Verwaltungsgericht Koblenz Urteil, 02. März 2017 - 4 K 1111/16.KO

ECLI:ECLI:DE:VGKOBLE:2017:0302.4K1111.16.KO.0A
bei uns veröffentlicht am02.03.2017

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Tenor

Der Bescheid des Beklagten vom 1. März 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Kreisrechtsausschusses des Beklagten vom 26. Juli 2016 wird aufgehoben. Der Beklagte wird verpflichtet, die Schülerbeförderungskosten zum A.-Gymnasium in B. für das Schuljahr 2016/2017 zu übernehmen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch den Kläger durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Übernahme von Schülerbeförderungskosten.

2

Der Kläger ist wohnhaft in B., Stadtteil C., D.-Straße ... und besucht seit dem Schuljahr 2016/2017 die 5. Klasse des A.-Gymnasiums in B. Er beantragte am 18. Februar 2016 die Übernahme der Schülerbeförderungskosten.

3

Mit Bescheid vom 1. März 2016 lehnte der Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, dass der Schulweg zum nächstgelegenen E.-Gymnasium unter der 4-km-Grenze des § 69 Abs. 2 S. 1 Schulgesetz (SchulG) liege und auch keine besondere Gefährlichkeit aufweise, so dass eine Übernahme der Schülerbeförderungskosten nicht in Betracht komme.

4

Seinen Widerspruch vom 4. März 2016 begründete der Kläger im Wesentlichen damit, dass der Schulweg zum tatsächlich von ihm besuchten A.-Gymnasium die 4-km-Grenze ebenso überschreite wie der Schulweg zum nächstgelegeneren E.-Gymnasium. Darüber hinaus sei der Schulweg aufgrund der Überquerung der F.-Straße und G.-Straße ohne entsprechende Ampelanlagen oder Zebrastreifen besonders gefährlich und deshalb unzumutbar. Letztlich komme vorliegend auch die Ausnahme des § 69 Abs. 3 S. 3 SchulG in Betracht, wonach Wegunterschiede bis zu fünf Kilometern bei der Feststellung der nächstgelegenen Schule außer Betracht blieben.

5

Am 26. Juli 2016 legte der Beklagte eine neue Wegstreckenberechnung für den Schulweg des Klägers über die Straße „H.-Allee" und über die rechte Seite der I. Straße mit Überquerung im Bereich der J. Straße vor. Hieraus ergibt sich eine Wegstrecke von 3.950 Meter.

6

Mit Widerspruchsbescheid vom 26. Juli 2016 wies der Kreisrechtsausschuss des Beklagten den Widerspruch zurück. Er führte zur Begründung im Wesentlichen aus, das hier zu betrachtende nächstgelegene Gymnasium für den Kläger stelle das E.-Gymnasium, Im K. ... in B. dar. Der zu berücksichtigende Schulweg sei hierbei die zumutbare kürzeste Wegstrecke zwischen der Wohnung des Schülers und dem Schulgrundstück. Als Schulweg werde im Folgenden der Weg von der D.-Straße, über die Straße H.-Allee, über die Straße „In der L." über die F.-Straße und sodann Überquerung der I. Straße im Bereich der J. Straße zu Grunde gelegt. Der Fußweg zu dem nächstgelegenen E.-Gymnasium belaufe sich entsprechend dem vorliegenden Auszug aus den Geobasisdaten der Vermessungs- und Katasterverwaltung Rheinland-Pfalz auf 3.950 Meter, so dass die 4-km-Grenze im Fall des Klägers, wenn auch knapp, nicht erreicht werde. Die Ausführungen des Klägers, der Schulweg zum E.-Gymnasium über die rechte Seite der I. Straße belaufe sich auf mehr als 4 km, seien nicht nachvollziehbar. Es bleibe vom Grundsatz her Aufgabe der Eltern, die Beförderung ihrer Kinder zur Schule faktisch sowie wirtschaftlich sicherzustellen und die damit verbundenen Kosten als Teil des allgemeinen Lebensaufwandes zu tragen. Sofern der kürzeste Schulweg nicht länger als 4 km sei, sollten Landkreise und kreisfreie Städte nach § 69 Abs. 2 SchulG nur dann für die Beförderung der Schüler Sorge tragen, wenn dieser ausgewählte Weg besonders gefährlich sei. Nach der Rechtsprechung könne sich diese Gefährlichkeit aus Gefahren des Straßenverkehrs oder aus sittlich-kriminellen Gründen ergeben. Ein Schulweg sei nur dann „besonders" gefährlich, wenn objektiv konkrete Umstände die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts über die üblichen Risiken hinaus, denen Schüler auf dem Weg zur Schule insbesondere im Straßenverkehr ausgesetzt seien, als überdurchschnittlich hoch erscheinen ließen. Die zuständige Polizeiinspektion B. habe mit Schreiben vom 26. April 2016 sowie vom 22. Juni 2016 das Vorliegen einer besonderen Gefährlichkeit auf den einzelnen Wegstrecken, insbesondere auch für die hier noch strittige Überquerung der F.-Straße verneint. So stehe ein Fahrbahnteiler zur Verfügung, der trotz hohen Verkehrsaufkommens das Überqueren der Fahrbahn ermögliche. Im Winter könne durch entsprechende Reflektoren-Kleidung Vorsorge für die Sichtbarkeit getroffen werden. Dass die Polizei hier eine Auswertung der Unfallstatistiken als Grundlage zur Beurteilung der Gefährlichkeit herangezogen habe, stelle sich nicht als fehlerhaft dar. Sicherlich sei hier nicht alleine eine Unfallstatistik heranzuziehen, um zu beurteilen, ob der Schulweg eine besondere Gefährlichkeit aufweise, jedoch vermöge die Tatsache, dass es auf dem gesamten Schulweg des Klägers noch zu keinem Unfall mit Personenschaden gekommen sei, bereits als ein Indiz zu sehen sein, dass eine besondere Gefährlichkeit auf dem Schulweg nicht gegeben sei. Darüber hinaus sprächen auch die sonstigen objektiven Gegebenheiten nicht für die Annahme einer solchen Gefährlichkeit. So sei bereits nicht der kürzere Weg über das Waldstück oder das Teilstück über die Straße „M." gewählt, welche von dem Kläger als besonders gefährlich beschrieben worden seien, sondern es sei die angenehmer zu bestreitende Wegstrecke über die beleuchtete, nur für Fußgänger zugängliche H.-Allee zu Grunde gelegt worden. Letztlich werde im Bereich der N. Straße / I. Straße berücksichtigt, dass der Kläger den ungefährlicheren Weg auf der rechten Seite der I. Straße wählen könne. Die angeführte Ausnahmeregelung des § 69 Abs. 3 S. 3 SchulG, wonach bei der Festlegung der nächstgelegenen Schule Wegunterschiede bis zu fünf Kilometern außer Betracht blieben, komme nicht zum Tragen. Die Anwendung dieser Regelung würde voraussetzen, dass eine Übernahme der Kosten grundsätzlich erfolge, d.h. dass der Schulweg zum nächstgelegenen E.-Gymnasium entweder die 4-km-Grenze überschreite oder aber eine besondere Gefährlichkeit aufweisen würde, was vorliegend jedoch nicht der Fall sei.

7

Mit Telefax vom 26. August 2016 hat der Kläger Klage erhoben und führt ergänzend aus, aufgrund des § 69 Abs. 3 S. 3 SchulG komme es nicht auf die Entfernung zum näher gelegenen E.-Gymnasium (mehr als 4 km), sondern auf die Entfernung zum A.-Gymnasium (5,2 km) an. Eine zumutbare Überquerung der F.-Straße sei nicht möglich, es gebe weder eine Ampelanlage noch einen Zebrastreifen. Es handele sich um eine vielbefahrene Straße, auf der insbesondere morgens in dem Zeitfenster 07:00 und 08:00 Uhr dichtester Berufsverkehr herrsche. Es existiere lediglich im Bereich „In der L." ein Fahrbahnteiler. Die Verkehrssituation dort sei je nach Jahreszeit sehr unterschiedlich. In den Sommermonaten könne die F.-Straße an der Stelle unproblematisch überquert werden, weil die Autofahrer anhielten und ein Überqueren der Straße ermöglichten. In den Wintermonaten bei Dunkelheit und schlechter Sicht sei die Situation hier jedoch eine vollkommen andere. Die Autofahrer hielten nicht an, weil sie aufgrund der Dunkelheit nicht bemerkten, dass ein Überqueren der Straße beabsichtigt sei. Hieran änderten auch entsprechende Reflektoren an den Kleidern oder den Schulranzen der Kinder nichts. Bei schlechter Witterung in den Wintermonaten in dem entscheidenden Zeitfenster zwischen 7:00 und 8:00 Uhr herrsche an der maßgeblichen Stelle in der F.-Straße so dichter Verkehr, dass Auto an Auto, Stoßstange an Stoßstange, den Bereich passiere. Ein Überqueren der Straße zu diesem Zeitpunkt sei auch für Erwachsene kaum und nur mit erheblichen Gefahren möglich. Zudem seien die auf dem Fahrbahnteiler angebrachten Verkehrsschilder in einer Höhe angebracht, dass diese Kinder, die auf dem Fahrbahnteiler stünden, verdeckten. Der verkehrsrechtlichen Stellungnahme der Polizeiinspektion B. vom 26. Januar 2017 könne insoweit nicht gefolgt werden. Wenn es dort tatsächlich bisher nicht zu Unfällen gekommen sein sollte, möge dies auf glücklichen Umständen beruhen oder auf dem Umstand, dass der Fahrbahnteiler gemieden und von vielen Personen stattdessen der Zebrastreifen im Bereich der Einmündung F. Straße / O. Weg genutzt werde. Die Nutzung dieses Zebrastreifens führe allerdings zu einer Verlängerung des Wegs, wodurch die 4-km-Grenze überschritten werde. Im Übrigen sei der Schulweg, wie von der Beklagten dargestellt, nicht 3.950 m, sondern 4.080 m lang, wie mit dem übersandten Link zu der gespeicherten Strecke nachgewiesen sei.

8

Der Kläger beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 1. März 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Juli 2016 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die Schülerbeförderungskosten für die Fahrt zum A.-Gymnasium in B. ab dem Schuljahr 2016/2017 zu übernehmen.

9

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

10

Er verweist auf den Widerspruchsbescheid und führt ergänzend aus, die Kammer habe bereits mit ihrer Entscheidung vom 18. August 2016 – 4 K 51/16.KO – klargestellt, dass die 5-km-Regelung im Sinne von § 69 Abs. 3 S. 3 SchulG nur dann anzuwenden sei, wenn die nächstgelegene Schule mehr als 4 km von der Wohnung des Schülers entfernt liege. Die fachkundige Polizeiinspektion B. habe mit Stellungnahmen vom 26. April 2016 und 22. Juni 2016 die besondere Gefährlichkeit für die Überquerung der F.-Straße verneint. Bei dem von dem Klägervertreter vorgelegten Video zur Darstellung der besonderen Gefährlichkeit der notwendigen Überquerung der F.-Straße handele es sich um eine Momentaufnahme, die sich, wie man am Ende des Videos bereits erkennen könne, zwei Minuten später wieder ganz anders darstelle. So finde kein durchgängiges Befahren der Straße über einen langen Zeitraum statt, der es dem Kläger unmöglich machen würde, die Fahrbahn zu überqueren. In dem zweiten Video sei bereits zu Beginn zu sehen, dass zwei Schüler offensichtlich problemlos die besagte Straße am Fahrbahnteiler überquerten. Bezüglich der Lichtverhältnisse sei darauf hinzuweisen, dass sich in direkter Nähe des Fahrbahnteilers eine Laterne befinde, so dass das Teilstück besonders gut beleuchtet sein dürfte. Zur hier nicht gegebenen besonderen Gefährlichkeit werde die aktuelle polizeiliche Stellungnahme der Polizeiinspektion B. vom 26. Januar 2017 vorgelegt.

11

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze und Unterlagen der Beteiligten sowie auf die beigezogenen Verwaltungs- und Widerspruchsakten verwiesen; sämtliche Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

12

Die zulässige Klage hat in der Sache Erfolg.

13

Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Gewährung von Schülerbeförderungskosten für die Fahrt zum A.-Gymnasium B. für das Schuljahr 2016/2017. Der Beklagte war danach zur Gewährung zu verpflichten und der diesen Anspruch ablehnende Bescheid des Beklagten vom 1. März 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Juli 2016 als rechtswidrig aufzuheben (§ 113 Abs. 5 S. 1 VwGO).

14

Nach § 69 Abs. 1 SchulG obliegt es dem beklagten Landkreis, für die Beförderung der Schüler zu den in seinem Gebiet gelegenen u. a. Gymnasien zu sorgen, wenn die Schüler ihren Wohnsitz in Rheinland-Pfalz haben und ihnen der Schulweg ohne Benutzung eines Verkehrsmittels nicht zumutbar ist. Gemäß Abs. 4 S. 1 der Vorschrift wird die Aufgabe vorrangig erfüllt durch die Übernahme der notwendigen Fahrtkosten für öffentliche Verkehrsmittel. Der Schulweg ist nach § 69 Abs. 2 SchulG ohne Benutzung eines Verkehrsmittels nicht zumutbar, wenn er besonders gefährlich ist oder wenn der kürzeste nicht besonders gefährliche Fußweg zwischen Wohnung und Gymnasium länger als 4 km ist.

15

Der kürzeste hier zu berücksichtigende Fußweg zwischen der Wohnung des Klägers und der hier nächstgelegenen Schule, dem E.-Gymnasium (B., Im K. ...), ist länger als 4 km.

16

Nach dem von dem Beklagten vorgelegten Ausdruck aus dem Geoportal Rheinland-Pfalz beträgt der von der Beklagten vorgeschlagene und zwischen den Beteiligten diskutierte Weg 3.950 m zwischen der Wohnung und dem E.-Gymnasium. Hierbei ist nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichts (vgl. Urteil vom 19. Juli 2012 – 7 K 243/12.KO –) nicht auf das Schulgebäude (Hauptgebäude), sondern auf den Eingang zum Schulgelände des E.-Gymnasiums (hier konkret: in der Straße „Im K.“) abzustellen, da der Schulweg mit Betreten des Schulgeländes endet. Die vom Kläger vorgelegte Wegestrecke beträgt nach dem im Internet hinterlegten Link genau 4.034 m und geht ca. 50 m über den Eingang zum Schulgelände hinaus bis zu einem dort vorhandenen Parkplatz und kann damit nicht die Länge von mehr als 4 km nachweisen. Der Beklagte legt dem von ihm favorisierten Schulweg zugrunde, dass der Kläger die F.-Straße in Höhe der Überquerungshilfe F.-Straße in Höhe des Hauses Nr. 27 überquert und nicht den Fußgängerüberweg im Einmündungsbereich O. Weg / F.-Straße nutzt, welcher eine Verlängerung des Schulweges um ca. 190 m bedeuten würde (damit mehr als 4.100 m lang).

17

Insoweit kann dahingestellt bleiben, ob die Überquerungshilfe im Bereich der F.-Straße 27 als besonders gefährlich anzusehen wäre, was sich in erster Linie aus Gefahren des Straßenverkehrs oder aus sittlich-kriminellen Gründen ergeben kann (vgl. VG Koblenz, Urteile vom 24. Mai 2011 - 7 K 1327/10.KO - und vom 22. September 2009 - 7 K 1421/08.KO -; VG Neustadt/Weinstraße, Urteil vom 22. April 2004 - 2 K 3267/03.NW-; BayVGH, Urteil vom 17. Februar 2009 - 7 B 08.1027 -, zitiert nach juris). Auch die Richtlinien des Beklagten über die Schülerbeförderung weisen unter Nummer 3.3 in Verbindung mit Nummer 12 in zutreffender Gesetzesauslegung auf die beiden genannten Fallgruppen hin. Aus den Stellungnahmen der Polizeiinspektion B., zuletzt vom 26. Januar 2017 ist eine besondere Unfallhäufung im Bereich der Überquerungshilfe F.-Straße nicht erkennbar, auch für die weitere Strecke werden keine besonderen Gefahren berichtet.

18

Im Hinblick auf die besonderen Umstände im Bereich O. Weg / F.-Straße geht die Kammer davon aus, dass der Kläger sachgerecht den Fußgängerüberweg O. Weg in der Nähe des Einmündungsbereichs zur F.-Straße nutzt, um auf diesem Weg seinen Schulweg fortzusetzen. Ein Schüler darf eine sichere und für ihn mit Vorrang versehene Überquerungsmöglichkeit einer Überquerungshilfe (ohne Vorrang) vorziehen, wenn sie in deren Nähe liegt und zudem – wie hier im Hinblick auf den starken Verkehr – mit erheblichen Wartezeiten an der Überquerungshilfe zu rechnen ist. Die besonderen Umstände ergeben sich aus folgenden Überlegungen:

19

Die G. Straße/ F.-Straße ist eine Landestraße (L 255) mit einer überdurchschnittlichen Verkehrsbelastung und führt von der B 42 kommend in das W. Tal. Die K 116 mündet etwa 65 m nördlich der oben beschriebenen Überquerungshilfe (in Höhe F.-Straße 27) in die L 255. Die K 116 verbindet die L 255 mit der B 256 (kreuzungsfreie Abfahrt) und mit dem Stadtteil P. Der Einmündungsbereich F.-Straße /O. Weg ist so ausgestaltet, dass von der von Süden kommenden L 255 die Vorfahrtstraße in die K 116 (O. Weg) führt und die in das W. Tal weiterführende F.-Straße hiervon abzweigt. Für den Bereich der L 255 bis zur Einmündung der K 116 (O. Weg) hat der Landesbetrieb Mobilität Dienststelle Cochem-Koblenz folgende Verkehrsbelastung pro Tag im Jahr 2015 festgestellt: durchschnittliche tägliche Verkehrsstärke (DTV) 10.067 Fahrzeuge, davon 3.480 Schwerlastfahrzeuge (im Jahr 2005: DTV 12096 Fahrzeuge, davon 558 Schwerlastfahrzeuge). Die zulässige Geschwindigkeit in diesem Bereich beträgt 50 km/h. Die Verkehrsbelastung der L 255 ist in diesem Bereich sehr hoch und liegt weit über den Werten, bei denen i.d.R. ein Fußgängerüberweg angeordnet wird. Nach den hier anzuwendenden Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen – RASt Ausgabe 2006 – (der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, veröffentlicht im Erich Schmidt-Verlag, dort insbesondere Abbildung 77) und Richtlinien für die Anlage und Ausstattung von Fußgängerüberwegen – R-FGÜ 2001 – (veröffentlicht im Verkehrsblatt 2001, Heft 21, mit Einführungsschreiben des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen vom 22. Oktober 2001) ist hier von einem Stundenmittel für die stärksten Stunden von mehr als 1000 Fahrzeugen auszugehen (10 % des DTV). Eine nach der R-FGÜ 2001 bei einer Fußgängeranzahl von mindestens 50 Personen pro stärkster Stunde naheliegende Anordnung eines Überweges im Bereich der Überquerungshilfe F.-Straße 27 ist jedoch nicht angezeigt. Denn die Entfernung von der genannten Überquerungshilfe bis zum Fußgängerüberweg im O. Weg beträgt lediglich ca. 80 m. Dieser Fußgängerüberweg kann insbesondere auch den Verkehr zu der nahegelegenen Grundschule an der W. in C. aufnehmen, der von dem Wohngebiet südlich des O. Wegs zu erwarten ist. Im Hinblick auf die örtliche Situation ist davon auszugehen, dass bei starkem Fahrzeugverkehr die Fußgänger zu ihrer eigenen Sicherheit den naheliegenden Fußgängerüberweg O. Weg nutzen.

20

Nutzt der Kläger diesen Fußgängerüberweg (mit Vorrang nach § 26 Abs. 1 StVO), kann er die dort erheblich weniger befahrene F.-Straße im Einmündungsbereich überqueren (mit dem Vorrang nach § 9 Abs. 3 S. 3 StVO gegenüber abbiegenden Fahrzeugen und unter Nutzung einer breiten Mittelinsel). Bei einer Belastung mit mehr als 1000 Fahrzeugen pro Stunde (= fast 17 Fahrzeugen pro Minute, d.h. weniger als alle 4 Sekunden ein Fahrzeug) in der hier zu beachtenden Hauptverkehrszeit ist nicht damit zu rechnen, dass regelmäßig größere Lücken zwischen den Fahrzeugen entstehen, die ein zügiges Nutzen der Überquerungshilfe ermöglichen könnten. Dies legen auch die von dem Kläger vorgelegten und dem Beklagten bekannten Videosequenzen nahe. Damit sind erhebliche Wartezeiten an der Überquerungshilfe zu erwarten, so dass sich für einen Schüler der Umweg über den mit Vorrang (wie dargelegt) benutzbaren Fußgängerüberweg im O. Weg auch zeitlich lohnen dürfte. Für die ca. 190 m „Umweg“ dürfe ein Schüler in dem hier betroffenen Alter nicht mehr als 2 1/2 Minuten brauchen. Im Übrigen ist gerichtsbekannt, dass in unmittelbarer Nähe (80 m) zu einem Fußgängerüberweg die Kraftfahrer wenig Verständnis für eine Überquerung der Straße außerhalb dieses Überweges an den Tag legen werden, so dass ihre Anhaltebereitschaft i.d.R., außer bei stockendem Verkehr, gering sein dürfte. Bei einer Überquerungshilfe besteht jedoch, anders als bei einmündenden Straßen oder bei Fußgängerüberwegen, keine Pflicht zum Anhalten. Zudem zeigen die Videobilder, dass die auf der Mittelinsel der Überquerungshilfe angebrachten Verkehrsschilder Zeichen 222 der Anlage 2 zur StVO tatsächlich geeignet sind, dort stehende Kinder wegen ihrer geringeren Größe zu verdecken. Im Übrigen sind Fußgängerüberwege nach Nr. 3 R-FGÜ 2001 besonders zu gestalten, zu beschildern, zu markieren und dort soll auch eine von der durchgehenden Straßenbeleuchtung abweichende Lichtfarbe für die zwingend erforderliche Beleuchtung verwendet werden, wobei die Beleuchtung sowohl die Fahrbahn als auch die Wartebereiche erfassen muss. Dies unterscheidet sie insbesondere in der dunklen Jahreszeit erheblich von einer Querungshilfe, welche allenfalls – wie hier – durch die reguläre Straßenbeleuchtung erhellt wird. Weiterhin ist hier auch die Rechtsprechung der Zivilgerichte zur Haftung zu berücksichtigen. Danach muss ein Fußgänger beim Überqueren einer Fahrbahn außerhalb geschützter Stellen besonders sorgfältig sein, denn auf der Fahrbahn hat grundsätzlich der Fahrzeugverkehr Vorrang. Der Fußgänger muss sowohl beim Betreten als auch beim Queren der Fahrbahn besonders vorsichtig sein und darf im Falle der Annäherung eines Kraftfahrzeuges nicht versuchen, noch vor diesem die Straße zu überqueren (vgl. KG Berlin, Beschluss vom 4. April 2011 – 12 U 105/10 –, juris). Querungshilfen oder Fußgängerfurten stellen nach dieser Rechtsprechung keine geschützten Stellen dar. Darüber hinaus schützt auch das Strafrecht den Vorrang nach § 26 StVO, da grob verkehrswidriges und rücksichtsloses Falschfahren an Fußgängerüberwegen im Sinne des § 26 StVO eine Straßenverkehrsgefährdung nach § 315c Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe c StGB darstellt (BGH, Beschluss vom 21. Mai 2015 – 4 StR 164/15 –).

21

Kann danach der nach § 69 SchulG maßgebliche Schulweg – mangels anderer im Verfahren genannter Alternativrouten – nur mit dem Fußgängerüberweg O. Weg gedacht werden, so ist er mehr als 4 km lang. Die von dem Kläger aktuell besuchte Schule (hier das A.-Gymnasium, Schulweg ca. 5,2 km) wird im Hinblick auf den Schulweg mit den nach Schulart und Schulform identischen Schulen verglichen (§ 69 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 S. 2 SchulG). Liegt die nächstgelegene Schule (hier das E.-Gymnasium) mehr als 4 km von der Wohnung des Schülers entfernt, so ist Fahrkostenerstattung auch dann zu gewähren, wenn die besuchte Schule bis zu 5 km weiter als die nächstgelegene Schule von der Wohnung entfernt liegt (§ 69 Abs. 3 S. 3 SchulG).

22

Nach alledem war der Beklagte im Hinblick auf die Regelung des § 8 Abs. 8 S. 1 der Satzung des Beklagten über die Schülerbeförderung zunächst nur für das hier beantragte Schuljahr 2016/2017 zu verpflichten, die beantragte Schülerbeförderungskosten zu übernehmen. Für die Folgejahre gilt § 8 Abs. 8 S. 2 ff. der Satzung des Beklagten und § 69 Abs. 3 S. 4 SchulG.

23

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit wegen der Kosten folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 1.638,- € festgesetzt (§ 52 Abs. 3 S. 2, § 63 Abs. 2 GKG unter Berücksichtigung von Nr. 1.6 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013, LKRZ 2014, 169 im Hinblick auf § 8 Abs. 8 S. 2 ff. der Satzung des Beklagten und § 69 Abs. 3 S. 4 SchulG).

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 63 Wertfestsetzung für die Gerichtsgebühren


(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anh

Straßenverkehrs-Ordnung - StVO 2013 | § 9 Abbiegen, Wenden und Rückwärtsfahren


(1) Wer abbiegen will, muss dies rechtzeitig und deutlich ankündigen; dabei sind die Fahrtrichtungsanzeiger zu benutzen. Wer nach rechts abbiegen will, hat sein Fahrzeug möglichst weit rechts, wer nach links abbiegen will, bis zur Mitte, auf Fahrbahn

Straßenverkehrs-Ordnung - StVO 2013 | § 26 Fußgängerüberwege


(1) An Fußgängerüberwegen haben Fahrzeuge mit Ausnahme von Schienenfahrzeugen den zu Fuß Gehenden sowie Fahrenden von Krankenfahrstühlen oder Rollstühlen, welche den Überweg erkennbar benutzen wollen, das Überqueren der Fahrbahn zu ermöglichen. Dann

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Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Mai 2015 - 4 StR 164/15

bei uns veröffentlicht am 21.05.2015

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR164/15 vom 21. Mai 2015 in der Strafsache gegen wegen Diebstahls mit Waffen u.a. Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 21. Mai 2015 gemäß §

Verwaltungsgericht Koblenz Urteil, 24. Mai 2011 - 7 K 1327/10.KO

bei uns veröffentlicht am 24.05.2011

Tenor Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Tatbestand 1 Die 1998 geborene Klägerin ist Schülerin an der Realschule Plus in S.

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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die 1998 geborene Klägerin ist Schülerin an der Realschule Plus in S. und begehrt die Übernahme von Schülerbeförderungskosten.

2

Sie wohnt in S., Hinterer R. …, von wo aus der Schulweg je nach der gewählten Strecke 2.672 m oder 2.844 m beträgt. Bis zum Beginn des hier streitigen Schuljahres 2010/2011 hatte der Beklagte die Schülerfahrtkosten übernommen, weil damals kein befestigter Weg durch das Neubaugebiet „Vorderer R.“ führte und an der A. Straße entlang kein durchgängiger Gehweg vorhanden war.

3

Mit Bescheid vom 31. Mai 2010 lehnte der Beklagte die Übernahme der Schülerfahrtkosten im Schuljahr 2010/2011 ab. Zur Begründung ist ausgeführt, dass die für eine Bewilligung nach § 69 des rheinland-pfälzischen Schulgesetzes (SchulG) vorausgesetzte Unzumutbarkeit des Schulweges nicht gegeben sei. Denn der Schulweg der Klägerin sei entgegen den gesetzlichen Voraussetzungen weder länger als 4 km noch besonders gefährlich. Durch die Errichtung des Neubaugebietes „Vorderer R.“ bestehe die Möglichkeit, über die Brücke und danach durch die A. Straße sicher zur Schule zu gelangen.

4

Die Klägerin machte mit ihrem hiergegen eingelegten Widerspruch geltend, der ca. 2,7 km lange Schulweg sei besonders gefährlich, da sie gerade im Winter früh-morgens über nicht gestreute Straßen zur Schule gehen müsse und erhebliche Sturzgefahr bestehe. Sie sei erst 12 Jahre alt und habe einen immerhin 2,7 km langen Schulweg, der im Bereich K.-Gasse bis K.-Hohl eine starke Ansteigung aufweise. Angesichts der zu tragenden Last in Form von Schulranzen und der Schulbücher stelle dies eine besondere Härte dar. Kürzere und ungefährlichere Alternativrouten seien nicht gegeben.

5

Mit Widerspruchsbescheid vom 16. September 2010, zugestellt am 28. September 2010, wies der Kreisrechtsausschuss bei der Kreisverwaltung des Rhein-Hunsrück-Kreises den Widerspruch zurück und führte zur Begründung u. a. aus: Zunächst habe der Rechtsausschuss die gesetzgeberische Beurteilung, wonach eine Entfernung von 4 km für Kinder des fraglichen Alters zumutbar sei, zu respektieren. In Bezug auf Gefahren des Straßenverkehrs weise der Schulweg keine besondere Gefährlichkeit auf. Das erste Teilstück des Weges durch das neue Wohngebiet „Vorderer R.“ weise breite Fußwege und Beleuchtungseinrichtungen auf; ferner seien mehrere der Wohnhäuser bereits bewohnt. Die Bautätigkeit im Neubaugebiet gehöre zu den allgemeinen Lebensrisiken und sei vorübergehender Natur. Der nunmehr entlang der (verkehrsreichen) A. Straße angelegte gesonderte Geh- und Radweg sei besonders breit und schütze vor den Gefahren des Kraftfahrzeugverkehrs. In der Variante, dass über den F.-Weg zur M.-Gasse gegangen werde, sei in einer Länge von ca. 200 m lediglich ein von der Fahrbahn abgesetzter, jedoch nicht erhöhter Fußweg angelegt. Aufgrund der dort herrschenden geringen Verkehrsfrequenz und der einzuhaltenden Durchschnittsgeschwindigkeit von 30 km/h sei dieses kleine Teilstück nicht als besonders gefährlich anzusehen. Die M.-Gasse an sich sei eine ausgewiesene Spielstraße, so dass dort die Fahrzeuge lediglich 5 bis 10 km/h fahren dürften. Die andere Schulwegvariante führe durch die Fußgängerzone von S. und sei aus verkehrlichen Gründen ohnedies nicht als besonders gefährlich einzustufen. Eine Unzumutbarkeit folge auch nicht aus dem erheblichen Gefälle der K.-Hohl, selbst wenn diese bei extremer Witterung nur eingeschränkt und mit größerer Vorsicht begangen werden könne. Denn für die Zumutbarkeit eines Schulweges sei auf durchschnittliche Witterungsverhältnisse abzustellen. Außerdem werde im Winter seitens der Stadt frühzeitig geräumt und gestreut. Das Gleiche gelte für die Brücke vom „Hinteren R.“ zum „Vorderen R.“. Die Wahl eines Umweges bei extremen Wetterlagen führe nicht dazu, dass der ganzjährig regelmäßig benutzbare Verbindungsweg als besonders gefährlich anzusehen sei. Eine besondere Gefährlichkeit ergebe sich auch nicht aus sittlich-kriminellen Gefahren, die von anderen Widerspruchsführern erwähnten Fälle von Exhibitionismus gehörten zum allgemeinen Lebensrisiko; nach den örtlichen Verhältnissen sei indes eine rechtzeitige Hilfe durch Dritte möglich. Auch der sog. soziale Brennpunkt an der S.-Kirche begründe keine besondere Gefahr.

6

Die Klägerin hat am 27. Oktober 2010 Klage erhoben und zur Begründung vorgetragen: Eine besondere Gefährlichkeit im Sinne des § 69 SchulG sei besonders in der Winterzeit bezüglich des Streckenabschnittes Hinterer R./Vorderer R. gegeben. Es handele sich um einen 1,20 m breiten (gepflasterten) Fußweg von ungefähr 500 m Länge, der über eine Holzbrücke führe. Aufgrund der Enge könne ein Streufahrzeug ihn nicht befahren. Eine rechtzeitige Räumung vor Schulbeginn sei im Übrigen auch nicht gewährleistet und es bestehe kältebedingte Rutschgefahr. Der Winter stelle im relativ hoch gelegenen Hunsrück eine typische Gefahr dar. Darüber hinaus sei der Wegeabschnitt relativ abgelegen. Im Neubaugebiet „Vorderer R.“ gebe es in Straßennähe keine bereits genutzte Wohnbebauung, so dass Hilferufe der Klägerin ungehört blieben. Außerdem bestehe aufgrund der Bautätigkeit hohe Unfallgefahr durch Baustellenfahrzeuge. Der Weg durch die Fußgängerzone im Bereich der O.-Straße sei besonders gefährlich, da es in letzter Zeit dort zu exhibitionistischen Übergriffen gekommen sei. Es bestehe daher das erhöhte Risiko, Opfer einer Straftat zu werden.

7

Die Klägerin beantragt,

8

unter Aufhebung des Bescheides vom 31. Mai 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. September 2010 den Beklagten zu verpflichten, die Schülerfahrtkosten für das Schuljahr 2010/2011 zu übernehmen.

9

Der Beklagte beantragt,

10

die Klage abzuweisen.

11

Er nimmt Bezug auf die im Widerspruchsbescheid ausgeführten Gründe und ist darüber hinaus unter Aufrechterhaltung seines Rechtsstandpunktes der Klage im Einzelnen entgegengetreten.

12

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird verwiesen auf den Inhalt der Gerichtsakte dieses Verfahrens und der auszugsweise eingeführten Gerichtsakte 7 K 1421/08.KO, ferner 2 Hefte Verwaltungsakten sowie die Richtlinien des Beklagten über die Schülerbeförderung vom 25. Mai 2009; diese Unterlagen haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

13

Die zulässige Klage ist unbegründet. Denn die Ablehnung der begehrten Verpflichtung zur Übernahme der beantragten Fahrtkosten zur Realschule Plus in S. erweist sich als rechtmäßig und verletzt die Klägerin von daher nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 5 VwGO. Ein Anspruch auf die Fahrtkostenerstattung besteht nämlich nicht.

14

Nach § 69 Abs. 1 SchulG obliegt es dem beklagten Landkreis, für die Beförderung der Schüler zu den in seinem Gebiet gelegenen u. a. Realschulen plus zu sorgen, wenn die Schüler ihren Wohnsitz in Rheinland-Pfalz haben und ihnen der Schulweg ohne Benutzung eines Verkehrsmittels nicht zumutbar ist. Gemäß Absatz 4 Satz 1 der Vorschrift wird die Aufgabe vorrangig erfüllt durch die Übernahme der notwendigen Fahrtkosten für öffentliche Verkehrsmittel.

15

Der Schulweg ist nach § 69 Abs. 2 SchulG ohne Benutzung eines Verkehrsmittels nicht zumutbar, wenn er besonders gefährlich ist oder wenn der kürzeste nicht besonders gefährliche Fußweg zwischen Wohnung und Regionaler Schule länger als 4 km ist.

16

Da der kürzeste Fußweg unstreitig nicht länger als 4 km ist, kommt es vorliegend auf das Tatbestandsmerkmal der besonderen Gefährlichkeit an. Diese kann sich aus Gefahren des Straßenverkehrs oder aus sittlich-kriminellen Gründen ergeben (zu diesen beiden Fallgruppen siehe VG Koblenz, Urteil vom 22. September 2009 - 7 K 1421/08.KO -; VG Neustadt/Weinstraße, Urteil vom 22. April 2004 - 2 K 3267/03.NW-; BayVGH, Urteil vom 17. Februar 2009 - 7 B 08.1027 -, zitiert nach juris). Auch die Richtlinien des Rhein-Hunsrück-Kreises über die Schülerbeförderung vom 25. Mai 2009 (RL) weisen unter Nummer 3.3 in zutreffender Gesetzesauslegung auf die beiden genannten Fallgruppen hin.

17

Bei der Auslegung des Tatbestandsmerkmales der besonderen Gefährlichkeit in § 69 Abs. 2 SchulG geht die Kammer von den im Urteil vom 22. September 2009 (7 K 1421/08.KO) dargelegten folgenden Überlegungen aus:

18

„Da die gesetzliche Regelung die Übernahme von Fahrtkosten erst dann vorsieht, wenn der Schulweg nicht nur gefährlich, sondern „besonders“ gefährlich ist, sind in jedem Fall strenge Anforderungen zu erfüllen, bevor ein Schulweg unabhängig von seiner Länge einen Anspruch auf Erstattung der Schülerfahrtkosten auslöst. Gewisse Gefahrenmomente, die bei einem 4 km langen Schulweg nahezu zwangsläufig vorhanden sind, reichen nicht aus. Das Gleiche gilt für Gefahrensituationen, denen auf einem Fußweg zur Schule eine Vielzahl von Schülern ausgesetzt sind. Ein solches allgemeines Risiko mutet der Gesetzgeber im 4-km-Bereich jedem Schüler zu. Das qualifizierende Merkmal der besonderen Gefährlichkeit verlangt eine gesteigerte Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 5. August 2004 - 2 A 11235/04.OVG -, NVwZ-RR 2005, 41).

19

Bei der Feststellung der vom Gesetz geforderten besonderen Gefahr ist zu beachten, dass der Gesetzgeber durch das Anknüpfen an die Länge des kürzesten Fußwegs und an das Merkmal der „besonderen Gefährlichkeit“ sowohl objektivierbare als auch pauschalierende Voraussetzungen für die Verpflichtung der Kommunen zur Beförderung der Schüler aufgestellt hat (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 5. August 2004, a.a.O.). Möglicherweise subjektiv bestehende Befürchtungen reichen nicht aus, solange sie nicht objektiv begründet sind (vgl. BayVGH, Urteil vom 17. Februar 2009, a.a.O.). Ferner liegt dem Gesetz die Einschätzung zugrunde, dass Schülern bereits ab einem Lebensalter von etwa 10 Jahren ein bis zu 4 km langer nicht „besonders“ gefährlicher Schulweg zugemutet werden kann. Diese gesetzgeberische Beurteilung hat das Gericht zu respektieren. Bei der Ermittlung der Gefährlichkeit des Schulweges ist darüber hinaus zu berücksichtigen, dass die Regelungen über die Schülerbeförderung einen Bereich der Massenverwaltung betreffen, in dem pauschalierende Erwägungen unvermeidbar sind, soll nicht der Verwaltungsaufwand seinerseits unverhältnismäßig ansteigen (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 15. Oktober 2002 - 7 B 11485/02.OVG -).

20

Die Auslegung des Tatbestandsmerkmals der „besonderen Gefährlichkeit“ hat sich schließlich an dem gesetzgeberischen Leitbild der aus öffentlichen Mitteln finanzierten Schülerbeförderung zu orientieren. Die aus öffentlichen Mitteln finanzierte Schülerbeförderung stellt ein abgestuftes System finanzieller und tatsächlicher Sorgetragung dar. Es befreit die Eltern der Schüler weitgehend, aber nicht gänzlich von der ihnen im Rahmen der gesetzlichen Unterhaltspflicht obliegenden Aufgabe, für einen Transport zu und von der Schule zu sorgen und die damit verbundenen Kosten als Teil des allgemeinen Lebensaufwandes zu tragen. Der Bildungs- und Erziehungsauftrag des Staates (Art. 7 GG, Art. 27 Landesverfassung Rheinland-Pfalz) und die ihn konkretisierende allgemeine Schulpflicht (§ 56 SchulG) verlangen nicht, die Schülerbeförderung umfassend und in jeder Hinsicht durch die Landkreise und kreisfreien Städte sicherzustellen. Die aus der gesetzlichen Entwicklung des Schülerbeförderungsrechts deutlich werdende schrittweise Entlastung der Eltern ändert nichts daran, dass es vom Grundsatz her ihre Aufgabe bleibt, die Beförderung ihrer Kinder zur Schule praktisch und wirtschaftlich sicherzustellen (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 25. August 2003 - 2 A 10588/03.OVG -, AS 30, 34; Urteil vom 2. Februar 2005 - 2 A 11888/04.OVG -, DÖV 2006, 703; Urteil vom 16. Juli 2004 - 2 A 10433/04.OVG -, AS 31, 364).

21

In Anwendung der vorgenannten Grundsätze hält die Kammer eine besondere Gefährlichkeit des Schulweges im Sinne des § 69 Abs. 2 SchulG nur dann für gegeben, wenn objektive Kriterien und konkrete Umstände für die Annahme einer Gefahrensituation sprechen, die über die allgemeinen Gefahren eines Schulweges hinausgehen und den Schüler einer Gefahr außerhalb des allgemeinen Lebensrisikos schutzlos aussetzen.“

22

Das Gericht hält auch im vorliegenden Rechtsstreit an diesen Kriterien fest. Danach liegen hier keine Anhaltspunkte für eine besondere Gefährlichkeit des Schulweges im Sinne des § 69 Abs. 2 SchulG vor.

23

Das gilt zunächst für aus dem Straßenverkehr herrührende Gefahren. Angesichts der dem Gericht aus den Akten bekannten und in der mündlichen Verhandlung erläuterten Wegestrecken steht fest, dass die Klägerin keinem das Normalmaß übersteigenden Unfallrisiko ausgesetzt ist. Sie kann von ihrer Wohnung aus bis zur K. Straße einen Gehweg benutzen, ohne eine Straße überqueren zu müssen. An der K. Straße steht sodann ein Zebrastreifen für die Straßenüberquerung zur Verfügung und von dort gibt es einen durchgehenden Gehweg bis zur Schule. Auch der bei der Schulwegvariante über den Felsenweg ab dem RWE-Gelände bestehende Bereich bedeutet keine im Sinne des § 69 Abs. 2 SchulG rechtserhebliche Gefährlichkeit. Der Gehweg ist dort auf einer Länge von ca. 200 m mit der Fahrbahn höhengleich angelegt. Diese Höhengleichheit ändert aber zunächst nichts daran, dass überhaupt ein Gehweg zur Verfügung steht, so dass Autoverkehr und Fußgängerverkehr räumlich getrennt sind. Die Kammer teilt weiterhin die im Widerspruchsbescheid dargelegte Auffassung des Beklagten, dass aufgrund der einzuhaltenden Durchschnittsgeschwindigkeit von 30 km/h das genannte kleine Teilstück nicht als besonders gefährlich angesehen werden kann.

24

Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin auf eine Gefahr durch Baustellenfahrzeuge, die im Neubaugebiet „Vorderer R.“ wegen der dort noch herrschenden Bautätigkeit verkehren. Zum einen unterstellt die Klägerin hierbei ohne jegliche Substantiierung, dass die Führer von Baustellenfahrzeugen beim Überqueren des Gehweges nicht die gebotene Sorgfalt beachten würden. Auf eine solche Unterstellung kann bereits im Ansatz keine Gefahrenprognose gestützt werden. Zum anderen ist von der Klägerin aufgrund ihres Alters von 12 Jahren sowie ihrer Schulreife für eine Realschule Plus zu erwarten, dass sie ein Baustellenfahrzeug, das den Gehweg überquert, erkennt und sich entsprechend verhält.

25

Auch aus der Beschaffenheit des Weges selbst lässt sich eine Unzumutbarkeit im Sinne des Gesetzes nicht ableiten. Das gilt zunächst in Bezug auf den Umstand, dass die zur Schule führende K.-Hohl ein erhebliches Gefälle aufweist. Unabhängig davon, ob insoweit überhaupt die Kategorie der Gefährlichkeit betroffen ist oder es sich nicht vielmehr um eine Frage der Lästigkeit handelt, liegt hier ein Umstand vor, der bei einem - vom Gesetzgeber zugemuteten - 4 km langen Schulweg immer einmal gegeben sein kann. Aus dem Gesetz ergibt sich keinerlei Anhaltspunkt dafür, dass lediglich ein Schulweg ohne besondere Steigungen von der 4 km-Grenze erfasst sein sollte.

26

Darüber hinaus kann die Klägerin aus dem Zustand des Schulweges bei winterlichen Verhältnissen keine rechtserhebliche Gefährdung mit Erfolg geltend machen. Hierbei handelt es sich um ein allgemeines Lebensrisiko, das landesweit auf dem Schulweg von sehr vielen Schülern und nicht nur dem der Klägerin auftreten kann. Der Geltungsbereich des Schulgesetzes Rheinland-Pfalz umfasst eine Vielzahl von Landesteilen, in denen zur Winterzeit mit Gefährdungen durch Schnee oder Eis gerechnet werden muss. Dies ist typisch gerade für die zahlreichen höhergelegenen Gegenden in Rheinland-Pfalz und es kann nicht davon ausgegangen werden, dass bereits der morgendliche Schulweg überall gestreut ist. Insoweit liegt ein allgemeines Lebensrisiko vor, dem landesweit viele Schüler ausgesetzt sind. Bei der gebotenen pauschalierenden Betrachtung weist der Schulweg der Klägerin keine Atypik auf, die eine abweichende Beurteilung rechtfertigte.

27

Eine besondere Gefährlichkeit im Sinne des § 69 Abs. 2 Satz 1 SchulG kann auch nicht aus sittlich-kriminellen Gründen angenommen werden. Die Klägerin nimmt hier insbesondere Bezug auf zwei exhibitionistische Übergriffe, die im Bereich der Fußgängerzone in den Monaten April und Juli 2010 erfolgt sind. Legt man die maßgeblichen objektiven Kriterien zugrunde, so besteht in Bezug auf sittlich-kriminelle Gefahren eine Gefahrenträchtigkeit, die sich im Rahmen des von Gesetzes wegen hinzunehmenden allgemeinen Lebensrisikos bewegt. Objektive Kriterien sind vorrangig der vom Gericht in dem Verfahren 7 K 1421/08.KO eingeholten kriminalpolizeilichen Einschätzung vom 8. Juli 2009 zu entnehmen, die auch für den vorliegenden Rechtsstreit Geltung beansprucht und dementsprechend in das Verfahren eingeführt worden ist. Die Beurteilung durch das Landeskriminalamt Rheinland-Pfalz (LKA) ist für die objektive Bewertung derjenigen Gefahren, denen die Klägerin auf ihrem Schulweg ausgesetzt ist, entscheidend. Das folgt schon daraus, dass es sich um eine Einschätzung durch fachkundige und außerhalb des Rechtsstreits stehende Personen handelt. Der kriminalpolizeilichen Einschätzung kommt damit ein ungleich höherer Aussagewert zu als den subjektiven Bewertungen klägerseits oder durch andere Eltern, die sich in der mündlichen Verhandlung des Kreisrechtsausschusses vom 16. September 2010 zur Zumutbarkeit des Schulweges geäußert haben. Selbst einer Inaugenscheinnahme durch das Gericht käme - mangels Fachkunde - kein vergleichbarer Aussagewert zu. Wegen dieser Fachkunde ist die kriminalpolizeiliche Einschätzung ferner stichhaltiger als Spekulationen, Vermutungen oder Annahmen, etwa hinsichtlich „idealer“ Verstecke für Straftäter, die sich in der Rechtsprechung finden (s. etwa OVG Niedersachsen, Urteil vom 4. April 2008 - 2 LB 7/07 -, zitiert nach juris). Das LKA hat in seiner Stellungnahme vom 8. Juli 2009 zunächst auf die gerichtliche Frage geantwortet, ob für Kinder typischerweise an bestimmten Stellen (beispielsweise Unterführungen, Spielplätze etc.) die besondere Gefahr von kriminellen Übergriffen durch Sexualstraftäter oder sonstige Straftäter besteht. Nach kriminalistischer Erfahrung, so das LKA, ist dies grundsätzlich nicht der Fall. Diese Einschätzung überzeugt insbesondere bei den Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, bei denen es sich regelmäßig weit überwiegend um Beziehungstaten handelt. So heißt es auch im Ersten Opferschutzbericht der Landesregierung: „… standen 2007 auch im Deliktsbereich des sexuellen Missbrauchs von Kindern mit 55,6 % mehr als die Hälfte der Opfer zur bzw. zum Tatverdächtigen in einem Verwandtschafts- oder Bekanntschaftsverhältnis“ (LT-Drs 15/2845 vom 2. Dezember 2008, Seite 57).

28

Von dieser kriminalistischen Einschätzung ausgehend reicht es für die Annahme einer besonderen Gefährlichkeit im Sinne des § 69 Abs. 2 SchulG gerade nicht aus, dass sich beispielsweise auf Teilstrecken des Schulweges keine straßennahe Wohnhausbebauung befindet, Gebäude unbewohnt sind, die Straße nicht ständig durch Kraftfahrzeuge befahren wird oder nur wenige andere Personen den Gehweg nutzen. Erfahrungsgemäß können an keinem Ort oder Wegestück Delikte ausgeschlossen werden. Es liegt im allgemeinen Lebensrisiko, Opfer einer Straftat zu werden. Auf einem derart beschriebenen Schulweg bestehen für sich genommen lediglich Gefahren innerhalb des allgemeinen Lebensrisikos, die der Gesetzgeber ausdrücklich nicht als für eine Gewährung von Fahrtkostenübernahme ausreichend erachtet hat. Es müssen vielmehr konkrete Anhaltspunkte hinzukommen, dass sich auf dem Schulweg zumindest eine gefährliche Örtlichkeit befindet, die eine erhöhte Kriminalitätsbelastung aufweist.

29

Eine solche ergibt sich vorliegend auch nicht unter Einbeziehung der Ausführungen eines im Verhandlungstermin vor dem Kreisrechtsausschuss anwesenden Widerspruchsführers, der bei der Polizeiinspektion S. als Verkehrssicherheitsberater arbeitet. Er hatte darauf hingewiesen, dass nach seinen Recherchen in vielen Straßen der Stadt 17 Übergriffe auf sexueller Basis erfolgt seien. Die Erkenntnisse zeigen gerade, dass das Risiko, Opfer einer Straftat zu werden, generell überall besteht. Die von der Klägerin vorgetragene Gefahr, einem Exhibitionisten zu begegnen, besteht grundsätzlich auf jedem Schulweg und gehört damit zu dem allgemeinen Lebensrisiko, das der Gesetzgeber nach § 69 SchulG für eine Leistungsgewährung nicht ausreichend sein lässt. Ohne zusätzliche objektive Kriterien, die für eine erhöhte Kriminalitätsbelastung gerade zu den üblichen Zeiten des Schulweges sprechen, liegt (noch) keine besondere Gefährlichkeit im Sinne des § 69 Abs. 2 SchulG vor.

30

Weist der Schulweg der Klägerin daher lediglich eine Gefahrenträchtigkeit im Rahmen des von Gesetzes wegen hinzunehmenden allgemeinen Lebensrisikos auf, kommt es nicht mehr darauf an, ob darüber hinaus auch eine Schutzlosigkeit anzunehmen wäre. Davon unabhängig bleibt es dem Vater der Klägerin unbenommen, der aus seiner Sicht bestehenden Gefahr durch die Wahrnehmung seiner gegenüber der Tochter bestehenden Personensorge zu begegnen, indem er aus eigenen Mitteln eine Schülerfahrkarte erwirbt oder für eine Begleitung des Kindes Sorge trägt.

31

Die Nebenentscheidungen folgen aus § 154 Abs. 1, § 167 VwGO.

32

Beschluss

33

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 333,-- € festgesetzt (§§ 52, 63 Abs. 2 GKG).

34

Die Festsetzung des Streitwertes kann nach Maßgabe des § 68 Abs. 1 GKG mit derBeschwerde angefochten werden.

(1) An Fußgängerüberwegen haben Fahrzeuge mit Ausnahme von Schienenfahrzeugen den zu Fuß Gehenden sowie Fahrenden von Krankenfahrstühlen oder Rollstühlen, welche den Überweg erkennbar benutzen wollen, das Überqueren der Fahrbahn zu ermöglichen. Dann dürfen sie nur mit mäßiger Geschwindigkeit heranfahren; wenn nötig, müssen sie warten.

(2) Stockt der Verkehr, dürfen Fahrzeuge nicht auf den Überweg fahren, wenn sie auf ihm warten müssten.

(3) An Überwegen darf nicht überholt werden.

(4) Führt die Markierung über einen Radweg oder einen anderen Straßenteil, gelten diese Vorschriften entsprechend.

(1) Wer abbiegen will, muss dies rechtzeitig und deutlich ankündigen; dabei sind die Fahrtrichtungsanzeiger zu benutzen. Wer nach rechts abbiegen will, hat sein Fahrzeug möglichst weit rechts, wer nach links abbiegen will, bis zur Mitte, auf Fahrbahnen für eine Richtung möglichst weit links, einzuordnen, und zwar rechtzeitig. Wer nach links abbiegen will, darf sich auf längs verlegten Schienen nur einordnen, wenn kein Schienenfahrzeug behindert wird. Vor dem Einordnen und nochmals vor dem Abbiegen ist auf den nachfolgenden Verkehr zu achten; vor dem Abbiegen ist es dann nicht nötig, wenn eine Gefährdung nachfolgenden Verkehrs ausgeschlossen ist.

(2) Wer mit dem Fahrrad nach links abbiegen will, braucht sich nicht einzuordnen, wenn die Fahrbahn hinter der Kreuzung oder Einmündung vom rechten Fahrbahnrand aus überquert werden soll. Beim Überqueren ist der Fahrzeugverkehr aus beiden Richtungen zu beachten. Wer über eine Radverkehrsführung abbiegt, muss dieser im Kreuzungs- oder Einmündungsbereich folgen.

(3) Wer abbiegen will, muss entgegenkommende Fahrzeuge durchfahren lassen, Schienenfahrzeuge, Fahrräder mit Hilfsmotor, Fahrräder und Elektrokleinstfahrzeuge auch dann, wenn sie auf oder neben der Fahrbahn in der gleichen Richtung fahren. Dies gilt auch gegenüber Linienomnibussen und sonstigen Fahrzeugen, die gekennzeichnete Sonderfahrstreifen benutzen. Auf zu Fuß Gehende ist besondere Rücksicht zu nehmen; wenn nötig, ist zu warten.

(4) Wer nach links abbiegen will, muss entgegenkommende Fahrzeuge, die ihrerseits nach rechts abbiegen wollen, durchfahren lassen. Einander entgegenkommende Fahrzeuge, die jeweils nach links abbiegen wollen, müssen voreinander abbiegen, es sei denn, die Verkehrslage oder die Gestaltung der Kreuzung erfordern, erst dann abzubiegen, wenn die Fahrzeuge aneinander vorbeigefahren sind.

(5) Wer ein Fahrzeug führt, muss sich beim Abbiegen in ein Grundstück, beim Wenden und beim Rückwärtsfahren darüber hinaus so verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist; erforderlichenfalls muss man sich einweisen lassen.

(6) Wer ein Kraftfahrzeug mit einer zulässigen Gesamtmasse über 3,5 t innerorts führt, muss beim Rechtsabbiegen mit Schrittgeschwindigkeit fahren, wenn auf oder neben der Fahrbahn mit geradeaus fahrendem Radverkehr oder im unmittelbaren Bereich des Einbiegens mit die Fahrbahn überquerendem Fußgängerverkehr zu rechnen ist.

(1) An Fußgängerüberwegen haben Fahrzeuge mit Ausnahme von Schienenfahrzeugen den zu Fuß Gehenden sowie Fahrenden von Krankenfahrstühlen oder Rollstühlen, welche den Überweg erkennbar benutzen wollen, das Überqueren der Fahrbahn zu ermöglichen. Dann dürfen sie nur mit mäßiger Geschwindigkeit heranfahren; wenn nötig, müssen sie warten.

(2) Stockt der Verkehr, dürfen Fahrzeuge nicht auf den Überweg fahren, wenn sie auf ihm warten müssten.

(3) An Überwegen darf nicht überholt werden.

(4) Führt die Markierung über einen Radweg oder einen anderen Straßenteil, gelten diese Vorschriften entsprechend.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR164/15
vom
21. Mai 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Diebstahls mit Waffen u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 21. Mai 2015 gemäß § 349 Abs. 2
und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 22. Dezember 2014 mit den Feststellungen aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte in den Fällen II. 4 und 5 der Urteilsgründe verurteilt ist;
b) im gesamten Rechtsfolgenausspruch.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Diebstahls mit Waffen, vorsätzlicher Körperverletzung, unerlaubten Führens einer Schusswaffe, Diebstahls in drei Fällen, Urkundenfälschung in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis und Verstoß gegen das Pflichtversicherungsgesetz in drei Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs, davon in einem Fall in (weiterer) Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung und mit unerlaubtem Entfernen vom Unfallort und in einem anderen Fall in Tateinheit mit unerlaubtem Entfernen vom Unfallort zu einer Gesamtfreiheitstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Daneben hat es seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet und die Verwaltungsbehörde angewiesen, ihm vor Ablauf von vier Jahren keine Fahrerlaubnis zu erteilen. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Annahme eines jeweils tateinheitlich begangenen vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in den Fällen II. 4 und 5 der Urteilsgründe hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
3
a) Nach den hierzu getroffenen Feststellungen brachte der Angeklagte in der Zeit zwischen dem 12. und 19. Dezember 2013 an einem nicht zugelassenen Pkw der Marke Ford, Modell Cougar, für ein anderes Fahrzeug ausgegebene amtliche Kennzeichen an, die er zuvor zu diesem Zweck entwendet hatte. Dabei verfolgte er die Absicht, das so präparierte Fahrzeug anschließend im öffentlichen Straßenverkehr zu nutzen. Am 19. Dezember 2013 befuhr er mit dem Pkw Ford Cougar ohne im Besitz einer Fahrerlaubnis zu sein und ohne Bestehen eines Haftpflichtversicherungsvertrages die H. -Straße in D. . Von dort aus bog er gleichgültig gegenüber den anderen Verkehrsteilnehmern mit derart überhöhter Geschwindigkeit in die B. straße ein, dass er über die beiden Fahrspuren für den Geradeausverkehr und die rechte der beiden Linksabbiegerspuren fuhr. Dabei nahm er der Zeugin B. , diedie linke der beiden Linksabbiegerspuren befuhr, die Vorfahrt, „sodass es nur dem Zufall geschuldet war, dass er nicht mit ihr kollidierte“ (Fall II. 4 der Urteilsgründe ). Am 26. Dezember 2013 fuhr er mit dem Pkw Ford Cougar aufgrund eines neuen Tatentschlusses in der J. -Straße in D. gleichgültig gegenüber den anderen Verkehrsteilnehmern mit derart überhöhter Geschwindigkeit , dass er von der Fahrbahn abkam, auf den in gleicher Fahrtrichtung eingerichteten Fahrradschutzstreifen geriet und einen mit einer Lichtzeichenanlage versehenen „Fußgängerüberweg“ überfuhr. Dort kollidierte er mit der rechten Front seines Fahrzeugs mit dem Vorderrad des Fahrrads des am „Fußgänger- überweg“ wartenden Zeugen C. . Dies hatte zur Folge, dass der Fahrradlenker gegen das Knie des Zeugen schlug, der dadurch Schmerzen erlitt. Dass der Zeuge nicht unmittelbar angefahren und erheblich verletzt wurde, ist lediglich dem Zufall zu verdanken. Nach einer entschuldigenden Geste setzte der Angeklagte seine Fahrt fort und entfernte sich durch die angrenzende Fußgängerzone (Fall II. 5 der Urteilsgründe).
4
b) Die im Fall II. 4 der Urteilsgründe auf § 315c Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a StGB gestützte Verurteilung wegen vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs hat keinen Bestand, weil nicht belegt ist, dass durch die dem Angeklagten angelastete Nichtbeachtung der Vorfahrt (zum Vorsatz siehe König in: Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Aufl., § 315c Rn. 190) Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert (konkret) gefährdet worden sind.
5
aa) Nach gefestigter Rechtsprechung muss die Tathandlung über die ihr innewohnende latente Gefährlichkeit hinaus in eine kritische Situation geführt haben, in der – was nach allgemeiner Lebenserfahrung aufgrund einer objektiv nachträglichen Prognose zu beurteilen ist – die Sicherheit einer bestimmten Person oder Sache von bedeutendem Wert so stark beeinträchtigt war, dass es nur noch vom Zufall abhing, ob das Rechtsgut verletzt wurde oder nicht (vgl. BGH, Urteil vom 22. März 2012 – 4 StR 558/11, NStZ 2012, 384; Urteil vom 30. März 1995 – 4 StR 725/94, NJW 1995, 3131 f.; Urteil vom 4. September 1995 – 4 StR 471/95, NJW 1996, 329 f., zu § 315b StGB; SSW-StGB/ Ernemann, 2. Aufl., § 315c Rn. 22 ff.).
6
bb) Ob Leib oder Leben der Zeugin B. oder eine fremde Sache von bedeutendem Wert durch das Fahrverhalten des Angeklagten tatsächlich in diesem Maße gefährdet waren, lässt sich auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen nicht beurteilen. Zwar teilt das Landgericht mit, dass das Ausbleiben einer Kollision zwischen den Fahrzeugen des Angeklagten und der Zeugin „nur dem Zufall geschuldet“ war. Offen bleibt aber, inwieweit im Fall einer Kollision auch Leib und Leben der Zeugin bedroht gewesen wären. Hierzu wären nähere Angaben zu den gefahrenen Geschwindigkeiten und zu der Beschaffenheit des Fahrzeugs der Zeugin B. erforderlich gewesen (vgl. BGH, Beschluss vom 29. April 2008 – 4 StR 617/07, NStZ-RR 2008, 289). Um eine konkrete Gefährdung einer fremden Sache von bedeutendem Wert bejahen zu können, hätte es – da insoweit das vom Angeklagten geführte Fahrzeug nicht in Betracht kommt (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Januar 1999 – 4 StR 663/98, NStZ 1999, 350, 351; Urteil vom 28. Oktober 1976 – 4 StR 465/76, BGHSt 27, 40) – bestimmter Angaben zum Wert des Fahrzeugs der Zeugin und zur Höhe des drohenden Schadens bedurft (vgl. BGH, Beschluss vom 28. September 2010 – 4 StR 245/10, NStZ 2011, 215, 216; Beschluss vom 29. April 2008 – 4 StR 617/07, NStZ-RR 2008, 289; zur maßgeblichen Wertgrenze siehe BGH, Beschluss vom 28. September 2010 – 4 StR 245/10, NStZ 2011, 215; zu den Prüfungsschritten siehe BGH, Beschluss vom 20. Oktober 2009 – 4 StR 408/09, NStZ 2010, 216, 217).
7
c) Im Fall II. 5 der Urteilsgründe belegen die Feststellungen nicht, dass der Angeklagte gemäß § 315c Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe c StGB an einem Fußgängerüberweg falsch gefahren ist.
8
§ 315c Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe c StGB erfasst nur das Falschfahren an Fußgängerüberwegen im Sinne des § 26 StVO. Das sind allein die durch Zeichen 293 (Zebrastreifen) markierten Fahrbahnflächen (vgl. BGH, Urteil vom 15. April 2008 – 4 StR 639/07, NZV 2008, 528, 529; König in: Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Aufl., § 315c Rn. 102; SSW-StGB/Ernemann, 2. Aufl., § 315c Rn. 17 mwN), an denen zu Fuß Gehende und ihnen gleichgestellte Verkehrsteilnehmer nach § 26 Abs. 1 Satz 1 StVO vor Fahrzeugen uneingeschränkt Vorrang haben und Fahrzeug Fahrende gemäß § 26 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 und 3 StVO sowie § 41 Abs. 1 StVG i.V.m. Anlage 2 und Zeichen 293 besonderen Pflichten unterliegen (Einzelheiten bei König in: Hentschel/König/ Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Aufl., StVO, § 26 Rn. 18-21, 23-25 mwN). Dass es sich bei der Unfallstelle um eine mit „Zebrastreifen“ markierte Fahr- bahnfläche und damit um einen Fußgängerüberweg im Sinne der § 315c Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe c StGB, § 26 StVO gehandelt hat, kann den Urteilsgründen nicht entnommen werden. Die Verwendung des Rechtsbegriffes „Fußgänger- überweg“ vermag die Angabe der zu dessen Ausfüllung erforderlichen Tat- sachen nicht zu ersetzen (§ 267 Abs. 1 Satz 1 StPO). Schließlich bleibt auch offen, ob die angeführte Lichtzeichenanlage in Betrieb war und deshalb ihre Lichtzeichen nach § 37 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 2 StVO einer etwa bestehenden Vorrangregel oder Vorrang regelnden Verkehrszeichen vorgingen (vgl. dazu König in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Aufl., StVO, § 26 Rn. 11 mwN; zum persönlichen Schutzbereich des § 315c Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe c StGB siehe König in: Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Aufl., § 315c Rn. 103 mwN).
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2. Auch die konkurrenzrechtliche Beurteilung der Fälle II. 4 und 5 der Urteilsgründe (Tatmehrheit) begegnet rechtlichen Bedenken.
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Das Landgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Angeklagte im Fall II. 4 der Urkundenfälschung in der Variante des Herstellens einer unechten (zusammengesetzten) Urkunde gemäß § 267 Abs. 1 1. Alt. StGB schuldig ist, weil er für ein anderes Fahrzeug ausgegebene amtliche Kennzeichen an dem von ihm genutzten nicht zugelassenen Pkw anbrachte (vgl. BGH, Beschluss vom 29. Januar 2014 – 4 StR 528/13, NStZ 2014, 214; Urteil vom 7. September 1962 – 4 StR 266/62, BGHSt 18, 66, 70). Auch trifft es zu, dass der Angeklagte den Tatbestand des Gebrauchmachens von einer unechten Urkunde gemäß § 267 Abs. 1 3. Alt. StGB verwirklicht hat, indem er in den Fällen II. 4 und II. 5 das mit falschen amtlichen Kennzeichen versehene Fahrzeug im öffentlichen Straßenverkehr nutzte und dadurch den anderen Verkehrsteilnehmern die unmittelbare Kenntnisnahme der am Fahrzeug angebrachten Kennzeichen ermöglichte (BGH, Beschluss vom 29. Januar 2014 – 4 StR 528/13, NStZ 2014, 214; vgl. Urteil vom 14. Dezember 1988 – 2 StR 613/88, BGHSt 36, 64, 65). Die Strafkammer hat jedoch nicht ausreichend bedacht , dass nur eine Urkundenfälschung vorliegt, wenn eine gefälschte Urkunde mehrfach gebraucht wird und dieser mehrfache Gebrauch dem schon bei der Fälschung bestehenden konkreten Gesamtvorsatz des Täters entspricht (BGH, Beschluss vom 30. Oktober 2008 – 3 StR 156/08, BGHR StGB § 267 Abs. 1 Konkurrenzen 3; insoweit in BGHSt 53, 34 nicht abgedruckt; vgl. auch Beschluss vom 7. Mai 2014 – 4 StR 95/14, wistra 2014, 349; Beschluss vom 29. Januar 2014 – 4 StR 528/13, NStZ 2014, 214). Danach hätte die Strafkammer prüfen müssen, ob neben der Nutzung des Fahrzeugs am 19. Dezember 2013 (Fall II. 4 der Urteilsgründe) auch die Fahrt am 26. Dezember 2013 (Fall II. 5) dem schon bei dem Anbringen der Kennzeichen bestehenden kon- kreten Gesamtvorsatz des Angeklagten entsprach. Dies hätte zur Folge, dass auch der mit der Fahrt am 26. Dezember 2013 verwirklichte Gebrauch einer unechten Urkunde und deren Herstellung als tatbestandliche Handlungseinheit eine Tat der Urkundenfälschung bildeten und damit auch die weiteren während der Fahrt am 26. Dezember 2013 begangenen Delikte hierzu in Tateinheit stünden. Dass die Fahrt vom 26. Dezember 2013 nach den Feststellungen „aufgrund eines neuen Tatentschlusses“ erfolgte, steht dem nicht zwingend entgegen.
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3. Die Sache bedarf daher hinsichtlich der Fälle II. 4 und 5 der Urteilsgründe neuer Verhandlung und Entscheidung. Die Aufhebung der Schuldsprüche wegen vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs erfasst auch die für sich genommen rechtsfehlerfreie Verurteilung wegen Urkundenfälschung, vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis und Verstoßes gegen das Pflichtversicherungsgesetz im Fall II. 4 der Urteilsgründe und Urkundenfälschung, vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis, Verstoßes gegen das Pflichtversicherungsgesetz , fahrlässiger Körperverletzung und unerlaubten Entfernens vom Unfallort im Fall II. 5 der Urteilsgründe (vgl. BGH, Beschluss vom 9. April 2015 – 2 StR 402/14, Rn. 17 juris). Sie entzieht neben der Gesamtstrafe auch dem Maßregelausspruch die Grundlage, da sowohl die Anordnung nach § 69a Abs. 1 Satz 3 StGB, als auch die auf § 64 StGB gestützte Unterbringung in einer Entziehungsanstalt an die Verurteilung in den Fällen II. 4 und 5 der Urteilsgründe anknüpfen.
Sost-Scheible Roggenbuck Franke
Mutzbauer Quentin

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anhörung der Parteien durch Beschluss vorläufig fest, wenn Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder gesetzlich kein fester Wert bestimmt ist. Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Werts können nur im Verfahren über die Beschwerde gegen den Beschluss, durch den die Tätigkeit des Gerichts aufgrund dieses Gesetzes von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird, geltend gemacht werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit.

(2) Soweit eine Entscheidung nach § 62 Satz 1 nicht ergeht oder nicht bindet, setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen oder der Finanzgerichtsbarkeit gilt dies nur dann, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält.

(3) Die Festsetzung kann von Amts wegen geändert werden

1.
von dem Gericht, das den Wert festgesetzt hat, und
2.
von dem Rechtsmittelgericht, wenn das Verfahren wegen der Hauptsache oder wegen der Entscheidung über den Streitwert, den Kostenansatz oder die Kostenfestsetzung in der Rechtsmittelinstanz schwebt.
Die Änderung ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.