
41Vgl. Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg, Urteil vom 13. Dezember 2012 - 2 S 1010/12 -, KStZ 2013, 116; OVG NRW, Urteil vom 23. Juni 2010 - 14 A 597/09 -, a.a.O. und Beschlüsse vom 16. Juli 2013 - 14 A 464/13 und 14 A 2761/12 - (jeweils www.nrwe.de und juris); OVG Lüneburg, Beschluss vom 8. November 2010 ‑ 9 LA 199/09 ‑ (juris).
42Gemeinden haben bei der Festsetzung der Hebesätze wegen ihrer verfassungsrechtlich garantierten Steuerhoheit als Bestandteil der Finanzhoheit, die eine eigenverantwortliche Einnahmen- und Ausgabenwirtschaft gewährleistet, einen weiten Entschließungsspielraum, der seine Grenzen lediglich in den allgemeinen Grundsätzen des Haushalts- und Steuerrechts findet. Im Rahmen dieses Entschließungsspielraums, der auch erfasst, auf welche Weise die Gemeinden ihre kommunale Aufgabenerfüllung finanzieren, kommt es der Gemeinde ‑ durch ihren Rat ‑ zu, die Hebesätze autonom nach den jeweiligen finanziellen Bedürfnissen festzusetzen.
43Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 22. Juli 2009 - 15 A 2324/07 -, KStZ 2009, 190; VG Münster, Urteil vom 1. Dezember 2010 - 9 K 1493/10 -, Der Gemeindehaushalt (GemHH) 2011, 47; VG Arnsberg, Urteil vom 14. September 2013 ‑ 5 K 2417/12 ‑ a.a.O.
44Nach Maßgabe dieses Prüfungsrahmens steht die streitgegenständliche Hebesatzanhebung im Einklang mit höherrangigem Recht.
45Es ist zunächst kein Verstoß gegen § 77 Abs. 2 GO NRW oder § 3 Abs. 2 Satz 1 des Kommunalabgabengesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (KAG NRW) erkennbar. § 77 Abs. 2 GO NRW bestimmt, dass die Gemeinde die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Finanzmittel soweit vertretbar und geboten aus speziellen Entgelten für die von ihr erbrachten Leistungen und nur im übrigen aus Steuern zu beschaffen hat, soweit die sonstigen Finanzmittel nicht ausreichen. Nach § 3 Abs. 2 Satz 1 KAG NRW sollen die Gemeinden Steuern nur erheben, soweit die Deckung der Ausgaben durch andere Einnahmen, insbesondere durch Gebühren und Beiträge, nicht in Betracht kommt.
46Das in diesen Vorschriften normierte Gebot der Subsidiarität der Steuern gegenüber den speziellen Entgelten kann nicht dazu führen, dass die Bemessung der Hebesätze an die Ausschöpfung des Gebührenrahmens für besondere Leistungen gebunden wird. Eine derartige Auslegung wäre mit der Kompetenzordnung des Grundgesetzes unvereinbar, denn das grundgesetzlich garantierte bundesrechtliche Hebesatzrecht der Gemeinden für die Grundsteuer nach Art. 106 Abs. 6 GG i.V.m. § 25 Abs. 1 GrStG gewährt dem Landesgesetzgeber keine Kompetenz für eine entsprechende Einschränkung. Auch § 26 GrStG bildet keine entsprechende Ermächtigung für eine materielle Beschränkung des örtlichen Hebesatzes im Verhältnis zu den sonstigen Einnahmen der Gemeinde.
47Vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Juni 1993 - 8 C 32.90 -, KStZ 1993, 193 (zur Gewerbesteuer).
48Folglich binden die vorgenannten, dem Haushaltsrecht zuzuordnenden Vorschriften die Gemeinden zwar insofern, als auf Steuerquellen nur zurückgegriffen werden darf, soweit die sonstigen Einnahmen nicht zur Deckung des Haushalts ausreichen. Im Übrigen steht es aber im Ermessen der Gemeinden, in welchem Ausmaß sie zur Deckung ihres Finanzbedarfs Steuerquellen heranziehen wollen.
49Vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Juni 1993 - 8 C 32.90 - a.a.O.; VG Arnsberg, Urteil vom 14. September 2013 ‑ 5 K 2417/12 - a.a.O.
50Nach Maßgabe dessen gilt hier Folgendes:
51Aus den Verwaltungsvorgängen der Beklagten zur Haushaltssanierung ergibt sich, dass die sonstigen Finanzmittel zur Deckung des Haushalts nicht ausreichten. Dies entspricht auch dem Inhalt des Bescheides der Bezirksregierung B2°°° vom 21. Dezember 2011, mit dem schon für das Jahr 2011 eine strukturelle Lücke zuzüglich Zinslast aus Liquiditätskrediten von 3.063.221,00 EUR festgestellt worden war. Danach steht fest, dass die sonstigen Einnahmen - bei Weitem - nicht zur Deckung des Haushalts ausreich(t)en.
52Die Beklagte hat mit Blick darauf einen umfangreichen Abwägungs- und Entschließungsprozess zur Konsolidierung der Gemeindefinanzen eingeleitet und durchgeführt, zu dem sie auch aufgrund des bestandskräftigen Bescheides der Bezirksregierung B3°°°vom 21. Dezember 2011 auf der Grundlage des Stärkungspaktge-setzes verpflichtet war. Hierzu wurden - wie dem Haushaltssanierungsplan vom 28. Juni 2012 zu entnehmen ist - in allen Bereichen der kommunalen Ausgabenwirtschaft Konsolidierungsbeiträge vorgeschlagen und (zum Teil) beschlossen, die zu einer Sanierung der Gemeindefinanzen führen sollen. Der detaillierte Haushaltssanierungsplan 2012 umfasst eine Vielzahl von Einzelmaßnahmen, die zur gemeindlichen Haushaltskonsolidierung beitragen.
53Auch ein Verstoß gegen § 75 Abs. 1 Satz 2 GO NRW ist nicht festzustellen. Nach dieser Vorschrift hat die Gemeinde den Haushalt wirtschaftlich, effizient und sparsam zu führen. Die sich daraus ergebende Grenze für gemeindliche Ausgaben ist erst dann überschritten, wenn ein Verbrauch von öffentlichen Mitteln festzustellen ist, der wirtschaftlich in keinem Fall mehr vertretbar ist und deshalb auch nicht mehr im Rahmen einer ordnungsgemäßen Verwaltung liegt.
54Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 16. Juli 2013 - 14 A 1466/13 und 14 A 366/13 - (n.v.).
55Derartiges ist hier nicht - ansatzweise - ersichtlich. Dem Haushaltssanierungsplan, wie er vom Rat der Beklagten am 28. Juni 2012 beschlossen wurde, ist zu entnehmen, dass weitere Einsparungen im Haushaltsbereich kaum noch möglich sind. Das entspricht auch dem Inhalt des Genehmigungsbescheides der BezirksregierungB4°°° vom 11. September 2012.
56Unabhängig davon wäre die Hebesatzfestsetzung selbst dann nicht rechtsfehlerhaft, wenn einzelne Ausgabenansätze haushaltsrechtlich zu beanstanden wären. Denn die Beklagte wäre auch dann aufgrund ihres weiten Entschließungsspielraums nicht verpflichtet, die durch entsprechende Kürzungen gewonnenen Einsparungen gerade auf das Grundsteueraufkommen anzurechnen. Insofern fehlt es bei den allgemein zur Erzielung von Einnahmen erhobenen Steuern - im Unterschied etwa zur Gebührenerhebung - bereits an einer im Abgabentatbestand vorgegebenen Verknüpfung zwischen den Steuersätzen und den Ausgabeansätzen.
57So auch VG Gelsenkirchen, Urteil vom 25. Oktober 2012 - 5 K 1137/12 - a.a.O. unter Hinweis auf OVG Lüneburg, Urteil vom 19. September 1990 - 13 C 4/87 -, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht (NVwZ) 1991, 907; Bayerischer VGH (BayVGH), Beschluss vom 20. Oktober 2011 - 4 ZB 11.1187 - (juris); ebenso VG Arnsberg, Urteil vom 14. September 2013 ‑ 5 K 2417/12 - a.a.O.
58Im Übrigen verstößt die Anhebung des Hebesatzes für die Grundsteuer B auch nicht gegen den Grundsatz der Abgabengerechtigkeit bzw. den allgemeinen Gleichheitssatz. Hierzu hat das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen in seinem Urteil vom 25. Oktober 2012 - 5 K 1137/12 - (a.a.O.) ausgeführt:
59„Soweit vorgetragen wird, der Hebesatz sei schon deshalb rechtswidrig, weil er über dem Bundesdurchschnitt von 440 v. H. bzw. dem derzeitigen Höchst-wert von 810 v. H. in Berlin liege, ergibt sich aus dieser Relation zu anderen Hebesätzen kein Kriterium für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des festgesetzten Hebesatzes.
60Vielmehr wurde die Festsetzung der Hebesätze schon durch Art. 106 Abs. 6 GG in die Hand der Kommunen gegeben. Mit dieser auf Verfassungsebene getroffenen Zuordnung ist es systemimmanent, dass Schwankungen bestehen und sich ein Vergleich mit anderen Gemeinden verbietet. Vielmehr können die Hebesätze - von Kommune zu Kommune unterschiedlich - nach dem jeweiligen finanziellen Bedürfnis festgelegt werden.
61Vgl. VG Arnsberg, Urt. v. 25. April 2003 - 3 K 2121/02 -; VG Münster, Urt. v. 1. Dezember 2010 - 9 K 1493/10 -; FG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 16. Februar 2011 - 3 K 3096/07 -, jeweils zit. nach juris; Troll/Eisele, GrStG, 10. Aufl. 2010, § 25 Rn. 4; Stöckel/ Volquardsen, Grundsteuerrecht, Kommentar, 2. Aufl. 2012, § 25 Rn. 4; vgl. auch Siekmann, in: Sachs, GG, 5. Aufl. 2009, Art. 106 Rn. 44.
62Art. 3 GG gewährt vor diesem Hintergrund keinen Anspruch auf Gleichbehandlung durch unterschiedliche Gemeinden. Anderenfalls würde diesen eine Orientierung an den Hebesätzen anderer Gemeinden vorgeschrieben. Dies widerspräche der durch Art. 28 GG gewährten Selbstverwaltungsgarantie und dem Schutz der föderativen Struktur.
63Vgl. BVerfG, Entsch. v. 21. Dezember 1966 - 1 BvR 33/64 - (zur Lohnsummensteuer); VG Karlsruhe, Urteil v. 18. Februar 2004 ‑ 7 K 4720/02 ‑; VG Frankfurt (Oder), GB v. 04. März 2004 ‑ 4 K 1072/99 ‑; VG Augsburg, Urt. v. 25. Oktober 2006 ‑ Au 6 K 04.1703 ‑; VG Ansbach, Urt. v.16. März 2005 ‑ AN 11 K 04.03698 ‑; jeweils zit. nach juris.
64Im Hinblick auf den Vergleich der Hebesätze für die Grundsteuer A und B bzw. die Gewerbesteuer bildet die in § 26 GrStG vorgesehene Möglichkeit der Koppelung - von der der Landesgesetzgeber keinen Gebrauch gemacht hat - die einzige Möglichkeit einer gesetzlichen Vorgabe zu Relationen zwischen diesen Steuertypen. Dies zeigt zugleich, dass grundsätzlich anerkannt ist, dass die Steuern wesensverschieden sind und damit ein sachlicher Grund im Sinne des Art. 3 GG für eine differenzierte Festlegung der Steuersätze vorliegt. So wird auch in der Gesetzesbegründung zu § 25 Abs. 4 GrStG explizit festgestellt, dass die Grundsteuer A einen wesentlich anderen Charakter habe, als die Grundsteuer B und damit für Betriebe der Land- und Forstwirtschaft einerseits und Grundstücke andererseits jeweils ein eigener Hebesatz festgelegt werden könne.
65Vgl. Begründung der Regierungsvorlage, zit. nach Troll/Eisele, GrStG, 10. Aufl. 2010, § 25 Rn. 1; vgl. auch Stöckel/Volquardsen, Grundsteuerrecht, Kommentar, 2. Aufl. 2012, § 25 Rn. 7.“
66Nach diesen Maßstäben, denen das erkennende Gericht bereits in seinem rechtskräftigen Urteil vom 14. September 2013 - 5 K 2417/12 - (a.a.O.) gefolgt ist und weiterhin folgt, ist hier ein Gleichheitsverstoß nicht festzustellen. Weder die Höhe der Grundsteuer A bzw. der Gewerbesteuer oder das Verfahren zur Festsetzung der jeweiligen Hebesätze noch die Situation in anderen Gemeinden lassen einen Verstoß gegen den Grundsatz der Abgabengerechtigkeit oder den allgemeinen Gleichheitssatz hervortreten.
67So auch OVG NRW, Beschlüsse vom 16. Juli 2013 - 14 A 1466/13 und 14 A 366/13 - (n.v.).
68Davon abgesehen ist in diesem Zusammenhang Folgendes anzumerken: Der Hebesatz für Grundsteuer A ist von der Beklagten ebenfalls angepasst worden - durch die Hebesatzsatzung vom 29. Juni 2012 wurde der Hebesatz für land- und forstwirtschaftliche Betriebe (Grundsteuer A) von zuvor 239 v.H. für das Haushaltsjahr 2013 auf 478 v.H. erhöht und somit (glatt) verdoppelt. Unabhängig davon haben die Hebesätze für Grundsteuer A und Gewerbesteuer keinen Einfluss auf die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Hebesatzes für die Grundsteuer B. Wie zuvor bereits ausgeführt besteht auch kein Anlass, von einer willkürlichen oder ohne jeden vernünftigen Sachgrund durchgeführten Hebesatzerhöhung auszugehen.
69Ungeachtet dessen wird mit der Anhebung des Hebesatzes auf 800 v.H. kein landes- oder bundesweiter „Spitzensteuersatz“ erreicht. Der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen vom 25. Oktober 2012 - 5 K 1137/12 - (a.a.O.) lag beispielsweise ein Grundsteuerhebesatz von 825 v.H. zugrunde. Auch die Entwicklung in der Folgezeit bestätigt den schon zum maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung absehbaren Trend zur Erhöhung des Hebesatzes für Grundsteuer B: Im Jahr 2013 hatten bereits sechs Kommunen in Nordrhein-Westfalen Grundsteuerhebesätze von über 700 v.H. ‑ darunter die Nachbarstadt V°°° mit einem vergleichbar hohen Hebesatz von 769 v.H. ‑ und weitere 14 Kommunen von 600 v.H. bis 699 v.H. festgelegt.
70Vgl. die Quelle im Internet: http://www.ihk-koeln.de/2796_Realsteuer_Hebesaetze_in_Nordrhein_Westfa.AxCMS?ActiveID=3159 (Abruf am 24. September 2013).
71Die Hebesatzerhöhung führt auch nicht zu einer verfassungsrechtlich unangemessenen Steuerbelastung (vgl. u.a. Art. 20 Abs. 1 GG). Hierzu hat das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in seinem Beschluss vom 16. Juli 2013- 14 A 464/13 - (a.a.O.) ausgeführt:
72„Richtig ist, dass die Gestaltungsfreiheit des Normgebers auch bei der Schrankenbestimmung durch Auferlegung von Steuerlasten, die an vermögenswerte Rechtspositionen anknüpfen, durch die allgemeinen Grundsätze der Verhältnismäßigkeit begrenzt ist und dass dann, wenn im Einzelfall keine vermögenswerte Rechtsposition betroffen ist, der gleiche Maßstab zur Rechtfertigung einer Beeinträchtigung des Art. 2 Abs. 1 GG gilt. Die Steuerbelastung darf aus rechtsstaatlichen Gründen nicht übermäßig sein.
73Vgl. BVerfG, Beschluss vom 18. Januar 2006 - 2 BvR 2194/99 -, BVerfGE 115, 97 (114 ff.); Beschluss vom 5. Februar 2002 ‑ 2 BvR 305, 348/93 ‑, BVerfGE 105, 17 (32).“
74Das ist hier nicht der Fall. Ausgehend von dem unbestrittenen Vorbringen der Beklagten in deren Klageerwiderung betrug die durch die Hebesatzerhöhung für die Grundsteuer B haushaltsmäßig angesetzte Mehreinnahme für das Haushaltsjahr 2013 3.884.750,00 EUR. Wird diese Mehreinnahme aus der erhöhten Grundsteuer B unter Berücksichtigung der in der Klageerwiderung angeführten „Gesamtfallzahl“ von 10.137 auf den einzelnen Steuerfall heruntergebrochen, errechnet sich für den einzelnen Grundeigentümer eine durchschnittliche jährliche Mehrbelastung von (3.884.750,00 EUR : 10.137 =) 383,22 EUR. Die durchschnittliche monatliche Mehrbelastung beträgt somit ca. (383,22 EUR : 12 Monate =) 32,00 EUR und die durchschnittliche monatliche Gesamtbelastung als Folge der Erhöhung des Hebesatzes von 421 v.H. auf 800 v.H., d. h. um ca. 90 v.H., etwa 67,50 EUR. Eine solche durchschnittliche Belastung erscheint (noch) nicht als unverhältnismäßig.
75Vor diesem Hintergrund erweist sich die Grundsteuer auch nicht als erdrosselnd. Es ist nicht ersichtlich, dass durch die Erhöhung des Hebesatzes ein Ausmaß erreicht wird, durch das die Privatnützigkeit des Eigentums gefährdet oder gar aufgehoben würde. Vielmehr kann auch nach der deutlichen Erhöhung des Hebesatzes sowohl bei ausschließlich selbst genutzten Objekten als auch bei vermieteten Liegenschaften die Grundsteuer aus den Grundstückserträgen erwirtschaftet werden, ohne dass es zu einer Vernichtung der Steuerquelle selbst käme.
76Vgl. hierzu: Finanzgericht (FG) Berlin, Urteil vom 6. Oktober 2004- 2 K 2386/02 -, Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2005, 390 und VG Arnsberg, Urteil vom 14. September 2013 ‑ 5 K 2417/12 ‑, a.a.O. (zu einem Hebesatz für die Grundsteuer B von 720 v.H).
77Ist nach alledem die Hebesatzänderung für die Grundsteuer B nicht zu beanstanden, weist die angefochtene Grundsteuerfestsetzung in den Bescheiden vom 8. Februar 2013 auch im Übrigen keine Rechtsfehler zu Lasten der Klägerin auf.
78Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
79Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit den §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).
80Die von Klägerseite angeregte Zulassung der Berufung scheidet aus, weil die Voraussetzungen des § 124a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 VwGO nicht erfüllt sind. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, denn die im Zusammenhang mit der satzungsrechtlichen Festsetzung des Grundsteuerhebesatzes stehenden Rechtsfragen sind rechtsgrundsätzlich geklärt. Das Urteil des erkennenden Gerichts weicht auch nicht von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts ab.
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch den Beschluss des Verwaltungsgerichts Arnsberg vom 5. Mai 2014 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 7.500 Euro festgesetzt.
1
Gründe
2Die Beschwerde der Antragstellerin ist unbegründet.
3Die Antragstellerin wendet sich in der Hauptsache gegen die Bestellung eines Beauftragten nach § 8 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes zur Unterstützung der kommunalen Haushaltskonsolidierung im Rahmen des Stärkungspakts Stadtfinanzen (Stärkungspaktgesetz) vom 9. Dezember 2011 (GV. NRW. S. 662), zuletzt geändert durch Art. 1 des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Stärkungspaktgesetzes vom 3. Dezember 2013 (GV. NRW. S. 726) - nachfolgend StärkPaktG genannt. Das Verwaltungsgericht hat die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen den diesbezüglichen Bescheid des Ministeriums für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen vom 25. März 2014 abgelehnt. Zur Begründung hat es im Kern ausgeführt, die gemäß § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung falle zu Lasten der Antragstellerin aus. Der angefochtene Bescheid, mit dem der Antragsgegner einen Beauftragten für die Beschlussfassung über einen genehmigungsfähigen Haushaltssanierungsplan 2014 bestellt habe, erweise sich mit ganz überwiegender Wahrscheinlichkeit als rechtmäßig. Zudem liege ein besonderes öffentliches Vollzugsinteresse vor.
4Die Richtigkeit der diese Bewertung tragenden Erwägungen wird durch das für die Überprüfung durch das Oberverwaltungsgericht maßgebliche Beschwerdevorbringen (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) nicht erfolgreich in Frage gestellt. Im Einzelnen:
5Mit dem Stärkungspaktgesetz hat der Landesgesetzgeber Ende 2011 auf die zu diesem Zeitpunkt bereits eingetretene oder jedenfalls mittelfristig bis zum Jahr 2016 drohende Überschuldung einer Reihe von nordrhein-westfälischen Kommunen reagiert.
6Vgl. dazu sowie zur Systematik des Gesetzes eingehend Klieve, Das nordrhein-westfälische Stärkungspaktgesetz, GemHH 2012, 52 ff.
7Ziel des Gesetzes ist es, den Gemeinden, die sich in einer besonders schwierigen Haushaltslage befinden, durch die Zurverfügungstellung von Konsolidierungshilfen einen nachhaltigen Haushaltsausgleich zu ermöglichen (vgl. § 1 StärkPaktG), wobei abhängig vom Zeitpunkt der drohenden Überschuldung zwischen pflichtig teilnehmenden Gemeinden und solchen unterschieden wird, die an der Konsolidierungshilfe lediglich auf Antrag teilnehmen (vgl. §§ 3 und 4 StärkPaktG). Als Gegenleistung für die zusätzlich gewährten finanziellen Mittel ist die Teilnahme am Stärkungspakt für alle vom Gesetz betroffenen Kommunen mit der Übernahme von Pflichten verbunden. Kernstück des Gesetzes ist insoweit der Haushaltssanierungsplan nach § 6 StärkPaktG. Die pflichtig teilnehmenden Gemeinden ‑ darunter die Antragstellerin ‑ mussten danach erstmals zum 30. Juni 2012 einen vom Rat beschlossenen Haushaltssanierungsplan vorlegen, der seitdem jährlich fortzuschreiben ist und jeweils der Genehmigung der örtlich zuständigen Bezirksregierung bedarf; von den auf Antrag teilnehmenden Gemeinden war erstmals zum 30. September 2012 ein Haushaltssanierungsplan vorzulegen (§ 6 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 StärkPaktG). Die Genehmigung kann nur erteilt werden, wenn im Haushaltssanierungsplan u. a. der Haushaltsausgleich gemäß § 75 Absatz 2 Satz 1 und 2 GO NRW unter Einbeziehung der Konsolidierungshilfe zum nächstmöglichen Zeitpunkt und von diesem Zeitpunkt an jährlich, bei pflichtig teilnehmenden Gemeinden in der Regel spätestens ab dem Jahr 2016 und bei freiwillig teilnehmenden Gemeinden spätestens ab dem Jahr 2018 erreicht wird (§ 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StärkPaktG). Ohne Konsolidierungshilfe muss der Haushaltsausgleich nach dem Haushaltssanierungsplan von den pflichtig wie von den freiwillig teilnehmenden Gemeinden spätestens im Jahr 2021 erreicht werden (§ 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 StärkPaktG). Pflichtverstöße der Gemeinden im Zusammenhang mit der Vorlage des Haushaltssanierungsplans lösen Sanktionen aus. Zum einen ist Zahlungsvoraussetzung für die Konsolidierungshilfe die Einhaltung des Haushaltssanierungsplans (§ 5 Abs. 3 Satz 2 StärkPaktG) Zum anderen gilt: Kommt die Gemeinde ihrer Pflicht zur Vorlage des Haushaltssanierungsplans nicht nach, weicht sie vom Haushaltssanierungsplan ab oder werden dessen Ziele aus anderen Gründen nicht erreicht, setzt die örtlich zuständige Bezirksregierung der Gemeinde eine angemessene Frist, in deren Lauf die Maßnahmen zu treffen sind, die notwendig sind, um die Vorgaben dieses Gesetzes und die Ziele des Haushaltssanierungsplans einzuhalten (§ 8 Abs. 1 Satz 1 StärkPaktG). Sofern die Gemeinde diese Maßnahmen innerhalb der gesetzten Frist nicht ergreift, ist durch das für Kommunales zuständige Ministerium ein Beauftragter gemäß § 124 GO NRW zu bestellen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 StärkPaktG).
8Die von der Antragstellerin im Hinblick auf diese Regelungen geltend gemachten verfassungsrechtlichen Bedenken greifen nicht durch. Die Antragstellerin stellt weder die Ziele oder die zu deren Erreichung normierten Vorgaben des Stärkungspaktgesetzes an sich in Frage noch wendet sie sich dagegen, dass für bestimmte Gemeinden wie sie die Teilnahme an der Konsolidierungshilfe verpflichtend ist. Auch bestreitet sie nicht die grundsätzliche Befugnis des Antragsgegners, auf Pflichtverstöße der teilnehmenden Gemeinden mit den Mitteln der Kommunalaufsicht zu reagieren. Allerdings meint sie, der Sanktionsautomatismus des § 8 Abs. 1 StärkPaktG, der bei Nichterfüllung der dort umschriebenen Pflichten zwingend zur Bestellung eines Beauftragten führe, verstoße gegen das bundes- und landesverfassungsrechtlich garantierte kommunale Selbstverwaltungsrecht (Art. 28 Abs. 2 GG, Art. 78 Abs. 1 LV NRW). Dem ist nicht zu folgen. Die Beschwerde zeigt nicht auf, dass der Landesgesetzgeber damit in unzulässiger Weise in das Recht der kommunalen Selbstverwaltung eingreift.
9Die hier in erster Linie betroffene kommunale Finanzhoheit als Teil der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie beinhaltet die Befugnis der Gemeinden zu einer eigenverantwortlichen Einnahmen- und Ausgabenwirtschaft im Rahmen eines gesetzlich geordneten Haushaltswesens.
10Vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. Juni 1969 ‑ 2 BvR 446/64 ‑, juris, Rdnr. 62 (= BVerfGE 26, 228), und Urteil vom 15. Oktober 1985 ‑ 2 BvR 1808/82 u. a. ‑, juris, Rdnr. 37 (= BVerfGE 71, 25); BVerwG, Beschluss vom 26. September 1997 ‑ 1 B 139.97 ‑, juris, Rdnr. 12 (= NVwZ 1998, 184), und Urteil vom 15. November 2006 ‑ 8 C 18.05 ‑, juris, Rdnr. 21 (= BVerwGE 127, 155); OVG NRW, Urteil vom 12. Oktober 2004 ‑ 15 A 4597/02 ‑, juris, Rdnr. 41 (= NVwZ-RR 2005, 563).
11Das kommunale Selbstverwaltungsrecht kann aber durch den Gesetzgeber beschränkt werden. Im Hinblick auf das den Gemeinden in Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG gewährleistete Recht zur Aufgabenerledigung "in eigener Verantwortung" ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetzeswortlaut, dass dieses nur "im Rahmen der Gesetze" besteht. Ein entsprechender Gesetzesvorbehalt ist aus Art. 78 Abs. 2 LV NRW herauszulesen.
12Vgl. VerfGH NRW, Urteile vom 11. Juli 1980 ‑ VerfGH 8/79 ‑, DÖV 1980, 691, 692, und vom 9. Juni 1997 ‑ VerfGH 20/95 u. a. ‑, juris, Rdnr. 66 (= NWVBl. 1997, 333).
13Die die kommunale Selbstverwaltung begrenzenden Gesetze finden ihrerseits eine verfassungsrechtliche Schranke im Kernbereich des Selbstverwaltungsrechts sowie im Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
14Vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. Mai 2001 ‑ 2 BvK 1/00 ‑, juris, Rdnr. 123 f. (= BVerfGE 103, 332); BVerwG, Urteil vom 27. Oktober 2010 ‑ 8 C 43.09 ‑, juris, Rdnr. 20 f. (= BVerwGE 138, 89), VerfGH NRW, Urteil vom 9. Juni 1997, a. a. O. Rdnr. 67; OVG NRW, Beschluss vom 22. Juli 2009 ‑ 15 A 2324/07 ‑, juris, Rdnr. 40 f. (= NWVBl. 2010, 34).
15Dies zugrunde gelegt ist ausgehend vom Beschwerdevorbringen nicht erkennbar, dass die aus § 8 Abs. 1 Satz 2 StärkPaktG folgende Beschränkung des kommunalen Selbstverwaltungsrechts und der Finanzhoheit der Gemeinden verfassungswidrig wäre.
16Dass die in § 8 Abs. 1 Satz 2 getroffene Regelung den Kernbereich der Selbstverwaltungsgarantie antastet, wird von der Antragstellerin selbst nicht vorgetragen und ist auch sonst nicht feststellbar. Im Übrigen schränkt sie das Selbstverwaltungsrecht der Kommunen aller Voraussicht nach nicht unverhältnismäßig ein.
17Mit der verbindlichen Vorgabe zur Bestellung eines Beauftragten nach § 124 GO NRW verfolgt der Gesetzgeber ein legitimes Ziel. Mit ihr soll sichergestellt werden, dass der vom Stärkungspaktgesetz bezweckte ‑ und von der Antragstellerin als solcher nicht in Zweifel gezogene ‑ Haushaltsausgleich innerhalb des gesetzlichen Konsolidierungszeitraums auch dann erreicht werden kann, wenn eine der am Stärkungspakt teilnehmenden Gemeinden ihren dazu bestehenden Pflichten nicht von sich aus nachkommt. Die Bestellung eines Beauftragten ist zur Erreichung dieses Ziels geeignet. Der Beauftragte tritt nach § 124 Satz 2 GO NRW hinsichtlich der unterbliebenen Maßnahmen an die Stelle des betreffenden Organs der Gemeinde und ist so in der Lage, diese vorzunehmen. Der Einsatz eines Beauftragten ist zur Erreichung des verfolgten Regelungsziels auch erforderlich. Neben der Auflösung des Rates nach § 125 GO NRW ist die Bestellung eines Beauftragten das schärfste Mittel zur Verwirklichung der Kommunalaufsicht. Die Notwendigkeit, einen Beauftragten zu bestellen, ist ‑ nur ‑ dann gegeben, wenn rechtmäßige Zustände durch den Einsatz aller anderen minderschweren Aufsichtsmittel nicht erreicht werden können. Dies ist hier der Fall. Die Pflicht zur Vorlage eines Haushaltssanierungsplans nach § 6 StärkPaktG legt die am Stärkungspakt teilnehmenden Gemeinden zwar auf einen Haushaltsausgleich innerhalb bestimmter Fristen fest, überlässt ihnen aber weiterhin die Entscheidung, wie der Haushaltsausgleich durch das Ergreifen bestimmter Maßnahmen auf der Ausgaben- wie auf der Einnahmenseite zweckmäßigerweise herbeigeführt werden soll. Die Staatsaufsicht in Angelegenheiten des eigenen Wirkungskreises der Kommunen ist aber auf die Kontrolle der Gesetzmäßigkeit, also auf eine Rechtsaufsicht beschränkt (Art. 78 Abs. 4 Satz 1 LV NRW), sodass der Kommunalaufsichtsbehörde das Einbringen eigener Zweckmäßigkeitserwägungen verwehrt ist. Die Kommunalaufsichtsbehörde wäre deshalb gehindert, einer Gemeinde etwa im Wege der Anordnung und Ersatzvornahme einen bestimmten Haushaltssanierungsplan vorzugeben. Anders verhält es sich mit der Bestellung eines Beauftragten, dessen Einsetzung zwar ebenfalls ein Mittel der Rechtsaufsicht ist, der nach seiner Einsetzung als Gemeindeorgan jedoch nicht der Beschränkung auf rechtsaufsichtliche Mittel unterliegt, sondern auch Zweckmäßigkeitserwägungen treffen kann.
18Vgl. dazu Oebbecke, Rechtliche Vorgaben für den Haushaltsausgleich und ihre Durchsetzung, GemHH 2009, 241, 243 f.; siehe auch die Gesetzesbegründung nach der Beschlussempfehlung und dem Bericht des Ausschusses für Kommunalpolitik vom 6. Dezember 2011, LT-Drucks. 15/3418, S. 44 f., wonach die Beauftragtenbestellung gemäß § 124 GO NRW das gebotene Mittel sei, da nur durch einen Beauftragten die erforderlichen Ermessensentscheidungen rechtssicher getroffen werden könnten.
19Ferner erscheint die ‑ zwingend vorgegebene ‑ Bestellung eines Beauftragten im Falle einer Nichterfüllung der in § 8 Abs. 1 Satz 1 StärkPaktG normierten Pflichten auch verhältnismäßig im engeren Sinne. Mit dem Verwaltungsgericht ist davon auszugehen, dass der Beauftragtenbestellung ein Regelungssystem zugrunde liegt, dass den Handlungsspielraum der Gemeinden bei der rechtlich gebotenen Haushaltskonsolidierung nicht unangemessen einschränkt. Dabei ist zum Beleg zunächst § 6 StärkPaktG in den Blick zu nehmen. Wie bereits vorstehend ausgeführt, schreibt die Vorschrift den betroffenen Gemeinden nicht vor, was im Einzelnen zu tun ist und welche Maßnahmen konkret zu ergreifen sind, um den gesetzlich vorgegebenen Haushaltsausgleich herzustellen. Vielmehr liegt es ‑ jenseits rein faktischer Zwänge ‑ nach wie vor innerhalb des Gestaltungsspielraums der jeweiligen Gemeinde, durch ihre demokratisch gewählten Organe zu entscheiden, wo zu diesem Zweck Ausgaben reduziert und zusätzliche Einnahmen erzielt werden sollen. Erst wenn eine Gemeinde diesen Gestaltungsspielraum nicht oder jedenfalls nicht in einer Weise nutzt, dass die vom Gesetz angestrebte Haushaltskonsolidierung in dem vorgesehenen Zeitraum erreicht werden kann, ist ‑ nach einer zusätzlichen Nachfristsetzung seitens der zuständigen Bezirksregierung (§ 8 Abs. 1 Satz 1 StärkPaktG) ‑ durch die oberste Kommunalaufsichtsbehörde ein Beauftragter zu bestellen. Hinzu kommt, dass die in § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StärkPaktG genannten Fristen zum Haushaltsausgleich nicht ausnahmslos gelten. Die Pflicht zum Haushaltsausgleich nach Maßgabe des Stärkungspaktgesetzes ist im Ansatz auf das Zumutbare begrenzt, indem § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StärkPaktG von den teilnehmenden Gemeinden den Haushaltsausgleich unter Einbeziehung der Konsolidierungshilfe zum "nächstmöglichen" Zeitpunkt verlangt. Mit diesem Zeitpunkt ist nicht der rein technische Zeitpunkt gemeint, der unter Ausnutzung aller denkbaren Einsparungen und Einnahmeerhöhungen erreichbar wäre, sondern der zumutbarerweise nächstmögliche Zeitpunkt des Haushaltsausgleichs.
20Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 22. Juli 2009, a. a. O. Rdnr. 20 f. zu der insoweit vergleichbaren Regelung des § 75 Abs. 4 Satz 2 GO NRW a. F.
21Soweit das Gesetz daran anknüpfend annimmt, dass der Haushaltsausgleich mit Konsolidierungshilfe von allen pflichtig teilnehmenden Gemeinden spätestens ab dem Jahr 2016 und von den auf Auftrag teilnehmenden Gemeinden spätestens ab dem Jahr 2018 ‑ zumutbarerweise ‑ erreicht werden kann, gilt dies nur "in der Regel". Eine Pflicht, den Haushaltsausgleich innerhalb dieser Fristen zu erreichen, besteht daher dann nicht, wenn im Einzelfall bei objektiver Betrachtung besondere Umstände vorliegen, aufgrund derer einer Gemeinde die ‑ vom Gesetzgeber bei der gebotenen Anspannung aller Kräfte grundsätzlich als gegeben unterstellte ‑ zumutbare fristgerechte Zielerreichung unmöglich ist.
22Vgl. dazu erneut LT-Drucks. 15/3418, S. 44.
23Damit bietet das Gesetz selbst Raum, eine etwaige Sondersituation der betroffenen Gemeinde im Zusammenhang mit der Genehmigung des vorgelegten Haushaltssanierungsplans angemessen zu berücksichtigen. Dieser Feststellung steht der Einwand der Beschwerde nicht entgegen, die Möglichkeit, von der Regel des § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StärkPaktG abzuweichen, sei letztlich bloß theoretischer Natur. Das trifft nicht zu. Allerdings hat das Verwaltungsgericht in Auslegung der Vorschrift zu Recht angenommen, dass für die Haushaltsnotlage der jeweils betroffenen Gemeinde grundlegende Umstände struktureller Art oder sonstige die Finanzkraft der Kommunen regelhaft beeinflussende Faktoren zur Begründung eines Ausnahmefalls allein nicht herangezogen werden dürften. Das berechtigte Anliegen des Gesetzes, den (zumindest) mittelfristig drohenden finanziellen Kollaps der am Stärkungspakt teilnehmenden Kommunen abzuwenden, würde ersichtlich verfehlt, wenn für sich betrachtet gerade solche Gründe, die ihrerseits wesentlich zu der das Eingreifen des Gesetzgebers erzwingenden Haushaltsnotlage beigetragen haben, und etwaige hierdurch bedingte Erschwernisse, einen fristgerechten Haushaltsausgleich darzustellen, ein zeitliches Aufschieben der notwendigen Konsolidierungsbemühungen rechtfertigen könnten. Dies schließt es jedoch ‑ anders als die Beschwerde offenbar meint ‑ nicht aus, im Einzelfall etwa auch auf besondere, ihre prekäre Haushaltslage prägende strukturelle Probleme einer Gemeinde Rücksicht zu nehmen, wenn diese im Ergebnis nämlich dazu führen, dass der Gemeinde schlechthin keine zumutbaren Mittel (mehr) zur Verfügung stehen, einen termingerechten Haushaltsausgleich zu erreichen. Die Frage, ob ein das Abweichen von der Regel rechtfertigender atypischer Sachverhalt vorliegt, setzt nach der Logik des Gesetzes nicht daran an, welche Gründe für die (drohende) Überschuldung der betroffenen Gemeinde maßgeblich sind, sondern daran, was die Gemeinde tun muss, um den erstmaligen Haushaltsausgleich in den gesetzlichen Fristen darstellen zu können. Ob hieran gemessen eine Ausnahmesituation vorliegt, ist eine Sache der konkreten Umstände des Falles und damit des verfassungskonformen Gesetzesvollzugs. Davon ist im Übrigen auch das Verwaltungsgericht ausgegangen, das die Zumutbarkeit von Steuererhöhungen ausdrücklich auch im Hinblick auf die von der Antragstellerin geltend gemachte Gefahr einer weiteren Verschärfung des ohnehin schon erheblichen Bevölkerungsrückgangs geprüft hat (Beschlussabdruck Seite 11 f.; dazu unten).
24Trägt § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StärkPaktG den gemeindlichen Interessen bei der Frage, ob der Haushaltssanierungsplan zu genehmigen ist, in einer dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügenden Weise Rechnung, ergibt sich Entsprechendes aus § 8 Abs. 2 StärkPaktG im Hinblick auf einen bereits genehmigten Haushaltssanierungsplan. Danach kann von der zuständigen Bezirksregierung eine ausnahmsweise Anpassung des Haushaltssanierungsplans einer Gemeinde in den Fällen genehmigt werden, in denen sich die finanzielle Situation der Gemeinde aufgrund von nicht absehbaren und von ihr nicht zu beeinflussenden Gründen erheblich verändert hat und daher ein weiteres Festhalten am Haushaltssanierungsplan ausgeschlossen erscheint.
25Siehe dazu die Begründung des Gesetzentwurfsder Landesregierung vom 20. September 2011,LT-Drucks. 15/2859, S. 13.
26Als unverhältnismäßig stellt sich die Beauftragtenbestellung vor diesem Hintergrund entgegen der Auffassung der Beschwerde schließlich auch nicht deshalb dar, weil sie die zwingende Folge eines Verstoßes gegen die in § 8 Abs. 1 Satz 1 StärkPaktG aufgeführten Pflichten ist. Die dem Legalitätsprinzip folgende Ausgestaltung der Beauftragtenbestellung als gebundene Entscheidung stellt sicher, dass die zu der vom Gesetz angestrebten nachhaltigen Haushaltssanierung notwendigen ‑ zumutbaren ‑ Maßnahmen auf jeden Fall durchgesetzt werden. Ein unangemessenes Verhältnis von Ziel und eingesetztem Mittel ist darin nicht zu erkennen. Die Kritik der Beschwerde hieran und ihre Forderung nach einer flexiblere Handhabungen ermöglichenden Soll- oder Ermessensregelung übersieht, dass ein Fortbestehen der gegenwärtigen Schuldensituation die finanzielle Handlungsfähigkeit der Kommunen und damit eine kommunale Selbstverwaltung, die diesen Namen verdient, auf Dauer sehr viel stärker einschränkt als eine Rechtspflicht der Kommunalaufsicht zum vorübergehenden verbindlichen Eingreifen dies tut.
27Der Beschwerde ist im Weiteren nicht in der Einschätzung zu folgen, die Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 Satz 2 StärkPaktG für die Bestellung eines Beauftragten seien entgegen der Sicht des Verwaltungsgerichts nicht erfüllt.
28Der Umstand, dass die Antragstellerin für das Haushaltsjahr 2014 (wie auch schon für das Haushaltsjahr 2013) einen fortgeschriebenen Haushaltssanierungsplan vorgelegt hat, ist für sich betrachtet rechtlich unerheblich. Wenn das Gesetz als eine von mehreren möglichen Bedingungen für die Bestellung eines Beauftragten fordert, dass die Gemeinde ihrer Pflicht zur Vorlage des Haushaltssanierungsplans nicht nachkommt, kann damit nach der ratio legis nur die Nichtvorlage eines nach Maßgabe von § 6 StärkPaktG genehmigungsfähigen Haushaltssanierungsplans gemeint sein. Anderenfalls könnte die Gemeinde die kommunalaufsichtliche Durchsetzung der Vorgaben dieser Vorschrift schon allein dadurch verhindern, dass sie der zuständigen Bezirksregierung überhaupt einen inhaltlich wie auch immer gearteten Haushaltssanierungsplan vorlegt. Dass ein solches Verständnis des § 8 Abs. 1 Satz 1 StärkPaktG dem Sinn und Zweck des Gesetzes widerspräche, drängt sich auf.
29Das zugrunde gelegt ist die angegriffene Beauftragtenbestellung auch nicht angesichts dessen rechtswidrig, dass die Bezirksregierung Arnsberg dem von der Antragstellerin vorgelegten fortgeschriebenen Haushaltssanierungsplan für 2014 die Genehmigung nicht förmlich versagt bzw. den Antrag der Antragstellerin auf ein ausnahmsweises zeitliches Hinausschieben des Haushaltsausgleichs nicht förmlich abgelehnt hat.
30Soweit die Antragstellerin meint, ein Beauftragter dürfe erst dann bestellt werden, wenn der die Bestellung rechtfertigende Pflichtverstoß in rechtsmittelfähiger Weise festgestellt sei, findet diese Sichtweise weder im Gesetz noch sonst eine Stütze. Das Stärkungspaktgesetz schreibt eine solche Handhabung nicht vor. Auch ansonsten muss bei einem Einschreiten der allgemeinen Kommunalaufsicht nicht bereits (verbindlich) festgestellt sein, dass tatsächlich eine Rechtsverletzung stattgefunden hat. Vielmehr ist insoweit, worauf das Verwaltungsgericht zu Recht hingewiesen hat, eine Inzidentkontrolle der Regelfall. Anderes hätte auch vorliegend nur dann zu gelten, wenn ohne die von der Beschwerde angemahnte vorherige förmliche Entscheidung über die Genehmigungsfähigkeit des vorgelegten Haushaltssanierungsplans effektiver Rechtsschutz nach Art. 19 Abs. 4 GG und die Möglichkeit einer wirksamen Gewährleistung der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie nicht gegeben wären. Davon kann aber keine Rede sein. Ob der von einer Gemeinde vorgelegte Haushaltssanierungsplan genehmigungsfähig ist oder nicht, kann ohne Weiteres im Rahmen eines gegen die Beauftragtenbestellung geführten (Eil-)Rechtsstreits überprüft werden. Eine bedenkliche Rechtsschutzverkürzung ist damit ‑ wie nicht zuletzt das vorliegende Verfahren exemplarisch belegt ‑ nicht verbunden. Soweit das Bundesverfassungsgericht in der von der Antragstellerin in Bezug genommenen Garzweiler-Entscheidung (Urteil vom 17. Dezember 2013 ‑ 1 BvR 3139/08, 1 BvR 31 BvR 3386/08 ‑, juris, Rdnr. 194 [= NVwZ 2014, 211]) festgestellt hat, dass der Garantie effektiven Rechtsschutzes gegen Verletzungen der Eigentumsgarantie nicht genügt wird, wenn Rechtsschutz gegen einen Eigentumsentzug erst zu einem Zeitpunkt eröffnet wird, zu dem im Hinblick auf Vorfestlegungen oder den weitgehenden tatsächlichen Vollzug des zugrunde liegenden Vorhabens eine grundsätzlich ergebnisoffene Überprüfung aller Enteignungsvoraussetzungen nicht mehr erwartet werden kann, liegt eine damit vergleichbare Konstellation hier nicht vor. Weder geht mit der nicht förmlich getroffenen und von daher nicht isoliert angreifbaren Entscheidung der Bezirksregierung, einen Haushaltssanierungsplan bzw. eine Ausnahme hiervon nicht zu genehmigen, eine die ergebnisoffene Überprüfung der Beauftragtenbestellung hindernde Vorfestlegung aus, noch sind zum Zeitpunkt der gerichtlichen Rechtsschutz eröffnenden Beauftragtenbestellung bereits tatsächliche Vollzugsmaßnahmen getroffen.
31Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass die kommunalaufsichtliche Durchsetzung eines fristgerechten Haushaltsausgleichs gegebenenfalls praktisch unmöglich wäre, müsste die betroffene Kommune ‑ wie die Beschwerde wohl meint ‑ erst die Gelegenheit erhalten, in einem eigenständigen und mitunter mehrjährigen gerichtlichen Verfahren verbindlich klären zu lassen, ob sie ihre Rechtspflicht aus § 6 Abs. 2 StärkPaktG erfüllt hat. Warum schließlich die Kommunalaufsicht ‑ wie von der Antragstellerin geltend gemacht ‑ ohne diese Klärungsmöglichkeit in der Lage sein sollte, die fragliche Gemeinde zu gängeln und in ihrer Haushaltswirtschaft unzulässig zu lenken, erhellt sich dem Senat nicht.
32Dass die Fortschreibung des Haushaltssanierungsplans der Antragstellerin für das Jahr 2014 selbst in der Fassung des Ratsbeschlusses vom 10. Februar 2014 die Regelanforderung des § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StärkPaktG an die Dauer des Sanierungszeitraums verfehlt, weil danach ein Haushaltsausgleich unter Einbeziehung der Konsolidierungshilfe nicht bereits 2016, sondern erst 2018 erreicht werden soll, ist unstreitig. Soweit die Antragstellerin meint, diese Abweichung sei aufgrund einer Sondersituation ausnahmsweise gerechtfertigt, wird die gegenteilige Bewertung des Verwaltungsgerichts durch das Vorbringen im Beschwerdeverfahren nicht erschüttert.
33Wenn die Antragstellerin einen Sonderfall zunächst mit einem für sie nicht vorhersehbaren Wegbrechen der Schlüsselzuweisungen ab dem Jahr 2013 begründen will, überzeugt ihr Vortrag hierzu nicht. Ob Einnahmerückgänge im Einzelfall vorhersehbar waren, ist für die Frage der Genehmigung der Fortschreibung eines Haushaltssanierungsplans rechtlich unerheblich. Entscheidend ist vielmehr, inwieweit die betroffene Gemeinde in zumutbarer Weise in der Lage ist, die entstandenen Lücken durch verstärkte eigene Konsolidierungsbemühungen zu schließen. Aus § 8 Abs. 2 StärkPaktG ergibt sich nichts anderes. Wie schon oben ausgeführt, ermöglicht die Vorschrift nach dem Willen des Gesetzgebers eine Anpassung des bereits genehmigten Haushaltssanierungsplans an eine nicht absehbare wesentliche Veränderung der finanziellen Verhältnisse einer Gemeinde (nur) dann, wenn deswegen ein weiteres Festhalten am Haushaltssanierungsplan ausgeschlossen erscheint. Vorrangig ist mithin auch insoweit das Ausschöpfen ‑ zumutbarer ‑ eigener Konsolidierungsanstrengungen, um unvorhersehbare Einnahmeeinbußen oder nicht absehbare Mehrausgaben aus eigener Kraft zu kompensieren. Unabhängig davon fehlt es vorliegend am Umstand der Nichtvorhersehbarkeit. Dass die ungefähre Halbierung der Schlüsselzuweisung 2013 im Vergleich zu den Jahren 2011 und 2012 ‑ anders als von der Antragstellerin zunächst und auch mit der Beschwerdebegründung noch geltend gemacht ‑ nicht im Wesentlichen durch das Gemeindefinanzierungsgesetz (GFG) 2013 verursacht wurde, ist inzwischen unstrittig (vgl. Schriftsatz der Antragstellerin vom 18. Juni 2014, Seite 6). Maßgeblich hierfür war vielmehr, wie der Antragsgegner dies in seiner Beschwerdeerwiderung vom 6. Juni 2014 (dort: Anlage 1) schlüssig dargelegt hat, der negative Zusammenhang zwischen normierter Steuerkraft einerseits und Schlüsselzuweisungen andererseits. Während rückläufige Steuereinnahmen regelmäßig steigende Schlüsselzuweisungen nach sich ziehen, führt ein Anstieg der gemeindlichen Steuerkraft zu dem umgekehrten Effekt. In den GFG-Jahren 2011 und 2012 lag die normierte Steuerkraft der Antragstellerin auf einem sehr niedrigen Niveau, was außergewöhnlich hohe Schlüsselzuweisungen zur Folge hatte. Die Erwartung annähernd vergleichbar hoher Schlüsselzuweisungen auch in 2013 wäre daher dann gerechtfertigt gewesen, wenn die Antragstellerin ohne Weiteres von einem Verharren ihrer Steuerkraft auf dem Stand der Vorjahre hätte ausgehen dürfen. Dass dies der Fall war, ist indes weder dargelegt noch angesichts dessen, dass die geringe Steuerkraft der Jahre 2011 und 2012 im längerfristige Vergleich eher die Ausnahme darstellt, sonst ersichtlich.
34Was den von der Antragstellerin ferner angeführten erheblichen und im Vergleich zu allen anderen nordrhein-westfälischen Kommunen ‑ unbestritten ‑ besonders hohen Bevölkerungsrückgang betrifft, kann dieser gemäß den obigen Erwägungen einen Ausnahmefall isoliert betrachtet nicht begründen, sondern erlangt Bedeutung (lediglich) im Zusammenhang mit der Frage, ob die Antragstellerin einen Haushaltsausgleich bis zum Jahr 2016 durch ihr zumutbare Konsolidierungsleistungen erreichen kann. Davon wiederum ist im Einklang mit dem angefochtenen Beschluss auszugehen.
35Die angesichts des ‑ von den Beteiligten übereinstimmend angenommenen ‑ Fehlens weiterer relevanter Einsparpotentiale einen fristgerechten Haushaltsausgleich allein ermöglichenden Steuererhöhungen treffen die Antragstellerin und ihre Bürger zwar erheblich, überschreiten die Grenze zur Unzumutbarkeit jedoch weder für sich genommen noch unter Berücksichtigung der besonderen demographischen Situation der Antragstellerin. Legt man den Inhalt des Beschlusses zugrunde, den der vom Antragsgegner bestellte Beauftragte zwischenzeitlich am 28. Mai 2014 getroffen hat, entspricht die darin ab dem Haushaltsjahr 2016 vorgesehene Festsetzung des Hebesatzes für die Gewerbesteuer auf 480 v. H. (2015: 445 v. H.) nach den unwidersprochen gebliebenen Darlegungen des Antragsgegners nahezu exakt dem gewogenen Durchschnitt (479,4 v. H.) der von den am Stärkungspakt obligatorisch teilnehmenden kreisangehörigen Gemeinden für diesen Zeitpunkt geplanten Gewerbesteuerhebesätze. Anderes gilt im Ausgangspunkt für die Grundsteuer B. Mit der nunmehr geplanten Erhöhung der Grundsteuer B ab dem Haushaltsjahr 2016 auf 910 v. H. (2015: 766 v. H.) befindet sich die Antragstellerin klar auf einem überdurchschnittlich hohen Niveau. Allerdings bewegt sie sich auch insoweit nicht außerhalb des Planungsbereichs anderer Stärkungspaktkommunen. Nach den Angaben des Antragsgegners peilen immerhin 13 Stärkungspaktkommunen Grundsteuerhebesätze zwischen 800 und 959 v. H. an. Dass namentlich die aus einer Erhöhung des Grundsteuerhebesatzes auf 910 v. H. resultierende Steuerbelastung unverhältnismäßig und damit rechtswidrig wäre, macht die Antragstellerin ‑ zu Recht ‑ selbst nicht geltend. Allein aus der vorgesehenen Höhe der Hebesätze für die Grund- und Gewerbesteuer lässt sich mithin für eine Unzumutbarkeit des gesetzlich geforderten Haushaltsausgleichs innerhalb der Regelfrist des § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StärkPaktG nichts hinreichend Tragfähiges herleiten. Im Übrigen mag es zutreffen, dass die Einwohner der Antragstellerin durch die erforderlichen Konsolidierungsmaßnahmen nicht zuletzt im Zusammenwirken mit sonstigen im Zuge der angestrebten Haushaltssanierung erfolgten Abgabenerhöhungen insgesamt (erheblich) stärker belastet werden als die Einwohner anderer am Stärkungspakt teilnehmender Gemeinden. Darauf kommt es aber nicht an, solange die stärkungspaktbedingte Mehrbelastung als solche ‑ wie hier ‑ hinnehmbar erscheint. Die Teilnahme am Stärkungspakt verlangt von jeder Kommune, die in ihrer jeweiligen konkreten Situation gebotenen Konsolidierungsanstrengungen zu unternehmen, um den Haushaltsausgleich spätestens in 2016 darstellen zu können. Die im Fall der Antragstellerin mit der Erreichung dieses Ziel einhergehende zusätzliche Belastung beläuft sich ausgehend von ihren eigenen Angaben (vgl. Beschwerdebegründung vom 27. Mai 2014, Anlage 3) für eine vierköpfige Familie auf deutlich weniger als 100 Euro im Monat. Angesichts eines solchen Betrags ist auch für den Senat nicht ersichtlich, dass die Einwohner der Antragstellerin durch weitere Steuererhöhungen in einer nicht mehr zumutbaren Weise in Anspruch genommen würden. Begründete Anhaltspunkte, dass die Gesamtabgabenbelastung der Einwohner der Antragstellerin bereits heute einen Stand erreicht hat, der jede weitere Belastung verbietet, sind den von der Antragstellerin vorgelegten Berechnungen nicht zu entnehmen. Dies folgt schon daraus, dass die Antragstellerin sich auf die vergleichende Darstellung bestimmter, zum Zwecke der Haushaltskonsolidierung erhöhter Abgaben beschränkt. Verlässliche Rückschlüsse auf die finanzielle Gesamtbelastung eines Musterhaushalts im Gemeindegebiet der Antragstellerin lassen sich auf dieser Grundlage nicht ziehen, zumal ‑ worauf der Antragsgegner zutreffend hinweist ‑ eine aussagekräftige Bewertung auch andere (möglicherweise entlastende) Faktoren wie etwa das verfügbare Haushaltseinkommen und die durchschnittlichen Grundstücksbeschaffungs- oder Mietkosten berücksichtigen müsste.
36Vor diesem Hintergrund vermag der Senat schließlich nicht die Befürchtung der Antragstellerin zu teilen, die kurzfriste Erhöhung der Realsteuerhebesätze bedinge die realistische Gefahr einer (erneuten) Verstärkung der ohnehin schon gegebenen erheblichen Bevölkerungsabwanderung, wodurch ihre angespannte finanzielle Lage letztlich noch verschärft und das gesetzgeberische Ziel einer nachhaltigen Haushaltssanierung im Ergebnis konterkariert werde. Bevölkerungsverluste können auf einer Vielzahl unterschiedlicher Gründe beruhen. Allerdings wird die Höhe der Realsteuerhebesätze in aller Regel keinen ausschlaggebenden Einfluss auf die Entscheidung haben, in eine bestimmte Gemeinde zu ziehen bzw. diese wieder zu verlassen. Das dürfte auch für die Antragstellerin gelten, deren Bevölkerungsentwicklung augenscheinlich unabhängig von einem bestimmten Abgabenniveau bereits seit Jahrzehnten negativ verläuft. Hinzu kommt, dass der Rat der Antragstellerin am 10. Februar 2014 selbst "auflösend bedingt" beschlossen hat, den Hebesatz für die Grundsteuer B im Jahr 2017 auf 766 v. H. zu erhöhen, er mithin offenbar die sich daraus ergebende Mehrbelastung auch mit Blick auf die demographische Situation der Antragstellerin noch für zumutbar gehalten hat. Der jetzt von dem Beauftragten beschlossene Hebesatz liegt zwar 144 Punkte über diesem Wert, was ausgehend von dem auch den Berechnungen der Antragstellerin zugrunde liegenden exemplarischen Messbetrag von 75 Euro aber nur eine tatsächliche Mehrbelastung von 108 Euro jährlich oder umgerechnet 9 Euro im Monat ergibt. Warum dieser im Hinblick auf die effektive Höhe der Grundsteuer geringfügige Unterschied Entscheidendes für die weitere Bevölkerungsentwicklung der Antragstellerin bedeuten sollte, leuchtet dem Senat nicht ein.
37Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz wird mit der Beschwerde nicht aufgezeigt. Die Beschwerde will einen Anspruch darauf, bei der Anwendung des § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StärktPaktG mit den Städten P. und X. gleichbehandelt zu werden, denen jeweils ein Aufschub für die erstmalige Darstellung des Haushaltsausgleichs bis zum Jahr 2017 gewährt worden ist, daraus herleiten, dass in allen drei Fällen eine erhebliche Reduzierung von Finanzzuweisungen ‑ hier Schlüsselzuweisungen und dort Konsolidierungshilfen ‑ eingetreten sei. Auf diesen Aspekt kommt es jedoch bei der Beantwortung der Frage nach dem Vorliegen vergleichbarer Sachverhalte nicht an. Wie oben ausgeführt, ist maßgeblich, inwieweit die jeweilige Kommune über ‑ zumutbare ‑ Möglichkeiten verfügt, auf den Einnahmenausfall mit verstärkten eigenen Konsolidierungsbemühungen zu reagieren. Dass insoweit vergleichbare Fallgestaltungen gegeben sind, ist mit der Beschwerde nicht dargetan.
38Schließlich besteht ‑ wie auch vom Verwaltungsgericht angenommen ‑ ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung der angegriffenen Beauftragtenbestellung. Die Antragstellerin ist gesetzlich zu einer Haushaltssanierungsplanung verpflichtet, die auf die Erreichung des Haushaltsausgleichs (spätestens) 2016 ausgerichtet ist. Diese Vorgabe würde, da die Antragstellerin den Haushaltsausgleich (frühestens) für 2018 anstrebt, aller Voraussicht nach verfehlt, könnte der Beauftragte während der Dauer des Hauptsacheverfahrens nicht tätig werden. Die infolgedessen gegebene Eilbedürftigkeit wird dadurch, dass die in dem inzwischen getroffenen Beschluss des Beauftragten vorgesehenen Steuererhöhungen die Haushaltsjahre 2015 und 2016 betreffen, nicht berührt.
39Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf den §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.
40Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.
(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Leistung einer Sicherheit oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2Mit Satzung vom 1. Dezember 2014 hat der Rat der Beklagten den Steuersatz für die Grundsteuer B für das Jahr 2015 auf 784 von Hundert festgesetzt.
3Mit Bescheid vom 23. Januar 2015 zog die Beklagte den Kläger wegen des streitgegenständlichen Steuerobjektes, das dem Kläger zugerechnet ist, u.a. zur Grundsteuer B heran. Dabei veranlagte die Beklagte den Kläger nach Maßgabe des von dem zuständigen Finanzamt für das Steuerobjekt festgestellten Steuermessbetrages vervielfältigt mit dem von ihr für das Jahr 2015 festgesetzten Hebesatz.
4Gegen diese Festsetzung der Grundsteuer hat der Kläger am 5. Februar 2015 Klage erhoben. Zu deren Begründung macht er sinngemäß folgendes geltend:
5Der Grundsteuerbescheid sei rechtswidrig, weil die zu Grunde liegenden Beschlüsse des Rates der Beklagten gegen Europäisches Recht, das Grundgesetz und die Gemeindeordnung verstießen. In Höhe eines Betrages von 209,69 EUR, der dem für sein Grundstück anfallenden Betrag der Grundsteuererhöhung 2015 gegenüber 2014 entspreche, erkläre er die Aufrechnung der Grundsteuerforderung mit ihm zustehenden Schadensersatzansprüchen aus der Verletzung zwingender gesetzlicher Vorschriften durch Organe der Beklagten.
6Alle Einwohner einer Kommune bildeten eine zivilrechtliche Gesamthandsgemeinschaft, der gemeinschaftlich alle aktiven und passiven Vermögensgegenstände einer Kommune als „Eigentümer“ zuzurechnen seien. Für einen negativen kommunalen Eigenkapitalbetrag, für den keine Deckung durch das Kommunalvermögen bestehe, hafteten die Bürger daher mit ihrem privaten Vermögen. Gemeinderechtlich dürfe der Wert der aktiven Vermögensgegenstände aber den Wert der passiven Vermögensgegenstände des kommunalen Vermögens nicht unterschreiten. Das sei gemäß § 75 Abs. 7 Gemeindeordnung (GemO) verboten, wonach sich die Gemeinde nicht überschuldeten dürfe. Die Organe der Beklagten handelten immer nur als Treuhänder des gemeinschaftlichen Vermögens ihrer Bürger. Verstießen die Organe gegen die Pflicht aus § 75 Abs. 7 GemO und verursachten sie so eine private Haftung ihrer Bürger, stünde diesen ein entsprechender Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zu. So liege der Fall hier. Seit Jahren überstiegen die Verbindlichkeiten das Eigenkapital der Beklagten. Seit Juni 2013 sei den Organen der Beklagten zudem nachweisbar bekannt, dass die Beklagte im Sinne der Gemeindeordnung überschuldet sei. Denn seither sei den Organen der Beklagten bewusst, dass der noch Gewerbesteuer zahlende Einzelhandel durch das DOC-Projekt erhebliche Umsatz- und Gewinneinbußen erleiden werde und die Beklagte aus dem DOC-Projekt keine Gewerbesteuereinnahmen zu erwarten habe. Dennoch hätten die Organe der Beklagten bewusst auf eine europaweite Ausschreibung des Projektes oder auf eine umsatzbezogene Vermietung der für das Projekt benötigten städtischen Flächen verzichtet und die Pro-DOC-Entscheidung im Dezember 2013 in ein schuldrechtliches Verpflichtungsgeschäft (Grundstückskaufvertrag) umgesetzt. Dies sei mit Blick auf die europarechtlichen Beihilfevorschriften bedenklich; das Handeln der Stadt verletze darüber hinaus die EU-Grundrechte-Charta. Statt die untreuen Organe der Beklagten in Anspruch zu nehmen, habe der Rat der Beklagten die Erhöhung der Grundsteuer B um rund 30 % beschlossen. Das Hebesatzgebaren der Beklagten widerspreche den (europarechtlichen) Ansprüchen der Bürger auf Rechtsstaatlichkeit, auf Eigentum, auf eine „gute“ Verwaltung und auf Schadensersatz bei Enteignung.
7Der Kläger beantragt sinngemäß,
8den Bescheid der Beklagten vom 23. Januar 2015 - soweit darin Grundsteuer erhoben wird - aufzuheben.
9Die Beklagte beantragt,
10die Klage abzuweisen.
11Sie tritt der Klagebegründung unter ausführlicher Darlegung ihrer Rechtsauffassung entgegen.
12Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
13Entscheidungsgründe:
14Der Einzelrichter, dem die Kammer das Verfahren nach § 6 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zur Entscheidung übertragen hat, konnte gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten sich hiermit einverstanden erklärt haben.
15Die zulässige Klage ist unbegründet.
16Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO)).
17Die Rechtsgrundlage für die Heranziehung zu den Grundsteuern für das Jahr 2015 bilden §§ 1 Abs. 1, 27, 25 und 13 ff. Grundsteuergesetz (GrStG) in Verbindung mit § 1 Nr. 1 lit. b) der „Satzung vom 01.12.2014 über die Festsetzung der Steuersätze für die Gemeindesteuern der Stadt S. in den Haushaltsjahren 2015 und 2016 (Hebelsatzsatzung)“, mit der der Rat der Beklagten u.a. den Hebesatz für die Grundsteuer B für das Haushaltsjahr 2015 beschlossen hat.
18Gemäß §§ 1 Abs. 1, 27, 25 und 13 ff. Grundsteuergesetz (GrStG) bestimmt sich die Höhe der festzusetzenden Grundsteuer nach einer Vervielfältigung des von der über die Erhebung der Steuer entscheidenden Gemeinde festgelegten Hebesatzes mit dem Steuermessbetrag. Der Steuermessbetrag wird für das betroffene Steuerobjekt vom zuständigen Finanzamt ausgehend von dem von ihm festgestellten Einheitswert festgesetzt. Der Feststellungsbescheid über den Einheitswert (§§ 179 Abs. 1 in Verbindung mit § 180 Abs. 1 Nr. 1 Abgabenordnung (AO)) ist für den (Grund-) Steuermessbescheid (§ 184 AO) ebenso bindend wie der Einheitswertbescheid und der Grundsteuermessbescheid als Grundlagenbescheide für den hier in Rede stehenden Grundsteuerbescheid als Folgebescheid, auch wenn sie noch nicht unanfechtbar sind (§§ 182 Abs. 1 Satz 1, 184 Abs. 1 AO). Infolge dieser Bindung der Gemeinde an die Feststellungen in den Grundlagenbescheiden sind Einwendungen gegen die Bewertung des Grundstücks allein bei dem zuständigen Finanzamt geltend zu machen und können gegenüber dem Steuerbescheid der Gemeinde nicht geltend gemacht werden.
19Die Beklagte hat der Veranlagung der Klägerseite, der der streitgegenständliche Steuergegenstand in den Grundlagenbescheiden zugerechnet ist, zu den Grundsteuern für das Jahr 2015 den letztgültigen, sie bei der Festsetzung bindenden Grundsteuermessbetrag zugrundegelegt, den das zuständige Finanzamt festgestellt hat. Diesen Betrag hat sie mit dem für das Jahr 2015 geltenden Hebesatz vervielfältigt. Dies ist auch unstreitig.
20Die Heranziehung der Klägerseite zu dem sich danach ergebenden Steuerbetrag ist nicht zu beanstanden, weil auch die – hier allein streitige – Festsetzung des Hebesatzes für die Grundsteuer B des Jahres 2015 rechtmäßig ist. Formelle oder materielle Bedenken gegen die Wirksamkeit der Hebesatzsatzung bestehen, soweit das vorliegende Verfahren eine Überprüfung gebietet, nicht.
21Die Gemeinde ist nach § 25 Abs. 1 GrStG ermächtigt zu bestimmen, mit welchem Vomhundertsatz des Steuermessbetrages die Grundsteuer zu erheben ist. Die Bestimmung erfolgt gemäß §§ 7, 41 und 78 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 GO durch Satzung des Rates. Die Beklagte hat mit der satzungsförmigen Bestimmung eines Hebesatzes von 784 % für die Grundsteuer B des Jahres 2015 von dieser Befugnis in rechtlich nicht zu beanstandender Weise Gebrauch gemacht, denn die Festsetzung verstößt nicht gegen höherrangiges Recht.
22Das durch Art. 106 Abs. 6 Satz 2 Grundgesetz (GG) i.V.m. § 25 Abs. 1 GrStG eingeräumte Hebesatzrecht dient der Sicherung einer angemessenen Finanzausstattung der Gemeinden. Es ermöglicht ihnen, Unterschiede in der Belastung und in der Ergiebigkeit der zugewiesenen Steuerquellen auszugleichen. Die Gemeinden sollen die Möglichkeit haben, ihre Einnahmen durch Anspannung der Grundsteuer (und/oder der ebenfalls ihrem Hebesatzrecht unterliegenden Gewerbesteuer) an den Finanzbedarf anzupassen, um damit angesichts wachsender Haushaltslasten handlungsfähig zu bleiben.
23Vgl. so zum parallelen Fall der in Art. 106 Abs. 6 Satz 2 GG ebenfalls angesprochenen Gewerbesteuer: Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 27. Januar 2010 – 2 BvR 2185/04, BVerfGE 125, 141, veröffentlicht u.a. in juris, s. dort insbesondere Rdnr. 86, und zur Grundsteuer: Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 27. Oktober 2010 – 8 C 43/09 –, veröffentlicht u.a. in juris, s. dort insbesondere Rdnr. 16.
24Aufgrund ihrer durch Art. 28 Abs. 2 und 106 Abs. 6 Satz 2 GG verfassungsrechtlich „im Rahmen der Gesetze“ garantierten Selbstverwaltungs- und Steuerhoheit haben die Gemeinden bei der – sich an ihrem Finanzbedarf orientierenden – Festsetzung der Hebesätze durch Satzung einen weitgehenden normgeberischen Spielraum. Sie sind berechtigt, im Rahmen der Gesetze selbst zu entscheiden, in welchem Umfang sie ihren Finanzbedarf über die Grundsteuer (oder anderweitig) decken wollen und welche Höhe der Hebesatz erreichen soll.
25Die gerichtliche Kontrolle von Hebesatzregelungen beschränkt sich vor diesem Hintergrund auf die Vereinbarkeit der (aus dem Konzept der Gemeinde zur Deckung ihres Finanzbedarfs folgenden) Festsetzung mit (einschlägigem) höherrangigem Recht,
26vgl. in diesem Sinne BVerwG, Beschluss vom 27. Oktober 2010 - 8 C 43/09 -, NVwZ 2011, 424; OVG NRW, Urteil vom 22. Juli 2009 – 15 A 2324/07-, KStZ 2009, 190,
27das sich vor allem aus den Vorgaben des Gemeindehaushalts- und Steuerrechts ergibt, soweit es hebesatzrechtlich bedeutsam ist; zudem sind die grundrechtlichen Bindungen hoheitlichen Handelns zu beachten.
28Die Kontrolle umfasst mangels entsprechender rechtlicher Anforderungen an die Hebesatzentscheidung des Rats
29- weder deren Überprüfung nach der Art, der ermessensgeleitete Verwaltungsakte unterliegen (vgl. § 114 VwGO), mit der Folge, dass jeder - vermeintliche - Kalkulationsirrtum als "Ermessensfehler" (vgl. §§ 1 Abs. 2, 5 der Abgabenordnung - AO -) angesehen werden müsste,
30vgl. in diesem Sinne zur Kontrolle satzungsrechtlicher Bemessungsregeln zur Höhe der Vergnügungssteuer: Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Urteil vom 23 . Juni 2010 – 14 A 597/09 –, veröffentlicht u.a. in juris, s. dort insbesondere Rdnr. 49; für Grundsteuerhebesätze: OVG NRW, Beschluss vom 9. März 2012 – 14 A 73/11 –,
31- noch deren Überprüfung nach Art der Bauleitplanung auf „Abwägungsmängel“.
32Wegen des weiten normgeberischen Entscheidungsspielraums der mit Selbstverwaltungs- und Steuerhoheit ausgestatteten Gemeinde sind die Gerichte bei der inzidenten Prüfung der Rechtmäßigkeit der Hebesatzfestlegung anlässlich der Anfechtung von Steuerbescheiden
33- weder berechtigt, ihre eigenen – oder gar klägerseitig – für sachgerecht gehaltenen Bewertungen an die Stelle der nach Art. 106 Abs. 6 Satz 2 Grundgesetz (GG) i.V.m. § 25 Abs. 1 GrStG und §§ 78 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4, 80 Gemeindeordnung NRW (GO) dem Rat vorbehaltenen Bewertung zu setzen, in welchem Umfang die Gemeinde ihren Finanzbedarf über die Grundsteuer (oder anderweitig) decken sollte,
34- noch sind sie mit Blick auf den weiten Entscheidungsspielraum der Gemeinde bei ihrer Aufgaben- und Haushaltsführung berufen zu entscheiden, ob der Mitteleinsatz, der dem Finanzierungsbedarf zugrunde liegt, als solcher „sinnvoll“ ist, solange kein Verbrauch von öffentlichen Mitteln festzustellen ist, der wirtschaftlich in keinem Fall mehr vertretbar ist und deshalb auch nicht mehr im Rahmen einer ordnungsgemäß, d. h. im Sinne des § 75 Abs. 1 Satz 2 GO NRW wirtschaftlich, effizient und sparsam geführten Verwaltung liegt.
35Vgl. zu letzterer Einschränkung sinngemäß Bay. VGH, Beschluss vom 11. Februar 1976 - Nr. 243 IV 74 -, KStZ 1976, 150 (152 ff.).
36Denn es ist zu beachten, dass nach der Rechtsprechung des OVG NRW,
37Beschluss vom 26. Oktober 1990 – 15 A 1099/97 –, veröffentlicht u.a. in juris,
38selbst die Aufsichtsbehörde von einem Verstoß gegen den Grundsatz der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit erst ausgehen darf, wenn die Gemeinde ihre Entscheidungsbefugnis in nicht mehr vertretbarer Weise ausgeübt hat.
39Bei Anwendung dieser Maßstäbe ist die Festsetzung eines Hebesatzes von 784 % hier rechtlich nicht zu beanstanden. Denn der Hebesatz entspricht sowohl den haushaltsrechtlichen Vorgaben, die die Gemeinden bei dessen Festsetzung zu beachten haben (a.), als auch den grundsteuer- oder sonstigen steuerrechtlichen Anforderungen an die Hebesatzbestimmung (b.).
40a.
41(Zu den gemeindehaushaltsrechtlichen Anforderungen)
42Die Gemeinde hat nach dem Gemeindehaushaltsrecht ihre Haushaltswirtschaft so zu planen und zu führen, dass die stetige Erfüllung ihrer (gesetzlich übertragenen oder freiwillig übernommenen) Aufgaben gesichert ist (§ 75 Abs. 1 Satz 1 Gemeindeordnung NRW (GO)). Sie muss dafür sorgen, dass Erträge und Aufwendungen haushaltsmäßig ausgeglichen sind (§ 75 Abs. 2 GO NRW). Zur Beschaffung der finanziellen Mittel, die dazu erforderlich sind, muss die Gemeinde die ihr zur Verfügung stehenden Einnahmequellen im Rahmen des Möglichen und wirtschaftlich nicht Unzweckmäßigen ausschöpfen; sie kann dabei auch auf Steuern zurückgreifen (§ 77 Abs. 2 GO). Die Haushaltswirtschaft hat sie wirtschaftlich, effizient und sparsam zu führen (§ 75 Abs. 1 Satz 2 GO). Die Gemeinde darf sich nicht überschulden (§ 75 Abs. 7 GO).
43Diesen haushaltsrechtlichen Anforderungen genügt die Hebesatzregelung.
44Es unterliegt keinen Zweifeln, dass die Hebesatzfestsetzung hier der Erfüllung dieser haushaltsrechtlichen Pflichten und dabei insbesondere der Beschaffung der für eine ordnungsgemäße Haushaltswirtschaft erforderlichen finanziellen Mittel dient, indem sie zur Erzielung aufwendungsdeckender Erträge beiträgt. Die angespannte Haushaltssituation der Beklagten ist allgemeinkundig. Ausweislich der Beschlussvorlage an Haupt-, Finanz-und Beteiligungsausschuss sowie an den Rat (Drucksache 15/0515 vom 5. November 2014) erfolgte die Hebesatzerhöhung hier zudem ausdrücklich, um die Vorgaben des Stärkungspaktgesetzes (Ausgleich des Ergebnisplans im Jahre 2016; Abbau des Liquiditätskreditbestandes) trotz der negativen Entwicklung der Erträge aus der Gewerbesteuer im Jahre 2014 und dem geringeren Gemeindeanteil an Einkommens- und Umsatzsteuern ab 2015 zu erreichen. Folge einer Verfehlung dieser Vorgaben wäre es, dass die Beklagte keine weiteren Zuweisungen im Rahmen des Stärkungspaktgesetzes erhielte (17,7 Millionen EUR im Jahre 2016 – vgl. die ergänzenden Erläuterungen der Beklagten in der Klageerwiderung).
45Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass eine Überspannung des gemeindlichen Spielraums bei der Hebesatzfestlegung deshalb festzustellen wäre, weil das auf- und ausgabenbezogene Haushaltsgebahren der Beklagten, das ihren zu deckenden Finanzbedarf auslöst, mit Blick auf die Anforderungen an Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit der Haushaltsführung völlig unvertretbar wäre.
46Der Hinweis des Klägers auf die Handhabung des DOC-Projektes durch die Beklagte und auf die seiner Auffassung nach negativen Folgen dieses Projektes für die Entwicklung der Gewerbesteuereinnahmen der Beklagten bietet keinen Anlass, einen unvertretbaren Mittelverbrauch näher in Erwägung zu ziehen. Denn der Gemeinde kommt bei der Entscheidung über die Realisierung von Projekten der Stadtentwicklung in Wahrnehmung ihres verfassungsrechtlich garantierten Rechtes, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln, ein weiter Einschätzungsspielraum zu, bei dessen Ausübung die klägerseits in den Vordergrund gerückten steuerrechtlichen Auswirkungen eines Stadtentwicklungsvorhabens nur einen Abwägungsaspekt unter vielen anderen bilden.
47In diesem Zusammenhang sei mit Blick auf den unterschwellig erhobenen Vorwurf der „schuldenhäufenden Misswirtschaft in der Vergangenheit“ darauf hingewiesen, dass es selbstverständlich ist, dass die Gemeinde im betroffenen Haushaltsjahr zu bedienende Schulden aus der Vergangenheit zu erfüllen und die damit verbundenen Ausgaben zu finanzieren hat, und sie daher auch den dadurch ausgelösten Finanzbedarf steuerfinanzieren darf, ohne dass im Nachhinein noch zu prüfen wäre, ob der seinerzeit betriebene Aufwand „nicht mehr vertretbar“ war.
48Eine Rechtswidrigkeit des Hebesatzes wegen Verletzung haushaltsrechtlicher Vorgaben lässt sich auch nicht aus einem eventuellen Verstoß gegen den sogenannten „haushaltsrechtlichen Subsidiaritätsgrundsatz“ des § 77 Abs. 2 GemO herleiten. Denn das im landesrechtlichen Gemeindehaushaltswirtschaftsrecht vorgesehene „Subsidiaritätsprinzip“ schränkt das grundsteuerliche Hebesatzrecht der Gemeinde nicht ein. In § 77 Abs. 2 GO ist zwar bestimmt, dass die Gemeinde die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Finanzmittel soweit vertretbar und geboten aus speziellen Entgelten für die von ihr erbrachten Leistungen (zu diesen Leistungsentgelten zählen insbesondere Benutzungsgebühren), und (erst) im Übrigen aus Steuern zu beschaffen hat, soweit die sonstigen Finanzmittel nicht ausreichen.
49Der kompetenzrechtlich zuständige Bundesgesetzgeber (Art. 105 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 106 Abs. 6 Satz 1 GG) hat seine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz für die Grundsteuer in Anspruch genommen und den Gemeinden in Erfüllung des Verfassungsauftrages das Recht zur Festsetzung der Hebesätze eingeräumt (§ 25 Abs. 1 GrStG). Eine Einschränkung des von ihm verliehenen Hebesatzrechtes durch Landes(-haushalts-)recht bedarf daher einer bundesrechtlichen Grundlage (Art. 72 GG). Einen gegenständlich begrenzten bundesrechtlichen Vorbehalt für hebesatzbezogenes Landesrecht enthält § 26 GrStG, der aber nur bestimmte Koppelungsvorschriften (zum Verhältnis der Hebesätze für die Grundsteuer „A“ und „B“ und der Gewerbesteuer zueinander) oder die Festlegung von Höchsthebesätzen zulässt, aber grundsätzlich keinen darüber hinausgehenden Zugriff des Landesgesetzgebers auf die bundesrechtlich geschützte eigenverantwortliche Festlegung des Grundsteuerhebesatzes durch die Gemeinde rechtfertigt, d.h. insbesondere keine „Koppelung“ des Hebesatzes an die vorrangige Ausschöpfung von Leistungsentgelten. In welchem Ausmaß die Gemeinde zur Deckung ihres Finanzbedarfs aus den ihr zur Verfügung stehenden Abgaben- und Steuerquellen schöpfen will, bleibt insofern ihrer Entscheidung überlassen.
50Vgl. in diesem Sinne zu dem entsprechenden gemeindlichen Hebesatzrecht bei der Gewerbesteuer: BVerwG, Urteil vom 11. Juni 1993 - 8 C 32.90 -, KStZ 1993, 193 ff., veröffentlicht auch in juris; für die Gewerbesteuer hat der Bundesgesetzgeber zwischenzeitlich in § 16 Abs. 4 Satz 2 GewStG auch einen Mindesthebesatz eingeführt, der Gegenstand des o.g. Beschlusses des BVerfG vom 27. Januar 2010 war.
51Die gemeindehaushaltswirtschaftliche Subsidiaritätsregel ist für Steuern, die wie die Grundsteuer der Gesetzgebungskompetenz des Bundes unterliegen, daher verfassungskonform einschränkend dahin auszulegen, dass sie keine verbindlichen Vorgaben für die Ausübung des Hebesatzrechtes durch die Gemeinde machen will, auf die sich etwa der Steuerzahler berufen könnte.
52Vgl. in diesem Sinne auch OVG NRW, Beschluss vom 26. November 2009 – 14 A 131/08 –, u.a. veröffentlicht in juris, s. dort insbesondere Rdnr. 11.
53Diese fehlende Verbindlichkeit der Subsidiaritätsregel für die Ausübung des Hebesatzrechtes durch die Gemeinde gilt nicht nur bezüglich der speziellen Entgelte, sondern auch bezüglich der in § 77 Abs. 2 GemO (am Ende) genannten „sonstigen Finanzmittel“. Zu Letzteren dürften auch eventuelle Regress-/Amtshaftungsansprüche gegen „untreue“ Organe der Beklagten zählen, auf die der Kläger abhebt.
54Besteht kein Nachrang der Grundsteuerfinanzierung gegenüber der Finanzierung aus speziellen Entgelten für erbrachte Leistungen oder aus sonstigen Finanzmitteln, darf die Beklagte die Frage, ob und in welchem Umfang sie ihren Finanzbedarf aus der Grundsteuer decken will, bevor sie die Finanzierungsmöglichkeit aus speziellen Entgelten oder aus sonstigen Finanzmitteln ausgeschöpft hat, nach Zweckmäßigkeitserwägungen beantworten.
55b.
56(Zu den steuerrechtlichen Anforderungen)
57Die Hebesatzregelung genügt aber auch den steuerrechtlichen Anforderungen einschließlich der bei der Steuernormgebung zu beachtenden grundrechtlichen Bindungen.
58Die Hebesatzregelung hält sich zum einen im Rahmen der speziell dem Grundsteuerrecht zu entnehmenden Anforderungen.
59Einen grundsteuergesetzlich vorgeschriebenen Höchstsatz gibt es nicht, da der Landesgesetzgeber von dieser Möglichkeit nach § 26 GrStG keinen Gebrauch gemacht hat. Auf die Frage, wie hoch die Grundsteuer in anderen Gemeinden ist, kommt es auch nicht an. Die Gemeinden sind weder verpflichtet, sich an die Hebesätze anderer Gemeinden zu halten, noch sind sie an den Landesdurchschnitt der Hebesätze gebunden.
60S. zur Unerheblichkeit des interkommunalen Vergleichs für die Höhe von Abfallgebühren: BVerfG, Beschluss vom 23. November 1988 - 2 BvR 1619/83 -, BVerfGE 79, 127, 151 f; die Unerheblichkeit für einen Grundsteuerhebesatz von 590 vom Hundert bestätigend: VG Gelsenkirchen, Urteil 19. Mai 2011 – 5 K 3622/10 -, Gemeindehaushalt, 2011, 167; vgl. auch Troll/Eisele, Grundsteuergesetz, 2010, § 25 Rn. 4.
61Die Frage, ob und in welchem Umfang eine Gemeinde gerade die – hier in Rede stehende – Grundsteuer B als Ertragsquelle oder andere steuerliche Quellen ausschöpfen will, um ihre o.g. haushaltsrechtlichen Ausgleichspflichten zu erfüllen, unterliegt im hier gegebenen Finanzbedarfsfalle ihrer weitgehend freien, allerdings gemäß Art. 3 Abs. 1 GG gleichheitssatzgerecht auszuübenden Beurteilung, die sich nach Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten richten darf. Denn das Hebesatzrecht nach dem Grundsteuergesetz dient – wie bereits oben dargelegt – der Sicherung einer angemessenen Finanzausstattung der Gemeinden und soll es ihnen ermöglichen, ihre Einnahmen durch Anhebung des Hebesatzes an ihren Finanzbedarf anzupassen sowie Unterschiede in der Belastung und in der Ergiebigkeit der ihnen zugewiesenen Steuerquellen auszugleichen, um auch angesichts wachsender Haushaltslasten handlungsfähig zu bleiben. Aus diesem Zweck des Hebesatzrechts folgt zugleich, dass das Grundsteuergesetz einer Erhöhung des Hebesatzes von einem Jahr auf das andere auch keine „prozentuale Beschränkung“ in dem Sinne auferlegt, dass sich die Erhöhung etwa an einer „allgemeinen Inflationsrate“ oder einer „durchschnittlichen Einkommenssteigerung“ o.ä. zu orientieren hätte.
62Vor diesem Hintergrund ist es nicht zu beanstanden, dass die Beklagte sich entschieden hat, ihren (gegebenen, erhöhten) Finanzbedarf durch Anhebung des Hebesatzes der Grundsteuer B um ca. 30 % auf 784 % zu decken.
63Daran änderte es nichts, dass die Beklagte sich zur Deckung des erhöhten Finanzbedarfs entschieden hat, nur den Hebesatz der Grundsteuer B und nicht auch den der Grundsteuer A und/oder den der Gewerbesteuer anzuheben oder eine andere ihr zustehende Steuer zu erhöhen oder ev. neu einzuführen. Anhaltspunkte dafür, dass eine Konzentration ihrer Bemühungen um steuerliche Ertragserhöhungen auf die Grundsteuer B vor dem Gleichheitssatz, der fordert, Gleiches nicht ohne hinreichend gewichtigen Grund ungleich zu behandeln,
64vgl. Jarass/Pieroth, Kommentar zum Grundgesetz, 12. Auflage, 2012, zu Art. 3 GG, Rdnrn.14 f., m.w.N. aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts,
65nicht gerechtfertigt sein könnte, sind nicht ersichtlich. Denn die Entscheidung der Beklagten, ihre verschiedenen Steuerquellen zur Deckung des erhöhten Finanzbedarfs unterschiedlich zu beanspruchen, rechtfertigt sich vor dem Gleichheitssatz mit Blick auf das der Gemeinde nach dem Zweck des Hebesatzrechts zuzugestehende Recht, nach Zweckmäßigkeitserwägungen zu entscheiden, die sich etwa auf Tragkraft und Ergiebigkeit der Steuerquellen oder auf die Abwägung der mit bestimmten Steuererhöhungen verbundenen weiteren Folgen (Stichwort: Gewerbesteuersätze im Umfeld von Standortkonkurrenzen) erstrecken können.
66Besteht nach dem oben zu a. Dargelegten kein Nachrang der Grundsteuerfinanzierung gegenüber der Finanzierung aus speziellen Entgelten für erbrachte Leistungen (zu diesen Leistungsentgelten zählen insbesondere Benutzungsgebühren), darf die Beklagte schließlich auch die Frage, ob und in welchem Umfang sie ihren Finanzbedarf aus der Grundsteuer decken will, bevor sie die Finanzierungsmöglichkeit aus speziellen Entgelten ausgeschöpft hat, nach Zweckmäßigkeitserwägungen beantworten.
67Die Hebesatzregelung genügt ferner auch allgemein steuerrechtlichen Anforderungen.
68Auch nach allgemeinen steuerlichen Grundsätzen ist der der Gemeinde durch § 25 Abs. 1 GrStG eingeräumte Entscheidungsspielraum bei der Bestimmung der Höhe des Hebesatzes im Sinne einer steuerlichen Gestaltungsfreiheit weit gespannt, so dass sich der Normgeber (z. B.) von finanzpolitischen, volkswirtschaftlichen, sozialpolitischen oder steuertechnischen Erwägungen leiten lassen kann.
69Vgl. BVerfG, Urteil vom 10. Februar 1987, BVerfGE 74, 182, 200.
70Der allgemeine Entscheidungsspielraum des Steuergesetzgebers wird durch das Gebot einer rechtsstaatlichen, grundrechtsgebundenen Steuerpolitik (Art. 1 Abs. 3, Art. 20 Abs. 3 GG) begrenzt. Danach darf eine (gleichheitssatzgerecht ausgestaltete) Steuer die Steuerpflichtigen nicht übermäßig belasten und ihre Vermögensverhältnisse nicht grundlegend beeinträchtigen; sie darf also mit anderen Worten nicht zu einer – grundrechtlich unzulässigen (Art. 2 Abs. 1, Art. 12 und/oder Art. 14 GG), konfiskatorischen – „Erdrosselungssteuer“ werden. Diese Anforderung steht einer „uferlosen“ Erhöhung des Hebesatzes entgegen. Von einer erdrosselnden Wirkung einer Steuer kann allerdings erst dann gesprochen werden, wenn nicht nur ein einzelner Steuerpflichtiger, sondern die Steuerpflichtigen ganz allgemein unter normalen Umständen die Steuer nicht mehr aufbringen können. Dies ist vorliegend wegen der nach wie vor überschaubaren absoluten Höhe der Grundsteuer nicht anzunehmen.
71Vgl. zu deren Maßgeblichkeit: VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 27. Juni 2005 - 2 S 1313/04 – DStRE 2005, 1224.
72Dass die Entscheidung der Beklagten über den örtlichen Grundsteuer-Hebesatz gegen die Charta der Grundrechte der Europäischen Union verstoßen sollte, erschließt sich dem Gericht nicht. Nach Art. 51 Abs. 1 S. 1 Grundrechte-Charta gilt die Charta für die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union unter Wahrung des Subsidiaritätsprinzips und für die Mitgliedstaatenausschließlich bei der Durchführung des Rechts der Union. Bei der Ausübung des gemeindlichen Hebesatzrechts für die Grundsteuer wird aber kein Recht der Union durchgeführt. Denn es handelt sich bei der Grundsteuer um eine direkte Steuer, für die es keine harmonisierenden Regeln der EU gibt,
73vgl. zum Stand der Harmonisierung direkter Steuern (Rechtsgrundlage Art. 114 Abs. 2, 115 AEUV): Oppermann, Europarecht, 3. Auflage, 2005, § 17 III Nr. 3 (Rn. 35 ff.) und Wernsmann in Schulze/Zuleeg/Kadelbach, Europarecht, Handbuch für die deutsche Rechtspraxis, 3. Auflage, 2015, § 30 Rn. 66 ff.,
74zu deren „Durchführung“ es normativer oder administrativer Akte der Umsetzung durch die Mitgliedstaaten bedürfte (sog. „Agency-Situation“).
75Vgl. zu dem auf derartige Umsetzungsmaßnahmen bezogenen „Durchführungsbegriff“: Bobrowsky in Meyer, Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 3. Auflage, 2011, zu Art. 51, Rn 24 und 26 ff.; vgl. zur „Agency-Situation“: Haltern, Europarecht, 2005, § 9, S. 447 ff.
76Offen bleiben kann, ob der Begriff der „Durchführung“ auch mitgliedstaatliche Maßnahmen im Anwendungsbereich der EU-Grundfreiheiten betrifft, deren Rechtmäßigkeit der EuGH nach seiner vor Inkrafttreten der Grundrechte-Charta entfalteten Rechtsprechung unter bestimmten Voraussetzungen auch an den Gemeinschaftsgrundrechten gemessen hat (sog. „ERT-Situation“). Dagegen dürfte sprechen, dass Art. 51 Grundrechte-Charta auf diese Auffassung einschränkend einwirken sollte.
77Vgl. dazu Bobrowsky in Meyer, Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 3. Auflage, 2011, zu Art. 51, Rn 24 und 26 ff.; vgl. zur „ERT-Situation“: Haltern, Europarecht, 2005, § 9, S. 449 ff.
78Vor dem Hintergrund, dass die EU-Grundfreiheiten dem Schutz vor (sachlich unberechtigten) Beschränkungen und Diskriminierungen dienen,
79vgl. Oppermann, Europarecht, 3. Auflage, 2005, § 19 I Nr. 2 (Rn. 3.),
80bezog sich die hier in Rede stehende Rechtsprechung des EuGH jedenfalls nur auf mitgliedstaatliche Maßnahmen, durch die die EU-Grundfreiheiten unter Berufung auf europarechtsimmanente Ausnahmeklauseln beschränkt werden sollten, d.h. mit anderen Worten auf Maßnahmen, die geeignet sind, die Ausübung einer Grundfreiheit zu behindern.
81Vgl. in diesem Sinne: Bobrowsky in Meyer, Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 3. Auflage, 2011, zu Art. 51, Rn 24 und 29, sowie EuGH C-260/89, Rn. 42,43 (bzgl. Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit unter Berufung auf europarechtliche Ausnahmeregelungen).
82Vor diesem Hintergrund spricht auch folgende Erwägung dagegen, dass die Beklagte bei der Festlegung des Hebesatzes Recht der Union im Sinne des Art. 51 Abs. 1 Grundrechte-Charta „durchgeführt“ hat. Da die Beklagte für alle besteuerbaren Grundstücke im Sinne des § 2 Nr. 2 GrStG einen einheitlichen Hebesatz festgelegt hat, erscheint diese Maßnahme nicht geeignet, die Ausübung einer Grundfreiheit diskriminierend zu behindern. Denn es besteht infolgedessen kein Anlass für die Annahme, die in der Festlegung eines solchen Hebesatzes gelegene Maßnahme sei nicht diskriminierungsfrei (Art. 18, 110 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union – Lissabon – AEUV) oder sei nicht „wettbewerbsneutral“ in dem Sinne, dass sie nicht beschränkend in die vier Grundfreiheiten des Binnenmarktes (Art. 26 Abs. 2 AEUV – freier Verkehr von Waren (Art. 28 ff. AEUV), Personen (Art. 45 ff. AEUV), Dienstleistungen (Art. 56 ff. AEUV) und Kapital (Art. 63 ff. AEUV)) eingreift. Ebenso wenig besteht Anlass zu der Annahme, dass diese Maßnahme nicht „freizügigkeitsneutral“ sei (Art. 21 AEUV) oder nicht „beihilfeneutral“ in dem Sinne sei, dass sie als solche nicht gegen das Beihilfeverbot (Art. 107 AEUV) verstößt.
83Vgl. zur Bedeutung dieser Gesichtspunkte bei der europarechtlichen Prüfung der Erhebung direkter Steuern auch: Wernsmann in Schulze/Zuleeg/Kadelbach, Europarecht, Handbuch für die deutsche Rechtspraxis, 3. Auflage, 2015, § 30 Rn. 77 und 121 f. sowie Oppermann, Europarecht, 3. Auflage, 2005, § 17 III Nr. 3 (Rn. 32).
84Damit fehlt es an einem hinreichenden europarechtlichen Bezug, der die Anwendung der Grundrechte-Charta rechtfertigen könnte.
85Mit der Hebesatzfestlegung ist entgegen der klägerischen Auffassung auch keine (entschädigungspflichtige) Enteignung im Sinne des Art. 14 Abs. 3 GG verbunden. Denn die mit der gemeindlichen Hebesatzfestsetzung indirekt verbundene Begründung einer Abgabenzahlungspflicht ist als allgemeine Vermögensbelastung nicht auf die vollständige oder teilweise Entziehung einer konkreten subjektiven Eigentumsposition im Sinne des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG zur Erfüllung bestimmter öffentlicher Aufgaben gerichtet.
86Vgl. zum Enteignungsbegriff des Art. 14 GG: Jarass in Jarass/Pieroth, Kommentar zum Grundgesetz, 13. Auflage, 2014, zu Art. 14, Rn. 75, mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts.
87Nach allem hat die Beklagte die angefochtene Grundsteuerforderung gegenüber dem Kläger, dem das Steuerobjekt zugerechnet ist und der daher gemäß § 10 Abs. 1 GrStG Steuerschuldner ist, also zu Recht festgesetzt.
88Der Kläger kann gegen diese Steuerforderung auch nicht die von ihm behauptete Schadensersatzforderung gegen die Beklagte aufrechnen. Dem steht § 226 Abs. 3 Abgabenordnung (AO) entgegen, der gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 5 i.V.m. § 3 Abs. 3 AO auf die Grundsteuer entsprechend anwendbar ist. Nach § 226 Abs. 3 AO kann der Steuerpflichtige gegen Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis nämlich nur mit unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Gegenansprüchen aufrechnen. Der von dem Kläger geltend gemachte Schadensersatzanspruch ist aber weder rechtskräftig festgestellt noch unbestritten.
89An dieser Stelle sei zur Vermeidung weiterer Streitigkeiten darauf hingewiesen, dass dem Kläger ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte wegen des behaupteten treuwidrigen Verhaltens bei der „Bewirtschaftung“ des gemeindlichen Haushalts und Vermögens nicht zustehen dürfte. Der Kläger geht bei der Herleitung seines vermeintlichen Schadensersatzanspruches von der rechtlichen Fehlvorstellung aus, dass alle Einwohner einer Gemeinde eine zivilrechtliche Gesamthandsgemeinschaft bildeten, als solche selbst unmittelbar Träger der Vermögensrechte und -pflichten der Gemeinde wären und für deren Schulden mit ihrem privaten Vermögen hafteten; daraus zieht der Kläger die Schlussfolgerung, dass die Treuepflichten der Organe der Beklagten bei der „Bewirtschaftung“ des gemeindlichen Haushalts und Vermögens nicht (nur) unmittelbar der Beklagten gegenüber, sondern (auch) unmittelbar gegenüber jedem Einwohner persönlich bestünden. Das ist aber nicht der Fall. Gemeinden sind Gebietskörperschaften des öffentlichen Rechts (§ 1 Abs. 2 GO) und damit als juristische Person des öffentlichen Rechts selbst Träger von (Vermögens-) Rechten und (Vermögens-)Pflichten. Die Einwohner einer Gemeinde haften daher entgegen der klägerseitigen Annahme nicht mit ihrem Privatvermögen für deren Schulden.
90Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
91Die Berufung war nicht zuzulassen, weil die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4 VwGO nicht vorliegen (§ 124 a Abs. 1 VwGO).
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.