Verwaltungsgericht Koblenz Urteil, 01. Sept. 2008 - 3 K 1282/07.KO

ECLI:ECLI:DE:VGKOBLE:2008:0901.3K1282.07.KO.0A
bei uns veröffentlicht am01.09.2008

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Rücknahme einer gegen ihn am 7. Mai 1998 verfügten Ausweisung.

2

Er ist türkischer Staatsangehöriger. Er wurde am ... 1973 als Kind türkischer Arbeitnehmer in S. in der Bundesrepublik Deutschland geboren. Am 1. Mai 1973 verbrachten ihn seine Eltern in die Türkei, wo er bis zu seiner Wiedereinreise nach Deutschland am 16. Oktober 1978 bei seinen Großeltern lebte. Am 12. Mai 1989 wurde ihm erstmals eine bis zum 20. Dezember 1990 befristete Aufenthaltserlaubnis erteilt, die bis zum 19. Dezember 1992 verlängert wurde. Auf seinen Verlängerungsantrag vom 21. Januar 1993 wurde ihm am 22. Januar 1993 eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis erteilt.

3

Der Kläger besuchte in Deutschland die Schule, die er mit der mittleren Reife abschloss. Danach schloss er ebenfalls erfolgreich eine Lehre zum Metallschleifer ab. Im Anschluss daran war er kurzfristig arbeitslos, von November 1995 bis Juli 1996 arbeitete er dann als Maschinenbediener.

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Seit Anfang der 90er-Jahre ist der Kläger wiederholt strafrechtlich in Erscheinung getreten, was im Einzelnen zu nachstehenden Verurteilungen führte:

5

- durch Urteil des Amtsgerichts Bad Kreuznach vom 9. Februar 1995 – 3005 Js 9848/94 – jug. – 4 Ls 66/94 – wegen Diebstahls in drei Fällen zu einer Freiheitsstrafe von 8 Monaten, deren Vollstreckung bis zum 16. Februar 1997 zur Bewährung ausgesetzt wurde.

6

- durch Urteil des Amtsgerichts Bad Kreuznach vom 16. April 1997 – 1009 Js 9123/964 Ls 12/97 – und Urteil des Landgerichts Bad Kreuznach vom 2. Oktober 1997 in gleicher Sache wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 15 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten.

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- durch Urteil des Landgerichts Bad Kreuznach vom 25. November 1997 – 1009 Js 2254/97 Kls – wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 5 Fällen unter Einbeziehung der Strafe aus dem vorgenannten Urteil zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 4 Jahren.

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Wegen dieser Straftaten befand der Kläger sich seit 18. September 1996 in U-Haft, ab 10. Oktober 1997 verbüßte er seine Freiheitsstrafe in der JVA Wittlich.

9

Am 28. Oktober 1999 wurde er auf der Grundlage einer Ausweisungsverfügung des Beklagten vom 7. Mai 1998 in die Türkei abgeschoben, nachdem ein dagegen von ihm eingeleitetes Verwaltungsstreitverfahren ohne Erfolg geblieben war. Auf die in diesem Zusammenhang ergangenen Entscheidungen des erkennenden Gerichts (Beschluss vom 21. August 1998 – 3 L 2201/98.KO -; Urteil vom 14. Februar 2000 – 3 K 1004/99.KO -) und des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz (Beschluss vom 13. November 1998 – 10 B 12102/98.OVG -) wird Bezug genommen.

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Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 10. Juli 2001 beantragte der Kläger die nachträgliche zeitliche Befristung der Sperrwirkung der Ausweisung. Gleichzeitig bat er um Mitteilung der Kosten der Abschiebung, damit diese beglichen werden könnten. Mit Schreiben vom 20. November 2001 teilte der Beklagte dem Kläger die Gesamtkosten in Höhe von 6.856,28 DM mit und forderte ihn zur Zahlung auf. Weiter heißt es in dem genannten Schreiben, dass nach Eingang des Betrages die Befristung vorgenommen werde.

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Dazu kam es jedoch nicht mehr, weil der Kläger am 25. Februar 2004 im Raum Frankfurt vorläufig festgenommen wurde. Hintergrund der Festnahme war die Beteiligung des Klägers an einem Falschgelddelikt. Dies führte schließlich zu einer erneuten Verurteilung des Klägers durch das Landgericht Frankfurt am Main (Urteil vom 20. April 2004 – 5/4 KLs – 5340 Js 207650/04(8/04) -) wegen Geldfälschung zu einer Freiheitsstrafe von 4 Jahren. Diese hat der Kläger in der JVA Frankenthal verbüßt. Mit Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Zweibrücken vom 23. Juli 2008 – 2 StVK 782/07 – sowie – 2 StVK 783/07 -) wurde dem Kläger Strafaussetzung zur Bewährung gemäß § 57 Abs. 1 StGB nach 2/3-Verbüßung bewilligt. Wegen der Einzelheiten wird auf den genannten Beschluss Bezug genommen.

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Mit anwaltlichem Schreiben vom 23. Januar 2006 beantragte der Kläger, die Ausweisung vom 7. Mai 1998 zurückzunehmen, hilfsweise, das Verfahren nach § 51 VwVfG wieder aufzugreifen.

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Mit Schreiben vom 27. Januar 2006 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass er im Hinblick auf die erneute Verurteilung des Klägers keine Veranlassung zur Rücknahme der Ausweisung sehe. Außerdem kündigte er eine erneute Ausweisung des Klägers an, die schließlich mit Bescheid vom 27. Februar 2006 verfügt wurde.

14

Gegen diese Ausweisung legte der Kläger unter dem 22. Mai 2006 Widerspruch ein, über den noch nicht entschieden ist.

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Des Weiteren erhob er am 23. Mai 2006 bezüglich der beantragten Rücknahme der Ausweisung vom 7. Mai 1998 Untätigkeitsklage vor dem Verwaltungsgericht. Mit Beschluss des erkennenden Gerichts vom 10. Januar 2007 – 3 K 811/06.KO – wurde dem gleichzeitig vom Kläger gestellten Antrag auf Prozesskostenhilfe teilweise stattgegeben. Auf die Gründe wird Bezug genommen. Dies nahm der Beklagte zum Anlass mitzuteilen, dass er nunmehr beabsichtige, in Kürze über den entsprechenden Antrag des Klägers zu entscheiden. Hierauf wurde das genannte Gerichtsverfahren nach übereinstimmender Erledigungserklärung eingestellt.

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Mit dem vorliegend streitgegenständlichen Bescheid vom 23. März 2007 lehnte der Beklagte schließlich den Antrag auf Rücknahme der Ausweisung vom 7. Mai 1998 ab.

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Nachdem über den dagegen seitens des Klägers unter dem 3. April 2007 eingelegten Widerspruch nicht entschieden worden ist, hat dieser schließlich am 10. Juli 2007 erneut die vorliegende Untätigkeitsklage erhoben.

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Der Kläger trägt vor, er habe Anspruch auf Rücknahme der Ausweisung vom 7. Mai 1998, weil diese rechtswidrig gewesen sei.

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Er genieße den Status eines assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen gemäß Art. 7 Satz 2 ARB 1/80 EWG/Türkei. Daher habe er nur unter den Voraussetzungen des Art. 14 ARB 1/80 EWG/Türkei ausgewiesen werden dürfen. Dies sei im Rahmen der Entscheidung vom 7. Mai 1998 verkannt worden und er daher auf der Grundlage einer Regelausweisung ausgewiesen worden. Die Voraussetzungen für seine Ausweisung auf der Grundlage des Art. 14 ARB 1/80 EWG/Türkei hätten im Jahre 1998 nicht vorgelegen. Nach dieser Bestimmung könne eine strafrechtliche Verurteilung eine Ausweisung nur insoweit rechtfertigen, als die ihr zugrunde liegenden Umstände ein persönliches Verhalten erkennen lassen, das eine gegenwärtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung darstelle. Es sei jeweils eine konkrete Einzelfallprüfung erforderlich. Dies sei seinerzeit missachtet worden.

20

Der Bescheid vom 23. März 2007 sei ebenfalls ermessensfehlerhaft. Er leide insbesondere daran, dass in die Ermessensentscheidung über die Rücknahme der Ausweisung lediglich die zu seinen Lasten gehenden Gesichtspunkte eingestellt worden seien, während die zu seinen Gunsten sprechenden Umstände nicht hinreichend geprüft und erwogen worden seien. Dies gelte zunächst für die Bewertung der bei ihm bestehenden Drogenproblematik. Insoweit werde ihm vorgehalten, dass dieses Problem bisher nicht aufgearbeitet worden sei. Dabei werde aber außer acht gelassen, dass seine Teilnahme an einer im Jahre 1998 bereits genehmigten Drogentherapie allein durch die Ausweisung und Abschiebung vereitelt worden sei. Überdies liege auch ein Schreiben des Drogenberaters W. aus der JVA Zweibrücken vom 28. März 2007 vor, aus dem sich ergebe, dass eine Drogenabhängigkeit bei ihm nicht mehr vorliege.

21

Des Weiteren habe der Beklagte in seine Ermessenserwägungen keine konkrete Überprüfung der Sozialprognose zum hier maßgeblichen Zeitpunkt des 9. März 1999 eingestellt. Zumindest hätte insoweit eine Stellungnahme der JVA Wittlich eingeholt werden müssen. Hieraus hätte sich ergeben, dass die Sozialprognose zum damaligen Zeitpunkt positiv gewesen sei.

22

Auch seine familiären Verhältnisse seien nicht hinreichend gewürdigt worden. Das gleiche gelte für den Umstand, dass er in Deutschland geboren worden sei und hier seine Ausbildung mit Erfolg durchlaufen habe. Auch das Recht auf Achtung seines Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sei nicht hinreichend geprüft worden. Ferner sei die damalige Ausweisung auch unverhältnismäßig, weil sie nicht von vornherein befristet worden sei.

23

Schließlich habe mit Beschluss vom 23. Juli 2008 die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Zweibrücken die von ihm zu verbüßende Reststrafe gemäß § 57 Abs. 1 StGB zur Bewährung ausgesetzt. Ein in diesem Zusammenhang eingeholtes Gutachten der Universität des Saarlandes vom 7. Juli 2008 stelle ihm eine positive Prognose aus.

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Der Kläger beantragt,

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den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 23. März 2007 zu verpflichten, die Ausweisung des Klägers vom 7. Mai 1998 zurückzunehmen.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

28

Er ist der Auffassung, der Kläger könne die Rücknahme der Ausweisung vom 7. Mai 1998 nicht verlangen, weil er auch auf der Grundlage einer Ermessensausweisung unter Berücksichtigung des Art. 14 ARB 1/80 EWG/Türkei ausgewiesen worden wäre. Die wiederholt vom Kläger begangenen schwerwiegenden Straftaten hätten besorgen lassen, dass er nach der Haftentlassung erneut einschlägig in Erscheinung treten werde. Dabei falle insbesondere ins Gewicht, dass er nicht nur selbst Betäubungsmittel konsumiert, sondern damit auch Handel betrieben habe. Damit habe er Leben und Gesundheit Dritter erheblich gefährdet. Eine entsprechende Aufarbeitung der Drogenproblematik habe bis November 1998 nicht stattgefunden gehabt, so dass eine hohe Rückfallwahrscheinlichkeit gegeben sei. Die persönlichen Lebensumstände seien nicht geeignet gewesen, eine positive Prognose zu stützen. Er habe seine ihm vor der Inhaftierung von seinem Onkel angebotene Arbeitsstelle nicht angetreten. Auch der Umstand, dass der Kläger in Deutschland geboren worden und weitgehend hier aufgewachsen sei, sowie die Tatsache, dass seine übrigen Familienmitglieder in Deutschland leben sei nicht gewichtiger einzustufen gewesen, als das öffentliche Interesse an der Verhinderung weiterer schwerwiegender Straftaten durch den Kläger im Bundesgebiet. Der mit der Ausweisung verbundene Eingriff in das Privatleben des Klägers nach Art. 8 EMRK sei notwendig und damit verhältnismäßig.

29

Auf die am 3. März 2008 durchgeführte mündliche Verhandlung wurde dem Beklagten mit Beschluss des erkennenden Gerichts vom gleichen Tage Gelegenheit gegeben, seine Ermessenserwägungen im Bescheid vom 23. März 2007 bis zum 16. Mai 2008 zu ergänzen. Auf die Begründung wird Bezug genommen.

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Mit Schriftsatz vom 16. Juni 2008 hat der Beklagte seine Ermessenserwägungen ergänzt. Hierin ist ausgeführt, unter Berücksichtigung der Schwere der vom Kläger begangenen Straftaten, der Dauer seines Aufenthaltes, der Zeit, die seit der Straftat verstrichen ist, der familiären Situation und der Möglichkeit der Reintegration des Klägers in sein Heimatland habe bei Abwägung aller Umstände des Einzelfalles im maßgeblichen Zeitpunkt 14. Februar 2000 das öffentliche Ausweisungsinteresse das private Interesse des Klägers an einem weiteren Aufenthalt in Deutschland überwogen. Eine Rücknahme der damaligen Ausweisung scheide vor diesem Hintergrund aus. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass der Kläger erneut in erheblichem Maße straffällig geworden sei. Die erneute Verurteilung des Klägers wegen Geldfälschung belege, dass sich seine kriminelle Energie noch gesteigert habe. Zudem habe er sich illegal und unter Verwendung falscher Personalien in Deutschland aufgehalten.

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Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 1. September 2008 hat der Beklagte des Weiteren seine Ermessenserwägungen in Bezug auf die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Zweibrücken und das in diesem Zusammenhang zur Akte gereichte Gutachten der Universität des Saarlandes vom 7. Juli 2008 ergänzt. Wegen der Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen. Insbesondere hat der Beklagte in Ansehung dieser Entwicklung die Ausweisung auf den 31. August 2013 befristet.

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Der Kläger hält die Entscheidung auch in Ansehung der Ermessensergänzung und Befristung aus den bereits genannten Gründen für rechtswidrig.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten, der Straf- und Gefangenen-Personalakten sowie der Gerichtsakten 3 K 264/08.KO, 3 K 811/06.KO und 3 L 2201/98.KO Bezug genommen. Diese Unterlagen lagen vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

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Die als Untätigkeitsklage nach § 75 VerwaltungsgerichtsordnungVwGO - zulässige Klage ist nicht begründet.

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Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rücknahme der Ausweisung vom 7. Mai 1998. Der dieses Begehren ablehnende Bescheid des Beklagten vom 23. März 2007 erweist sich daher als rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO).

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Der vom Kläger geltend gemachte Rücknahmeanspruch beurteilt sich nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsverfahrensgesetz – VwVfG -. Hiernach kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Vorliegend erweist sich die Ausweisung des Klägers vom 7. Mai 1998 zwar als rechtswidrig. Die vom Beklagten getroffene Ermessensentscheidung, die Ausweisung gleichwohl nicht zurückzunehmen, sondern lediglich deren Sperrwirkung auf den 31. August 2013 zu befristen, ist indessen aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Insbesondere kann der Kläger nicht mit Erfolg geltend machen, das dem Beklagten im Rahmen der Entscheidung über die Rücknahme dieses Verwaltungsaktes zustehende Ermessen habe sich zu seinen Gunsten auf „Null“ verdichtet, so dass die Rücknahme der damaligen Ausweisung die einzig rechtmäßige Entscheidung sei.

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Die als Regelausweisung verfügte Ausweisung des Klägers vom 7. Mai 1998 war wegen Verstoßes gegen europarechtliche Bestimmungen rechtswidrig. Dies ergibt sich bei Zugrundelegung der Rechtsprechung des EuGH (Urteile vom 29. April 2004 – Rs C – 482/01 und C - 493/01 -, Orfanopoulus und Oliveri, DVBl. 2004, 876) und der daran anknüpfenden Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 3. August 2004 – 1 C 30.02 -, BVerwGE 121, 297).

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So ist zunächst davon auszugehen, dass der Kläger gemäß Art. 7 Satz 2 ARB 1/80 EWG/Türkei in den Genuss der Rechtsstellung eines Berechtigten nach dieser Bestimmung gelangt ist. Hiernach können sich nämlich die Kinder türkischer Arbeitnehmer, die – wie der Kläger – im Aufnahmeland eine Berufsausbildung abgeschlossen haben (hier: abgeschlossene Lehre zum Metallschleifer), unabhängig von der Dauer ihres Aufenthaltes in dem betreffenden Mitgliedsstaat dort auf jedes Stellenangebot bewerben, sofern ein Elternteil in dem betreffenden Mitgliedsstaat seit mindestens drei Jahren beschäftigt war. Da diese Voraussetzungen im Falle des Klägers vorliegen, durfte er nach der vorstehend zitierten Rechtsprechung des EuGH und des Bundesverwaltungsgerichts nur auf der Grundlage des Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 EWG/Türkei i.V.m. §§ 45, 46 AuslG a.F. im Wege einer behördlichen Ermessensentscheidung ausgewiesen werden. An einer solchen Ermessensentscheidung fehlte es bezüglich der Ausweisung vom 7. Mai 1998. So hatte der Beklagte die Ausweisung seinerzeit im Ausgangsbescheid vorrangig auf § 47 Abs. 1 Nr. 1 und 2 AuslG a.F. (Regelausweisung) gestützt, was nach der vorstehend zitierten Rechtsprechung nicht zulässig war. Zwar hat der Beklagte darüber hinaus in dem in Rede stehenden Bescheid auch ausgeführt, dass eine Ausweisung des Klägers ebenfalls im Ermessenswege zulässig sei und hat dies im Einzelnen näher begründet. Insoweit bleibt aber zu sehen, dass die Frage der Ermessensausweisung allein auf der Grundlage spezialpräventiver Gesichtspunkte weder im Rahmen des anschließenden Widerspruchsverfahrens, noch in den hierzu ergangenen gerichtlichen Entscheidungen (Beschluss des erkennenden Gerichts vom 21. August 1998 – 3 L 2201/98.KO -; Beschluss des OVG Rheinland-Pfalz vom 13. November 1998 – 10 B 12102/98.OVG -) und auch nicht im Rahmen des hierzu ergangenen Urteils des erkennenden Gerichts vom 14. Februar 2000 ( - 3 K 1004/99.KO -) eine Rolle gespielt hat. Insbesondere lässt auch der Widerspruchsbescheid keinen Rückschluss darauf zu, dass der Kreisrechtsausschuss sich seinerzeit die Ermessenserwägungen im Bescheid der Ausgangsbehörde zu eigen gemacht hätte. Dies erscheint auch folgerichtig, weil es nach damaliger herrschender Rechtsauffassung für die Frage der Rechtmäßigkeit der Ausweisungsverfügung nicht mehr darauf ankam, ob die bereits als rechtmäßig erachtete Regelausweisung auch als Ermessensausweisung gerechtfertigt gewesen wäre.

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Erweist sich die Ausweisung des Klägers vom 7. Mai 1998 nach alledem als rechtswidrig, so steht deren Rücknahme auf der Rechtsfolgenseite im pflichtgemäßen Ermessen des Beklagten. Die vom Beklagten getroffene Entscheidung, die Ausweisung dennoch nicht zurückzunehmen und gleichzeitig die Sperrwirkung dieser Ausweisung auf den 31. August 2013 zu befristen, ist frei von Ermessensfehlern. Denn der Beklagte hat mit dieser Entscheidung weder die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten, noch in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise hiervon Gebrauch gemacht (§ 114 Satz 1 VwGO).

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Der Beklagte hat alle im Rahmen des § 48 Abs. 1 VwVfG abwägungsrelevanten Umstände in seine Entscheidung einbezogen. Hierzu gehört die Beantwortung der Frage, ob der Beklagte die Ausweisung auch verfügt hätte, wenn ihm seinerzeit bekannt gewesen wäre, dass hierüber nach Ermessen hätte entschieden werden müssen (vgl. VG Stuttgart, Urteil vom 23. Mai 2006 – 17 K 1214/05 -, zitiert nach juris). Diese Frage hat der Beklagte mit zutreffenden Argumenten bejaht und dies in seine Erwägungen einbezogen. Darüber hinaus hat er ebenso die Entwicklung und Lebensumstände des Klägers nach seiner Abschiebung bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im vorliegenden Verfahren in seiner Entscheidung berücksichtigt.

41

Zu Recht geht der Beklagte von der Prämisse aus, dass die Ausweisung des Klägers vom 7. Mai 1998 auch als Ermessensausweisung auf der Grundlage des Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 EWG/Türkei i.V.m. §§ 45, 46 Nr. 2 AuslG a.F. rechtmäßig hätte verfügt werden dürfen. Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt ist insoweit die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung des Tatsachengerichts. Dies war in Bezug auf die Ausweisung vom 7. Mai 1998 der 14. Februar 2000, das Datum der mündlichen Verhandlung im gegen die damalige Ausweisung gerichteten Verwaltungsrechtsstreit – 3 K 1004/99.KO -.

42

Nach Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 EWG/Türkei gilt der erste Abschnitt des Beschlusses, in dem sich unter anderem auch Art. 7 ARB befindet, vorbehaltlich der Beschränkungen, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigt sind. Grundsätzlich ist insoweit der gemeinschaftsrechtliche Standard für die Ausweisung von Gemeinschaftsangehörigen bzw. für die Feststellung des Verlusts der Freizügigkeitsrechte von Unionsbürgern nach § 6 Freizügigkeitsgesetz EU – FreizügG/EU – i.V.m. Art. 39 Abs. 3 EG auf assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige zu übertragen (Kloesel/Christ/Häußer, Deutsches Aufenthalts- und Ausländerrecht, Kommentar, Loseblattsammlung, Bd. 3, Nr. 381, Art. 14 ARB 1/80 EWG/Türkei, Rdn. 4 m.w.N.). Demzufolge ist die Ausweisung eines assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen nur aus spezialpräventiven Gründen zulässig. Sie setzt voraus, dass eine tatsächliche und hinreichende Gefährdung vorliegt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und, dass gerade der Ausländer durch sein persönliches Verhalten Anlass zur Ausweisung gibt. Die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit neuer Verfehlungen dürfen danach nicht allzu gering bemessen werden (Kloesel/Christ/Häußer, a.a.O. Rdn. 6 bis 8 m.w.N.). Allerdings ist wegen des maßgeblichen Beurteilungszeitpunktes 14. Februar 2000 auf die damalige Ausweisung noch nicht der gesteigerte Prüfungsmaßstab der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 anzuwenden, wie er inzwischen seinen Niederschlag in § 6 Abs. 5 FreizügG/EU gefunden hat. Diese Richtlinie hat nämlich am 14. Februar 2000 noch nicht existiert.

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Den so zu umreißenden Prüfungsmaßstab hat der Beklagte erkennbar seiner Entscheidung zugrunde gelegt. Dies lassen insbesondere seine ergänzenden Ermessenserwägungen im Schriftsatz vom 16. Juni 2008 und in der mündlichen Verhandlung vom 1. September 2008 deutlich erkennen. Die Richtigkeit des vom Beklagten zugrunde gelegten Prüfungsmaßstabes wird vom Kläger auch nicht grundsätzlich in Abrede gestellt, so dass sich hierzu weitere Ausführungen erübrigen.

44

Die vom Beklagten unter Berücksichtigung dieses besonderen Prüfungsmaßstabes auf der Grundlage der §§ 45, 46 Nr. 2 AuslG a.F. vorgenommene Abwägung der widerstreitenden Interessen ist rechtlich nicht zu beanstanden.

45

Der Kläger erfüllte zunächst am 14. Februar 2000 die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 46 Nr. 2 AuslG a.F., denn er hatte sich wiederholt strafbar gemacht und damit weder einen vereinzelten, noch einen geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften begangen.

46

Zu Recht ist der Beklagte auch davon ausgegangen, dass der Aufenthalt des Klägers zum damaligen Zeitpunkt die öffentliche Sicherheit und Ordnung beeinträchtigt hat (§ 45 Abs. 1 AuslG). Insbesondere ist die vom Beklagten angestellte Prognose, dass zum damaligen Zeitpunkt eine beachtliche Wiederholungswahrscheinlichkeit im Falle des Klägers gegeben war, ohne Weiteres gerechtfertigt. Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass an die Wiederholungswahrscheinlichkeit je nach Schwere der Tat und Bedeutung der beeinträchtigten Rechtsgüter um so geringere Anforderungen zu stellen sind, je schwerer die Tat zu bewerten ist. Dem öffentlichen Interesse an der Verhinderung schwerwiegender Straftaten ist nämlich regelmäßig ein bedeutendes Gewicht beizumessen. Dies gilt allerdings mit Rücksicht auf den besonderen Status des Klägers im vorliegenden Fall unter der oben gemachten Einschränkung, dass die Anforderungen an die Wiederholungswahrscheinlichkeit nicht allzu gering angesetzt werden dürfen. Da die Wiederholungswahrscheinlichkeit im Falle des Klägers zum damaligen Zeitpunkt jedoch als hoch eingestuft werden musste, führt auch der insoweit strengere Prüfungsmaßstab zu keiner anderen Bewertung.

47

Der Beklagte hat in diesem Zusammenhang zu Recht hervorgehoben, dass es sich bei den vom Kläger begangenen Straftaten – und dabei insbesondere betreffend die Drogendelikte – um schwerwiegende Straftaten gehandelt hat. Dabei hat er zu Recht auch erschwerend berücksichtigt, dass der Kläger die Drogen nicht nur selbst konsumiert, sondern auch zum Teil mit harten Drogen Handel betrieben hat. Auch wenn er dies nicht aus Gewinnsucht getan hat, sondern um seinen eigenen Drogenbedarf zu finanzieren, hat er damit zweifellos in Kauf genommen, dass seine Kunden durch die von ihm verkauften Drogen süchtig werden und damit schwere Schäden zumindest an Leib und Gesundheit erleiden werden. An dieses persönliche Verhalten des Klägers anknüpfend, hat der Beklagte sodann schlüssig und nachvollziehbar die Gründe für die seinerzeit nach seiner Auffassung bestehende Wiederholungsgefahr dargelegt. Auf die diesbezüglichen Ausführungen, insbesondere im Schriftsatz vom 16. Juni 2008 und in der mündlichen Verhandlung vom 1. September 2008, die die Kammer für zutreffend hält, kann zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen Bezug genommen werden. Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang bemängelt, der Beklagte habe seine gute Führung während der Haft und den Umstand, dass er sich intensiv um eine Drogentherapie bemüht habe, dies aber letztlich aus Gründen gescheitert sei, die er nicht habe beeinflussen können, nicht hinreichend gewürdigt, kann ihm nicht zugestimmt werden. Die Bemühungen des Klägers um eine Drogentherapie hat der Beklagte durchaus differenziert betrachtet und ausführlich gewürdigt. Er gelangt indessen nachvollziehbar zu einer anderen Bewertung dieser Umstände als der Kläger selbst. Dagegen ist aber nichts einzuwenden. Insoweit ist auch in den Blick zu nehmen, dass es vorliegend um Gefahrenabwehr geht und von daher die Frage, ob der Kläger schuldhaft an der Durchführung einer Drogentherapie verhindert war, nicht den Ausschlag gibt. Tatsache ist, dass beim Kläger ein ernstzunehmendes, nicht aufgearbeitetes Drogenproblem bestand und dies begründeten Anlass zu der Besorgnis gab, dass er nach der Haftentlassung alsbald wieder in das Drogenmilieu abgleiten werde. Diese Einschätzung war im Übrigen völlig richtig. Denn der Kläger hat – worauf der Beklagte in der mündlichen Verhandlung zutreffend hingewiesen hat – selbst eingeräumt, in der Zeit nach seiner Abschiebung – und damit bereits kurz nach der Haftentlassung – weiter Drogen konsumiert zu haben. Damit räumt der Kläger selbst ein, dass sich die Wiederholungsgefahr in seinem Falle sogar relativ kurzfristig nach der Haftentlassung realisiert hatte. Lagen damit die tatbestandlichen Voraussetzungen  einer Ermessensausweisung am 14. Februar 2000 im Falle des Klägers vor, so begegnen auch die vom Beklagten vorgenommenen Ermessenserwägungen als solche keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Denn der Beklagte hat mit der von ihm getroffenen Feststellung, der Kläger hätte im damaligen Zeitpunkt  auch rechtmäßiger Weise auf der Grundlage einer Ermessensausweisung ausgewiesen werden können, weder die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten, noch davon in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht (§ 114 Satz 1 VwGO).

48

Der Beklagte hat auch insoweit alle abwägungsrelevanten Umstände in seine Entscheidung einbezogen.

49

Hierzu gehörten neben Art und Umständen der Tat und der zu besorgenden Wiederholungsgefahr alle in § 45 Abs. 1 und 2 AuslG a.F. nicht abschließend genannten Gesichtspunkte unter Beachtung der oben bereits näher beschriebenen Wertungsprärogative des Art. 14 Satz 1 ARB 1/80 EWG/Türkei. Diese Vorgaben hat der Beklagte beachtet.

50

Dies gilt zunächst für die Art und Schwere der vom Kläger begangenen Straftaten. Insoweit ist der Beklagte zutreffend von einer Verurteilung des Klägers zu 4 Jahren Freiheitsstrafe ausgegangen. Auch hat er richtig erkannt, dass der Kläger bereits vor seiner letzten Verurteilung mehrfach strafrechtlich in unterschiedlicher Weise und Intensität in Erscheinung getreten ist. Des Weiteren hat er bei seiner Entscheidung die Entwicklung des Klägers nach der Tat und insbesondere sein Verhalten während der Verbüßung der Strafhaft, wie auch seine weitere Entwicklung nach der Haftentlassung und Abschiebung in die Türkei in seine Überlegungen einbezogen. In dieser Hinsicht hat der Beklagte die gute Führung des Klägers in der Haftanstalt und seine ernsthaften Bemühungen um einen Therapieplatz zur Behandlung seines Drogenproblems mit in den Blick genommen. Des Weiteren hat er aber auch berücksichtigt, dass dem Kläger mit Blick auf die Drogenproblematik keine uneingeschränkt positive Prognose ausgestellt werden konnte. Bei dieser Einschätzung hat der Beklagte sich auf die entsprechenden Ausführungen der zuständigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Trier vom 1. Oktober 1999 gestützt. Weiter hat er berücksichtigt, dass sich die Bedenken bezüglich einer Rückfälligkeit des Klägers bestätigt haben, nachdem dieser eingeräumt habe, nach seiner Abschiebung weiterhin Drogen konsumiert zu haben.

51

Des Weiteren hat der Beklagte auch die persönlichen Umstände des Klägers bei seiner Ermessensentscheidung berücksichtigt. Dazu gehört, dass der Kläger in Deutschland geboren und wenige Monate nach seiner Geburt in die Türkei verbracht wurde, wo er sodann die ersten fünf Lebensjahre bei seinen Großeltern lebte. Weiter wurde berücksichtigt, dass der Kläger im Oktober 1978 wieder nach Deutschland eingereist ist, hier die Schule besucht und diese mit der „Mittleren Reife“ abgeschlossen hat. Ebenso hat der Beklagte die abgeschlossene Berufsausbildung zum Metallschleifer einbezogen und den Umstand, dass der Kläger vor seiner Inhaftierung als Maschinenbediener tätig war. Sodann hat der Beklagte berücksichtigt, dass der Kläger im Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis war und von daher besonderen Ausweisungsschutz nach § 48 Abs. 1 Nr. 2 AuslG a.F. genoss. Letzteres wurde bereits im Rahmen der damaligen Ausweisungsverfügung zu Gunsten des Klägers berücksichtigt. Schließlich hat der Beklagte auch die Verbindungen des Klägers zu seinen in Deutschland lebenden Familienangehörigen (Eltern und Geschwister) in seine Entscheidung einbezogen (§ 45 Abs. 2 Nr. 1 AuslG a.F.).

52

Die Folgen der Ausweisung für die Familienangehörigen des Klägers, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten und mit ihm in familiärer Lebensgemeinschaft lebten, sind gemäß § 45 Abs. 2 Nr. 2 AuslG a.F. ebenfalls einzustellen. Hierzu hatte der Kläger jedoch nichts Besonderes vorgetragen, so dass eine weitergehende Auseinandersetzung des Beklagten mit diesen Gesichtspunkten entbehrlich war.

53

Schließlich hat der Beklagte auch die in § 55 Abs. 2 AuslG a.F. genannten Duldungsgründe in seine Überlegungen einbezogen (§ 45 Abs. 2 Nr. 3 AuslG a.F.). Dazu gehören die schutzwürdigen Belange des Klägers aus Art. 6 Grundgesetz – GG – bzw. Art. 8 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte – EMRK -, soweit sie nicht bereits von §§ 45 Abs. 2 Nr. 1 und 2 AuslG a.F. erfasst sind, und die Frage nach der Reintegrationsmöglichkeit des Klägers in seinem Heimatland. Auch diese Gesichtspunkte hat der Beklagte im Rahmen seiner Ermessensentscheidung erwogen.

54

Hat der Beklagte somit alle abwägungsrelevanten Gesichtspunkte in seine Ermessenserwägungen eingestellt, so ergeben sich entgegen der Rechtsauffassung des Klägers auch keine Anhaltspunkte für eine Fehlgewichtung der widerstreitenden Belange.

55

So ist es zunächst nicht zu beanstanden, wenn der Beklagte die vom Kläger wiederholt begangenen Drogendelikte als besonders schwerwiegende Straftaten gewertet hat. Dies ist mit Blick auf die Tatumstände, wie sie sich aus den beigezogenen Strafakten ergeben, ohne Weiteres gerechtfertigt. Hieraus wird deutlich, dass der Kläger nicht etwa – wie er nunmehr Glauben machen möchte – aufgrund des Zusammenspiels unglücklicher Umstände vorübergehend mit Drogen in Verbindung kam. Vielmehr hat er ersichtlich nicht nur über einen längeren Zeitraum selbst Drogen konsumiert, sondern diese auch weiterverkauft und in diesem Zusammenhang feste Kontakte im Drogenmilieu etabliert. Soweit er darauf verweist, dass er nicht aus Gewinnsucht, sondern zur Finanzierung seiner Drogenabhängigkeit mit Drogen gehandelt habe, hat der Beklagte diesem Gesichtspunkt zu Recht kein ausschlaggebendes Gewicht beigemessen. Denn unter dem Gesichtspunkt der Gefahrenabwehr, um die es bei der Ausweisung geht, kommt es – anders als bei der Strafzumessung durch das Strafgericht – nicht vorrangig auf die Motivation des Drogendealers für sein Handeln an. Entscheidend ist insoweit, dass der Handel mit Drogen deren weitere Verbreitung fördert und damit in Kauf genommen wird, dass die potenziellen Käufer hiervon ebenfalls süchtig werden und dadurch erhebliche Schäden an Leib und Gesundheit nehmen. An dieses persönliche Verhalten des Klägers anknüpfend hat der Beklagte unter Einbeziehung der aus den bereits dargelegten Gründen im Falle des Klägers bestehenden Wiederholungsgefahr in nachvollziehbarer und vertretbarer Weise aufgezeigt, dass mit dem Verhalten des Klägers ein grundlegendes Interesse der Gesellschaft tangiert ist und dass die Ausweisung des Klägers erforderlich war, um die erneute Begehung vergleichbar schwerer Straftaten durch den Kläger und die damit verbundene Gefährdung höchstrangiger Rechtsgüter Dritter im Bundesgebiet wirksam zu verhindern. In diesem Zusammenhang ist besonders hervorzuheben, dass das Vorbringen des Klägers im Schriftsatz vom 18. August 2008, er habe nach seiner Abschiebung in die Türkei keinen weiteren Kontakt mit Drogen gehabt, durch seine eigenen Angaben im Rahmen der Behandlungsuntersuchung in der JVA Zweibrücken widerlegt ist. Dort hat er ausweislich eines an seinen Verfahrensbevollmächtigten gerichteten Schreibens der JVA Zweibrücken vom 13. Dezember 2007 (Bl. 398 ff. der Gefangenen-Personalakten Bd. 3) angegeben, dass er während seiner Zeit in Griechenland und vor seiner erneuten Inhaftierung in Deutschland regelmäßig Haschisch geraucht und je nach finanzieller Lage zusätzlich Speed und Kokain konsumiert habe. Weiter hat er angegeben, dass er ca. vier Monate nach der Abschiebung aus der Türkei geflüchtet sei (Bl. 391 der Gefangenen-Personalakte).

56

Auch die sonstigen persönlichen und wirtschaftlichen Bindungen des Klägers in Deutschland hat der Beklagte in Bezug auf den Beurteilungszeitpunkt 14. Februar 2000 zutreffend gewürdigt.

57

Dies gilt zunächst für die familiären Bindungen des Klägers im Bundesgebiet, die dem Schutzbereich des Art. 6 GG unterfallen. Ausgehend von dem Umstand, dass der 1973 geborene Kläger im maßgeblichen Zeitpunkt bereits 29 Jahre alt war, hat der Beklagte zu Recht den schutzwürdigen Belangen des Klägers aus Art. 6 GG Nachrang gegenüber dem oben bereits dargelegten öffentlichen Ausweisungsinteresse eingeräumt. Die Beeinträchtigung der nach Art. 6 Abs. 1 GG aufenthaltsrechtlich geschützten Belange geht im Falle des Klägers nicht über das im Regelfall übliche Maß hinaus. Dies kann nur dann angenommen werden, wenn einer der Familienangehörigen, mit denen der Ausländer in familiärer Lebensgemeinschaft lebt, aufgrund individueller Besonderheiten mehr als im Regelfall üblich auf den persönlichen Beistand des von der Ausweisung betroffenen Ausländers angewiesen ist (VGH Bw, Beschluss vom 6. Mai 1997 – 13 F 1997 – NVwZ –RR 1997, 746 – 749 und BVerwG, Beschluss vom 15. Januar 1997 – 1 B 256/96 – Buchholz 402.240, § 47 AuslG, 1990, Nr. 12). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Denn es ist vorliegend weder dargetan noch sonst für die Kammer ersichtlich, dass eines der Familienmitglieder des Klägers in gesteigertem Maße auf dessen Anwesenheit in Deutschland angewiesen gewesen wäre. Vielmehr handelte es sich bei den Beziehungen des Klägers zu seinen Eltern und Geschwistern um die üblichen Beziehungen zwischen erwachsenen Familienangehörigen. Diese konnten seinerzeit unter anderem auch durch telefonischen und brieflichen Kontakt aufrecht erhalten werden. Dies ist im Ergebnis auch so erfolgt, weil der Kläger insoweit angegeben hat, dass er nach seiner Abschiebung in die Türkei dort finanzielle Unterstützung seitens seiner in Deutschland lebenden Familienmitglieder erhalten habe.

58

Des Weiteren hat der Kläger auch keine Umstände vorgetragen, noch sind solche sonst für die Kammer ersichtlich, aus denen sich ergeben könnte, dass er seinerseits in besonderem Maße auf die Unterstützung seiner in Deutschland lebenden Familienangehörigen angewiesen gewesen wäre.

59

Sonstige engere persönliche Bindungen hat der Kläger im maßgeblichen Zeitpunkt nicht geltend gemacht.

60

Auch die wirtschaftlichen Bindungen des Klägers im Bundesgebiet hat der Beklagte im Ergebnis zutreffend gewichtet. Zwar verfügte der Kläger über einen qualifizierten Schulabschluss und eine abgeschlossene Berufsausbildung zum Metallschleifer. Diese Tätigkeit hat  er aber nicht mehr ausgeübt, sondern arbeitete vor seiner ersten Inhaftierung als Maschinenbediener. Diesen durchaus positiven Gesichtspunkten hat der Beklagte indessen zu Recht kein derart überragendes Gewicht beigemessen, dass im Hinblick darauf von der Ausweisung abzusehen gewesen wäre. Insoweit hat der Beklagte zutreffend darauf verwiesen, dass diese Umstände den Kläger nicht von der Begehung der in Rede stehenden schweren Rauschgiftdelikte abgehalten haben. Auch geboten diese positiven Umstände seinerzeit nicht, trotz der Wiederholungsgefahr die drohende erneute Beeinträchtigung höchstrangiger Rechtsgüter Dritter im Falle des weiteren Aufenthaltes des Klägers in Kauf zu nehmen. Darüber hinausgehende schutzwürdige wirtschaftliche Belange hat der Kläger in Bezug auf den Beurteilungszeitpunkt 14. Februar 2000 nicht geltend gemacht und sind auch sonst für die Kammer nicht ersichtlich.

61

Auch die Aufenthaltsdauer und die daraus resultierenden schutzwürdigen Belange des Klägers auf Achtung des Privatlebens gemäß Art. 8 EMRK hat der Beklagte in Bezug auf den Beurteilungszeitpunkt 14. Februar 2000 zutreffend gewichtet und abgewogen.

62

Zwar griff die seinerzeitige Ausweisung des Klägers in den Schutzbereich dieser Bestimmung ein. Dieser Eingriff war aber nach Art. 8 Abs. 2 EMRK gerechtfertigt.

63

Der Schutzbereich des Privatlebens im Sinne des Art. 8 Abs. 1 EMRK umfasst des Recht auf Identität und persönliche Entwicklung und das Recht, Beziehungen mit anderen Menschen und der Außenwelt zu begründen und zu pflegen (Kloesel/Christ/Häußer, a.a.O., Art. 8 EMRK Rdn. 30 m.w.N.). In diesen Schutzbereich griff die Ausweisung des Klägers ein. Er ist in Deutschland geboren und hielt sich – mit Ausnahme des ca. fünfjährigen Aufenthaltes in der Türkei von 1973 bis 1978 – in Deutschland auf. Damit geht einher, dass er der deutschen Sprache mächtig ist. Auch hat er in Deutschland die Schule besucht und mit der mittleren Reife abgeschlossen. Ebenso hat er im Anschluss daran mit Erfolg eine Ausbildung zum Metallschleifer absolviert. Danach hat er zeitweise als Maschinenbediener gearbeitet. Dass die Eltern und Geschwister des Klägers ebenfalls in Deutschland leben, wurde oben bereits erwähnt. Sonstige engere persönliche Bindungen zu in Deutschland lebenden Personen waren seinerzeit nicht ersichtlich. Zusammenfassend sind damit aber unverkennbar solche Umstände verknüpft, die sowohl das Recht des Klägers auf Identität und persönliche Entwicklung wie auch auf Achtung seiner schutzwürdigen Beziehungen zu anderen Menschen betreffen.

64

Der mit der Ausweisung verbundene Eingriff in diese Rechte war aber nach Art. 8 Abs. 2 EMRK gerechtfertigt. Denn er war gesetzlich vorgesehen und stellte sich als eine Maßnahme dar, die in einer demokratischen Gesellschaft für die Wahrung der öffentlichen Ruhe und Ordnung und insbesondere zur Verhinderung von strafbaren Handlungen und zum Schutz der Rechte Anderer notwendig war.

65

Die Ausweisung des Klägers  war in Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 EWG/Türkei i.V.m. §§ 45, 46 Nr. 2 AuslG a.F. gesetzlich geregelt. Insoweit besteht Einigkeit, dass nach allgemein anerkannten völkerrechtlichen Grundsätzen die Vertragsstaaten das Recht haben, über die Einreise, den Aufenthalt und die Abschiebung fremder Staatsangehöriger zu entscheiden. Von diesem Recht hat die Bundesrepublik Deutschland unter anderem durch den Erlass des Ausländergesetzes alter Fassung und seiner ergänzenden Bestimmungen Gebrauch gemacht. Auf der Grundlage dieser Regelung hat der Beklagte die Ausweisung des Klägers verfügt.

66

Ob die Maßnahme im Einzelfall zur Erreichung des vorstehend bezeichneten Zwecks notwendig und damit im Ergebnis nach Art. 8 Abs. 2 EMRK gerechtfertigt ist, kann nur im Rahmen einer einzelfallbezogenen Interessenabwägung beantwortet werden (BVerfG, Beschluss vom 10. Mai 2007 – 2 BvR 304/07 m.w.N. aus Rechtsprechung und Literatur). In diese Abwägung sind einzubeziehen die Art und Schwere der begangenen Straftaten, die Wiederholungsgefahr, die Dauer des Aufenthaltes im Land, aus dem der Betroffene ausgewiesen werden soll, die seit der Tatzeit verstrichene Zeitspanne, das Verhalten des Betroffenen in dieser Zeit sowie die Festigkeit der sozialen, kulturellen und familiären Bindungen im Aufenthaltsland sowie zum Staat seiner Staatsangehörigkeit (OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 16. Juli 2008 – 7 B 10529/08.OVG -). An diesem Prüfprogramm, welches sich der Sache nach im Wesentlichen mit dem Wortlaut des § 45 Abs. 1 und 2 AuslG a.F. deckt, zeigt sich, dass die nach Art. 8 EMRK zu beachtenden Gesichtspunkte weitestgehend bereits in den nationalen Bestimmungen des Ausländergesetzes a.F. ihren Niederschlag gefunden hatten und Art. 8 EMRK somit keinen Prüfungsrahmen außerhalb des Aufenthaltsgesetzes eröffnet (vgl. VG Koblenz, Urteile vom 17. März  2008 – 3 K 1349/07.KO – und vom 18. August 2008 - 3 K 869/07.KO -). Er ist lediglich bei der Anwendung der gesetzlichen Bestimmungen, was auch durch die Regelung des § 45 Abs. 2 Nr. 3 AuslG a.F. in besonderem Maße deutlich wird, zu berücksichtigen (a.A. wohl OVG Rheinland-Pfalz, a.a.O.). Dies vorausgeschickt, hat der Beklagte im Ergebnis zu Recht den diesbezüglichen Belangen des Klägers gegenüber dem öffentlichen Ausweisungsinteresse den Nachrang eingeräumt.

67

Was die Art und Schwere der vom Kläger begangenen Straftaten anbelangt, kann zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen auf die oben hierzu bereits gemachten Ausführungen Bezug genommen werden. Ergänzend ist in diesem Zusammenhang nochmals hervorzuheben, dass es sich im Wesentlichen um besonders gefährliche Delikte aus dem Bereich der schwer zu bekämpfenden Drogenkriminalität (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, a.a.O.) gehandelt hat. Gerade in diesem Bereich ist die Rückfallquote und die damit einhergehende Wiederholungsgefahr besonders hoch. Dies trifft auch gerade im Falle des Klägers zu, der nach eigenen Angaben bereits relativ kurze Zeit nach der Haftentlassung wieder Drogen konsumiert hatte. Die Ausweisung des Klägers war daher notwendig, um die mit seinem weiteren Aufenthalt in Deutschland verbundene konkrete Gefährdung höchstrangiger Rechtsgüter Dritter wie Leib und Gesundheit und die Begehung weiterer einschlägiger Straftaten durch den Kläger im Bundesgebiet wirksam zu verhindern.

68

Die demgegenüber für den Kläger sprechenden Gesichtspunkte sind nicht derart gewichtig, dass sie die seinerzeitige Ausweisung als unverhältnismäßig im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK erscheinen lassen.

69

Was die Dauer des Aufenthaltes anbelangt, ist geklärt, dass weder die Geburt im gegenwärtigen Aufenthaltsland noch der langjährige Aufenthalt als solcher absolut vor der zwangsweisen Aufenthaltsbeendigung nach schweren Straftaten schützen (so auch OVG Rheinland-Pfalz, a.a.O. unter Hinweis auf die Rechtsprechung des EGMR). Aus dieser Erkenntnis folgt, dass nicht in erster Linie die Dauer des Aufenthaltes als solche dem Ausländer schon eine im gesteigerten Maße schutzwürdige Position vermittelt, sondern dass es maßgeblich darauf ankommt, in welchem Umfang die persönliche Entwicklung und die Identität des Ausländers durch den Aufenthalt in Deutschland geprägt und wie intensiv seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen sozialen Beziehungen hier sind (vgl. aber auch OVG Rheinland-Pfalz, a.a.O.). Dabei liegt es auf der Hand, dass bei zunehmender Dauer des Aufenthaltes diese Umstände mehr und mehr an Gewicht gewinnen, so dass hier letztlich im Regelfall ein Verhältnis der Wechselwirkung zwischen Aufenthaltsdauer und Integrationsgrad festzustellen ist.

70

Dies vorausgeschickt, stellte sich die Situation des Klägers so dar, dass dieser in Deutschland geboren wurde, sodann aber noch im Säuglingsalter von wenigen Monaten in die Türkei verbracht wurde, wo er seine ersten fünf Lebensjahre bei den Großeltern aufwuchs. Damit wird bereits deutlich, dass er durchaus einen nicht völlig zu vernachlässigenden Teil seiner Sozialisation in der Türkei erfahren hat. Hieraus folgt, dass er während dieser Zeit erste grundlegende Kenntnisse der türkischen Sprache erworben hat. Im Anschluss daran hat er sodann seit 1978 in Deutschland gelebt. Damit hat der wesentliche Teil seiner Sozialisation in Deutschland als Kind türkischer Arbeitnehmer der ersten Generation stattgefunden. Infolge dessen ist festzuhalten, dass er die deutsche Sprache spricht, in Deutschland einen qualifizierten Schulabschluss erreicht und schließlich eine abgeschlossene Berufsausbildung als Metallschleifer absolviert hat. Nach kurzfristiger Arbeitslosigkeit hat er diesen Beruf aber nicht ausgeübt, sondern war als Maschinenbediener tätig. Zuletzt war er im Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis. Damit hat der Kläger einen beachtlichen Integrationsgrad in Deutschland erreicht, womit gleichzeitig deutlich wird, dass die persönliche Entwicklung und Identität des Klägers durch seinen Aufenthalt in Deutschland maßgeblich geprägt worden ist. Allerdings wird seine Ausweisung damit in Ansehung der Schwere der von ihm begangenen Straftaten noch nicht unverhältnismäßig. Insbesondere kann nicht festgestellt werden, dass er ein Privatleben im Sinne des Art. 8 Abs. 1 EMRK faktisch nur mehr in Deutschland hätte führen können. Er ist nämlich mit Blick auf seine gesamte vorstehend aufgezeigte Entwicklung nicht etwa faktisch zu einem Inländer geworden, so dass ihm ein Leben in der Türkei nicht hätte zugemutet werden können (vgl. hierzu VGH Hessen, Beschluss vom 15. Februar 2006 – 7 TG 106/06 -, Asyl-Magazin 2006, 32 ff.; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 18. Januar 2006 – 13 F 2220/05 -, Asyl-Magazin 2006, S. 29 ff.; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 24. Februar 2006 – 7 B 10020/06.OVG -, jeweils mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung).

71

Entgegen dem Vorbringen des Klägers kann insbesondere nicht davon ausgegangen werden, dass er zu seinem Heimatland Türkei keinerlei Bezüge mehr hatte. Hierzu wurde oben bereits aufgezeigt, dass er die ersten fünf Lebensjahre dort bei seinen Großeltern verbracht hat. Gerade in diesem Zusammenhang ist allgemein anerkannt, dass vor allem die ersten Lebensjahre besonders prägend sind. Dementsprechend hat der Kläger dort auch erste grundlegende Kenntnisse der türkischen Sprache erworben. Sodann ist er in Deutschland weiter in einer türkischen Familie der ersten Generation aufgewachsen. Von daher ist davon auszugehen, dass auch in der Familie des Klägers weiter zumindest auch Türkisch gesprochen wurde und dass ihm die dortigen gesellschaftlichen und kulturellen Werte vermittelt worden sind. Soweit er geltend macht, er sei der türkischen Sprache nur rudimentär mächtig, kann ihm dies vor diesem Hintergrund bei lebensnaher Betrachtungsweise nicht abgenommen werden. Hierzu hat der Beklagte zu Recht darauf hingewiesen, dass der Kläger während der Haftverbüßung Kontakt zu türkischen Mitgefangenen gesucht und auf eigenen Wunsch türkische Zeitungen gelesen und türkische Musik gehört habe.

72

Der fehlende Bezug des Klägers zu seinem Heimatland Türkei wird auch nicht durch die Schilderung seines Werdeganges nach der Abschiebung und dem Umstand, dass er nach ca. weiteren vier Monaten nach Griechenland gegangen ist, belegt. Zwar ist dem Kläger zuzugestehen, dass die Eingewöhnung in die türkischen Lebensverhältnisse für ihn nicht leicht gewesen sein dürfte. Dennoch bleibt zu sehen, dass es ihm nach eigenen Angaben alsbald gelungen ist, einen Arbeitsplatz in der Tourismusbranche zu erlangen. Soweit er in diesem Zusammenhang berichtet, ihm sei der versprochene Lohn verweigert worden, wäre es ihm unbenommen gewesen, seine Ansprüche notfalls gerichtlich durchzusetzen, was er aber offensichtlich unterlassen hat. Überdies kann davon ausgegangen werden, dass ihm sowohl seine Sprachkenntnisse (Deutsch und Türkisch) als auch seine in Deutschland erworbene qualifizierte Schul- und Berufsausbildung auch in der Türkei, einem Land mit einem nach wie vor hohen Bevölkerungsanteil ohne eine solche qualifizierte Ausbildung, zugute gekommen ist. Mit dieser Qualifikation hatte der Kläger als arbeitsfähiger junger Mann durchaus eine realistische Chance, sich in der Türkei eine Existenz aufzubauen. So waren es nach den Schilderungen des Klägers in seiner Stellungnahme vom 25. März 2008 denn auch nicht vorrangig wirtschaftliche Gründe, die ihn zur Flucht nach Griechenland bewogen haben, sondern der Umstand, dass ihm die Einberufung zum Militär drohte. Im Hinblick auf seine Sprachkenntnisse und den geschilderten kulturellen Hintergrund wäre es ihm auch ohne Weiteres möglich gewesen, in der Türkei neue persönliche Kontakte aufzubauen. Dass der Kläger überdies über ein gewisses Maß an Anpassungsfähigkeit verfügte, zeigt sich auch darin, dass er sich über einen längeren Zeitraum in Griechenland aufgehalten hat, obwohl er bis dahin zu diesem Land weder in sprachlicher noch sonstiger Hinsicht irgendwelche Bezüge aufgebaut hatte.

73

Die familiären Bindungen des Klägers in Deutschland wurden bereits im Rahmen des Art. 6 GG berücksichtigt und sind aus den dort bereits genannten Gründen auch im Rahmen des Art. 8 EMRK nicht geeignet, die Unverhältnismäßigkeit der Ausweisung zu begründen.

74

Die schutzwürdigen Belange des Klägers aus Art. 8 EMRK sind demnach insgesamt nicht von derartigem Gewicht, dass sie der Ausweisung angesichts der von ihm begangenen Straftaten und der damals bestehenden Wiederholungsgefahr entgegengestanden hätten. Der Beklagte ist nach alledem zu Recht davon ausgegangen, dass er den Kläger auch auf der Grundlage einer Ermessensausweisung nach Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 EWG/Türkei hätte ausweisen können.

75

Neben der Frage, ob die Ausweisung des Klägers im Jahre 1998 rechtmäßigerweise auch als Ermessensausweisung hätte verfügt werden können, hat der Beklagte die weitere Entwicklung des Klägers über den 14. Februar 2000 hinaus bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im vorliegenden Verfahren mit in seine Entscheidung über die Rücknahme der Ausweisung einbezogen. In diesem Zusammenhang hat er insbesondere die illegale Wiedereinreise des Klägers nach Deutschland im Jahr 2003 und die sodann zu verzeichnende erneute Straffälligkeit des Klägers, die in einer Verurteilung zu 4 Jahren Freiheitsstrafe wegen Geldfälschung mündete, berücksichtigt. Weiter hat er in diesem Zusammenhang die Entwicklung des Klägers in der Strafhaft und die Entscheidung des Landgerichts Zweibrücken vom 23. Juli 2008 – 2 StVK 782/07 – und 2 StVK 783/07 – sowie das dieser Entscheidung zugrunde liegende Gutachten der Universität des Saarlandes vom 4. April 2008 ausführlich gewürdigt. Auf die diesbezüglichen ergänzenden Ermessenserwägungen des Beklagten im Schriftsatz vom 16. Juni 2008 und im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 1. September 2008 kann wegen der Einzelheiten verwiesen werden.

76

Zusammenfassend ist der Beklagte in ermessensfehlerfreier Weise zu dem Ergebnis gelangt, dass trotz der dem Kläger inzwischen attestierten Nachreifung und der auch ansonsten ausweislich des genannten Gutachtens zu verzeichnenden positiven Entwicklung seiner Persönlichkeit, nach wie vor eine ernstzunehmende Gefahr besteht, dass er erneut in beachtlichem Umfang straffällig wird. Dies hat der Beklagte schlüssig und nachvollziehbar unter Hinweis auf die langjährige strafrechtliche Karriere des Klägers und den Umstand begründet, dass auch der Gutachter im Hinblick auf die strafrechtliche Vorbelastung dem Kläger keine eindeutige positive Prognose zu stellen vermochte.

77

Vor diesem Hintergrund ist es nach Auffassung der Kammer ermessensfehlerfrei, wenn der Beklagte unter Einbeziehung dieser neuesten Entwicklung zwar einerseits die Rücknahme der damaligen Ausweisung abgelehnt hat, gleichzeitig aber mit Blick auf die Vorgeschichte und die persönliche Entwicklung des Klägers, wie sie in dem Gutachten nochmals in ihren wesentlichen Zügen skizziert ist, die Sperrwirkung der in Rede stehenden Ausweisung nunmehr auf den 31. August 2013 befristet hat. Dabei ist allerdings zu beachten, dass das Gutachten teilweise auf unzutreffenden Sachverhaltsannahmen beruht. Dies betrifft namentlich den Umfang des Drogenkonsums des Klägers. Insoweit geht der Gutachter ersichtlich davon aus, dass der Kläger lediglich bis zu seiner Inhaftierung im Jahre 1996 Drogen konsumiert habe und später nicht mehr. Dass dies nicht den Tatsachen entspricht, wurde oben bereits dargelegt. Selbst wenn man trotz dieses Umstandes zu Gunsten des Klägers mit dem Gutachter davon ausgeht, dass ihm eine vorsichtig positive Sozialprognose gestellt werden könne, so erscheint die Befristung der Sperrwirkung der Ausweisung auf den 31. August 2013 unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit als sachgerecht. Denn damit hat der Kläger nunmehr Gelegenheit – wenn auch in seinem Heimatland Türkei – sich in Freiheit zu bewähren und nachzuweisen, dass bei ihm tatsächlich ein nachhaltiger Einstellungswandel eingetreten ist. Sofern ihm dies gelingt und er bis zum genannten Zeitpunkt die noch offenstehenden Abschiebekosten gezahlt hat, steht die Ausweisung damit nach Ablauf der Frist einer Wiedereinreise des Klägers nach Deutschland jedenfalls nicht mehr entgegen.

78

Schließlich ist dem Kläger auch aus heutiger Sicht eine Rückkehr in die Türkei aus den selben Gründen wie im Februar 2000 ohne Weiteres zumutbar. Eine weitere nennenswerte Verfestigung in die deutschen Lebensverhältnisse hat seit seiner illegalen Wiedereinreise nicht stattgefunden. Dies schon deshalb nicht, weil er den überwiegenden Teil seines neuerlichen Aufenthaltes im Gefängnis verbracht hat. Auch wenn er die Zeit genutzt hat, eine weitere Ausbildung mit Erfolg abzuschließen, so erhöht dies sicherlich seine Chancen, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen und sich wieder in die Gesellschaft einzugliedern. Insoweit steht der Kläger aber erneut vor einem Neuanfang, den er ebenso in der Türkei beginnen kann. Auch auf dem dortigen Arbeitsmarkt wird ihm diese zusätzliche Qualifikation aus den bereits genannten Gründen ohne Weiteres zugute kommen. Die von ihm vorgetragenen Stellenangebote in Deutschland lassen zudem erkennen, dass es sich wiederum nur um solche Tätigkeiten handelt, für die die von ihm erworbenen Qualifikationen nicht vorausgesetzt werden. Die Beziehungen zu seinen in Deutschland lebenden Familienangehörigen kann der inzwischen 35 Jahre alte Kläger durch telefonische und briefliche Kontakte aufrecht erhalten. Auch ist es den Familienangehörigen unbenommen, ihn in der Türkei zu besuchen. Dies gilt auch für die Freundin des Klägers, zumal diese nach seinen Angaben als Stewardess tätig ist und von daher über günstige Reisemöglichkeiten verfügt. Erweist sich die Ablehnung der Rücknahme der Ausweisung somit als ermessensfehlerfrei, steht dem Kläger erst recht kein Anspruch auf Rücknahme der Ausweisung im Sinne einer Ermessensreduktion auf „Null“ zu.

79

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

80

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.

81

Die Berufung war gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen.

82

Beschluss

83

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000,-- € festgesetzt (§§ 52, 63 Abs. 2 GKG).

84

Die Festsetzung des Streitwertes kann nach Maßgabe des § 68 Abs. 1 GKG mit derBeschwerde angefochten werden.

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(3) Die §§ 56a bis 56e gelten entsprechend; die Bewährungszeit darf, auch wenn sie nachträglich verkürzt wird, die Dauer des Strafrestes nicht unterschreiten. Hat die verurteilte Person mindestens ein Jahr ihrer Strafe verbüßt, bevor deren Rest zur Bewährung ausgesetzt wird, unterstellt sie das Gericht in der Regel für die Dauer oder einen Teil der Bewährungszeit der Aufsicht und Leitung einer Bewährungshelferin oder eines Bewährungshelfers.

(4) Soweit eine Freiheitsstrafe durch Anrechnung erledigt ist, gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne der Absätze 1 bis 3.

(5) Die §§ 56f und 56g gelten entsprechend. Das Gericht widerruft die Strafaussetzung auch dann, wenn die verurteilte Person in der Zeit zwischen der Verurteilung und der Entscheidung über die Strafaussetzung eine Straftat begangen hat, die von dem Gericht bei der Entscheidung über die Strafaussetzung aus tatsächlichen Gründen nicht berücksichtigt werden konnte und die im Fall ihrer Berücksichtigung zur Versagung der Strafaussetzung geführt hätte; als Verurteilung gilt das Urteil, in dem die zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

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3.
Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung gegeben sind.

(2) Der Antrag ist nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen.

(3) Der Antrag muss binnen drei Monaten gestellt werden. Die Frist beginnt mit dem Tage, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat.

(4) Über den Antrag entscheidet die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der Verwaltungsakt, dessen Aufhebung oder Änderung begehrt wird, von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(5) Die Vorschriften des § 48 Abs. 1 Satz 1 und des § 49 Abs. 1 bleiben unberührt.

(1) Das Gericht setzt die Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung aus, wenn

1.
zwei Drittel der verhängten Strafe, mindestens jedoch zwei Monate, verbüßt sind,
2.
dies unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden kann, und
3.
die verurteilte Person einwilligt.
Bei der Entscheidung sind insbesondere die Persönlichkeit der verurteilten Person, ihr Vorleben, die Umstände ihrer Tat, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts, das Verhalten der verurteilten Person im Vollzug, ihre Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für sie zu erwarten sind.

(2) Schon nach Verbüßung der Hälfte einer zeitigen Freiheitsstrafe, mindestens jedoch von sechs Monaten, kann das Gericht die Vollstreckung des Restes zur Bewährung aussetzen, wenn

1.
die verurteilte Person erstmals eine Freiheitsstrafe verbüßt und diese zwei Jahre nicht übersteigt oder
2.
die Gesamtwürdigung von Tat, Persönlichkeit der verurteilten Person und ihrer Entwicklung während des Strafvollzugs ergibt, daß besondere Umstände vorliegen,
und die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 1 erfüllt sind.

(3) Die §§ 56a bis 56e gelten entsprechend; die Bewährungszeit darf, auch wenn sie nachträglich verkürzt wird, die Dauer des Strafrestes nicht unterschreiten. Hat die verurteilte Person mindestens ein Jahr ihrer Strafe verbüßt, bevor deren Rest zur Bewährung ausgesetzt wird, unterstellt sie das Gericht in der Regel für die Dauer oder einen Teil der Bewährungszeit der Aufsicht und Leitung einer Bewährungshelferin oder eines Bewährungshelfers.

(4) Soweit eine Freiheitsstrafe durch Anrechnung erledigt ist, gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne der Absätze 1 bis 3.

(5) Die §§ 56f und 56g gelten entsprechend. Das Gericht widerruft die Strafaussetzung auch dann, wenn die verurteilte Person in der Zeit zwischen der Verurteilung und der Entscheidung über die Strafaussetzung eine Straftat begangen hat, die von dem Gericht bei der Entscheidung über die Strafaussetzung aus tatsächlichen Gründen nicht berücksichtigt werden konnte und die im Fall ihrer Berücksichtigung zur Versagung der Strafaussetzung geführt hätte; als Verurteilung gilt das Urteil, in dem die zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(6) Das Gericht kann davon absehen, die Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung auszusetzen, wenn die verurteilte Person unzureichende oder falsche Angaben über den Verbleib von Gegenständen macht, die der Einziehung von Taterträgen unterliegen.

(7) Das Gericht kann Fristen von höchstens sechs Monaten festsetzen, vor deren Ablauf ein Antrag der verurteilten Person, den Strafrest zur Bewährung auszusetzen, unzulässig ist.

Ist über einen Widerspruch oder über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden, so ist die Klage abweichend von § 68 zulässig. Die Klage kann nicht vor Ablauf von drei Monaten seit der Einlegung des Widerspruchs oder seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts erhoben werden, außer wenn wegen besonderer Umstände des Falles eine kürzere Frist geboten ist. Liegt ein zureichender Grund dafür vor, daß über den Widerspruch noch nicht entschieden oder der beantragte Verwaltungsakt noch nicht erlassen ist, so setzt das Gericht das Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten Frist, die verlängert werden kann, aus. Wird dem Widerspruch innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist stattgegeben oder der Verwaltungsakt innerhalb dieser Frist erlassen, so ist die Hauptsache für erledigt zu erklären.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.

(1) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden.

(2) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte gewährte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, wenn er

1.
den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat;
2.
den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren;
3.
die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.
In den Fällen des Satzes 3 wird der Verwaltungsakt in der Regel mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen.

(3) Wird ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der nicht unter Absatz 2 fällt, zurückgenommen, so hat die Behörde dem Betroffenen auf Antrag den Vermögensnachteil auszugleichen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, soweit sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse schutzwürdig ist. Absatz 2 Satz 3 ist anzuwenden. Der Vermögensnachteil ist jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus zu ersetzen, das der Betroffene an dem Bestand des Verwaltungsaktes hat. Der auszugleichende Vermögensnachteil wird durch die Behörde festgesetzt. Der Anspruch kann nur innerhalb eines Jahres geltend gemacht werden; die Frist beginnt, sobald die Behörde den Betroffenen auf sie hingewiesen hat.

(4) Erhält die Behörde von Tatsachen Kenntnis, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes rechtfertigen, so ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig. Dies gilt nicht im Falle des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 1.

(5) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

 
Der Kläger, ein türkischer Staatsangehöriger, wurde als Kind türkischer Arbeitnehmer am ....1975 in der Bundesrepublik Deutschland geboren und wuchs auch hier auf. Er besaß zum Zeitpunkt seiner Ausweisung eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis. Während seines Aufenthalts im Bundesgebiet wurde er mehrfach strafrechtlich verurteilt, insbesondere auch wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln sowie wegen unerlaubten Erwerbs und des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln. Zuletzt wurde der Kläger durch Urteil des Amtsgerichts Schwäbisch Hall vom 08.04.1997 unter Einbeziehung des Urteils des Amtsgerichts Tauberbischofsheim vom 21.08.1996 zu der Jugendstrafe von 5 Jahren und 10 Monaten verurteilt. Seit 22.07.1996 war der Kläger mit einer deutschen Staatsangehörigen verheiratet.
Mit Verfügung vom 01.10.1997 wies das Regierungspräsidium Stuttgart den Kläger aus dem Bundesgebiet aus und drohte ihm die Abschiebung in die Türkei an. Zugleich wurde - in Absprache mit dem Prozessbevollmächtigten des Klägers - festgelegt, dass die Ausweisungsverfügung und die Abschiebungsandrohung nicht vollzogen würden. Der weitere Aufenthalt des Klägers im Bundesgebiet werde zunächst geduldet. Die zu erteilenden Duldungen wurden jeweils auf 6 Monate Geltungsdauer befristet. Die Duldung enthielt jeweils die auflösende Bedingung „erlischt im Falle einer weiteren rechtskräftigen strafrechtlichen Verurteilung, Abbruch der ambulanten Drogentherapie (vor regulärem Abschluss) oder auf Dauer angelegten Trennung der Eheleute“. Sofern die ambulante Drogentherapie erfolgreich sei, der Kläger ein straffreies Leben im Duldungszeitraum geführt habe und nach dem Duldungszeitraum weiterhin eine eheliche Lebensgemeinschaft nachweislich bestehe, werde die Ausweisungsverfügung und die Abschiebungsandrohung aufgehoben.
Nachdem die eheliche Lebensgemeinschaft des Klägers mit seiner deutschen Ehefrau im Jahr 1998 endete, teilte das Landratsamt Main-Tauber-Kreis dem Kläger mit, dass sein geduldeter Aufenthalt hiermit beendet sei und er vollziehbar zur Ausreise verpflichtet sei. Ihm wurde eine Frist zur freiwilligen Ausreise bis 15.01.1999 gesetzt. Nach Durchführung einer Entzugsbehandlung im Bezirkskrankenhaus München-Haar reiste der Kläger am 11.02.1999 aus dem Bundesgebiet aus.
Mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 08.01.2001 beantragte der Kläger die Befristung der Ausweisung und der Abschiebung. Zur Begründung führte er aus: Er sei mit einer niederländischen Staatsangehörigen verheiratet und wolle zu ihr in die Niederlande ziehen. Für generalpräventive Erwägungen sei deshalb kein Raum. Der Kläger habe nach seiner Ausweisung den Wehrdienst in der Türkei absolviert und sei am 12.12.2000 aus der Armee entlassen worden. Dem Antrag waren eine Entlassungsbescheinigung (aus der türkischen Armee), eine Kopie der Heiratsurkunde, ein Auszug aus dem Vorstrafenregister und die Kopie des Personalausweises der Ehefrau beigefügt.
Mit Schreiben vom 11.01.2001 verneinte das Regierungspräsidium Stuttgart - Bezirksstelle für Asyl - ein Bescheidungsinteresse für den gestellten Antrag und kündigte an, den Antrag als unzulässig abzulehnen. Sofern der Kläger den Befristungsantrag auf eine Einreise und einen Aufenthalt im Bundesgebiet umstellen sollte, sei ebenfalls nicht beabsichtigt, den Antrag auf Befristung der Ausweisung dem Antrag des Klägers entsprechend zu entscheiden. Eine Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes komme nur in Betracht, wenn der Ausweisungszweck erreicht sei. Dies sei zum heutigen Zeitpunkt, ca. zwei Jahre nach der Ausreise, unzweifelhaft nicht der Fall. Zudem sei eine Wiederholungsgefahr nicht ausgeschlossen. Um beurteilen zu können, ob der spezialpräventive Ausweisungsgrund erreicht worden sei, müsse der Kläger nachweisen, seit der Ausreise in der Türkei straffrei gelebt zu haben. Eine Bescheinigung der dafür zuständigen türkischen Stelle einschließlich einer beglaubigten Übersetzung sei vorzulegen.
Am 17.04.2001 hat der Kläger Klage erhoben mit dem Antrag, die Beklagte zu verpflichten, die Ausweisung des Klägers zu befristen.
Mit Beschluss vom 08.01.2003 hat der erkennende Einzelrichter auf Antrag der Beteiligten das Ruhen des Verfahrens angeordnet.
Mit Schreiben vom 08.07.2004 ließ der Kläger die Rücknahme der Ausweisungsverfügung vom 01.10.1997 beantragen. Die Verfügung verstoße gegen Art. 7 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrats EWG-Türkei. Der Ausweisung sei nicht der gemeinschaftsrechtliche Gefahrenbegriff zugrundegelegt worden. Er verweise auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 29.05.2004 in der Rechtssache Orfanopoulos. Mit Schreiben vom 19.01.2005 trug der Prozessbevollmächtigte des Klägers weiter vor, die Urteile des Bundesverwaltungsgerichts vom 03.08.2004 verdeutlichten, dass das Rücknahmeverlangen berechtigt sei. Das Regierungspräsidium habe seinerzeit den Gefahrenbegriff des nationalen Rechts und nicht den des Europarechts zugrunde gelegt und deshalb die Bedeutung der guten Führung des Klägers ungerechtfertigt vernachlässigt.
Mit Entscheidung vom 05.04.2005 lehnte das Regierungspräsidium Stuttgart - Bezirksstelle für Asyl - den Antrag auf Rücknahme der Ausweisung ab und führte zur Begründung im Wesentlichen aus: Die Rücknahme der Ausweisung nach § 48 LVwVfG setze voraus, dass die Ausweisung rechtswidrig sei. Die Ausweisung sei jedoch nicht rechtswidrig. Der Kläger erfülle die materiellen Voraussetzungen für die Ausweisung eines von Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 erfassten türkischen Kindes eines türkischen Arbeitnehmers. Eine unrichtige Auslegung des Gemeinschaftsrechtes liege nicht vor. Insoweit sei darauf hingewiesen, dass der Kläger massiv strafrechtlich in Erscheinung getreten sei, mehrfach zu Jugendstrafen verurteilt worden sei und sein Verhalten nach der am 21.04.1997 erfolgten Haftentlassung gerade nicht - wie behauptet - beanstandungsfrei gewesen sei. Vielmehr habe der Kläger zum Nachteil seiner damaligen Ehefrau einen Diebstahl und Computerbetrug begangen. Zu einem Strafverfahren sei es allein deshalb nicht gekommen, weil die Ehefrau keine Strafanzeige gestellt habe. Wie der Kläger selbst gegenüber dem Landratsamt Main-Tauber-Kreis vor seiner Ausreise erklärt habe, habe er damals einen Drogenrückfall gehabt und wieder Heroin konsumiert, weshalb er in einem Krankenhaus einen Entzug habe machen wollen. Insoweit könne keine Rede davon sein, dass er sich damals positiv entwickelt hätte. Der Kläger sei im maßgeblichen Zeitpunkt des Eintritts der Rechtskraft der Ausweisungsverfügung eine hohe Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung gewesen. Der Ausweisungszweck sei auch primär spezialpräventiver Art. Im Übrigen sei die Ausweisung einvernehmlich erfolgt und nur deshalb sei die Begründung ausgesprochen kurz gefasst worden. Es werde auf § 39 Abs. 2 Nr. 1 und 2 LVwVfG Bezug genommen, wonach es einer Begründung nicht bedürfe, soweit demjenigen, für den der Verwaltungsakt bestimmt sei oder der von ihm betroffen sei, die Auffassung der Behörde über die Sach- und Rechtslage bereits bekannt oder auch ohne Begründung für ihn ohne Weiteres erkennbar sei. Auf die Ausführungen im Schreiben des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 16.09.1997 werde Bezug genommen. Wenn aber eine Regelung einvernehmlich getroffen werde und allein deshalb keine umfassende und in der Verfügung dokumentierte Ermessensausübung erfolgt sei, so sei es des Weiteren ein Verstoß gegen Treu und Glauben, die Rücknahme der Verfügung zu verlangen, weil Ermessen nicht dokumentiert ausgeübt worden sei. Schließlich lasse sich mit guten Gründen die Auffassung vertreten, dass Ermessen ausgeübt worden sei, ohne dass diese Ausübung selbst in der Verfügung erkennbar werde. Denn zugleich mit der Ausweisung sei geregelt worden, dass der weitere Aufenthalt unter bestimmten Voraussetzungen geduldet werde und eine Abschiebung nicht erfolge. Damit sei eben versucht worden, die auch für den Kläger „bestmögliche Lösung“ zu finden und gleichzeitig dem staatlichen Interesse Rechnung zu tragen. Selbst wenn diese Auffassung nicht haltbar wäre, würde dies nicht dazu führen, dass der Kläger einen Anspruch darauf hätte, dass die Ausweisung zurückgenommen werde. In diesem Fall wäre die Ausweisung zwar rechtswidrig, weil Ermessen nicht ausgeübt worden sei, doch sei gleichwohl eine Rücknahme regelmäßig und so auch hier dann ausgeschlossen, wenn ein Verwaltungsakt mit gleichem Regelungsinhalt neu erlassen werden müsste. Dies sei aber hier der Fall, weil einmal die Rechtsschranke des Art. 14 ARB 1/80 wegen der hohen und konkreten Wiederholungsgefahr überwunden sei und zum zweiten die Ausweisung nicht unverhältnismäßige Folge des strafrechtlich relevanten Verhaltens des Klägers sei. Dies ergebe sich neben den strafrechtlichen Verurteilungen allein deshalb, weil die Drogenproblematik nicht gelöst gewesen sei und der Kläger wieder Heroin konsumiert habe. Damit aber sei die Wiederholungsgefahr evident. Aus diesen Gründen sei es nicht unverhältnismäßig, an der Ausweisung festzuhalten und dem Rücknahmeantrag nicht zu entsprechen. Soweit der Kläger sinngemäß darauf abhebe, die Ausweisung hätte den Schutz seines Privat- und Familienlebens missachtet, sei der Eingriff in den staatlichen Schutz der Familie aus Art. 6 GG und dem Achtungsgebot aus Art. 8 EMRK erforderlich gewesen, weil eine hohe und konkrete Wiederholungsgefahr vorgelegen habe. Dies werde allein dadurch deutlich, dass er massiv straffällig geworden sei. Sein damaliges Verhalten nach Haftentlassung habe gerade unterstrichen, dass sich seine Persönlichkeit in der Haft nicht in einer Weise verändert habe, die eine konkrete Wiederholungsgefahr habe entfallen lassen.
10 
Mit Schriftsatz vom 07.04.2005 hat der Kläger das ruhende Verfahren wieder angerufen und den Klageantrag dahingehend erweitert, den Bescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 05.04.2005 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Verfügung vom 01.10.1997 zurückzunehmen. Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus: Der Beklagte behaupte, er müsse seinen gegen Art. 7 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrats EWG/Türkei verstoßenden Bescheid nicht zurücknehmen, weil er ihn erneut wieder erlassen könne. Dies treffe nicht zu. Dem Europarecht immanent sei die Verpflichtung zur Rücknahme rechtswidriger Verwaltungsakte und zur rechtmäßigen Entscheidung als Merkmal einer guten Verwaltung. Der Beklagte müsse seine Entscheidung in vollem Umfang neu überprüfen. Dies verweigere er schon mit der Behauptung, die vom Kläger seinerzeit ausgehende Gefahr bestehe fort. Dies ließe sich aber allenfalls mit Generalprävention - und damit unzulässig - begründen. Darüber hinaus behaupte er unzutreffend, der Verfügung vom 01.10.1997 könne eine Ermessensentscheidung entnommen werden. Die Entscheidung sei jedoch auf § 47 AuslG gestützt und widerspreche damit ohne jeden Zweifel der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesverwaltungsgerichts. Das anschließend durchgeführte Verfahren über die Befristung der Ausweisung enthalte diese Ermessenserwägungen nicht und sei überhaupt nicht geeignet gewesen, den rechtlichen Mangel auszugleichen. Die Ausführungen zur Duldung seien nicht geeignet, die Ausweisungsverfügung rechtmäßig zu machen. Dabei sei auch zu beachten, dass es zur Rechtfertigung einer Ausweisung nach Art. 14 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates EWG-Türkei nicht ausreiche, auf eine vom Ausländer ausgehende Gefahr hinzuweisen. Selbst bei Vorliegen einer solchen Gefahr könne eine Ausweisung nach gemeinschaftsrechtlichem Maßstab unverhältnismäßig sein. Insoweit erforderlich sei die Prüfung der Frage nach den Folgen der Ausweisung für den Kläger und danach, in welchem Land die Voraussetzungen für eine Resozialisierung günstiger seien. Der im Verfahren erhobene Einwand des treuwidrigen Verhaltens sei verfehlt. Erst das Urteil des EuGH vom 11.11.2004 habe klargestellt, dass die erlittene Haft nicht zum Untergang der Rechte nach Art. 7 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates EWG - Türkei geführt habe.
11 
Der Kläger beantragt,
12 
den Bescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 05.04.205 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die Verfügung vom 01.10.1997 zurückzunehmen,
13 
hilfsweise,
14 
die Ausweisung des Klägers zu befristen.
15 
Der Beklagte beantragt,
16 
die Klage abzuweisen.
17 
Zur Begründung verweist er auf die angegriffene Verfügung vom 05.05.2004 und führt weiter aus: In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 08.01.2003 habe der Kläger das Ruhen des Verfahrens (wegen Befristung der Ausweisung) beantragt, nachdem der Beklagte zugesichert habe, innerhalb von einem Monat den Befristungsantrag zu entscheiden, wenn abgesprochene Unterlagen wie Nachweise über ein geborenes Kind, schriftliche Erklärung der in den Niederlanden lebenden Ehefrau und gescheiterter Visumsantrag für eine Einreise in die Niederlande vorgelegt würden. Unterlagen seien jedoch bis heute nicht vorgelegt worden. Vielmehr sei stattdessen die Rücknahme der Ausweisung beantragt worden.
18 
Mit Beschluss vom 28.11.2002 ist der Rechtsstreit dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen worden.
19 
Dem Gericht haben die einschlägigen Behördenakten vorgelegen. Wegen weiterer Einzelheiten wird hierauf Bezug genommen. Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die im Verfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
20 
Die Klage ist zwar zulässig, jedoch nicht begründet.
21 
Der Bescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart - Bezirksstelle für Asyl - vom 05.04.2005 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO). Denn der Kläger hat keinen Anspruch auf Rücknahme der - bestandskräftigen - Ausweisungsverfügung vom 01.10.1997.
22 
Gemäß § 48 Abs. 1 S. 1 LVwVfG kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder die Vergangenheit zurückgenommen werden. Eine Rücknahme gemäß § 48 Abs. 1 S. 1 LVwVfG setzt somit voraus, dass die Ausweisungsverfügung vom 01.10.1997 rechtswidrig war. Maßgeblicher Zeitpunkt für die rechtliche Beurteilung ist hier, da die Ausweisungsverfügung unanfechtbar ist, der Zeitpunkt des Eintritts ihrer Unanfechtbarkeit (05.11.1997; vgl. Hamburgisches OVG, Beschl. v. 14.12.2005, Az.: 3 Bs 79/05, Juris).
23 
Unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 03.08.2004 - 1 C 30.02 -, BVerwGE 121, 297), die ihrerseits auf der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften - EuGH - vom 29.04.2004 (Rs. C - 482/01 und C 493/01 -, Orfanopoulos und Oliveri, DVBl. 2004, 876) beruht, kann die Ausweisungsverfügung vom 01.10.1997 nur rechtswidrig gewesen sein, wenn dem Kläger zum maßgeblichen Zeitpunkt ein Aufenthaltsrecht nach dem ARB 1/80 zustand. Der angefochtene Bescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart - Bezirksstelle für Asyl - vom 05.04.2005 geht davon aus, dass dem Kläger zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt eine aufenthaltsrechtliche Rechtsposition nach Art. 7 S. 1 ARB 1/80 zustand. Hiervon gehen die Beteiligten auch weiterhin übereinstimmend aus. Nach der oben bezeichneten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vom 03.08.2004 durfte der Kläger danach nur auf der Grundlage einer ausländerbehördlichen Ermessensentscheidung gemäß den §§ 45, 46 AuslG ausgewiesen werden. § 47 AuslG schied danach als Rechtsgrundlage aus. Tatsächlich ist der Kläger aber, wie aus der Verfügung vom 01.10.1997 bzw. aus dem Schreiben des Regierungspräsidiums Stuttgart an die Bevollmächtigten des Klägers vom 16.09.1997 hervorgeht, allein auf der Grundlage des § 47 AuslG ausgewiesen worden. Eine Ermessensentscheidung nach den §§ 45, 46 AuslG lässt sich der Begründung des Bescheids bzw. dem als Begründung ergänzend heranzuziehenden Schreiben vom 16.09.1997 nicht, auch nicht hilfsweise entnehmen. Die im Bescheid vom 01.10.1997 getroffenen weiteren Regelungen bezüglich einer dem Kläger zu erteilenden Duldung stellen nicht die vom Gesetz geforderte Ermessensentscheidung gemäß den §§ 45, 46 AuslG dar, sondern stellen Regelungen außerhalb der eigentlichen Ausweisungsentscheidung dar, wie sich aus dem Aufbau der Verfügung vom 01.10.1997 ohne weiteres ergibt. Die sich danach ergebende Rechtswidrigkeit der Ausweisung wird nicht dadurch beseitigt, dass der Kläger der damals vom Regierungspräsidium Stuttgart vorgeschlagenen Verfahrensweise, wie sie sich aus dem Bescheid vom 01.10.1997 ergibt, ausdrücklich zugestimmt hat (vgl. Schreiben des Bevollmächtigten vom 24.09.1997 an das Regierungspräsidium Stuttgart). Ob die damals gegebene Zustimmung den nunmehr geltend gemachten Anspruch auf Rücknahme der Ausweisung ausschließt, weil dieser Anspruch gegen Treu und Glauben verstoßen würde, kann vorliegend dahingestellt bleiben, denn das Nichtbestehen des geltend gemachten Anspruchs ergibt sich bereits aus den nachstehenden Erwägungen.
24 
Die Pflicht der Ausländerbehörde, die bestandskräftige Ausweisungsverfügung vom 01.10.1997 im Rahmen des § 48 Abs. 1 S. 1 LVwVfG zu überprüfen und der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 03.08.2004 (a.a.O.) und damit der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 29.04.2004 (a.a.O.) Rechnung zu tragen, bedeutet nicht, dass der Beklagte die Ausweisungsverfügung aufheben musste. Vielmehr braucht sich die gemäß § 48 Abs. 1 S. 1 LVwVfG erforderliche Prüfung nur darauf zu erstrecken, ob der Beklagte die Ausweisung seinerzeit auch dann verfügt hätte, wenn ihm bekannt gewesen wäre, dass über die Frage der Ausweisung eine Ermessensentscheidung zu treffen sei. Sofern der Beklagte bei der vorzunehmenden Prüfung unter Berücksichtigung sämtlicher wesentlicher Umstände in nicht zu beanstandender Weise zu dem Ergebnis gelangt, dass er den Kläger auch im Wege einer Ermessensentscheidung ausgewiesen hätte, und wenn der Beklagte die entsprechenden Ermessenserwägungen darlegt, ist der genannten Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 29.04.204 und dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 03.08.2004 hinreichend Rechnung getragen. Dem Beklagten ist es dann nicht verwehrt, das ihm durch § 48 Abs. 1 S. 1 LVwVfG eingeräumte Ermessen im Ergebnis so zu betätigen, dass er die Ausweisungsverfügung vom 01.10.1997 bestehen lässt (vgl. hierzu Hamburgisches OVG, a.a.O., m.w.N.).
25 
Die angefochtene Entscheidung vom 05.04.2005 genügt den vorstehenden Anforderungen und ist daher rechtlich nicht zu beanstanden. In der Begründung der Entscheidung hat die Ausländerbehörde sinngemäß ausgeführt, dass sie die Ausweisungsentscheidung vom 01.10.1997 auch unter Berücksichtigung der Grundsätze der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 03.08.2004 als Ermessensentscheidung erlassen hätte. Die Begründung der Entscheidung vom 05.04.2005 enthält auch in zwar sehr knapper, jedoch ausreichender Weise die Ermessenserwägungen, die die Ausländerbehörde unter Beachtung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vom 03.08.2004 und unter Zugrundelegung der damals bestehenden Sachlage angestellt hätte. Die Begründung des Bescheids vom 05.04.2005 lässt erkennen, dass die Behörde, bezogen auf den damaligen Zeitpunkt, bei ihrer Ermessensentscheidung sämtliche entscheidungsrelevanten Umstände berücksichtigt hat und die erforderliche Interessenabwägung zutreffend vorgenommen hat. Zutreffend ist die Behörde von einer evidenten Wiederholungsgefahr im Falle des Klägers (aus damaliger Sicht) ausgegangen. Zutreffend hat die Behörde ausgeführt, dass angesichts der bestehenden konkreten Wiederholungsgefahr der mit der Ausweisung verbundene Eingriff in den staatlichen Schutz der Familie aus Art. 6 GG und Art. 8 EMRK erforderlich war.
26 
Die Aufrechterhaltung der Ausweisung vom 01.10.1997 verstößt mit der gegebenen Begründung und unter den zum Zeitpunkt des Eintritts der Bestandskraft der Ausweisung gegebenen Umständen nicht gegen europäisches Recht, insbesondere nicht gegen die dem Kläger zustehende Rechtsposition nach dem ARB 1/80. Denn der Europäische Gerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 29.04.2004 - Orfanopoulos und Oliveri - ausgeführt, dass Art. 39 EG und die Richtlinie 64/221 der Ausweisung eines Staatsangehörigen eines Mitgliedstaates, der wegen bestimmter Delikte zu einer bestimmten Strafe verurteilt worden ist und der einerseits eine gegenwärtige Gefahr für die öffentliche Ordnung darstellt und sich andererseits seit vielen Jahren im Aufnahmemitgliedstaat aufgehalten hat und sich gegenüber dieser Ausweisung auf Umstände familiärer Art berufen kann, nicht entgegensteht, sofern die von den innerstaatlichen Behörden im Einzelfall vorgenommene Beurteilung der Frage, wo der angemessene Ausgleich zwischen den betroffenen berechtigten Interessen liegt, unter Beachtung der allgemeinen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts und insbesondere unter Wahrung der Grundrechte wie desjenigen auf Schutz des Familienlebens erfolgt. Diesen europarechtlichen Anforderungen ist aber mit der im Bescheid vom 05.04.2005 enthaltenen Ermessensentscheidung hinreichend Rechnung getragen.
27 
Unter Berücksichtigung der obigen Ausführung ergibt sich auch kein Anspruch auf Rücknahme der Ausweisung, weil das Ermessen der Ausländerbehörde angesichts der besonderen Umstände des konkreten Einzelfalles auf Null reduziert wäre. Eine derartige Reduktion des Ermessens ist dann zu bejahen, wenn ein Aufrechterhalten des ursprünglichen Verwaltungsaktes schlechthin unerträglich wäre bzw. für den Betroffenen unzumutbare Folgen hätte. Eine Ermessensreduzierung auf Null kann sich ferner in den Fällen der Selbstbindung ergeben, wenn auch in anderen Fällen einem Antrag auf Rücknahme stattgegeben worden ist und Art. 3 GG die Gleichbehandlung verlangt (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 9. Aufl., § 48 RdNr. 81-83). Schließlich kann sich ein Rechtsanspruch auf Rücknahme auf der Grundlage des gemeinschaftsrechtlichen Effizienzgebotes ergeben, wenn andernfalls die Durchsetzung von Gemeinschaftsrecht vereitelt oder übermäßig erschwert würde (vgl. VG Karlsruhe, Urt. v. 02.02.2006, Az.: 6 K 524/05; zum gemeinschaftsrechtlichen Effizienzgebot vgl. Kenntner in Bergmann/Kenntner, Deutsches Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluss, S. 79 RdNr. 26 m.w.N.).
28 
Zunächst ist die Aufrechterhaltung der Ausweisung vom 01.10.1997 nicht schlechthin unerträglich bzw. für den Kläger mit unzumutbaren Folgen verbunden. Dies ergibt sich schon daraus, dass nach den obigen Ausführungen der Kläger unter Beachtung der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 29.04.2004 und des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 03.08.2004 ermessensfehlerfrei hätte ausgewiesen werden können. Außerdem steht dem Kläger die Möglichkeit der Befristung der Wirkungen der Ausweisung zur Verfügung, ohne dass es darauf ankäme, dass eine Befristung gegenwärtig noch nicht ausgesprochen ist. Letzteres hat der Kläger selbst zu verantworten, weil er, nachdem das Klageverfahren wegen Befristung der Wirkungen der Ausweisung mit Beschluss vom 08.01.2003 zum Ruhen gebracht worden ist, der Ausländerbehörde nicht die für eine begründete Befristungsentscheidung erforderlichen Auskünfte gegeben hat. Über die Entwicklung des Klägers ist, seitdem er das Bundesgebiet im Jahr 1999 verlassen hat, nur bekannt, dass er in der Türkei seinen Wehrdienst abgeleistet und in der Türkei eine türkischstämmige niederländische Staatsangehörige geheiratet hat. Über die Entwicklung des Klägers im Zeitraum seit Ende 2000 liegen keine Erkenntnisse vor.
29 
Eine Selbstbindung der Ausländerbehörde liegt nicht vor. Es besteht im Bereich des Regierungspräsidiums Stuttgart ersichtlich keine Verwaltungspraxis, bestandskräftige Ausweisungen gegen Unionsbürger oder gegen türkische Staatsangehörige, die ein Aufenthaltsrecht nach dem ARB 1/80 besitzen, welche auf der Grundlage einer Ist-Ausweisung nach § 47 Abs. 1 AuslG oder einer Regelausweisung nach § 47 Abs. 2 AuslG verfügt worden sind, zurückzunehmen.
30 
Ein Anspruch auf Rücknahme der Ausweisung ergibt sich auch nicht aus dem Gemeinschaftsrecht (vgl. hierzu im Einzelnen VG Karlsruhe, a.a.O.. Ein derartiger Anspruch kann insbesondere nicht aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshof vom 13.01.2004 - Rs. C 453/00 - Kühne und Heitz -, EuGRZ 2004, 67) entnommen werden. Aus dieser Entscheidung ergibt sich vielmehr, dass die Rechtssicherheit zu den im Gemeinschaftsrecht anerkannten allgemeinen Rechtsgrundsätzen gehört und die nach Ablauf angemessener Klagefristen oder Erschöpfung des Rechtswegs eingetretene Bestandskraft zur Rechtssicherheit beiträgt. Daher verlangt das Gemeinschaftsrecht nicht, dass eine Verwaltungsbehörde grundsätzlich verpflichtet ist, eine bestandskräftige Verwaltungsentscheidung zurückzunehmen. Allerdings besteht unter den in der genannten Entscheidung des EuGH genannten Voraussetzungen nach dem in Art. 10 EG verankerten Grundsatz der Zusammenarbeit eine Verpflichtung der Verwaltungsbehörde, ihre Entscheidung zu überprüfen, um der mittlerweile vom Gerichtshof vorgenommenen Auslegung der einschlägigen Bestimmung des Gemeinschaftsrechts Rechnung zu tragen. Die Behörde muss anhand der Ergebnisse dieser Überprüfung entscheiden, inwieweit sie verpflichtet ist, die in Rede stehende Entscheidung zurückzunehmen.
31 
Mit der Entscheidung, die Ausweisung vom 01.10.1997 nicht zurückzunehmen, hat das Regierungspräsidium Stuttgart nicht gegen die europarechtlichen Anforderungen, wie sie durch die oben genannte Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs aufgestellt worden sind, verstoßen. Sie hat vielmehr - wie oben ausgeführt -, der vom Europäischen Gerichtshof vorgenommenen Auslegung der einschlägigen Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts Rechnung getragen und anhand dieser Überprüfung entschieden, inwieweit sie verpflichtet war, die Ausweisungsentscheidung zurückzunehmen. Eine weitergehende Verpflichtung ergab sich allein aus dem Gemeinschaftsrecht nicht.
32 
Die Klage hat auch mit dem hilfsweise gestellten Antrag keinen Erfolg. Der erkennende Einzelrichter legt den Klageantrag dahingehend aus, dass er auf die Befristung der Wirkungen der Ausweisung zum Zeitpunkt der (letzten) mündlichen Verhandlung gerichtet ist. Zwischen den Beteiligten geht es nicht darum, ob überhaupt eine Befristung der Wirkungen der Ausweisung auszusprechen ist. Denn die Ausländerbehörde war und ist grundsätzlich bereit, über den Befristungsantrag des Klägers sachlich zu entscheiden, wenn bestimmte Unterlagen vorgelegt werden (vgl. die Stellungnahme des Regierungspräsidiums Stuttgart - Bezirksstelle für Asyl - vom 18.04.2005 im Klageverfahren). Es bestand daher auch kein Anlass, den Beklagten wegen Untätigkeit zu einer Entscheidung über den Befristungsantrag (unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts) zu verpflichten. Ein Anspruch auf Befristung der Wirkung der Ausweisung auf den gegenwärtigen Zeitpunkt besteht nach der gegenwärtigen Erkenntnislage jedenfalls nicht. Die Entwicklung des Klägers seit Verfügung der Ausweisung am 01.10.1997 gibt - soweit sie bekannt ist - keinen Anlass für die beantragte Befristung der Wirkungen der Ausweisung. Die Behörde hat in ihrem Schriftsatz vom 25.10.2001 zutreffend darauf hingewiesen, dass sich derzeit „insbesondere eine Prognose, ab welchem Zeitpunkt der Ausweisungszweck erreicht ist und eine Wiederholungsgefahr entfallen wird, nicht bestimmen“ lässt. An dieser Sachlage hat sich seither nichts geändert, weil - wie oben bereits ausgeführt - zuverlässige Informationen über die weitere Entwicklung des Klägers nicht vorliegen. Es gibt auch keine Erkenntnisse über besondere, schutzwürdige Bindungen des Klägers im Bundesgebiet.
33 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
34 
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Berufung durch das Verwaltungsgericht gemäß §§ 124 a Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 VwGO liegen nicht vor.

Gründe

 
20 
Die Klage ist zwar zulässig, jedoch nicht begründet.
21 
Der Bescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart - Bezirksstelle für Asyl - vom 05.04.2005 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO). Denn der Kläger hat keinen Anspruch auf Rücknahme der - bestandskräftigen - Ausweisungsverfügung vom 01.10.1997.
22 
Gemäß § 48 Abs. 1 S. 1 LVwVfG kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder die Vergangenheit zurückgenommen werden. Eine Rücknahme gemäß § 48 Abs. 1 S. 1 LVwVfG setzt somit voraus, dass die Ausweisungsverfügung vom 01.10.1997 rechtswidrig war. Maßgeblicher Zeitpunkt für die rechtliche Beurteilung ist hier, da die Ausweisungsverfügung unanfechtbar ist, der Zeitpunkt des Eintritts ihrer Unanfechtbarkeit (05.11.1997; vgl. Hamburgisches OVG, Beschl. v. 14.12.2005, Az.: 3 Bs 79/05, Juris).
23 
Unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 03.08.2004 - 1 C 30.02 -, BVerwGE 121, 297), die ihrerseits auf der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften - EuGH - vom 29.04.2004 (Rs. C - 482/01 und C 493/01 -, Orfanopoulos und Oliveri, DVBl. 2004, 876) beruht, kann die Ausweisungsverfügung vom 01.10.1997 nur rechtswidrig gewesen sein, wenn dem Kläger zum maßgeblichen Zeitpunkt ein Aufenthaltsrecht nach dem ARB 1/80 zustand. Der angefochtene Bescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart - Bezirksstelle für Asyl - vom 05.04.2005 geht davon aus, dass dem Kläger zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt eine aufenthaltsrechtliche Rechtsposition nach Art. 7 S. 1 ARB 1/80 zustand. Hiervon gehen die Beteiligten auch weiterhin übereinstimmend aus. Nach der oben bezeichneten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vom 03.08.2004 durfte der Kläger danach nur auf der Grundlage einer ausländerbehördlichen Ermessensentscheidung gemäß den §§ 45, 46 AuslG ausgewiesen werden. § 47 AuslG schied danach als Rechtsgrundlage aus. Tatsächlich ist der Kläger aber, wie aus der Verfügung vom 01.10.1997 bzw. aus dem Schreiben des Regierungspräsidiums Stuttgart an die Bevollmächtigten des Klägers vom 16.09.1997 hervorgeht, allein auf der Grundlage des § 47 AuslG ausgewiesen worden. Eine Ermessensentscheidung nach den §§ 45, 46 AuslG lässt sich der Begründung des Bescheids bzw. dem als Begründung ergänzend heranzuziehenden Schreiben vom 16.09.1997 nicht, auch nicht hilfsweise entnehmen. Die im Bescheid vom 01.10.1997 getroffenen weiteren Regelungen bezüglich einer dem Kläger zu erteilenden Duldung stellen nicht die vom Gesetz geforderte Ermessensentscheidung gemäß den §§ 45, 46 AuslG dar, sondern stellen Regelungen außerhalb der eigentlichen Ausweisungsentscheidung dar, wie sich aus dem Aufbau der Verfügung vom 01.10.1997 ohne weiteres ergibt. Die sich danach ergebende Rechtswidrigkeit der Ausweisung wird nicht dadurch beseitigt, dass der Kläger der damals vom Regierungspräsidium Stuttgart vorgeschlagenen Verfahrensweise, wie sie sich aus dem Bescheid vom 01.10.1997 ergibt, ausdrücklich zugestimmt hat (vgl. Schreiben des Bevollmächtigten vom 24.09.1997 an das Regierungspräsidium Stuttgart). Ob die damals gegebene Zustimmung den nunmehr geltend gemachten Anspruch auf Rücknahme der Ausweisung ausschließt, weil dieser Anspruch gegen Treu und Glauben verstoßen würde, kann vorliegend dahingestellt bleiben, denn das Nichtbestehen des geltend gemachten Anspruchs ergibt sich bereits aus den nachstehenden Erwägungen.
24 
Die Pflicht der Ausländerbehörde, die bestandskräftige Ausweisungsverfügung vom 01.10.1997 im Rahmen des § 48 Abs. 1 S. 1 LVwVfG zu überprüfen und der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 03.08.2004 (a.a.O.) und damit der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 29.04.2004 (a.a.O.) Rechnung zu tragen, bedeutet nicht, dass der Beklagte die Ausweisungsverfügung aufheben musste. Vielmehr braucht sich die gemäß § 48 Abs. 1 S. 1 LVwVfG erforderliche Prüfung nur darauf zu erstrecken, ob der Beklagte die Ausweisung seinerzeit auch dann verfügt hätte, wenn ihm bekannt gewesen wäre, dass über die Frage der Ausweisung eine Ermessensentscheidung zu treffen sei. Sofern der Beklagte bei der vorzunehmenden Prüfung unter Berücksichtigung sämtlicher wesentlicher Umstände in nicht zu beanstandender Weise zu dem Ergebnis gelangt, dass er den Kläger auch im Wege einer Ermessensentscheidung ausgewiesen hätte, und wenn der Beklagte die entsprechenden Ermessenserwägungen darlegt, ist der genannten Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 29.04.204 und dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 03.08.2004 hinreichend Rechnung getragen. Dem Beklagten ist es dann nicht verwehrt, das ihm durch § 48 Abs. 1 S. 1 LVwVfG eingeräumte Ermessen im Ergebnis so zu betätigen, dass er die Ausweisungsverfügung vom 01.10.1997 bestehen lässt (vgl. hierzu Hamburgisches OVG, a.a.O., m.w.N.).
25 
Die angefochtene Entscheidung vom 05.04.2005 genügt den vorstehenden Anforderungen und ist daher rechtlich nicht zu beanstanden. In der Begründung der Entscheidung hat die Ausländerbehörde sinngemäß ausgeführt, dass sie die Ausweisungsentscheidung vom 01.10.1997 auch unter Berücksichtigung der Grundsätze der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 03.08.2004 als Ermessensentscheidung erlassen hätte. Die Begründung der Entscheidung vom 05.04.2005 enthält auch in zwar sehr knapper, jedoch ausreichender Weise die Ermessenserwägungen, die die Ausländerbehörde unter Beachtung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vom 03.08.2004 und unter Zugrundelegung der damals bestehenden Sachlage angestellt hätte. Die Begründung des Bescheids vom 05.04.2005 lässt erkennen, dass die Behörde, bezogen auf den damaligen Zeitpunkt, bei ihrer Ermessensentscheidung sämtliche entscheidungsrelevanten Umstände berücksichtigt hat und die erforderliche Interessenabwägung zutreffend vorgenommen hat. Zutreffend ist die Behörde von einer evidenten Wiederholungsgefahr im Falle des Klägers (aus damaliger Sicht) ausgegangen. Zutreffend hat die Behörde ausgeführt, dass angesichts der bestehenden konkreten Wiederholungsgefahr der mit der Ausweisung verbundene Eingriff in den staatlichen Schutz der Familie aus Art. 6 GG und Art. 8 EMRK erforderlich war.
26 
Die Aufrechterhaltung der Ausweisung vom 01.10.1997 verstößt mit der gegebenen Begründung und unter den zum Zeitpunkt des Eintritts der Bestandskraft der Ausweisung gegebenen Umständen nicht gegen europäisches Recht, insbesondere nicht gegen die dem Kläger zustehende Rechtsposition nach dem ARB 1/80. Denn der Europäische Gerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 29.04.2004 - Orfanopoulos und Oliveri - ausgeführt, dass Art. 39 EG und die Richtlinie 64/221 der Ausweisung eines Staatsangehörigen eines Mitgliedstaates, der wegen bestimmter Delikte zu einer bestimmten Strafe verurteilt worden ist und der einerseits eine gegenwärtige Gefahr für die öffentliche Ordnung darstellt und sich andererseits seit vielen Jahren im Aufnahmemitgliedstaat aufgehalten hat und sich gegenüber dieser Ausweisung auf Umstände familiärer Art berufen kann, nicht entgegensteht, sofern die von den innerstaatlichen Behörden im Einzelfall vorgenommene Beurteilung der Frage, wo der angemessene Ausgleich zwischen den betroffenen berechtigten Interessen liegt, unter Beachtung der allgemeinen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts und insbesondere unter Wahrung der Grundrechte wie desjenigen auf Schutz des Familienlebens erfolgt. Diesen europarechtlichen Anforderungen ist aber mit der im Bescheid vom 05.04.2005 enthaltenen Ermessensentscheidung hinreichend Rechnung getragen.
27 
Unter Berücksichtigung der obigen Ausführung ergibt sich auch kein Anspruch auf Rücknahme der Ausweisung, weil das Ermessen der Ausländerbehörde angesichts der besonderen Umstände des konkreten Einzelfalles auf Null reduziert wäre. Eine derartige Reduktion des Ermessens ist dann zu bejahen, wenn ein Aufrechterhalten des ursprünglichen Verwaltungsaktes schlechthin unerträglich wäre bzw. für den Betroffenen unzumutbare Folgen hätte. Eine Ermessensreduzierung auf Null kann sich ferner in den Fällen der Selbstbindung ergeben, wenn auch in anderen Fällen einem Antrag auf Rücknahme stattgegeben worden ist und Art. 3 GG die Gleichbehandlung verlangt (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 9. Aufl., § 48 RdNr. 81-83). Schließlich kann sich ein Rechtsanspruch auf Rücknahme auf der Grundlage des gemeinschaftsrechtlichen Effizienzgebotes ergeben, wenn andernfalls die Durchsetzung von Gemeinschaftsrecht vereitelt oder übermäßig erschwert würde (vgl. VG Karlsruhe, Urt. v. 02.02.2006, Az.: 6 K 524/05; zum gemeinschaftsrechtlichen Effizienzgebot vgl. Kenntner in Bergmann/Kenntner, Deutsches Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluss, S. 79 RdNr. 26 m.w.N.).
28 
Zunächst ist die Aufrechterhaltung der Ausweisung vom 01.10.1997 nicht schlechthin unerträglich bzw. für den Kläger mit unzumutbaren Folgen verbunden. Dies ergibt sich schon daraus, dass nach den obigen Ausführungen der Kläger unter Beachtung der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 29.04.2004 und des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 03.08.2004 ermessensfehlerfrei hätte ausgewiesen werden können. Außerdem steht dem Kläger die Möglichkeit der Befristung der Wirkungen der Ausweisung zur Verfügung, ohne dass es darauf ankäme, dass eine Befristung gegenwärtig noch nicht ausgesprochen ist. Letzteres hat der Kläger selbst zu verantworten, weil er, nachdem das Klageverfahren wegen Befristung der Wirkungen der Ausweisung mit Beschluss vom 08.01.2003 zum Ruhen gebracht worden ist, der Ausländerbehörde nicht die für eine begründete Befristungsentscheidung erforderlichen Auskünfte gegeben hat. Über die Entwicklung des Klägers ist, seitdem er das Bundesgebiet im Jahr 1999 verlassen hat, nur bekannt, dass er in der Türkei seinen Wehrdienst abgeleistet und in der Türkei eine türkischstämmige niederländische Staatsangehörige geheiratet hat. Über die Entwicklung des Klägers im Zeitraum seit Ende 2000 liegen keine Erkenntnisse vor.
29 
Eine Selbstbindung der Ausländerbehörde liegt nicht vor. Es besteht im Bereich des Regierungspräsidiums Stuttgart ersichtlich keine Verwaltungspraxis, bestandskräftige Ausweisungen gegen Unionsbürger oder gegen türkische Staatsangehörige, die ein Aufenthaltsrecht nach dem ARB 1/80 besitzen, welche auf der Grundlage einer Ist-Ausweisung nach § 47 Abs. 1 AuslG oder einer Regelausweisung nach § 47 Abs. 2 AuslG verfügt worden sind, zurückzunehmen.
30 
Ein Anspruch auf Rücknahme der Ausweisung ergibt sich auch nicht aus dem Gemeinschaftsrecht (vgl. hierzu im Einzelnen VG Karlsruhe, a.a.O.. Ein derartiger Anspruch kann insbesondere nicht aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshof vom 13.01.2004 - Rs. C 453/00 - Kühne und Heitz -, EuGRZ 2004, 67) entnommen werden. Aus dieser Entscheidung ergibt sich vielmehr, dass die Rechtssicherheit zu den im Gemeinschaftsrecht anerkannten allgemeinen Rechtsgrundsätzen gehört und die nach Ablauf angemessener Klagefristen oder Erschöpfung des Rechtswegs eingetretene Bestandskraft zur Rechtssicherheit beiträgt. Daher verlangt das Gemeinschaftsrecht nicht, dass eine Verwaltungsbehörde grundsätzlich verpflichtet ist, eine bestandskräftige Verwaltungsentscheidung zurückzunehmen. Allerdings besteht unter den in der genannten Entscheidung des EuGH genannten Voraussetzungen nach dem in Art. 10 EG verankerten Grundsatz der Zusammenarbeit eine Verpflichtung der Verwaltungsbehörde, ihre Entscheidung zu überprüfen, um der mittlerweile vom Gerichtshof vorgenommenen Auslegung der einschlägigen Bestimmung des Gemeinschaftsrechts Rechnung zu tragen. Die Behörde muss anhand der Ergebnisse dieser Überprüfung entscheiden, inwieweit sie verpflichtet ist, die in Rede stehende Entscheidung zurückzunehmen.
31 
Mit der Entscheidung, die Ausweisung vom 01.10.1997 nicht zurückzunehmen, hat das Regierungspräsidium Stuttgart nicht gegen die europarechtlichen Anforderungen, wie sie durch die oben genannte Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs aufgestellt worden sind, verstoßen. Sie hat vielmehr - wie oben ausgeführt -, der vom Europäischen Gerichtshof vorgenommenen Auslegung der einschlägigen Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts Rechnung getragen und anhand dieser Überprüfung entschieden, inwieweit sie verpflichtet war, die Ausweisungsentscheidung zurückzunehmen. Eine weitergehende Verpflichtung ergab sich allein aus dem Gemeinschaftsrecht nicht.
32 
Die Klage hat auch mit dem hilfsweise gestellten Antrag keinen Erfolg. Der erkennende Einzelrichter legt den Klageantrag dahingehend aus, dass er auf die Befristung der Wirkungen der Ausweisung zum Zeitpunkt der (letzten) mündlichen Verhandlung gerichtet ist. Zwischen den Beteiligten geht es nicht darum, ob überhaupt eine Befristung der Wirkungen der Ausweisung auszusprechen ist. Denn die Ausländerbehörde war und ist grundsätzlich bereit, über den Befristungsantrag des Klägers sachlich zu entscheiden, wenn bestimmte Unterlagen vorgelegt werden (vgl. die Stellungnahme des Regierungspräsidiums Stuttgart - Bezirksstelle für Asyl - vom 18.04.2005 im Klageverfahren). Es bestand daher auch kein Anlass, den Beklagten wegen Untätigkeit zu einer Entscheidung über den Befristungsantrag (unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts) zu verpflichten. Ein Anspruch auf Befristung der Wirkung der Ausweisung auf den gegenwärtigen Zeitpunkt besteht nach der gegenwärtigen Erkenntnislage jedenfalls nicht. Die Entwicklung des Klägers seit Verfügung der Ausweisung am 01.10.1997 gibt - soweit sie bekannt ist - keinen Anlass für die beantragte Befristung der Wirkungen der Ausweisung. Die Behörde hat in ihrem Schriftsatz vom 25.10.2001 zutreffend darauf hingewiesen, dass sich derzeit „insbesondere eine Prognose, ab welchem Zeitpunkt der Ausweisungszweck erreicht ist und eine Wiederholungsgefahr entfallen wird, nicht bestimmen“ lässt. An dieser Sachlage hat sich seither nichts geändert, weil - wie oben bereits ausgeführt - zuverlässige Informationen über die weitere Entwicklung des Klägers nicht vorliegen. Es gibt auch keine Erkenntnisse über besondere, schutzwürdige Bindungen des Klägers im Bundesgebiet.
33 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
34 
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Berufung durch das Verwaltungsgericht gemäß §§ 124 a Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 VwGO liegen nicht vor.

Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen seine Ausweisung aus dem Bundesgebiet und begehrt die Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis.

2

Der am ... 1984 geborene Kläger stammt aus dem ehemaligen Jugoslawien (Kosovo). Er reiste im Jahre 1994 zusammen mit seinen Eltern und Geschwistern nach Deutschland ein und beantragte die Anerkennung als Asylberechtigter. Das Asylverfahren war teilweise erfolgreich. Aufgrund dessen erhielt er im Januar 1996 erstmals eine Aufenthaltsbefugnis, zuletzt verlängert bis zum 25. Januar 2005.

3

Bereits mit Bescheid vom 5. Mai 2004 widerrief das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge die Feststellung, dass im Falle des Klägers die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Ausländergesetz a.F. vorliegen und stellte gleichzeitig fest, dass keine Abschiebehindernisse nach § 53 Ausländergesetz a.F. vorliegen. Ein dagegen vom Kläger durchgeführtes Verwaltungsstreitverfahren blieb ohne Erfolg (Urteil der 7. Kammer des erkennenden Gerichts vom 10. August 2004 – 7 K 1806/04.KO –). Gleichwohl erteilte der Beklagte dem Kläger am 25. November 2005 eine erneute Aufenthaltserlaubnis, befristet bis zum 24. Mai 2006.

4

Mit Urteil des Landgerichts Koblenz vom17. Mai 2006 – 2020 Js 639/06 – 3 Ks – wurde der Kläger wegen einer versuchten gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit mit vorsätzlicher Straßenverkehrsgefährdung aufgrund von Trunkenheit in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis sowie einer gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit mit vorsätzlicher Straßenverkehrsgefährdung aufgrund von Trunkenheit in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Auf die Entscheidung des Landgerichts Koblenz wird Bezug genommen.

5

Diese Verurteilung nahm der Beklagte zum Anlass, den Kläger mit Bescheid vom 19. Juli 2006 auszuweisen und den von ihm am 22. Juni 2006 gestellten Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis abzulehnen. Gleichzeitig wurde dem Kläger die Abschiebung aus der Haft heraus angedroht.

6

Der dagegen eingelegte Widerspruch blieb ohne Erfolg, der Beklagte wies ihn mit Widerspruchsbescheid vom 29. März 2007 zurück. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Ausweisung des Klägers sei zu Recht als Regelausweisung erfolgt. Ein Ausnahmefall, der ein Absehen von der Regelausweisung rechtfertige, sei im Falle des Klägers nicht gegeben. Dieser verfüge weder über eine abgeschlossene Schulbildung noch über eine abgeschlossene Berufsausbildung. Zuletzt sei er einer Beschäftigung als Prospektverteiler auf 500,-- €-Basis nachgegangen. Dies sei keine Grundlage für eine dauerhafte Sicherung des Lebensunterhaltes. Diese Umstände und seine Straffälligkeit belegten, dass ihm eine soziale und wirtschaftliche Integration nicht gelungen sei. Auch seine persönlichen Umstände begründeten keinen Ausnahmefall. Über das übliche Maß hinausgehende familiäre Bindungen bestünden in der Bundesrepublik Deutschland nicht. Da er die ersten zehn Jahre seines Lebens in seinem Heimatland verbracht habe, sei davon auszugehen, dass ihm eine Reintegration dort ohne Weiteres gelingen werde. Mit Blick auf die verfügte Ausweisung komme eine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nicht in Betracht.

7

Am 3. Mai 2007 hat der Kläger Klage erhoben, mit der er sein Begehren weiterverfolgt.

8

Auf die am 17. März 2008 durchgeführte mündliche Verhandlung wurde dem Beklagten mit Beschluss des erkennenden Gerichts vom gleichen Tage Gelegenheit gegeben, bis zum 23. Mai 2008 über die Ausweisung des Klägers nach Ermessen zu entscheiden. Auf die Begründung wird Bezug genommen.

9

Mit Schriftsatz vom 19. Mai 2008 teilte der Beklagte mit, er halte zwar grundsätzlich die ausgesprochene Regelausweisung weiterhin für rechtmäßig, jedoch werde hilfsweise auch eine Ermessensausweisung ausgesprochen. Unter Berücksichtigung der Schwere der begangenen Straftaten, der besonderen familiären Situation und des Bezuges des Klägers zu dem Staat seiner Staatsangehörigkeit, seiner bisherigen Integration und der zukünftigen Integrationschancen überwiege bei Abwägung aller Umstände des Einzelfalles das öffentliche Ausweisungsinteresse das private Interesse des Klägers an einem weiteren Aufenthalt in Deutschland. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf den Inhalt des Schriftsatzes des Beklagten vom 19. Mai 2008 Bezug genommen.

10

Der Kläger hält die angefochtene Verfügung auch in Ansehung der Ermessensbetätigung des Beklagten weiterhin für rechtswidrig.

11

Er trägt vor, der Beklagte übersehe, dass der Kläger sich den überwiegenden Teil seines Lebens rechtmäßig in Deutschland aufgehalten habe. Außerdem lebten seine Familienangehörigen ebenfalls in Deutschland. Er habe hier auch mehrere Jahre die Schule besucht und habe von ca. 2003 bis 2006 als Zeitungsverteiler in M. gearbeitet. Mit Ausnahme der vom Landgericht Koblenz abgeurteilten Tat sei er auch vorher nicht in nennenswertem Umfang straffällig geworden. Es liege lediglich eine Verurteilung durch das Amtsgericht Westerburg zur Erbringung von Arbeitsleistungen vor. Ferner habe der Beklagte unberücksichtigt gelassen, dass das Tatopfer erheblich alkoholisiert gewesen sei, was ebenfalls zu dem Geschehen mit beigetragen habe. Des Weiteren müsse die Alkoholisierung des Klägers zur Tatzeit hier ebenfalls mit berücksichtigt werden. Entgegen der Annahme des Beklagten habe er die Tat auch bereut. Er habe dem Opfer aus der Haft einen Brief geschrieben und sich für seine Tat entschuldigt.

12

Die Sozialprognose stelle sich ebenfalls als positiv dar. Sein Verhalten in der Strafhaft sei unbeanstandet. Er arbeite hier als Vorarbeiter in der Textilienverpackung und erhalte einen 30 %igen Lohnzuschlag wegen besonders guter Arbeitsleistung. Außerdem lägen ihm bereits zwei Stellenangebote für den Fall der Haftentlassung vor. Eines dieser Stellenangebote beziehe sich auf einen Gartenbaubetrieb. Das weitere Stellenangebot betreffe eine Tätigkeit als Fahrzeugwäscher bei der Firma ... in M. Entsprechende schriftliche Erklärungen der potentiellen Arbeitgeber hat der Kläger zur Gerichtsakte gereicht. In der mündlichen Verhandlung vom 18. August 2008 erklärte der Kläger, er beabsichtige vorrangig, das Angebot der Firma ... anzunehmen.

13

Auch seine familiären Belange seien nicht ausreichend gewürdigt worden. Dies gelte insbesondere im Hinblick auf die Erkrankung seines Vaters. Der Kläger unterstütze die Familie bei dessen Betreuung. Aber auch die Beziehungen zu seinen anderen in Deutschland lebenden Familienangehörigen seien schutzwürdig.

14

Der Kläger beantragt,

15

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 19. Juli 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. März 2007 zu verpflichten, dem Kläger die Aufenthaltserlaubnis zu verlängern.

16

Der Beklagte beantragt,

17

die Klage abzuweisen.

18

Er ist der Klage entgegengetreten und wiederholt und vertieft sein Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren. Ergänzend trägt er vor, bei volljährigen ausländischen Staatsangehörigen seien die familiären Bindungen zu dessen Eltern nicht schutzwürdig. Außerdem stünden im vorliegenden Falle sechs weitere Familienmitglieder zur Verfügung, die die Betreuung des Vaters des Klägers übernehmen könnten. Bei dem Arbeitsplatzangebot der Firma ... handele es sich lediglich um eine unverbindliche Zusage. Eine telefonische Nachfrage bei dem Firmeninhaber habe insoweit keine konkreten Ergebnisse erbracht.

19

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte des Beklagten (1 Heft), der Akte der Staatsanwaltschaft Koblenz – 2020 Js 639/063 Ks 6/06 2116 VRS und der Gefangenenpersonalakten der Justizvollzugsanstalt Wittlich – 339/06-9-, der Akte des Amtsgerichts Westerburg – 7 XVII 396/06 – sowie die beigezogenen Gerichtsakten 3 L 2550/05.KO; 3 L 594/05.KO; 3 K 1349/07.KO; 3 K 869/07.KO, 7 K 1806/04.KO und 7 K 1513/07.KO Bezug genommen. Sämtliche Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

20

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

21

Der Beklagte hat den Kläger zu Recht aus dem Bundesgebiet ausgewiesen und die Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis abgelehnt. Auch die Abschiebungsandrohung begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Der angefochtene Bescheid vom 19. Juli 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. März 2007 erweist sich daher als rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 VerwaltungsgerichtsordnungVwGO –).

22

Entgegen der Rechtsauffassung des Beklagten findet die Ausweisung des Klägers ihre Rechtsgrundlage allerdings nicht in § 54 Nr. 1 Aufenthaltsgesetz – AufenthG – (sog. Regelausweisung). Zwar erfüllt der Kläger unter Berücksichtigung seiner Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten die tatbestandlichen Voraussetzungen der Regelausweisung nach § 54 Nr. 1 AufenthG. Mit Blick auf die neuere Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 23. Oktober 2007 – 1 C 10.07 –) ist diese Regelausweisung im Falle des Klägers jedoch in eine Ermessensausweisung nach § 55 Abs. 1 und 2 Nr. 2 AufenthG herabzustufen.

23

Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts beinhaltet für die Auslegung und Anwendung des § 54 AufenthG zwei wesentliche Neuerungen. Dies betrifft sowohl die Definition bzw. Auslegung des Begriffs der Ausnahme von der Regelausweisung als auch die an die Feststellung eines Ausnahmefalles anknüpfende Rechtsfolge.

24

Nach bisheriger ständiger Rechtsprechung beziehen sich die Worte „in der Regel“ im System der Ausweisungstatbestände auf Regelfälle, die sich nicht durch besondere Umstände von der Menge gleich liegender Fälle unterscheiden. Ausnahmefälle sind demgegenüber durch atypische Umstände gekennzeichnet, die so bedeutsam sind, dass sie das sonst ausschlaggebende Gewicht der gesetzlichen Regel beseitigen. Bei der uneingeschränkter gerichtlicher Kontrolle unterliegenden Prüfung, ob ein Ausnahmefall vorliegt, sind alle Umstände einer strafgerichtlichen Verurteilung sowie die sonstigen Verhältnisse des Betroffenen zu berücksichtigen, die in § 55 Abs. 3 AufenthG nicht abschließend genannt werden (BVerwG, a.a.O. m.w.N. aus der eigenen Rechtsprechung).

25

Hieran anknüpfend wird das Vorliegen eines Ausnahmefalles insbesondere – nicht wie das Bundesverwaltungsgericht a.a.O. ausführt „ferner“ – dann angenommen, wenn der Ausweisung höherrangiges Recht entgegensteht, sie sich namentlich mit verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen (z.B. Art. 6 Grundgesetz – GG –) oder dem Wertesystem der Europäischen Menschenrechtskonvention (z.B. Art. 8 EMRK) als nicht vereinbar und damit unverhältnismäßig erweist.

26

Wurde schließlich unter Anwendung dieses Prüfungsmaßstabes das Vorliegen eines Ausnahmefalles bejaht, so hatte dies zur Folge, dass die Ausweisung zu unterbleiben hat (so die bisher herrschende Meinung, z.B. BVerfG, Beschluss vom 10. Mai 2007 – 2 BvR 304/07 – m.w.N. aus Rechtsprechung und Literatur).

27

Das Bundesverwaltungsgericht gelangt nunmehr im Rahmen seiner bereits zitierten Entscheidung zu der Auffassung, ein Ausnahmefall von der Regelausweisung liege bereits dann vor, wenn durch höherrangiges Recht oder Vorschriften der Europäischen Menschenrechtskonvention geschützte Belange des Ausländers eine Einzelfallwürdigung unter Berücksichtigung der Gesamtumstände des Falles gebieten. Liegt ein solcher Ausnahmefall vor, so führt dies nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts nicht – wie bisher – dazu, dass von der Ausweisung abzusehen wäre, sondern hat zur Folge, dass nunmehr über die Ausweisung nach Ermessen zu entscheiden ist (BVerwG, a.a.O.).

28

Soweit der Beklagte in diesem Zusammenhang die Auffassung vertritt, die in der genannten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten Grundsätze seien auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar, weil es sich insoweit um eine Einzelfallentscheidung betreffend einen im Bundesgebiet geborenen und aufgewachsenen italienischen Staatsangehörigen gehandelt habe, der zudem mit einer deutschen Staatsangehörigen verheiratet und Vater von deutschen Kindern sei, kann ihm nicht gefolgt werden. Im ersten Teil der in Bezug genommenen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zeigt dieses zunächst auf, dass nach seiner Auffassung der dortige Kläger trotz seiner italienischen Staatsbürgerschaft nicht freizügigkeitsberechtigt sei. Damit wird deutlich, dass die in der Entscheidung aufgestellten Grundsätze keineswegs nur für – privilegierte – Staatsangehörige von EU-Staaten gelten sollen, sondern allgemein Gültigkeit beanspruchen. Weiter führt das Bundesverwaltungsgericht in der zitierten Entscheidung aus, dass es nicht nur bei der Gruppe im Bundesgebiet geborener und aufgewachsener Ausländer bei der Entscheidung über eine Ausweisung einer individuellen Würdigung bedürfe, inwieweit der Ausländer im Bundesgebiet verwurzelt ist und dies angesichts der konkreten Ausweisungsgründe bei Abwägung aller Umstände des Einzelfalles einer Ausweisung entgegenstehe. Vielmehr erweise sich auch in anderen Fällen der schematische Blick der Verwaltung auf die Ist- und Regelausweisung als wenig hilfreich, um das gesamte Spektrum betroffener Belange in den Blick nehmen zu können. Die Ermessensentscheidung als der dritte vom Gesetzgeber vorgesehene Entscheidungsmodus biete demgegenüber in der Verwaltungspraxis höhere Gewähr für eine Berücksichtigung aller Aspekte des jeweiligen Einzelfalles und die angemessene Gewichtung anlässlich der Entscheidung über den Erlass einer Ausweisung (BVerwG, a.a.O.).

29

Diese Argumentation mag um so mehr überraschen, als das Bundesverfassungsgericht (a.a.O.) ausdrücklich hervorgehoben hat, dass die differenzierten ausweisungsrechtlichen Regelungen des Aufenthaltsgesetzes der Europäischen Menschenrechtskonvention in ausreichendem Maße Rechnung tragen. Diese Feststellung entbinde jedoch nicht von der Verpflichtung – so das Bundesverfassungsgericht weiter –, im Rahmen der Prüfung, ob ein Regelfall nach § 54 AufenthG vorliege, die Verhältnismäßigkeit der Ausweisung im konkreten Fall und unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs namentlich zu Art. 8 Abs. 2 EMRK zu untersuchen, sondern setze diese Verpflichtung voraus. Hieraus folgt, dass bei korrekter Rechtsanwendung unter Beachtung des vom Bundesverfassungsgericht vorgegebenen Prüfungsmaßstabes von einer schematisierenden Betrachtungsweise unter Ausblendung der konkreten Umstände des Einzelfalles auch in den Fällen der Ist- und Regelausweisung keine Rede sein kann. Zwar mag es in der Praxis vorkommen, dass einzelne Behördenentscheidungen diesen Anforderungen nicht gerecht werden. Dies stellt indessen die Vereinbarkeit des Regelwerks der §§ 53 bis 56 AufenthG mit dem Wertesystem der Europäischen Menschenrechtskonvention nicht grundsätzlich in Frage. Vielmehr handelt es sich dabei um eine Frage der ordnungsgemäßen Rechtsanwendung im konkreten Einzelfall, die selbstverständlich einer umfassenden gerichtlichen Kontrolle zugänglich ist. Dabei war nach dem bisherigen Normverständnis von entscheidendem Vorteil, dass die richterliche Kontrolldichte im Falle des Vorliegens einer Ist- oder Regelausweisung lückenlos ist, weil die Frage, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Ist- bzw. Regelausweisung – und damit auch das Vorliegen eines Ausnahmefalles und die Frage der Verhältnismäßigkeit – der vollen gerichtlichen Nachprüfbarkeit unterliegen. Demgegenüber unterliegt die gerichtliche Überprüfung von Ermessensentscheidungen den Einschränkungen des § 114 Satz 1 VwGO. Es besteht daher aus Rechtsgründen keine zwingende Notwendigkeit, die bisherige Rechtsprechungspraxis zu den Ausweisungstatbeständen aufzugeben.

30

Im Übrigen bestehen Zweifel hinsichtlich der Vereinbarkeit der neuen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts mit § 56 AufenthG. Das Instrument der Herabstufung der Ist- zur Regelausweisung bzw. der Regel- zur Ermessensausweisung ist lediglich in den in § 56 AufenthG abschließend geregelten Fällen des Vorliegens eines besonderen Ausweisungsschutzes gesetzlich vorgesehen. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts schafft daneben einen Herabstufungstatbestand „sui generis“.

31

Trotz dieser Bedenken schließt das erkennende Gericht sich aus Gründen der Wahrung der Rechtssicherheit und Rechtseinheit dieser Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts an.

32

Im Falle des Klägers ist deshalb vom Vorliegen eines Ausnahmefalles im Sinne der genannten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auszugehen. Hiernach liegt ein Ausnahmefall vor, wenn durch höherrangiges Recht oder Vorschriften der Europäischen Menschenrechtskonvention geschützte Belange des Ausländers eine Einzelfallwürdigung unter Berücksichtigung der Gesamtumstände des Falles gebieten. Wann dies der Fall sein soll, wird im Rahmen der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts allerdings nur im Ansatz deutlich. Offenkundig sieht das Bundesverwaltungsgericht (a.a.O.) einen solchen Fall prinzipiell bei der Gruppe der im Bundesgebiet geborenen und aufgewachsenen Ausländer als gegeben an. Aber auch in anderen Fällen – so das Bundesverwaltungsgericht weiter – erweise sich der schematische Blick der Verwaltung auf die Ist- und Regelausweisung als wenig hilfreich. Wann dies außer in den Fällen der in Deutschland geborenen und aufgewachsenen Ausländer anzunehmen ist, kann im Einzelfall offenbar wiederum nur durch eine wertende Betrachtung der konkreten Umstände bestimmt werden. Im Falle des Klägers führt diese Betrachtung zu dem Ergebnis, dass hier ein solcher Ausnahmefall gegeben ist.

33

Der Kläger ist nämlich als Minderjähriger im Alter von 10 Jahren nach Deutschland eingereist und hat sich seitdem überwiegend legal als anerkannter Flüchtling hier aufgehalten. Im Übrigen leben zur Zeit die meisten seiner Familienangehörigen in Deutschland. Mit Blick auf diese Umstände ist durch die Ausweisung des Klägers der Schutzbereich sowohl des Art. 6 GG und Art. 2 Abs. 1 GG wie auch der des Art. 8 Abs. 1 EMRK eröffnet. Geschützt sind insoweit die Rechte des Klägers auf Achtung des Familien- und Privatlebens. Hierbei handelt es sich um Schutzgüter von Verfassungsrang, die im konkreten Falle des Klägers gebieten, über seine Ausweisung unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalles nach Ermessen zu entscheiden.

34

Liegt damit entgegen der Rechtsauffassung des Beklagten ein Ausnahmefall von der Regelausweisung vor, so kann der Kläger nur noch auf der Grundlage einer Ermessensentscheidung nach § 55 Absätze 1 und 2 Nr. 2 AufenthG ausgewiesen werden. Die vom Beklagten mit Blick auf die vorbeschriebene Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hilfsweise vorgenommene Ermessensausweisung erweist sich indessen als rechtmäßig.

35

Der Kläger erfüllt zunächst die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG, denn er hat sich strafbar gemacht und damit weder einen vereinzelten, noch einen geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften begangen.

36

Zu Recht ist der Beklagte auch davon ausgegangen, dass der Aufenthalt des Klägers die öffentliche Sicherheit und Ordnung beeinträchtigt (§ 55 Abs. 1 AufenthG). Die insoweit vorzunehmende Gefährdungsprognose ergibt im Falle des Klägers durchaus eine aktuell bestehende Wiederholungsgefahr. Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass an die Wiederholungswahrscheinlichkeit je nach Schwere der Tat und der Bedeutung der beeinträchtigten Rechtsgüter um so geringere Anforderungen zu stellen sind, je schwerer die Tat zu bewerten ist. Dem öffentlichen Interesse an der Verhinderung schwerwiegender Straftaten ist nämlich regelmäßig ein bedeutendes Gewicht beizumessen. Vorliegend hat bereits der Beklagte zu Recht darauf hingewiesen, dass es sich bei den vom Kläger verübten Straftaten um solche handelt, die gegen höchstrangige Rechtsgüter wie Leib und Leben des Opfers gerichtet waren mit der Folge, dass es bei der hauptbetroffenen Person zu schwersten Verletzungen mit bleibenden Körperschäden gekommen ist. Gemessen hieran ist es nicht zu beanstanden, wenn der Beklagte unter Bezugnahme auf die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Trier vom 20. September 2007 – StVK 461/2007 –, die durch die Entscheidung des OLG Koblenz (Beschluss vom 19. November 2007 – 1 Ws 571/07 –) bestätigt worden ist, eine erneute Straffälligkeit des Klägers für durchaus möglich erachtet. Diese Prognose ist auch in Ansehung der Sozialprognose der JVA Wittlich vom 1. bzw. 3. August 2007 (Bl. 64 – 66 und 69, 70 der Gefangenen-Personalakten), wonach eine eher geringe Gefahr der erneuten Begehung vergleichbarer Straftaten bestehe, gleichwohl berechtigt. Zunächst schließt die Sozialoberinspektorin der JVA in ihrer genannten Stellungnahme ebenfalls die Rückfallgefahr nicht völlig aus. Außerdem stützt sie ihre Einschätzung vorrangig auf die gute Führung des Klägers während der Haftverbüßung und den Umstand, dass er nach seinen Angaben die Tat bereue. Allein damit sind aber die vom Landgericht Trier zu Recht aufgezeigten Bedenken, das Verhalten des Klägers bei der Tat vermittele den Eindruck eines erschreckend rohen und unverantwortlichen Verhaltens, welches ganz erhebliche Zweifel an der Fähigkeit des Klägers wecke, in Zukunft ein straffreies Leben zu führen, nicht entkräftet. Der Beklagte hat insoweit zutreffend darauf hingewiesen, dass der Kläger sich in Haft – und damit in einer Sondersituation – befinde, die nicht notwendig den Schluss zulasse, dass er außerhalb des an strengen Regeln orientierten Betriebsablaufes in der Haftanstalt fortan ein straffreies Leben führen werde. Es ergeben sich aus der Stellungnahme des Sozialdienstes auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger etwa unter Inanspruchnahme therapeutischer Hilfe seine Tat und das damit zutage getretene Aggressionspotential in dauerhaft erfolgversprechender Weise aufgearbeitet hätte. Es ist daher durchaus wahrscheinlich, dass er sich in einer ähnlichen Situation erneut in vergleichbarer Weise verhalten könnte.

37

Liegen damit die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Ermessensausweisung nach § 55 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2 AufenthG vor, so begegnen auch die vom Beklagten vorgenommenen Ermessenserwägungen als solche keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Denn der Beklagte hat mit der von ihm getroffenen Entscheidung, den Kläger auszuweisen, weder die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten noch in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise hiervon Gebrauch gemacht (§ 114 Satz 1 VwGO).

38

Soweit der Kläger meint, die Ausführungen des Beklagten im Schriftsatz vom 19. Mai 2008 zeigten, dass dieser dem Grunde nach kein Ermessen habe ausüben wollen, kann ihm darin nicht zugestimmt werden. Zwar hat der Beklagte die Ermessensausübung lediglich hilfsweise vorgenommen, damit aber in zulässiger Weise von einer vom Bundesverwaltungsgericht in seiner bereits mehrfach zitierten Entscheidung gegebenen Empfehlung Gebrauch macht.

39

Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers hat der Beklagte auch alle abwägungsrelevanten Umstände in seine Entscheidung einbezogen. Hierzu gehören in Anlehnung an die oben bereits zitierte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts neben den Umständen der Tat und der zu besorgenden Wiederholungsgefahr alle in § 55 Abs. 3 Nr. 1 bis 3 AufenthG nicht abschließend genannten Gesichtspunkte. Diese Vorgaben hat der Beklagte beachtet.

40

Dies gilt zunächst für die Umstände der vom Kläger begangenen Straftaten. Insoweit ist der Beklagte zutreffend von der Verurteilung des Klägers zu zwei Jahren und zehn Monaten Freiheitsstrafe ausgegangen. Auch hat er richtig erkannt, dass der Kläger bereits in der Vergangenheit strafrechtlich in Erscheinung getreten ist, wenn auch nicht in vergleichbar schwerwiegender Weise wie bei der zuletzt abgeurteilten Tat. Auch hat der Beklagte in diesem Zusammenhang gesehen, dass der Kläger im Tatzeitpunkt alkoholisiert war. Unberücksichtigt blieb indessen der Umstand der Alkoholisierung des Tatopfers. Dies ist jedoch entgegen der Auffassung des Klägers unbeachtlich, weil unter anderem auch das Landgericht Koblenz diesem Gesichtspunkt keine weitere Bedeutung etwa bei der Strafzumessung beigemessen hat. Dieser Umstand ändert im Ergebnis auch nichts an der Tatsache, dass der Kläger sein Opfer vorsätzlich überfahren hat. Ein Mitverschulden des Opfers ist auch im Strafverfahren nicht ernsthaft diskutiert worden. Des Weiteren hat der Beklagte die Entwicklung des Klägers in der Haft in seine Ermessensentscheidung mit einbezogen. Unter diesem Gesichtspunkt hat er berücksichtigt, dass der Kläger sich beanstandungsfrei führt und in der Haft gute Arbeit leistet, was zu einem 30 %igen Zuschlag auf die Entlohnung führte. Auch hat der Beklagte die Stellungnahme des sozialen Dienstes vom 1. August 2007 ebenso zur Kenntnis genommen wie die bereits zitierte Entscheidung der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Trier vom 20. September 2007, die durch die Entscheidung des OLG Koblenz vom 19. November 2007 bestätigt worden ist.

41

Schließlich hat der Beklagte auch die persönlichen Umstände des Klägers bei seiner Ermessensentscheidung berücksichtigt. Dazu gehört, dass der Kläger im Jahre 1994 als Minderjähriger nach Deutschland eingereist ist, als Flüchtling anerkannt wurde und bis Mai 2006 im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis war und sich demnach bis zu diesem Zeitpunkt legal hier aufgehalten hat. Ebenso ist in die Abwägung eingeflossen, dass der Kläger über keine abgeschlossene Schul- und Berufsausbildung verfügt und bisher als Prospektverteiler tätig war. Ferner hat der Beklagte auch mit einbezogen, dass dem Kläger für den Fall der Haftentlassung eine Arbeitsstelle als Autowäscher angeboten worden ist (§ 55 Abs. 3 Nr. 1 AufenthG). Des Weiteren wurden auch die Verbindungen des Klägers zu seinen in Deutschland lebenden Familienangehörigen in die Überlegungen eingestellt (§ 55 Abs. 3 Nr. 2 AufenthG). Gleiches gilt für die in § 60a Abs. 2 AufenthG genannten Voraussetzungen für die Aussetzung der Abschiebung. Dazu gehört neben den schutzwürdigen Belangen des Klägers aus Art. 6 GG bzw. Art. 8 EMRK – soweit sie nicht bereits vom § 55 Abs. 3 Nr. 2 AufenthG erfasst sind – auch die Frage nach den Reintegrationsmöglichkeiten des Klägers in seinem Heimatland (§ 55 Abs. 3 Nr. 3 AufenthG).

42

Hat der Beklagte somit alle abwägungsrelevanten Gesichtspunkte in seine Ermessensentscheidung eingestellt, so ergeben sich auch keine Anhaltspunkte für eine Fehlgewichtung der widerstreitenden Belange.

43

So ist es zunächst nicht zu beanstanden, wenn der Beklagte die vom Kläger begangene Tat als besonders schwere Straftat gewertet hat. Dies ist mit Blick auf die Umstände der Tat, wie sie sich aus den beigezogenen Strafakten ergeben, ohne weiteres gerechtfertigt. Nicht zuletzt spiegelt sich dies auch in dem nicht unerheblichen Strafmaß von zwei Jahren und zehn Monaten Freiheitsstrafe wider. Hieran anknüpfend ist der Beklagte aus den oben bereits dargelegten Gründen zu Recht von einer durchaus bestehenden Wiederholungsgefahr ausgegangen und hat in nachvollziehbarer und vertretbarer Weise aufgezeigt, dass die Ausweisung des Klägers erforderlich ist, um die erneute Begehung vergleichbar schwerer Straftaten gegen höchstrangige Rechtsgüter wie Leben und Gesundheit Dritter durch den Kläger im Bundesgebiet wirksam zu verhindern.

44

Auch die sonstigen persönlichen und wirtschaftlichen Bindungen des Klägers in Deutschland hat der Beklagte im Ergebnis zutreffend gewürdigt.

45

Zwar kann ihm nicht gefolgt werden, wenn er im Schriftsatz vom 9. Juli 2008 meint, die familiären Bindungen des Klägers zu seinen in Deutschland lebenden Eltern und Geschwistern seien mit Blick darauf, dass der Kläger erwachsen sei, nicht schutzwürdig. Vielmehr unterfallen auch derartige familiäre Bindungen von Erwachsenen grundsätzlich dem Schutzbereich des Art. 6 GG und dem Art. 8 Abs. 1 EMRK, deren Zielsetzung der Schutz von Ehe und Familie ist. Allerdings hat der Vertreter des Beklagten in der mündlichen Verhandlung auf entsprechende Nachfrage des Gerichts hierzu ergänzend ausgeführt, dass er zwar grundsätzlich davon ausgehe, dass diese Bindungen durchaus dem Schutzbereich der genannten Normen unterfielen, diese aber im Falle des Klägers nicht von derart überragendem Gewicht seien, dass sie seiner Ausweisung mit Blick auf die erheblichen Straftaten und die entsprechende Wiederholungsgefahr entgegenstünden. Die so verstandene Gewichtung und Bewertung des Beklagten ist für den Fall des Klägers nicht zu beanstanden. Die Beeinträchtigung der nach Art. 6 Abs. 1 GG aufenthaltsrechtlich geschützten Belange geht im Falle des Klägers nicht über das im Regelfall übliche Maß hinaus. Dies kann nur dann angenommen werden, wenn einer der Familienangehörigen, mit denen der Ausländer in familiärer Lebensgemeinschaft lebt, aufgrund individueller Besonderheiten mehr als im Regelfall üblich auf den persönlichen Beistand des von der Ausweisung betroffenen Ausländers angewiesen ist (VGH BW, Beschluss vom 6. Mai 1997 – 13 F 1997 – NVwZ-RR 1997, 746-749 und BVerwG, Beschluss vom 15. Januar 1997 – 1 B 256/96 – Buchholz 402.240, § 47 AuslG, 1990, Nr. 12). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Denn es ist vorliegend weder dargetan noch sonst für die Kammer ersichtlich, dass eines der Familienmitglieder des Klägers in gesteigertem Maße auf dessen Anwesenheit in Deutschland angewiesen wäre. Auch wenn der Vater des Klägers – was nicht strittig ist – psychisch erkrankt ist, so vermag die Kammer nicht zu erkennen, inwieweit dieser gerade auf die Anwesenheit des Klägers in Deutschland angewiesen sein soll. Außer der bloßen Behauptung des Klägers, er trage zur Betreuung seines Vaters bei, ergeben sich weder aus der Vergangenheit noch aktuell hierfür konkrete Anhaltspunkte. Gerade während der Haft des Klägers zeigte sich, dass sein Vater auf seine Betreuungsleistungen nicht angewiesen ist. Im Übrigen wurde im Verfahren der Familienmitglieder des Klägers (3 K 1348/07.KO) wiederholt ausgeführt, die Mutter des Klägers sei mit Blick auf die Erkrankung des Ehemannes und Vaters des Klägers an der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit gehindert gewesen. Vielmehr habe sie sich um ihren Ehemann und die Kinder kümmern müssen. Im Übrigen handelt es sich bei den Beziehungen des Klägers zu seinen Eltern und Geschwistern um die üblichen Beziehungen zwischen erwachsenen Familienangehörigen. Diese können unter anderem auch durch telefonischen oder brieflichen Kontakt aufrechterhalten werden. Des Weiteren hat der Kläger auch keine Umstände vorgetragen noch sind solche sonst für die Kammer ersichtlich, aus denen sich ergeben könnte, dass der Kläger seinerseits in besonderem Maße auf die Unterstützung seiner in Deutschland lebenden Familienangehörigen angewiesen wäre, so dass der Beklagte dem öffentlichen Ausweisungsinteresse insoweit zu Recht den Vorrang eingeräumt hat.

46

Auch die wirtschaftlichen Bindungen hat der Beklagte im Ergebnis zutreffend gewichtet. Der Kläger verfügt über keine qualifizierte Ausbildung und war bisher lediglich als Prospektverteiler geringfügig beschäftigt. Diese Tätigkeit will er ohnehin nicht mehr ausüben, sondern hat nunmehr ein Stellenangebot als Fahrzeugwäscher vorgelegt. Abgesehen davon, dass es sich hierbei um keinen verbindlichen Arbeitsvertrag handelt, hat der Beklagte zu Recht auch diesem Aspekt Nachrang gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Verhinderung schwerwiegender Straftaten durch den Kläger eingeräumt. Darüber hinausgehende schutzwürdige wirtschaftliche Belange hat der Kläger nicht geltend gemacht und sind auch sonst für die Kammer nicht ersichtlich.

47

Auch die Aufenthaltsdauer und die daraus resultierenden schutzwürdigen Belange des Klägers auf Achtung des Privatlebens gemäß Art. 8 EMRK hat der Beklagte im Ergebnis zutreffend gewichtet und abgewogen.

48

Zwar greift die streitgegenständliche Ausweisung im Falle des Klägers in den Schutzbereich dieser Bestimmung ein. Der Eingriff ist indessen nach Art. 8 Abs. 2 EMRK gerechtfertigt.

49

Der Schutzbereich des Privatlebens im Sinne des Art. 8 Abs. 1 EMRK umfasst das Recht auf Identität und persönliche Entwicklung und das Recht, Beziehungen mit anderen Menschen und der Außenwelt zu begründen und zu pflegen. Der Begriff darf nicht eng ausgelegt werden (Kloesel/Christ/Häußer, Deutsches Aufenthalts- und Ausländerrecht, Kommentar, Loseblattsammlung, Band 3 Nr. 481 Art. 8 EMRK, Rdnr. 30 m.w.N.). In diesen Schutzbereich greift die Ausweisung des Klägers ein. Er hält sich inzwischen ca. 14 Jahre legal in Deutschland auf. Damit geht einher, dass er der deutschen Sprache mächtig ist. Auch hat er in Deutschland mehrere Jahre die Schule besucht, diese jedoch ohne Abschluss verlassen und hat keine Berufsausbildung. Einen Teil seines Lebensunterhaltes hat er zumindest zeitweise vor seiner Inhaftierung als Prospektverteiler verdient. Dass seine Eltern und ein Teil seiner Geschwister in Deutschland leben, wurde oben bereits erwähnt. Sonstige engere persönliche Beziehungen zu in Deutschland lebenden Personen hat der Kläger nicht vorgetragen noch sind solche für die Kammer ersichtlich. Zusammenfassend sind damit aber unverkennbar solche Umstände verknüpft, die das Recht des Klägers auf Identität und persönliche Entwicklung wie auch auf Achtung seiner schutzwürdigen Beziehungen zu anderen Menschen betreffen.

50

Der mit der Ausweisung verbundene Eingriff in diese Rechte ist aber nach Art. 8 Abs. 2 EMRK gerechtfertigt. Denn er ist gesetzlich vorgesehen und stellt sich als eine Maßnahme dar, die in einer demokratischen Gesellschaft für die Wahrung der öffentlichen Ruhe und Ordnung und insbesondere zur Verhinderung von strafbaren Handlungen und zum Schutz der Rechte anderer notwendig ist.

51

Die Ausweisung des Klägers ist in § 55 AufenthG gesetzlich geregelt. Insoweit besteht Einigkeit, dass nach allgemein anerkannten völkerrechtlichen Grundsätzen die Vertragsstaaten das Recht haben, über die Einreise, den Aufenthalt und die Abschiebung fremder Staatsangehöriger zu entscheiden. Von diesem Recht hat die Bundesrepublik Deutschland unter anderem durch den Erlass des Aufenthaltsgesetzes und seiner ergänzenden Bestimmungen Gebrauch gemacht. Dabei ist nochmals hervorzuheben, dass die differenzierten Regelungen des Aufenthaltsgesetzes insbesondere betreffend den Erlass von Ausweisungen nach der bereits zitierten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (a.a.O.) im Einklang mit den Bestimmungen des Art. 8 EMRK stehen.

52

Ob die Maßnahme im Einzelfall zur Erreichung des vorstehend bezeichneten Zweckes notwendig und damit im Ergebnis nach Art. 8 Abs. 2 EMRK gerechtfertigt ist, kann nur im Rahmen einer einzelfallbezogenen Interessenabwägung beantwortet werden (BVerfG, a.a.O.). In diese Abwägung sind einzubeziehen die Art und Schwere der begangenen Straftaten, die Wiederholungsgefahr, die Dauer des Aufenthaltes im Land, aus dem der Betroffene ausgewiesen werden soll, die seit der Tatzeit verstrichene Zeitspanne, das Verhalten des Betroffenen in dieser Zeit sowie die Festigkeit der sozialen, kulturellen und familiären Bindungen im Aufenthaltsland sowie zum Staat seiner Staatsangehörigkeit (OVG Rh-Pf., Beschluss vom 16. Juli 2008 – 7 B 10529/08.OVG –). An diesem Prüfprogramm, welches sich der Sache nach im Wesentlichen mit dem Wortlaut des § 55 Abs. 1 bis 3 AufenthG deckt, zeigt sich wiederum, dass die nach Art. 8 EMRK zu beachtenden Gesichtspunkte weitestgehend bereits in den nationalen Bestimmungen des Aufenthaltsgesetzes ihren Niederschlag gefunden haben und Art. 8 EMRK somit keinen Prüfungsrahmen außerhalb des Aufenthaltsgesetzes eröffnet (VG Koblenz, Urteil vom 17. März 2008 – 3 K 1349/07.KO –). Er ist lediglich bei der Anwendung der gesetzlichen Bestimmungen, was auch durch die Regelung des § 55 Abs. 3 Nr. 3 AufenthG in besonderem Maße deutlich wird, zu berücksichtigen (a.A. wohl OVG Rh-Pf., a.a.O.). Dies vorausgeschickt, hat der Beklagte im Ergebnis zu Recht den diesbezüglichen Belangen des Klägers gegenüber dem öffentlichen Ausweisungsinteresse den Nachrang eingeräumt.

53

Was die Art und Schwere der vom Kläger begangenen Straftat anbelangt, kann zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen auf die oben hierzu bereits gemachten Ausführungen Bezug genommen werden. Ergänzend ist in diesem Zusammenhang nochmals darauf hinzuweisen, dass es sich um eine besonders gefährliche Straftat aus dem Bereich der Delikte mit Gewalt gegen Personen (vgl. OVG Rh-Pf., a.a.O.) gehandelt hat. Dabei hat das Verhalten des Klägers ein bei ihm offensichtlich latent vorhandenes, beängstigendes Aggressionspotential zutage gefördert, so dass aus den ebenfalls bereits dargelegten Gründen von einer durchaus real gegebenen Wiederholungsgefahr ausgegangen werden muss. Freilich mag es eher unwahrscheinlich sein, dass der Kläger erneut vorsätzlich mit einem Pkw Passanten überfährt, jedoch ist damit nicht ausgeschlossen, dass er im Falle erneuter Frustrationserlebnisse auch zukünftig seine aufgestaute Wut an zufällig in der Nähe befindlichen Dritten auslässt. Um die damit verbundene Gefährdung höchstrangiger Rechtsgüter wie Leben und Gesundheit Dritter und die Begehung weiterer einschlägiger Straftaten durch den Kläger im Bundesgebiet zu verhindern, ist die Ausweisung notwendig.

54

Die demgegenüber für den Kläger sprechenden Gesichtspunkte sind nicht annähernd derart gewichtig, dass sie die Ausweisung als unverhältnismäßig im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK erscheinen lassen.

55

Was die Dauer des Aufenthaltes anbelangt, ist geklärt, dass weder die Geburt im gegenwärtigen Aufenthaltsland noch der langjährige Aufenthalt als solcher absolut vor der zwangsweisen Aufenthaltsbeendigung nach schweren Straftaten schützen (so auch OVG Rh-Pf., a.a.O. unter Hinweis auf die Rechtsprechung des EGMR). Aus dieser Erkenntnis folgt, dass nicht in erster Linie die Dauer des Aufenthalts als solche dem Ausländer schon eine in gesteigertem Maße schutzwürdige Position vermittelt, sondern dass es maßgeblich darauf ankommt, in welchem Umfang die persönliche Entwicklung und Identität des Ausländers durch den Aufenthalt in Deutschland geprägt und wie intensiv seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen sozialen Beziehungen hier sind (vgl. aber auch OVG Rh-Pf., a.a.O.). Dabei liegt es auf der Hand, dass bei zunehmender Dauer des Aufenthaltes diese Umstände mehr und mehr an Gewicht gewinnen, so dass hier letztlich im Regelfall ein Verhältnis der Wechselwirkung zwischen Aufenthaltsdauer und Integrationsgrad festzustellen ist.

56

Dies vorausgeschickt stellt sich die Situation des Klägers so dar, dass dieser zunächst im Kosovo geboren wurde und dort bis zu seinem zehnten Lebensjahr aufgewachsen ist. Hieraus folgt, dass er durchaus einen beachtlichen Teil seiner Erziehung und Sozialisation in seinem Heimatland erfahren hat. Damit wird auch bereits deutlich, dass er die dortige Sprache gut beherrscht, weil er sie als Kind erlernt hat. Überdies ist aus dem bereits zitierten Verfahren 3 K 1348/07.KO gerichtsbekannt, dass die Eltern des Klägers trotz der vierzehnjährigen Aufenthaltsdauer kaum der deutschen Sprache mächtig sind, so dass auch in der Familie des Klägers weiterhin albanisch gesprochen wird. Die derzeitige Situation des Klägers ist weiter dadurch geprägt, dass er seit seinem zehnten Lebensjahr, also nunmehr für die Dauer von ca. 14 Jahren, in Deutschland lebt. Damit hat ebenfalls ein beachtlicher Teil seiner Sozialisation in Deutschland stattgefunden. Dies drückt sich darin aus, dass er die deutsche Sprache spricht und hier für mehrere Jahre die Schule besucht hat. Allerdings hat er keinen Schulabschluss erreicht und nach seinem Schulbesuch keine Berufsausbildung angestrebt bzw. abgeschlossen. Bis zu seiner Inhaftierung hat er seinen Lebensunterhalt im Wesentlichen durch Inanspruchnahme öffentlicher Mittel und als Prospektverteiler mit einem Verdienst von ca. 500,-- € monatlich bestritten. Auch während der Haft hat er die Zeit nicht genutzt, um etwa einen Schulabschluss nachzuholen oder sich in sonstiger Weise für den Arbeitsmarkt zu qualifizieren. Derzeit liegt ihm ein unverbindliches Arbeitsplatzangebot für den Fall der Haftentlassung als Fahrzeugwäscher vor. Aufgrund dieser Gesamtumstände kann trotz des vierzehnjährigen Aufenthaltes von einer in gesteigertem Maße schutzwürdigen wirtschaftlichen und sozialen Integration des Klägers in Deutschland nicht gesprochen werden. Es kann keine Rede davon sein, dass er sich etwa im berechtigten Vertrauen auf einen Daueraufenthalt in Deutschland eine Existenz aufgebaut hätte, die mit der verfügten Ausweisung schlagartig zunichte gemacht würde. Vielmehr wird sich die wirtschaftliche Situation des Klägers, einerlei ob er in Deutschland oder im Kosovo lebt, mit Blick auf seine mangelnde Qualifikation prinzipiell – und damit losgelöst von der Ausweisung – schwierig gestalten. Andererseits kann im Hinblick darauf, dass es sich bei ihm um einen jungen arbeitsfähigen Mann handelt, unterstellt werden, dass er auch im Kosovo Beschäftigungen als ungelernte Kraft – vergleichbar der Tätigkeit des Fahrzeugwäschers – ausüben kann. Dabei werden ihm seine Sprachkenntnisse und seine in Deutschland erworbene rudimentäre Schulbildung auch dort durchaus zugute kommen. Auch ist es ihm als jungem Mann ohne weiteres möglich und zumutbar, in seinem Heimatland persönliche Kontakte aufzubauen und zu pflegen. Dies wird ihm ebenfalls dadurch erleichtert, dass zwei seiner Brüder im Kosovo leben. So hat er dort nicht nur eine erste Anlaufstelle, sondern es wird ihm dieser Umstand auch die Eingewöhnung dort erleichtern.

57

Dem steht auch nicht entgegen, dass der Aufenthalt des Klägers in Deutschland legal war. Insoweit ist hervorzuheben, dass der dem Kläger gewährte Aufenthalt aus humanitären Gründen vom Grundsatz der temporären Hilfe geprägt ist (Begründung zu Art. 1 § 26 des Gesetzentwurfes aus Bundestags-Drucksache 15/420, Kloesel/Christ/Häußer, a.a.O., Band 1, § 26 AufenthG). Damit sind die solche Hilfe gewährenden Staaten nicht verpflichtet, jenen Ausländern, denen diese Hilfe zuteil wird, automatisch auch ein vom Fortbestand der Notwendigkeit der Hilfeleistung unabhängiges Daueraufenthaltsrecht zu gewähren. Es ist daher nicht zu beanstanden, wenn der Aufnahmestaat derartige Privilegien an die Erfüllung bestimmter Integrationsleistungen knüpft (vgl. § 26 AufenthG). Erst recht ist unter Berücksichtigung dieser Fakten das Vertrauen des Ausländers auf einen Daueraufenthalt nicht gesteigert schutzwürdig, wenn ihm – wie im Falle des Klägers – trotz eines mehrjährigen legalen Aufenthaltes eine Integration bestenfalls in rudimentären Ansätzen gelungen und er zudem noch straffällig geworden ist.

58

Die familiären Bindungen des Klägers wurden bereits im Rahmen des Art. 6 GG berücksichtigt und sind aus den dort bereits genannten Gründen auch im Rahmen des Art. 8 EMRK nicht geeignet, die Unverhältnismäßigkeit der Ausweisung zu begründen.

59

Die schutzwürdigen Rechte des Klägers aus Art. 8 Abs. 1 EMRK sind demnach insgesamt nicht von derartigem Gewicht, dass sie der Ausweisung angesichts der von ihm begangenen Straftaten und der damit einhergehenden Wiederholungsgefahr entgegenstünden.

60

Erweist sich die Ausweisung des Klägers nach alledem als rechtmäßig, so kann er die Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis mit Blick auf die Regelung des § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG nicht verlangen. Hiernach wird einem Ausländer, der ausgewiesen ist, auch bei Vorliegen der Voraussetzungen eines Anspruchs nach dem Aufenthaltsgesetz kein Aufenthaltstitel erteilt.

61

Auch die Abschiebungsandrohung begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Da der Kläger hierzu keine Einwendungen vorgetragen hat, sieht die Kammer insoweit von weiteren Ausführungen ab.

62

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

63

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11 ZPO.

64

Von einer Zulassung der Berufung durch das erkennende Gericht gemäß § 124 Abs. 1 und § 124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO wird abgesehen, weil keiner der Berufungszulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 und 4 VwGO vorliegt.

65

Beschluss

66

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 10.000,-- € festgesetzt (§§ 52, 63 Abs. 2 GKG).

67

Die Festsetzung des Streitwertes kann nach Maßgabe des § 68 Abs. 1 GKG mit derBeschwerde angefochten werden.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anhörung der Parteien durch Beschluss vorläufig fest, wenn Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder gesetzlich kein fester Wert bestimmt ist. Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Werts können nur im Verfahren über die Beschwerde gegen den Beschluss, durch den die Tätigkeit des Gerichts aufgrund dieses Gesetzes von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird, geltend gemacht werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit.

(2) Soweit eine Entscheidung nach § 62 Satz 1 nicht ergeht oder nicht bindet, setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen oder der Finanzgerichtsbarkeit gilt dies nur dann, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält.

(3) Die Festsetzung kann von Amts wegen geändert werden

1.
von dem Gericht, das den Wert festgesetzt hat, und
2.
von dem Rechtsmittelgericht, wenn das Verfahren wegen der Hauptsache oder wegen der Entscheidung über den Streitwert, den Kostenansatz oder die Kostenfestsetzung in der Rechtsmittelinstanz schwebt.
Die Änderung ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.

(1) Gegen den Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühren festgesetzt worden ist (§ 63 Absatz 2), findet die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde findet auch statt, wenn sie das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zulässt. Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb der in § 63 Absatz 3 Satz 2 bestimmten Frist eingelegt wird; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht. § 66 Absatz 3, 4, 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden. Die weitere Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung der Entscheidung des Beschwerdegerichts einzulegen.

(2) War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden. Gegen die Ablehnung der Wiedereinsetzung findet die Beschwerde statt. Sie ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von zwei Wochen eingelegt wird. Die Frist beginnt mit der Zustellung der Entscheidung. § 66 Absatz 3 Satz 1 bis 3, Absatz 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Die Verfahren sind gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.