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| Im Übrigen ist die Klage als Anfechtungs- und Verpflichtungsklage in objektiver Klagehäufung nach § 44 VwGO statthaft und auch sonst zulässig. Sie ist begründet, soweit der Kläger die Aufhebung der Ziffern 2 und 3 des Widerspruchsbescheids des Landesamts für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg vom 05.10.2012 begehrt (2.). Im Übrigen ist sie unbegründet (1.). |
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| 1. Nachdem der Kläger - auf entsprechenden rechtlichen Hinweis - in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, dass er zu den beiden Rechnungen vom 30.11.2011 und zu der Rechnung vom 27.02.2012 keine weitere Beihilfe begehre, und er zu der Rechnung vom 26.03.2012 keine weitere Beihilfe begehre, soweit der geltend gemachte Rechnungsbetrag die beihilfefähigen Höchstsätze für die durchgeführten Heilbehandlungen überschreite, hat die Kammer im Rahmen des Verpflichtungsbegehrens nur noch darüber zu entscheiden, ob ihm auf seinen Antrag vom 07.06.2012 für die am 12.03.2012 verordnete Krankengymnastik eine weitere Beihilfe in Höhe von 46,80 EUR zu gewähren ist, was 80 % des dreifachen beihilfefähigen Höchstbetrags für krankengymnastische Behandlungen (19,50 EUR) entspricht. Mit diesem Begehren ist die Klage unbegründet, da dem Kläger ein Anspruch auf Gewährung einer Beihilfe zu den Aufwendungen für diese Heilbehandlung nicht zusteht. Der Bescheid des Landesamts vom 07.07.2012 ist, soweit er hierfür eine Beihilfe versagt, rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). |
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| Das Landesamt hat die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für die der Tochter des Klägers am 12.03.2012 verordnete Krankengymnastik zu Recht nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 der Beihilfeverordnung (BVO) in Verbindung mit Nummer 1.4.1 der Anlage zur Beihilfeverordnung in Verbindung mit der Anlage 4 zur Bundesbeihilfeverordnung (BBhV) in der hier maßgeblichen Fassung vom 13.02.2009 (BGBl. I 2009, S. 326, 354) verneint, weil diese Heilbehandlung neben einer gerätegestützten Krankengymnastik verordnet und nicht aufgrund einer gesonderten Diagnosestellung erbracht wurde (a.). Die Beschränkung der Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für Krankengymnastik, die aufgrund derselben Diagnose neben einer gerätegestützten Krankengymnastik verordnet wurde, ist mit höherrangigem Recht vereinbar (b.). |
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| a. Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO sind Aufwendungen nach den folgenden Vorschriften beihilfefähig, wenn sie dem Grunde nach notwendig und soweit sie der Höhe nach angemessen sind. Aufwendungen für aus Anlass einer Krankheit von Ärzten schriftlich begründet verordnete Heilbehandlungen sind gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3 BVO nach Maßgabe der Anlage zur Beihilfeverordnung beihilfefähig. Nummer 1.4.1 der Anlage zur Beihilfeverordnung wiederum verweist hinsichtlich der Voraussetzungen, Beschränkungen und Höchstbeträge für Heilbehandlungen auf Anlage 4 zur Bundesbeihilfeverordnung. Diese trägt in der hier maßgeblichen Fassung den Titel „Höchstbeträge für die Angemessenheit der Aufwendungen für Heilmittel und Voraussetzungen für bestimmte Heilmittel“, setzt unter II. für Krankengymnastik und Bewegungsübungen sowie unter III. für Massagen Höchstbeträge fest und beinhaltet die bei der laufenden Nummer 15 angebrachte Fußnote 12. Nach dieser sind Leistungen der Nummern 4 bis 6 (krankengymnastische Behandlungen), 10 (Bewegungsübungen), 12 (manuelle Therapie) und 18 (Massagen) des Verzeichnisses neben der gerätegestützten Krankengymnastik nur beihilfefähig, wenn sie aufgrund gesonderter Diagnosestellung und einer eigenständigen ärztlichen Verordnung erbracht werden. |
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| Nach diesen Voraussetzungen steht dem Kläger ein Anspruch auf Gewährung weiterer Beihilfe nicht zu. Das Landesamt hat zu der Rechnung vom 26.03.2012 zu Recht lediglich eine Beihilfe zu der gerätegestützten Krankengymnastik und zu der Krankengymnastik im Bewegungsbad in Einzelbehandlung gewährt. Dabei hat das Landesamt die abgerechneten Leistungen dem Leistungsverzeichnis in der hier maßgeblichen Anlage 4 zur Bundesbeihilfeverordnung zutreffend folgendermaßen zugeordnet: gerätegestützte Krankengymnastik entsprechend Nummer 15, krankengymnastische Behandlung entsprechend Nummer 4 und krankengymnastische Behandlung/Bewegungsübungen im Bewegungsbad als Einzelbehandlung entsprechend Nummer 11 Buchst. a. Nach dem eindeutigen Normtext der Anlage 4 zur Bundesbeihilfeverordnung, zu dem auch die bei der laufenden Nummer 15 angebrachte Fußnote 12 zählt, ist die Gewährung von Beihilfe zu der krankengymnastischen Behandlung (Nr. 4) neben der verordneten gerätegestützten Krankengymnastik (Nr. 15) ausgeschlossen. |
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| Die Kammer legt die Fußnote 12 dahingehend aus, dass es für jede der genannten Heilbehandlungen einer eigenständigen ärztlichen Verordnung und einer speziellen Diagnose bedarf, und dass beides im Zeitpunkt der Vornahme der Heilbehandlung vorliegen muss. Dies ergibt sich nicht nur aus dem eindeutigen Wortlaut der Regelung, wonach die Leistungen „aufgrund“ gesonderter Diagnosestellung und eigenständiger ärztlicher Verordnung erbracht werden müssen, die jeweilige Diagnose, die ärztliche Verordnung und die Heilbehandlung also kausal miteinander verknüpft werden. Auch eine am Sinn und Zweck der Regelung orientierte Auslegung führt zwingend zu diesem Normverständnis. Der Physiotherapeut kann Behandlungsmaßnahmen nur so durchführen, wie es ihm vom behandelnden Arzt im Wege der Verordnung vorgegeben wird. Um zu gewährleisten, dass eine Heilbehandlung fachgerecht durchgeführt und das anzustrebende Behandlungsergebnis möglichst effektiv erreicht wird, muss ihm deshalb das Behandlungsziel im Behandlungszeitpunkt bekannt sein. Dies setzt voraus, dass die ihm vorzulegende ärztliche Verordnung nicht nur die Behandlungsmaßnahme, sondern auch die zugehörige Diagnose erkennen lässt. Werden neben der gerätegestützten Krankengymnastik ähnliche Therapieleistungen verordnet, die jedoch eine unterschiedliche Zielrichtung haben sollen, hat der behandelnde Arzt dies durch eine vor Behandlungsbeginn für jede Heilbehandlung gesondert gestellte Diagnose deutlich zu machen (Urteil der erkennenden Kammer vom 31.10.2013 - 9 K 2747/11 -, Juris; ebenso VG Aachen, Urt. v. 05.03.2009 - 7 K 1948/08 -, Juris). |
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| Im vorliegenden Fall liegen der ärztlichen Verordnung vom 12.03.2012 zwei Diagnose zugrunde: zum einen die Schultergelenkinstabilität rechts und links, zum andern die postoperative funktionelle Parese. Aus der Verordnung folgt jedoch nicht, dass jeweils eine der verordneten Heilbehandlungen (gerätegestützte Krankengymnastik, Krankengymnastik oder Bewegungsübungen im Bewegungsbad in Einzeltherapie) ausschließlich der Behandlung jeweils einer dieser Diagnosen zugeordnet wird. Sie weist in den ersten drei Zeilen die Verordnung der drei Heilbehandlungen auf, in den weiteren drei Zeilen werden die genannten Diagnosen aufgeführt. Eine spezifische Verbindung von Heilbehandlung und jeweiliger Diagnose kann der Verordnung gerade nicht entnommen werden. |
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| Die Verordnung vom 12.03.2012 ist auch einer Auslegung dahingehend, dass - wie vom Kläger in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht - die gerätegestützte Krankengymnastik zur Behandlung der funktionellen Parese rechts und die Krankengymnastik zur Behandlung der Schultergelenkinstabilität rechts und links verordnet wurden, nicht zugänglich. Eine ärztliche Verordnung, in welcher mehrere Heilbehandlungen verordnet werden und in welcher mehrere Diagnosen vermerkt sind, kann dann dahingehend ausgelegt werden, dass jeweils eine der Heilbehandlungen zur Behandlung speziell einer der vermerkten Diagnosen verordnet wurde, wenn sich eine solche Zuordnung für einen objektiven Dritten aus der Verordnung selbst oder aus einer mit der Verordnung hinreichend verbundenen schriftlichen Erklärung des verordnenden Arztes ergibt. Bereits aus § 6 Abs. 1 Nr. 3 BVO folgt, dass Aufwendungen für Heilbehandlungen nur dann beihilfefähig sind, wenn diese schriftlich begründet verordnet wurden. Außerdem muss die Beihilfestelle aus den gemäß § 17 Abs. 3 Satz 1 BVO vorzulegenden Belegen, zu denen die schriftliche Verordnung der Heilbehandlung zählt, erkennen können, welche Heilbehandlung der Therapie welcher Erkrankung dient, um den Beihilfeanspruch prüfen zu können. Diesen gesetzlichen Anforderungen widerspricht es zwar nicht, dass die Zuordnung von Heilbehandlung und Diagnose auch durch eine Erklärung des verordnenden Arztes hergestellt werden kann, die außerhalb der Verordnung liegt. Diese muss dann allerdings schriftlich fixiert und mit der Verordnung dergestalt verbunden sein, dass der Therapeut vor Behandlungsbeginn von der ärztlichen Verordnung und der ergänzenden Erklärung Kenntnis erlangt. |
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| Die Verordnung vom 12.03.2012 bietet keine hinreichenden Anknüpfungspunkte für eine Zuordnung der Heilbehandlungen zu den vermerkten Diagnosen. Gegen eine solche Zuordnung spricht ein Vergleich mit der ärztlichen Verordnung vom 13.07.2011, in welcher der Tochter des Klägers zwölf Mal manuelle Therapie verordnet wurde und als Diagnosen sowohl die Schulterinstabilität rechts und links als auch die funktionelle Parese rechts vermerkt waren. Aus dieser Verordnung ist deutlich erkennbar, dass der verordnende Arzt die manuelle Therapie zur Behandlung beider Diagnosen verordnet hat. Die Kammer vermag daher der Einlassung des Klägers in der mündlichen Verhandlung, die manuelle Therapie und die Krankengymnastik seien ausschließlich zur Behandlung der Überflexibilität der Bänder (und der daraus folgenden Schultergelenkinstabilität rechts und links) verordnet worden, nicht zu folgen. Unter Berücksichtigung dieser vorangegangenen Verordnung geht die Kammer davon aus, dass auch die in der Verordnung vom 12.03.2012 aufgeführten Heilbehandlungen jeweils zur Behandlung beider Diagnosen verordnet wurden. |
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| Für das vorliegende Verfahren kommt es nicht darauf an, ob vor Beginn der Behandlung - wie vom Kläger geltend gemacht - zwischen dem verordnenden Arzt und dem Therapeuten eine Absprache dahingehend stattgefunden hat, dass die gerätegestützte Krankengymnastik zur Behandlung der funktionellen Parese rechts und die Krankengymnastik zur Behandlung der Schultergelenkinstabilität rechts und links verordnet wurden. Die Berücksichtigung einer mündlichen Absprache widerspräche dem bereits dargestellten Schriftlichkeitserfordernis. Sie ist aufgrund des Belegerfordernisses in § 17 Abs. 3 Satz 1 BVO nicht geeignet, einen Beihilfeanspruch zu begründen. Außerdem wäre sie für die Beihilfestelle nur schwer überprüfbar und böte Raum für ein kollusives Zusammenwirken von Patient, verordnendem Arzt und behandelndem Therapeut. Eine weitere Sachaufklärung ist daher nicht geboten. |
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| b. Die nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 BVO in Verbindung mit Nummer 1.4.1 der Anlage zur Beihilfeverordnung durch Verweis auf die Anlage 4 zur Bundesbeihilfeverordnung in der hier maßgeblichen Fassung vorgenommene Beschränkung der Beihilfefähigkeit von bestimmten neben der gerätegestützten Krankengymnastik verordneten Heilbehandlungen ist mit höherrangigem Recht vereinbar. Diese pauschalierende Regelung verfolgt frei von Rechtsfehlern den Zweck, die Angemessenheit der im Einzelfall angefallenen Vergütungsansprüche festzustellen. |
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| Nach § 8 LRiStaG in Verbindung mit § 78 Abs. 1 LBG besteht unter anderem für Richter ein gesetzlicher Beihilfeanspruch. Durch die Beihilfegewährung erfüllt der Dienstherr seine Fürsorgepflicht gegenüber den Richtern in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen. Das Nähere ist nach § 8 LRiStaG in Verbindung mit § 78 Abs. 2 Satz 1 LBG vom Finanz- und Wirtschaftsministerium im Einvernehmen mit dem Innenministerium durch Rechtsverordnung zu regeln, wobei die gesetzlichen Vorgaben in § 78 Abs. 2 Satz 2 bis 4 LBG zu beachten sind. Nach § 78 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 LBG ist in der Beihilfeverordnung insbesondere zu bestimmen, welche Aufwendungen beihilfefähig sind; nach § 78 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 LBG ist ferner zu bestimmen, wie die Beihilfe zu bemessen ist, wobei sie nach § 78 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 2 LBG die notwendigen und angemessenen Aufwendungen unter Berücksichtigung der Eigenvorsorge und zumutbarer Selbstbehalte decken soll. Inhalt, Zweck und Ausmaß der Verordnungsermächtigung ergeben sich außer aus den genannten Vorgaben in § 78 Abs. 2 Satz 2 bis 4 LBG aus der Fürsorgepflicht des Dienstherrn. Dies schließt, wie sich bereits aus § 78 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 und Satz 3 Halbsatz 2 LBG ergibt, die Verneinung oder Begrenzung von Beihilfe für bestimmte krankheitsbedingte Aufwendungen ein, sofern die einschränkenden Regelungen weder die Fürsorgepflicht in ihrem Kern verletzen noch gegen den Gleichheitssatz verstoßen. Der Charakter der Beihilfe als einer lediglich ergänzenden Hilfeleistung belässt dem Dienstherrn dabei einen erheblichen Spielraum, innerhalb dessen er durch seine Beihilfevorschriften die Voraussetzungen, den Umfang und die Art und Weise der speziellen Fürsorge generalisierend und typisierend bestimmen kann. Härten und Nachteile, die sich hieraus im Einzelfall ergeben, müssen von den Beihilfeberechtigten grundsätzlich hingenommen werden (vgl. zum Ganzen VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 17.11.2006 - 4 S 101/05 -, VBlBW 2007, 263 m.w.Nw.). |
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| Die Beschränkung der Beihilfefähigkeit von bestimmten neben der gerätegestützten Krankengymnastik verordneten Heilbehandlungen hält sich im Rahmen des dem Ver-ordnungsgeber eingeräumten Spielraums. |
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| Die bei der laufenden Nummer 15 angebrachte Fußnote 12 der Anlage 4 zur Bundesbeihilfeverordnung in der hier maßgeblichen Fassung zielt erkennbar darauf ab, die Doppelabrechnung derselben Leistung oder eine Zuvielbehandlung zu verhindern (Kammerurteil vom 31.10.2013, a.a.O.). Der Verordnungsgeber geht bei einer bestimmten Häufung verschiedener Leistungen zur Behandlung bezüglich einer Diagnose typisierend von einer Zuvielbehandlung aus. Die Regelung in Fußnote 12 verfolgt damit den legitimen Zweck, die Beihilfefähigkeit von Behandlungen, die ähnliche Heilbehandlungen kombinieren, einzuschränken. Es liegt zudem auf der Hand, dass sich verschiedene Formen der Krankengymnastik, Bewegungsübungen und Massagen ähneln und teilweise überschneiden können, weshalb es nicht als willkürlich oder sonst fehlerhaft erscheint, dass der Verordnungsgeber die Beihilfefähigkeit mehrerer solcher Heilbehandlungen, die nebeneinander erbracht werden, pauschalierend an das zusätzliche Erfordernis einer vor Behandlungsbeginn gestellten gesonderten Diagnose für jede Heilbehandlung knüpft (vgl. VG Freiburg, Urteil vom 20.06.2013 - 6 K 535/12 -). |
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| Eine generelle Verletzung des Wesenskerns der Fürsorgepflicht vermag die Kammer nicht festzustellen. Allenfalls ihrer Art oder Höhe nach unzumutbare Belastungen beziehungsweise erhebliche Aufwendungen, die für den Richter unausweichlich sind und denen er sich nicht entziehen kann, können den Wesenskern der Fürsorgepflicht berühren (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 17.11.2006, a.a.O. m.w.Nw.). Dies trifft auf die in Rede stehenden Aufwendungen ersichtlich nicht zu. Zum einen werden die Kosten aller in Fußnote 12 genannten Leistungen bei Vorliegen einer gesonderten Diagnose und eigenständigen ärztlichen Verordnung für jede Leistung vor Behandlungsbeginn vom Dienstherrn übernommen, weshalb die Gefahr, dass der amtsangemessene Lebensunterhalt des Richters und seiner Familie gefährdet wird, nicht besteht. Zum anderen erreichen die wegen der im Leistungsverzeichnis vorgesehenen Höchstbetragsregelungen vom Richter selbst zu tragenden Aufwendungen regelmäßig kein Ausmaß, das eine unerträgliche Belastung der amtsangemessenen Lebensführung mit sich bringen könnte. |
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| 2. Der Kläger hat mit seinem Anfechtungsbegehren Erfolg. Ziffer 2 des Widerspruchsbescheids des Landesamts vom 05.10.2012 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), soweit darin der Bescheid vom 07.07.2012 in dem Umfang aufgehoben wird, als zu den beiden Rechnungen vom 30.11.2011 eine Beihilfe gewährt wurde (a.). Ziffer 3 des Widerspruchsbescheids, in welcher ein überzahlter Betrag in Höhe von 302,30 EUR zurückgefordert wird, ist damit ebenfalls rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs.1 Satz 1 VwGO), da die entsprechende Zahlung nicht rechtsgrundlos erfolgt ist (b.). |
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| a. Die Rechtmäßigkeit der in Ziffer 2 des Widerspruchsbescheids verfügten Teilrücknahme des Bescheids vom 07.07.2012 beurteilt sich nach § 48 LVwVfG. Danach kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt zurückgenommen werden, wobei für einen begünstigenden Verwaltungsakt die Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 gelten. |
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| Zwar ist der Bescheid vom 07.07.2012 insoweit rechtswidrig, als dem Kläger zu den beiden Rechnungen vom 30.11.2011 eine Beihilfe gewährt wurde. Mit diesen beiden Rechnungen wurden zwölf Mal manuelle Therapie, verordnet am 13.07.2011, und zwölf Mal Krankengymnastik, verordnet am 07.06.2011, abgerechnet. In beiden Verordnungen wird als Diagnose die Schulterinstabilität rechts und links und die funktionelle Parese rechts angeführt. Die Heilbehandlungen wurden zwischen dem 13.07.2011 und dem 28.11.2011 durchgeführt. Mit Rechnung vom 03.02.2012 wurden für denselben Behandlungszeitraum Leistungen für eine gerätegestützte Krankengymnastik abgerechnet, welche ebenfalls am 13.07.2011 unter Angabe derselben Diagnosen verordnet wurde. Nach den bereits dargelegten Grundsätzen sind die Aufwendungen für die manuelle Therapie und die Krankengymnastik gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3 BVO in Verbindung mit Nummer 1.4.1 der Anlage zur Beihilfeverordnung in Verbindung mit der Anlage 4 zur Bundesbeihilfeverordnung in der hier maßgeblichen Fassung bereits dem Grunde nach nicht beihilfefähig, weil die manuelle Therapie und die Krankengymnastik aufgrund derselben Diagnose erbracht wurden wie die gerätegestützte Krankengymnastik. |
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| Die Teilrücknahme des Bescheids vom 07.07.2012 in Ziffer 2 des Widerspruchsbescheids vom 05.10.2012 ist jedoch rechtswidrig, weil der Kläger auf den Bestand dieses Bescheids vertraut hat und sein Vertrauen schutzwürdig ist. Der Kläger hat eine irreversible Vermögensdisposition im Sinne von § 48 Abs. 2 Satz 2 LVwVfG getroffen, indem er beziehungsweise seine Tochter die jeweiligen Behandlungsverträge mit dem behandelnden Therapeuten abgeschlossen hat. |
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| Nach § 48 Abs. 2 Satz 1 LVwVfG darf ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung gewährt, nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Nach § 48 Abs. 2 Satz 2 LVwVfG ist das Vertrauen auf den Bestand des Verwaltungsaktes in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte die ihm gewährten Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Unter einer Vermögensdisposition im Sinne dieser Vorschrift ist jedes Verhalten zu verstehen, das in ursächlichem Zusammenhang mit dem begünstigenden Verwaltungsakt steht und Auswirkungen auf die Vermögenssituation des Betroffenen hat, das heißt jegliches Tun, Dulden oder Unterlassen, dem subjektiv das Vertrauen auf den Bestand des Verwaltungsakts zugrundeliegt und das objektiv im Fall der Rücknahme des Verwaltungsakts als wirtschaftlich nachteilig anzusehen ist (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 16.05.2013 - 2 S 2314/12 -, Juris m.w.Nw.). Dispositionen in diesem Sinne sind insbesondere auch eingegangene vertragliche Verpflichtungen (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 14. Aufl., § 48, Rn. 109). Dabei kann eine schutzwürdige Vermögensdisposition unter Umständen auch schon dann vorliegen, wenn der Betroffene im Vertrauen auf die zukünftige Bewilligung einer Leistung im Vorgriff Verpflichtungen eingeht, die nicht mehr rückgängig zu machen sind (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 16.05.2013 - 2 S 2314/12 -, a.a.O. m.w.Nw.). Im Falle einer vertraglichen Verpflichtung ist es unmöglich, sie rückgängig zu machen, wenn sie nicht mehr aufgehoben oder gekündigt werden kann (Kopp/Ramsauer, a.a.O., Rn. 110). |
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| Wenn ein Beihilfeberechtigter einen Behandlungsvertrag mit einem Arzt beziehungsweise mit einem Therapeuten abschließt, er die fehlende Beihilfefähigkeit der dadurch entstehenden Aufwendungen nicht kennt und seine Unkenntnis auch nicht auf grober Fahrlässigkeit beruht, trifft er im Regelfall eine schutzwürdige Vermögensdisposition im genannten Sinne. Er handelt dabei nach allgemeiner Lebenserfahrung regelmäßig im Vertrauen darauf, die dadurch entstehenden Aufwendungen im Nachhinein von der Beihilfestelle ersetzt zu bekommen. Die mit dem Abschluss des Behandlungsvertrags verbundene Vermögensdisposition ist auch nicht mehr rückgängig zu machen, selbst wenn die Beihilfestelle die Erstattung der Aufwendungen im Nachhinein ablehnt. Dieser besonderen Interessenlage ist auch dann Rechnung zu tragen, wenn sich ein Bewilligungsbescheid im Nachhinein als rechtswidrig erweist und sich die Frage stellt, ob er zurückgenommen werden kann. Denn der Betroffene hat nach Rücknahme der Bewilligung weder die Möglichkeit, den Abschluss des Behandlungsvertrags mit Wirkung für die Vergangenheit rückgängig zu machen, noch kann er Zahlungen, die er auf der Grundlage eines wirksamen Behandlungsvertrags an den Arzt oder Therapeuten geleistet hat, von diesem zurückfordern. Dies gebietet es, im Falle der Gutgläubigkeit des Betroffenen von einer schutzwürdigen Vermögensdisposition im Sinne des § 48 Abs. 2 Satz 2 LVwVfG auszugehen (vgl. zum Ganzen VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 16.05.2013 - 2 S 2314/12 -, a.a.O.). |
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| Der Kläger hatte keine Kenntnis von der fehlenden Beihilfefähigkeit der in Rede stehenden Aufwendungen, und seine Unkenntnis beruhte auch nicht auf grober Fahrlässigkeit. Der Vorwurf der groben Fahrlässigkeit im Sinne eines Kennenmüssens muss sich nach dem ausdrücklichen Wortlaut wie auch nach dem Zweck der Regelung in § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 LVwVfG auf die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts beziehen. Die bloße Kenntnis der Tatsachen oder Vorgänge, die die Rechtswidrigkeit begründen, genügt dagegen nicht. Die Unkenntnis ist grob fahrlässig, wenn der Betroffene im Rahmen einer Parallelwertung in der Laiensphäre erkennen konnte und musste, dass der Verwaltungsakt „nicht richtig“ sein kann (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 16.05.2013 - 2 S 2314/12 -, a.a.O.; Kopp/Ramsauer, a.a.O., Rn. 122). Der Kläger hätte die teilweise Rechtswidrigkeit des Bescheids vom 07.07.2012 nicht deswegen kennen müssen, weil - wie der Beklagte geltend macht - dieser einen Hinweis enthält, dass neben der ärztlich verordneten gerätegestützten Krankengymnastik Heilbehandlungen wie Krankengymnastik und manuelle Therapie nur beihilfefähig sind, wenn eine eigenständige ärztliche Diagnosestellung und eine eigenständige ärztliche Verordnung vorliegen. Denn das Landesamt selbst hat es versäumt, aus diesem (richtigen) Hinweis die entsprechenden Rechtsfolgen zu ziehen und eine Beihilfegewährung zu versagen. Zum anderen ist für einen Laien nicht ohne weiteres erkennbar, wann der Tatbestand einer "gesonderten Diagnosestellung und einer eigenständigen ärztlichen Verordnung" erfüllt ist. Dem Kläger kann daher grob fahrlässige Unkenntnis nicht vorgeworfen werden. |
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| Entgegen der Auffassung des Landesamts ist dem Kläger auch nicht deswegen Vertrauensschutz zu versagen, weil der Bescheid vom 07.07.2012 nicht bestandskräftig geworden sei. Der Kläger hat den Widerspruch vom 15.07.2012 nur soweit erhoben, als eine Beihilfe zu den mit Antrag vom 07.06.2012 geltend gemachten Aufwendungen seiner Tochter abgelehnt wurde. Aus der beschränkten Anfechtung des Bescheids vom 07.07.2012 folgt, dass sein gewährender Teil nach Ablauf der Widerspruchsfrist und damit vor Erlass des Widerspruchsbescheids am 05.10.2012 bestandskräftig geworden ist. Somit kann vorliegend offen bleiben, ob der Adressat eines Verwaltungsakts sich tatsächlich nicht auf Vertrauensschutz berufen kann, wenn er selbst durch Einlegung eines Rechtsbehelfs den Eintritt der Bestandskraft verhindert. |
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| b. Ziffer 3 des Widerspruchsbescheids vom 05.10.2012 ist ebenfalls aufzuheben, weil der Bescheid vom 07.07.2012 nach Aufhebung der Rücknahmeentscheidung weiterhin wirksam ist und den Rechtsgrund für die gewährte Beihilfe bildet. |
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| Der Streitwert wird in Abänderung der vorläufigen Streitwertfestsetzung vom 12.11.2012 gemäß § 52 Abs. 3, § 39 Abs. 1 GKG auf 780,06 EUR festgesetzt. |
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