Verwaltungsgericht Hamburg Urteil, 30. Jan. 2018 - 7 K 1901/16

bei uns veröffentlicht am30.01.2018

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über eine Verpflichtung der Beklagten, der Klägerin einen Bauvorbescheid für die Erweiterung der Verkaufsfläche des auf ihrem Grundstück betriebenen Lebensmitteldiscountmarktes zu erteilen.

2

Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks X-Straße in Hamburg (Flurstück XXX, Gemarkung XX). Das Grundstück ist bebaut mit einem Gebäude, in welchem ein Lebensmitteldiscountmarkt der Firma XY betrieben wird. Der Markt verfügt derzeit über die Verkaufsfläche von 791,57 m². Das Grundstück befindet sich im räumlichen Geltungsbereich des Bebauungsplans Tonndorf 9 vom 30.11.1979 in der Fassung der 1. Änderung vom 12.2.2010, welcher hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung für das klägerische Grundstück die Festsetzung „Gewerbegebiet“ enthält. Das Gesetz über den Bebauungsplan Tonndorf 9 in der Fassung der hierzu ergangenen Änderungsverordnung vom 12.2.2010 bestimmt in § 2 Nr. 3 ferner, dass in den durch den Bebauungsplan festgesetzten Gewerbegebieten Einzelhandelsbetriebe mit Ausnahme von Versandhandelsbetrieben unzulässig sind. Ausnahmsweise zulässig sind Einzelhandel in Verbindung mit Handwerksbetrieben und verarbeitendem Gewerbe sowie Betriebe, die mit Kraftfahrzeugen, Booten, Möbeln, Teppichen und gleichermaßen flächenbeanspruchenden Artikeln einschließlich Zubehör oder mit Baustoffen, Werkzeugen, Gartengeräten oder sonstigem Bau- und Gartenbedarf handeln, diese Artikel ausstellen oder lagern. Maßgebend ist die Baunutzungsverordnung (BauNVO) in der Fassung vom 23.1.1990.

3

Am 15.12.2014 richtete die Klägerin an die Beklagte den Antrag auf Erteilung eines Bauvorbescheids für die Erweiterung der Verkaufsfläche des Lebensmitteldiscountmarktes auf 961,03 m² und bat um Beantwortung der Frage, ob dies bauplanungsrechtlich genehmigungsfähig sei. Zur Begründung führte sie aus, der bestehende Markt solle moderner und kundenfreundlicher gestaltet werden. Zur Schaffung eines großzügigen, offenen und einladenden Erscheinungsbildes des Marktes solle der Verkaufsraum mit niedrigeren Regalen ausgestattet werden, so dass eine größere Fläche für das gleich bleibende Sortiment erforderlich werde. Hierzu solle eine bestehende nicht-tragende Trennwand zwischen dem bisherigen Verkaufsraum und einem Lager abgebrochen werden. Die bisherige Verkaufsfläche von 791,57 m² werde durch die Integration der Lagerfläche von 169,46 m² auf insgesamt 961,03 m² anwachsen. Änderungen des äußeren Erscheinungsbildes des Marktes seien nicht geplant. Ferner beantragte die Klägerin am 3.3.2015 die Erteilung einer Befreiung für das Abweichen von der zulässigen Art der baulichen Nutzung durch die Erweiterung des Lebensmitteldiscountmarktes im Gewerbegebiet nach § 31 Abs. 2 BauGB, und zwar von der Regelung nach § 2 Nr. 3 des Bebauungsplangesetzes. Zur Begründung führte sie aus, bei der geplanten Verkaufsflächenerweiterung handle es sich lediglich um eine Maßnahme zur Erhaltung des bisherigen Standortes, der jedenfalls ein erweiterter Bestandsschutz zugeordnet werden könne. Aus der Begründung zur 1. Änderung des Bebauungsplans folge, dass den vorhandenen Einzelhandelsbetrieben Bestandsschutz zukommen solle. Daher könne eine die Erweiterung der Verkaufsfläche ermöglichende Festsetzung i.S.v. § 1 Abs. 10 BauNVO zulässigerweise Inhalt des Bebauungsplans werden. Dementsprechend sei die beantragte Befreiung nicht nur städtebaulich vertretbar, sondern berühre auch die Grundzüge der Planung nicht. Ziel des Einzelhandelsausschlusses durch den Bebauungsplan sei es, Umwandlungsprozesse von Gewerbeflächen in Einzelhandelsstandorte zu vermeiden. Die verbleibenden Gewerbeflächen sollten für produzierende Gewerbebetriebe, die auf solche Flächen angewiesen sind, gesichert werden, ebenso das Zentrenkonzept. Dementsprechend solle lediglich die unkontrollierte Ansiedlung und das weitere Eindringen von Einzelhandelsbetrieben in den festgesetzten Gewerbegebieten verhindert werden. Nicht hingegen sei es Ziel der Planung, bestehende Einzelhandelsbetriebe in ihrem Betrieb einzuschränken. Da keine Ausweitung des Sortiments beabsichtigt sei, seien für das Vorhaben auch keine Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche zu erwarten. Eine Beeinträchtigung nachbarlicher Belange sei nicht ersichtlich.

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Mit Schreiben vom 16.4.2015 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass eine Genehmigung des beabsichtigten Vorhabens nicht erteilt werden könne und die planungsrechtliche Befreiung nicht erteilt werden könne, und gab der Klägerin Gelegenheit zur erneuten Stellungnahme. Mit ihrem an die Beklage gerichteten Schreiben vom 27.4.2015 führte die Klägerin daraufhin erneut und unter Wiederholung ihrer Ausführungen zur Begründung ihres Befreiungsantrags aus, dass ihrer Ansicht nach für die Erweiterung der Verkaufsfläche des Lebensmitteldiscounters auf 961,03 m² eine Befreiung erteilt werden könne.

5

Mit Bescheid vom 12.6.2015 lehnte die Beklagte die Erteilung einer planungsrechtlichen Befreiung für das Abweichen von der zulässigen Art der baulichen Nutzung durch die Erweiterung des Lebensmitteldiscounters im Gewerbegebiet ab und begründete dies damit, dass die Befreiung städtebaulich nicht vertretbar sei. Der durch den Bebauungsplan vorgesehene Einzelhandelsausschluss für das klägerische Grundstück sei als Grundzug der Planung anzusehen, welcher der Erweiterung der Verkaufsfläche, auch wenn sie nach außen nicht erkennbar sei, entgegenstehe.

6

Hiergegen erhob die Klägerin am 25.6.2015 Widerspruch, zu dessen Begründung sie auf die Ausführungen in ihrem Schreiben vom 3.3.2015 sowie vom 27.4.2015 verwies und ergänzend betonte, ihr Vorhaben werde gerade keine zusätzlichen Flächen für den Einzelhandel in Anspruch nehmen und auch nicht durch eine Erhöhung der Flächenproduktivität zu einer Verteuerung angrenzender Gewerbeflächen führen, denn solcher Preisdruck entstehe gerade dadurch, dass sich neue Flächen auch für den Einzelhandel eigneten, der bereit sei, deutlich höhere Grundstückspreise zu zahlen. Andere Flächen eigneten sich für eine solche Preissteigerung jedoch nicht. Weiterhin sei für ihr Grundstück eine bodenrechtliche Sonderlage anzunehmen, da es sich hierbei um das einzige Grundstück im Geltungsbereich des Bebauungsplans Tonndorf 9 handle, das bereits durch Einzelhandel genutzt werde, so dass ihr Vorhaben der Zielsetzung des Bebauungsplans, die Inanspruchnahme zusätzlicher Gewerbeflächen für den Einzelhandel zu verhindern, nicht widerspreche. Eine Unzulässigkeit ihres, der Klägerin, Vorhabens folge schließlich vor dem Hintergrund des § 11 Abs. 3 BauNVO auch nicht aus dem Umstand, dass der Lebensmitteldiscountmarkt im Falle der geplanten Erweiterung die Grenze zur Großflächigkeit überschreite. Zum Beleg ihrer Ansicht, dass die Realisierung ihres Vorhabens keine wesentlichen negativen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche haben werde, legte die Klägerin der Beklagten ein Verträglichkeitsgutachten des Büros XXX vom 22.1.2016 vor, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird.

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Mit Widerspruchsbescheid vom 23.3.2016, den Prozessbevollmächtigten der Klägerin zugestellt am 29.3.2016, wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, dass das Bestandsgebäude auf dem klägerischen Grundstück zwar Bestandsschutz genieße. Dieser umfasse jedoch keine Änderungen des Gebäudes. Letztere bedürften einer gesonderten bauplanungsrechtlichen Prüfung, die vorliegend zu dem Ergebnis führe, dass das klägerische Vorhaben nicht zulässig sei. Die geplante Verkaufsflächenerweiterung werde dazu führen, dass es sich bei dem Lebensmitteldiscountmarkt auf dem klägerischen Grundstück nach deren Realisierung um einen großflächigen Einzelhandelsbetrieb i.S.v. § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauNVO handeln würde. Solche Betriebe entfalteten typischerweise ein Beeinträchtigungspotenzial, das es rechtfertige, sie einem rechtlichen Sonderregime zu unterwerfen. Auf die Frage, ob der Betrieb auf dem klägerischen Grundstück sich nach Art, Lage oder Umfang auf die Verwirklichung der Ziele der Raumordnung und Landesplanung oder auf die städtebauliche Entwicklung und Ordnung nicht nur unwesentlich auswirken könne, komme es nicht an. Denn die aufgrund des im Bebauungsplan Tonndorf 9 festgesetzten Einzelhandelsausschlusses für das Vorhaben der Klägerin notwendige Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB könne nicht erteilt werden, da es sich hierbei um einen Grundzug der Planung handle. Der Plangeber habe die Planänderung, durch welche der Einzelhandelsausschluss in den Bebauungsplan aufgenommen wurde, bewusst auf bestimmte Einzelhandelsbetriebe beschränkt und ihn räumlich auf alle Grundstücke erstreckt, auf denen Einzelhandelsnutzungen kartiert worden seien, so auch das klägerische Grundstück. Diese Flächen seien für den Einzelhandel attraktiv, was einen entsprechenden Ansiedlungsdruck erzeuge, welchem durch den Einzelhandelsausschluss entgegengewirkt werden solle, indem festgelegt werde, dass die zur Verfügung stehenden Gewerbeflächen nicht durch Einzelhandelsnutzungen, für die andere zentrale Standorte zur Verfügung stünden, belegt werden. Die wirtschaftlichen Interessen der Einzelhandelsbetreiber müssten insofern hinter dem Interesse der Allgemeinheit an der Erreichung dieses Ziels zurücktreten. All dies gelte auch für die Erweiterung eines bereits vorhandenen Einzelhandelsbetriebs. Denn durch die flächenmäßige Ausdehnung der Verkaufsfläche werde die Fläche für den Einzelhandel auch attraktiver, da er sein Sortiment erweitern bzw. das Produktangebot vergrößern könne. Dies führe zu einer noch weiter erhöhten Flächenproduktivität des Einzelhandels, was der im Bebauungsplan festgesetzte Einzelhandelsausschluss gerade verhindern wolle. Dass es im Zuge der klägerseitig geplanten Verkaufsflächenerweiterung nicht zu einer Ausweitung des Sortiments komme, sei außerdem zweifelhaft. Im Übrigen könne die nachträgliche Sortimentserweiterung nach Erteilung der von der Klägerin begehrten Befreiung auch nicht mehr reglementiert werden.

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Dem klägerischen Objekt komme außerdem allenfalls passiver Bestandsschutz zu, der nicht die begehrte Verkaufsflächenerweiterung um fast 20% erfasse. Vielmehr werde hierdurch lediglich eine Duldung der bereits vorhandenen Einzelhandelsbetriebe mit ihrer derzeitigen Verkaufsfläche erzeugt. Einen erweiterten Bestandsschutz mit entsprechenden Spielräumen für Erweiterungsvorhaben habe der Plangeber demgegenüber gerade nicht erzeugen wollen. Abgesehen davon, dass das Vorhaben der Klägerin die Grundzüge der Planung berühre, sei weiterhin auch kein Befreiungstatbestand i.S.v. § 31 Abs. 2 BauGB erfüllt. Ferner sei bei Zulassung des an sich gebietsfremden Vorhabens der Klägerin auch eine Beeinträchtigung der Belange der benachbarten Gewerbebetriebe in Gestalt eines diesen zustehenden Gebietserhaltungsanspruchs nicht auszuschließen. Vor diesem Hintergrund sei das der Beklagten hinsichtlich der Erteilung der von der Klägerin begehrten Befreiung zustehende Ermessen auch nicht im Sinne einer Entscheidung zugunsten der Klägerin auf Null reduziert.

9

Am 27.4.2016 hat die Klägerin Klage erhoben. Zur Begründung nimmt sie Bezug auf ihre Ausführungen im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren und führt ergänzend aus, ihr Vorhaben sei städtebaulich vertretbar i.S.v. § 31 Abs. 2 Nr. 2 BauGB. Vor dem Hintergrund der Regelungen in § 1 Abs. 10 BauNVO, auf deren Anwendung im Sinne der Schaffung eines erweiterten Bestandsschutzes die Beklagte bei Ergehen der Änderungsverordnung zum Bebauungsplan Tonndorf 9 auch nicht bewusst verzichtet habe, sei ferner davon auszugehen, dass vorhandenen Betrieben – wie dem Betrieb auf dem klägerischen Grundstück – nicht nur ein einfacherer, sondern ein überwirkender Bestandsschutz eingeräumt werden könne, da eine das klägerische Vorhaben zulassende Festsetzung auch in die Änderungsverordnung zum Bebauungsplan Tonndorf 9 hätte eingehen können. Das Vorhaben berühre die Grundzüge der Planung außerdem nicht. Eine Analyse der relevanten Passagen der Begründung der Änderungsverordnung zum Bebauungsplan Tonndorf 9 zeige, dass sich der durch die Änderungsverordnung in den Bebauungsplan eingefügte Einzelhandelsausschluss allein auf die Ansiedlung von Einzelhandelsbetrieben auf bereits gewerblich genutzten Flächen – das Eindringen von Einzelhandelsnutzungen in die bestehenden Gewerbegebiete – beziehe. Eine Rückentwicklung bereits bestehender Einzelhandelsflächen sei hingegen nicht beabsichtigt, so dass es auch nicht der Planungskonzeption entspreche, vorhandene Einzelhandelsbetriebe von Erweiterungen auszunehmen, die ohne Sortimentserweiterungen lediglich der Bestandssicherung dienten. Da der Plangeber im Übrigen bei Erlass der Änderungsverordnung im Jahre 2010 weitgehend auf einen Nutzungsbestand getroffen sei, welcher mit der Planänderung nicht zu vereinbaren gewesen sei, stehe mangels Umsetzungsaussichten außerdem die städtebauliche Erforderlichkeit des Plans in Frage.

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Der im Jahre 2010 in den Bebauungsplan Tonndorf 9 aufgenommene Einzelhandelsausschluss sei vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts außerdem allenfalls mit dem Ziel der Verfügbarhaltung der als Gewerbegebiet ausgewiesenen Flächen für das produzierende Gewerbe und gewerbegebietstypische Nutzungen zu rechtfertigen. Auf den Schutz des Zentrenkonzeptes der Beklagten könne er nicht gestützt werden, da diese hierfür nicht über hinreichend verbindliche Planungsvorgaben verfüge, und zwar weder im Erläuterungsbericht zum Flächennutzungsplan 1997, noch in den „Leitlinien für den Einzelhandel im Rahmen der Hamburger Stadtentwicklungspolitik“. Konkrete Prüfungen zu den Auswirkungen vorhandener oder zukünftiger Einzelhandelsnutzungen im Plangebiet auf das Bezirkszentrum Wandsbek und das Einkaufszentrum „Tonndo“ in Tonndorf habe die Beklagte jedoch gerade nicht angestellt, sondern habe hierzu nur allgemeine Feststellungen in der Begründung zur Änderungsverordnung zum Bebauungsplan getroffen. Es sei auch nicht erkennbar, dass der Plangeber durch die Umstellung auf die BauNVO 1990 generell großflächige Einzelhandelsbetriebe im Plangebiet habe ausschließen wollen.

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Das als Grundzug der Planung insofern allein in Betracht kommende Ziel, Flächen im Plangebiet für das produzierende Gewerbe und gewerbegebietstypische Nutzungen zukünftig verfügbar zu halten, stehe dem klägerischen Vorhaben nicht entgegen, da die davon betroffenen Flächen aufgrund des den vorhandenen Einzelhandelsbetrieben zukommenden Bestandsschutzes ohnehin auf unabsehbare Zeit nicht für gewerbliche Nutzungen zur Verfügung stünden. Die von der Beklagten befürchtete Gefahr einer höheren Flächenproduktivität und die damit verbundene und ebenfalls von der Beklagten befürchtete Verteuerung angrenzender Gewerbeflächen sei ebenfalls nicht nachvollziehbar. Dieser Gefahr werde durch den eine Neuansiedlung von Einzelhandelsbetrieben unterbindenden Einzelhandelsausschluss gerade begegnet. Die Frage, ob es sich bei dem Vorhaben der Klägerin um einen Einzelfall handle, mithin nicht auch für andere Grundstücke im Gewerbegebiet eine Befreiung beansprucht werden könnte, sei rechtlich unbeachtlich und außerdem tatsächlich irrelevant, da auf den betreffenden Grundstücken im räumlichen Geltungsbereich der Änderungsverordnung zum Bebauungsplan Tonndorf 9 keine weiteren Einzelhandelsnutzungen vorhanden seien.

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Die negative Entscheidung der Beklagten sei ferner ermessensfehlerhaft. Die Beklagte habe weder im ablehnenden Bescheid noch im Widerspruchsbescheid Ermessenserwägungen angestellt, die gegen die Erteilung der von der Klägerin begehrten Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB sprächen. Von ihrem, der Klägerin, Vorhaben gingen schließlich auch keine wesentlichen Auswirkungen auf die städtebauliche Entwicklung und Ordnung oder andere in § 11 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO genannte Belange aus, was durch das im Auftrag der Klägerin erstellte Verträglichkeitsgutachten belegt werde.

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Die Klägerin beantragt,

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die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 12.6.2015 sowie des Widerspruchsbescheides vom 23.3.2016 einen Bauvorbescheid für die Erweiterung der Verkaufsfläche des bestehenden Lebensmitteldiscountmarktes auf dem Grundstück X-Straße, Hamburg, auf 961,03 m² entsprechend ihrem Antrag vom 8.12.2014 sowie eine Befreiung für das Abweichen von der zulässigen Art der baulichen Nutzung von den Festsetzungen des Gesetzes über den Bebauungsplan Tonndorf 9 vom 12.2.2010 gemäß ihrem Antrag vom 3.3.2015 zu erteilen.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen,

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und verweist zur Begründung auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid. Ergänzend betont sie, die in der Planbegründung erörterten vorgefundenen Nutzungen seien in hinreichendem Maße mit der Neuplanung vereinbar und stünden der städtebaulichen Erforderlichkeit nicht entgegen. Ferner ergebe sich aus der Begründung zur Änderungsverordnung zum Bebauungsplan Tonndorf 9 gerade nicht, dass das klägerische Vorhaben von der Planungskonzeption gedeckt sei. Ziel der Planung sei auch die Stärkung, Funktionssicherung und Weiterentwicklung von gewachsenen Zentren und Stadtteilzentren. Die von der Klägerin geplante Verkaufsflächenerweiterung in die Großflächigkeit hinein, die damit verbundene Möglichkeit zur Erweiterung des Sortiments sowie die erhöhte Flächenproduktivität des auf dem klägerischen Grundstück befindlichen Lebensmitteldiscountmarktes werde den gewachsenen Zentren Kaufkraft entziehen und zu einer negativen Beeinflussung der Nahversorgung im umliegenden Gebiet führen. Aus der Rechtsprechung des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts ergebe sich außerdem, dass insoweit ein Konzept verfolgt werde, welches großflächigen bzw. zentrenrelevanten Einzelhandel nur im Bereich der so genannten A- bis C-Zentren vorsieht, was als Rechtfertigung für einen Einzelhandelsausschluss durch einen Bebauungsplan angesehen werden könne. Durch die Umstellung auf die BauNVO 1990 durch die Änderungsverordnung zum Bebauungsplan Tonndorf 9 habe der Gesetzgeber außerdem großflächigen Einzelhandel ohnehin ausgeschlossen. Auf eine Festsetzung zum erweiterten Bestandsschutz i.S.v. § 1 Abs. 10 BauNVO habe der Plangeber bewusst verzichtet.

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Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie die vom Gericht beigezogene Sachakte der Beklagten verwiesen, welche sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

A.

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Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf die Erteilung des begehrten positiven Bauvorbescheids hinsichtlich der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit ihres Vorhabens. Die Ablehnung des Erlasses eines im Sinne des Klageantrags positiven Bauvorbescheids durch die Beklagte ist nicht rechtswidrig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO).

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Gemäß § 63 Satz 1 der Hamburgischen Bauordnung vom 14.12.2005 (HmbGVBl. 2005, S. 525; HBauO) ist einem Bauherrn auf Antrag zu einzelnen Fragen des Vorhabens ein Bescheid (Vorbescheid) zu erteilen. Die von der Klägerin ihrem Vorbescheidsantrag zugrunde gelegte Frage ist jedoch zu verneinen. Der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens stehen öffentlich-rechtliche Vorschriften entgegen, und zwar in Gestalt des § 30 Abs. 1 des Baugesetzbuchs (BauGB) i.V.m. § 2 Nr. 3 des Gesetzes über den Bebauungsplan Tonndorf 9 vom 30.11.1971 (HmbGVBl. 1971, S. 221) in der Fassung der Verordnung zur Änderung des Gesetzes über den Bebauungsplan Tonndorf 9 vom 12.2.2010 (HmbGVBl. 2010, S. 188). Die Klägerin hat diesbezüglich auch keinen Anspruch auf die Erteilung einer Befreiung gegen die Beklagte.

I.

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Gemäß § 30 Abs. 1 BauGB ist ein Vorhaben im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der allein oder gemeinsam mit sonstigen baurechtlichen Vorschriften mindestens Festsetzungen über die Art und das Maß der baulichen Nutzung, die überbaubaren Grundstücksflächen und die örtlichen Verkehrsflächen enthält, zulässig, wenn es diesen Festsetzungen nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist. Das Gesetz über den Bebauungsplan Tonndorf 9 in der Fassung der Änderungsverordnung vom 12.2.2010 normiert einen solchen qualifizierten Bebauungsplan, indem es Festsetzungen über die Art und das Maß der baulichen Nutzung, die überbaubaren Grundstücksflächen und die örtlichen Verkehrsflächen im räumlichen Geltungsbereich des Bebauungsplans trifft. Bei der von der Klägerin geplanten Verkaufsflächenerweiterung handelt es sich auch um ein Vorhaben i.S.v. § 30 Abs. 1 BauGB (hierzu unter 1). Den vorliegend relevanten und als wirksam und anwendbar anzusehenden Festsetzungen des Bebauungsplangesetzes (hierzu unter 2.) widerspricht das klägerische Vorhaben jedoch (hierzu unter 3.).

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1. Vorhaben i.S.v. § 29 Abs. 1 BauGB und § 30 Abs. 1 BauGB sind u.a. die Errichtung, Änderung oder Nutzungsänderung einer baulichen Anlage, wenn diese eine bodenrechtliche bzw. planungsrechtliche Relevanz aufweist (Krämer, in: Spannowsky/Uechtritz, 39. Ed., Stand: 10/2017, § 29, Rn. 5). Dies trifft auch auf die von der Klägerin geplante Verkaufsflächenerweiterung zu. Diese betrifft die bauplanungsrechtlich relevante Erweiterung eines Einzelhandelsbetriebes – wobei offen bleiben kann, ob es sich hierbei i.S.v. § 29 Abs. 1 BauGB um die Änderung einer baulichen Anlage in der Form eines Umbaus des Bestandsgebäudes handelt oder um eine Nutzungsänderung (für letztere wohl BVerwG, Beschl. v. 14.4.2000, 4 B 28.00, NVwZ-RR 2000, S. 758) – und weist städtebauliche Relevanz auf. Auch die Erweiterung der Verkaufsfläche eines bereits vorhandenen Einzelhandelsbetriebes stellt ein bauplanungsrechtlich bzw. städtebaulich relevantes Bauvorhaben dar (VG Düsseldorf, Urt. v. 19.4.2007, 9 K 6272/06, juris), und zwar auch dann, wenn die Erweiterung der Verkaufsfläche nicht durch eine Vergrößerung des Gebäudes, in dem der Einzelhandelsbetrieb untergebracht ist, erfolgt, sondern – wie es hier auch die Klägerin beabsichtigt – durch den Umbau und die Umnutzung von Lagerflächen (vgl. OVG Münster, Urt. v. 29.9.2016, 10 A 1574/14, juris, Rn. 36). Dies gilt insbesondere, wenn die Verkaufsfläche eines zuvor kleinflächigen Lebensmitteldiscountmarktes durch die geplante Änderung die bei 800 m² liegende Grenze zur Großflächigkeit überschreitet (OVG Münster, Urt. v. 6.11.2008, 10 A 2601/07, juris), was auch die Klägerin mit ihrem Vorhaben beabsichtigt.

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2. Gemäß § 2 Nr. 3 des Bebauungsplangesetzes sind in den im räumlichen Geltungsbereich des Bebauungsplans festgesetzten Gewerbegebieten Einzelhandelsbetriebe mit Ausnahme von Versandhandelsbetrieben unzulässig. Ausnahmsweise zulässig sind Einzelhandel in Verbindung mit Handwerksbetrieben und verarbeitendem Gewerbe sowie Betriebe, die mit Kraftfahrzeugen, Booten, Möbeln, Teppichen und gleichermaßen flächenbeanspruchenden Artikeln einschließlich Zubehör oder mit Baustoffen, Werkzeugen, Gartengeräten oder sonstigem Bau- und Gartenbedarf handeln, diese Artikel ausstellen oder lagern. Maßgebend ist die Baunutzungsverordnung in der Fassung vom 23.1.1990 (BGBl. I S. 133), zuletzt geändert am 22. April 1993 (BGBl. I S. 466, 479). Diese Festsetzung ist wirksam und auch seitens des Gerichts zu beachten. Zwar hat das Verwaltungsgericht im Rahmen der sog. Inzidentkontrolle auch der Frage nachzugehen, ob die Festsetzung eines Bebauungsplans, die für die Zulässigkeit eines Bauvorhabens entscheidend ist, wirksam ist. Kommt es zu dem Ergebnis, dass die Festsetzung unwirksam ist, hat es diese zwingend außer Betracht zu lassen und die Rechtslage anzuwenden, die ohne den Bebauungsplan bzw. die in Rede stehende Festsetzung gelten würde (vgl. Reidt, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 13. Aufl. 2016, § 10, Rn. 25). Anhaltspunkte für eine Unwirksamkeit der Festsetzungen nach § 2 Nr. 3 des Gesetzes über den Bebauungsplan Tonndorf 9 sind jedoch nicht erkennbar.

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§ 1 Abs. 5 BauNVO ermöglicht es der planenden Gemeinde – hier der Beklagten in ihrer Funktion als Plangeberin –, Festsetzungen in einen Bebauungsplan aufzunehmen, wonach bestimmte Arten von Nutzungen, die in den nach den §§ 2 bis 19 sowie 13 und 13a BauNVO geregelten Baugebieten allgemein zulässig sind, nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können, sofern die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets gewahrt bleibt. Hierdurch wird den Gemeinden als Plangebern u.a. die Möglichkeit gegeben, zum Schutz von Gewerbe- und Industriegebieten in solchen einen Ausschluss von Einzelhandelsnutzungen planerisch festzusetzen (BVerwG, Beschl. v. 3.5.1993, 4 NB 13/93, juris; Beschl. v. 25.4.2002, 4 BN 20/02, juris, Rn. 6; Beschl. v. 1.7.2013, 4 BN 11/13, juris, Rn. 4; OVG Hamburg, Urt. v. 31.10.2012, 2 E 7/11.N, juris, Rn. 56), wie es auch die Beklagte in ihrer Funktion als Plangeberin vorliegend durch § 2 Nr. 3 des Gesetzes über den Bebauungsplan Tonndorf 9 vorgenommen hat. Dafür, dass die Beklagte in ihrer Funktion als Plangeberin dabei dennoch gegen höherrangiges Recht verstoßen haben könnte, bestehen keine hinreichenden Anhaltspunkte.

25

a) Insbesondere verstößt eine solche Festsetzung nicht gegen § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB. Hiernach haben die Gemeinden – hier die Beklagte – die Bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist. Nicht erforderlich in diesem Sinne sind Bauleitpläne, die einer positiven Planungskonzeption entbehren und ersichtlich der Förderung von Zielen dienen, für deren Verwirklichung die Planungsinstrumente des Baugesetzbuchs nicht bestimmt sind (BVerwG, Urt. v. 27.3.2013, 4 CN 7/11, juris; OVG Bautzen, Urt. v. 9.2.2016, 1 A 415/13, juris, Rn. 51). Davon ist u.a. auszugehen, wenn eine positive Zielsetzung der Planung nur vorgeschoben wird, um eine in Wahrheit auf bloße Verhinderung gerichtete Planung zu verdecken (sog. „unzulässige Verhinderungsplanung“). Ein solcher Fall ist nicht schon dann gegeben, wenn der Hauptzweck der Festsetzungen in der Verhinderung bestimmter städtebaulich relevanter Nutzungen besteht. Eine Gemeinde darf mit der Bauleitplanung grundsätzlich auch städtebauliche Ziele verfolgen, die mehr auf Bewahrung als auf Veränderung der vorhandenen Situation zielen. Namentlich die Gliederungsmöglichkeiten des § 1 Abs. 4 bis 9 BauNVO gestatten ausdrücklich den Ausschluss bestimmter Nutzungen durch negative Festsetzungen. Festsetzungen in einem Bebauungsplan sind vielmehr nur dann als „Negativplanung“ unzulässig, wenn sie nicht dem planerischen Willen der Gemeinde entsprechen, sondern nur vorgeschoben sind, um eine andere Nutzung zu verhindern oder andere, städtebaulich nicht anerkennenswerte Zwecke zu verschleiern (BVerwG, Beschl. v. 15.3.2012, 4 BN 9/12, juris, Rn. 3; OVG Hamburg, Urt. v. 13.4.2011, 2 E 6/07.N, juris, Rn. 29; Beschl. v. 5.5.2015, 2 Bs 103/15, S. 4; OVG Bautzen, Urt. v. 9.2.2016, 1 A 415/13, juris, Rn. 51). So liegt der Fall hier nicht. Die von der Beklagten in ihrer Funktion als Plangeberin mit dem Erlass des § 2 Nr. 3 des Bebauungsplangesetzes verfolgten Zwecke stellen sich nicht als unzulässige Verhinderungsplanung dar.

26

Wie sich aus der Begründung zur Verordnung über die Änderung des Bebauungsplans Tonndorf 9 ergibt, sollen mit der Änderung des Bebauungsplans Tonndorf 9 durch die Einfügung der § 2 Nr. 3 in das Bebauungsplangesetz Einzelhandelsbetriebe ausgeschlossen werden, um u.a. die schon zuvor als Gewerbegebiet ausgewiesene Fläche insbesondere für das produzierende und verarbeitende Gewerbe zu sichern bzw. verfügbar zu halten. Als Anlass hierfür sah die Plangeberin u.a. das in den vorangehenden Jahren zunehmende Eindringen von Einzelhandelsnutzungen in die Gewerbegebiete an (S. 2 f. der Begründung). Die Plangeberin betrachtete es insofern als ihre Aufgabe, dafür zu sorgen, dass die für die gewerbliche Nutzung identifizierten und im Flächennutzungsplan dargestellten Flächen dem tatsächlichen vorgesehenen Nutzungszweck zugeführt und effizient ausgenutzt würden. Ziel sei es, eine „gewerbliche Schutzzone“ einzurichten, die die Fremdnutzung von Flächen vor allem durch (zentrenrelevanten) Einzelhandel verhindert bzw. einschränkt. Ziel sei es ferner, den Ausschluss von Einzelhandel auf Gewerbeflächen voranzutreiben, so auch in den durch den Bebauungsplan Tonndorf 9 festgesetzten Gewerbegebieten (S. 6 f., 9 f. der Begründung). Der Ausschluss von Einzelhandelsbetrieben in Gewerbegebieten mit dem Ziel, das produzierende und verarbeitende Gewerbe zu stärken und ihm ein größeres Maß an Entfaltungsmöglichkeiten zu sichern, ist vor dem Hintergrund des auf die Belange der Wirtschaft Bezug nehmenden § 1 Abs. 6 Nr. 8 Buchst. a BauGB sowie des § 1 Abs. 5 BauNVO ein legitimes städtebauliches Interesse (vgl. nur BVerwG, Beschl. v. 1.7.2013, 4 BN 11/13, juris, Rn. 4, m.w.N.; OVG Hamburg, Urt. v. 31.10.2012, 2 E 7/11.N, juris, Rn. 56; Urt. v. 28.8.2014, 2 E 15/11.N; Beschl. v. 5.5.2015, 2 Bs 102/15, S. 4; st. Rspr.) und stellt keine unzulässige Verhinderungsplanung dar.

27

Der Umstand, dass die Beklagte in ihrer Funktion als Plangeberin mit der Einfügung des § 2 Nr. 3 in das Gesetz über den Bebauungsplan Tonndorf 9 neben dem genannten Ziel der Sicherung der Gewerbegebiete für Gewerbebetriebe, die auf diese Festsetzung angewiesen sind (insbesondere Produktion und Handwerk), auch das Ziel der Sicherung ihres Zentrenkonzeptes verfolgte (vgl. S. 3 der Begründung zur Änderungsverordnung zum Bebauungsplan Tonndorf 9), ist in diesem Zusammenhang nicht erheblich. Inwieweit die Beklagte als Plangeberin bei Erlass der Änderungsverordnung vom 12.2.2010 auch dieses Ziel verfolgen durfte, bedarf vorliegend keiner Entscheidung, da die Beklagte jedenfalls – wie ausgeführt – zulässigerweise das weitere Ziel der Sicherung der Gewerbegebiete für das produzierende Gewerbe verfolgen durfte. Stützt die Plangeberin einen umfassenden Ausschluss von Einzelhandelsbetrieben in Gewerbegebieten auf zwei städtebauliche Ziele, von denen nur eines geeignet ist, den Ausschluss zu rechtfertigen, führt dies nicht zur Unwirksamkeit der Festsetzung, wenn die Plangeberin beide Planungsziele gleichrangig und unabhängig voneinander verfolgt (so ausdrückl. OVG Hamburg, Urt. v. 31.10.2012, 2 E 7/11.N, juris, Rn. 88, unter Verweis auf OVG Münster, Urt. v. 19.7.2011, 10 D 131/08.NE, juris, Rn. 48 ff.). Letzteres ist hier anzunehmen. Die Begründung zur Änderungsverordnung zum Bebauungsplan Tonndorf 9 stellt beide Ziele gleichberechtigt nebeneinander und lässt nicht erkennen, dass es der Beklagten in ihrer Funktion als Plangeberin seinerzeit allein um den Schutz des Zentrenkonzeptes gegangen wäre, während die Sicherung der Gewerbegebiete für Betriebe des produzierenden Gewerbes lediglich einen vorgeschobenen oder nachrangigen Grund abgegeben hätte. Sämtliche hierauf bezogenen Ausführungen in der Planbegründung stellen diese beiden Ziele vielmehr gleichgewichtet und gleichberechtigt nebeneinander (vgl. etwa S. 2, 3, 6 f. der Begründung zur Änderungsverordnung). Die Planungskonzeption der Beklagten lässt auch eine Stufung oder inhaltliche Verknüpfung dieser beiden Planungsziele nicht erkennen.

28

Ebenso wenig ist ein Verstoß der Regelung nach § 2 Nr. 3 des Bebauungsplangesetzes gegen § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB vor dem Hintergrund erkennbar, dass ein Teil der im Plangebiet befindlichen und von der Änderungsverordnung vom 12.2.2010 erfassten Grundstücke bei Erlass der Änderungsverordnung bereits durch Einzelhandelsbetriebe genutzt wurden. Zwar fehlt auch Bauleitplänen, die sich nicht umsetzen lassen bzw. die von vornherein nicht auf Umsetzung gerichtet sind, die städtebauliche Erforderlichkeit (Dirnberger, in: Spannowsky/Uechtritz, BauGB, 39. Ed., Stand: 10/2017, § 1, Rn. 40). Dass die in der Form von § 2 Nr. 3 in das Gesetz über den Bebauungsplan Tonndorf 9 im Jahre 2010 aufgenommenen Regelungen zum Ausschluss von Einzelhandelsbetrieben auf den als Gewerbegebiet festgesetzten Flächen von vornherein keine Chance auf Umsetzung gehabt hätten bzw. von vornherein nicht darauf ausgerichtet gewesen sein könnten, umgesetzt zu werden, ist indes nicht erkennbar. Ausweislich der in der Begründung zur Änderungsverordnung vom 12.2.2010 enthaltenen – und von den Beteiligten in der Sache nicht angegriffenen – Ausführungen (S. 8 f. der Begründung) waren zum Zeitpunkt des Erlasses der Änderungsverordnung keinesfalls sämtliche der von der Änderungsverordnung erfassten Flurstücke bereits durch Einzelhandelsnutzungen „belegt“, wie sie durch § 2 Nr. 3 ausgeschlossen werden sollen. Trotz der ansonsten bereits im Jahre 2010 bestehenden Einzelhandelsnutzungen, die von der Ausschlusswirkung des § 2 Nr. 3 erfasst werden (Sportartikel, Unterhaltungselektronik, Schreibwaren, Lebensmitteldiscounter), war vor diesem Hintergrund bei Erlass der Änderungsverordnung vom 12.2.2010 eine Umsetzung ihres Inhalts gerade nicht auszuschließen, sondern konnte Ziel einer entsprechenden Planung der Beklagten sein. Vielmehr waren zwei Flurstücke nicht vollständig bebaut, das heißt für eine neue Nutzung offen. Ferner fanden sich im Änderungsgebiet Grundstücke, auf denen Handwerksbetriebe ansässig waren, und zwar eine Schneiderei, eine Dachklempnerei sowie ein Unternehmen für Teichbau; hinzu kam eine als Gastronomiebetrieb einzuordnende Billard-Bar. Unter den durch Einzelhandelsbetriebe genutzten Flurstücken fanden sich außerdem solche, auf denen Einzelhandelsnutzungen ansässig waren, die nach dem Inhalt des § 2 Nr. 3 nicht von dessen genereller Ausschlusswirkung erfasst wurden, nämlich ein Kfz-Handel sowie ein Handel mit Grabsteinen, welche i.S.v. § 2 Nr. 3 des Bebauungsplangesetzes als gleichermaßen flächenbeanspruchende Artikel wie beispielsweise Möbel oder Teppiche anzusehen sind.

29

b) Eine Rechtswidrigkeit der Festsetzung unter § 2 Nr. 3 des Gesetzes über den Bebauungsplan Tonndorf 9 folgt auch nicht aus dem Umstand, dass die Beklagte in ihrer Funktion als Plangeberin hierin eine Rückausnahme zugunsten von Versandhandelsbetrieben aufgenommen hat. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sowie des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts ist insofern geklärt, dass im Falle einer Festsetzung nach § 1 Abs. 5 BauNVO vor dem Hintergrund des § 1 Abs. 9 BauNVO der vollständige Ausschluss einer Nutzungsart durch Gegenausnahmen für bestimmte Arten von Anlagen der betreffenden Nutzungsart eingeschränkt werden kann. Insoweit muss die Gemeinde darlegen, warum das von ihr gewählte Abgrenzungskriterium marktüblichen Gegebenheiten entspricht und die Feindifferenzierung durch besondere städtebauliche Gründe gerechtfertigt ist (BVerwG, Urt. v. 26.3.2009, 4 C 21.07, BVerwGE 133, 310; Beschl. v. 1.7.2013, 4 BN 11/13, juris, Rn. 4). Diese Grundsätze gelten generell, also auch für den Fall, dass die Gemeinde mit der Planung das städtebauliche Ziel der Freihaltung von Flächen für das produzierende Gewerbe verfolgt (BVerwG, Beschl. v. 1.7.2013, 4 BN 11/13, juris, Rn. 4). Vorliegend hat die Beklagte in ihrer Funktion als Plangeberin die Differenzierung zwischen Einzelhandelsbetrieben und Versandhandelsbetrieben durch § 2 Nr. 3 des Bebauungsplangesetzes in diesem Sinne hinreichend dargelegt und begründet.

30

Mit Versandhandelsbetrieben wird ein bestimmter Anlagentyp bezeichnet, weil diese Einzelhandelsbranche eine bereits weit verbreitete wirtschaftliche Nutzungsart darstellt und dadurch auch eine bestimmte Art von baulichen Anlagen über ihren Nutzungszweck gekennzeichnet wird. Der Versandhandel ist eine typische Betriebsform des Einzelhandels, bei der die Waren durch den Kunden insbesondere über das Internet bzw. über Kataloge bestellt werden. Dies wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass es im Großhandel die verwandte Betriebsform des Zustellgroßhandels gibt, bei der die verkauften Waren den Kunden mit eigenen Fahrzeugen oder durch Frachtführer geliefert werden. Beide Betriebsformen charakterisieren vielmehr Einzel- wie Großhandel als eine selbständige Unterart des Handels (so ausdrückl. zu einer wortgleichen Festsetzung OVG Hamburg, Urt. v. 31.10.2012, 2 E 7/11.N, juris, Rn. 118). Als besondere städtebauliche Gründe für die Zulässigkeit von Versandhandelsbetrieben führt die Beklagte in ihrer Funktion als Plangeberin auf Seite 11 der Begründung der Änderungsverordnung vom 12.2.2010 aus, dass Versandhandelsbetriebe zugelassen werden, weil diese aufgrund ihrer Anforderungen an verkehrliche Infrastruktur eher im Gewerbegebiet als in anderen Gebieten integrationsfähig seien. Eine Zulässigkeit dieser Form des Einzelhandels sei im Gewerbegebiet u.a. deshalb vertretbar. Gemessen am Planungskonzept der Beklagten ist diese Begründung für die vorgenommene Ausdifferenzierung tragfähig. Da Versandhandelsbetriebe mit den Gewerbegebieten auf besondere Weise verbunden sind, ist es gerechtfertigt, wenn die Beklagte sie von dem grundsätzlichen Einzelhandelsausschluss ausnimmt: Versandhandelsbetriebe sind wegen ihres hohen Lieferverkehrsaufkommens zum Kunden auf eine gute verkehrliche Infrastruktur angewiesen. Hinzu kommt, dass Versandhandelsbetriebe regelmäßig auf Lagerplätze/-häuser angewiesen sind, die ebenfalls in Gewerbegebieten ihren Standort haben (vgl. § 8 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO). Die Differenzierung zwischen allgemein zulässigen Versandhandelsbetrieben und im Übrigen unzulässigen Einzelhandelsbetrieben ist vor diesem Hintergrund gemessen an Art. 3 Abs. 1 GG auch nicht gleichheitswidrig (so ebenfalls ausdrückl. zu einer wortgleichen Festsetzung OVG Hamburg, Urt. v. 31.10.2012, 2 E 7/11.N, juris, Rn. 118 ff.).

31

c) Die von der Beklagten in ihrer Funktion als Plangeberin in § 2 Nr. 3 des Bebauungsplangesetzes vorgenommene weitere Feingliederung – dass Einzelhandel in Verbindung mit Handwerksbetrieben und verarbeitendem Gewerbe sowie Betriebe, die mit Kraftfahrzeugen, Booten, Möbeln, Teppichen und gleichermaßen flächenbeanspruchenden Artikeln einschließlich Zubehör oder mit Baustoffen, Werkzeugen, Gartengeräten oder sonstigem Bau- und Gartenbedarf handeln, diese Artikel ausstellen oder lagern, in den Gewerbegebieten ausnahmsweise zulässig sind – unterliegt ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken (vgl. auch insofern zu einer wortgleichen Festsetzung OVG Hamburg, Urt. v. 31.10.2012, 2 E 7/11.N, juris, Rn. 122 ff.).

32

d) Andere Anhaltspunkte für eine Rechtswidrigkeit bzw. Unwirksamkeit der Festsetzungen in § 2 Nr. 3 des Bebauungsplangesetzes sind weder geltend gemacht, noch drängen sie sich auf.

33

3. Das Vorhaben der Klägerin, die Verkaufsfläche des auf ihrem Grundstück betriebenen Lebensmitteldiscountmarktes auf 961,03 m² zu erweitern, widerspricht i.S.v. § 30 Abs. 1 BauGB der Festsetzung nach § 2 Nr. 3 des Gesetzes über den Bebauungsplan Tonndorf 9. Ein Vorhaben widerspricht in diesem Sinne den Festsetzungen eines Bebauungsplans, wenn hierdurch die Verwirklichung des Plans verhindert oder wesentlich erschwert wird oder wenn das Vorhaben die den Planfestsetzungen entsprechende Situation mehr als geringfügig verschlechtert (vgl. BVerwG, Urt. v. 2.3.1073, 4 C 40/71, juris, Rn. 19; Mitschang, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 13. Aufl. 2016, § 30, Rn. 12). Dies ist hier hinsichtlich der von der Klägerin geplanten Verkaufsflächenerweiterung der Fall.

34

Nach § 2 Nr. 3 des Bebauungsplangesetzes sind in den im räumlichen Geltungsbereich des Bebauungsplans festgesetzten Gewerbegebieten Einzelhandelsbetriebe mit Ausnahme von Versandhandelsbetrieben unzulässig. Die Realisierung des klägerischen Vorhabens würde insofern die den Planfestsetzungen entsprechende Situation nicht nur geringfügig verschlechtern, da der planerisch gewollte Zustand, im Gewerbegebiet keinen Einzelhandel zuzulassen, gerade nicht erreicht würde. Vielmehr würde die Verkaufsflächenerweiterung des Lebensmitteldiscountmarktes auf dem klägerischen Grundstück – was die Klägerin auch beabsichtigt – zu einer Steigerung der Kundenattraktivität dieses Einzelhandelsstandortes beitragen und damit gerade zu einer Verfestigung der planerisch nicht mehr gewollten Einzelhandelsnutzung im betreffenden Gebiet.

35

Das klägerische Vorhaben wird auch nicht von dem für das Bestandsgebäude auf dem Grundstück der Klägerin und dessen aktuelle Nutzung bestehenden Bestandsschutz erfasst. Zwar hat ein Bebauungsplan bzw. – wie hier – dessen Änderung nur Wirkung für die Zukunft. Zuvor bereits legal errichtete Vorhaben bleiben daher von einem Bebauungsplan bzw. dessen späterer Änderung unberührt; sie genießen auf der Eigentumsgarantie gemäß Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG beruhenden Bestandsschutz, auch wenn sie den Festsetzungen des Bebauungsplans nunmehr widersprechen. Ausgeformt wird der Bestandsschutz durch den Gesetzgeber, der Inhalt und Schranken des Eigentums bestimmt (BVerfG, Beschl. v. 15.7.1981, 1 BvL 77/78, juris, Rn. 139). Bauwerke dürfen in ihrem bisherigen Umfang weiter genutzt und für diese Nutzung auch instand gehalten und repariert werden. Weitergehende Veränderungen eines Bauwerks im Widerspruch zu den Festsetzungen eines Bebauungsplans werden vom Bestandsschutz jedoch ebenso wenig gedeckt wie der Wiederaufbau nach einer Zerstörung (Mitschang, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 13. Aufl. 2016, § 30, Rn. 16). Bei der von der Klägerin geplanten Verkaufsflächenerweiterung handelt es sich nicht um bloße Instandhaltungs- oder Reparaturmaßnahmen in Bezug auf die auf ihrem Grundstück stattfindende Einzelhandelsnutzung, sondern um eine mit mehr als 10 vom Hundert signifikante Erweiterung, mit der überdies die bei 800 m² Verkaufsfläche liegende Grenze zur Großflächigkeit (vgl. insofern BVerwG, Urt. v. 24.11.2005, 4 C 10.04, BVerwGE 124, 364; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 21.12.2011, OVG 10 S 29.10, juris, Rn. 9) überschritten würde.

36

Das Bestehen eines erweiterten Bestandsschutzes der auf dem klägerischen Grundstück bestehenden Einzelhandelsnutzung, der die von der Klägerin beabsichtigte Verkaufsflächenerweiterung umfassen würde, ist nicht anzunehmen. Gemäß § 1 Abs. 10 BauNVO 1990, welcher auf den Bebauungsplan Tonndorf 9 nach Ergehen der Änderungsverordnung vom 12.2.2010 Anwendung findet, kann zwar im Bebauungsplan festgesetzt werden, dass Erweiterungen, Änderungen, Nutzungsänderungen und Erneuerungen dieser Anlagen allgemein zulässig sind oder ausnahmsweise zugelassen werden können, wenn bei der Festsetzung eines Baugebiets nach den §§ 2 bis 9 BauNVO in überwiegend bebauten Gebieten bestimmte vorhandene bauliche oder sonstige Anlagen unzulässig wären. Bestimmungen, nach denen im räumlichen Geltungsbereich der Änderungsverordnung vom 12.2.2010 u.a. Erweiterungen von nach Änderung des Bebauungsplans Tonndorf 9 nicht mehr zulässigen Nutzungen zulässig seien oder ausnahmsweise zugelassen werden könnten, enthält das Bebauungsplangesetz in seiner ihm durch die Änderungsverordnung vom 12.2.2010 gegebenen Fassung jedoch nicht. Abgesehen davon, dass erweiterter Bestandsschutz einer ausdrücklichen Regelung bedürfte, handelt es sich dabei auch um einen bewussten Verzicht. Im Einzelnen:

37

Die Ausführungen zur Begründung der Planänderung im Jahre 2010 lassen erkennen, dass die Beklagte in ihrer Funktion als Plangeberin seinerzeit gerade nicht – wie indes die Klägerin geltend macht – ohne Regelungsabsicht eine Festsetzung i.S.v. § 1 Abs. 10 BauNVO zugunsten des vorhandenen Einzelhandels unterließ. Vielmehr sollte der vorhandene Einzelhandel bewusst i.S. eines passiven Bestandsschutzes auf das vorhandene Maß festgeschrieben werden. Hierfür spricht insbesondere die den Ausführungen zur planerischen Abwägung vorangestellte Bemerkung (Seite 9 der Begründung zur Änderungsverordnung):

38

„Mit der Änderung des Bebauungsplans Tonndorf 9 soll insbesondere die bisher im Gewerbegebiet zulässige Einzelhandelsnutzung ausgeschlossen werden“,

39

ohne dass hieran anschließend Ausführungen folgen, wonach den vorhandenen Einzelhandelsbetrieben i.S. eines erweiterten Bestandsschutzes Entwicklungsmöglichkeiten gegeben werden sollten. Dieselbe Erwägung gilt in Bezug auf die Ausführungen in der Begründung zur Änderungsverordnung (dort Seite 10), wonach

40

„[m]it der getroffenen Festsetzung […] die heute vorhandenen Einzelhandelsnutzungen Bestandsschutz“

41

genießen, ohne dass die Begründung auch in diesem Zusammenhang irgendwelche Ausführungen zu Erweiterungsmöglichkeiten dieser Betriebe enthielte. Solche Ausführungen finden sich lediglich hinsichtlich Versandhandelsbetrieben sowie den sonstigen in § 2 Nr. 3 des Bebauungsplangesetzes ausdrücklich genannten Betrieben, was im Umkehrschluss bedeutet, dass die Plangeberin den sonstigen vorhandenen Einzelhandelsbetrieben – wie dem der Klägerin – gerade nicht i.S.d. § 1 Abs. 10 BauNVO weitere Entwicklungsmöglichkeiten eröffnen wollte.

42

Im Übrigen würde selbst im Falle eines nur unbewussten Verzichts der Plangeberin auf eine Festsetzung nach § 1 Abs. 10 BauNVO, die der Einzelhandelsnutzung auf dem klägerischen Grundstück erweiterten Bestandsschutz zubilligte, dem Betrieb auf dem klägerischen Grundstück kein erweiterter Bestandsschutz zukommen. Festsetzungen i.S.v. § 1 Abs. 10 BauNVO können nicht allein durch einen stillschweigenden Verzicht auf einen ausdrücklichen Ausschluss von Festsetzungen zum erweiterten Bestandsschutz normiert werden. Festsetzungen nach § 1 Abs. 10 BauNVO, durch die vorhandenen Anlagen ein erweiterter Bestandsschutz zugebilligt wird, setzen eine anlagenbezogene Planung voraus (Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, 126. EL., Stand: 8/2017, § 1 BauNVO, Rn. 106). Die planerischen – zeichnerischen oder textlichen – Festsetzungen zum erweiterten Bestandsschutz nach § 1 Abs. 10 BauNVO müssen daher zweifelsfrei erkennen lassen, auf welche konkret vorhandenen Anlagen sie sich beziehen. Allein eine Bezugnahme auf „bestehende Betriebe“ reicht nicht aus. Weiterhin muss eine Festsetzung nach § 1 Abs. 10 BauNVO die konkreten Vorhaben bezeichnen und eindeutig bestimmen, welche zulässig sein sollen oder ausnahmsweise zugelassen werden können. So ist hinsichtlich Erweiterungen insbesondere deren Begrenzung festzusetzen, und bei Festsetzung einer Nutzungsänderung ist diese zu bestimmen, jedenfalls in einem Rahmen, der zugleich die städtebauliche Vertretbarkeit in dem Gebiet sichert. Nicht ausreichend ist eine bloße Bezugnahme auf Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung einer vorhandenen Anlage (OVG Münster, Urt. v. 7.5.2007, 7 D 64/06.NE, juris, Rn. 72 ff.; Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, 126. EL., Stand: 8/2017, § 1 BauNVO, Rn. 114).

II.

43

Die Klägerin hat gegen die Beklagte auch keinen Anspruch auf die Erteilung einer Befreiung von dem durch § 2 Nr. 3 des Gesetzes über den Bebauungsplan Tonndorf 9 normierten Einzelhandelsausschluss, welcher – wie ausgeführt – der Zulässigkeit ihres Vorhabens entgegensteht.

44

1. Gemäß § 31 Abs. 2 BauGB kann von den Festsetzungen eines Bebauungsplans befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und Gründe des Wohls der Allgemeinheit, einschließlich des Bedarfs zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden, die Befreiung erfordern, oder die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde, und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Diese Voraussetzungen sind hinsichtlich des Vorhabens der Klägerin nicht erfüllt. Eine Realisierung des klägerischen Vorhabens berührt Grundzüge der Planung.

45

Ob die Zulassung eines Vorhabens, für das eine Befreiung begehrt wird, die Grundzüge der Planung berührt, hängt von der jeweiligen Planungssituation ab. Entscheidend ist, ob die Abweichung dem planerischen Grundkonzept zuwider läuft. Je tiefer die Befreiung in das durch den Plan bewertete und gestaltete Interessengeflecht eingreift, desto eher liegt der Schluss nahe, dass eine Änderung der Planungskonzeption gegeben ist, die nur im Wege einer Planänderung zulässig wäre (Reidt, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB., 13. Aufl. 2016, § 31, Rn. 29). Dementsprechend scheidet die Erteilung einer Befreiung von Festsetzungen aus, die für die Planung tragend sind (Siegmund, in: Spannowsky/Uechtritz, BauGB, 39. Ed., Stand: 10/2017, § 31, Rn. 61). Die Analyse des insofern maßgeblichen Planungskonzeptes beurteilt sich dabei nach dem im Bebauungsplan zum Ausdruck kommenden planerischen Willen der Gemeinde bzw. Plangeberin (BVerwG, Urt. v. 9.3.1990, 8 C 76/88, BVerwGE 85, 66, 71 f.). Ausgangspunkt ist insofern vorrangig der Bebauungsplan selbst und die Gesamtschau der unterschiedlichen Festsetzungen (OVG Weimar, Beschl. v. 26.7.1996, 1 EO 662/95; NVwZ-RR 1997, 596; Siegmund, in: Spannowsky/Uechtritz, BauGB, 39. Ed., Stand: 10/2017, § 31, Rn. 61) sowie die Planbegründung (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 5.6.2009, 2 Bs 26/09, NordÖR 2009, S. 310). Ergänzend können die Planaufstellungsvorgänge herangezogen werden (BVerwG, Beschl. v. 19.5.2004, 4 B 35/04, BeckRS 2004, 22801; Siegmund, in: Spannowsky/Uechtritz, BauGB, 39. Ed., Stand: 10/2017, § 31, Rn. 61). Eine solche Analyse führt vorliegend zu dem Ergebnis, dass der in § 2 Nr. 3 des Gesetzes über den Bebauungsplan Tonndorf 9 normierte Einzelhandelsausschluss als Grundzug der Planung anzusehen ist und eine Abweichung hiervon im Wege der Befreiung die Grundzüge der Planung berühren würde.

46

a) Ausgehend vom Wortlaut des Plans sowie dem Inhalt seiner textlichen Festsetzungen folgt dies zunächst aus dem Umstand, dass der Einzelhandelsausschluss nach § 2 Nr. 3 des Bebauungsplangesetzes die zentrale textliche Festsetzung des Bebauungsplans überhaupt ist, was schon selbständig tragend den Schluss zulässt, dass es der Beklagten in ihrer Funktion als Plangeberin bei Aufstellung des Bebauungsplans in seiner geltenden Fassung gerade darum ging, abgesehen von den ausdrücklich genannten Ausnahmen, jede Einzelhandelsnutzung in den betreffenden Gewerbegebieten auszuschließen, dieser Einzelhandelsausschluss also gerade eine Grundkonzeption der aktuellen Fassung der Bauleitplanung darstellt. Dies gilt insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass die Beklagte bei Erlass der Änderungsverordnung vom 12.2.2010 – wie ausgeführt – gerade keinen Gebrauch von den Möglichkeiten des § 1 Abs. 10 BauNVO zugunsten vorhandener Einzelhandelsnutzungen machte und ihnen gerade nicht auf diesem Wege Erweiterungsmöglichkeiten (weiter) eröffnete. In einem durch die Festsetzung eines Einzelhandelsausschlusses ohne Festsetzung nach § 1 Abs. 10 BauNVO gekennzeichneten Fall ist allgemein für jedes Einzelhandelsvorhaben von einer Berührung der Grundzüge der Planung auszugehen.

47

Bestätigt wird dieses Ergebnis durch eine Analyse der Begründung zur Änderungsverordnung vom 12.2.2010, mit welcher § 2 Nr. 3 in das Bebauungsplangesetz aufgenommen wurde. So stellt die Beklagte in ihrer Funktion als Plangeberin hierin bereits unter der Überschrift „Anlass und Ziele der Planung“ (S. 2 der Begründung) heraus, dass sie mit der Planänderung beabsichtigt, auf die zu beobachtende Entstehung von Einzelhandelsnutzungen, insbesondere Lebensmitteldiscounter, in Gewerbegebieten und die damit verbundenen Folgen zu reagieren. Ausdrücklich heißt es in der Begründung (S. 3):

48

„Der Regelungsgehalt im Rahmen des Bebauungsplanänderungsverfahrens Tonndorf 9 wird bewusst auf die Regelung der Zulässigkeit des Einzelhandels und die Umstellung auf die aktuelle BauNVO 1990 beschränkt, um eine Konzentration auf den dringenden Schutz der Gewerbegebiete zu ermöglichen“,

49

woraus nach Auffassung der Kammer folgt, dass es der Beklagten in ihrer Funktion als Plangeberin bei Schaffung des § 2 Nr. 3 des Bebauungsplangesetzes gerade auf den Ausschluss jedweder nicht ausdrücklich vom Ausschluss ausgenommener Einzelhandelsnutzungen ankam. Ebenso deutlich wird dies aus den einleitenden Sätzen der Ausführungen unter der Überschrift „Planinhalt und Abwägung“ in der Begründung zur Änderungsverordnung (S. 9):

50

„Mit der Änderung des Bebauungsplans Tonndorf 9 soll insbesondere die bisher im Gewerbegebiet zulässige Einzelhandelsnutzung ausgeschlossen werden. Außerdem wird die bisher geltende Baunutzungsverordnung aus dem Jahre 1968 auf die BauNVO in der Fassung vom 23 Januar 1990 […] umgestellt, da § 2 des Gesetzes über den Bebauungsplan aus heutiger Sicht keinen ausreichenden Schutz des bestehenden Gewerbegebietes gegen eindringenden Einzelhandel und der angrenzenden Zentren darstellt.“

51

Dem insofern von der Beklagten festgestellten Ansiedelungsdruck durch Einzelhandelsnutzungen sollte mit der Schaffung des § 2 Nr. 3 des Bebauungsplangesetzes entgegengewirkt werden (S. 9 f. der Begründung). Weiter heißt es in der Begründung der Änderungsverordnung insofern (S. 10):

52

„Für die bestehende Gewerbestruktur wird durch den Ansiedelungsausschluss von Einzelhandelsbetrieben sichergestellt, dass den ansässigen Betrieben auch zukünftig auch Flächen, insbesondere im produzierenden Bereich sowie im Handwerk oder ähnlichem, vorbehalten bleiben. Gleichzeitig bedeutet das zuverlässige Planungs- und Nutzungssicherheit für bestehende sowie neue Betriebe und schützt deren Belange hinsichtlich Investitions- und Entwicklungsmöglichkeiten“,

53

was ebenfalls deutlich macht, dass der Einzelhandelsausschluss nach § 2 Nr. 3 zur Grundkonzeption des Bebauungsplans Tonndorf 9 in der Fassung der Änderungsverordnung vom 12.2.2010 gehört.

54

Mit der Schaffung des § 2 Nr. 3 und dessen Einfügen in das Bebauungsplangesetz nahm die Beklagte außerdem nicht lediglich eine Randkorrektur der ursprünglichen Fassung des Bebauungsplans Tonndorf 9 vor, sondern etablierte den darin normierten Einzelhandelsausschluss als Grundzug des Bebauungsplans insgesamt. Die als Gewerbegebiet ausgewiesenen Flächen, auf die sich der in § 2 Nr. 3 normierte Einzelhandelsausschluss bezieht, nehmen den überwiegenden Teil des Plangebiets ein, so dass die durch § 2 Nr. 3 neu geschaffene Regelung auch für den überwiegenden Teil des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans Geltung beansprucht. Darüber hinaus folgt aus dem Umstand, dass der Bebauungsplan in seiner Urfassung nur wenige textliche Festsetzungen enthielt, die sich v.a. auf die Zulässigkeit von Garagen beziehen, dass durch die Schaffung des § 2 Nr. 3 der materielle Regelungsgehalt des Plans von der Beklagten in ihrer Funktion als Plangeberin bewusst erheblich erweitert wurde. Schließlich erfolgte die Festsetzung der Gewerbegebiete in der Urfassung des Bebauungsplans im Jahre 1971 ebenfalls offenbar schon mit der Zielrichtung, im Plangebiet Entwicklungsmöglichkeiten für Betriebe des produzierenden Gewerbes etc. zu schaffen, und jedenfalls mit der Zielrichtung, die im Gewerbegebiet zur Verfügung stehenden Flächen nicht durch Betriebe des großflächigen bzw. mehr als nur das lokale Umfeld versorgenden Einzelhandels „besetzen“ zu lassen. So heißt es in der Begründung der Ursprungsfassung des Bebauungsplans Tonndorf 9 (Seite 2):

55

„Die Fläche im nordöstlichen Teil des Plangebiets zwischen den Anlagen der Bundesbahn und der verkehrsreichen Bundesstraße B 75 wird als Gewerbegebiet ausgewiesen, weil die bisher vorgesehenen Grünflächen in dieser Lage keinen besonderen Erholungs- und Freizeitwert besitzen und eine Ausweisung von Gewerbeflächen für kleine und mittlere Betriebe mit entsprechendem Nutzungsmaß dem vorhandenen Bedarf im Raume Wandsbek/Tonndorf und der gegebenen Situation besser entspricht.“

56

Dass die Beklagte in ihrer Funktion als Plangeberin mit der Bezugnahme auf „kleine und mittlere Betriebe“ jedenfalls nicht darauf zielte, im Geltungsbereich des Bebauungsplans großflächigen bzw. mehr als nur das lokale Umfeld versorgenden Lebensmitteleinzelhandel zuzulassen, wie die Klägerin es nunmehr plant, folgt daraus, dass nach der seinerzeit maßgeblichen Fassung der BauNVO 1968 in Gewerbegebieten Einkaufszentren und Verbrauchermärkte unzulässig waren (vgl. § 8 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO 1968) und unter dem Begriff des Verbrauchermarktes u.a. großflächige Lebensmitteleinzelhandelsbetriebe (mit mehr als 700 m² Verkaufsfläche) verstanden wurden (vgl. BVerwG, Beschl. v. 25.7.1986, 4 B 144/86, juris, Rn. 3; Urt. v. 18.6.2003, 4 C 5.02, juris). Dementsprechend stellt der Einzelhandelsausschluss, wie er nunmehr in § 2 Nr. 3 des Bebauungsplangesetzes festgesetzt wird, die konsequente Fortentwicklung des diesbezüglichen schon im Jahre 1971 bestehenden Grundgedankens der Planung dar, indem er den vorgefundenen Einzelhandel – abgesehen von den ausdrücklich vorgesehenen Ausnahmen – auf den Bestand festschreibt und keine Erweiterungen zulässt, damit insbesondere auch keine solchen in die Großflächigkeit hinein, wie die Klägerin es plant.

57

b) Eine Zulassung des klägerischen Vorhabens, welches gerade in der erheblichen Erweiterung eines Einzelhandelsbetriebs besteht, würde den insofern als Grundzug der Planung anzusehenden Einzelhandelsausschluss auch berühren. Dem planerisch gewollten Ausschluss von – nicht ausdrücklich zugelassenem oder bestandsgeschütztem – Einzelhandel würde gerade nicht Rechnung getragen, sondern es würde im Wege einer Entscheidung durch die Genehmigungsbehörde in einer Weise in die Bauleitplanung eingegriffen, die der Beklagten in ihrer Rolle als Plangeberin und nur im dafür vorgesehenen Verfahren vorbehalten ist. Die Genehmigungsbehörde müsste sich bei Erteilung der Befreiung bewusst über die planerische Festsetzung hinwegsetzen und trotz des planerisch gewollten Einzelhandelsausschlusses eine Einzelhandelsnutzung zulassen.

58

Eine solche Berührung der Grundzüge der Planung wird auch nicht durch den Umstand ausgeschlossen, dass – worauf die Klägerin zu Recht hinweist – das Vorhaben der Klägerin insoweit eine Besonderheit darstellt, dass es nicht die Neuerrichtung eines Einzelhandelsvorhabens in einem durch den Bebauungsplan Tonndorf 9 festgesetzten Gewerbegebiet beinhaltet, ebenso wenig wie eine Erweiterung der Grundfläche des auf ihrem Grundstück befindlichen Gebäudes, welches durch den Lebensmitteldiscountmarkt genutzt wird. Zuzustimmen ist der Klägerin zwar insofern auch darin, dass es sich bei ihrem Vorhaben nicht im engeren Sinne um das „Eindringen“ eines Einzelhandelsbetriebes in ein Gewerbegebiet handelt, wie es die Begründung zur Änderungsverordnung vom 12.2.2010 als ein wesentliches Begründungselement für die Festsetzung des Einzelhandelsausschlusses in Bezug nimmt. Ebenso wenig verkennt die Kammer, dass allein durch den Umbau der inneren Räumlichkeiten eines bestandsgeschützten Gebäudes ohne zusätzliche Flächeninanspruchnahme die von der Beklagten mit dem Erlass des durch § 2 Nr. 3 normierten Einzelhandelsausschlusses verfolgten Ziele weniger stark beeinträchtigt werden als durch die bauliche Erweiterung eines solchen Gebäudes unter Inanspruchnahme weiterer Flächen, die ansonsten für das produzierende Gewerbe etc. zur Verfügung stünden.

59

Gleichwohl folgt hieraus nicht, dass das Vorhaben der Klägerin den als Grundzug der Planung anzusehenden Einzelhandelsausschluss nicht berührt. Ziel der Planung ist – wie ausgeführt –, die Flächen der durch den Bebauungsplan festgesetzten Gewerbegebiete zukünftig dem produzierendem Gewerbe sowie dem Handwerk o.ä. exklusiv zur Verfügung zu halten. Vorhandene Betriebe sollen nicht nur vor dem Ansiedlungsdruck für Einzelhandelsnutzungen sowie dem hierdurch ausgelösten Preisdruck geschützt werden (vgl. insofern auch S. 2 der Begründung zur Änderungsverordnung), sondern es soll sowohl bestehenden Betrieben des produzierenden Gewerbes etc. als auch sich neu in diesen Gebieten ansiedelnden Betrieben dieser Art Planungs- und Nutzungssicherheit gegeben werden und ihnen darüber hinaus auch Investitions- und Entwicklungsmöglichkeiten eröffnet werden (vgl. erneut S. 10 der Begründung der Änderungsverordnung). Gerade das Ziel der Schaffung von Investitions- und Entwicklungsmöglichkeiten sowohl bestehender als gerade auch in den Gewerbegebieten neu ansiedlungswilliger Betriebe des produzierenden Gewerbes oder des Handwerks etc., welches den Charakter des Einzelhandelsausschlusses nach § 2 Nr. 3 des Bebauungsplangesetzes als Grundzug der Planung (mit) begründet, wird jedoch auch durch ein Vorhaben wie das der Klägerin berührt.

60

Wie die Klägerin selbst ausführt, verfolgt sie mit der von ihr geplanten Verkaufsflächenerweiterung das Ziel, den vorhandenen Lebensmitteldiscountmarkt moderner und kundenfreundlicher zu gestalten, insbesondere durch eine Ausnutzung der erweiterten Verkaufsfläche durch niedrigere Regale, und ihm ein großzügiges, offenes und einladendes Erscheinungsbild zu geben. Die damit verbundene Attraktivitätssteigerung des Lebensmitteldiscountmarktes für die Kunden als Reaktion der Klägerin auf ein offenbar geändertes Einkaufsverhalten der Verbraucher soll zum langfristigen Erhalt des Lebensmitteldiscountmarktes an seinem derzeitigen Standort beitragen. Eine Zulassung des klägerischen Vorhabens im Befreiungswege hätte demnach den Effekt, die von der bisherigen Einzelhandelsnutzung des klägerischen Grundstücks erfassten Flächen auch weiterhin dauerhaft einer Nutzung durch produzierendes Gewerbe, Handwerk etc. zu entziehen. Denn je attraktiver der Markt der Klägerin durch entsprechende Ausnutzung der Grundfläche des Gebäudes durch möglichst viel Verkaufsfläche gestaltet wird, umso langfristiger und dauerhafter wird dieser auch weiterhin von den Kunden angenommen werden, ohne dass wirtschaftlicher Druck entsteht, die planerisch nicht mehr gewollte Einzelhandelsnutzung aufzugeben und die Flächen für das produzierende Gewerbe verfügbar zu machen. Die Erteilung der von der Klägerin begehrten Befreiung würde mithin den Effekt haben, die Einzelhandelsnutzung auf dem klägerischen Grundstück dauerhafter zu sichern, als die Klägerin es unter Berufung auf den ihr an diesem Standort allein zukommenden passiven Bestandsschutz erreichen könnte. Spiegelbildlich würden die von der Einzelhandelsnutzung auf dem klägerischen Grundstück erfassten Flächen dauerhafter insbesondere auch Investitions- oder Entwicklungsvorhaben neuer Betriebe des produzierenden Gewerbes etc. entzogen, als es der Bebauungsplan vorsieht, der nach Schaffung des § 2 Nr. 3 des Bebauungsplangesetzes die vorhandene Einzelhandelsnutzung bewusst auf den passiven Bestandsschutz gesetzt hat. Eine zugunsten des klägerischen Vorhabens ergehende Entscheidung kann vor diesem Hintergrund nicht durch die Baugenehmigungsbehörde im Befreiungswege erfolgen, sondern kann, da sie die planerische Grundentscheidung, die Flächen im Gewerbegebiet auch der Neuansiedlung von produzierenden Gewerbebetrieben etc. vorzubehalten, nur von der Beklagten in ihrer Funktion als Plangeberin getroffen werden.

61

Inwieweit die Beklagte in ihrer Funktion als Plangeberin auch das Ziel der Sicherung des Zentrenkonzeptes verfolgen durfte (vgl. S. 3, 9 der Begründung der Änderungsverordnung) und inwieweit dieses Ziel als Grundzug der Planung beachtlich wäre, der im Zuge einer Entscheidung über die Erteilung einer Befreiung für eine Einzelhandelsnutzung im Gewerbegebiet gemäß § 31 Abs. 2 BauGB zu beachten ist und der von der Zulassung eines Vorhabens im Befreiungswege nicht berührt werden darf, kann vor diesem Hintergrund offen bleiben.

62

Offen bleiben kann darüber hinaus, inwieweit zugunsten des klägerischen Vorhabens ein Befreiungsgrund gemäß § 31 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 BauGB anzunehmen wäre.

63

2. Der Erteilung einer Ausnahme nach § 31 Abs. 1 BauGB zugunsten des klägerischen Vorhabens steht schließlich entgegen, dass es sich bei dem von der Klägerin beabsichtigten Erweiterungsvorhaben nicht um eines handelt, welches nach Art und Umfang im Bebauungsplan ausdrücklich vorgesehen ist. Der Bebauungsplan Tonndorf 9 enthält in seiner ihm durch die Änderungsverordnung vom 12.2.2010 gegebenen Fassung lediglich Ausnahmebestimmungen zugunsten von Einzelhandel in Verbindung mit Handwerksbetrieben und verarbeitendem Gewerbe sowie Betrieben, die mit Kraftfahrzeugen, Booten, Möbeln, Teppichen und gleichermaßen flächenbeanspruchenden Artikeln einschließlich Zubehör oder mit Baustoffen, Werkzeugen, Gartengeräten oder sonstigem Bau- und Gartenbedarf handeln, diese Artikel ausstellen oder lagern. All dies trifft auf den Lebensmitteldiscountmarkt auf dem klägerischen Grundstück nicht zu.

III.

64

Da das klägerische Vorhaben bereits den Festsetzungen des Bebauungsplans gemäß § 2 Nr. 3 des Bebauungsplangesetzes i.S.v. § 30 Abs. 1 BauGB widerspricht, bedarf es schließlich auch keiner Entscheidung über die Frage, inwieweit das klägerische Vorhaben außerdem nach der Art der baulichen Nutzung der für das klägerische Grundstück durch den Bebauungsplan getroffenen Festsetzung „Gewerbegebiet“ vor dem Hintergrund widerspricht, dass gemäß § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauNVO großflächige Einzelhandelsbetriebe, die sich nach Art, Lage oder Umfang auf die Verwirklichung der Ziele der Raumordnung und Landesplanung oder auf die städtebauliche Entwicklung und Ordnung nicht nur unwesentlich auswirken können, außer in Kerngebieten nur in für sie festgesetzten Sondergebieten zulässig sind, wobei Auswirkungen in diesem Sinne u.a. auch Auswirkungen auf die Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche in der Gemeinde sind. Eine Betrachtung solcher Auswirkungen einer Realisierung des klägerischen Vorhabens auf zentrale Versorgungsbereiche kann dementsprechend hier unterbleiben.

B.

65

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 2, 711 ZPO.

C.

66

Gründe, die Berufung i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4 i.V.m. § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO zuzulassen, sind nicht ersichtlich. Insbesondere sind die wesentlichen Fragen der Anforderungen an die Wirksamkeit der maßgebenden Planbestimmungen in der Rechtsprechung des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts – wie ausgeführt – geklärt.

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Verwaltungsgericht Hamburg Urteil, 30. Jan. 2018 - 7 K 1901/16 zitiert 17 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 3


(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. (2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. (3) Ni

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 124a


(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nic

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 14


(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt. (2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen. (3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der All

Baugesetzbuch - BBauG | § 1 Aufgabe, Begriff und Grundsätze der Bauleitplanung


(1) Aufgabe der Bauleitplanung ist es, die bauliche und sonstige Nutzung der Grundstücke in der Gemeinde nach Maßgabe dieses Gesetzbuchs vorzubereiten und zu leiten. (2) Bauleitpläne sind der Flächennutzungsplan (vorbereitender Bauleitplan) und d

Baugesetzbuch - BBauG | § 31 Ausnahmen und Befreiungen


(1) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans können solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind. (2) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans kann befreit werden, wenn die Grundzüg

Baugesetzbuch - BBauG | § 30 Zulässigkeit von Vorhaben im Geltungsbereich eines Bebauungsplans


(1) Im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der allein oder gemeinsam mit sonstigen baurechtlichen Vorschriften mindestens Festsetzungen über die Art und das Maß der baulichen Nutzung, die überbaubaren Grundstücksflächen und die örtlichen Verkehrsfl

Baunutzungsverordnung - BauNVO | § 1 Allgemeine Vorschriften für Bauflächen und Baugebiete


(1) Im Flächennutzungsplan können die für die Bebauung vorgesehenen Flächen nach der allgemeinen Art ihrer baulichen Nutzung (Bauflächen) dargestellt werden als 1.Wohnbauflächen(W)2.gemischte Bauflächen(M)3.gewerbliche Bauflächen(G)4.Sonderbauflächen

Baunutzungsverordnung - BauNVO | § 8 Gewerbegebiete


(1) Gewerbegebiete dienen vorwiegend der Unterbringung von nicht erheblich belästigenden Gewerbebetrieben. (2) Zulässig sind1.Gewerbebetriebe aller Art einschließlich Anlagen zur Erzeugung von Strom oder Wärme aus solarer Strahlungsenergie oder W

Baugesetzbuch - BBauG | § 29 Begriff des Vorhabens; Geltung von Rechtsvorschriften


(1) Für Vorhaben, die die Errichtung, Änderung oder Nutzungsänderung von baulichen Anlagen zum Inhalt haben, und für Aufschüttungen und Abgrabungen größeren Umfangs sowie für Ausschachtungen, Ablagerungen einschließlich Lagerstätten gelten die §§ 30

Baunutzungsverordnung - BauNVO | § 11 Sonstige Sondergebiete


(1) Als sonstige Sondergebiete sind solche Gebiete darzustellen und festzusetzen, die sich von den Baugebieten nach den §§ 2 bis 10 wesentlich unterscheiden. (2) Für sonstige Sondergebiete sind die Zweckbestimmung und die Art der Nutzung darzuste

Baunutzungsverordnung - BauNVO | § 2 Kleinsiedlungsgebiete


(1) Kleinsiedlungsgebiete dienen vorwiegend der Unterbringung von Kleinsiedlungen einschließlich Wohngebäuden mit entsprechenden Nutzgärten und landwirtschaftlichen Nebenerwerbsstellen. (2) Zulässig sind 1. Kleinsiedlungen einschließlich Wohngebä

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Verwaltungsgericht Hamburg Urteil, 30. Jan. 2018 - 7 K 1901/16 zitiert oder wird zitiert von 5 Urteil(en).

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(1) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans können solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind.

(2) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans kann befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und

1.
Gründe des Wohls der Allgemeinheit, einschließlich der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, des Bedarfs zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden, des Bedarfs an Anlagen für soziale Zwecke und des Bedarfs an einem zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien, die Befreiung erfordern oder
2.
die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder
3.
die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde
und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.

(3) In einem Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt, das nach § 201a bestimmt ist, kann mit Zustimmung der Gemeinde im Einzelfall von den Festsetzungen des Bebauungsplans zugunsten des Wohnungsbaus befreit werden, wenn die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Von Satz 1 kann nur bis zum Ende der Geltungsdauer der Rechtsverordnung nach § 201a Gebrauch gemacht werden. Die Befristung in Satz 2 bezieht sich nicht auf die Geltungsdauer einer Genehmigung, sondern auf den Zeitraum, bis zu dessen Ende im bauaufsichtlichen Verfahren von der Vorschrift Gebrauch gemacht werden kann. Für die Zustimmung der Gemeinde nach Satz 1 gilt § 36 Absatz 2 Satz 2 entsprechend.

(1) Im Flächennutzungsplan können die für die Bebauung vorgesehenen Flächen nach der allgemeinen Art ihrer baulichen Nutzung (Bauflächen) dargestellt werden als

1.Wohnbauflächen(W)
2.gemischte Bauflächen(M)
3.gewerbliche Bauflächen(G)
4.Sonderbauflächen(S).

(2) Die für die Bebauung vorgesehenen Flächen können nach der besonderen Art ihrer baulichen Nutzung (Baugebiete) dargestellt werden als

1.Kleinsiedlungsgebiete(WS)
2.reine Wohngebiete(WR)
3.allgemeine Wohngebiete(WA)
4.besondere Wohngebiete(WB)
5.Dorfgebiete(MD)
6.dörfliche Wohngebiete(MDW)
7.Mischgebiete(MI)
8.urbane Gebiete(MU)
9.Kerngebiete(MK)
10.Gewerbegebiete(GE)
11.Industriegebiete(GI)
12.Sondergebiete(SO).

(3) Im Bebauungsplan können die in Absatz 2 bezeichneten Baugebiete festgesetzt werden. Durch die Festsetzung werden die Vorschriften der §§ 2 bis 14 Bestandteil des Bebauungsplans, soweit nicht auf Grund der Absätze 4 bis 10 etwas anderes bestimmt wird. Bei Festsetzung von Sondergebieten finden die Vorschriften über besondere Festsetzungen nach den Absätzen 4 bis 10 keine Anwendung; besondere Festsetzungen über die Art der Nutzung können nach den §§ 10 und 11 getroffen werden.

(4) Für die in den §§ 4 bis 9 bezeichneten Baugebiete können im Bebauungsplan für das jeweilige Baugebiet Festsetzungen getroffen werden, die das Baugebiet

1.
nach der Art der zulässigen Nutzung,
2.
nach der Art der Betriebe und Anlagen und deren besonderen Bedürfnissen und Eigenschaften
gliedern. Die Festsetzungen nach Satz 1 können auch für mehrere Gewerbegebiete einer Gemeinde im Verhältnis zueinander getroffen werden; dies gilt auch für Industriegebiete. Absatz 5 bleibt unberührt.

(5) Im Bebauungsplan kann festgesetzt werden, dass bestimmte Arten von Nutzungen, die nach den §§ 2 bis 9 sowie 13 und 13a allgemein zulässig sind, nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können, sofern die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets gewahrt bleibt.

(6) Im Bebauungsplan kann festgesetzt werden, dass alle oder einzelne Ausnahmen, die in den Baugebieten nach den §§ 2 bis 9 vorgesehen sind,

1.
nicht Bestandteil des Bebauungsplans werden oder
2.
in dem Baugebiet allgemein zulässig sind, sofern die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets gewahrt bleibt.

(7) In Bebauungsplänen für Baugebiete nach den §§ 4 bis 9 kann, wenn besondere städtebauliche Gründe dies rechtfertigen (§ 9 Absatz 3 des Baugesetzbuchs), festgesetzt werden, dass in bestimmten Geschossen, Ebenen oder sonstigen Teilen baulicher Anlagen

1.
nur einzelne oder mehrere der in dem Baugebiet allgemein zulässigen Nutzungen zulässig sind,
2.
einzelne oder mehrere der in dem Baugebiet allgemein zulässigen Nutzungen unzulässig sind oder als Ausnahme zugelassen werden können oder
3.
alle oder einzelne Ausnahmen, die in den Baugebieten nach den §§ 4 bis 9 vorgesehen sind, nicht zulässig oder, sofern die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets gewahrt bleibt, allgemein zulässig sind.

(8) Die Festsetzungen nach den Absätzen 4 bis 7 können sich auch auf Teile des Baugebiets beschränken.

(9) Wenn besondere städtebauliche Gründe dies rechtfertigen, kann im Bebauungsplan bei Anwendung der Absätze 5 bis 8 festgesetzt werden, dass nur bestimmte Arten der in den Baugebieten allgemein oder ausnahmsweise zulässigen baulichen oder sonstigen Anlagen zulässig oder nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können.

(10) Wären bei Festsetzung eines Baugebiets nach den §§ 2 bis 9 in überwiegend bebauten Gebieten bestimmte vorhandene bauliche und sonstige Anlagen unzulässig, kann im Bebauungsplan festgesetzt werden, dass Erweiterungen, Änderungen, Nutzungsänderungen und Erneuerungen dieser Anlagen allgemein zulässig sind oder ausnahmsweise zugelassen werden können. Im Bebauungsplan können nähere Bestimmungen über die Zulässigkeit getroffen werden. Die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets muss in seinen übrigen Teilen gewahrt bleiben. Die Sätze 1 bis 3 gelten auch für die Änderung und Ergänzung von Bebauungsplänen.

(1) Als sonstige Sondergebiete sind solche Gebiete darzustellen und festzusetzen, die sich von den Baugebieten nach den §§ 2 bis 10 wesentlich unterscheiden.

(2) Für sonstige Sondergebiete sind die Zweckbestimmung und die Art der Nutzung darzustellen und festzusetzen. Als sonstige Sondergebiete kommen insbesondere in Betracht
Gebiete für den Fremdenverkehr, wie Kurgebiete und Gebiete für die Fremdenbeherbergung, auch mit einer Mischung von Fremdenbeherbergung oder Ferienwohnen einerseits sowie Dauerwohnen andererseits,
Ladengebiete,
Gebiete für Einkaufszentren und großflächige Handelsbetriebe,
Gebiete für Messen, Ausstellungen und Kongresse,
Hochschulgebiete,
Klinikgebiete,
Hafengebiete,
Gebiete für Anlagen, die der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung erneuerbarer Energien, wie Windenergie und solare Strahlungsenergie, dienen.

(3)

1.
Einkaufszentren,
2.
großflächige Einzelhandelsbetriebe, die sich nach Art, Lage oder Umfang auf die Verwirklichung der Ziele der Raumordnung und Landesplanung oder auf die städtebauliche Entwicklung und Ordnung nicht nur unwesentlich auswirken können,
3.
sonstige großflächige Handelsbetriebe, die im Hinblick auf den Verkauf an letzte Verbraucher und auf die Auswirkungen den in Nummer 2 bezeichneten Einzelhandelsbetrieben vergleichbar sind,
sind außer in Kerngebieten nur in für sie festgesetzten Sondergebieten zulässig. Auswirkungen im Sinne des Satzes 1 Nummer 2 und 3 sind insbesondere schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des § 3 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes sowie Auswirkungen auf die infrastrukturelle Ausstattung, auf den Verkehr, auf die Versorgung der Bevölkerung im Einzugsbereich der in Satz 1 bezeichneten Betriebe, auf die Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden, auf das Orts- und Landschaftsbild und auf den Naturhaushalt. Auswirkungen im Sinne des Satzes 2 sind bei Betrieben nach Satz 1 Nummer 2 und 3 in der Regel anzunehmen, wenn die Geschossfläche 1 200 m2überschreitet. Die Regel des Satzes 3 gilt nicht, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass Auswirkungen bereits bei weniger als 1 200 m2Geschossfläche vorliegen oder bei mehr als 1 200 m2Geschossfläche nicht vorliegen; dabei sind in Bezug auf die in Satz 2 bezeichneten Auswirkungen insbesondere die Gliederung und Größe der Gemeinde und ihrer Ortsteile, die Sicherung der verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung und das Warenangebot des Betriebs zu berücksichtigen.

(1) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans können solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind.

(2) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans kann befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und

1.
Gründe des Wohls der Allgemeinheit, einschließlich der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, des Bedarfs zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden, des Bedarfs an Anlagen für soziale Zwecke und des Bedarfs an einem zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien, die Befreiung erfordern oder
2.
die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder
3.
die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde
und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.

(3) In einem Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt, das nach § 201a bestimmt ist, kann mit Zustimmung der Gemeinde im Einzelfall von den Festsetzungen des Bebauungsplans zugunsten des Wohnungsbaus befreit werden, wenn die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Von Satz 1 kann nur bis zum Ende der Geltungsdauer der Rechtsverordnung nach § 201a Gebrauch gemacht werden. Die Befristung in Satz 2 bezieht sich nicht auf die Geltungsdauer einer Genehmigung, sondern auf den Zeitraum, bis zu dessen Ende im bauaufsichtlichen Verfahren von der Vorschrift Gebrauch gemacht werden kann. Für die Zustimmung der Gemeinde nach Satz 1 gilt § 36 Absatz 2 Satz 2 entsprechend.

(1) Im Flächennutzungsplan können die für die Bebauung vorgesehenen Flächen nach der allgemeinen Art ihrer baulichen Nutzung (Bauflächen) dargestellt werden als

1.Wohnbauflächen(W)
2.gemischte Bauflächen(M)
3.gewerbliche Bauflächen(G)
4.Sonderbauflächen(S).

(2) Die für die Bebauung vorgesehenen Flächen können nach der besonderen Art ihrer baulichen Nutzung (Baugebiete) dargestellt werden als

1.Kleinsiedlungsgebiete(WS)
2.reine Wohngebiete(WR)
3.allgemeine Wohngebiete(WA)
4.besondere Wohngebiete(WB)
5.Dorfgebiete(MD)
6.dörfliche Wohngebiete(MDW)
7.Mischgebiete(MI)
8.urbane Gebiete(MU)
9.Kerngebiete(MK)
10.Gewerbegebiete(GE)
11.Industriegebiete(GI)
12.Sondergebiete(SO).

(3) Im Bebauungsplan können die in Absatz 2 bezeichneten Baugebiete festgesetzt werden. Durch die Festsetzung werden die Vorschriften der §§ 2 bis 14 Bestandteil des Bebauungsplans, soweit nicht auf Grund der Absätze 4 bis 10 etwas anderes bestimmt wird. Bei Festsetzung von Sondergebieten finden die Vorschriften über besondere Festsetzungen nach den Absätzen 4 bis 10 keine Anwendung; besondere Festsetzungen über die Art der Nutzung können nach den §§ 10 und 11 getroffen werden.

(4) Für die in den §§ 4 bis 9 bezeichneten Baugebiete können im Bebauungsplan für das jeweilige Baugebiet Festsetzungen getroffen werden, die das Baugebiet

1.
nach der Art der zulässigen Nutzung,
2.
nach der Art der Betriebe und Anlagen und deren besonderen Bedürfnissen und Eigenschaften
gliedern. Die Festsetzungen nach Satz 1 können auch für mehrere Gewerbegebiete einer Gemeinde im Verhältnis zueinander getroffen werden; dies gilt auch für Industriegebiete. Absatz 5 bleibt unberührt.

(5) Im Bebauungsplan kann festgesetzt werden, dass bestimmte Arten von Nutzungen, die nach den §§ 2 bis 9 sowie 13 und 13a allgemein zulässig sind, nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können, sofern die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets gewahrt bleibt.

(6) Im Bebauungsplan kann festgesetzt werden, dass alle oder einzelne Ausnahmen, die in den Baugebieten nach den §§ 2 bis 9 vorgesehen sind,

1.
nicht Bestandteil des Bebauungsplans werden oder
2.
in dem Baugebiet allgemein zulässig sind, sofern die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets gewahrt bleibt.

(7) In Bebauungsplänen für Baugebiete nach den §§ 4 bis 9 kann, wenn besondere städtebauliche Gründe dies rechtfertigen (§ 9 Absatz 3 des Baugesetzbuchs), festgesetzt werden, dass in bestimmten Geschossen, Ebenen oder sonstigen Teilen baulicher Anlagen

1.
nur einzelne oder mehrere der in dem Baugebiet allgemein zulässigen Nutzungen zulässig sind,
2.
einzelne oder mehrere der in dem Baugebiet allgemein zulässigen Nutzungen unzulässig sind oder als Ausnahme zugelassen werden können oder
3.
alle oder einzelne Ausnahmen, die in den Baugebieten nach den §§ 4 bis 9 vorgesehen sind, nicht zulässig oder, sofern die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets gewahrt bleibt, allgemein zulässig sind.

(8) Die Festsetzungen nach den Absätzen 4 bis 7 können sich auch auf Teile des Baugebiets beschränken.

(9) Wenn besondere städtebauliche Gründe dies rechtfertigen, kann im Bebauungsplan bei Anwendung der Absätze 5 bis 8 festgesetzt werden, dass nur bestimmte Arten der in den Baugebieten allgemein oder ausnahmsweise zulässigen baulichen oder sonstigen Anlagen zulässig oder nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können.

(10) Wären bei Festsetzung eines Baugebiets nach den §§ 2 bis 9 in überwiegend bebauten Gebieten bestimmte vorhandene bauliche und sonstige Anlagen unzulässig, kann im Bebauungsplan festgesetzt werden, dass Erweiterungen, Änderungen, Nutzungsänderungen und Erneuerungen dieser Anlagen allgemein zulässig sind oder ausnahmsweise zugelassen werden können. Im Bebauungsplan können nähere Bestimmungen über die Zulässigkeit getroffen werden. Die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets muss in seinen übrigen Teilen gewahrt bleiben. Die Sätze 1 bis 3 gelten auch für die Änderung und Ergänzung von Bebauungsplänen.

(1) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans können solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind.

(2) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans kann befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und

1.
Gründe des Wohls der Allgemeinheit, einschließlich der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, des Bedarfs zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden, des Bedarfs an Anlagen für soziale Zwecke und des Bedarfs an einem zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien, die Befreiung erfordern oder
2.
die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder
3.
die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde
und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.

(3) In einem Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt, das nach § 201a bestimmt ist, kann mit Zustimmung der Gemeinde im Einzelfall von den Festsetzungen des Bebauungsplans zugunsten des Wohnungsbaus befreit werden, wenn die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Von Satz 1 kann nur bis zum Ende der Geltungsdauer der Rechtsverordnung nach § 201a Gebrauch gemacht werden. Die Befristung in Satz 2 bezieht sich nicht auf die Geltungsdauer einer Genehmigung, sondern auf den Zeitraum, bis zu dessen Ende im bauaufsichtlichen Verfahren von der Vorschrift Gebrauch gemacht werden kann. Für die Zustimmung der Gemeinde nach Satz 1 gilt § 36 Absatz 2 Satz 2 entsprechend.

(1) Als sonstige Sondergebiete sind solche Gebiete darzustellen und festzusetzen, die sich von den Baugebieten nach den §§ 2 bis 10 wesentlich unterscheiden.

(2) Für sonstige Sondergebiete sind die Zweckbestimmung und die Art der Nutzung darzustellen und festzusetzen. Als sonstige Sondergebiete kommen insbesondere in Betracht
Gebiete für den Fremdenverkehr, wie Kurgebiete und Gebiete für die Fremdenbeherbergung, auch mit einer Mischung von Fremdenbeherbergung oder Ferienwohnen einerseits sowie Dauerwohnen andererseits,
Ladengebiete,
Gebiete für Einkaufszentren und großflächige Handelsbetriebe,
Gebiete für Messen, Ausstellungen und Kongresse,
Hochschulgebiete,
Klinikgebiete,
Hafengebiete,
Gebiete für Anlagen, die der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung erneuerbarer Energien, wie Windenergie und solare Strahlungsenergie, dienen.

(3)

1.
Einkaufszentren,
2.
großflächige Einzelhandelsbetriebe, die sich nach Art, Lage oder Umfang auf die Verwirklichung der Ziele der Raumordnung und Landesplanung oder auf die städtebauliche Entwicklung und Ordnung nicht nur unwesentlich auswirken können,
3.
sonstige großflächige Handelsbetriebe, die im Hinblick auf den Verkauf an letzte Verbraucher und auf die Auswirkungen den in Nummer 2 bezeichneten Einzelhandelsbetrieben vergleichbar sind,
sind außer in Kerngebieten nur in für sie festgesetzten Sondergebieten zulässig. Auswirkungen im Sinne des Satzes 1 Nummer 2 und 3 sind insbesondere schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des § 3 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes sowie Auswirkungen auf die infrastrukturelle Ausstattung, auf den Verkehr, auf die Versorgung der Bevölkerung im Einzugsbereich der in Satz 1 bezeichneten Betriebe, auf die Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden, auf das Orts- und Landschaftsbild und auf den Naturhaushalt. Auswirkungen im Sinne des Satzes 2 sind bei Betrieben nach Satz 1 Nummer 2 und 3 in der Regel anzunehmen, wenn die Geschossfläche 1 200 m2überschreitet. Die Regel des Satzes 3 gilt nicht, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass Auswirkungen bereits bei weniger als 1 200 m2Geschossfläche vorliegen oder bei mehr als 1 200 m2Geschossfläche nicht vorliegen; dabei sind in Bezug auf die in Satz 2 bezeichneten Auswirkungen insbesondere die Gliederung und Größe der Gemeinde und ihrer Ortsteile, die Sicherung der verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung und das Warenangebot des Betriebs zu berücksichtigen.

(1) Im Flächennutzungsplan können die für die Bebauung vorgesehenen Flächen nach der allgemeinen Art ihrer baulichen Nutzung (Bauflächen) dargestellt werden als

1.Wohnbauflächen(W)
2.gemischte Bauflächen(M)
3.gewerbliche Bauflächen(G)
4.Sonderbauflächen(S).

(2) Die für die Bebauung vorgesehenen Flächen können nach der besonderen Art ihrer baulichen Nutzung (Baugebiete) dargestellt werden als

1.Kleinsiedlungsgebiete(WS)
2.reine Wohngebiete(WR)
3.allgemeine Wohngebiete(WA)
4.besondere Wohngebiete(WB)
5.Dorfgebiete(MD)
6.dörfliche Wohngebiete(MDW)
7.Mischgebiete(MI)
8.urbane Gebiete(MU)
9.Kerngebiete(MK)
10.Gewerbegebiete(GE)
11.Industriegebiete(GI)
12.Sondergebiete(SO).

(3) Im Bebauungsplan können die in Absatz 2 bezeichneten Baugebiete festgesetzt werden. Durch die Festsetzung werden die Vorschriften der §§ 2 bis 14 Bestandteil des Bebauungsplans, soweit nicht auf Grund der Absätze 4 bis 10 etwas anderes bestimmt wird. Bei Festsetzung von Sondergebieten finden die Vorschriften über besondere Festsetzungen nach den Absätzen 4 bis 10 keine Anwendung; besondere Festsetzungen über die Art der Nutzung können nach den §§ 10 und 11 getroffen werden.

(4) Für die in den §§ 4 bis 9 bezeichneten Baugebiete können im Bebauungsplan für das jeweilige Baugebiet Festsetzungen getroffen werden, die das Baugebiet

1.
nach der Art der zulässigen Nutzung,
2.
nach der Art der Betriebe und Anlagen und deren besonderen Bedürfnissen und Eigenschaften
gliedern. Die Festsetzungen nach Satz 1 können auch für mehrere Gewerbegebiete einer Gemeinde im Verhältnis zueinander getroffen werden; dies gilt auch für Industriegebiete. Absatz 5 bleibt unberührt.

(5) Im Bebauungsplan kann festgesetzt werden, dass bestimmte Arten von Nutzungen, die nach den §§ 2 bis 9 sowie 13 und 13a allgemein zulässig sind, nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können, sofern die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets gewahrt bleibt.

(6) Im Bebauungsplan kann festgesetzt werden, dass alle oder einzelne Ausnahmen, die in den Baugebieten nach den §§ 2 bis 9 vorgesehen sind,

1.
nicht Bestandteil des Bebauungsplans werden oder
2.
in dem Baugebiet allgemein zulässig sind, sofern die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets gewahrt bleibt.

(7) In Bebauungsplänen für Baugebiete nach den §§ 4 bis 9 kann, wenn besondere städtebauliche Gründe dies rechtfertigen (§ 9 Absatz 3 des Baugesetzbuchs), festgesetzt werden, dass in bestimmten Geschossen, Ebenen oder sonstigen Teilen baulicher Anlagen

1.
nur einzelne oder mehrere der in dem Baugebiet allgemein zulässigen Nutzungen zulässig sind,
2.
einzelne oder mehrere der in dem Baugebiet allgemein zulässigen Nutzungen unzulässig sind oder als Ausnahme zugelassen werden können oder
3.
alle oder einzelne Ausnahmen, die in den Baugebieten nach den §§ 4 bis 9 vorgesehen sind, nicht zulässig oder, sofern die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets gewahrt bleibt, allgemein zulässig sind.

(8) Die Festsetzungen nach den Absätzen 4 bis 7 können sich auch auf Teile des Baugebiets beschränken.

(9) Wenn besondere städtebauliche Gründe dies rechtfertigen, kann im Bebauungsplan bei Anwendung der Absätze 5 bis 8 festgesetzt werden, dass nur bestimmte Arten der in den Baugebieten allgemein oder ausnahmsweise zulässigen baulichen oder sonstigen Anlagen zulässig oder nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können.

(10) Wären bei Festsetzung eines Baugebiets nach den §§ 2 bis 9 in überwiegend bebauten Gebieten bestimmte vorhandene bauliche und sonstige Anlagen unzulässig, kann im Bebauungsplan festgesetzt werden, dass Erweiterungen, Änderungen, Nutzungsänderungen und Erneuerungen dieser Anlagen allgemein zulässig sind oder ausnahmsweise zugelassen werden können. Im Bebauungsplan können nähere Bestimmungen über die Zulässigkeit getroffen werden. Die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets muss in seinen übrigen Teilen gewahrt bleiben. Die Sätze 1 bis 3 gelten auch für die Änderung und Ergänzung von Bebauungsplänen.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der allein oder gemeinsam mit sonstigen baurechtlichen Vorschriften mindestens Festsetzungen über die Art und das Maß der baulichen Nutzung, die überbaubaren Grundstücksflächen und die örtlichen Verkehrsflächen enthält, ist ein Vorhaben zulässig, wenn es diesen Festsetzungen nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist.

(2) Im Geltungsbereich eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans nach § 12 ist ein Vorhaben zulässig, wenn es dem Bebauungsplan nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist.

(3) Im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der die Voraussetzungen des Absatzes 1 nicht erfüllt (einfacher Bebauungsplan), richtet sich die Zulässigkeit von Vorhaben im Übrigen nach § 34 oder § 35.

(1) Für Vorhaben, die die Errichtung, Änderung oder Nutzungsänderung von baulichen Anlagen zum Inhalt haben, und für Aufschüttungen und Abgrabungen größeren Umfangs sowie für Ausschachtungen, Ablagerungen einschließlich Lagerstätten gelten die §§ 30 bis 37.

(2) Die Vorschriften des Bauordnungsrechts und andere öffentlich-rechtliche Vorschriften bleiben unberührt.

(1) Im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der allein oder gemeinsam mit sonstigen baurechtlichen Vorschriften mindestens Festsetzungen über die Art und das Maß der baulichen Nutzung, die überbaubaren Grundstücksflächen und die örtlichen Verkehrsflächen enthält, ist ein Vorhaben zulässig, wenn es diesen Festsetzungen nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist.

(2) Im Geltungsbereich eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans nach § 12 ist ein Vorhaben zulässig, wenn es dem Bebauungsplan nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist.

(3) Im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der die Voraussetzungen des Absatzes 1 nicht erfüllt (einfacher Bebauungsplan), richtet sich die Zulässigkeit von Vorhaben im Übrigen nach § 34 oder § 35.

(1) Für Vorhaben, die die Errichtung, Änderung oder Nutzungsänderung von baulichen Anlagen zum Inhalt haben, und für Aufschüttungen und Abgrabungen größeren Umfangs sowie für Ausschachtungen, Ablagerungen einschließlich Lagerstätten gelten die §§ 30 bis 37.

(2) Die Vorschriften des Bauordnungsrechts und andere öffentlich-rechtliche Vorschriften bleiben unberührt.

Tenor

Das angefochtene Urteil wird geändert.

Die Beklagte wird unter Aufhebung ihres Bescheids vom 19. März 2013 verpflichtet, der Klägerin einen bauplanungsrechtlichen Vorbescheid zur Nutzungsänderung einer Lagerfläche in eine Verkaufsfläche auf dem Grundstück T. C. 15 in X. entsprechend ihrem Antrag zu erteilen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 von Hundert des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 von Hundert des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.


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(1) Im Flächennutzungsplan können die für die Bebauung vorgesehenen Flächen nach der allgemeinen Art ihrer baulichen Nutzung (Bauflächen) dargestellt werden als

1.Wohnbauflächen(W)
2.gemischte Bauflächen(M)
3.gewerbliche Bauflächen(G)
4.Sonderbauflächen(S).

(2) Die für die Bebauung vorgesehenen Flächen können nach der besonderen Art ihrer baulichen Nutzung (Baugebiete) dargestellt werden als

1.Kleinsiedlungsgebiete(WS)
2.reine Wohngebiete(WR)
3.allgemeine Wohngebiete(WA)
4.besondere Wohngebiete(WB)
5.Dorfgebiete(MD)
6.dörfliche Wohngebiete(MDW)
7.Mischgebiete(MI)
8.urbane Gebiete(MU)
9.Kerngebiete(MK)
10.Gewerbegebiete(GE)
11.Industriegebiete(GI)
12.Sondergebiete(SO).

(3) Im Bebauungsplan können die in Absatz 2 bezeichneten Baugebiete festgesetzt werden. Durch die Festsetzung werden die Vorschriften der §§ 2 bis 14 Bestandteil des Bebauungsplans, soweit nicht auf Grund der Absätze 4 bis 10 etwas anderes bestimmt wird. Bei Festsetzung von Sondergebieten finden die Vorschriften über besondere Festsetzungen nach den Absätzen 4 bis 10 keine Anwendung; besondere Festsetzungen über die Art der Nutzung können nach den §§ 10 und 11 getroffen werden.

(4) Für die in den §§ 4 bis 9 bezeichneten Baugebiete können im Bebauungsplan für das jeweilige Baugebiet Festsetzungen getroffen werden, die das Baugebiet

1.
nach der Art der zulässigen Nutzung,
2.
nach der Art der Betriebe und Anlagen und deren besonderen Bedürfnissen und Eigenschaften
gliedern. Die Festsetzungen nach Satz 1 können auch für mehrere Gewerbegebiete einer Gemeinde im Verhältnis zueinander getroffen werden; dies gilt auch für Industriegebiete. Absatz 5 bleibt unberührt.

(5) Im Bebauungsplan kann festgesetzt werden, dass bestimmte Arten von Nutzungen, die nach den §§ 2 bis 9 sowie 13 und 13a allgemein zulässig sind, nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können, sofern die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets gewahrt bleibt.

(6) Im Bebauungsplan kann festgesetzt werden, dass alle oder einzelne Ausnahmen, die in den Baugebieten nach den §§ 2 bis 9 vorgesehen sind,

1.
nicht Bestandteil des Bebauungsplans werden oder
2.
in dem Baugebiet allgemein zulässig sind, sofern die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets gewahrt bleibt.

(7) In Bebauungsplänen für Baugebiete nach den §§ 4 bis 9 kann, wenn besondere städtebauliche Gründe dies rechtfertigen (§ 9 Absatz 3 des Baugesetzbuchs), festgesetzt werden, dass in bestimmten Geschossen, Ebenen oder sonstigen Teilen baulicher Anlagen

1.
nur einzelne oder mehrere der in dem Baugebiet allgemein zulässigen Nutzungen zulässig sind,
2.
einzelne oder mehrere der in dem Baugebiet allgemein zulässigen Nutzungen unzulässig sind oder als Ausnahme zugelassen werden können oder
3.
alle oder einzelne Ausnahmen, die in den Baugebieten nach den §§ 4 bis 9 vorgesehen sind, nicht zulässig oder, sofern die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets gewahrt bleibt, allgemein zulässig sind.

(8) Die Festsetzungen nach den Absätzen 4 bis 7 können sich auch auf Teile des Baugebiets beschränken.

(9) Wenn besondere städtebauliche Gründe dies rechtfertigen, kann im Bebauungsplan bei Anwendung der Absätze 5 bis 8 festgesetzt werden, dass nur bestimmte Arten der in den Baugebieten allgemein oder ausnahmsweise zulässigen baulichen oder sonstigen Anlagen zulässig oder nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können.

(10) Wären bei Festsetzung eines Baugebiets nach den §§ 2 bis 9 in überwiegend bebauten Gebieten bestimmte vorhandene bauliche und sonstige Anlagen unzulässig, kann im Bebauungsplan festgesetzt werden, dass Erweiterungen, Änderungen, Nutzungsänderungen und Erneuerungen dieser Anlagen allgemein zulässig sind oder ausnahmsweise zugelassen werden können. Im Bebauungsplan können nähere Bestimmungen über die Zulässigkeit getroffen werden. Die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets muss in seinen übrigen Teilen gewahrt bleiben. Die Sätze 1 bis 3 gelten auch für die Änderung und Ergänzung von Bebauungsplänen.

Gründe

1

Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO gestützte Beschwerde der Antragstellerin bleibt ohne Erfolg.

2

1. Mit den Rügen gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wird ein grundsätzlicher Klärungsbedarf nicht aufgezeigt.

3

1.1 Die Frage,

Ist die Erforderlichkeit im Sinne des § 1 Abs. 3 BauGB für einen allgemeinen Einzelhandelsausschluss in einem Gewerbegebiet zu bejahen, wenn der Plangeber Ausnahmen nach § 1 Abs. 9 BauNVO vom allgemeinen Einzelhandelsausschluss zulässt, obwohl er mit der Planung das Ziel verfolgt, die Flächen dem produzierenden Gewerbe vorzuhalten?,

lässt sich, soweit sie überhaupt einer fallübergreifenden Klärung zugänglich ist, auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ohne weiteres bejahen.

4

Wie die Beschwerde selbst ausgeführt hat, ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, dass es grundsätzlich zulässig ist, auf der Grundlage des § 1 Abs. 5 BauNVO einen völligen Ausschluss von Einzelhandelsbetrieben in einem Gewerbegebiet mit dem Ziel der Freihaltung von Flächen für das produzierende Gewerbe festzusetzen (Beschlüsse vom 3. Mai 1993 - BVerwG 4 NB 13.93 - Buchholz 406.12 § 1 BauNVO Nr. 16, vom 11. Mai 1999 - BVerwG 4 BN 15.99 - Buchholz 406.12 § 1 BauNVO Nr. 27 und vom 25. April 2002 - BVerwG 4 BN 20.02 - juris Rn. 6). Für die Abweichung von den nach der Baunutzungsverordnung vorgegebenen Gebietstypen bedarf es in allen Fällen einer städtebaulichen Begründung, die sich aus der jeweiligen konkreten Planungssituation ergeben muss und die Abweichung rechtfertigt. Ebenso ist geklärt, dass der vollständige Ausschluss einer Nutzungsart durch Gegenausnahmen für bestimmte Arten von Anlagen der betreffenden Nutzungsart wieder ein Stück zurückgenommen werden kann. Insoweit muss die Gemeinde darlegen, warum das von ihr gewählte Abgrenzungskriterium marktüblichen Gegebenheiten entspricht und die Feindifferenzierung durch besondere städtebauliche Gründe gerechtfertigt ist (Urteil vom 26. März 2009 - BVerwG 4 C 21.07 - BVerwGE 133, 310 Rn. 13). Diese Grundsätze gelten generell, also auch für den Fall, dass die Gemeinde mit der Planung das städtebauliche Ziel der Freihaltung von Flächen für das produzierende Gewerbe verfolgt. Ob sich die von den Gemeinden festgesetzten Ausnahmen auf der Grundlage des § 1 Abs. 9 BauNVO - wie im vorliegenden Fall vom Oberverwaltungsgericht angenommen (UA S. 27 - 51) - rechtfertigen lassen, ist im Lichte des Planungskonzepts mit Blick auf die konkrete Planungssituation zu beurteilen und entzieht sich einer grundsätzlichen Klärung.

5

1.2 Die Frage, welche Anforderungen an die Darstellung der Bedarfssituation im Rahmen der Abwägung gestellt werden, verleiht der Rechtssache ebenfalls keine grundsätzliche Bedeutung.

6

Die Frage, in welchem Umfang die Gemeinde ihre städtebaulichen Ziele darlegen, insbesondere, inwieweit sie ihre städtebauliche Konzeption mit hinreichend belegten Tatsachen oder Prognosen untermauern muss, lässt sich fallübergreifend nicht beantworten, sondern hängt ebenfalls maßgebend von den tatsächlichen Umständen der jeweiligen Planungssituation ab. Das gilt nicht nur bei der Prüfung der Erforderlichkeit im Sinne des § 1 Abs. 3 BauGB, sondern auch wenn es um die Gewichtung mit ggf. entgegenstehenden privaten Belangen gemäß § 1 Abs. 7 BauGB geht.

7

Im Übrigen hat das Oberverwaltungsgericht auf den Einwand der Antragstellerin, es bestehe kein Bedarf an Gewerbeflächen, unter dem Gesichtspunkt der städtebaulichen Rechtfertigung eines Einzelhandelsausschlusses (vgl. dazu Urteil vom 27. März 2013 - BVerwG 4 C 13.11 - zum Abdruck in der Amtlichen Sammlung vorgesehen - juris Rn. 8) ausgeführt, das Eingeständnis des Plangebers, für eine Prognose der Gesamtnachfrage nach gewerblichen Bauflächen über einen Zeitraum von 15 Jahren gebe es (bislang) keine detaillierte und verlässliche Datengrundlage, sei unschädlich. Denn die Antragsgegnerin könne für die Notwendigkeit des Einzelhandelsausschlusses darauf verweisen, dass sie gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 BauGB die Bebauungspläne aus dem Flächennutzungsplan zu entwickeln habe, der die Änderungsbereiche im Plangebiet des Bebauungsplans als gewerbliche Bauflächen darstelle. Im Erläuterungsbericht zum Flächennutzungsplan werde insoweit ausgeführt, dass die jährliche Nachfrage nach privaten und städtischen gewerblichen Bauflächen in Hamburg voraussichtlich deutlich über 30 ha liegen werde (UA S. 34). Danach liegen Angaben zur Bedarfslage vor. Ob es sich dabei um aussagekräftige Angaben handelt, ist eine Frage, die der Tatrichter zu beurteilen hat.

8

1.3 Hinsichtlich der Frage, ob das Interesse am erweiterten Bestandsschutz je nachdem, ob das Grundstück durch den Eigentümer selbst genutzt werde oder nicht, unterschiedlich zu gewichten sei, fehlt es an der Darlegung der Entscheidungserheblichkeit. Das Oberverwaltungsgericht hat - wie die Anmerkung "Hinzu kommt" deutlich macht (UA S. 44) - lediglich ergänzend darauf verwiesen, dass die Antragstellerin als bloße Grundstückseigentümerin, die das Geschäft der Immobilienverwaltung betreibe, wirtschaftlich nur mittelbar in ihrem Verwertungsinteresse an dem Grundstück betroffen werde. Entscheidend für das Oberverwaltungsgericht ist, dass die Antragstellerin in ihrer Stellungnahme vom 4. August 2008 nur allgemein auf die Möglichkeit zur Festsetzung eines erweiterten Bestandsschutzes nach § 1 Abs. 10 BauNVO hingewiesen und ein konkretes betriebliches Bedürfnis des auf ihrem Grundstück niedergelassenen Lebensmittel-Discountmarktes für diese Festsetzung nicht aufgezeigt habe (UA S. 43).

9

1.4 Schließlich dient auch die Frage, ob eine planende Gemeinde, wenn der Planbetroffene hierzu nicht umfassend vorgetragen hat, das Interesse am erweiterten Bestandsschutz von sich aus als Belang in das Abwägungsmaterial einbeziehen müsse, letztlich nur dazu, im Gewand der Grundsatzrüge einzelfallbezogen Kritik zu üben. Seit der Senatsentscheidung vom 12. Dezember 1969 - BVerwG 4 C 105.66 - (BVerwGE 34, 301) ist es gefestigte Rechtsprechung, dass das Abwägungsgebot verletzt ist, wenn in die Abwägung an Belangen nicht eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss, oder der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten Belangen in einer Weise vorgenommen wird, der zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht. Wie das Oberverwaltungsgericht ausgeführt hat, hat die Antragstellerin in ihrer von der Antragsgegnerin gewürdigten Stellungnahme vom 4. August 2008 kein konkretes betriebliches Bedürfnis des auf ihrem Grundstück niedergelassenen Lebensmittel-Discountmarktes für diese Festsetzung aufgezeigt (UA S. 43). Danach bestand nach Lage der Dinge kein Anlass zu weiteren Ermittlungen. Gründe, warum sich die Antragstellerin gehindert gesehen hätte, substantiiert zu ihrer Situation vorzutragen, sind dem Oberverwaltungsgericht nicht vorgetragen worden. Auch die Beschwerde erschöpft sich in der schlichten Behauptung, eine Festsetzung nach § 1 Abs. 10 BauNVO hätte zu einer Verbesserung der städtebaulichen Situation geführt.

10

2. Die Divergenzrüge unter II. genügt nicht den Darlegungsanforderungen im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO.

11

Zunächst wird nicht beachtet, dass der von der Beschwerde zitierte Rechtssatz aus der in Bezug genommenen Entscheidung des Senats vom 16. April 1971 - BVerwG 4 C 66.67 - (Buchholz 406.11 § 35 BBauG Nr. 90 S. 32) erkennbar nicht entscheidungstragend ist, sondern zu den Hinweisen gehört, die der Senat aufgrund der Zurückverweisung zur Beachtung bei der weiteren Behandlung der Sache gegeben hat. Unabhängig davon fehlt es an der Benennung eines Rechtssatzes des Oberverwaltungsgerichts, der in Widerspruch zu dem zitierten Rechtssatz steht. Der von der Beschwerde zitierte Rechtssatz auf S. 43 des angefochtenen Urteils steht nicht im Widerspruch zu dem in Bezug genommenen Rechtssatz des Senats, sondern zu den Schlussfolgerungen, die die Beschwerde hieraus sieht. Eine Aussage zu § 3 Abs. 2 BauGB findet sich weder in dem Urteil vom 16. April 1971 noch in dem von der Antragstellerin zitierten Beschluss vom 8. September 1988 - BVerwG 4 NB 15.88 - (Buchholz 406.11 § 1 BBauG/BauGB Nr. 34).

(1) Aufgabe der Bauleitplanung ist es, die bauliche und sonstige Nutzung der Grundstücke in der Gemeinde nach Maßgabe dieses Gesetzbuchs vorzubereiten und zu leiten.

(2) Bauleitpläne sind der Flächennutzungsplan (vorbereitender Bauleitplan) und der Bebauungsplan (verbindlicher Bauleitplan).

(3) Die Gemeinden haben die Bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist; die Aufstellung kann insbesondere bei der Ausweisung von Flächen für den Wohnungsbau in Betracht kommen. Auf die Aufstellung von Bauleitplänen und städtebaulichen Satzungen besteht kein Anspruch; ein Anspruch kann auch nicht durch Vertrag begründet werden.

(4) Die Bauleitpläne sind den Zielen der Raumordnung anzupassen.

(5) Die Bauleitpläne sollen eine nachhaltige städtebauliche Entwicklung, die die sozialen, wirtschaftlichen und umweltschützenden Anforderungen auch in Verantwortung gegenüber künftigen Generationen miteinander in Einklang bringt, und eine dem Wohl der Allgemeinheit dienende sozialgerechte Bodennutzung unter Berücksichtigung der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung gewährleisten. Sie sollen dazu beitragen, eine menschenwürdige Umwelt zu sichern, die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen und zu entwickeln sowie den Klimaschutz und die Klimaanpassung, insbesondere auch in der Stadtentwicklung, zu fördern, sowie die städtebauliche Gestalt und das Orts- und Landschaftsbild baukulturell zu erhalten und zu entwickeln. Hierzu soll die städtebauliche Entwicklung vorrangig durch Maßnahmen der Innenentwicklung erfolgen.

(6) Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind insbesondere zu berücksichtigen:

1.
die allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse und die Sicherheit der Wohn- und Arbeitsbevölkerung,
2.
die Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, insbesondere auch von Familien mit mehreren Kindern, die Schaffung und Erhaltung sozial stabiler Bewohnerstrukturen, die Eigentumsbildung weiter Kreise der Bevölkerung und die Anforderungen kostensparenden Bauens sowie die Bevölkerungsentwicklung,
3.
die sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Bevölkerung, insbesondere die Bedürfnisse der Familien, der jungen, alten und behinderten Menschen, unterschiedliche Auswirkungen auf Frauen und Männer sowie die Belange des Bildungswesens und von Sport, Freizeit und Erholung,
4.
die Erhaltung, Erneuerung, Fortentwicklung, Anpassung und der Umbau vorhandener Ortsteile sowie die Erhaltung und Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche,
5.
die Belange der Baukultur, des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege, die erhaltenswerten Ortsteile, Straßen und Plätze von geschichtlicher, künstlerischer oder städtebaulicher Bedeutung und die Gestaltung des Orts- und Landschaftsbildes,
6.
die von den Kirchen und Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts festgestellten Erfordernisse für Gottesdienst und Seelsorge,
7.
die Belange des Umweltschutzes, einschließlich des Naturschutzes und der Landschaftspflege, insbesondere
a)
die Auswirkungen auf Tiere, Pflanzen, Fläche, Boden, Wasser, Luft, Klima und das Wirkungsgefüge zwischen ihnen sowie die Landschaft und die biologische Vielfalt,
b)
die Erhaltungsziele und der Schutzzweck der Natura 2000-Gebiete im Sinne des Bundesnaturschutzgesetzes,
c)
umweltbezogene Auswirkungen auf den Menschen und seine Gesundheit sowie die Bevölkerung insgesamt,
d)
umweltbezogene Auswirkungen auf Kulturgüter und sonstige Sachgüter,
e)
die Vermeidung von Emissionen sowie der sachgerechte Umgang mit Abfällen und Abwässern,
f)
die Nutzung erneuerbarer Energien sowie die sparsame und effiziente Nutzung von Energie,
g)
die Darstellungen von Landschaftsplänen sowie von sonstigen Plänen, insbesondere des Wasser-, Abfall- und Immissionsschutzrechts,
h)
die Erhaltung der bestmöglichen Luftqualität in Gebieten, in denen die durch Rechtsverordnung zur Erfüllung von Rechtsakten der Europäischen Union festgelegten Immissionsgrenzwerte nicht überschritten werden,
i)
die Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Belangen des Umweltschutzes nach den Buchstaben a bis d,
j)
unbeschadet des § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes, die Auswirkungen, die aufgrund der Anfälligkeit der nach dem Bebauungsplan zulässigen Vorhaben für schwere Unfälle oder Katastrophen zu erwarten sind, auf die Belange nach den Buchstaben a bis d und i,
8.
die Belange
a)
der Wirtschaft, auch ihrer mittelständischen Struktur im Interesse einer verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung,
b)
der Land- und Forstwirtschaft,
c)
der Erhaltung, Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen,
d)
des Post- und Telekommunikationswesens, insbesondere des Mobilfunkausbaus,
e)
der Versorgung, insbesondere mit Energie und Wasser, einschließlich der Versorgungssicherheit,
f)
der Sicherung von Rohstoffvorkommen,
9.
die Belange des Personen- und Güterverkehrs und der Mobilität der Bevölkerung, auch im Hinblick auf die Entwicklungen beim Betrieb von Kraftfahrzeugen, etwa der Elektromobilität, einschließlich des öffentlichen Personennahverkehrs und des nicht motorisierten Verkehrs, unter besonderer Berücksichtigung einer auf Vermeidung und Verringerung von Verkehr ausgerichteten städtebaulichen Entwicklung,
10.
die Belange der Verteidigung und des Zivilschutzes sowie der zivilen Anschlussnutzung von Militärliegenschaften,
11.
die Ergebnisse eines von der Gemeinde beschlossenen städtebaulichen Entwicklungskonzeptes oder einer von ihr beschlossenen sonstigen städtebaulichen Planung,
12.
die Belange des Küsten- oder Hochwasserschutzes und der Hochwasservorsorge, insbesondere die Vermeidung und Verringerung von Hochwasserschäden,
13.
die Belange von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden und ihrer Unterbringung,
14.
die ausreichende Versorgung mit Grün- und Freiflächen.

(7) Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen.

(8) Die Vorschriften dieses Gesetzbuchs über die Aufstellung von Bauleitplänen gelten auch für ihre Änderung, Ergänzung und Aufhebung.

Tatbestand

1

Die Antragstellerin wendet sich gegen einen Bebauungsplan der Antragsgegnerin. Sie ist Eigentümerin eines im Plangebiet gelegenen Grundstücks, auf dem sie unter anderem ein Mietlager betreibt.

2

Zu Anlass, Erforderlichkeit und Zielsetzung führt die Planbegründung im Wesentlichen aus, der Bebauungsplan solle der Sicherung von Flächen für Gewerbe im Produktions- und Dienstleistungsbereich dienen. Eine weitere Entwicklung des Gewerbegebietes in Richtung Einzelhandel, Freizeit und Vergnügungsangebote entspreche nicht den stadtplanerischen Zielen zur Sicherung von Flächen für Gewerbe und gewerbliche Dienstleistungen. Wie der Bauantrag eines Discounters belege, bestehe ein Ansiedlungsdruck seitens des Einzelhandels. Trotz der Festsetzung von Gewerbegebieten seien im Plangebiet in nicht unerheblichem Umfang Wohnnutzungen entstanden. Die Planung solle die Konflikte zwischen den Nutzungen Gewerbe und Wohnen lösen. Darüber hinaus habe der Ausschuss für Stadtentwicklung und Verkehr ein Zentrenkonzept beschlossen, das eine Förderung der integrierten Innenstädte, Stadtteil- und Nahversorgungszentren vorsehe. Zu diesem Zweck sollten zentren- und nahversorgungsrelevante Sortimente an nicht integrierten Standorten grundsätzlich ausgeschlossen werden. Das Plangebiet liege nicht in einem dieser Zentren. Eine Lebensmittelmarktansiedlung könne auf der Grundlage des vorhandenen Planungsrechts nicht verhindert werden, widerspräche aber den Aussagen des "Räumlichen Ordnungskonzepts", des "Einzelhandels- und Zentrenkonzepts" und des in Erarbeitung befindlichen "Masterplans Einzelhandel". Es seien negative städtebauliche Auswirkungen auf die bestehenden Nahversorgungszentren zu befürchten.

3

Der Bebauungsplan setzt im Bereich des Grundstücks der Antragstellerin straßenseitig ein Mischgebiet und im rückwärtigen Bereich ein Gewerbegebiet fest. Das Mischgebiet ist hinsichtlich der Zulässigkeit von Wohnnutzung und das Gewerbegebiet hinsichtlich der zulässigen Schallemissionen gegliedert. Nach den textlichen Festsetzungen sind Einzelhandelsbetriebe im Gewerbegebiet generell und im Mischgebiet mit im Einzelnen aufgeführten zentrenrelevanten Hauptsortimenten unzulässig. Ausnahmsweise zulässig sind in beiden Baugebieten - auch mit zentrenrelevanten Hauptsortimenten - Verkaufsstellen von Handwerksbetrieben und anderen Gewerbebetrieben, die sich ganz oder teilweise an den Endverbraucher richten, "wenn sie nach Art und Umfang in eindeutigem Zusammenhang mit der Produktion, der Ver- und Bearbeitung von Gütern einschließlich Reparatur und Serviceleistungen der Betriebsstätten im Plangebiet stehen" (Annex-Handel). Für einen im Plangebiet vorhandenen Einzelhandelsbetrieb - Verkauf von Computern - trifft der Plan eine Festsetzung gemäß § 1 Abs. 10 BauNVO.

4

Auf den Normenkontrollantrag der Antragstellerin hat das Oberverwaltungsgericht den Bebauungsplan für unwirksam erklärt. Der Ausschluss von Einzelhandelsbetrieben mit zentrenrelevanten Hauptsortimenten im Mischgebiet sei unwirksam. Diese Festsetzung sei weder zum Schutz der umliegenden zentralen Versorgungsbereiche noch zur Stärkung des Zentrengefüges insgesamt städtebaulich erforderlich im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB. Wolle der Plangeber Einzelhandel zum Schutz der umliegenden zentralen Versorgungsbereiche ausschließen, müsse er im Einzelnen feststellen, dass bei vorausschauender Betrachtung Einzelhandel der ausgeschlossenen Art in jeder Form und in jedem Umfang, würde er im Plangebiet angesiedelt, den vorhandenen Einzelhandel in den konkret benannten zentralen Versorgungsbereichen nicht unerheblich schädigen würde. Der Rat habe mit Blick auf das benachbarte Stadtteilzentrum keine sortimentsbezogenen Untersuchungen angestellt, aus denen er Rückschlüsse auf die Auswirkungen künftigen Einzelhandels im Plangebiet ziehen könnte. Ausführungen in Bezug auf dieses Stadtteilzentrum seien ausschließlich pauschaler Art und entbehrten der notwendigen tatsächlichen Grundlage. Soweit die Planbegründung so zu verstehen sein sollte, dass ein im Plangebiet angesiedelter Einzelhandel mit zentrenrelevanten Hauptsortimenten unabhängig von Art und Umfang geeignet sei, den vorhandenen Einzelhandel im Hauptgeschäftszentrum nicht unerheblich zu schädigen, wäre eine solche Annahme auf der Grundlage von 244 750 qm Verkaufsfläche, einer Gesamtbindungsquote von 162 % und erheblichen Kaufkraftzuflüssen in allen Bedarfsbereichen fernliegend und nicht begründbar.

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Mit dem Ziel, das Zentrumsgefüge zu stärken, lasse sich der Einzelhandelsausschluss ebenfalls nicht begründen. Erkenntnisse und Grundsätze des "Masterplans Einzelhandel", der ein auf das gesamte Stadtgebiet bezogenes Konzept zur Zentrenstärkung enthalte, setze der Bebauungsplan nicht um. Der Rat habe schon nicht in Erwägung gezogen, dass Grundsatz 1 des Masterplans für Einzelhandelsbetriebe mit zentrenrelevanten Sortimenten bis zu einer Verkaufsfläche von 400 qm jedenfalls unter bestimmten Bedingungen Negativauswirkungen auf die zentralen Versorgungsbereiche ausschließe und deswegen empfehle, in Mischgebieten Einzelhandelsbetriebe mit zentrenrelevanten Sortimenten bis zu dieser Verkaufsfläche zuzulassen. Im Einzelfall sei zu prüfen, ob es stadtentwicklungsplanerisch sinnvoll sei, in bestimmten Mischgebieten zentrenrelevanten Einzelhandel grundsätzlich auszuschließen. Ob der Masterplan insoweit ein schlüssiges Gesamtkonzept erkennen lasse, bedürfe keiner Entscheidung, da der Rat diesem Konzept jedenfalls nicht gefolgt sei. Auch habe die nach dem Masterplan erforderliche Einzelfallbetrachtung im Aufstellungsverfahren nicht stattgefunden. Auch unabhängig von der Konzeption des Masterplans sei ein schlüssiges Planungskonzept nicht erkennbar, weil die getroffenen Festsetzungen die ihnen zugedachte Funktion, den Einzelhandel im Plangebiet zum Zwecke der Zentrenstärkung weitgehend auszuschließen, nicht erfüllten. Aus ihnen lasse sich keine hinreichend bestimmte umfängliche Beschränkung zentrenrelevanter Randsortimente herleiten. Für die - für das Mischgebiet und das Gewerbegebiet geltende - Ausnahmeregelung zur Zulässigkeit des Annex-Handels fehle die gemäß § 1 Abs. 9 BauNVO erforderliche städtebauliche Rechtfertigung. Sie enthalte keine relative oder absolute flächenmäßige Begrenzung der Einzelhandelsaktivitäten. Damit sei nicht gewährleistet, dass bei den von der Ausnahme erfassten Gewerbebetrieben der angegliederte Einzelhandel nur eine mit den Zielsetzungen der Planung, die den Einzelhandel grundsätzlich verhindern wolle, noch vereinbare deutlich untergeordnete städtebauliche Bedeutung haben werde. Die Unwirksamkeit der Festsetzungen habe die Unwirksamkeit des Bebauungsplans insgesamt zur Folge. Die Unwirksamkeit des Ausschlusses von Einzelhandelsbetrieben mit zentrenrelevanten Hauptsortimenten betreffe einen zentralen Regelungsbereich des Bebauungsplans. Außerdem sei nicht davon auszugehen, dass der Rat einen Bebauungsplan ohne die Ausnahmen von den festgesetzten Einzelhandelsausschlüssen beschlossen hätte. Ob der Bebauungsplan noch an weiteren Mängeln leide, könne offen bleiben.

6

Mit der vom Senat zugelassenen Revision macht die Antragsgegnerin eine Verletzung von § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB geltend, dessen Anforderungen die Vorinstanz überspanne.

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Die Antragstellerin verteidigt das angegriffene Urteil.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Revision der Antragsgegnerin ist begründet. Das Normenkontrollurteil verstößt gegen Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).

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1. Zutreffend hat das Oberverwaltungsgericht die Rechtsgrundlage für den im Bebauungsplan enthaltenen und dem Anspruch der Antragstellerin auf Erteilung eines Bauvorbescheides entgegenstehenden Einzelhandelsausschluss in § 1 Abs. 9 BauNVO gesehen und nicht nur für die Planung insgesamt, sondern auch für diese Einzelfestsetzung eine städtebauliche Rechtfertigung im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB verlangt (vgl. für eine Festsetzung nach § 1 Abs. 5 BauNVO Urteil vom 26. März 2009 - BVerwG 4 C 21.07 - BVerwGE 133, 310 = Buchholz 406.12 § 1 BauNVO Nr. 34 Rn. 11). Die Anforderungen, die die Regelung des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB an die städtebauliche Rechtfertigung stellt, hat das Oberverwaltungsgericht aber in bundesrechtswidriger Weise überspannt und deswegen die Wirksamkeit des Einzelhandelsausschlusses in nicht tragfähiger Weise verneint.

10

a) Dem Kriterium der städtebaulichen Rechtfertigung kommt nach der Rechtsprechung des Senats dieselbe Funktion zu wie demjenigen der Planrechtfertigung im Planfeststellungsrecht, nämlich die Planung, die ihre Rechtfertigung nicht in sich selbst trägt, im Hinblick auf die damit verbundenen Rechtseinwirkungen in Einklang mit den gesetzlich zulässigen Planungszielen zu bringen und auf diese Weise grundsätzlich zu rechtfertigen (vgl. hierzu Urteil vom 14. Februar 1975 - BVerwG 4 C 21.74 - BVerwGE 48, 56 <60> m.w.N.). Nicht erforderlich im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB sind danach Pläne, die einer positiven Planungskonzeption entbehren und ersichtlich der Förderung von Zielen dienen, für deren Verwirklichung die Planungsinstrumente des Baugesetzbuches nicht bestimmt sind; § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB ist ferner verletzt, wenn ein Bebauungsplan, der aus tatsächlichen oder Rechtsgründen auf Dauer oder auf unabsehbare Zeit der Vollzugsfähigkeit entbehrt, die Aufgabe der verbindlichen Bauleitplanung nicht zu erfüllen vermag (Urteil vom 21. März 2002 - BVerwG 4 CN 14.00 - BVerwGE 116, 144 <146 f.> m.w.N.). In dieser Auslegung setzt § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB der Bauleitplanung eine erste, wenn auch strikt bindende Schranke, die lediglich grobe und einigermaßen offensichtliche Missgriffe ausschließt (vgl. bereits Urteil vom 3. Juni 1971 - BVerwG 4 C 64.70 - BVerwGE 38, 152 <157>; ebenso OVG Münster, Urteil vom 3. Juni 2002 - 7a D 92.99.NE - BRS 65 Nr. 38 S. 184). Sie betrifft die generelle Erforderlichkeit der Planung, nicht hingegen die Einzelheiten einer konkreten planerischen Lösung. Dafür ist das Abwägungsgebot maßgeblich (Urteil vom 21. März 2002 a.a.O. S. 147), das im Hinblick auf gerichtliche Kontrolldichte, Fehlerunbeachtlichkeit und heranzuziehende Erkenntnisquellen abweichenden Maßstäben unterliegt. Deswegen kann die Abgewogenheit einer Bauleitplanung und ihrer Festsetzungen nicht bereits zum Maßstab für deren städtebauliche Erforderlichkeit gemacht werden.

11

Für die hier in Rede stehenden Festsetzungen nach § 1 Abs. 9 BauNVO gilt nichts Abweichendes. Soweit hierfür "besondere städtebauliche Gründe" gegeben sein müssen, bleibt dies ohne Einfluss auf den Maßstab des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB. Vielmehr werden zusätzliche Anforderungen des Festsetzungsinstrumentariums formuliert, die nach der Rechtsprechung des Senats nicht besonders gewichtige, sondern die auf § 1 Abs. 9 BauNVO gestützte Feindifferenzierung rechtfertigende Gründe verlangen (vgl. etwa Urteil vom 29. Januar 2009 - BVerwG 4 C 16.07 - BVerwGE 133, 98 Rn. 13 m.w.N.). Abwägungsfragen sind insoweit nicht aufgerufen.

12

Die dem Abwägungsgebot unterfallenden Einzelheiten der Planung werden auch dann nicht Teil der städtebaulichen Rechtfertigung im Sinne von § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB, wenn der Träger der Bauleitplanung - wie hier - die Erforderlichkeit seiner Planung durch eine Bezugnahme auf ein gemeindliches Planungskonzept begründet, dessen Vorgaben aber nur teilweise umsetzt. Wie sich aus § 1 Abs. 6 Nr. 11 BauGB ergibt, sind derartige Planungskonzepte als Belang im Rahmen der planerischen Abwägung - nur - zu berücksichtigen (Urteil vom 29. Januar 2009 a.a.O. Rn. 25 f.). Eine Bindung der Gemeinde, auch im Sinne eines Alles-oder-nichts-Prinzips, kann deswegen nicht bestehen. Vielmehr kann es aufgrund einer ordnungsgemäßen Abwägung sogar geboten sein, das Planungskonzept im Rahmen einer konkreten Bauleitplanung nicht oder nur mit Abstrichen zu verfolgen. Aufgrund solcher Durchbrechungen mag das Planungskonzept zukünftig zwar seine steuernde Kraft nur noch in abgeschwächter Weise erfüllen oder sogar ganz einbüßen (Urteil vom 29. Januar 2009 a.a.O. Rn. 28). Daraus lässt sich aber nicht der Schluss ziehen, dass Bauleitplanungen, die ein gemeindliches Konzept - sei es im Hinblick auf die Zahl der darin vorgegebenen Ziele, sei es in Bezug auf die Intensität der jeweiligen Zielverfolgung - nur unvollständig umsetzen, von vornherein die städtebauliche Erforderlichkeit abzusprechen wäre. Ebensowenig hängt die städtebauliche Rechtfertigung davon ab, dass jede Abweichung oder unvollständige Umsetzung des Planungskonzepts den Anforderungen des Abwägungsgebots entspricht. Auch insoweit bleibt es bei dem dargelegten Maßstab des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB.

13

Aus der Entscheidung des Senats vom 26. März 2009 (a.a.O. Rn. 20) ist nichts Gegenteiliges herzuleiten. Soweit der Senat darin auf die sachlichen Rechtfertigungsgrenzen eines planerischen Konzepts im Sinne des § 1 Abs. 6 Nr. 11 BauGB hinweist und ausführt, dass Festsetzungen, die nicht oder nicht vollständig der Realisierung der mit der Planung verfolgten städtebaulichen Zielsetzung dienen, deshalb auch nicht erforderlich sind, wollte er, wie sich aus dem Gesamtzusammenhang der für sich genommen möglicherweise missverständlichen Formulierung deutlich ergibt, nur die Selbstverständlichkeit zum Ausdruck bringen, dass ein Planungskonzept nicht solche planerischen Festsetzungen in einem Bebauungsplan rechtfertigen kann, die von vornherein nicht geeignet sind, dieses Ziel zu fördern. Deswegen hat er den Ausschluss bestimmter Einzelhandelsbetriebe zum Zwecke des mit dem Planungskonzept verfolgten Ziels der Zentrenstärkung beanstandet, soweit die ausgeschlossenen Betriebe aus tatsächlichen Gründen nicht im Zentrum angesiedelt werden konnten. Das hindert einen Planungsträger nicht, sich die rechtfertigende Wirkung eines Planungskonzeptes auch im Falle seiner nicht vollständigen Umsetzung zunutze zu machen, sofern die Festsetzungen des Bebauungsplans jedenfalls geeignet sind, einen Beitrag zur Förderung des Planungskonzepts zu leisten. Davon kann allerdings nicht mehr ausgegangen werden, wenn die realistische Gefahr besteht, dass eine nur teilweise Umsetzung das Planungskonzept konterkariert. In diesem Fall muss sich die Gemeinde auf andere städtebauliche Ziele stützen, um die Anforderungen des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB zu erfüllen.

14

b) Hieran gemessen hat das Oberverwaltungsgericht bei der Prüfung der Wirksamkeit der Festsetzungen zum Ausschluss von Einzelhandel mit zentrenrelevanten Hauptsortimenten einen zu strengen und mithin bundesrechtswidrigen Maßstab angelegt.

15

aa) Das gilt zunächst, soweit die Vorinstanz den Einzelhandelsausschluss mit dem Ziel der Zentrenstärkung als städtebaulich nicht gerechtfertigt ansieht.

16

In Einklang mit der Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 26. März 2009 - BVerwG 4 C 21.07 - BVerwGE 133, 310 Rn. 19 m.w.N.) hat das Oberverwaltungsgericht die Stärkung der gemeindlichen Versorgungszentren als grundsätzlich tragfähiges städtebauliches Ziel angesehen, das den Ausschluss von zentrenrelevantem Einzelhandel rechtfertigen kann. Es hat jedoch die Bezugnahme auf den dieses Ziel verfolgenden Masterplan der Antragsgegnerin nicht als hinreichende städtebauliche Rechtfertigung der Planung ausreichen lassen, weil die darin aufgestellten Grundsätze nicht vollständig umgesetzt würden. Das ist indes nicht erforderlich. Denn der Gemeinde ist es nicht verwehrt, die Vorgaben ihrer Planungskonzepte zwar als Argumentationshilfe zu nutzen, sie jedoch im Rahmen der konkreten Planung nicht in derselben Intensität zu realisieren. Dass die Gemeinde bei der Umsetzung ihrer Planungskonzepte keinem Alles-oder-nichts-Prinzip unterliegt, hat das Oberverwaltungsgericht zwar erkannt. Es hat aber den dargelegten bundesrechtlichen Maßstab verfehlt, wenn es für die Abweichungen nachvollziehbare Begründungen fordert, die auf der Ebene der Bauleitplanung ein schlüssiges Planungskonzept erkennen lassen, und wenn es die getroffenen Festsetzungen daran misst, ob sie den Einzelhandel "weitgehend" ausschließen. Auf der Grundlage dieses Maßstabs ist die im Bebauungsplan enthaltene allgemeine Zulassung von Einzelhandel mit nicht zentrenrelevanten Hauptsortimenten unter dem Gesichtspunkt der Zentrenstärkung nicht deswegen unwirksam, weil der Bebauungsplan von der in Grundsatz 1 des Masterplans enthaltenen Empfehlung, Einzelhandelsbetriebe mit zentrenrelevanten Sortimenten bis zu einer Verkaufsfläche von 400 qm zuzulassen, keinen Gebrauch macht oder weil er die zulässigen Neben- oder Randsortimente künftiger Einzelhandelsbetriebe nach Art oder Umfang nicht weiter einschränkt und somit das Ziel der Zentrenstärkung möglicherweise nicht mit der gleichen Intensität verfolgt, wie sie der Masterplan für erwägenswert erachtet. Eine solche Regelung ist vielmehr erst dann zu beanstanden, wenn sie nicht geeignet ist, das Ziel der Zentrenstärkung zu fördern oder dieses Ziel gar konterkariert. Diese Prüfung hat das Oberverwaltungsgericht nicht vorgenommen.

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bb) Auch soweit das Oberverwaltungsgericht den Einzelhandelsausschluss unter der Zielsetzung des Zentrenschutzes als städtebaulich nicht gerechtfertigt ansieht, überspannt es den dargelegten bundesrechtlichen Maßstab.

18

Entsprechend ihrer ständigen Rechtsprechung hält die Vorinstanz in einem solchen Fall Angaben des Plangebers für erforderlich, weshalb jegliche Form von Einzelhandel der besagten Art, würde er im Plangebiet angesiedelt, die gewachsenen Einzelhandelsstrukturen in den geschützten Zentren unabhängig von der Art und dem Umfang des jeweiligen Warenangebotes schädigen würde. Dem ist nicht zu folgen.

19

Der Rechtsprechung des Senats ist ein solches Erfordernis nicht zu entnehmen. Danach bedarf es bei einem nur zum Schutz eines Zentrums erfolgten Einzelhandelsausschlusses der Ermittlung der konkret zentrenschädlichen Sortimente (Urteil vom 26. März 2009 a.a.O. Rn. 19). Über dieses, regelmäßig im Rahmen der Erstellung der Zentrenkonzepte zu erfüllende Erfordernis geht die Vorinstanz jedoch hinaus, wenn sie es als Anforderung an das Planaufstellungsverfahren und die Planbegründung ansieht. Eine solche Anforderung hat der Senat nicht gestellt. Sie ist auch nicht gerechtfertigt. Denn auch insoweit gilt der dargelegte Maßstab, nach dem es darauf ankommt, ob der festgesetzte Einzelhandelsausschluss geeignet ist, das vom Plangeber ins Auge gefasste städtebauliche Ziel zu fördern. Davon ist grundsätzlich auszugehen, wenn in einem Zentrenkonzept die für die Funktionsfähigkeit der jeweiligen Zentren entscheidenden und mithin zentrenbildenden Sortimente festgelegt werden und diese Sortimente in einem Bebauungsplan für ein Gebiet außerhalb der Zentren ausgeschlossen werden. Die weitergehende Anforderung des Oberverwaltungsgerichts ist systemfremd. Denn auch bei der Verfolgung des Ziels der Stärkung von Versorgungszentren geht es nicht um punktuelle Abwehr konkreter Gefahren, sondern um planerische Lenkung und mithin eine längerfristige Beeinflussung der Entwicklung, die bereits durch den Ausschluss der für die Zentren konstitutiven Sortimente an anderer Stelle bewirkt wird (vgl. zur Unterscheidung von Gefahren- und Planungsschwelle auch Urteil vom 30. August 2012 - BVerwG 4 C 1.11 - BauR 2013, 191 Rn. 16 ff.). Etwas anderes kann nur in offensichtlichen Ausnahmefällen gelten, in denen der Ausschluss zentrenbildender Sortimente keinerlei Beitrag zum Zentrenschutz leisten kann.

20

c) Den dargelegten bundesrechtlichen Maßstab verfehlt das Oberverwaltungsgericht auch, soweit es die den Annex-Handel regelnden Festsetzungen mangels städtebaulicher Rechtfertigung für unwirksam hält, weil sie keine relative oder absolute flächenmäßige Begrenzung der Einzelhandelsaktivitäten enthalten. Auf das für diese Regelung erkennbar einschlägige, nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts in der Planbegründung enthaltene Ziel, das Plangebiet für das produzierende bzw. dienstleistende Gewerbe zu sichern, geht die Vorinstanz in diesem Zusammenhang nicht ein. Dass aufgrund der Zulassung des Annex-Handels die Grundsätze des Masterplans nur in eingeschränktem Umfang umgesetzt werden mögen, steht der städtebaulichen Rechtfertigung dieser Regelung nach dem oben Gesagten nicht entgegen. Dass die Regelung das mit der Bauleitplanung ebenfalls verfolgte Ziel der Zentrenstärkung konterkariert oder der im Bebauungsplan geregelte Einzelhandelsausschluss wegen der Einbeziehung der Zulassung des Annex-Handels keinerlei Beitrag zur Förderung des Ziels der Zentrenstärkung leisten könnte, hat das Oberverwaltungsgericht nicht festgestellt und liegt auch nicht auf der Hand.

21

2. Da sich das Urteil der Vorinstanz auch nicht aus anderen Gründen als richtig erweist und der Senat mangels hinreichender Feststellungen nicht in der Lage ist, in der Sache selbst zu entscheiden, ist sie an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen.

22

Bei der vom Oberverwaltungsgericht vorzunehmenden Beurteilung, ob der im Bebauungsplan enthaltene Einzelhandelsausschluss geeignet ist, das Ziel der Stärkung oder des Schutzes der Versorgungszentren zu fördern, wird es von einem realitätsnahen Maßstab auszugehen haben, der nicht nach theoretischen Möglichkeiten fragt, sondern die konkreten Gegebenheiten im Plangebiet zugrunde legt und auf dieser Grundlage die realistischerweise zu erwartenden Entwicklungen in den Blick nimmt. Für die Beantwortung der Frage, ob die fehlende Begrenzung zentrenrelevanter Randsortimente die Verfolgung der genannten Ziele konterkariert, wird deswegen zu bedenken sein, mit welcher Wahrscheinlichkeit und in welchem Umfang sich entsprechende Betriebe im Plangebiet ansiedeln werden. Dabei ist in rechtlicher Hinsicht einzubeziehen, dass auf der Grundlage der Senatsrechtsprechung (Urteil vom 24. November 2005 - BVerwG 4 C 10.04 - BVerwGE 124, 364 <365 f.>) Einzelhandelsbetriebe mit einer Verkaufsfläche von mehr als 800 qm grundsätzlich nur in dafür ausgewiesenen Sondergebieten zulässig sind, so dass Rand- und Nebensortimenten auch insoweit deutliche Grenzen gesetzt sind. Schließlich ist nicht erkennbar, dass das Oberverwaltungsgericht gehindert wäre, dem Begriff des Rand- und Nebensortiments als korrespondierendem Begriff zu dem des Hauptsortiments im Wege einer bundesrechtsfreundlichen Auslegung einen hinreichend begrenzten Inhalt zu geben, der - auch unter Einbeziehung der Berechtigung der Baugenehmigungsbehörde, weitere Konkretisierungen im Einklang mit diesen Vorgaben vorzunehmen - geeignet ist, negativen Auswirkungen zentrenschädlicher Sortimente auf die Zentren effektiv vorzubeugen. Sinngemäß gilt dies auch für die Regelung des Annex-Handels, für die mit Blick darauf, dass es sich um ein bloßes Anhängsel der Hauptnutzung handelt, die hierdurch ihre prägende Wirkung nicht verlieren darf, ein das mögliche Warenangebot begrenzender und mithin die zu seiner Zulassung erforderliche Ausnahmeentscheidung nach § 31 Abs. 1 BauGB hinreichend steuernder Regelungsgehalt durch Auslegung gefunden und festgeschrieben werden könnte.

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Für den Fall, dass es im Rahmen der erneuten Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts auf die Frage ankommen sollte, ob der Masterplan oder die weiteren Planungskonzepte der Antragsgegnerin selbst den Anforderungen des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB entsprechen, weist der Senat vorsorglich darauf hin, dass auch insoweit der unter 1. dargelegte Maßstab anzuwenden ist.

Tenor

Die Beklagte wird unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 22.3.2013 und unter Aufhebung des Bescheids vom 20.7.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1.9.2011 verpflichtet, unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senats erneut über die Bewerbung des Klägers betreffend den mit der Stellenausschreibung BPOLD KO/BXB-01 ausgeschriebenen Dienstposten eines Sachbearbeiters KfuV, Bewertungsebene A 8-9 mZ, bei der Bundespolizeiinspektion B. am Dienstort B. zu entscheiden.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger zur Hälfte und die Beklagte und der Beigeladene jeweils zu einem Viertel mit Ausnahme der jeweiligen außergerichtlichen Kosten, die jeder selbst trägt.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger erstrebt die Übertragung eines bei der Bundespolizeiinspektion B. am Dienstort B. eingerichteten Dienstpostens.

Er steht als Polizeihauptmeister (Besoldungsgruppe A 9) im Dienst der Beklagten und hat sich im Zuge der Neuorganisation der Bundespolizei auf die Stellenausschreibung vom 14.2.2011 um den Dienstposten eines Bearbeiters KfuV, Bewertungsebene A 8-9 mZ, beworben. Die einschlägige Dienstvereinbarung zwischen der Beklagten und dem Hauptpersonalrat vom 28.5.2008 - DV - gibt für die Vergabe von Dienstposten unter Versetzungs- bzw. Umsetzungsbewerbern vor, dass bei mehreren Bewerbern mit Standortbindung (Tagespendelbereich von bis zu 1,5 Stunden einfache Fahrt) das Gewicht der Standortbindung maßgeblich ist, wobei dieses Gewicht nach dem der Dienstvereinbarung als Anlage 1 beigefügten „Katalog Sozialkriterien“, der die Anzahl der den vorgesehenen Sozialkriterien zuzuordnenden Sozialpunkte regelt, bestimmt wird. Entscheidend ist nach Ziffer II.5 Satz 3 DV die zum Zeitpunkt der Personalauswahlentscheidung bestehende Sozialpunktezahl.

Hiernach wurden für den Kläger 25 Sozialpunkte und für den beigeladenen Mitbewerber 28 Sozialpunkte ermittelt, woraufhin im Stellenbesetzungsvermerk vom 8.6.2011 festgehalten wurde, dass von den Versetzungs- bzw. Umsetzungsbewerbern mit räumlicher Bindung der Beigeladene die höchste Sozialpunktezahl geltend machen könne, weswegen der Dienstposten mit ihm zu besetzen sei.

Am 15.6.2011 reichte der Kläger weitere Unterlagen ein und bat, diese bei der Ermittlung der Sozialpunkte zu berücksichtigen. So sei er seit Ende 2010 im Kindergarten seines Sohnes als stellvertretender Vorsitzender des Elternbeirats ehrenamtlich tätig und insbesondere seit 2002 als Ersatzbetreuer seines zu 100 v.H. schwerbehinderten und als hilfebedürftige Person eingestuften Bruders bestellt. Betreuer des Bruders sei sein Vater, der selbst zu 70 v.H. schwerbehindert sei, weswegen es vorkomme, dass er für diesen in der Betreuung einspringen müsse.

Die Unterlagen wurden seitens der Beklagten noch am 15.6.2011 geprüft. Dabei wurde in einem Vermerk festgehalten, dass die Stellung als Ersatzbetreuer des in einem fremden Haushalt lebenden Bruders keinen Tatbestand nach dem Sozialkriterienkatalog erfülle und daher keine Berücksichtigung finden könne. Für das Ehrenamt im Kindergarten könne allenfalls ein Sozialpunkt vergeben werden, was aber zu keiner Änderung der Besetzungsentscheidung vom 8.6.2011 führen könne.

Mit Schreiben vom 17.6.2011 wurde die Gleichstellungsbeauftragte der Bundespolizeidirektion K. über die Bewerberauswahl informiert, woraufhin diese unter dem 21.6.2011 ihr Einverständnis erklärte. Sodann erfolgte unter dem 27.6.2011 die Information des Gesamtpersonalrats der Bundespolizeidirektion K., der der Auswahlentscheidung in seiner Sitzung vom 14.7.2011 zustimmte.

Am 20.7.2011 wurde dem Kläger die getroffene Entscheidung unter Hinweis auf die jeweils vergebenen Sozialpunkte schriftlich mitgeteilt.

Hiergegen legte der Kläger am 8.8.2011 Widerspruch ein, bat um erneute Überprüfung der nachgereichten Unterlagen und um evtl. Anwendung der unter Ziffer II.8 DV getroffenen Regelung, die vorsehe, dass besondere Fälle, die durch den Sozialkriterienkatalog nicht angemessen geregelt werden könnten, im Einzelfall mit Zustimmung der zuständigen Personalvertretung entschieden werden.

Durch Widerspruchsbescheid vom 1.9.2011 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Die am 15.6.2011 nachgereichten Unterlagen zur Schwerbehinderung des Bruders seien geprüft worden und in die Stellenbesetzungsentscheidung eingeflossen. Unter Ziffer 5 des Sozialkriterienkatalogs sei festgelegt, dass gesundheitliche Beeinträchtigungen von Angehörigen eine Standortbindung nur in zwei Fällen rechtfertige. Entweder müsse der Ehe- oder Lebenspartner bzw. ein Kind des Beamten schwerbehindert sein oder ein sonstiger Familienangehöriger, für den eine Pflegestufe nachgewiesen sei, im eigenen Haushalt des Beamten leben. Diese Voraussetzungen seien bei dem Kläger nur insoweit erfüllt, als für seine Ehefrau eine Schwerbehinderung von 50 v.H. festgestellt worden sei. Eine Berücksichtigung seiner Bestellung als Ersatzbetreuer für den schwerbehinderten Bruder, der noch dazu in 13 km Entfernung von seiner Wohnung im Haushalt der Eltern lebe, sei nicht vorgesehen. Der Kläger könne sein Begehren auch nicht auf die Öffnungsklausel der Ziffer II.8 DV stützen. Denn der geschilderte Sachverhalt betreffe Umstände, die im Sozialkriterienkatalog durchaus ihren Niederschlag hätten finden können. Allerdings habe der Dienstherr unter Ziffer 5 dieses Katalogs die Fälle von Schwerbehinderungen von Familienangehörigen benannt und die Ermessensentscheidung getroffen, nur die dort aufgeführten Fälle zu berücksichtigen. Dementsprechend seien alle übrigen Fälle einer Schwerbehinderung von Familienangehörigen negativ erfasst. Zudem bleibe festzuhalten, dass dem Zweitverwendungswunsch des Klägers (Bundespolizeiinspektion B. im Revier Flughafen D-Stadt) entsprochen und damit seiner persönlichen Situation hinreichend Rechnung getragen worden sei. Der Widerspruchsbescheid wurde dem Kläger am 6.9.2011 ausgehändigt.

Mit seiner am 23.9.2011 erhobenen Klage hat der Kläger darauf hingewiesen, die dem Dienstposten zugeordnete Tätigkeit als Bearbeiter KfuV bereits mehr als zehn Jahre in Bad B. ausgeübt zu haben und die in der Stellenausschreibung vorgegebenen obligatorischen und fakultativen Anforderungen vollumfänglich zu erfüllen. Demgegenüber habe der ausgewählte Bewerber seines Wissens eine solche Tätigkeit bisher nicht verrichtet, was unter Eignungsgesichtspunkten einen Vorrang des Klägers rechtfertige. Der Erlass des Bundesministeriums des Innern vom 11.5.2011 betreffend die personalwirtschaftliche Umsetzung der Neuorganisation der Bundespolizei gebe vor, dass zu allererst die obligatorischen Anforderungen der Ausschreibung zu erfüllen seien. Inwieweit der ausgewählte Bewerber dem genüge, sei nicht dargelegt. Zweifelhaft sei auch, ob dieser überhaupt ein dauerhaftes Interesse an dem ausgeschriebenen Dienstposten habe, denn er habe sich inzwischen für die Teilnahme am Aufstiegslehrgang für den gehobenen Dienst beworben.

Sollte für die Bewerberauswahl ausschließlich auf Sozialkriterien abzustellen sein, so müssten hinsichtlich seiner Person wesentliche Umstände ergänzend berücksichtigt werden. Dies gelte nicht nur für seine ehrenamtliche Tätigkeit im Kindergarten, sondern insbesondere hinsichtlich der Betreuung seines Bruders. Durch Amtsgerichtsbeschluss vom 13.9.2011 sei er zu dessen Betreuer eingesetzt worden. Aus der unter Ziffer II.8 DV getroffenen Regelung ergebe sich, dass der Sozialkriterienkatalog nicht abschließend sei. Die Beklagte sei daher gehalten gewesen, vor einer endgültigen Auswahlentscheidung zunächst seinen Einzelfall mit der zuständigen Personalvertretung zu erörtern, habe ein solches Verfahren aber gar nicht erst eingeleitet. Eine auf Ziffer II.8 DV bezogene Entscheidung des Personalrates liege nicht vor. Aus den Vorbemerkungen in Abschnitt I der Dienstvereinbarung ergebe sich, dass deren Ziel die sozialverträgliche personelle Umsetzung der Neuorganisation der Bundespolizei sei. Es obliege der Beklagten hiernach, jeden einzelnen Beamten unter Abwägung der dienstlichen Erfordernisse mit den persönlichen und sozialen Belangen bestmöglichst einzusetzen. Dabei seien alle Verpflichtungen des jeweiligen Beamten gegenüber Angehörigen zu berücksichtigen. Denn der „Katalog Sozialkriterien“ beinhalte nach Inhalt und Zielen der Dienstvereinbarung keine abschließende Aufzählung der berücksichtigungsfähigen Sozialkriterien. Die Betreuung des Bruders durch den Kläger sei eine private Belastung, die unbedingt in die Beurteilung einzubeziehen sei, zumal der Vater einen Schlaganfall erlitten habe, daher die Betreuung des Bruders vollständig habe einstellen müssen und selbst der regelmäßigen Unterstützung durch den Kläger bedürfe. Hinzu trete, dass die Ehefrau des Klägers an Krebs erkrankt und seither mit einem Grad von 50 v.H. schwerbehindert sei. Deren Erkrankung sei zwar durch die Vergabe der entsprechenden Sozialpunkte in die Bewertung der Sozialbindung eingeflossen, was aber die hiermit verbundene psychische Belastung für den Kläger nicht vollumfänglich widerspiegele.

Das zeitgleich mit der Klage eingereichte einstweilige Rechtsschutzbegehren des Klägers ist ohne Erfolg geblieben (Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 6.2.2012 - 2 L 929/11 -).

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 20.7.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1.9.2011 zu verurteilen, ihm den mit der Stellenausschreibung BPOLDKO/BXB-01 ausgeschriebenen Dienstposten eines Bearbeiters KfuV, Bewertungsebene A 8-9 mZ, bei der Bundespolizeiinspektion B. am Dienstort B. zu übertragen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat unter Bezugnahme auf ihr Vorbringen im einstweiligen Rechtsschutzverfahren betont, primäres Ziel der Dienstvereinbarung sei eine heimatnahe und statusadäquate Verwendung der Mitarbeiter. Diesem Ziel und den diesbezüglichen Vorgaben der Dienstvereinbarung trage die Auswahlentscheidung Rechnung. Insgesamt drei Bewerber hätten Standortbindung geltend machen können, weswegen die Bewerberkonkurrenz nach dem Gewicht der jeweiligen Sozialbindung zu entscheiden gewesen sei. Da der Beigeladene insoweit einen Punktevorsprung habe vorweisen können, seien die Gesichtspunkte der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung nicht entscheidungsrelevant geworden. Die sozialen Belange des Klägers seien umfassend gewürdigt worden. Für das soziale Engagement zugunsten des schwerbehinderten Bruders könnten nach dem Sozialkriterienkatalog keine Sozialpunkte vergeben werden, da ein solcher Fall dort nicht erfasst sei. Die Öffnungsklausel der Ziffer II.8 DV sei nicht einschlägig, da der geschilderte Sachverhalt zwar im Sozialkriterienkatalog seinen Niederschlag hätte finden können, aber nicht gefunden habe. Alle nicht aufgeführten Fälle der Schwerbehinderung von Familienangehörigen seien negativ erfasst. Die ehrenamtliche Tätigkeit im Kindergarten könne zwar grundsätzlich einen zusätzlichen Sozialpunkt rechtfertigen, sei aber im maßgeblichen Zeitpunkt der Personalauswahlentscheidung nicht bekannt gewesen.

Der Beigeladene hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte habe sich in rechtlich zulässiger Weise dafür entschieden, den im Rahmen der Neustrukturierung der Bundespolizei in B. ausgeschriebenen Dienstposten nach Sozialkriterien zu vergeben und dies unter Umsetzung der durch die Dienstvereinbarung mit dem Hauptpersonalrat vorgegebenen Kriterien getan. Die Dienstvereinbarung biete keine Handhabe, das Engagement des Klägers für seinen schwerbehinderten Bruder sozialpunktesteigernd zu berücksichtigen. Die zu seinen - des Beigeladenen - Gunsten getroffene Besetzungsentscheidung sei daher nicht zu beanstanden, zumal er alle obligatorischen Anforderungen der Ausschreibung erfülle und die ihm übertragenen Dienstaufgaben - ungeachtet der derzeitigen Teilnahme am Aufstiegslehrgang - dauerhaft ausfüllen wolle. Der übertragene Dienstposten sei wie nahezu alle mit A 8-9 m.Z. bewerteten Dienstposten der Bundespolizei aufschichtungsfähig, d.h. biete die Möglichkeit einer Überführung in den gehobenen Dienst. Im Übrigen werde der Kläger zur Zeit dienstlich ebenfalls am Standort B. eingesetzt, so dass die Frage aufgeworfen sei, ob dieser überhaupt ein Rechtsschutzinteresse an der Übertragung gerade des verfahrensgegenständlichen Dienstpostens habe.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom 22.3.2013 abgewiesen und ausgeführt, dass diese zulässig sei; insbesondere könne dem Kläger trotz seines derzeitigen tatsächlichen Einsatzes am Standort B. nicht das Rechtsschutzbedürfnis für die klageweise Verfolgung seines Besetzungswunsches abgesprochen werden. In der Sache müsse die Klage ohne Erfolg bleiben. Denn die angegriffene Besetzungsentscheidung sei weder in formeller noch in materieller Hinsicht zu beanstanden. So sei der Stellenbesetzungsvermerk vom 8.6.2011 ausführlich begründet und der Personalrat habe der Auswahlentscheidung zugestimmt. Materiell-rechtlich genüge die Entscheidung der Beklagten, den Dienstposten nicht nach dem Grundsatz der Bestenauslese, sondern nach Sozialkriterien zu vergeben, den durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts insoweit vorgegebenen Anforderungen. Das Gewicht der nach der Dienstvereinbarung für die Auswahlentscheidung maßgeblichen Sozialbindung sei zutreffend ermittelt worden und einer Befassung des Personalrates mit der Frage, ob die Betreuungsleistungen, die der Kläger für seinen Bruder erbringe, bei der Ermittlung der Sozialpunkte zu berücksichtigen sei, habe es nicht bedurft. Denn aus der Dienstvereinbarung ergebe sich, dass diese Betreuungsleistungen abgesehen davon, dass sie der Beklagten zur Zeit ihrer Auswahlentscheidung nicht bekannt gewesen seien, eine Erhöhung der zu vergebenen Sozialpunkte nicht rechtfertigen könnten, da sie keinem der in der Dienstvereinbarung vorgesehenen Tatbestände zu beachtender gesundheitlicher Beeinträchtigungen von Angehörigen zuzuordnen seien. Ein Sonderfall im Sinne der Ziffer II.8 DV, der es erforderlich machen würde, den Personalrat mit der Angelegenheit zu befassen, liege nicht vor. Der Dienstherr habe die Fälle von Schwerbehinderungen von Familienangehörigen unter Ziffer 5 des Sozialkriterienkatalogs ausdrücklich benannt und dabei die – nicht zu beanstandende – Ermessensentscheidung getroffen, nur die dort aufgeführten Fälle zu berücksichtigen. Dies rechtfertige ohne Weiteres den Schluss, dass alle übrigen Fälle der Schwerbehinderung von Familienangehörigen negativ erfasst seien. Entgegen der Auffassung des Klägers spreche auch nichts dafür, dass sein Fall durch den Sozialkriterienkatalog nicht angemessen geregelt werde. Nach seinem Vortrag in der mündlichen Verhandlung beschränkten sich die Besuche bei seinem Bruder, der an Schizophrenie leide, bei den Eltern lebe und von diesen auch versorgt werde, auf ca. einen Tag pro Woche. Daneben fänden regelmäßige Telefonate und gelegentliche gemeinsame Unternehmungen statt. Dieser (geringe) zeitliche Aufwand rechtfertige es nicht, einen außergewöhnlichen Einzelfall von sozialem Gewicht anzunehmen. Soweit sich der Kläger darüber hinaus auf eine besondere psychische Belastung berufe, die neben der Sorge um seinen Bruder und seinen Vater durch die Krebserkrankung seiner Ehefrau hervorgerufen werde, sei zu betonen, dass die Erkrankung der Ehefrau bereits mit zehn Punkten – dem höchsten Einzelwert überhaupt – in die Sozialpunktezahl eingeflossen sei. Außerdem habe er drei weitere Sozialpunkte dafür erhalten, dass seine Ehefrau – trotz ihrer schweren Erkrankung weiterhin – erwerbstätig sei. Schließlich werde der persönlichen Situation des Klägers insoweit Rechnung getragen, als ihm – entsprechend seinem Zweitverwendungswunsch – ein Dienstposten bei der Bundespolizeiinspektion B. im Revier Flughafen D-Stadt übertragen worden sei. Zwar handele es sich dabei nicht um den begehrten Dienstposten eines Bearbeiters KfuV, sondern um den gleich bewerteten Dienstposten eines Kontroll- und Streifenbeamten. Die erforderliche Wohnortnähe, die dem Kläger die Erfüllung seiner familiären Pflichten ermögliche, sei aber gleichwohl gegeben.

Das Urteil ist den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 16.4.2013 zugestellt worden.

Auf seinen Antrag vom 30.4.2013 und die am 24.5.2013 eingereichte Begründung hat der Senat die Berufung durch Beschluss vom 12.9.2013, dem Kläger zugestellt am 16.9.2013, zugelassen.

In seiner am 7.10.2013 bei dem Oberverwaltungsgericht eingegangenen Berufungsbegründung bekräftigt der Kläger seine Auffassung, seine besonderen persönlichen Belastungen seien bei der Vergabe der Sozialpunkte nicht vollständig berücksichtigt worden. Sein Bruder leide an einer endogenen paranoiden Psychose mit Denkstörungen und Beziehungsideen sowie Halluzinationen. Es lägen eine deutliche psychomotorische Verlangsamung, Konzentrationsstörungen und eine eingeschränkte Krankheitseinsicht vor. Anerkannt sei ein Grad der Behinderung von 100 v.H. unter Feststellung der Merkzeichen „G“, „B“ und „H“. Da der Vater im Laufe der letzten Monate zunehmend selbst schwer erkrankt sei, habe der Kläger bereits zum Zeitpunkt der hier streitigen Auswahlentscheidung die Betreuungsaufgaben übernommen gehabt und sei inzwischen auch formal Betreuer seines Bruders. Auf Grund der Erkrankung des Bruders müsse eine Regelmäßigkeit der Kontaktaufnahme sichergestellt sein, damit dieser überhaupt ansatzweise in der Lage sei, den Tagesablauf einigermaßen strukturiert zu bewältigen. Die Betreuungsaufgaben umfassten daher regelmäßige telefonische Kontaktaufnahmen, um den Bruder zu den verschiedensten notwendigen Handlungen des gewöhnlichen Tagesablaufs zu veranlassen. Der Bruder müsse tagtäglich verlässlich davon ausgehen können, dass der Kläger ihn stets zur selben Zeit anrufe und mit ihm die Dinge des Tages bespreche. Hinzu kämen die Erledigung geschäftlicher und ärztlicher Angelegenheiten sowie die Beschäftigung des Bruders mit handwerklichen Tätigkeiten, um dessen Leben eine gewisse Sinnhaftigkeit zu geben. All dies werde in den Vorgaben des Sozialkriterienkatalogs nicht berücksichtigt. Allerdings eröffne Ziffer II.8 DV die Möglichkeit einer einzelfallbezogenen Würdigung. Mit Blick auf die im Zulassungsbeschluss zitierte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts müsse diese Regelung in seinem Fall eine Einzelfallprüfung ermöglichen. Bezeichnend sei, dass der Prozessbevollmächtigte der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht eingeräumt habe, ihm seien keine Fälle der Anwendung von Ziffer II.8 DV bekannt. Der streitige Dienstposten komme dem Kläger in besonderer Weise entgegen, weil er dort nicht im Schichtdienst arbeiten müsse und dies die Betreuung des Bruders in größtmöglichem Maße sicherstellen würde. Die Beklagte habe - wie der handschriftliche Vermerk vom 15.6.2011 belege - nicht geprüft, ob Ziffer II.8 der Dienstvereinbarung anzuwenden sei. Denn nach dem Vermerk sei die Berücksichtigung aller vom Sozialkriterienkatalog nicht erfassten Fälle hilfebedürftiger Angehöriger als ausgeschlossen erachtet worden. Schließlich belege die Einlassung der Beklagten im Berufungsverfahren zu den potentiellen Anwendungsfällen der Regelung unter Ziffer II.8 DV, dass in seinem Fall eine Einzelfallprüfung angezeigt gewesen wäre. So habe - wie in einem der genannten Beispielfälle - seine Ehefrau sich nach schwerer Krebserkrankung zur Zeit der Auswahlentscheidung ebenfalls in der Heilungsbewährung befunden. Die Erkrankung der Ehefrau und deren Folgen prägten seine Gesamtsituation ebenso wie sein Engagement für seinen schwerbehinderten Bruder. Dies alles hätte Veranlassung zu einer Einzelfallprüfung geben müssen. Schließlich sei mit Blick auf den Beigeladenen anzumerken, dass dieser nach Abschluss des Aufstiegslehrgangs voraussichtlich zum Polizeikommissar befördert werde und damit eine Besoldung nach A 10 erlangen könne, so dass fraglich sei, ob er dann in der vorliegend streitigen Stelle noch amtsangemessen eingesetzt wäre.

Zu Art und Ausmaß der Behinderung seines Bruders legt der Kläger den den Grad der Behinderung feststellenden Bescheid vom 1.7.2002 und mehrere Arztberichte vor.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 22.3.2013 und unter Aufhebung des Bescheids vom 20.7.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1.9.2011 zu verurteilen, dem Kläger den mit der Stellenausschreibung BPOLDKO/BXB-01 ausgeschriebenen Dienstposten eines Sachbearbeiters KfuV, Bewertungsebene A 8-9 mZ, bei der Bundespolizeiinspektion B. am Dienstort B. zu übertragen,

hilfsweise,

die Beklagte unter Abänderung des angegriffenen Urteils und Aufhebung des Bescheids vom 20.7.2011 und des Widerspruchbescheids vom 1.9.2011 zu verpflichten, die Auswahlentscheidung unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts zu wiederholen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie bekräftigt, dass die berücksichtigungsfähigen Fälle gesundheitlicher Beeinträchtigungen im familiären Umfeld unter Ziffer 5 des Sozialkriterienkatalogs abschließend geregelt seien. Es treffe auch nicht zu, dass sie nicht geprüft habe, ob ein Fall von II.8 DV gegeben sein könnte. Vielmehr seien die sozialen Belange des Klägers nochmals hinreichend in einem Zeitpunkt gewürdigt worden, als dafür auf Grund des Zeitablaufs schon keine Verpflichtung mehr bestanden habe. Das Vorbringen zu den Verpflichtungen gegenüber dem Bruder des Klägers sei geprüft worden, allerdings mit dem Ergebnis, dass es nicht berücksichtigungsfähig sei. Aus dem unter Ziffer 5 des Sozialkriterienkatalogs geregelten Punkteschlüssel für die Pflege von Angehörigen im eigenen Haushalt (Pflegestufe 3 10 Punkte, Pflegestufe 2 5 Punkte und Pflegestufe 1 3 Punkte) ergebe sich mittelbar, dass die bloße Betreuung von Angehörigen im eigenen Haushalt keine Punktevergabe rechtfertige. Damit könne auch eine Ersatzbetreuerschaft für einen in beträchtlicher Entfernung lebenden Angehörigen keine Berücksichtigung finden. Die aktuelle gesundheitliche Verfassung des Bruders sei für die im Juni 2011 getroffene Auswahlentscheidung ohnehin ohne Relevanz. Zudem habe keine Verpflichtung bestanden, die erst am 15.6.2011 und damit nach der Auswahlentscheidung eingereichten Unterlagen zu prüfen. Der Bruder lebe nach wie vor im Haushalt der Eltern und werde von diesen versorgt. Es gebe keine Hinweise darauf, dass er im Zeitpunkt der Besetzungsentscheidung konkret spezieller Hilfe bedurft hätte, die nur durch den Kläger und darüber hinaus ausschließlich von dessen Wohnort aus hätte geleistet werden können. Das Bekanntwerden der Ersatzbetreuerschaft habe keinen Anlass gegeben, den Personalrat einzubinden und die Situation im Rahmen einer Einzelfallentscheidung gemäß Ziffer II.8 DV mit diesem gesondert zu verhandeln und zu entscheiden, zumal die erst nachträgliche Geltendmachung dieses Gesichtspunktes mit der Formulierung „So kann es auch vorkommen“ den Schluss zulasse, dass sich die damalige Belastung des Klägers infolge der Behinderung seines Bruders in Grenzen gehalten haben müsse. Schließlich sei Ziffer II.8 DV schon deshalb nicht zur Anwendung gekommen, weil es im Schritt II der personellen Umsetzung der Neuorganisation der Bundespolizei gelungen sei, allen Mitarbeitern im Bereich der Beklagten eine heimatnahe Anschlussverwendung zu ermöglichen, und Verdrängungen damit gänzlich ausgeblieben seien. In der verfahrensgegenständlichen Schrittfolge IV gehe es um den Wechsel in eine näher zum Wohnort gelegene Dienststelle. Einzelfälle, die der Sozialkriterienkatalog definitiv nicht – auch nicht negativ – erfassen könne und die deshalb Einzelprüfungen nach Ziffer II.8 DV erforderlich gemacht hätten, seien vorwiegend im Bereich der sogenannten Überhangbehörden im Rahmen der Setzphase aufgetreten und verhandelt worden. Dabei sei es z.B. um Fallgestaltungen gegangen, in denen sich die Ehefrau eines Beamten nach schwerer Krebserkrankung in der Heilungsbewährung befunden habe, der Beamte Großvater von neun nachweislich von ihren Eltern vernachlässigten Enkeln bzw. der Beamte Vater eines Kindes mit erheblichen, schon im Kindergarten festgestellten und dokumentierten Lernschwierigkeiten gewesen sei. Schließlich gelte hinsichtlich des verfahrensgegenständlichen Dienstpostens, dass dieser aufschichtungsfähig sei. Damit sei eine amtsangemessene Verwendung des Beigeladenen auf Dauer sichergestellt. Denn der Dienstposten werde nach erfolgreichem Abschluss des Aufstiegslehrgangs seitens des Beigeladenen von der Besoldungsgruppe A 8-9 mZ in die Bewertungsebene A 9 g/10, also vom mittleren in den gehobenen Polizeivollzugsdienst, überführt.

Der Beigeladene beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Auch die neuere Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts könne dem Vorbringen des Klägers nicht zum Erfolg verhelfen, da der Dienstherr nur die Umstände der privaten Lebensführung des Beamten berücksichtigen könne, die bis zum Erlass des Widerspruchsbescheids bekannt und geltend gemacht seien. Die Bestellung als Betreuer für den Bruder sei erst am 13.9.2011, mithin nach Ergehen des Widerspruchsbescheids, erfolgt. Hinsichtlich seiner Stellung als Ersatzbetreuer habe der Kläger zumindest bis zur Widerspruchsentscheidung nichts Konkretes für deren Berücksichtigungsfähigkeit vorgetragen. Die Rüge des Klägers, die Zustimmung der zuständigen Personalvertretung sei im Auswahlverfahren nicht eingeholt worden, gehe ins Leere. Denn im damaligen Zeitpunkt seien keine Aspekte und Umstände dargelegt gewesen, die eine Ausnahmesituation hätten darstellen können. Was erst nach Erlass des Widerspruchsbescheids geltend gemacht sei, habe naturgemäß nicht mehr in die Befassung des Personalrates einfließen können. Schließlich müsse der Kläger sich vergegenwärtigen, dass seine Ehefrau einer Halbtagsbeschäftigung nachgehe, mithin ein krankheitsbedingter Ausfall nicht festzustellen sein dürfte. Dennoch seien ihm in diesem Zusammenhang zehn Sozialpunkte zuerkannt worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten des vorliegenden Verfahrens und des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens 2 L 929/11, der beigezogenen Verwaltungsunterlagen der Beklagten und der beigezogenen Personalakten des Klägers und des Beigeladenen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung des Klägers ist nach Maßgabe des Urteilstenors teilweise begründet und im Übrigen unbegründet.

Das mit dem Hauptantrag verfolgte Klagebegehren, die Beklagte unter Aufhebung von Bescheid und Widerspruchsbescheid zu verurteilen, dem Kläger den verfahrensgegenständlichen Dienstposten zu übertragen, ist – wie das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt hat – zulässig.

Soweit die Klage auf die Aufhebung des Bescheids vom 20.7.2011 und des Widerspruchsbescheids vom 1.9.2011 gerichtet ist, ist sie begründet. Ferner ist die Beklagte auf den Hilfsantrag hin zu verpflichten, unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senats erneut über die verfahrensgegenständliche Bewerbung des Klägers zu entscheiden. Insoweit unterliegt das angegriffene Urteil der Abänderung. Hinsichtlich des weitergehenden Antrags, die Beklagte zur Übertragung des angestrebten Dienstpostens an den Kläger zu verurteilen, bleibt die Berufung ohne Erfolg.

1. Dem Verwaltungsgericht ist zunächst darin zuzustimmen, dass die grundsätzliche Entscheidung der Beklagten, den vom Kläger erstrebten und - nur - unter Versetzungs- und Umsetzungsbewerbern zu vergebenden Dienstposten nicht nach den Kriterien der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung, sondern nach dem sozialen Gesichtspunkt der Standortbindung zu übertragen, aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden ist. Das Verwaltungsgericht hat überzeugend herausgearbeitet, dass die Beklagte die Organisationsgrundentscheidung getroffen hat, den in Rede stehenden Dienstposten nicht als Beförderungsdienstposten auszuschreiben, sondern Versetzungs- und Umsetzungsinteressierten zwecks einer sozialverträglichen personellen Umsetzung der Neuorganisation der Bundespolizei die Möglichkeit zu eröffnen, sich unter Hinweis auf ihre Wohnortnähe und Standortbindung auf diesen Dienstposten zu bewerben.

Zulässig ist ferner, dass die Beklagte sich angesichts der Vielzahl der im Rahmen der Neuorganisation der Bundespolizei zu treffenden Auswahlentscheidungen entschlossen hat, im Wege einer Dienstvereinbarung mit dem Hauptpersonalrat einen Sozialkriterienkatalog zu erstellen, um eine Grundlage für die Anlegung möglichst gleichmäßiger Auswahlkriterien in Bezug auf das Merkmal Standortbindung zu schaffen. Hiernach ist die Auswahl zwischen mehreren Bewerbern mit Standortbindung nach der anhand des Sozialkriterienkataloges zu ermittelnden Sozialpunktezahl zu treffen.

2. Die zu Ungunsten des Klägers getroffene Auswahlentscheidung ist mangels hinreichender Einbeziehung des entscheidungserheblichen Sachverhalts in die Ermittlung der zu vergebenden Sozialpunkte – auch in der Gestalt, die sie durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat – rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.

2.1. Sie wird ausschließlich damit begründet, dass sich bei der anhand der Dienstvereinbarung und des Sozialkriterienkataloges zu ermittelnden Standortbindung ein Vorsprung des Beigeladenen ergeben habe, weil diesem 28 Sozialpunkte und dem Kläger nur 25 Sozialpunkte zuzuerkennen seien. Nach den dortigen Vorgaben könne das Vorbringen des Klägers, er sei aufgrund der Schwerbehinderung seines Bruders einer zusätzlichen besonderen Belastung ausgesetzt, keine Berücksichtigung finden. Denn der Umstand, dass die diesbezüglich geschilderten Belastungen zwar Eingang in den Sozialkriterienkatalog hätten finden können, aber nicht gefunden haben, habe zur Folge, dass sie nicht berücksichtigungsfähig seien. Die so begründete Umsetzung der Vorgaben der Dienstvereinbarung und des Sozialkriterienkataloges auf die konkreten Lebensumstände des Klägers ist fehlerbehaftet.

Die Beklagte war aus Gründen der ihr gegenüber dem Kläger obliegenden Fürsorgepflicht gehalten, die mit dessen Schreiben vom 15.6.2011 zusätzlich geltend gemachte Belastung durch das Ehrenamt zusätzlich mit einem Sozialpunkt zu belegen und die Belastung infolge der Behinderung des Bruders zum Anlass zu nehmen, die Frage zu prüfen, ob diese die Vergabe von Sozialpunkten rechtfertigt und die zuständige Personalvertretung nach Maßgabe der Ziffer II.8 DV mit der Angelegenheit zu befassen. Durch die Nichtberücksichtigung der geltend gemachten Belastungen hat die Beklagte die ihr gegenüber dem Kläger obliegende Fürsorgepflicht verletzt. Dies ergibt sich aus der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts.

Die Regelungen der Dienstvereinbarung und des Sozialkriterienkataloges und deren Anwendung durch die Beklagte auf die jeweils zu treffende Auswahlentscheidung müssen gewährleisten, dass alle fürsorgepflichtrelevanten Umstände der privaten Lebensführung der einzelnen Beamten vor einer den Ort der Dienstverrichtung berührenden Personalentscheidung ermittelt und mit dem ihnen zukommenden Gewicht in die Abwägung eingestellt werden können. Nach der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts(BVerwG, Beschluss vom 18.2.2013 - 2 B 51/12 -, juris Rdnrn. 8 ff.) ist der Dienstherr aufgrund der ihm obliegenden Fürsorgepflicht gehalten, die ihm untergebenen Beamten mit Gerechtigkeit zu behandeln, ihnen die Erfüllung ihres Dienstes nach Möglichkeit zu erleichtern und ihre Belange wohlwollend zu berücksichtigen und zu wahren. Demgemäß muss der Dienstherr - so das Bundesverwaltungsgericht - zur Vorbereitung einer Versetzungsentscheidung nicht nur - wie in der Rechtsprechung seit langem anerkannt (BVerwG, Urteile vom 7.3.1968 – 2 C 137/67 -, Buchholz 232 § 26 BBG Nr. 9 S. 50 f., und vom 13.2.1969 - 2 C 114/65 -, Buchholz 232 § 26 BBG Nr. 11 S. 4 f.)- prüfen, ob es substantiierte Anhaltspunkte für eine eventuelle Schädigung der körperlichen oder seelischen Gesundheit des Beamten infolge der Personalmaßnahme gibt, sondern auch besondere Schutzbedürfnisse des Beamten aus dem von Art. 6 GG geschützten Bereich von Ehe und Familie sowie andere, mit dem Wechsel des Dienstortes verbundene Nachteile für die private Lebensführung des Beamten ermitteln und bei seiner Auswahlentscheidung berücksichtigen. Er kann sich durch eine Dienstvereinbarung nicht von Verpflichtungen, die ihm im Verhältnis zu jedem einzelnen Beamten von Verfassungs wegen oder kraft Gesetzes obliegen, befreien.

Dies gilt uneingeschränkt auch in Fallgestaltungen der vorliegenden Art, in denen es nicht um eine (Weg-) Versetzung zu einem anderen für den betroffenen Beamten mit Blick auf seine private Lebensführung potentiell ungünstigeren Dienstort geht, sondern ein freier Dienstposten nach der von der Zielsetzung, die Zufriedenheit innerhalb der Bediensteten zu steigern, getragenen Grundsatzentscheidung des Dienstherrn an denjenigen Beamten vergeben werden soll, der aufgrund seiner privaten Lebensverhältnisse das schutzwürdigste Interesse an einer wohnortnahen dienstlichen Verwendung hat. Auch unter diesen Voraussetzungen kann der Dienstherr eine gerechte, die jeweiligen privaten Belange angemessen und wohlwollend berücksichtigende Auswahlentscheidung zwischen mehreren Bewerbern um einen mit einem Dienstortwechsel verbundenen Dienstposten nur treffen, wenn er alle fürsorgepflichtrelevanten Umstände der privaten Lebensführung ermittelt und sie ihrem Gewicht entsprechend in seine Abwägung einbezieht. Entwickelt der Dienstherr zu diesem Zweck gemeinsam mit dem zuständigen Personalrat einen Katalog von Sozialkriterien und ein entsprechendes Punktesystem, so müssen deren Inhalt, Auslegung und einzelfallbezogene Anwendung gewährleisten, dass kein aufgrund der Fürsorgepflicht zu beachtender Umstand der privaten Lebensführung des einzelnen Beamten unberücksichtigt bleibt.

Gemessen an diesem rechtlichen Rahmen ist festzustellen, dass Ziffer 5 des zur Umsetzung der verfahrensgegenständlichen Dienstvereinbarung erlassenen Sozialkriterienkatalogs in der von der Beklagten vertretenen Auslegung des Regelungsinhalts und der hierauf basierenden Handhabung der Vorschrift durch die Beklagte nicht den Anforderungen entspricht, die eine Dienstvereinbarung nach der in Bezug genommenen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts erfüllen muss, um eine ermessensfehlerfreie Auswahlentscheidung des Dienstherrn im Falle der Konkurrenz mehrerer Bewerber um einen konkreten Dienstposten zu ermöglichen. Ist nämlich der Dienstherr aufgrund seiner Fürsorgepflicht gehalten, alle relevanten Lebensumstände des Beamten in eine nach Sozialkriterien zu treffende Entscheidung einzubeziehen, so ist ihm versagt, seine Fürsorgepflicht im Wege einer Dienstvereinbarung nur auf ganz bestimmte Lebensumstände zu beschränken und allein diese als ermessensrelevant anzuerkennen.

Fallbezogen hat die Beklagte im Verlauf sowohl des Verwaltungs- als auch des Gerichtsverfahrens immer wieder bekräftigt, der Regelung unter Ziffer 5 des Sozialkriterienkatalogs liege eine Ermessensentscheidung des Inhalts zugrunde, dass besondere Belastungen eines Beamten infolge gesundheitlicher Beeinträchtigungen eines Angehörigen nur in den beiden ausdrücklich aufgeführten Fallgestaltungen – Schwerbehinderung des Ehe- bzw. Lebenspartners bzw. eines Kindes oder Pflegefall der Pflegestufe 1, 2 oder 3 im eigenen Haushalt bzw. in der unmittelbaren Umgebung – in die Ermittlung des Gewichts der Standortbindung einbezogen werden dürften. Dieses Verständnis der Vorschrift verbietet sich, denn Ermessensentscheidungen, die im Widerspruch zu der Fürsorgepflicht des Dienstherrn nicht alle abwägungsrelevanten Belange einbeziehen, dürfen auch nicht unter dem Etikett einer Dienstvereinbarung getroffen werden.

So wie von der Beklagten verstanden würde die Regelung dazu führen, dass eine wohl beträchtliche Anzahl nach der Lebenserfahrung vorkommender besonderer Belastungen eines Beamten infolge familiärer Verpflichtungen gegenüber hilfebedürftigen Verwandten ungeachtet eventueller gravierender Auswirkungen auf die private Lebensführung von vornherein nicht zur Zuerkennung von Sozialpunkten führen kann. So verstanden wären die Dienstvereinbarung und der zugehörige Sozialkriterienkatalog nicht rechtens. Denn durch Abschluss einer Dienstvereinbarung kann der Dienstherr sich nicht von seiner Verpflichtung befreien, alle potentiell fürsorgepflichtrelevanten Umstände der privaten Lebensführung des Beamten in Entscheidungen einzubeziehen, die sich erschwerend oder erleichternd unmittelbar auf die private Lebensgestaltung des Beamten auswirken. Indes rechtfertigt die Dienstvereinbarung von ihrem Wortlaut sowie Sinn und Zweck her durchaus ein Verständnis ihrer Vorgaben, das mit der Fürsorgepflicht des Dienstherrn in Einklang steht.

Gerade zur Vermeidung einer Kollision des Sozialkriterienkatalogs mit den dem Dienstherrn aus der Fürsorgepflicht erwachsenen Pflichten dürfte die Regelung unter Ziffer II.8 DV Eingang in die Dienstvereinbarung gefunden haben. Hiernach werden besondere Fälle, die durch den Sozialkriterienkatalog nicht angemessen geregelt werden können, im Einzelfall mit Zustimmung der zuständigen Personalvertretung entschieden. Dies wirkt - soweit es um soziale Belastungen aufgrund familiärer Bindungen geht - einer schablonenhaften Beschränkung der Berücksichtigungsfähigkeit familiärer Verpflichtungen eines Beamten auf bestimmte typische Fallgestaltungen entgegen. Die Regelung dient zum Ausgleich des Umstandes, dass es den Rahmen eines handhabbaren Sozialkriterienkataloges sprengen würde, wenn in ihm jede denkbare, vielleicht nur in seltenen Einzelfällen vorkommende Hilfe für Angehörige, deren Ausmaß eine Punktvergabe rechtfertigen oder gar gebieten könnte, aufgeführt sein müsste. Ein Sozialkriterienkatalog kann nur typische Fallgruppen aufgreifen und angemessen regeln. In allen anderen Konstellationen kann der Dienstherr seiner Fürsorgepflicht nur mittels einer Einzelfallprüfung gerecht werden. Zwar wird sicherlich nicht jedes mehr oder weniger regelmäßige Tätigwerden zugunsten eines in irgendeiner Weise auf Unterstützung angewiesenen Angehörigen Anlass zur Vergabe eines oder mehrerer Sozialpunkte geben können, weil viele Hilfeleistungen für nahe Angehörige ihrem Umfang nach den Rahmen sozialadäquater - oftmals auch gegenseitiger - Unterstützung nicht überschreiten und sich mithin nicht als besondere vom Dienstherrn bei Wahrnehmung seiner Fürsorgepflicht zu berücksichtigende Belastung darzustellen vermögen.

So macht der Kläger nicht geltend, infolge von Hilfestellungen zugunsten seines schwerbehinderten Vaters und seiner Mutter, die in einem eigenen Haushalt leben, in besonderer den sozialüblichen Rahmen übersteigender Weise belastet zu sein. Er beruft sich vielmehr darauf, dass er in die Fürsorge für seinen zu 100 v.H. schwerbehinderten Bruder eingebunden sei. Dieser lebe zwar bei den Eltern und werde von diesen, was Essen und Haushaltsführung angehe, auch versorgt, sei aber aufgrund seiner Behinderung auf bestimmte tagtägliche Kontakte mit einer engen Bezugsperson - dem Kläger - angewiesen und könne seine außerhäuslichen Angelegenheiten, wie etwa geschäftliche Dinge, Arztbesuche oder Behördengänge, nicht ohne Hilfe bewältigen. Demgemäß stehe er unter Betreuung, wobei zunächst der Vater als Betreuer und er, der Kläger, als Ersatzbetreuer bestellt gewesen seien und - nachdem der Vater dieser Aufgabe aus gesundheitlichen Gründen zunehmend nicht mehr gewachsen gewesen sei - er durch Amtsgerichtsbeschluss vom 13.9.2011 als Betreuer eingesetzt worden sei. Diese Situation ist sicherlich keine typische, so dass ihre Berücksichtigung in einem Sozialkriterienkatalog nicht erwartet werden kann. Dies entbindet den Dienstherrn aber nicht von der Prüfung der Frage, ob die durch sie bedingte Belastung des Beamten es von ihrer Intensität her erforderlich macht, sie mit einem oder mehreren Sozialpunkten zu belegen.

Diese Frage hat die Beklagte nach Aktenlage - insbesondere dem Inhalt des Vermerks vom 15.6.2011 und ihren Bekundungen im Verlauf des Gerichtsverfahrens zufolge - nicht geprüft, obwohl der Kläger Umstände vorgetragen hat, die nicht von vornherein ungeeignet zur Darlegung einer besonderen Belastung erscheinen. Ihr Standpunkt, dass der Sozialkriterienkatalog abschließend regele, welche gesundheitlichen Beeinträchtigungen von Angehörigen zur Vergabe von Sozialpunkten führen, und dass alle anderen Belastungen infolge von Hilfeleistungen für Angehörige bei der Ermittlung der Standortbindung nicht - auch nicht über den Auffangtatbestand der Ziffer II.8 DV - berücksichtigt werden könnten, widerspricht den durch die Fürsorgepflicht des Dienstherrn geprägten rechtlichen Anforderungen. So erscheint es im Vergleich mit Lebensumständen, die nach dem Sozialkriterienkatalog eine Punktevergabe zur Folge haben, nicht ausgeschlossen, sondern nach Dafürhalten des Senats naheliegend, wenn nicht geboten, der Belastung des Klägers aufgrund der Behinderung seines Bruders ein Gewicht zuzusprechen, das die Vergabe von einem oder mehreren Sozialpunkten rechtfertigen könnte. Hierfür spricht insbesondere die unter Ziffer 7 des Sozialkriterienkatalogs getroffene Regelung, wonach Ehrenämter in der Betreuung behinderter Personen die Vergabe eines Sozialpunktes zur Folge haben. Insoweit erschließt sich dem Senat nicht, aus welchen sachlichen mit Blick auf den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz tragfähigen Gründen Betreuungsaufwand, der seine Ursache nicht in einem Ehrenamt, sondern in den engen familiären Bindungen unter Geschwistern hat – ohne dass es auf das konkrete Ausmaß des Aufwandes ankäme –, von vornherein nicht als sozialrelevante Belastung in Betracht kommen sollte.

2.2. Die von der Beklagten aufgeworfene Frage, ob es auf all dies angesichts des Zeitpunkts, zu dem der Kläger erstmals die Anerkennung von Sozialpunkten wegen der Hilfebedürftigkeit seines Bruders beantragt hat, überhaupt ankommen kann, ist zu bejahen.

Die Beklagte verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass der Kläger seinen Einsatz zur (Mit-)Betreuung des Bruders anfänglich bei Ausfüllen des Sozialfragebogens am 14.3.2011 nicht als besondere soziale Belastung geltend gemacht und diesen Aspekt auch bei der ersten Korrektur seiner Angaben am 5.5.2011 anlässlich der Bitte um zusätzliche Berücksichtigung der zwischenzeitlich anerkannten Schwerbehinderung seiner Ehefrau nicht angesprochen hat. Dementsprechend sei die in dem Stellenbesetzungsvermerk vom 8.6.2011 dokumentierte Personalauswahlentscheidung unter der Prämisse getroffen worden, dass die sozialen Belange aller Bewerber, also auch des Klägers, vollständig ermittelt und berücksichtigt worden seien. Erst am 15.6.2011 habe der Kläger geltend gemacht, wichtige Punkte vergessen zu haben, und sein ehrenamtliches Engagement im Kindergarten sowie seinen Einsatz für seinen Bruder als zusätzlich zu berücksichtigende Belastungen angeführt. Diese Angaben seien geprüft worden, obwohl nach der Dienstvereinbarung keine Verpflichtung mehr hierzu bestanden habe. Denn nach Ziffer II.5 DV sei die zum Zeitpunkt der Personalauswahlentscheidung bestehende Sozialpunktezahl für den Vergleich unter mehreren Bewerbern maßgeblich. Dieser Zeitpunkt sei bei erstmaliger Geltendmachung der nunmehr strittigen Belange bereits verstrichen gewesen. Dieser Argumentation kann nicht gefolgt werden.

Fest steht insoweit zwar, dass der mit der Auswahlentscheidung befasste Bedienstete der Beklagten die ihm vorgelegten Bewerbungen um den Dienstposten am 8.6.2011 ausgewertet hat, auf dieser Grundlage zum Ergebnis gelangt ist, dass der Dienstposten wegen Erreichens der höchsten Sozialpunktezahl mit dem Beigeladenen zu besetzen ist, und einen entsprechenden, seine Erwägungen im Einzelnen festhaltenden Stellenbesetzungsvermerk gefertigt hat, der am 9.6.2011 von seinen beiden Vorgesetzten gegengezeichnet worden ist. Allerdings hatte diese Entscheidung noch internen Charakter; insbesondere stand die Beteiligung der Gleichstellungsbeauftragten und des Gesamtpersonalrates noch aus. Bevor die diesbezüglich notwendigen Schritte am 17.6.2011 (Anschreiben an die Gleichstellungsbeauftragte/Zustimmung am 21.6.2011) bzw. am 27.6.2011 (Anschreiben an den Gesamtpersonalrat/Zustimmung am 14.7.2011) eingeleitet und abgeschlossen waren und den Betroffenen die Auswahlentscheidung jeweils mit Schreiben vom 20.7.2011 mitgeteilt worden ist, ist der Kläger mit dem Anliegen der Berücksichtigung u.a. der Hilfebedürftigkeit seines Bruders am 15.6.2011 an die Beklagte herangetreten. Völlig zu Recht hat die Beklagte dieses Anliegen damals – allerdings mit dem bekannten Ergebnis – zum Anlass der Überprüfung der zu vergebenden Sozialpunkte genommen.

Zu diesem Zeitpunkt und auch anlässlich der Überprüfung des Widerspruchs des Klägers gegen die Auswahlentscheidung hat die Beklagte ausweislich des Widerspruchsbescheids vom 1.9.2011 selbst nicht angenommen, dass das neue Vorbringen des Klägers zu spät geltend gemacht worden sei. Vielmehr hat sie dem Kläger in den Gründen ihrer Widerspruchsentscheidung einleitend mitgeteilt, dass die von ihm am 15.6.2011 nachgereichten Unterlagen zur Schwerbehinderung seines Bruders geprüft und in die Stellenbesetzungsentscheidung eingeflossen seien. Hieran muss sie sich festhalten lassen.

Erstmals im gerichtlichen Verfahren hat die Beklagte argumentiert, das Vorbringen des Klägers vom 15.6.2011 habe ohnehin - unabhängig von seiner rechtlichen Relevanz - keine Verpflichtung zu einer Erhöhung der vergebenen Sozialpunkte begründen können, weil gemäß Ziffer II.5 Satz 3 DV allein die zur Zeit der Personalauswahlentscheidung bestehende Sozialpunktezahl maßgeblich sei. Dieses Argument verfängt nicht.

Die Beklagte verkennt, dass eine Personalentscheidung erst getroffen ist, wenn die zu beteiligenden Mitbestimmungsgremien ihr zugestimmt haben und der Dienstherr sich entschließt, an ihr festzuhalten und sie durch Bekanntgabe an den hiernach erfolgreichen Bewerber und seine unterlegenen Konkurrenten umzusetzen. Dementsprechend musste das Vorbringen des Klägers vom 15.6.2011 - wie geschehen - geprüft werden. Dass dabei die rechtliche Tragweite der unter Ziffer II.8 DV getroffenen Regelung verkannt und diese Vorschrift als nicht einschlägig erachtet wurde, führt zur Fehlerhaftigkeit der Auswahlentscheidung.

Dieser Fehler wurde im Rahmen des Widerspruchsverfahrens nicht behoben.

Nach § 126 Abs. 3 Nrn. 1 und 4 BRRG setzen alle Klagen eines Beamten aus dem Beamtenverhältnis einschließlich der Leistungs- und Feststellungsklage - sofern gesetzlich nichts anderes bestimmt ist - die vorherige Durchführung eines Widerspruchsverfahrens voraus. Zu der Zielsetzung dieser Regelung hat das Bundesverwaltungsgericht(BVerwG, Urteil vom 30.10.2013 - 2 C 23/12 -, juris Rdnr. 20) erst kürzlich ausgeführt, der Gesetzgeber habe das Erfordernis des Widerspruchsverfahrens auf alle Streitigkeiten aus dem Beamtenverhältnis erstreckt, um sicherzustellen, dass Beamte vor der Anrufung der Verwaltungsgerichte den Dienstherrn mit ihren Anliegen befassen. Das Widerspruchsverfahren diene unter anderem der Selbstkontrolle des Dienstherrn. Diesem solle stets die Möglichkeit eröffnet werden, einen gerichtlichen Rechtsstreit zu vermeiden, sei es durch Abhilfe, durch gütliche Einigung, soweit dies rechtlich möglich ist, oder durch nähere Begründung seines Rechtsstandpunktes.

Der Kläger hat in seinem Widerspruchsschreiben vom 8.8.2011 in Ergänzung seines Schreibens vom 15.6.2011, wenn auch nur mit knapp gehaltenen Ausführungen, den Grund und das Ausmaß der Behinderung seines Bruders sowie den Umstand dargelegt, dass er in dessen Betreuung eingebunden sei, und damit substantiiert Anhaltspunkte für das eventuelle Bestehen einer besonderen sozialen Belastung vorgetragen.

Die Beklagte war im Rahmen der Bearbeitung des Widerspruchs gehalten, alle ihr bekannt gewordenen standortbezogenen Lebensumstände des Klägers auf ihre eventuelle Relevanz für die Vergabe von Sozialpunkten zu überprüfen und gegebenenfalls – sofern der Sozialkriterienkatalog dies vorsieht (Ehrenamt) – zu berücksichtigen bzw. bei Vorliegen substantiierter Anhaltspunkte für eine im Sozialkriterienkatalog nicht erfasste besondere Belastung eine Einzelfallentscheidung nach Ziffer II.8 DV zu ermöglichen. Sie hätte den Umfang der vorgetragenen und nicht grundsätzlich angezweifelten Belastung des Klägers infolge der Behinderung seines Bruders in tatsächlicher Hinsicht aufklären und durch einen wertenden Vergleich mit den im Sozialkriterienkatalog geregelten Tatbeständen unter Einbeziehung aufgetretener Referenzfälle gewichten müssen. Diese Notwendigkeit hat die Beklagte indes nicht erkannt und fürsorgepflichtwidrig – ebenso wie im Prozess – an ihrer der angegriffenen Auswahlentscheidung zu Grunde liegenden Rechtsansicht festgehalten, die in Bezug auf den Bruder des Klägers bekannt gewordenen Umstände seien von vornherein nicht von Relevanz.

Hinsichtlich Entscheidungen, die unter Beachtung des Art. 33 Abs. 2 GG zu treffen sind, ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung geklärt, dass deren Rechtmäßigkeit sich grundsätzlich(anders (Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz), wenn zu entscheiden ist, ob einem Einstellungsantrag im Hinblick auf ein gesetzliches Tatbestandsmerkmal aus Rechtsgründen stattgegeben werden muss oder nicht stattgegeben werden darf: BVerwG, Urteil vom 24.6.2004 - 2 C 45/03 -, juris Rdnr. 18; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 22.1.2002 - 1 C 6/01 -, juris Rdnr. 9) nach der Sach- und Rechtslage zur Zeit der letzten Behördenentscheidung bestimmt, sie also im gerichtlichen Verfahren nicht mit einer neuen Auswahlbegründung aufrechterhalten werden können.(BVerwG, Urteile vom 27.11.1980 - 2 C 38/79 -, BVerwGE 61, 176, 191 f., und vom 25.11.2004 -  2 C 17/03 -, juris Rdnrn. 17 und 20; Beschlüsse vom 16.12.2008 - 1 WB 19/08 -, juris Rdnrn. 46 ff., und vom 27.1.2010 - 1 WB 52/08 -, juris Rdnr. 37) Ob dies bei einer nach sozialen Kriterien zu treffenden Auswahlentscheidung genauso zu sehen ist, kann fallbezogen dahinstehen. Denn die Beklagte hat im gerichtlichen Verfahren keinen – zumindest keinen sachlich vertretbaren – Versuch unternommen, die klägerseits geltend gemachte Belastung infolge der Behinderung des Bruders in ihr Sozialpunktesystem einzureihen.

Nach alldem hat die Beklagte ihre Fürsorgepflicht verletzt. Auswahlentscheidung und Widerspruchsbescheid unterliegen der Aufhebung.

3. Das weitere mit dem Hauptantrag der Klage verfolgte Begehren, die Beklagte zur Übertragung des angestrebten Dienstpostens an den Kläger zu verurteilen, kann – anders als der auf erneute Auswahlentscheidung unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senats zielende Hilfsantrag – keinen Erfolg haben.

Der Senat ist nicht befugt, die nach Ziffer II.8 DV der Beklagten und der zuständigen Personalvertretung vorbehaltene Einzelfallwürdigung und -entscheidung selbst zu treffen. Denn ob eine sozialpunkterelevante Konstellation – gegebenenfalls mit welcher in Punkten auszudrückenden Intensität – gegeben ist oder nicht, obliegt nicht primär der Beurteilung durch den Senat, sondern der vergleichenden Würdigung durch die Beklagte und die zuständige Personalvertretung. Dass das Ermessen – ausnahmsweise – zu Gunsten des Klägers auf Null reduziert wäre, also allein die Vergabe des Dienstpostens an ihn in Betracht käme, ist nicht annehmbar.

Denn ein Erfolg der Klage mit dem Hauptantrag, dem Kläger den begehrten Dienstposten zu übertragen, würde zwingend voraussetzen, dass die erneute Überprüfung der Sozialrelevanz der mit Schreiben vom 15.6.2011 geltend gemachten Belastungen zu dem Ergebnis führen würde, dass dem Kläger - aktuell - zumindest die gleiche Zahl an Sozialpunkten zustünde wie dem Beigeladenen. Indes ist derzeit nicht absehbar, sondern vielmehr offen, zu welchem Ergebnis die nach Ziffer II.8 DV notwendige vergleichende Betrachtung führen wird, so dass die Klage mit ihrem Hauptantrag der Zurückweisung unterliegt.

Der auf erneute Entscheidung der Beklagten über die Bewerbung des Klägers zielende Hilfsantrag hat Erfolg. Die Auswahlentscheidung muss wiederholt werden.

Sie ist unter Zugrundelegung der aktuellen Gegebenheiten zu treffen. Denn die Zuweisung des verfahrensgegenständlichen Dienstpostens an den Beigeladenen konnte infolge des Rechtsstreits im Verhältnis zu dem Kläger keine Verbindlichkeit erlangen. In Konsequenz der Rechtswidrigkeit der Auswahlentscheidung ist der Dienstposten nach wie vor zu vergeben. Da die Auswahlentscheidung nach der Organisationsgrundentscheidung der Beklagten nach Sozialkriterien, insbesondere dem Kriterium der Standortbindung zu treffen ist, ist für die neu zu treffende Auswahlentscheidung maßgeblich, welcher der beiden verbliebenen Bewerber die intensivere Standortbindung geltend machen kann. Insoweit legt das maßgebliche materielle Recht den Schluss nahe, dass eine an Sozialkriterien zu orientierende Dienstpostenvergabe die zur Zeit der Auswahlentscheidung aktuellen Lebensumstände der Bewerber in den Blick nehmen muss. Es widerspräche Sinn und Zweck dieser Organisationsgrundentscheidung, einen Bewerber wegen der Intensität seiner Sozialbindung zur Zeit der Stellenausschreibung und des Auswahlverfahrens zu bevorzugen, obwohl er im Zeitpunkt der (neu vorzunehmenden) Auswahlentscheidung nicht die höchste Sozialpunktezahl vorzuweisen hat und damit aktuell nicht der Bewerber mit der intensivsten Standortbindung ist.

Die Beklagte ist nach alldem im Rahmen der neuen Auswahlentscheidung zur vollständigen Ermittlung des entscheidungserheblichen Sachverhalts verpflichtet und aufgrund der ihr gegenüber dem Kläger und gleichermaßen gegenüber dem Beigeladenen obliegenden Fürsorgepflicht gehalten, alle aktuell standortbindungsrelevanten Umstände an den Vorgaben der mit dem Hauptpersonalrat getroffenen Dienstvereinbarung und dem gemeinsam entwickelten Sozialkriterienkatalog zu messen. Hinsichtlich im Sozialkriterienkatalog nicht erfasster Belastungen wird – unter Beteiligung des zuständigen Personalrat – zu prüfen sein, ob ihnen ein Gewicht zukommt, das eine Berücksichtigung bei der Zuerkennung der Sozialpunkte erforderlich macht und bejahendenfalls zu ermitteln sein, welche Anzahl von Sozialpunkten der Intensität der Belastung bei der gebotenen vergleichenden Betrachtung gerecht wird.

Im Rahmen der Bewertung des Betreuungsaufwands für den Bruder und dem hiermit begründeten Wunsch des Klägers, möglichst nicht im Schichtdienst arbeiten zu müssen, wird die Beklagte auch zu erwägen haben, ob und wenn ja welche Relevanz die Regelung unter Ziffer V.7 DV, eventuell auch die Regelung unter Ziffer V.9 DV, in diesem Zusammenhang haben kann.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 155 Abs. 1 Satz 1 2. Alt., 154 Abs. 3 VwGO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit rechtfertigt sich aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11 ZPO.

Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor (§§ 132 Abs. 2 VwGO, 127 BRRG).

Beschluss

Der Streitwert wird auch für das Berufungsverfahren auf 5.000,-- Euro festgesetzt (§§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 1 und Abs. 2, 47 Abs. 1 GKG).

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.

Gründe

Die zulässige Berufung des Klägers ist nach Maßgabe des Urteilstenors teilweise begründet und im Übrigen unbegründet.

Das mit dem Hauptantrag verfolgte Klagebegehren, die Beklagte unter Aufhebung von Bescheid und Widerspruchsbescheid zu verurteilen, dem Kläger den verfahrensgegenständlichen Dienstposten zu übertragen, ist – wie das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt hat – zulässig.

Soweit die Klage auf die Aufhebung des Bescheids vom 20.7.2011 und des Widerspruchsbescheids vom 1.9.2011 gerichtet ist, ist sie begründet. Ferner ist die Beklagte auf den Hilfsantrag hin zu verpflichten, unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senats erneut über die verfahrensgegenständliche Bewerbung des Klägers zu entscheiden. Insoweit unterliegt das angegriffene Urteil der Abänderung. Hinsichtlich des weitergehenden Antrags, die Beklagte zur Übertragung des angestrebten Dienstpostens an den Kläger zu verurteilen, bleibt die Berufung ohne Erfolg.

1. Dem Verwaltungsgericht ist zunächst darin zuzustimmen, dass die grundsätzliche Entscheidung der Beklagten, den vom Kläger erstrebten und - nur - unter Versetzungs- und Umsetzungsbewerbern zu vergebenden Dienstposten nicht nach den Kriterien der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung, sondern nach dem sozialen Gesichtspunkt der Standortbindung zu übertragen, aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden ist. Das Verwaltungsgericht hat überzeugend herausgearbeitet, dass die Beklagte die Organisationsgrundentscheidung getroffen hat, den in Rede stehenden Dienstposten nicht als Beförderungsdienstposten auszuschreiben, sondern Versetzungs- und Umsetzungsinteressierten zwecks einer sozialverträglichen personellen Umsetzung der Neuorganisation der Bundespolizei die Möglichkeit zu eröffnen, sich unter Hinweis auf ihre Wohnortnähe und Standortbindung auf diesen Dienstposten zu bewerben.

Zulässig ist ferner, dass die Beklagte sich angesichts der Vielzahl der im Rahmen der Neuorganisation der Bundespolizei zu treffenden Auswahlentscheidungen entschlossen hat, im Wege einer Dienstvereinbarung mit dem Hauptpersonalrat einen Sozialkriterienkatalog zu erstellen, um eine Grundlage für die Anlegung möglichst gleichmäßiger Auswahlkriterien in Bezug auf das Merkmal Standortbindung zu schaffen. Hiernach ist die Auswahl zwischen mehreren Bewerbern mit Standortbindung nach der anhand des Sozialkriterienkataloges zu ermittelnden Sozialpunktezahl zu treffen.

2. Die zu Ungunsten des Klägers getroffene Auswahlentscheidung ist mangels hinreichender Einbeziehung des entscheidungserheblichen Sachverhalts in die Ermittlung der zu vergebenden Sozialpunkte – auch in der Gestalt, die sie durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat – rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.

2.1. Sie wird ausschließlich damit begründet, dass sich bei der anhand der Dienstvereinbarung und des Sozialkriterienkataloges zu ermittelnden Standortbindung ein Vorsprung des Beigeladenen ergeben habe, weil diesem 28 Sozialpunkte und dem Kläger nur 25 Sozialpunkte zuzuerkennen seien. Nach den dortigen Vorgaben könne das Vorbringen des Klägers, er sei aufgrund der Schwerbehinderung seines Bruders einer zusätzlichen besonderen Belastung ausgesetzt, keine Berücksichtigung finden. Denn der Umstand, dass die diesbezüglich geschilderten Belastungen zwar Eingang in den Sozialkriterienkatalog hätten finden können, aber nicht gefunden haben, habe zur Folge, dass sie nicht berücksichtigungsfähig seien. Die so begründete Umsetzung der Vorgaben der Dienstvereinbarung und des Sozialkriterienkataloges auf die konkreten Lebensumstände des Klägers ist fehlerbehaftet.

Die Beklagte war aus Gründen der ihr gegenüber dem Kläger obliegenden Fürsorgepflicht gehalten, die mit dessen Schreiben vom 15.6.2011 zusätzlich geltend gemachte Belastung durch das Ehrenamt zusätzlich mit einem Sozialpunkt zu belegen und die Belastung infolge der Behinderung des Bruders zum Anlass zu nehmen, die Frage zu prüfen, ob diese die Vergabe von Sozialpunkten rechtfertigt und die zuständige Personalvertretung nach Maßgabe der Ziffer II.8 DV mit der Angelegenheit zu befassen. Durch die Nichtberücksichtigung der geltend gemachten Belastungen hat die Beklagte die ihr gegenüber dem Kläger obliegende Fürsorgepflicht verletzt. Dies ergibt sich aus der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts.

Die Regelungen der Dienstvereinbarung und des Sozialkriterienkataloges und deren Anwendung durch die Beklagte auf die jeweils zu treffende Auswahlentscheidung müssen gewährleisten, dass alle fürsorgepflichtrelevanten Umstände der privaten Lebensführung der einzelnen Beamten vor einer den Ort der Dienstverrichtung berührenden Personalentscheidung ermittelt und mit dem ihnen zukommenden Gewicht in die Abwägung eingestellt werden können. Nach der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts(BVerwG, Beschluss vom 18.2.2013 - 2 B 51/12 -, juris Rdnrn. 8 ff.) ist der Dienstherr aufgrund der ihm obliegenden Fürsorgepflicht gehalten, die ihm untergebenen Beamten mit Gerechtigkeit zu behandeln, ihnen die Erfüllung ihres Dienstes nach Möglichkeit zu erleichtern und ihre Belange wohlwollend zu berücksichtigen und zu wahren. Demgemäß muss der Dienstherr - so das Bundesverwaltungsgericht - zur Vorbereitung einer Versetzungsentscheidung nicht nur - wie in der Rechtsprechung seit langem anerkannt (BVerwG, Urteile vom 7.3.1968 – 2 C 137/67 -, Buchholz 232 § 26 BBG Nr. 9 S. 50 f., und vom 13.2.1969 - 2 C 114/65 -, Buchholz 232 § 26 BBG Nr. 11 S. 4 f.)- prüfen, ob es substantiierte Anhaltspunkte für eine eventuelle Schädigung der körperlichen oder seelischen Gesundheit des Beamten infolge der Personalmaßnahme gibt, sondern auch besondere Schutzbedürfnisse des Beamten aus dem von Art. 6 GG geschützten Bereich von Ehe und Familie sowie andere, mit dem Wechsel des Dienstortes verbundene Nachteile für die private Lebensführung des Beamten ermitteln und bei seiner Auswahlentscheidung berücksichtigen. Er kann sich durch eine Dienstvereinbarung nicht von Verpflichtungen, die ihm im Verhältnis zu jedem einzelnen Beamten von Verfassungs wegen oder kraft Gesetzes obliegen, befreien.

Dies gilt uneingeschränkt auch in Fallgestaltungen der vorliegenden Art, in denen es nicht um eine (Weg-) Versetzung zu einem anderen für den betroffenen Beamten mit Blick auf seine private Lebensführung potentiell ungünstigeren Dienstort geht, sondern ein freier Dienstposten nach der von der Zielsetzung, die Zufriedenheit innerhalb der Bediensteten zu steigern, getragenen Grundsatzentscheidung des Dienstherrn an denjenigen Beamten vergeben werden soll, der aufgrund seiner privaten Lebensverhältnisse das schutzwürdigste Interesse an einer wohnortnahen dienstlichen Verwendung hat. Auch unter diesen Voraussetzungen kann der Dienstherr eine gerechte, die jeweiligen privaten Belange angemessen und wohlwollend berücksichtigende Auswahlentscheidung zwischen mehreren Bewerbern um einen mit einem Dienstortwechsel verbundenen Dienstposten nur treffen, wenn er alle fürsorgepflichtrelevanten Umstände der privaten Lebensführung ermittelt und sie ihrem Gewicht entsprechend in seine Abwägung einbezieht. Entwickelt der Dienstherr zu diesem Zweck gemeinsam mit dem zuständigen Personalrat einen Katalog von Sozialkriterien und ein entsprechendes Punktesystem, so müssen deren Inhalt, Auslegung und einzelfallbezogene Anwendung gewährleisten, dass kein aufgrund der Fürsorgepflicht zu beachtender Umstand der privaten Lebensführung des einzelnen Beamten unberücksichtigt bleibt.

Gemessen an diesem rechtlichen Rahmen ist festzustellen, dass Ziffer 5 des zur Umsetzung der verfahrensgegenständlichen Dienstvereinbarung erlassenen Sozialkriterienkatalogs in der von der Beklagten vertretenen Auslegung des Regelungsinhalts und der hierauf basierenden Handhabung der Vorschrift durch die Beklagte nicht den Anforderungen entspricht, die eine Dienstvereinbarung nach der in Bezug genommenen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts erfüllen muss, um eine ermessensfehlerfreie Auswahlentscheidung des Dienstherrn im Falle der Konkurrenz mehrerer Bewerber um einen konkreten Dienstposten zu ermöglichen. Ist nämlich der Dienstherr aufgrund seiner Fürsorgepflicht gehalten, alle relevanten Lebensumstände des Beamten in eine nach Sozialkriterien zu treffende Entscheidung einzubeziehen, so ist ihm versagt, seine Fürsorgepflicht im Wege einer Dienstvereinbarung nur auf ganz bestimmte Lebensumstände zu beschränken und allein diese als ermessensrelevant anzuerkennen.

Fallbezogen hat die Beklagte im Verlauf sowohl des Verwaltungs- als auch des Gerichtsverfahrens immer wieder bekräftigt, der Regelung unter Ziffer 5 des Sozialkriterienkatalogs liege eine Ermessensentscheidung des Inhalts zugrunde, dass besondere Belastungen eines Beamten infolge gesundheitlicher Beeinträchtigungen eines Angehörigen nur in den beiden ausdrücklich aufgeführten Fallgestaltungen – Schwerbehinderung des Ehe- bzw. Lebenspartners bzw. eines Kindes oder Pflegefall der Pflegestufe 1, 2 oder 3 im eigenen Haushalt bzw. in der unmittelbaren Umgebung – in die Ermittlung des Gewichts der Standortbindung einbezogen werden dürften. Dieses Verständnis der Vorschrift verbietet sich, denn Ermessensentscheidungen, die im Widerspruch zu der Fürsorgepflicht des Dienstherrn nicht alle abwägungsrelevanten Belange einbeziehen, dürfen auch nicht unter dem Etikett einer Dienstvereinbarung getroffen werden.

So wie von der Beklagten verstanden würde die Regelung dazu führen, dass eine wohl beträchtliche Anzahl nach der Lebenserfahrung vorkommender besonderer Belastungen eines Beamten infolge familiärer Verpflichtungen gegenüber hilfebedürftigen Verwandten ungeachtet eventueller gravierender Auswirkungen auf die private Lebensführung von vornherein nicht zur Zuerkennung von Sozialpunkten führen kann. So verstanden wären die Dienstvereinbarung und der zugehörige Sozialkriterienkatalog nicht rechtens. Denn durch Abschluss einer Dienstvereinbarung kann der Dienstherr sich nicht von seiner Verpflichtung befreien, alle potentiell fürsorgepflichtrelevanten Umstände der privaten Lebensführung des Beamten in Entscheidungen einzubeziehen, die sich erschwerend oder erleichternd unmittelbar auf die private Lebensgestaltung des Beamten auswirken. Indes rechtfertigt die Dienstvereinbarung von ihrem Wortlaut sowie Sinn und Zweck her durchaus ein Verständnis ihrer Vorgaben, das mit der Fürsorgepflicht des Dienstherrn in Einklang steht.

Gerade zur Vermeidung einer Kollision des Sozialkriterienkatalogs mit den dem Dienstherrn aus der Fürsorgepflicht erwachsenen Pflichten dürfte die Regelung unter Ziffer II.8 DV Eingang in die Dienstvereinbarung gefunden haben. Hiernach werden besondere Fälle, die durch den Sozialkriterienkatalog nicht angemessen geregelt werden können, im Einzelfall mit Zustimmung der zuständigen Personalvertretung entschieden. Dies wirkt - soweit es um soziale Belastungen aufgrund familiärer Bindungen geht - einer schablonenhaften Beschränkung der Berücksichtigungsfähigkeit familiärer Verpflichtungen eines Beamten auf bestimmte typische Fallgestaltungen entgegen. Die Regelung dient zum Ausgleich des Umstandes, dass es den Rahmen eines handhabbaren Sozialkriterienkataloges sprengen würde, wenn in ihm jede denkbare, vielleicht nur in seltenen Einzelfällen vorkommende Hilfe für Angehörige, deren Ausmaß eine Punktvergabe rechtfertigen oder gar gebieten könnte, aufgeführt sein müsste. Ein Sozialkriterienkatalog kann nur typische Fallgruppen aufgreifen und angemessen regeln. In allen anderen Konstellationen kann der Dienstherr seiner Fürsorgepflicht nur mittels einer Einzelfallprüfung gerecht werden. Zwar wird sicherlich nicht jedes mehr oder weniger regelmäßige Tätigwerden zugunsten eines in irgendeiner Weise auf Unterstützung angewiesenen Angehörigen Anlass zur Vergabe eines oder mehrerer Sozialpunkte geben können, weil viele Hilfeleistungen für nahe Angehörige ihrem Umfang nach den Rahmen sozialadäquater - oftmals auch gegenseitiger - Unterstützung nicht überschreiten und sich mithin nicht als besondere vom Dienstherrn bei Wahrnehmung seiner Fürsorgepflicht zu berücksichtigende Belastung darzustellen vermögen.

So macht der Kläger nicht geltend, infolge von Hilfestellungen zugunsten seines schwerbehinderten Vaters und seiner Mutter, die in einem eigenen Haushalt leben, in besonderer den sozialüblichen Rahmen übersteigender Weise belastet zu sein. Er beruft sich vielmehr darauf, dass er in die Fürsorge für seinen zu 100 v.H. schwerbehinderten Bruder eingebunden sei. Dieser lebe zwar bei den Eltern und werde von diesen, was Essen und Haushaltsführung angehe, auch versorgt, sei aber aufgrund seiner Behinderung auf bestimmte tagtägliche Kontakte mit einer engen Bezugsperson - dem Kläger - angewiesen und könne seine außerhäuslichen Angelegenheiten, wie etwa geschäftliche Dinge, Arztbesuche oder Behördengänge, nicht ohne Hilfe bewältigen. Demgemäß stehe er unter Betreuung, wobei zunächst der Vater als Betreuer und er, der Kläger, als Ersatzbetreuer bestellt gewesen seien und - nachdem der Vater dieser Aufgabe aus gesundheitlichen Gründen zunehmend nicht mehr gewachsen gewesen sei - er durch Amtsgerichtsbeschluss vom 13.9.2011 als Betreuer eingesetzt worden sei. Diese Situation ist sicherlich keine typische, so dass ihre Berücksichtigung in einem Sozialkriterienkatalog nicht erwartet werden kann. Dies entbindet den Dienstherrn aber nicht von der Prüfung der Frage, ob die durch sie bedingte Belastung des Beamten es von ihrer Intensität her erforderlich macht, sie mit einem oder mehreren Sozialpunkten zu belegen.

Diese Frage hat die Beklagte nach Aktenlage - insbesondere dem Inhalt des Vermerks vom 15.6.2011 und ihren Bekundungen im Verlauf des Gerichtsverfahrens zufolge - nicht geprüft, obwohl der Kläger Umstände vorgetragen hat, die nicht von vornherein ungeeignet zur Darlegung einer besonderen Belastung erscheinen. Ihr Standpunkt, dass der Sozialkriterienkatalog abschließend regele, welche gesundheitlichen Beeinträchtigungen von Angehörigen zur Vergabe von Sozialpunkten führen, und dass alle anderen Belastungen infolge von Hilfeleistungen für Angehörige bei der Ermittlung der Standortbindung nicht - auch nicht über den Auffangtatbestand der Ziffer II.8 DV - berücksichtigt werden könnten, widerspricht den durch die Fürsorgepflicht des Dienstherrn geprägten rechtlichen Anforderungen. So erscheint es im Vergleich mit Lebensumständen, die nach dem Sozialkriterienkatalog eine Punktevergabe zur Folge haben, nicht ausgeschlossen, sondern nach Dafürhalten des Senats naheliegend, wenn nicht geboten, der Belastung des Klägers aufgrund der Behinderung seines Bruders ein Gewicht zuzusprechen, das die Vergabe von einem oder mehreren Sozialpunkten rechtfertigen könnte. Hierfür spricht insbesondere die unter Ziffer 7 des Sozialkriterienkatalogs getroffene Regelung, wonach Ehrenämter in der Betreuung behinderter Personen die Vergabe eines Sozialpunktes zur Folge haben. Insoweit erschließt sich dem Senat nicht, aus welchen sachlichen mit Blick auf den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz tragfähigen Gründen Betreuungsaufwand, der seine Ursache nicht in einem Ehrenamt, sondern in den engen familiären Bindungen unter Geschwistern hat – ohne dass es auf das konkrete Ausmaß des Aufwandes ankäme –, von vornherein nicht als sozialrelevante Belastung in Betracht kommen sollte.

2.2. Die von der Beklagten aufgeworfene Frage, ob es auf all dies angesichts des Zeitpunkts, zu dem der Kläger erstmals die Anerkennung von Sozialpunkten wegen der Hilfebedürftigkeit seines Bruders beantragt hat, überhaupt ankommen kann, ist zu bejahen.

Die Beklagte verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass der Kläger seinen Einsatz zur (Mit-)Betreuung des Bruders anfänglich bei Ausfüllen des Sozialfragebogens am 14.3.2011 nicht als besondere soziale Belastung geltend gemacht und diesen Aspekt auch bei der ersten Korrektur seiner Angaben am 5.5.2011 anlässlich der Bitte um zusätzliche Berücksichtigung der zwischenzeitlich anerkannten Schwerbehinderung seiner Ehefrau nicht angesprochen hat. Dementsprechend sei die in dem Stellenbesetzungsvermerk vom 8.6.2011 dokumentierte Personalauswahlentscheidung unter der Prämisse getroffen worden, dass die sozialen Belange aller Bewerber, also auch des Klägers, vollständig ermittelt und berücksichtigt worden seien. Erst am 15.6.2011 habe der Kläger geltend gemacht, wichtige Punkte vergessen zu haben, und sein ehrenamtliches Engagement im Kindergarten sowie seinen Einsatz für seinen Bruder als zusätzlich zu berücksichtigende Belastungen angeführt. Diese Angaben seien geprüft worden, obwohl nach der Dienstvereinbarung keine Verpflichtung mehr hierzu bestanden habe. Denn nach Ziffer II.5 DV sei die zum Zeitpunkt der Personalauswahlentscheidung bestehende Sozialpunktezahl für den Vergleich unter mehreren Bewerbern maßgeblich. Dieser Zeitpunkt sei bei erstmaliger Geltendmachung der nunmehr strittigen Belange bereits verstrichen gewesen. Dieser Argumentation kann nicht gefolgt werden.

Fest steht insoweit zwar, dass der mit der Auswahlentscheidung befasste Bedienstete der Beklagten die ihm vorgelegten Bewerbungen um den Dienstposten am 8.6.2011 ausgewertet hat, auf dieser Grundlage zum Ergebnis gelangt ist, dass der Dienstposten wegen Erreichens der höchsten Sozialpunktezahl mit dem Beigeladenen zu besetzen ist, und einen entsprechenden, seine Erwägungen im Einzelnen festhaltenden Stellenbesetzungsvermerk gefertigt hat, der am 9.6.2011 von seinen beiden Vorgesetzten gegengezeichnet worden ist. Allerdings hatte diese Entscheidung noch internen Charakter; insbesondere stand die Beteiligung der Gleichstellungsbeauftragten und des Gesamtpersonalrates noch aus. Bevor die diesbezüglich notwendigen Schritte am 17.6.2011 (Anschreiben an die Gleichstellungsbeauftragte/Zustimmung am 21.6.2011) bzw. am 27.6.2011 (Anschreiben an den Gesamtpersonalrat/Zustimmung am 14.7.2011) eingeleitet und abgeschlossen waren und den Betroffenen die Auswahlentscheidung jeweils mit Schreiben vom 20.7.2011 mitgeteilt worden ist, ist der Kläger mit dem Anliegen der Berücksichtigung u.a. der Hilfebedürftigkeit seines Bruders am 15.6.2011 an die Beklagte herangetreten. Völlig zu Recht hat die Beklagte dieses Anliegen damals – allerdings mit dem bekannten Ergebnis – zum Anlass der Überprüfung der zu vergebenden Sozialpunkte genommen.

Zu diesem Zeitpunkt und auch anlässlich der Überprüfung des Widerspruchs des Klägers gegen die Auswahlentscheidung hat die Beklagte ausweislich des Widerspruchsbescheids vom 1.9.2011 selbst nicht angenommen, dass das neue Vorbringen des Klägers zu spät geltend gemacht worden sei. Vielmehr hat sie dem Kläger in den Gründen ihrer Widerspruchsentscheidung einleitend mitgeteilt, dass die von ihm am 15.6.2011 nachgereichten Unterlagen zur Schwerbehinderung seines Bruders geprüft und in die Stellenbesetzungsentscheidung eingeflossen seien. Hieran muss sie sich festhalten lassen.

Erstmals im gerichtlichen Verfahren hat die Beklagte argumentiert, das Vorbringen des Klägers vom 15.6.2011 habe ohnehin - unabhängig von seiner rechtlichen Relevanz - keine Verpflichtung zu einer Erhöhung der vergebenen Sozialpunkte begründen können, weil gemäß Ziffer II.5 Satz 3 DV allein die zur Zeit der Personalauswahlentscheidung bestehende Sozialpunktezahl maßgeblich sei. Dieses Argument verfängt nicht.

Die Beklagte verkennt, dass eine Personalentscheidung erst getroffen ist, wenn die zu beteiligenden Mitbestimmungsgremien ihr zugestimmt haben und der Dienstherr sich entschließt, an ihr festzuhalten und sie durch Bekanntgabe an den hiernach erfolgreichen Bewerber und seine unterlegenen Konkurrenten umzusetzen. Dementsprechend musste das Vorbringen des Klägers vom 15.6.2011 - wie geschehen - geprüft werden. Dass dabei die rechtliche Tragweite der unter Ziffer II.8 DV getroffenen Regelung verkannt und diese Vorschrift als nicht einschlägig erachtet wurde, führt zur Fehlerhaftigkeit der Auswahlentscheidung.

Dieser Fehler wurde im Rahmen des Widerspruchsverfahrens nicht behoben.

Nach § 126 Abs. 3 Nrn. 1 und 4 BRRG setzen alle Klagen eines Beamten aus dem Beamtenverhältnis einschließlich der Leistungs- und Feststellungsklage - sofern gesetzlich nichts anderes bestimmt ist - die vorherige Durchführung eines Widerspruchsverfahrens voraus. Zu der Zielsetzung dieser Regelung hat das Bundesverwaltungsgericht(BVerwG, Urteil vom 30.10.2013 - 2 C 23/12 -, juris Rdnr. 20) erst kürzlich ausgeführt, der Gesetzgeber habe das Erfordernis des Widerspruchsverfahrens auf alle Streitigkeiten aus dem Beamtenverhältnis erstreckt, um sicherzustellen, dass Beamte vor der Anrufung der Verwaltungsgerichte den Dienstherrn mit ihren Anliegen befassen. Das Widerspruchsverfahren diene unter anderem der Selbstkontrolle des Dienstherrn. Diesem solle stets die Möglichkeit eröffnet werden, einen gerichtlichen Rechtsstreit zu vermeiden, sei es durch Abhilfe, durch gütliche Einigung, soweit dies rechtlich möglich ist, oder durch nähere Begründung seines Rechtsstandpunktes.

Der Kläger hat in seinem Widerspruchsschreiben vom 8.8.2011 in Ergänzung seines Schreibens vom 15.6.2011, wenn auch nur mit knapp gehaltenen Ausführungen, den Grund und das Ausmaß der Behinderung seines Bruders sowie den Umstand dargelegt, dass er in dessen Betreuung eingebunden sei, und damit substantiiert Anhaltspunkte für das eventuelle Bestehen einer besonderen sozialen Belastung vorgetragen.

Die Beklagte war im Rahmen der Bearbeitung des Widerspruchs gehalten, alle ihr bekannt gewordenen standortbezogenen Lebensumstände des Klägers auf ihre eventuelle Relevanz für die Vergabe von Sozialpunkten zu überprüfen und gegebenenfalls – sofern der Sozialkriterienkatalog dies vorsieht (Ehrenamt) – zu berücksichtigen bzw. bei Vorliegen substantiierter Anhaltspunkte für eine im Sozialkriterienkatalog nicht erfasste besondere Belastung eine Einzelfallentscheidung nach Ziffer II.8 DV zu ermöglichen. Sie hätte den Umfang der vorgetragenen und nicht grundsätzlich angezweifelten Belastung des Klägers infolge der Behinderung seines Bruders in tatsächlicher Hinsicht aufklären und durch einen wertenden Vergleich mit den im Sozialkriterienkatalog geregelten Tatbeständen unter Einbeziehung aufgetretener Referenzfälle gewichten müssen. Diese Notwendigkeit hat die Beklagte indes nicht erkannt und fürsorgepflichtwidrig – ebenso wie im Prozess – an ihrer der angegriffenen Auswahlentscheidung zu Grunde liegenden Rechtsansicht festgehalten, die in Bezug auf den Bruder des Klägers bekannt gewordenen Umstände seien von vornherein nicht von Relevanz.

Hinsichtlich Entscheidungen, die unter Beachtung des Art. 33 Abs. 2 GG zu treffen sind, ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung geklärt, dass deren Rechtmäßigkeit sich grundsätzlich(anders (Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz), wenn zu entscheiden ist, ob einem Einstellungsantrag im Hinblick auf ein gesetzliches Tatbestandsmerkmal aus Rechtsgründen stattgegeben werden muss oder nicht stattgegeben werden darf: BVerwG, Urteil vom 24.6.2004 - 2 C 45/03 -, juris Rdnr. 18; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 22.1.2002 - 1 C 6/01 -, juris Rdnr. 9) nach der Sach- und Rechtslage zur Zeit der letzten Behördenentscheidung bestimmt, sie also im gerichtlichen Verfahren nicht mit einer neuen Auswahlbegründung aufrechterhalten werden können.(BVerwG, Urteile vom 27.11.1980 - 2 C 38/79 -, BVerwGE 61, 176, 191 f., und vom 25.11.2004 -  2 C 17/03 -, juris Rdnrn. 17 und 20; Beschlüsse vom 16.12.2008 - 1 WB 19/08 -, juris Rdnrn. 46 ff., und vom 27.1.2010 - 1 WB 52/08 -, juris Rdnr. 37) Ob dies bei einer nach sozialen Kriterien zu treffenden Auswahlentscheidung genauso zu sehen ist, kann fallbezogen dahinstehen. Denn die Beklagte hat im gerichtlichen Verfahren keinen – zumindest keinen sachlich vertretbaren – Versuch unternommen, die klägerseits geltend gemachte Belastung infolge der Behinderung des Bruders in ihr Sozialpunktesystem einzureihen.

Nach alldem hat die Beklagte ihre Fürsorgepflicht verletzt. Auswahlentscheidung und Widerspruchsbescheid unterliegen der Aufhebung.

3. Das weitere mit dem Hauptantrag der Klage verfolgte Begehren, die Beklagte zur Übertragung des angestrebten Dienstpostens an den Kläger zu verurteilen, kann – anders als der auf erneute Auswahlentscheidung unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senats zielende Hilfsantrag – keinen Erfolg haben.

Der Senat ist nicht befugt, die nach Ziffer II.8 DV der Beklagten und der zuständigen Personalvertretung vorbehaltene Einzelfallwürdigung und -entscheidung selbst zu treffen. Denn ob eine sozialpunkterelevante Konstellation – gegebenenfalls mit welcher in Punkten auszudrückenden Intensität – gegeben ist oder nicht, obliegt nicht primär der Beurteilung durch den Senat, sondern der vergleichenden Würdigung durch die Beklagte und die zuständige Personalvertretung. Dass das Ermessen – ausnahmsweise – zu Gunsten des Klägers auf Null reduziert wäre, also allein die Vergabe des Dienstpostens an ihn in Betracht käme, ist nicht annehmbar.

Denn ein Erfolg der Klage mit dem Hauptantrag, dem Kläger den begehrten Dienstposten zu übertragen, würde zwingend voraussetzen, dass die erneute Überprüfung der Sozialrelevanz der mit Schreiben vom 15.6.2011 geltend gemachten Belastungen zu dem Ergebnis führen würde, dass dem Kläger - aktuell - zumindest die gleiche Zahl an Sozialpunkten zustünde wie dem Beigeladenen. Indes ist derzeit nicht absehbar, sondern vielmehr offen, zu welchem Ergebnis die nach Ziffer II.8 DV notwendige vergleichende Betrachtung führen wird, so dass die Klage mit ihrem Hauptantrag der Zurückweisung unterliegt.

Der auf erneute Entscheidung der Beklagten über die Bewerbung des Klägers zielende Hilfsantrag hat Erfolg. Die Auswahlentscheidung muss wiederholt werden.

Sie ist unter Zugrundelegung der aktuellen Gegebenheiten zu treffen. Denn die Zuweisung des verfahrensgegenständlichen Dienstpostens an den Beigeladenen konnte infolge des Rechtsstreits im Verhältnis zu dem Kläger keine Verbindlichkeit erlangen. In Konsequenz der Rechtswidrigkeit der Auswahlentscheidung ist der Dienstposten nach wie vor zu vergeben. Da die Auswahlentscheidung nach der Organisationsgrundentscheidung der Beklagten nach Sozialkriterien, insbesondere dem Kriterium der Standortbindung zu treffen ist, ist für die neu zu treffende Auswahlentscheidung maßgeblich, welcher der beiden verbliebenen Bewerber die intensivere Standortbindung geltend machen kann. Insoweit legt das maßgebliche materielle Recht den Schluss nahe, dass eine an Sozialkriterien zu orientierende Dienstpostenvergabe die zur Zeit der Auswahlentscheidung aktuellen Lebensumstände der Bewerber in den Blick nehmen muss. Es widerspräche Sinn und Zweck dieser Organisationsgrundentscheidung, einen Bewerber wegen der Intensität seiner Sozialbindung zur Zeit der Stellenausschreibung und des Auswahlverfahrens zu bevorzugen, obwohl er im Zeitpunkt der (neu vorzunehmenden) Auswahlentscheidung nicht die höchste Sozialpunktezahl vorzuweisen hat und damit aktuell nicht der Bewerber mit der intensivsten Standortbindung ist.

Die Beklagte ist nach alldem im Rahmen der neuen Auswahlentscheidung zur vollständigen Ermittlung des entscheidungserheblichen Sachverhalts verpflichtet und aufgrund der ihr gegenüber dem Kläger und gleichermaßen gegenüber dem Beigeladenen obliegenden Fürsorgepflicht gehalten, alle aktuell standortbindungsrelevanten Umstände an den Vorgaben der mit dem Hauptpersonalrat getroffenen Dienstvereinbarung und dem gemeinsam entwickelten Sozialkriterienkatalog zu messen. Hinsichtlich im Sozialkriterienkatalog nicht erfasster Belastungen wird – unter Beteiligung des zuständigen Personalrat – zu prüfen sein, ob ihnen ein Gewicht zukommt, das eine Berücksichtigung bei der Zuerkennung der Sozialpunkte erforderlich macht und bejahendenfalls zu ermitteln sein, welche Anzahl von Sozialpunkten der Intensität der Belastung bei der gebotenen vergleichenden Betrachtung gerecht wird.

Im Rahmen der Bewertung des Betreuungsaufwands für den Bruder und dem hiermit begründeten Wunsch des Klägers, möglichst nicht im Schichtdienst arbeiten zu müssen, wird die Beklagte auch zu erwägen haben, ob und wenn ja welche Relevanz die Regelung unter Ziffer V.7 DV, eventuell auch die Regelung unter Ziffer V.9 DV, in diesem Zusammenhang haben kann.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 155 Abs. 1 Satz 1 2. Alt., 154 Abs. 3 VwGO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit rechtfertigt sich aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11 ZPO.

Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor (§§ 132 Abs. 2 VwGO, 127 BRRG).

Beschluss

Der Streitwert wird auch für das Berufungsverfahren auf 5.000,-- Euro festgesetzt (§§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 1 und Abs. 2, 47 Abs. 1 GKG).

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.

(1) Im Flächennutzungsplan können die für die Bebauung vorgesehenen Flächen nach der allgemeinen Art ihrer baulichen Nutzung (Bauflächen) dargestellt werden als

1.Wohnbauflächen(W)
2.gemischte Bauflächen(M)
3.gewerbliche Bauflächen(G)
4.Sonderbauflächen(S).

(2) Die für die Bebauung vorgesehenen Flächen können nach der besonderen Art ihrer baulichen Nutzung (Baugebiete) dargestellt werden als

1.Kleinsiedlungsgebiete(WS)
2.reine Wohngebiete(WR)
3.allgemeine Wohngebiete(WA)
4.besondere Wohngebiete(WB)
5.Dorfgebiete(MD)
6.dörfliche Wohngebiete(MDW)
7.Mischgebiete(MI)
8.urbane Gebiete(MU)
9.Kerngebiete(MK)
10.Gewerbegebiete(GE)
11.Industriegebiete(GI)
12.Sondergebiete(SO).

(3) Im Bebauungsplan können die in Absatz 2 bezeichneten Baugebiete festgesetzt werden. Durch die Festsetzung werden die Vorschriften der §§ 2 bis 14 Bestandteil des Bebauungsplans, soweit nicht auf Grund der Absätze 4 bis 10 etwas anderes bestimmt wird. Bei Festsetzung von Sondergebieten finden die Vorschriften über besondere Festsetzungen nach den Absätzen 4 bis 10 keine Anwendung; besondere Festsetzungen über die Art der Nutzung können nach den §§ 10 und 11 getroffen werden.

(4) Für die in den §§ 4 bis 9 bezeichneten Baugebiete können im Bebauungsplan für das jeweilige Baugebiet Festsetzungen getroffen werden, die das Baugebiet

1.
nach der Art der zulässigen Nutzung,
2.
nach der Art der Betriebe und Anlagen und deren besonderen Bedürfnissen und Eigenschaften
gliedern. Die Festsetzungen nach Satz 1 können auch für mehrere Gewerbegebiete einer Gemeinde im Verhältnis zueinander getroffen werden; dies gilt auch für Industriegebiete. Absatz 5 bleibt unberührt.

(5) Im Bebauungsplan kann festgesetzt werden, dass bestimmte Arten von Nutzungen, die nach den §§ 2 bis 9 sowie 13 und 13a allgemein zulässig sind, nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können, sofern die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets gewahrt bleibt.

(6) Im Bebauungsplan kann festgesetzt werden, dass alle oder einzelne Ausnahmen, die in den Baugebieten nach den §§ 2 bis 9 vorgesehen sind,

1.
nicht Bestandteil des Bebauungsplans werden oder
2.
in dem Baugebiet allgemein zulässig sind, sofern die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets gewahrt bleibt.

(7) In Bebauungsplänen für Baugebiete nach den §§ 4 bis 9 kann, wenn besondere städtebauliche Gründe dies rechtfertigen (§ 9 Absatz 3 des Baugesetzbuchs), festgesetzt werden, dass in bestimmten Geschossen, Ebenen oder sonstigen Teilen baulicher Anlagen

1.
nur einzelne oder mehrere der in dem Baugebiet allgemein zulässigen Nutzungen zulässig sind,
2.
einzelne oder mehrere der in dem Baugebiet allgemein zulässigen Nutzungen unzulässig sind oder als Ausnahme zugelassen werden können oder
3.
alle oder einzelne Ausnahmen, die in den Baugebieten nach den §§ 4 bis 9 vorgesehen sind, nicht zulässig oder, sofern die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets gewahrt bleibt, allgemein zulässig sind.

(8) Die Festsetzungen nach den Absätzen 4 bis 7 können sich auch auf Teile des Baugebiets beschränken.

(9) Wenn besondere städtebauliche Gründe dies rechtfertigen, kann im Bebauungsplan bei Anwendung der Absätze 5 bis 8 festgesetzt werden, dass nur bestimmte Arten der in den Baugebieten allgemein oder ausnahmsweise zulässigen baulichen oder sonstigen Anlagen zulässig oder nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können.

(10) Wären bei Festsetzung eines Baugebiets nach den §§ 2 bis 9 in überwiegend bebauten Gebieten bestimmte vorhandene bauliche und sonstige Anlagen unzulässig, kann im Bebauungsplan festgesetzt werden, dass Erweiterungen, Änderungen, Nutzungsänderungen und Erneuerungen dieser Anlagen allgemein zulässig sind oder ausnahmsweise zugelassen werden können. Im Bebauungsplan können nähere Bestimmungen über die Zulässigkeit getroffen werden. Die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets muss in seinen übrigen Teilen gewahrt bleiben. Die Sätze 1 bis 3 gelten auch für die Änderung und Ergänzung von Bebauungsplänen.

Gründe

1

Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulassung der Revision bleibt ohne Erfolg. Die Rechtssache hat nicht die von der Beschwerde geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung.

2

1. Als rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftig bezeichnet die Beschwerde die Frage, wann von einer Erforderlichkeit der Planung nach § 1 Abs. 3 BauGB ausgegangen werden kann, wenn nur der "Bestand gesichert" werden soll.

3

Diese Frage ist nicht klärungsbedürftig. In der Rechtsprechung des Senats ist bereits geklärt, dass nicht erforderlich im Sinne des § 1 Abs. 3 BauGB nur solche Bebauungspläne sind, die einer positiven Planungskonzeption entbehren und ersichtlich der Förderung von Zielen dienen, für deren Verwirklichung die Planungsinstrumente des Baugesetzbuchs nicht bestimmt sind. Davon ist u.a. auszugehen, wenn eine positive Zielsetzung nur vorgeschoben wird, um eine in Wahrheit auf bloße Verhinderung gerichtete Planung zu verdecken (Beschluss vom 11. Mai 1999 - BVerwG 4 BN 15.99 - Buchholz 406.12 § 1 BauNVO Nr. 27 m.w.N.). Ein solcher Fall ist nicht schon dann gegeben, wenn der Hauptzweck der Festsetzungen in der Verhinderung bestimmter städtebaulich relevanter Nutzungen besteht. Eine Gemeinde darf mit der Bauleitplanung grundsätzlich auch städtebauliche Ziele verfolgen, die mehr auf Bewahrung als auf Veränderung der vorhandenen Situation zielen. Festsetzungen in einem Bebauungsplan sind nur dann als "Negativplanung" unzulässig, wenn sie nicht dem planerischen Willen der Gemeinde entsprechen, sondern nur vorgeschoben sind, um eine andere Nutzung zu verhindern (Beschluss vom 18. Dezember 1990 - BVerwG 4 NB 8.90 - Buchholz 406.11 § 9 BBauG/BauGB Nr. 47).

4

Im vorliegenden Fall hat der Verwaltungsgerichtshof die Erforderlichkeit des Bebauungsplans einschließlich der für das Grundstück des Antragstellers festgesetzten Baugrenzen bejaht und zur Begründung ausgeführt: Nach der städtebaulichen Konzeption der Antragsgegnerin sollten im Plangebiet aus Gründen der Klimaverträglichkeit, der Durchgrünung der Hänge, der Einfügung in das Stadtbild, der Sicherung des charakteristischen Stadt- und Landschaftsbilds sowie des Erhalts der für die Halbhöhenlagen typischen Biotop- und Nutzungstypen die vorhandenen privat genutzten Grünflächen in ihrem Bestand gesichert werden; zusätzliche Neubauten oder die Kaltluftströme behindernde bauliche Erweiterungen sollten nicht zugelassen werden. Dies stelle eine rechtlich nicht zu beanstandende städtebauliche Konzeption dar (UA S. 11 f.). Inwieweit diese Begründung Anlass geben sollte, die dargelegte Rechtsprechung zur Erforderlichkeit von Bauleitplänen zu konkretisieren oder zu modifizieren, legt die Beschwerde nicht dar.

5

2. Die Beschwerde möchte weiter geklärt wissen, inwieweit sich die Antragsgegnerin durch den Rahmenplan Halbhöhenlagen für das konkrete Bebauungsplangebiet leiten lassen durfte und ob insoweit nicht eine unzulässige Vorabbindung erfolgte, die gegen § 1 Abs. 3 BauGB verstößt.

6

Diese Frage ist auf die Würdigung des Sachverhalts und die Rechtsanwendung im vorliegenden Einzelfall gerichtet. Inwieweit ihr eine allgemeine, über den vorliegenden Fall hinausgehende und damit rechtsgrundsätzliche Bedeutung zukommen sollte, legt die Beschwerde nicht dar.

7

3. Für rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftig hält die Beschwerde schließlich folgende Frage:

Kann eine Bebauungsplanung erforderlich im Sinne des § 1 Abs. 3 BauGB sein, wenn sie sich (ausschließlich) an Vorgaben einer Untersuchung (hier: des Rahmenplans Halbhöhenlagen in Stuttgart) orientiert, ohne dass dazu die erforderliche rechtliche Legitimation durch einen Abwägungsprozess mit den betroffenen Grundstückseigentümern stattgefunden hat?

8

Die Frage würde sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen. Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs hat sich die Antragsgegnerin nicht allein an den Vorgaben des Rahmenplans Halbhöhenlagen orientiert; sie hat darüber hinaus die Belange der betroffenen Grundeigentümer fehlerfrei abgewogen (UA S. 12 - 17). Einen Hinweis darauf, dass sich die Antragsgegnerin hierbei rechtlich an die Vorgaben des Rahmenplans gebunden glaubte, hat der Verwaltungsgerichtshof nicht gefunden (UA S. 18).

Tenor

Die Beklagte wird unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 22.3.2013 und unter Aufhebung des Bescheids vom 20.7.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1.9.2011 verpflichtet, unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senats erneut über die Bewerbung des Klägers betreffend den mit der Stellenausschreibung BPOLD KO/BXB-01 ausgeschriebenen Dienstposten eines Sachbearbeiters KfuV, Bewertungsebene A 8-9 mZ, bei der Bundespolizeiinspektion B. am Dienstort B. zu entscheiden.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger zur Hälfte und die Beklagte und der Beigeladene jeweils zu einem Viertel mit Ausnahme der jeweiligen außergerichtlichen Kosten, die jeder selbst trägt.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger erstrebt die Übertragung eines bei der Bundespolizeiinspektion B. am Dienstort B. eingerichteten Dienstpostens.

Er steht als Polizeihauptmeister (Besoldungsgruppe A 9) im Dienst der Beklagten und hat sich im Zuge der Neuorganisation der Bundespolizei auf die Stellenausschreibung vom 14.2.2011 um den Dienstposten eines Bearbeiters KfuV, Bewertungsebene A 8-9 mZ, beworben. Die einschlägige Dienstvereinbarung zwischen der Beklagten und dem Hauptpersonalrat vom 28.5.2008 - DV - gibt für die Vergabe von Dienstposten unter Versetzungs- bzw. Umsetzungsbewerbern vor, dass bei mehreren Bewerbern mit Standortbindung (Tagespendelbereich von bis zu 1,5 Stunden einfache Fahrt) das Gewicht der Standortbindung maßgeblich ist, wobei dieses Gewicht nach dem der Dienstvereinbarung als Anlage 1 beigefügten „Katalog Sozialkriterien“, der die Anzahl der den vorgesehenen Sozialkriterien zuzuordnenden Sozialpunkte regelt, bestimmt wird. Entscheidend ist nach Ziffer II.5 Satz 3 DV die zum Zeitpunkt der Personalauswahlentscheidung bestehende Sozialpunktezahl.

Hiernach wurden für den Kläger 25 Sozialpunkte und für den beigeladenen Mitbewerber 28 Sozialpunkte ermittelt, woraufhin im Stellenbesetzungsvermerk vom 8.6.2011 festgehalten wurde, dass von den Versetzungs- bzw. Umsetzungsbewerbern mit räumlicher Bindung der Beigeladene die höchste Sozialpunktezahl geltend machen könne, weswegen der Dienstposten mit ihm zu besetzen sei.

Am 15.6.2011 reichte der Kläger weitere Unterlagen ein und bat, diese bei der Ermittlung der Sozialpunkte zu berücksichtigen. So sei er seit Ende 2010 im Kindergarten seines Sohnes als stellvertretender Vorsitzender des Elternbeirats ehrenamtlich tätig und insbesondere seit 2002 als Ersatzbetreuer seines zu 100 v.H. schwerbehinderten und als hilfebedürftige Person eingestuften Bruders bestellt. Betreuer des Bruders sei sein Vater, der selbst zu 70 v.H. schwerbehindert sei, weswegen es vorkomme, dass er für diesen in der Betreuung einspringen müsse.

Die Unterlagen wurden seitens der Beklagten noch am 15.6.2011 geprüft. Dabei wurde in einem Vermerk festgehalten, dass die Stellung als Ersatzbetreuer des in einem fremden Haushalt lebenden Bruders keinen Tatbestand nach dem Sozialkriterienkatalog erfülle und daher keine Berücksichtigung finden könne. Für das Ehrenamt im Kindergarten könne allenfalls ein Sozialpunkt vergeben werden, was aber zu keiner Änderung der Besetzungsentscheidung vom 8.6.2011 führen könne.

Mit Schreiben vom 17.6.2011 wurde die Gleichstellungsbeauftragte der Bundespolizeidirektion K. über die Bewerberauswahl informiert, woraufhin diese unter dem 21.6.2011 ihr Einverständnis erklärte. Sodann erfolgte unter dem 27.6.2011 die Information des Gesamtpersonalrats der Bundespolizeidirektion K., der der Auswahlentscheidung in seiner Sitzung vom 14.7.2011 zustimmte.

Am 20.7.2011 wurde dem Kläger die getroffene Entscheidung unter Hinweis auf die jeweils vergebenen Sozialpunkte schriftlich mitgeteilt.

Hiergegen legte der Kläger am 8.8.2011 Widerspruch ein, bat um erneute Überprüfung der nachgereichten Unterlagen und um evtl. Anwendung der unter Ziffer II.8 DV getroffenen Regelung, die vorsehe, dass besondere Fälle, die durch den Sozialkriterienkatalog nicht angemessen geregelt werden könnten, im Einzelfall mit Zustimmung der zuständigen Personalvertretung entschieden werden.

Durch Widerspruchsbescheid vom 1.9.2011 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Die am 15.6.2011 nachgereichten Unterlagen zur Schwerbehinderung des Bruders seien geprüft worden und in die Stellenbesetzungsentscheidung eingeflossen. Unter Ziffer 5 des Sozialkriterienkatalogs sei festgelegt, dass gesundheitliche Beeinträchtigungen von Angehörigen eine Standortbindung nur in zwei Fällen rechtfertige. Entweder müsse der Ehe- oder Lebenspartner bzw. ein Kind des Beamten schwerbehindert sein oder ein sonstiger Familienangehöriger, für den eine Pflegestufe nachgewiesen sei, im eigenen Haushalt des Beamten leben. Diese Voraussetzungen seien bei dem Kläger nur insoweit erfüllt, als für seine Ehefrau eine Schwerbehinderung von 50 v.H. festgestellt worden sei. Eine Berücksichtigung seiner Bestellung als Ersatzbetreuer für den schwerbehinderten Bruder, der noch dazu in 13 km Entfernung von seiner Wohnung im Haushalt der Eltern lebe, sei nicht vorgesehen. Der Kläger könne sein Begehren auch nicht auf die Öffnungsklausel der Ziffer II.8 DV stützen. Denn der geschilderte Sachverhalt betreffe Umstände, die im Sozialkriterienkatalog durchaus ihren Niederschlag hätten finden können. Allerdings habe der Dienstherr unter Ziffer 5 dieses Katalogs die Fälle von Schwerbehinderungen von Familienangehörigen benannt und die Ermessensentscheidung getroffen, nur die dort aufgeführten Fälle zu berücksichtigen. Dementsprechend seien alle übrigen Fälle einer Schwerbehinderung von Familienangehörigen negativ erfasst. Zudem bleibe festzuhalten, dass dem Zweitverwendungswunsch des Klägers (Bundespolizeiinspektion B. im Revier Flughafen D-Stadt) entsprochen und damit seiner persönlichen Situation hinreichend Rechnung getragen worden sei. Der Widerspruchsbescheid wurde dem Kläger am 6.9.2011 ausgehändigt.

Mit seiner am 23.9.2011 erhobenen Klage hat der Kläger darauf hingewiesen, die dem Dienstposten zugeordnete Tätigkeit als Bearbeiter KfuV bereits mehr als zehn Jahre in Bad B. ausgeübt zu haben und die in der Stellenausschreibung vorgegebenen obligatorischen und fakultativen Anforderungen vollumfänglich zu erfüllen. Demgegenüber habe der ausgewählte Bewerber seines Wissens eine solche Tätigkeit bisher nicht verrichtet, was unter Eignungsgesichtspunkten einen Vorrang des Klägers rechtfertige. Der Erlass des Bundesministeriums des Innern vom 11.5.2011 betreffend die personalwirtschaftliche Umsetzung der Neuorganisation der Bundespolizei gebe vor, dass zu allererst die obligatorischen Anforderungen der Ausschreibung zu erfüllen seien. Inwieweit der ausgewählte Bewerber dem genüge, sei nicht dargelegt. Zweifelhaft sei auch, ob dieser überhaupt ein dauerhaftes Interesse an dem ausgeschriebenen Dienstposten habe, denn er habe sich inzwischen für die Teilnahme am Aufstiegslehrgang für den gehobenen Dienst beworben.

Sollte für die Bewerberauswahl ausschließlich auf Sozialkriterien abzustellen sein, so müssten hinsichtlich seiner Person wesentliche Umstände ergänzend berücksichtigt werden. Dies gelte nicht nur für seine ehrenamtliche Tätigkeit im Kindergarten, sondern insbesondere hinsichtlich der Betreuung seines Bruders. Durch Amtsgerichtsbeschluss vom 13.9.2011 sei er zu dessen Betreuer eingesetzt worden. Aus der unter Ziffer II.8 DV getroffenen Regelung ergebe sich, dass der Sozialkriterienkatalog nicht abschließend sei. Die Beklagte sei daher gehalten gewesen, vor einer endgültigen Auswahlentscheidung zunächst seinen Einzelfall mit der zuständigen Personalvertretung zu erörtern, habe ein solches Verfahren aber gar nicht erst eingeleitet. Eine auf Ziffer II.8 DV bezogene Entscheidung des Personalrates liege nicht vor. Aus den Vorbemerkungen in Abschnitt I der Dienstvereinbarung ergebe sich, dass deren Ziel die sozialverträgliche personelle Umsetzung der Neuorganisation der Bundespolizei sei. Es obliege der Beklagten hiernach, jeden einzelnen Beamten unter Abwägung der dienstlichen Erfordernisse mit den persönlichen und sozialen Belangen bestmöglichst einzusetzen. Dabei seien alle Verpflichtungen des jeweiligen Beamten gegenüber Angehörigen zu berücksichtigen. Denn der „Katalog Sozialkriterien“ beinhalte nach Inhalt und Zielen der Dienstvereinbarung keine abschließende Aufzählung der berücksichtigungsfähigen Sozialkriterien. Die Betreuung des Bruders durch den Kläger sei eine private Belastung, die unbedingt in die Beurteilung einzubeziehen sei, zumal der Vater einen Schlaganfall erlitten habe, daher die Betreuung des Bruders vollständig habe einstellen müssen und selbst der regelmäßigen Unterstützung durch den Kläger bedürfe. Hinzu trete, dass die Ehefrau des Klägers an Krebs erkrankt und seither mit einem Grad von 50 v.H. schwerbehindert sei. Deren Erkrankung sei zwar durch die Vergabe der entsprechenden Sozialpunkte in die Bewertung der Sozialbindung eingeflossen, was aber die hiermit verbundene psychische Belastung für den Kläger nicht vollumfänglich widerspiegele.

Das zeitgleich mit der Klage eingereichte einstweilige Rechtsschutzbegehren des Klägers ist ohne Erfolg geblieben (Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 6.2.2012 - 2 L 929/11 -).

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 20.7.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1.9.2011 zu verurteilen, ihm den mit der Stellenausschreibung BPOLDKO/BXB-01 ausgeschriebenen Dienstposten eines Bearbeiters KfuV, Bewertungsebene A 8-9 mZ, bei der Bundespolizeiinspektion B. am Dienstort B. zu übertragen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat unter Bezugnahme auf ihr Vorbringen im einstweiligen Rechtsschutzverfahren betont, primäres Ziel der Dienstvereinbarung sei eine heimatnahe und statusadäquate Verwendung der Mitarbeiter. Diesem Ziel und den diesbezüglichen Vorgaben der Dienstvereinbarung trage die Auswahlentscheidung Rechnung. Insgesamt drei Bewerber hätten Standortbindung geltend machen können, weswegen die Bewerberkonkurrenz nach dem Gewicht der jeweiligen Sozialbindung zu entscheiden gewesen sei. Da der Beigeladene insoweit einen Punktevorsprung habe vorweisen können, seien die Gesichtspunkte der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung nicht entscheidungsrelevant geworden. Die sozialen Belange des Klägers seien umfassend gewürdigt worden. Für das soziale Engagement zugunsten des schwerbehinderten Bruders könnten nach dem Sozialkriterienkatalog keine Sozialpunkte vergeben werden, da ein solcher Fall dort nicht erfasst sei. Die Öffnungsklausel der Ziffer II.8 DV sei nicht einschlägig, da der geschilderte Sachverhalt zwar im Sozialkriterienkatalog seinen Niederschlag hätte finden können, aber nicht gefunden habe. Alle nicht aufgeführten Fälle der Schwerbehinderung von Familienangehörigen seien negativ erfasst. Die ehrenamtliche Tätigkeit im Kindergarten könne zwar grundsätzlich einen zusätzlichen Sozialpunkt rechtfertigen, sei aber im maßgeblichen Zeitpunkt der Personalauswahlentscheidung nicht bekannt gewesen.

Der Beigeladene hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte habe sich in rechtlich zulässiger Weise dafür entschieden, den im Rahmen der Neustrukturierung der Bundespolizei in B. ausgeschriebenen Dienstposten nach Sozialkriterien zu vergeben und dies unter Umsetzung der durch die Dienstvereinbarung mit dem Hauptpersonalrat vorgegebenen Kriterien getan. Die Dienstvereinbarung biete keine Handhabe, das Engagement des Klägers für seinen schwerbehinderten Bruder sozialpunktesteigernd zu berücksichtigen. Die zu seinen - des Beigeladenen - Gunsten getroffene Besetzungsentscheidung sei daher nicht zu beanstanden, zumal er alle obligatorischen Anforderungen der Ausschreibung erfülle und die ihm übertragenen Dienstaufgaben - ungeachtet der derzeitigen Teilnahme am Aufstiegslehrgang - dauerhaft ausfüllen wolle. Der übertragene Dienstposten sei wie nahezu alle mit A 8-9 m.Z. bewerteten Dienstposten der Bundespolizei aufschichtungsfähig, d.h. biete die Möglichkeit einer Überführung in den gehobenen Dienst. Im Übrigen werde der Kläger zur Zeit dienstlich ebenfalls am Standort B. eingesetzt, so dass die Frage aufgeworfen sei, ob dieser überhaupt ein Rechtsschutzinteresse an der Übertragung gerade des verfahrensgegenständlichen Dienstpostens habe.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom 22.3.2013 abgewiesen und ausgeführt, dass diese zulässig sei; insbesondere könne dem Kläger trotz seines derzeitigen tatsächlichen Einsatzes am Standort B. nicht das Rechtsschutzbedürfnis für die klageweise Verfolgung seines Besetzungswunsches abgesprochen werden. In der Sache müsse die Klage ohne Erfolg bleiben. Denn die angegriffene Besetzungsentscheidung sei weder in formeller noch in materieller Hinsicht zu beanstanden. So sei der Stellenbesetzungsvermerk vom 8.6.2011 ausführlich begründet und der Personalrat habe der Auswahlentscheidung zugestimmt. Materiell-rechtlich genüge die Entscheidung der Beklagten, den Dienstposten nicht nach dem Grundsatz der Bestenauslese, sondern nach Sozialkriterien zu vergeben, den durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts insoweit vorgegebenen Anforderungen. Das Gewicht der nach der Dienstvereinbarung für die Auswahlentscheidung maßgeblichen Sozialbindung sei zutreffend ermittelt worden und einer Befassung des Personalrates mit der Frage, ob die Betreuungsleistungen, die der Kläger für seinen Bruder erbringe, bei der Ermittlung der Sozialpunkte zu berücksichtigen sei, habe es nicht bedurft. Denn aus der Dienstvereinbarung ergebe sich, dass diese Betreuungsleistungen abgesehen davon, dass sie der Beklagten zur Zeit ihrer Auswahlentscheidung nicht bekannt gewesen seien, eine Erhöhung der zu vergebenen Sozialpunkte nicht rechtfertigen könnten, da sie keinem der in der Dienstvereinbarung vorgesehenen Tatbestände zu beachtender gesundheitlicher Beeinträchtigungen von Angehörigen zuzuordnen seien. Ein Sonderfall im Sinne der Ziffer II.8 DV, der es erforderlich machen würde, den Personalrat mit der Angelegenheit zu befassen, liege nicht vor. Der Dienstherr habe die Fälle von Schwerbehinderungen von Familienangehörigen unter Ziffer 5 des Sozialkriterienkatalogs ausdrücklich benannt und dabei die – nicht zu beanstandende – Ermessensentscheidung getroffen, nur die dort aufgeführten Fälle zu berücksichtigen. Dies rechtfertige ohne Weiteres den Schluss, dass alle übrigen Fälle der Schwerbehinderung von Familienangehörigen negativ erfasst seien. Entgegen der Auffassung des Klägers spreche auch nichts dafür, dass sein Fall durch den Sozialkriterienkatalog nicht angemessen geregelt werde. Nach seinem Vortrag in der mündlichen Verhandlung beschränkten sich die Besuche bei seinem Bruder, der an Schizophrenie leide, bei den Eltern lebe und von diesen auch versorgt werde, auf ca. einen Tag pro Woche. Daneben fänden regelmäßige Telefonate und gelegentliche gemeinsame Unternehmungen statt. Dieser (geringe) zeitliche Aufwand rechtfertige es nicht, einen außergewöhnlichen Einzelfall von sozialem Gewicht anzunehmen. Soweit sich der Kläger darüber hinaus auf eine besondere psychische Belastung berufe, die neben der Sorge um seinen Bruder und seinen Vater durch die Krebserkrankung seiner Ehefrau hervorgerufen werde, sei zu betonen, dass die Erkrankung der Ehefrau bereits mit zehn Punkten – dem höchsten Einzelwert überhaupt – in die Sozialpunktezahl eingeflossen sei. Außerdem habe er drei weitere Sozialpunkte dafür erhalten, dass seine Ehefrau – trotz ihrer schweren Erkrankung weiterhin – erwerbstätig sei. Schließlich werde der persönlichen Situation des Klägers insoweit Rechnung getragen, als ihm – entsprechend seinem Zweitverwendungswunsch – ein Dienstposten bei der Bundespolizeiinspektion B. im Revier Flughafen D-Stadt übertragen worden sei. Zwar handele es sich dabei nicht um den begehrten Dienstposten eines Bearbeiters KfuV, sondern um den gleich bewerteten Dienstposten eines Kontroll- und Streifenbeamten. Die erforderliche Wohnortnähe, die dem Kläger die Erfüllung seiner familiären Pflichten ermögliche, sei aber gleichwohl gegeben.

Das Urteil ist den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 16.4.2013 zugestellt worden.

Auf seinen Antrag vom 30.4.2013 und die am 24.5.2013 eingereichte Begründung hat der Senat die Berufung durch Beschluss vom 12.9.2013, dem Kläger zugestellt am 16.9.2013, zugelassen.

In seiner am 7.10.2013 bei dem Oberverwaltungsgericht eingegangenen Berufungsbegründung bekräftigt der Kläger seine Auffassung, seine besonderen persönlichen Belastungen seien bei der Vergabe der Sozialpunkte nicht vollständig berücksichtigt worden. Sein Bruder leide an einer endogenen paranoiden Psychose mit Denkstörungen und Beziehungsideen sowie Halluzinationen. Es lägen eine deutliche psychomotorische Verlangsamung, Konzentrationsstörungen und eine eingeschränkte Krankheitseinsicht vor. Anerkannt sei ein Grad der Behinderung von 100 v.H. unter Feststellung der Merkzeichen „G“, „B“ und „H“. Da der Vater im Laufe der letzten Monate zunehmend selbst schwer erkrankt sei, habe der Kläger bereits zum Zeitpunkt der hier streitigen Auswahlentscheidung die Betreuungsaufgaben übernommen gehabt und sei inzwischen auch formal Betreuer seines Bruders. Auf Grund der Erkrankung des Bruders müsse eine Regelmäßigkeit der Kontaktaufnahme sichergestellt sein, damit dieser überhaupt ansatzweise in der Lage sei, den Tagesablauf einigermaßen strukturiert zu bewältigen. Die Betreuungsaufgaben umfassten daher regelmäßige telefonische Kontaktaufnahmen, um den Bruder zu den verschiedensten notwendigen Handlungen des gewöhnlichen Tagesablaufs zu veranlassen. Der Bruder müsse tagtäglich verlässlich davon ausgehen können, dass der Kläger ihn stets zur selben Zeit anrufe und mit ihm die Dinge des Tages bespreche. Hinzu kämen die Erledigung geschäftlicher und ärztlicher Angelegenheiten sowie die Beschäftigung des Bruders mit handwerklichen Tätigkeiten, um dessen Leben eine gewisse Sinnhaftigkeit zu geben. All dies werde in den Vorgaben des Sozialkriterienkatalogs nicht berücksichtigt. Allerdings eröffne Ziffer II.8 DV die Möglichkeit einer einzelfallbezogenen Würdigung. Mit Blick auf die im Zulassungsbeschluss zitierte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts müsse diese Regelung in seinem Fall eine Einzelfallprüfung ermöglichen. Bezeichnend sei, dass der Prozessbevollmächtigte der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht eingeräumt habe, ihm seien keine Fälle der Anwendung von Ziffer II.8 DV bekannt. Der streitige Dienstposten komme dem Kläger in besonderer Weise entgegen, weil er dort nicht im Schichtdienst arbeiten müsse und dies die Betreuung des Bruders in größtmöglichem Maße sicherstellen würde. Die Beklagte habe - wie der handschriftliche Vermerk vom 15.6.2011 belege - nicht geprüft, ob Ziffer II.8 der Dienstvereinbarung anzuwenden sei. Denn nach dem Vermerk sei die Berücksichtigung aller vom Sozialkriterienkatalog nicht erfassten Fälle hilfebedürftiger Angehöriger als ausgeschlossen erachtet worden. Schließlich belege die Einlassung der Beklagten im Berufungsverfahren zu den potentiellen Anwendungsfällen der Regelung unter Ziffer II.8 DV, dass in seinem Fall eine Einzelfallprüfung angezeigt gewesen wäre. So habe - wie in einem der genannten Beispielfälle - seine Ehefrau sich nach schwerer Krebserkrankung zur Zeit der Auswahlentscheidung ebenfalls in der Heilungsbewährung befunden. Die Erkrankung der Ehefrau und deren Folgen prägten seine Gesamtsituation ebenso wie sein Engagement für seinen schwerbehinderten Bruder. Dies alles hätte Veranlassung zu einer Einzelfallprüfung geben müssen. Schließlich sei mit Blick auf den Beigeladenen anzumerken, dass dieser nach Abschluss des Aufstiegslehrgangs voraussichtlich zum Polizeikommissar befördert werde und damit eine Besoldung nach A 10 erlangen könne, so dass fraglich sei, ob er dann in der vorliegend streitigen Stelle noch amtsangemessen eingesetzt wäre.

Zu Art und Ausmaß der Behinderung seines Bruders legt der Kläger den den Grad der Behinderung feststellenden Bescheid vom 1.7.2002 und mehrere Arztberichte vor.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 22.3.2013 und unter Aufhebung des Bescheids vom 20.7.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1.9.2011 zu verurteilen, dem Kläger den mit der Stellenausschreibung BPOLDKO/BXB-01 ausgeschriebenen Dienstposten eines Sachbearbeiters KfuV, Bewertungsebene A 8-9 mZ, bei der Bundespolizeiinspektion B. am Dienstort B. zu übertragen,

hilfsweise,

die Beklagte unter Abänderung des angegriffenen Urteils und Aufhebung des Bescheids vom 20.7.2011 und des Widerspruchbescheids vom 1.9.2011 zu verpflichten, die Auswahlentscheidung unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts zu wiederholen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie bekräftigt, dass die berücksichtigungsfähigen Fälle gesundheitlicher Beeinträchtigungen im familiären Umfeld unter Ziffer 5 des Sozialkriterienkatalogs abschließend geregelt seien. Es treffe auch nicht zu, dass sie nicht geprüft habe, ob ein Fall von II.8 DV gegeben sein könnte. Vielmehr seien die sozialen Belange des Klägers nochmals hinreichend in einem Zeitpunkt gewürdigt worden, als dafür auf Grund des Zeitablaufs schon keine Verpflichtung mehr bestanden habe. Das Vorbringen zu den Verpflichtungen gegenüber dem Bruder des Klägers sei geprüft worden, allerdings mit dem Ergebnis, dass es nicht berücksichtigungsfähig sei. Aus dem unter Ziffer 5 des Sozialkriterienkatalogs geregelten Punkteschlüssel für die Pflege von Angehörigen im eigenen Haushalt (Pflegestufe 3 10 Punkte, Pflegestufe 2 5 Punkte und Pflegestufe 1 3 Punkte) ergebe sich mittelbar, dass die bloße Betreuung von Angehörigen im eigenen Haushalt keine Punktevergabe rechtfertige. Damit könne auch eine Ersatzbetreuerschaft für einen in beträchtlicher Entfernung lebenden Angehörigen keine Berücksichtigung finden. Die aktuelle gesundheitliche Verfassung des Bruders sei für die im Juni 2011 getroffene Auswahlentscheidung ohnehin ohne Relevanz. Zudem habe keine Verpflichtung bestanden, die erst am 15.6.2011 und damit nach der Auswahlentscheidung eingereichten Unterlagen zu prüfen. Der Bruder lebe nach wie vor im Haushalt der Eltern und werde von diesen versorgt. Es gebe keine Hinweise darauf, dass er im Zeitpunkt der Besetzungsentscheidung konkret spezieller Hilfe bedurft hätte, die nur durch den Kläger und darüber hinaus ausschließlich von dessen Wohnort aus hätte geleistet werden können. Das Bekanntwerden der Ersatzbetreuerschaft habe keinen Anlass gegeben, den Personalrat einzubinden und die Situation im Rahmen einer Einzelfallentscheidung gemäß Ziffer II.8 DV mit diesem gesondert zu verhandeln und zu entscheiden, zumal die erst nachträgliche Geltendmachung dieses Gesichtspunktes mit der Formulierung „So kann es auch vorkommen“ den Schluss zulasse, dass sich die damalige Belastung des Klägers infolge der Behinderung seines Bruders in Grenzen gehalten haben müsse. Schließlich sei Ziffer II.8 DV schon deshalb nicht zur Anwendung gekommen, weil es im Schritt II der personellen Umsetzung der Neuorganisation der Bundespolizei gelungen sei, allen Mitarbeitern im Bereich der Beklagten eine heimatnahe Anschlussverwendung zu ermöglichen, und Verdrängungen damit gänzlich ausgeblieben seien. In der verfahrensgegenständlichen Schrittfolge IV gehe es um den Wechsel in eine näher zum Wohnort gelegene Dienststelle. Einzelfälle, die der Sozialkriterienkatalog definitiv nicht – auch nicht negativ – erfassen könne und die deshalb Einzelprüfungen nach Ziffer II.8 DV erforderlich gemacht hätten, seien vorwiegend im Bereich der sogenannten Überhangbehörden im Rahmen der Setzphase aufgetreten und verhandelt worden. Dabei sei es z.B. um Fallgestaltungen gegangen, in denen sich die Ehefrau eines Beamten nach schwerer Krebserkrankung in der Heilungsbewährung befunden habe, der Beamte Großvater von neun nachweislich von ihren Eltern vernachlässigten Enkeln bzw. der Beamte Vater eines Kindes mit erheblichen, schon im Kindergarten festgestellten und dokumentierten Lernschwierigkeiten gewesen sei. Schließlich gelte hinsichtlich des verfahrensgegenständlichen Dienstpostens, dass dieser aufschichtungsfähig sei. Damit sei eine amtsangemessene Verwendung des Beigeladenen auf Dauer sichergestellt. Denn der Dienstposten werde nach erfolgreichem Abschluss des Aufstiegslehrgangs seitens des Beigeladenen von der Besoldungsgruppe A 8-9 mZ in die Bewertungsebene A 9 g/10, also vom mittleren in den gehobenen Polizeivollzugsdienst, überführt.

Der Beigeladene beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Auch die neuere Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts könne dem Vorbringen des Klägers nicht zum Erfolg verhelfen, da der Dienstherr nur die Umstände der privaten Lebensführung des Beamten berücksichtigen könne, die bis zum Erlass des Widerspruchsbescheids bekannt und geltend gemacht seien. Die Bestellung als Betreuer für den Bruder sei erst am 13.9.2011, mithin nach Ergehen des Widerspruchsbescheids, erfolgt. Hinsichtlich seiner Stellung als Ersatzbetreuer habe der Kläger zumindest bis zur Widerspruchsentscheidung nichts Konkretes für deren Berücksichtigungsfähigkeit vorgetragen. Die Rüge des Klägers, die Zustimmung der zuständigen Personalvertretung sei im Auswahlverfahren nicht eingeholt worden, gehe ins Leere. Denn im damaligen Zeitpunkt seien keine Aspekte und Umstände dargelegt gewesen, die eine Ausnahmesituation hätten darstellen können. Was erst nach Erlass des Widerspruchsbescheids geltend gemacht sei, habe naturgemäß nicht mehr in die Befassung des Personalrates einfließen können. Schließlich müsse der Kläger sich vergegenwärtigen, dass seine Ehefrau einer Halbtagsbeschäftigung nachgehe, mithin ein krankheitsbedingter Ausfall nicht festzustellen sein dürfte. Dennoch seien ihm in diesem Zusammenhang zehn Sozialpunkte zuerkannt worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten des vorliegenden Verfahrens und des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens 2 L 929/11, der beigezogenen Verwaltungsunterlagen der Beklagten und der beigezogenen Personalakten des Klägers und des Beigeladenen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung des Klägers ist nach Maßgabe des Urteilstenors teilweise begründet und im Übrigen unbegründet.

Das mit dem Hauptantrag verfolgte Klagebegehren, die Beklagte unter Aufhebung von Bescheid und Widerspruchsbescheid zu verurteilen, dem Kläger den verfahrensgegenständlichen Dienstposten zu übertragen, ist – wie das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt hat – zulässig.

Soweit die Klage auf die Aufhebung des Bescheids vom 20.7.2011 und des Widerspruchsbescheids vom 1.9.2011 gerichtet ist, ist sie begründet. Ferner ist die Beklagte auf den Hilfsantrag hin zu verpflichten, unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senats erneut über die verfahrensgegenständliche Bewerbung des Klägers zu entscheiden. Insoweit unterliegt das angegriffene Urteil der Abänderung. Hinsichtlich des weitergehenden Antrags, die Beklagte zur Übertragung des angestrebten Dienstpostens an den Kläger zu verurteilen, bleibt die Berufung ohne Erfolg.

1. Dem Verwaltungsgericht ist zunächst darin zuzustimmen, dass die grundsätzliche Entscheidung der Beklagten, den vom Kläger erstrebten und - nur - unter Versetzungs- und Umsetzungsbewerbern zu vergebenden Dienstposten nicht nach den Kriterien der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung, sondern nach dem sozialen Gesichtspunkt der Standortbindung zu übertragen, aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden ist. Das Verwaltungsgericht hat überzeugend herausgearbeitet, dass die Beklagte die Organisationsgrundentscheidung getroffen hat, den in Rede stehenden Dienstposten nicht als Beförderungsdienstposten auszuschreiben, sondern Versetzungs- und Umsetzungsinteressierten zwecks einer sozialverträglichen personellen Umsetzung der Neuorganisation der Bundespolizei die Möglichkeit zu eröffnen, sich unter Hinweis auf ihre Wohnortnähe und Standortbindung auf diesen Dienstposten zu bewerben.

Zulässig ist ferner, dass die Beklagte sich angesichts der Vielzahl der im Rahmen der Neuorganisation der Bundespolizei zu treffenden Auswahlentscheidungen entschlossen hat, im Wege einer Dienstvereinbarung mit dem Hauptpersonalrat einen Sozialkriterienkatalog zu erstellen, um eine Grundlage für die Anlegung möglichst gleichmäßiger Auswahlkriterien in Bezug auf das Merkmal Standortbindung zu schaffen. Hiernach ist die Auswahl zwischen mehreren Bewerbern mit Standortbindung nach der anhand des Sozialkriterienkataloges zu ermittelnden Sozialpunktezahl zu treffen.

2. Die zu Ungunsten des Klägers getroffene Auswahlentscheidung ist mangels hinreichender Einbeziehung des entscheidungserheblichen Sachverhalts in die Ermittlung der zu vergebenden Sozialpunkte – auch in der Gestalt, die sie durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat – rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.

2.1. Sie wird ausschließlich damit begründet, dass sich bei der anhand der Dienstvereinbarung und des Sozialkriterienkataloges zu ermittelnden Standortbindung ein Vorsprung des Beigeladenen ergeben habe, weil diesem 28 Sozialpunkte und dem Kläger nur 25 Sozialpunkte zuzuerkennen seien. Nach den dortigen Vorgaben könne das Vorbringen des Klägers, er sei aufgrund der Schwerbehinderung seines Bruders einer zusätzlichen besonderen Belastung ausgesetzt, keine Berücksichtigung finden. Denn der Umstand, dass die diesbezüglich geschilderten Belastungen zwar Eingang in den Sozialkriterienkatalog hätten finden können, aber nicht gefunden haben, habe zur Folge, dass sie nicht berücksichtigungsfähig seien. Die so begründete Umsetzung der Vorgaben der Dienstvereinbarung und des Sozialkriterienkataloges auf die konkreten Lebensumstände des Klägers ist fehlerbehaftet.

Die Beklagte war aus Gründen der ihr gegenüber dem Kläger obliegenden Fürsorgepflicht gehalten, die mit dessen Schreiben vom 15.6.2011 zusätzlich geltend gemachte Belastung durch das Ehrenamt zusätzlich mit einem Sozialpunkt zu belegen und die Belastung infolge der Behinderung des Bruders zum Anlass zu nehmen, die Frage zu prüfen, ob diese die Vergabe von Sozialpunkten rechtfertigt und die zuständige Personalvertretung nach Maßgabe der Ziffer II.8 DV mit der Angelegenheit zu befassen. Durch die Nichtberücksichtigung der geltend gemachten Belastungen hat die Beklagte die ihr gegenüber dem Kläger obliegende Fürsorgepflicht verletzt. Dies ergibt sich aus der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts.

Die Regelungen der Dienstvereinbarung und des Sozialkriterienkataloges und deren Anwendung durch die Beklagte auf die jeweils zu treffende Auswahlentscheidung müssen gewährleisten, dass alle fürsorgepflichtrelevanten Umstände der privaten Lebensführung der einzelnen Beamten vor einer den Ort der Dienstverrichtung berührenden Personalentscheidung ermittelt und mit dem ihnen zukommenden Gewicht in die Abwägung eingestellt werden können. Nach der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts(BVerwG, Beschluss vom 18.2.2013 - 2 B 51/12 -, juris Rdnrn. 8 ff.) ist der Dienstherr aufgrund der ihm obliegenden Fürsorgepflicht gehalten, die ihm untergebenen Beamten mit Gerechtigkeit zu behandeln, ihnen die Erfüllung ihres Dienstes nach Möglichkeit zu erleichtern und ihre Belange wohlwollend zu berücksichtigen und zu wahren. Demgemäß muss der Dienstherr - so das Bundesverwaltungsgericht - zur Vorbereitung einer Versetzungsentscheidung nicht nur - wie in der Rechtsprechung seit langem anerkannt (BVerwG, Urteile vom 7.3.1968 – 2 C 137/67 -, Buchholz 232 § 26 BBG Nr. 9 S. 50 f., und vom 13.2.1969 - 2 C 114/65 -, Buchholz 232 § 26 BBG Nr. 11 S. 4 f.)- prüfen, ob es substantiierte Anhaltspunkte für eine eventuelle Schädigung der körperlichen oder seelischen Gesundheit des Beamten infolge der Personalmaßnahme gibt, sondern auch besondere Schutzbedürfnisse des Beamten aus dem von Art. 6 GG geschützten Bereich von Ehe und Familie sowie andere, mit dem Wechsel des Dienstortes verbundene Nachteile für die private Lebensführung des Beamten ermitteln und bei seiner Auswahlentscheidung berücksichtigen. Er kann sich durch eine Dienstvereinbarung nicht von Verpflichtungen, die ihm im Verhältnis zu jedem einzelnen Beamten von Verfassungs wegen oder kraft Gesetzes obliegen, befreien.

Dies gilt uneingeschränkt auch in Fallgestaltungen der vorliegenden Art, in denen es nicht um eine (Weg-) Versetzung zu einem anderen für den betroffenen Beamten mit Blick auf seine private Lebensführung potentiell ungünstigeren Dienstort geht, sondern ein freier Dienstposten nach der von der Zielsetzung, die Zufriedenheit innerhalb der Bediensteten zu steigern, getragenen Grundsatzentscheidung des Dienstherrn an denjenigen Beamten vergeben werden soll, der aufgrund seiner privaten Lebensverhältnisse das schutzwürdigste Interesse an einer wohnortnahen dienstlichen Verwendung hat. Auch unter diesen Voraussetzungen kann der Dienstherr eine gerechte, die jeweiligen privaten Belange angemessen und wohlwollend berücksichtigende Auswahlentscheidung zwischen mehreren Bewerbern um einen mit einem Dienstortwechsel verbundenen Dienstposten nur treffen, wenn er alle fürsorgepflichtrelevanten Umstände der privaten Lebensführung ermittelt und sie ihrem Gewicht entsprechend in seine Abwägung einbezieht. Entwickelt der Dienstherr zu diesem Zweck gemeinsam mit dem zuständigen Personalrat einen Katalog von Sozialkriterien und ein entsprechendes Punktesystem, so müssen deren Inhalt, Auslegung und einzelfallbezogene Anwendung gewährleisten, dass kein aufgrund der Fürsorgepflicht zu beachtender Umstand der privaten Lebensführung des einzelnen Beamten unberücksichtigt bleibt.

Gemessen an diesem rechtlichen Rahmen ist festzustellen, dass Ziffer 5 des zur Umsetzung der verfahrensgegenständlichen Dienstvereinbarung erlassenen Sozialkriterienkatalogs in der von der Beklagten vertretenen Auslegung des Regelungsinhalts und der hierauf basierenden Handhabung der Vorschrift durch die Beklagte nicht den Anforderungen entspricht, die eine Dienstvereinbarung nach der in Bezug genommenen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts erfüllen muss, um eine ermessensfehlerfreie Auswahlentscheidung des Dienstherrn im Falle der Konkurrenz mehrerer Bewerber um einen konkreten Dienstposten zu ermöglichen. Ist nämlich der Dienstherr aufgrund seiner Fürsorgepflicht gehalten, alle relevanten Lebensumstände des Beamten in eine nach Sozialkriterien zu treffende Entscheidung einzubeziehen, so ist ihm versagt, seine Fürsorgepflicht im Wege einer Dienstvereinbarung nur auf ganz bestimmte Lebensumstände zu beschränken und allein diese als ermessensrelevant anzuerkennen.

Fallbezogen hat die Beklagte im Verlauf sowohl des Verwaltungs- als auch des Gerichtsverfahrens immer wieder bekräftigt, der Regelung unter Ziffer 5 des Sozialkriterienkatalogs liege eine Ermessensentscheidung des Inhalts zugrunde, dass besondere Belastungen eines Beamten infolge gesundheitlicher Beeinträchtigungen eines Angehörigen nur in den beiden ausdrücklich aufgeführten Fallgestaltungen – Schwerbehinderung des Ehe- bzw. Lebenspartners bzw. eines Kindes oder Pflegefall der Pflegestufe 1, 2 oder 3 im eigenen Haushalt bzw. in der unmittelbaren Umgebung – in die Ermittlung des Gewichts der Standortbindung einbezogen werden dürften. Dieses Verständnis der Vorschrift verbietet sich, denn Ermessensentscheidungen, die im Widerspruch zu der Fürsorgepflicht des Dienstherrn nicht alle abwägungsrelevanten Belange einbeziehen, dürfen auch nicht unter dem Etikett einer Dienstvereinbarung getroffen werden.

So wie von der Beklagten verstanden würde die Regelung dazu führen, dass eine wohl beträchtliche Anzahl nach der Lebenserfahrung vorkommender besonderer Belastungen eines Beamten infolge familiärer Verpflichtungen gegenüber hilfebedürftigen Verwandten ungeachtet eventueller gravierender Auswirkungen auf die private Lebensführung von vornherein nicht zur Zuerkennung von Sozialpunkten führen kann. So verstanden wären die Dienstvereinbarung und der zugehörige Sozialkriterienkatalog nicht rechtens. Denn durch Abschluss einer Dienstvereinbarung kann der Dienstherr sich nicht von seiner Verpflichtung befreien, alle potentiell fürsorgepflichtrelevanten Umstände der privaten Lebensführung des Beamten in Entscheidungen einzubeziehen, die sich erschwerend oder erleichternd unmittelbar auf die private Lebensgestaltung des Beamten auswirken. Indes rechtfertigt die Dienstvereinbarung von ihrem Wortlaut sowie Sinn und Zweck her durchaus ein Verständnis ihrer Vorgaben, das mit der Fürsorgepflicht des Dienstherrn in Einklang steht.

Gerade zur Vermeidung einer Kollision des Sozialkriterienkatalogs mit den dem Dienstherrn aus der Fürsorgepflicht erwachsenen Pflichten dürfte die Regelung unter Ziffer II.8 DV Eingang in die Dienstvereinbarung gefunden haben. Hiernach werden besondere Fälle, die durch den Sozialkriterienkatalog nicht angemessen geregelt werden können, im Einzelfall mit Zustimmung der zuständigen Personalvertretung entschieden. Dies wirkt - soweit es um soziale Belastungen aufgrund familiärer Bindungen geht - einer schablonenhaften Beschränkung der Berücksichtigungsfähigkeit familiärer Verpflichtungen eines Beamten auf bestimmte typische Fallgestaltungen entgegen. Die Regelung dient zum Ausgleich des Umstandes, dass es den Rahmen eines handhabbaren Sozialkriterienkataloges sprengen würde, wenn in ihm jede denkbare, vielleicht nur in seltenen Einzelfällen vorkommende Hilfe für Angehörige, deren Ausmaß eine Punktvergabe rechtfertigen oder gar gebieten könnte, aufgeführt sein müsste. Ein Sozialkriterienkatalog kann nur typische Fallgruppen aufgreifen und angemessen regeln. In allen anderen Konstellationen kann der Dienstherr seiner Fürsorgepflicht nur mittels einer Einzelfallprüfung gerecht werden. Zwar wird sicherlich nicht jedes mehr oder weniger regelmäßige Tätigwerden zugunsten eines in irgendeiner Weise auf Unterstützung angewiesenen Angehörigen Anlass zur Vergabe eines oder mehrerer Sozialpunkte geben können, weil viele Hilfeleistungen für nahe Angehörige ihrem Umfang nach den Rahmen sozialadäquater - oftmals auch gegenseitiger - Unterstützung nicht überschreiten und sich mithin nicht als besondere vom Dienstherrn bei Wahrnehmung seiner Fürsorgepflicht zu berücksichtigende Belastung darzustellen vermögen.

So macht der Kläger nicht geltend, infolge von Hilfestellungen zugunsten seines schwerbehinderten Vaters und seiner Mutter, die in einem eigenen Haushalt leben, in besonderer den sozialüblichen Rahmen übersteigender Weise belastet zu sein. Er beruft sich vielmehr darauf, dass er in die Fürsorge für seinen zu 100 v.H. schwerbehinderten Bruder eingebunden sei. Dieser lebe zwar bei den Eltern und werde von diesen, was Essen und Haushaltsführung angehe, auch versorgt, sei aber aufgrund seiner Behinderung auf bestimmte tagtägliche Kontakte mit einer engen Bezugsperson - dem Kläger - angewiesen und könne seine außerhäuslichen Angelegenheiten, wie etwa geschäftliche Dinge, Arztbesuche oder Behördengänge, nicht ohne Hilfe bewältigen. Demgemäß stehe er unter Betreuung, wobei zunächst der Vater als Betreuer und er, der Kläger, als Ersatzbetreuer bestellt gewesen seien und - nachdem der Vater dieser Aufgabe aus gesundheitlichen Gründen zunehmend nicht mehr gewachsen gewesen sei - er durch Amtsgerichtsbeschluss vom 13.9.2011 als Betreuer eingesetzt worden sei. Diese Situation ist sicherlich keine typische, so dass ihre Berücksichtigung in einem Sozialkriterienkatalog nicht erwartet werden kann. Dies entbindet den Dienstherrn aber nicht von der Prüfung der Frage, ob die durch sie bedingte Belastung des Beamten es von ihrer Intensität her erforderlich macht, sie mit einem oder mehreren Sozialpunkten zu belegen.

Diese Frage hat die Beklagte nach Aktenlage - insbesondere dem Inhalt des Vermerks vom 15.6.2011 und ihren Bekundungen im Verlauf des Gerichtsverfahrens zufolge - nicht geprüft, obwohl der Kläger Umstände vorgetragen hat, die nicht von vornherein ungeeignet zur Darlegung einer besonderen Belastung erscheinen. Ihr Standpunkt, dass der Sozialkriterienkatalog abschließend regele, welche gesundheitlichen Beeinträchtigungen von Angehörigen zur Vergabe von Sozialpunkten führen, und dass alle anderen Belastungen infolge von Hilfeleistungen für Angehörige bei der Ermittlung der Standortbindung nicht - auch nicht über den Auffangtatbestand der Ziffer II.8 DV - berücksichtigt werden könnten, widerspricht den durch die Fürsorgepflicht des Dienstherrn geprägten rechtlichen Anforderungen. So erscheint es im Vergleich mit Lebensumständen, die nach dem Sozialkriterienkatalog eine Punktevergabe zur Folge haben, nicht ausgeschlossen, sondern nach Dafürhalten des Senats naheliegend, wenn nicht geboten, der Belastung des Klägers aufgrund der Behinderung seines Bruders ein Gewicht zuzusprechen, das die Vergabe von einem oder mehreren Sozialpunkten rechtfertigen könnte. Hierfür spricht insbesondere die unter Ziffer 7 des Sozialkriterienkatalogs getroffene Regelung, wonach Ehrenämter in der Betreuung behinderter Personen die Vergabe eines Sozialpunktes zur Folge haben. Insoweit erschließt sich dem Senat nicht, aus welchen sachlichen mit Blick auf den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz tragfähigen Gründen Betreuungsaufwand, der seine Ursache nicht in einem Ehrenamt, sondern in den engen familiären Bindungen unter Geschwistern hat – ohne dass es auf das konkrete Ausmaß des Aufwandes ankäme –, von vornherein nicht als sozialrelevante Belastung in Betracht kommen sollte.

2.2. Die von der Beklagten aufgeworfene Frage, ob es auf all dies angesichts des Zeitpunkts, zu dem der Kläger erstmals die Anerkennung von Sozialpunkten wegen der Hilfebedürftigkeit seines Bruders beantragt hat, überhaupt ankommen kann, ist zu bejahen.

Die Beklagte verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass der Kläger seinen Einsatz zur (Mit-)Betreuung des Bruders anfänglich bei Ausfüllen des Sozialfragebogens am 14.3.2011 nicht als besondere soziale Belastung geltend gemacht und diesen Aspekt auch bei der ersten Korrektur seiner Angaben am 5.5.2011 anlässlich der Bitte um zusätzliche Berücksichtigung der zwischenzeitlich anerkannten Schwerbehinderung seiner Ehefrau nicht angesprochen hat. Dementsprechend sei die in dem Stellenbesetzungsvermerk vom 8.6.2011 dokumentierte Personalauswahlentscheidung unter der Prämisse getroffen worden, dass die sozialen Belange aller Bewerber, also auch des Klägers, vollständig ermittelt und berücksichtigt worden seien. Erst am 15.6.2011 habe der Kläger geltend gemacht, wichtige Punkte vergessen zu haben, und sein ehrenamtliches Engagement im Kindergarten sowie seinen Einsatz für seinen Bruder als zusätzlich zu berücksichtigende Belastungen angeführt. Diese Angaben seien geprüft worden, obwohl nach der Dienstvereinbarung keine Verpflichtung mehr hierzu bestanden habe. Denn nach Ziffer II.5 DV sei die zum Zeitpunkt der Personalauswahlentscheidung bestehende Sozialpunktezahl für den Vergleich unter mehreren Bewerbern maßgeblich. Dieser Zeitpunkt sei bei erstmaliger Geltendmachung der nunmehr strittigen Belange bereits verstrichen gewesen. Dieser Argumentation kann nicht gefolgt werden.

Fest steht insoweit zwar, dass der mit der Auswahlentscheidung befasste Bedienstete der Beklagten die ihm vorgelegten Bewerbungen um den Dienstposten am 8.6.2011 ausgewertet hat, auf dieser Grundlage zum Ergebnis gelangt ist, dass der Dienstposten wegen Erreichens der höchsten Sozialpunktezahl mit dem Beigeladenen zu besetzen ist, und einen entsprechenden, seine Erwägungen im Einzelnen festhaltenden Stellenbesetzungsvermerk gefertigt hat, der am 9.6.2011 von seinen beiden Vorgesetzten gegengezeichnet worden ist. Allerdings hatte diese Entscheidung noch internen Charakter; insbesondere stand die Beteiligung der Gleichstellungsbeauftragten und des Gesamtpersonalrates noch aus. Bevor die diesbezüglich notwendigen Schritte am 17.6.2011 (Anschreiben an die Gleichstellungsbeauftragte/Zustimmung am 21.6.2011) bzw. am 27.6.2011 (Anschreiben an den Gesamtpersonalrat/Zustimmung am 14.7.2011) eingeleitet und abgeschlossen waren und den Betroffenen die Auswahlentscheidung jeweils mit Schreiben vom 20.7.2011 mitgeteilt worden ist, ist der Kläger mit dem Anliegen der Berücksichtigung u.a. der Hilfebedürftigkeit seines Bruders am 15.6.2011 an die Beklagte herangetreten. Völlig zu Recht hat die Beklagte dieses Anliegen damals – allerdings mit dem bekannten Ergebnis – zum Anlass der Überprüfung der zu vergebenden Sozialpunkte genommen.

Zu diesem Zeitpunkt und auch anlässlich der Überprüfung des Widerspruchs des Klägers gegen die Auswahlentscheidung hat die Beklagte ausweislich des Widerspruchsbescheids vom 1.9.2011 selbst nicht angenommen, dass das neue Vorbringen des Klägers zu spät geltend gemacht worden sei. Vielmehr hat sie dem Kläger in den Gründen ihrer Widerspruchsentscheidung einleitend mitgeteilt, dass die von ihm am 15.6.2011 nachgereichten Unterlagen zur Schwerbehinderung seines Bruders geprüft und in die Stellenbesetzungsentscheidung eingeflossen seien. Hieran muss sie sich festhalten lassen.

Erstmals im gerichtlichen Verfahren hat die Beklagte argumentiert, das Vorbringen des Klägers vom 15.6.2011 habe ohnehin - unabhängig von seiner rechtlichen Relevanz - keine Verpflichtung zu einer Erhöhung der vergebenen Sozialpunkte begründen können, weil gemäß Ziffer II.5 Satz 3 DV allein die zur Zeit der Personalauswahlentscheidung bestehende Sozialpunktezahl maßgeblich sei. Dieses Argument verfängt nicht.

Die Beklagte verkennt, dass eine Personalentscheidung erst getroffen ist, wenn die zu beteiligenden Mitbestimmungsgremien ihr zugestimmt haben und der Dienstherr sich entschließt, an ihr festzuhalten und sie durch Bekanntgabe an den hiernach erfolgreichen Bewerber und seine unterlegenen Konkurrenten umzusetzen. Dementsprechend musste das Vorbringen des Klägers vom 15.6.2011 - wie geschehen - geprüft werden. Dass dabei die rechtliche Tragweite der unter Ziffer II.8 DV getroffenen Regelung verkannt und diese Vorschrift als nicht einschlägig erachtet wurde, führt zur Fehlerhaftigkeit der Auswahlentscheidung.

Dieser Fehler wurde im Rahmen des Widerspruchsverfahrens nicht behoben.

Nach § 126 Abs. 3 Nrn. 1 und 4 BRRG setzen alle Klagen eines Beamten aus dem Beamtenverhältnis einschließlich der Leistungs- und Feststellungsklage - sofern gesetzlich nichts anderes bestimmt ist - die vorherige Durchführung eines Widerspruchsverfahrens voraus. Zu der Zielsetzung dieser Regelung hat das Bundesverwaltungsgericht(BVerwG, Urteil vom 30.10.2013 - 2 C 23/12 -, juris Rdnr. 20) erst kürzlich ausgeführt, der Gesetzgeber habe das Erfordernis des Widerspruchsverfahrens auf alle Streitigkeiten aus dem Beamtenverhältnis erstreckt, um sicherzustellen, dass Beamte vor der Anrufung der Verwaltungsgerichte den Dienstherrn mit ihren Anliegen befassen. Das Widerspruchsverfahren diene unter anderem der Selbstkontrolle des Dienstherrn. Diesem solle stets die Möglichkeit eröffnet werden, einen gerichtlichen Rechtsstreit zu vermeiden, sei es durch Abhilfe, durch gütliche Einigung, soweit dies rechtlich möglich ist, oder durch nähere Begründung seines Rechtsstandpunktes.

Der Kläger hat in seinem Widerspruchsschreiben vom 8.8.2011 in Ergänzung seines Schreibens vom 15.6.2011, wenn auch nur mit knapp gehaltenen Ausführungen, den Grund und das Ausmaß der Behinderung seines Bruders sowie den Umstand dargelegt, dass er in dessen Betreuung eingebunden sei, und damit substantiiert Anhaltspunkte für das eventuelle Bestehen einer besonderen sozialen Belastung vorgetragen.

Die Beklagte war im Rahmen der Bearbeitung des Widerspruchs gehalten, alle ihr bekannt gewordenen standortbezogenen Lebensumstände des Klägers auf ihre eventuelle Relevanz für die Vergabe von Sozialpunkten zu überprüfen und gegebenenfalls – sofern der Sozialkriterienkatalog dies vorsieht (Ehrenamt) – zu berücksichtigen bzw. bei Vorliegen substantiierter Anhaltspunkte für eine im Sozialkriterienkatalog nicht erfasste besondere Belastung eine Einzelfallentscheidung nach Ziffer II.8 DV zu ermöglichen. Sie hätte den Umfang der vorgetragenen und nicht grundsätzlich angezweifelten Belastung des Klägers infolge der Behinderung seines Bruders in tatsächlicher Hinsicht aufklären und durch einen wertenden Vergleich mit den im Sozialkriterienkatalog geregelten Tatbeständen unter Einbeziehung aufgetretener Referenzfälle gewichten müssen. Diese Notwendigkeit hat die Beklagte indes nicht erkannt und fürsorgepflichtwidrig – ebenso wie im Prozess – an ihrer der angegriffenen Auswahlentscheidung zu Grunde liegenden Rechtsansicht festgehalten, die in Bezug auf den Bruder des Klägers bekannt gewordenen Umstände seien von vornherein nicht von Relevanz.

Hinsichtlich Entscheidungen, die unter Beachtung des Art. 33 Abs. 2 GG zu treffen sind, ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung geklärt, dass deren Rechtmäßigkeit sich grundsätzlich(anders (Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz), wenn zu entscheiden ist, ob einem Einstellungsantrag im Hinblick auf ein gesetzliches Tatbestandsmerkmal aus Rechtsgründen stattgegeben werden muss oder nicht stattgegeben werden darf: BVerwG, Urteil vom 24.6.2004 - 2 C 45/03 -, juris Rdnr. 18; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 22.1.2002 - 1 C 6/01 -, juris Rdnr. 9) nach der Sach- und Rechtslage zur Zeit der letzten Behördenentscheidung bestimmt, sie also im gerichtlichen Verfahren nicht mit einer neuen Auswahlbegründung aufrechterhalten werden können.(BVerwG, Urteile vom 27.11.1980 - 2 C 38/79 -, BVerwGE 61, 176, 191 f., und vom 25.11.2004 -  2 C 17/03 -, juris Rdnrn. 17 und 20; Beschlüsse vom 16.12.2008 - 1 WB 19/08 -, juris Rdnrn. 46 ff., und vom 27.1.2010 - 1 WB 52/08 -, juris Rdnr. 37) Ob dies bei einer nach sozialen Kriterien zu treffenden Auswahlentscheidung genauso zu sehen ist, kann fallbezogen dahinstehen. Denn die Beklagte hat im gerichtlichen Verfahren keinen – zumindest keinen sachlich vertretbaren – Versuch unternommen, die klägerseits geltend gemachte Belastung infolge der Behinderung des Bruders in ihr Sozialpunktesystem einzureihen.

Nach alldem hat die Beklagte ihre Fürsorgepflicht verletzt. Auswahlentscheidung und Widerspruchsbescheid unterliegen der Aufhebung.

3. Das weitere mit dem Hauptantrag der Klage verfolgte Begehren, die Beklagte zur Übertragung des angestrebten Dienstpostens an den Kläger zu verurteilen, kann – anders als der auf erneute Auswahlentscheidung unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senats zielende Hilfsantrag – keinen Erfolg haben.

Der Senat ist nicht befugt, die nach Ziffer II.8 DV der Beklagten und der zuständigen Personalvertretung vorbehaltene Einzelfallwürdigung und -entscheidung selbst zu treffen. Denn ob eine sozialpunkterelevante Konstellation – gegebenenfalls mit welcher in Punkten auszudrückenden Intensität – gegeben ist oder nicht, obliegt nicht primär der Beurteilung durch den Senat, sondern der vergleichenden Würdigung durch die Beklagte und die zuständige Personalvertretung. Dass das Ermessen – ausnahmsweise – zu Gunsten des Klägers auf Null reduziert wäre, also allein die Vergabe des Dienstpostens an ihn in Betracht käme, ist nicht annehmbar.

Denn ein Erfolg der Klage mit dem Hauptantrag, dem Kläger den begehrten Dienstposten zu übertragen, würde zwingend voraussetzen, dass die erneute Überprüfung der Sozialrelevanz der mit Schreiben vom 15.6.2011 geltend gemachten Belastungen zu dem Ergebnis führen würde, dass dem Kläger - aktuell - zumindest die gleiche Zahl an Sozialpunkten zustünde wie dem Beigeladenen. Indes ist derzeit nicht absehbar, sondern vielmehr offen, zu welchem Ergebnis die nach Ziffer II.8 DV notwendige vergleichende Betrachtung führen wird, so dass die Klage mit ihrem Hauptantrag der Zurückweisung unterliegt.

Der auf erneute Entscheidung der Beklagten über die Bewerbung des Klägers zielende Hilfsantrag hat Erfolg. Die Auswahlentscheidung muss wiederholt werden.

Sie ist unter Zugrundelegung der aktuellen Gegebenheiten zu treffen. Denn die Zuweisung des verfahrensgegenständlichen Dienstpostens an den Beigeladenen konnte infolge des Rechtsstreits im Verhältnis zu dem Kläger keine Verbindlichkeit erlangen. In Konsequenz der Rechtswidrigkeit der Auswahlentscheidung ist der Dienstposten nach wie vor zu vergeben. Da die Auswahlentscheidung nach der Organisationsgrundentscheidung der Beklagten nach Sozialkriterien, insbesondere dem Kriterium der Standortbindung zu treffen ist, ist für die neu zu treffende Auswahlentscheidung maßgeblich, welcher der beiden verbliebenen Bewerber die intensivere Standortbindung geltend machen kann. Insoweit legt das maßgebliche materielle Recht den Schluss nahe, dass eine an Sozialkriterien zu orientierende Dienstpostenvergabe die zur Zeit der Auswahlentscheidung aktuellen Lebensumstände der Bewerber in den Blick nehmen muss. Es widerspräche Sinn und Zweck dieser Organisationsgrundentscheidung, einen Bewerber wegen der Intensität seiner Sozialbindung zur Zeit der Stellenausschreibung und des Auswahlverfahrens zu bevorzugen, obwohl er im Zeitpunkt der (neu vorzunehmenden) Auswahlentscheidung nicht die höchste Sozialpunktezahl vorzuweisen hat und damit aktuell nicht der Bewerber mit der intensivsten Standortbindung ist.

Die Beklagte ist nach alldem im Rahmen der neuen Auswahlentscheidung zur vollständigen Ermittlung des entscheidungserheblichen Sachverhalts verpflichtet und aufgrund der ihr gegenüber dem Kläger und gleichermaßen gegenüber dem Beigeladenen obliegenden Fürsorgepflicht gehalten, alle aktuell standortbindungsrelevanten Umstände an den Vorgaben der mit dem Hauptpersonalrat getroffenen Dienstvereinbarung und dem gemeinsam entwickelten Sozialkriterienkatalog zu messen. Hinsichtlich im Sozialkriterienkatalog nicht erfasster Belastungen wird – unter Beteiligung des zuständigen Personalrat – zu prüfen sein, ob ihnen ein Gewicht zukommt, das eine Berücksichtigung bei der Zuerkennung der Sozialpunkte erforderlich macht und bejahendenfalls zu ermitteln sein, welche Anzahl von Sozialpunkten der Intensität der Belastung bei der gebotenen vergleichenden Betrachtung gerecht wird.

Im Rahmen der Bewertung des Betreuungsaufwands für den Bruder und dem hiermit begründeten Wunsch des Klägers, möglichst nicht im Schichtdienst arbeiten zu müssen, wird die Beklagte auch zu erwägen haben, ob und wenn ja welche Relevanz die Regelung unter Ziffer V.7 DV, eventuell auch die Regelung unter Ziffer V.9 DV, in diesem Zusammenhang haben kann.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 155 Abs. 1 Satz 1 2. Alt., 154 Abs. 3 VwGO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit rechtfertigt sich aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11 ZPO.

Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor (§§ 132 Abs. 2 VwGO, 127 BRRG).

Beschluss

Der Streitwert wird auch für das Berufungsverfahren auf 5.000,-- Euro festgesetzt (§§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 1 und Abs. 2, 47 Abs. 1 GKG).

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.

Gründe

Die zulässige Berufung des Klägers ist nach Maßgabe des Urteilstenors teilweise begründet und im Übrigen unbegründet.

Das mit dem Hauptantrag verfolgte Klagebegehren, die Beklagte unter Aufhebung von Bescheid und Widerspruchsbescheid zu verurteilen, dem Kläger den verfahrensgegenständlichen Dienstposten zu übertragen, ist – wie das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt hat – zulässig.

Soweit die Klage auf die Aufhebung des Bescheids vom 20.7.2011 und des Widerspruchsbescheids vom 1.9.2011 gerichtet ist, ist sie begründet. Ferner ist die Beklagte auf den Hilfsantrag hin zu verpflichten, unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senats erneut über die verfahrensgegenständliche Bewerbung des Klägers zu entscheiden. Insoweit unterliegt das angegriffene Urteil der Abänderung. Hinsichtlich des weitergehenden Antrags, die Beklagte zur Übertragung des angestrebten Dienstpostens an den Kläger zu verurteilen, bleibt die Berufung ohne Erfolg.

1. Dem Verwaltungsgericht ist zunächst darin zuzustimmen, dass die grundsätzliche Entscheidung der Beklagten, den vom Kläger erstrebten und - nur - unter Versetzungs- und Umsetzungsbewerbern zu vergebenden Dienstposten nicht nach den Kriterien der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung, sondern nach dem sozialen Gesichtspunkt der Standortbindung zu übertragen, aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden ist. Das Verwaltungsgericht hat überzeugend herausgearbeitet, dass die Beklagte die Organisationsgrundentscheidung getroffen hat, den in Rede stehenden Dienstposten nicht als Beförderungsdienstposten auszuschreiben, sondern Versetzungs- und Umsetzungsinteressierten zwecks einer sozialverträglichen personellen Umsetzung der Neuorganisation der Bundespolizei die Möglichkeit zu eröffnen, sich unter Hinweis auf ihre Wohnortnähe und Standortbindung auf diesen Dienstposten zu bewerben.

Zulässig ist ferner, dass die Beklagte sich angesichts der Vielzahl der im Rahmen der Neuorganisation der Bundespolizei zu treffenden Auswahlentscheidungen entschlossen hat, im Wege einer Dienstvereinbarung mit dem Hauptpersonalrat einen Sozialkriterienkatalog zu erstellen, um eine Grundlage für die Anlegung möglichst gleichmäßiger Auswahlkriterien in Bezug auf das Merkmal Standortbindung zu schaffen. Hiernach ist die Auswahl zwischen mehreren Bewerbern mit Standortbindung nach der anhand des Sozialkriterienkataloges zu ermittelnden Sozialpunktezahl zu treffen.

2. Die zu Ungunsten des Klägers getroffene Auswahlentscheidung ist mangels hinreichender Einbeziehung des entscheidungserheblichen Sachverhalts in die Ermittlung der zu vergebenden Sozialpunkte – auch in der Gestalt, die sie durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat – rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.

2.1. Sie wird ausschließlich damit begründet, dass sich bei der anhand der Dienstvereinbarung und des Sozialkriterienkataloges zu ermittelnden Standortbindung ein Vorsprung des Beigeladenen ergeben habe, weil diesem 28 Sozialpunkte und dem Kläger nur 25 Sozialpunkte zuzuerkennen seien. Nach den dortigen Vorgaben könne das Vorbringen des Klägers, er sei aufgrund der Schwerbehinderung seines Bruders einer zusätzlichen besonderen Belastung ausgesetzt, keine Berücksichtigung finden. Denn der Umstand, dass die diesbezüglich geschilderten Belastungen zwar Eingang in den Sozialkriterienkatalog hätten finden können, aber nicht gefunden haben, habe zur Folge, dass sie nicht berücksichtigungsfähig seien. Die so begründete Umsetzung der Vorgaben der Dienstvereinbarung und des Sozialkriterienkataloges auf die konkreten Lebensumstände des Klägers ist fehlerbehaftet.

Die Beklagte war aus Gründen der ihr gegenüber dem Kläger obliegenden Fürsorgepflicht gehalten, die mit dessen Schreiben vom 15.6.2011 zusätzlich geltend gemachte Belastung durch das Ehrenamt zusätzlich mit einem Sozialpunkt zu belegen und die Belastung infolge der Behinderung des Bruders zum Anlass zu nehmen, die Frage zu prüfen, ob diese die Vergabe von Sozialpunkten rechtfertigt und die zuständige Personalvertretung nach Maßgabe der Ziffer II.8 DV mit der Angelegenheit zu befassen. Durch die Nichtberücksichtigung der geltend gemachten Belastungen hat die Beklagte die ihr gegenüber dem Kläger obliegende Fürsorgepflicht verletzt. Dies ergibt sich aus der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts.

Die Regelungen der Dienstvereinbarung und des Sozialkriterienkataloges und deren Anwendung durch die Beklagte auf die jeweils zu treffende Auswahlentscheidung müssen gewährleisten, dass alle fürsorgepflichtrelevanten Umstände der privaten Lebensführung der einzelnen Beamten vor einer den Ort der Dienstverrichtung berührenden Personalentscheidung ermittelt und mit dem ihnen zukommenden Gewicht in die Abwägung eingestellt werden können. Nach der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts(BVerwG, Beschluss vom 18.2.2013 - 2 B 51/12 -, juris Rdnrn. 8 ff.) ist der Dienstherr aufgrund der ihm obliegenden Fürsorgepflicht gehalten, die ihm untergebenen Beamten mit Gerechtigkeit zu behandeln, ihnen die Erfüllung ihres Dienstes nach Möglichkeit zu erleichtern und ihre Belange wohlwollend zu berücksichtigen und zu wahren. Demgemäß muss der Dienstherr - so das Bundesverwaltungsgericht - zur Vorbereitung einer Versetzungsentscheidung nicht nur - wie in der Rechtsprechung seit langem anerkannt (BVerwG, Urteile vom 7.3.1968 – 2 C 137/67 -, Buchholz 232 § 26 BBG Nr. 9 S. 50 f., und vom 13.2.1969 - 2 C 114/65 -, Buchholz 232 § 26 BBG Nr. 11 S. 4 f.)- prüfen, ob es substantiierte Anhaltspunkte für eine eventuelle Schädigung der körperlichen oder seelischen Gesundheit des Beamten infolge der Personalmaßnahme gibt, sondern auch besondere Schutzbedürfnisse des Beamten aus dem von Art. 6 GG geschützten Bereich von Ehe und Familie sowie andere, mit dem Wechsel des Dienstortes verbundene Nachteile für die private Lebensführung des Beamten ermitteln und bei seiner Auswahlentscheidung berücksichtigen. Er kann sich durch eine Dienstvereinbarung nicht von Verpflichtungen, die ihm im Verhältnis zu jedem einzelnen Beamten von Verfassungs wegen oder kraft Gesetzes obliegen, befreien.

Dies gilt uneingeschränkt auch in Fallgestaltungen der vorliegenden Art, in denen es nicht um eine (Weg-) Versetzung zu einem anderen für den betroffenen Beamten mit Blick auf seine private Lebensführung potentiell ungünstigeren Dienstort geht, sondern ein freier Dienstposten nach der von der Zielsetzung, die Zufriedenheit innerhalb der Bediensteten zu steigern, getragenen Grundsatzentscheidung des Dienstherrn an denjenigen Beamten vergeben werden soll, der aufgrund seiner privaten Lebensverhältnisse das schutzwürdigste Interesse an einer wohnortnahen dienstlichen Verwendung hat. Auch unter diesen Voraussetzungen kann der Dienstherr eine gerechte, die jeweiligen privaten Belange angemessen und wohlwollend berücksichtigende Auswahlentscheidung zwischen mehreren Bewerbern um einen mit einem Dienstortwechsel verbundenen Dienstposten nur treffen, wenn er alle fürsorgepflichtrelevanten Umstände der privaten Lebensführung ermittelt und sie ihrem Gewicht entsprechend in seine Abwägung einbezieht. Entwickelt der Dienstherr zu diesem Zweck gemeinsam mit dem zuständigen Personalrat einen Katalog von Sozialkriterien und ein entsprechendes Punktesystem, so müssen deren Inhalt, Auslegung und einzelfallbezogene Anwendung gewährleisten, dass kein aufgrund der Fürsorgepflicht zu beachtender Umstand der privaten Lebensführung des einzelnen Beamten unberücksichtigt bleibt.

Gemessen an diesem rechtlichen Rahmen ist festzustellen, dass Ziffer 5 des zur Umsetzung der verfahrensgegenständlichen Dienstvereinbarung erlassenen Sozialkriterienkatalogs in der von der Beklagten vertretenen Auslegung des Regelungsinhalts und der hierauf basierenden Handhabung der Vorschrift durch die Beklagte nicht den Anforderungen entspricht, die eine Dienstvereinbarung nach der in Bezug genommenen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts erfüllen muss, um eine ermessensfehlerfreie Auswahlentscheidung des Dienstherrn im Falle der Konkurrenz mehrerer Bewerber um einen konkreten Dienstposten zu ermöglichen. Ist nämlich der Dienstherr aufgrund seiner Fürsorgepflicht gehalten, alle relevanten Lebensumstände des Beamten in eine nach Sozialkriterien zu treffende Entscheidung einzubeziehen, so ist ihm versagt, seine Fürsorgepflicht im Wege einer Dienstvereinbarung nur auf ganz bestimmte Lebensumstände zu beschränken und allein diese als ermessensrelevant anzuerkennen.

Fallbezogen hat die Beklagte im Verlauf sowohl des Verwaltungs- als auch des Gerichtsverfahrens immer wieder bekräftigt, der Regelung unter Ziffer 5 des Sozialkriterienkatalogs liege eine Ermessensentscheidung des Inhalts zugrunde, dass besondere Belastungen eines Beamten infolge gesundheitlicher Beeinträchtigungen eines Angehörigen nur in den beiden ausdrücklich aufgeführten Fallgestaltungen – Schwerbehinderung des Ehe- bzw. Lebenspartners bzw. eines Kindes oder Pflegefall der Pflegestufe 1, 2 oder 3 im eigenen Haushalt bzw. in der unmittelbaren Umgebung – in die Ermittlung des Gewichts der Standortbindung einbezogen werden dürften. Dieses Verständnis der Vorschrift verbietet sich, denn Ermessensentscheidungen, die im Widerspruch zu der Fürsorgepflicht des Dienstherrn nicht alle abwägungsrelevanten Belange einbeziehen, dürfen auch nicht unter dem Etikett einer Dienstvereinbarung getroffen werden.

So wie von der Beklagten verstanden würde die Regelung dazu führen, dass eine wohl beträchtliche Anzahl nach der Lebenserfahrung vorkommender besonderer Belastungen eines Beamten infolge familiärer Verpflichtungen gegenüber hilfebedürftigen Verwandten ungeachtet eventueller gravierender Auswirkungen auf die private Lebensführung von vornherein nicht zur Zuerkennung von Sozialpunkten führen kann. So verstanden wären die Dienstvereinbarung und der zugehörige Sozialkriterienkatalog nicht rechtens. Denn durch Abschluss einer Dienstvereinbarung kann der Dienstherr sich nicht von seiner Verpflichtung befreien, alle potentiell fürsorgepflichtrelevanten Umstände der privaten Lebensführung des Beamten in Entscheidungen einzubeziehen, die sich erschwerend oder erleichternd unmittelbar auf die private Lebensgestaltung des Beamten auswirken. Indes rechtfertigt die Dienstvereinbarung von ihrem Wortlaut sowie Sinn und Zweck her durchaus ein Verständnis ihrer Vorgaben, das mit der Fürsorgepflicht des Dienstherrn in Einklang steht.

Gerade zur Vermeidung einer Kollision des Sozialkriterienkatalogs mit den dem Dienstherrn aus der Fürsorgepflicht erwachsenen Pflichten dürfte die Regelung unter Ziffer II.8 DV Eingang in die Dienstvereinbarung gefunden haben. Hiernach werden besondere Fälle, die durch den Sozialkriterienkatalog nicht angemessen geregelt werden können, im Einzelfall mit Zustimmung der zuständigen Personalvertretung entschieden. Dies wirkt - soweit es um soziale Belastungen aufgrund familiärer Bindungen geht - einer schablonenhaften Beschränkung der Berücksichtigungsfähigkeit familiärer Verpflichtungen eines Beamten auf bestimmte typische Fallgestaltungen entgegen. Die Regelung dient zum Ausgleich des Umstandes, dass es den Rahmen eines handhabbaren Sozialkriterienkataloges sprengen würde, wenn in ihm jede denkbare, vielleicht nur in seltenen Einzelfällen vorkommende Hilfe für Angehörige, deren Ausmaß eine Punktvergabe rechtfertigen oder gar gebieten könnte, aufgeführt sein müsste. Ein Sozialkriterienkatalog kann nur typische Fallgruppen aufgreifen und angemessen regeln. In allen anderen Konstellationen kann der Dienstherr seiner Fürsorgepflicht nur mittels einer Einzelfallprüfung gerecht werden. Zwar wird sicherlich nicht jedes mehr oder weniger regelmäßige Tätigwerden zugunsten eines in irgendeiner Weise auf Unterstützung angewiesenen Angehörigen Anlass zur Vergabe eines oder mehrerer Sozialpunkte geben können, weil viele Hilfeleistungen für nahe Angehörige ihrem Umfang nach den Rahmen sozialadäquater - oftmals auch gegenseitiger - Unterstützung nicht überschreiten und sich mithin nicht als besondere vom Dienstherrn bei Wahrnehmung seiner Fürsorgepflicht zu berücksichtigende Belastung darzustellen vermögen.

So macht der Kläger nicht geltend, infolge von Hilfestellungen zugunsten seines schwerbehinderten Vaters und seiner Mutter, die in einem eigenen Haushalt leben, in besonderer den sozialüblichen Rahmen übersteigender Weise belastet zu sein. Er beruft sich vielmehr darauf, dass er in die Fürsorge für seinen zu 100 v.H. schwerbehinderten Bruder eingebunden sei. Dieser lebe zwar bei den Eltern und werde von diesen, was Essen und Haushaltsführung angehe, auch versorgt, sei aber aufgrund seiner Behinderung auf bestimmte tagtägliche Kontakte mit einer engen Bezugsperson - dem Kläger - angewiesen und könne seine außerhäuslichen Angelegenheiten, wie etwa geschäftliche Dinge, Arztbesuche oder Behördengänge, nicht ohne Hilfe bewältigen. Demgemäß stehe er unter Betreuung, wobei zunächst der Vater als Betreuer und er, der Kläger, als Ersatzbetreuer bestellt gewesen seien und - nachdem der Vater dieser Aufgabe aus gesundheitlichen Gründen zunehmend nicht mehr gewachsen gewesen sei - er durch Amtsgerichtsbeschluss vom 13.9.2011 als Betreuer eingesetzt worden sei. Diese Situation ist sicherlich keine typische, so dass ihre Berücksichtigung in einem Sozialkriterienkatalog nicht erwartet werden kann. Dies entbindet den Dienstherrn aber nicht von der Prüfung der Frage, ob die durch sie bedingte Belastung des Beamten es von ihrer Intensität her erforderlich macht, sie mit einem oder mehreren Sozialpunkten zu belegen.

Diese Frage hat die Beklagte nach Aktenlage - insbesondere dem Inhalt des Vermerks vom 15.6.2011 und ihren Bekundungen im Verlauf des Gerichtsverfahrens zufolge - nicht geprüft, obwohl der Kläger Umstände vorgetragen hat, die nicht von vornherein ungeeignet zur Darlegung einer besonderen Belastung erscheinen. Ihr Standpunkt, dass der Sozialkriterienkatalog abschließend regele, welche gesundheitlichen Beeinträchtigungen von Angehörigen zur Vergabe von Sozialpunkten führen, und dass alle anderen Belastungen infolge von Hilfeleistungen für Angehörige bei der Ermittlung der Standortbindung nicht - auch nicht über den Auffangtatbestand der Ziffer II.8 DV - berücksichtigt werden könnten, widerspricht den durch die Fürsorgepflicht des Dienstherrn geprägten rechtlichen Anforderungen. So erscheint es im Vergleich mit Lebensumständen, die nach dem Sozialkriterienkatalog eine Punktevergabe zur Folge haben, nicht ausgeschlossen, sondern nach Dafürhalten des Senats naheliegend, wenn nicht geboten, der Belastung des Klägers aufgrund der Behinderung seines Bruders ein Gewicht zuzusprechen, das die Vergabe von einem oder mehreren Sozialpunkten rechtfertigen könnte. Hierfür spricht insbesondere die unter Ziffer 7 des Sozialkriterienkatalogs getroffene Regelung, wonach Ehrenämter in der Betreuung behinderter Personen die Vergabe eines Sozialpunktes zur Folge haben. Insoweit erschließt sich dem Senat nicht, aus welchen sachlichen mit Blick auf den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz tragfähigen Gründen Betreuungsaufwand, der seine Ursache nicht in einem Ehrenamt, sondern in den engen familiären Bindungen unter Geschwistern hat – ohne dass es auf das konkrete Ausmaß des Aufwandes ankäme –, von vornherein nicht als sozialrelevante Belastung in Betracht kommen sollte.

2.2. Die von der Beklagten aufgeworfene Frage, ob es auf all dies angesichts des Zeitpunkts, zu dem der Kläger erstmals die Anerkennung von Sozialpunkten wegen der Hilfebedürftigkeit seines Bruders beantragt hat, überhaupt ankommen kann, ist zu bejahen.

Die Beklagte verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass der Kläger seinen Einsatz zur (Mit-)Betreuung des Bruders anfänglich bei Ausfüllen des Sozialfragebogens am 14.3.2011 nicht als besondere soziale Belastung geltend gemacht und diesen Aspekt auch bei der ersten Korrektur seiner Angaben am 5.5.2011 anlässlich der Bitte um zusätzliche Berücksichtigung der zwischenzeitlich anerkannten Schwerbehinderung seiner Ehefrau nicht angesprochen hat. Dementsprechend sei die in dem Stellenbesetzungsvermerk vom 8.6.2011 dokumentierte Personalauswahlentscheidung unter der Prämisse getroffen worden, dass die sozialen Belange aller Bewerber, also auch des Klägers, vollständig ermittelt und berücksichtigt worden seien. Erst am 15.6.2011 habe der Kläger geltend gemacht, wichtige Punkte vergessen zu haben, und sein ehrenamtliches Engagement im Kindergarten sowie seinen Einsatz für seinen Bruder als zusätzlich zu berücksichtigende Belastungen angeführt. Diese Angaben seien geprüft worden, obwohl nach der Dienstvereinbarung keine Verpflichtung mehr hierzu bestanden habe. Denn nach Ziffer II.5 DV sei die zum Zeitpunkt der Personalauswahlentscheidung bestehende Sozialpunktezahl für den Vergleich unter mehreren Bewerbern maßgeblich. Dieser Zeitpunkt sei bei erstmaliger Geltendmachung der nunmehr strittigen Belange bereits verstrichen gewesen. Dieser Argumentation kann nicht gefolgt werden.

Fest steht insoweit zwar, dass der mit der Auswahlentscheidung befasste Bedienstete der Beklagten die ihm vorgelegten Bewerbungen um den Dienstposten am 8.6.2011 ausgewertet hat, auf dieser Grundlage zum Ergebnis gelangt ist, dass der Dienstposten wegen Erreichens der höchsten Sozialpunktezahl mit dem Beigeladenen zu besetzen ist, und einen entsprechenden, seine Erwägungen im Einzelnen festhaltenden Stellenbesetzungsvermerk gefertigt hat, der am 9.6.2011 von seinen beiden Vorgesetzten gegengezeichnet worden ist. Allerdings hatte diese Entscheidung noch internen Charakter; insbesondere stand die Beteiligung der Gleichstellungsbeauftragten und des Gesamtpersonalrates noch aus. Bevor die diesbezüglich notwendigen Schritte am 17.6.2011 (Anschreiben an die Gleichstellungsbeauftragte/Zustimmung am 21.6.2011) bzw. am 27.6.2011 (Anschreiben an den Gesamtpersonalrat/Zustimmung am 14.7.2011) eingeleitet und abgeschlossen waren und den Betroffenen die Auswahlentscheidung jeweils mit Schreiben vom 20.7.2011 mitgeteilt worden ist, ist der Kläger mit dem Anliegen der Berücksichtigung u.a. der Hilfebedürftigkeit seines Bruders am 15.6.2011 an die Beklagte herangetreten. Völlig zu Recht hat die Beklagte dieses Anliegen damals – allerdings mit dem bekannten Ergebnis – zum Anlass der Überprüfung der zu vergebenden Sozialpunkte genommen.

Zu diesem Zeitpunkt und auch anlässlich der Überprüfung des Widerspruchs des Klägers gegen die Auswahlentscheidung hat die Beklagte ausweislich des Widerspruchsbescheids vom 1.9.2011 selbst nicht angenommen, dass das neue Vorbringen des Klägers zu spät geltend gemacht worden sei. Vielmehr hat sie dem Kläger in den Gründen ihrer Widerspruchsentscheidung einleitend mitgeteilt, dass die von ihm am 15.6.2011 nachgereichten Unterlagen zur Schwerbehinderung seines Bruders geprüft und in die Stellenbesetzungsentscheidung eingeflossen seien. Hieran muss sie sich festhalten lassen.

Erstmals im gerichtlichen Verfahren hat die Beklagte argumentiert, das Vorbringen des Klägers vom 15.6.2011 habe ohnehin - unabhängig von seiner rechtlichen Relevanz - keine Verpflichtung zu einer Erhöhung der vergebenen Sozialpunkte begründen können, weil gemäß Ziffer II.5 Satz 3 DV allein die zur Zeit der Personalauswahlentscheidung bestehende Sozialpunktezahl maßgeblich sei. Dieses Argument verfängt nicht.

Die Beklagte verkennt, dass eine Personalentscheidung erst getroffen ist, wenn die zu beteiligenden Mitbestimmungsgremien ihr zugestimmt haben und der Dienstherr sich entschließt, an ihr festzuhalten und sie durch Bekanntgabe an den hiernach erfolgreichen Bewerber und seine unterlegenen Konkurrenten umzusetzen. Dementsprechend musste das Vorbringen des Klägers vom 15.6.2011 - wie geschehen - geprüft werden. Dass dabei die rechtliche Tragweite der unter Ziffer II.8 DV getroffenen Regelung verkannt und diese Vorschrift als nicht einschlägig erachtet wurde, führt zur Fehlerhaftigkeit der Auswahlentscheidung.

Dieser Fehler wurde im Rahmen des Widerspruchsverfahrens nicht behoben.

Nach § 126 Abs. 3 Nrn. 1 und 4 BRRG setzen alle Klagen eines Beamten aus dem Beamtenverhältnis einschließlich der Leistungs- und Feststellungsklage - sofern gesetzlich nichts anderes bestimmt ist - die vorherige Durchführung eines Widerspruchsverfahrens voraus. Zu der Zielsetzung dieser Regelung hat das Bundesverwaltungsgericht(BVerwG, Urteil vom 30.10.2013 - 2 C 23/12 -, juris Rdnr. 20) erst kürzlich ausgeführt, der Gesetzgeber habe das Erfordernis des Widerspruchsverfahrens auf alle Streitigkeiten aus dem Beamtenverhältnis erstreckt, um sicherzustellen, dass Beamte vor der Anrufung der Verwaltungsgerichte den Dienstherrn mit ihren Anliegen befassen. Das Widerspruchsverfahren diene unter anderem der Selbstkontrolle des Dienstherrn. Diesem solle stets die Möglichkeit eröffnet werden, einen gerichtlichen Rechtsstreit zu vermeiden, sei es durch Abhilfe, durch gütliche Einigung, soweit dies rechtlich möglich ist, oder durch nähere Begründung seines Rechtsstandpunktes.

Der Kläger hat in seinem Widerspruchsschreiben vom 8.8.2011 in Ergänzung seines Schreibens vom 15.6.2011, wenn auch nur mit knapp gehaltenen Ausführungen, den Grund und das Ausmaß der Behinderung seines Bruders sowie den Umstand dargelegt, dass er in dessen Betreuung eingebunden sei, und damit substantiiert Anhaltspunkte für das eventuelle Bestehen einer besonderen sozialen Belastung vorgetragen.

Die Beklagte war im Rahmen der Bearbeitung des Widerspruchs gehalten, alle ihr bekannt gewordenen standortbezogenen Lebensumstände des Klägers auf ihre eventuelle Relevanz für die Vergabe von Sozialpunkten zu überprüfen und gegebenenfalls – sofern der Sozialkriterienkatalog dies vorsieht (Ehrenamt) – zu berücksichtigen bzw. bei Vorliegen substantiierter Anhaltspunkte für eine im Sozialkriterienkatalog nicht erfasste besondere Belastung eine Einzelfallentscheidung nach Ziffer II.8 DV zu ermöglichen. Sie hätte den Umfang der vorgetragenen und nicht grundsätzlich angezweifelten Belastung des Klägers infolge der Behinderung seines Bruders in tatsächlicher Hinsicht aufklären und durch einen wertenden Vergleich mit den im Sozialkriterienkatalog geregelten Tatbeständen unter Einbeziehung aufgetretener Referenzfälle gewichten müssen. Diese Notwendigkeit hat die Beklagte indes nicht erkannt und fürsorgepflichtwidrig – ebenso wie im Prozess – an ihrer der angegriffenen Auswahlentscheidung zu Grunde liegenden Rechtsansicht festgehalten, die in Bezug auf den Bruder des Klägers bekannt gewordenen Umstände seien von vornherein nicht von Relevanz.

Hinsichtlich Entscheidungen, die unter Beachtung des Art. 33 Abs. 2 GG zu treffen sind, ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung geklärt, dass deren Rechtmäßigkeit sich grundsätzlich(anders (Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz), wenn zu entscheiden ist, ob einem Einstellungsantrag im Hinblick auf ein gesetzliches Tatbestandsmerkmal aus Rechtsgründen stattgegeben werden muss oder nicht stattgegeben werden darf: BVerwG, Urteil vom 24.6.2004 - 2 C 45/03 -, juris Rdnr. 18; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 22.1.2002 - 1 C 6/01 -, juris Rdnr. 9) nach der Sach- und Rechtslage zur Zeit der letzten Behördenentscheidung bestimmt, sie also im gerichtlichen Verfahren nicht mit einer neuen Auswahlbegründung aufrechterhalten werden können.(BVerwG, Urteile vom 27.11.1980 - 2 C 38/79 -, BVerwGE 61, 176, 191 f., und vom 25.11.2004 -  2 C 17/03 -, juris Rdnrn. 17 und 20; Beschlüsse vom 16.12.2008 - 1 WB 19/08 -, juris Rdnrn. 46 ff., und vom 27.1.2010 - 1 WB 52/08 -, juris Rdnr. 37) Ob dies bei einer nach sozialen Kriterien zu treffenden Auswahlentscheidung genauso zu sehen ist, kann fallbezogen dahinstehen. Denn die Beklagte hat im gerichtlichen Verfahren keinen – zumindest keinen sachlich vertretbaren – Versuch unternommen, die klägerseits geltend gemachte Belastung infolge der Behinderung des Bruders in ihr Sozialpunktesystem einzureihen.

Nach alldem hat die Beklagte ihre Fürsorgepflicht verletzt. Auswahlentscheidung und Widerspruchsbescheid unterliegen der Aufhebung.

3. Das weitere mit dem Hauptantrag der Klage verfolgte Begehren, die Beklagte zur Übertragung des angestrebten Dienstpostens an den Kläger zu verurteilen, kann – anders als der auf erneute Auswahlentscheidung unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senats zielende Hilfsantrag – keinen Erfolg haben.

Der Senat ist nicht befugt, die nach Ziffer II.8 DV der Beklagten und der zuständigen Personalvertretung vorbehaltene Einzelfallwürdigung und -entscheidung selbst zu treffen. Denn ob eine sozialpunkterelevante Konstellation – gegebenenfalls mit welcher in Punkten auszudrückenden Intensität – gegeben ist oder nicht, obliegt nicht primär der Beurteilung durch den Senat, sondern der vergleichenden Würdigung durch die Beklagte und die zuständige Personalvertretung. Dass das Ermessen – ausnahmsweise – zu Gunsten des Klägers auf Null reduziert wäre, also allein die Vergabe des Dienstpostens an ihn in Betracht käme, ist nicht annehmbar.

Denn ein Erfolg der Klage mit dem Hauptantrag, dem Kläger den begehrten Dienstposten zu übertragen, würde zwingend voraussetzen, dass die erneute Überprüfung der Sozialrelevanz der mit Schreiben vom 15.6.2011 geltend gemachten Belastungen zu dem Ergebnis führen würde, dass dem Kläger - aktuell - zumindest die gleiche Zahl an Sozialpunkten zustünde wie dem Beigeladenen. Indes ist derzeit nicht absehbar, sondern vielmehr offen, zu welchem Ergebnis die nach Ziffer II.8 DV notwendige vergleichende Betrachtung führen wird, so dass die Klage mit ihrem Hauptantrag der Zurückweisung unterliegt.

Der auf erneute Entscheidung der Beklagten über die Bewerbung des Klägers zielende Hilfsantrag hat Erfolg. Die Auswahlentscheidung muss wiederholt werden.

Sie ist unter Zugrundelegung der aktuellen Gegebenheiten zu treffen. Denn die Zuweisung des verfahrensgegenständlichen Dienstpostens an den Beigeladenen konnte infolge des Rechtsstreits im Verhältnis zu dem Kläger keine Verbindlichkeit erlangen. In Konsequenz der Rechtswidrigkeit der Auswahlentscheidung ist der Dienstposten nach wie vor zu vergeben. Da die Auswahlentscheidung nach der Organisationsgrundentscheidung der Beklagten nach Sozialkriterien, insbesondere dem Kriterium der Standortbindung zu treffen ist, ist für die neu zu treffende Auswahlentscheidung maßgeblich, welcher der beiden verbliebenen Bewerber die intensivere Standortbindung geltend machen kann. Insoweit legt das maßgebliche materielle Recht den Schluss nahe, dass eine an Sozialkriterien zu orientierende Dienstpostenvergabe die zur Zeit der Auswahlentscheidung aktuellen Lebensumstände der Bewerber in den Blick nehmen muss. Es widerspräche Sinn und Zweck dieser Organisationsgrundentscheidung, einen Bewerber wegen der Intensität seiner Sozialbindung zur Zeit der Stellenausschreibung und des Auswahlverfahrens zu bevorzugen, obwohl er im Zeitpunkt der (neu vorzunehmenden) Auswahlentscheidung nicht die höchste Sozialpunktezahl vorzuweisen hat und damit aktuell nicht der Bewerber mit der intensivsten Standortbindung ist.

Die Beklagte ist nach alldem im Rahmen der neuen Auswahlentscheidung zur vollständigen Ermittlung des entscheidungserheblichen Sachverhalts verpflichtet und aufgrund der ihr gegenüber dem Kläger und gleichermaßen gegenüber dem Beigeladenen obliegenden Fürsorgepflicht gehalten, alle aktuell standortbindungsrelevanten Umstände an den Vorgaben der mit dem Hauptpersonalrat getroffenen Dienstvereinbarung und dem gemeinsam entwickelten Sozialkriterienkatalog zu messen. Hinsichtlich im Sozialkriterienkatalog nicht erfasster Belastungen wird – unter Beteiligung des zuständigen Personalrat – zu prüfen sein, ob ihnen ein Gewicht zukommt, das eine Berücksichtigung bei der Zuerkennung der Sozialpunkte erforderlich macht und bejahendenfalls zu ermitteln sein, welche Anzahl von Sozialpunkten der Intensität der Belastung bei der gebotenen vergleichenden Betrachtung gerecht wird.

Im Rahmen der Bewertung des Betreuungsaufwands für den Bruder und dem hiermit begründeten Wunsch des Klägers, möglichst nicht im Schichtdienst arbeiten zu müssen, wird die Beklagte auch zu erwägen haben, ob und wenn ja welche Relevanz die Regelung unter Ziffer V.7 DV, eventuell auch die Regelung unter Ziffer V.9 DV, in diesem Zusammenhang haben kann.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 155 Abs. 1 Satz 1 2. Alt., 154 Abs. 3 VwGO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit rechtfertigt sich aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11 ZPO.

Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor (§§ 132 Abs. 2 VwGO, 127 BRRG).

Beschluss

Der Streitwert wird auch für das Berufungsverfahren auf 5.000,-- Euro festgesetzt (§§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 1 und Abs. 2, 47 Abs. 1 GKG).

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.

(1) Im Flächennutzungsplan können die für die Bebauung vorgesehenen Flächen nach der allgemeinen Art ihrer baulichen Nutzung (Bauflächen) dargestellt werden als

1.Wohnbauflächen(W)
2.gemischte Bauflächen(M)
3.gewerbliche Bauflächen(G)
4.Sonderbauflächen(S).

(2) Die für die Bebauung vorgesehenen Flächen können nach der besonderen Art ihrer baulichen Nutzung (Baugebiete) dargestellt werden als

1.Kleinsiedlungsgebiete(WS)
2.reine Wohngebiete(WR)
3.allgemeine Wohngebiete(WA)
4.besondere Wohngebiete(WB)
5.Dorfgebiete(MD)
6.dörfliche Wohngebiete(MDW)
7.Mischgebiete(MI)
8.urbane Gebiete(MU)
9.Kerngebiete(MK)
10.Gewerbegebiete(GE)
11.Industriegebiete(GI)
12.Sondergebiete(SO).

(3) Im Bebauungsplan können die in Absatz 2 bezeichneten Baugebiete festgesetzt werden. Durch die Festsetzung werden die Vorschriften der §§ 2 bis 14 Bestandteil des Bebauungsplans, soweit nicht auf Grund der Absätze 4 bis 10 etwas anderes bestimmt wird. Bei Festsetzung von Sondergebieten finden die Vorschriften über besondere Festsetzungen nach den Absätzen 4 bis 10 keine Anwendung; besondere Festsetzungen über die Art der Nutzung können nach den §§ 10 und 11 getroffen werden.

(4) Für die in den §§ 4 bis 9 bezeichneten Baugebiete können im Bebauungsplan für das jeweilige Baugebiet Festsetzungen getroffen werden, die das Baugebiet

1.
nach der Art der zulässigen Nutzung,
2.
nach der Art der Betriebe und Anlagen und deren besonderen Bedürfnissen und Eigenschaften
gliedern. Die Festsetzungen nach Satz 1 können auch für mehrere Gewerbegebiete einer Gemeinde im Verhältnis zueinander getroffen werden; dies gilt auch für Industriegebiete. Absatz 5 bleibt unberührt.

(5) Im Bebauungsplan kann festgesetzt werden, dass bestimmte Arten von Nutzungen, die nach den §§ 2 bis 9 sowie 13 und 13a allgemein zulässig sind, nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können, sofern die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets gewahrt bleibt.

(6) Im Bebauungsplan kann festgesetzt werden, dass alle oder einzelne Ausnahmen, die in den Baugebieten nach den §§ 2 bis 9 vorgesehen sind,

1.
nicht Bestandteil des Bebauungsplans werden oder
2.
in dem Baugebiet allgemein zulässig sind, sofern die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets gewahrt bleibt.

(7) In Bebauungsplänen für Baugebiete nach den §§ 4 bis 9 kann, wenn besondere städtebauliche Gründe dies rechtfertigen (§ 9 Absatz 3 des Baugesetzbuchs), festgesetzt werden, dass in bestimmten Geschossen, Ebenen oder sonstigen Teilen baulicher Anlagen

1.
nur einzelne oder mehrere der in dem Baugebiet allgemein zulässigen Nutzungen zulässig sind,
2.
einzelne oder mehrere der in dem Baugebiet allgemein zulässigen Nutzungen unzulässig sind oder als Ausnahme zugelassen werden können oder
3.
alle oder einzelne Ausnahmen, die in den Baugebieten nach den §§ 4 bis 9 vorgesehen sind, nicht zulässig oder, sofern die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets gewahrt bleibt, allgemein zulässig sind.

(8) Die Festsetzungen nach den Absätzen 4 bis 7 können sich auch auf Teile des Baugebiets beschränken.

(9) Wenn besondere städtebauliche Gründe dies rechtfertigen, kann im Bebauungsplan bei Anwendung der Absätze 5 bis 8 festgesetzt werden, dass nur bestimmte Arten der in den Baugebieten allgemein oder ausnahmsweise zulässigen baulichen oder sonstigen Anlagen zulässig oder nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können.

(10) Wären bei Festsetzung eines Baugebiets nach den §§ 2 bis 9 in überwiegend bebauten Gebieten bestimmte vorhandene bauliche und sonstige Anlagen unzulässig, kann im Bebauungsplan festgesetzt werden, dass Erweiterungen, Änderungen, Nutzungsänderungen und Erneuerungen dieser Anlagen allgemein zulässig sind oder ausnahmsweise zugelassen werden können. Im Bebauungsplan können nähere Bestimmungen über die Zulässigkeit getroffen werden. Die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets muss in seinen übrigen Teilen gewahrt bleiben. Die Sätze 1 bis 3 gelten auch für die Änderung und Ergänzung von Bebauungsplänen.

Gründe

1

Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO gestützte Beschwerde der Antragstellerin bleibt ohne Erfolg.

2

1. Mit den Rügen gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wird ein grundsätzlicher Klärungsbedarf nicht aufgezeigt.

3

1.1 Die Frage,

Ist die Erforderlichkeit im Sinne des § 1 Abs. 3 BauGB für einen allgemeinen Einzelhandelsausschluss in einem Gewerbegebiet zu bejahen, wenn der Plangeber Ausnahmen nach § 1 Abs. 9 BauNVO vom allgemeinen Einzelhandelsausschluss zulässt, obwohl er mit der Planung das Ziel verfolgt, die Flächen dem produzierenden Gewerbe vorzuhalten?,

lässt sich, soweit sie überhaupt einer fallübergreifenden Klärung zugänglich ist, auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ohne weiteres bejahen.

4

Wie die Beschwerde selbst ausgeführt hat, ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, dass es grundsätzlich zulässig ist, auf der Grundlage des § 1 Abs. 5 BauNVO einen völligen Ausschluss von Einzelhandelsbetrieben in einem Gewerbegebiet mit dem Ziel der Freihaltung von Flächen für das produzierende Gewerbe festzusetzen (Beschlüsse vom 3. Mai 1993 - BVerwG 4 NB 13.93 - Buchholz 406.12 § 1 BauNVO Nr. 16, vom 11. Mai 1999 - BVerwG 4 BN 15.99 - Buchholz 406.12 § 1 BauNVO Nr. 27 und vom 25. April 2002 - BVerwG 4 BN 20.02 - juris Rn. 6). Für die Abweichung von den nach der Baunutzungsverordnung vorgegebenen Gebietstypen bedarf es in allen Fällen einer städtebaulichen Begründung, die sich aus der jeweiligen konkreten Planungssituation ergeben muss und die Abweichung rechtfertigt. Ebenso ist geklärt, dass der vollständige Ausschluss einer Nutzungsart durch Gegenausnahmen für bestimmte Arten von Anlagen der betreffenden Nutzungsart wieder ein Stück zurückgenommen werden kann. Insoweit muss die Gemeinde darlegen, warum das von ihr gewählte Abgrenzungskriterium marktüblichen Gegebenheiten entspricht und die Feindifferenzierung durch besondere städtebauliche Gründe gerechtfertigt ist (Urteil vom 26. März 2009 - BVerwG 4 C 21.07 - BVerwGE 133, 310 Rn. 13). Diese Grundsätze gelten generell, also auch für den Fall, dass die Gemeinde mit der Planung das städtebauliche Ziel der Freihaltung von Flächen für das produzierende Gewerbe verfolgt. Ob sich die von den Gemeinden festgesetzten Ausnahmen auf der Grundlage des § 1 Abs. 9 BauNVO - wie im vorliegenden Fall vom Oberverwaltungsgericht angenommen (UA S. 27 - 51) - rechtfertigen lassen, ist im Lichte des Planungskonzepts mit Blick auf die konkrete Planungssituation zu beurteilen und entzieht sich einer grundsätzlichen Klärung.

5

1.2 Die Frage, welche Anforderungen an die Darstellung der Bedarfssituation im Rahmen der Abwägung gestellt werden, verleiht der Rechtssache ebenfalls keine grundsätzliche Bedeutung.

6

Die Frage, in welchem Umfang die Gemeinde ihre städtebaulichen Ziele darlegen, insbesondere, inwieweit sie ihre städtebauliche Konzeption mit hinreichend belegten Tatsachen oder Prognosen untermauern muss, lässt sich fallübergreifend nicht beantworten, sondern hängt ebenfalls maßgebend von den tatsächlichen Umständen der jeweiligen Planungssituation ab. Das gilt nicht nur bei der Prüfung der Erforderlichkeit im Sinne des § 1 Abs. 3 BauGB, sondern auch wenn es um die Gewichtung mit ggf. entgegenstehenden privaten Belangen gemäß § 1 Abs. 7 BauGB geht.

7

Im Übrigen hat das Oberverwaltungsgericht auf den Einwand der Antragstellerin, es bestehe kein Bedarf an Gewerbeflächen, unter dem Gesichtspunkt der städtebaulichen Rechtfertigung eines Einzelhandelsausschlusses (vgl. dazu Urteil vom 27. März 2013 - BVerwG 4 C 13.11 - zum Abdruck in der Amtlichen Sammlung vorgesehen - juris Rn. 8) ausgeführt, das Eingeständnis des Plangebers, für eine Prognose der Gesamtnachfrage nach gewerblichen Bauflächen über einen Zeitraum von 15 Jahren gebe es (bislang) keine detaillierte und verlässliche Datengrundlage, sei unschädlich. Denn die Antragsgegnerin könne für die Notwendigkeit des Einzelhandelsausschlusses darauf verweisen, dass sie gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 BauGB die Bebauungspläne aus dem Flächennutzungsplan zu entwickeln habe, der die Änderungsbereiche im Plangebiet des Bebauungsplans als gewerbliche Bauflächen darstelle. Im Erläuterungsbericht zum Flächennutzungsplan werde insoweit ausgeführt, dass die jährliche Nachfrage nach privaten und städtischen gewerblichen Bauflächen in Hamburg voraussichtlich deutlich über 30 ha liegen werde (UA S. 34). Danach liegen Angaben zur Bedarfslage vor. Ob es sich dabei um aussagekräftige Angaben handelt, ist eine Frage, die der Tatrichter zu beurteilen hat.

8

1.3 Hinsichtlich der Frage, ob das Interesse am erweiterten Bestandsschutz je nachdem, ob das Grundstück durch den Eigentümer selbst genutzt werde oder nicht, unterschiedlich zu gewichten sei, fehlt es an der Darlegung der Entscheidungserheblichkeit. Das Oberverwaltungsgericht hat - wie die Anmerkung "Hinzu kommt" deutlich macht (UA S. 44) - lediglich ergänzend darauf verwiesen, dass die Antragstellerin als bloße Grundstückseigentümerin, die das Geschäft der Immobilienverwaltung betreibe, wirtschaftlich nur mittelbar in ihrem Verwertungsinteresse an dem Grundstück betroffen werde. Entscheidend für das Oberverwaltungsgericht ist, dass die Antragstellerin in ihrer Stellungnahme vom 4. August 2008 nur allgemein auf die Möglichkeit zur Festsetzung eines erweiterten Bestandsschutzes nach § 1 Abs. 10 BauNVO hingewiesen und ein konkretes betriebliches Bedürfnis des auf ihrem Grundstück niedergelassenen Lebensmittel-Discountmarktes für diese Festsetzung nicht aufgezeigt habe (UA S. 43).

9

1.4 Schließlich dient auch die Frage, ob eine planende Gemeinde, wenn der Planbetroffene hierzu nicht umfassend vorgetragen hat, das Interesse am erweiterten Bestandsschutz von sich aus als Belang in das Abwägungsmaterial einbeziehen müsse, letztlich nur dazu, im Gewand der Grundsatzrüge einzelfallbezogen Kritik zu üben. Seit der Senatsentscheidung vom 12. Dezember 1969 - BVerwG 4 C 105.66 - (BVerwGE 34, 301) ist es gefestigte Rechtsprechung, dass das Abwägungsgebot verletzt ist, wenn in die Abwägung an Belangen nicht eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss, oder der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten Belangen in einer Weise vorgenommen wird, der zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht. Wie das Oberverwaltungsgericht ausgeführt hat, hat die Antragstellerin in ihrer von der Antragsgegnerin gewürdigten Stellungnahme vom 4. August 2008 kein konkretes betriebliches Bedürfnis des auf ihrem Grundstück niedergelassenen Lebensmittel-Discountmarktes für diese Festsetzung aufgezeigt (UA S. 43). Danach bestand nach Lage der Dinge kein Anlass zu weiteren Ermittlungen. Gründe, warum sich die Antragstellerin gehindert gesehen hätte, substantiiert zu ihrer Situation vorzutragen, sind dem Oberverwaltungsgericht nicht vorgetragen worden. Auch die Beschwerde erschöpft sich in der schlichten Behauptung, eine Festsetzung nach § 1 Abs. 10 BauNVO hätte zu einer Verbesserung der städtebaulichen Situation geführt.

10

2. Die Divergenzrüge unter II. genügt nicht den Darlegungsanforderungen im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO.

11

Zunächst wird nicht beachtet, dass der von der Beschwerde zitierte Rechtssatz aus der in Bezug genommenen Entscheidung des Senats vom 16. April 1971 - BVerwG 4 C 66.67 - (Buchholz 406.11 § 35 BBauG Nr. 90 S. 32) erkennbar nicht entscheidungstragend ist, sondern zu den Hinweisen gehört, die der Senat aufgrund der Zurückverweisung zur Beachtung bei der weiteren Behandlung der Sache gegeben hat. Unabhängig davon fehlt es an der Benennung eines Rechtssatzes des Oberverwaltungsgerichts, der in Widerspruch zu dem zitierten Rechtssatz steht. Der von der Beschwerde zitierte Rechtssatz auf S. 43 des angefochtenen Urteils steht nicht im Widerspruch zu dem in Bezug genommenen Rechtssatz des Senats, sondern zu den Schlussfolgerungen, die die Beschwerde hieraus sieht. Eine Aussage zu § 3 Abs. 2 BauGB findet sich weder in dem Urteil vom 16. April 1971 noch in dem von der Antragstellerin zitierten Beschluss vom 8. September 1988 - BVerwG 4 NB 15.88 - (Buchholz 406.11 § 1 BBauG/BauGB Nr. 34).

(1) Aufgabe der Bauleitplanung ist es, die bauliche und sonstige Nutzung der Grundstücke in der Gemeinde nach Maßgabe dieses Gesetzbuchs vorzubereiten und zu leiten.

(2) Bauleitpläne sind der Flächennutzungsplan (vorbereitender Bauleitplan) und der Bebauungsplan (verbindlicher Bauleitplan).

(3) Die Gemeinden haben die Bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist; die Aufstellung kann insbesondere bei der Ausweisung von Flächen für den Wohnungsbau in Betracht kommen. Auf die Aufstellung von Bauleitplänen und städtebaulichen Satzungen besteht kein Anspruch; ein Anspruch kann auch nicht durch Vertrag begründet werden.

(4) Die Bauleitpläne sind den Zielen der Raumordnung anzupassen.

(5) Die Bauleitpläne sollen eine nachhaltige städtebauliche Entwicklung, die die sozialen, wirtschaftlichen und umweltschützenden Anforderungen auch in Verantwortung gegenüber künftigen Generationen miteinander in Einklang bringt, und eine dem Wohl der Allgemeinheit dienende sozialgerechte Bodennutzung unter Berücksichtigung der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung gewährleisten. Sie sollen dazu beitragen, eine menschenwürdige Umwelt zu sichern, die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen und zu entwickeln sowie den Klimaschutz und die Klimaanpassung, insbesondere auch in der Stadtentwicklung, zu fördern, sowie die städtebauliche Gestalt und das Orts- und Landschaftsbild baukulturell zu erhalten und zu entwickeln. Hierzu soll die städtebauliche Entwicklung vorrangig durch Maßnahmen der Innenentwicklung erfolgen.

(6) Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind insbesondere zu berücksichtigen:

1.
die allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse und die Sicherheit der Wohn- und Arbeitsbevölkerung,
2.
die Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, insbesondere auch von Familien mit mehreren Kindern, die Schaffung und Erhaltung sozial stabiler Bewohnerstrukturen, die Eigentumsbildung weiter Kreise der Bevölkerung und die Anforderungen kostensparenden Bauens sowie die Bevölkerungsentwicklung,
3.
die sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Bevölkerung, insbesondere die Bedürfnisse der Familien, der jungen, alten und behinderten Menschen, unterschiedliche Auswirkungen auf Frauen und Männer sowie die Belange des Bildungswesens und von Sport, Freizeit und Erholung,
4.
die Erhaltung, Erneuerung, Fortentwicklung, Anpassung und der Umbau vorhandener Ortsteile sowie die Erhaltung und Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche,
5.
die Belange der Baukultur, des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege, die erhaltenswerten Ortsteile, Straßen und Plätze von geschichtlicher, künstlerischer oder städtebaulicher Bedeutung und die Gestaltung des Orts- und Landschaftsbildes,
6.
die von den Kirchen und Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts festgestellten Erfordernisse für Gottesdienst und Seelsorge,
7.
die Belange des Umweltschutzes, einschließlich des Naturschutzes und der Landschaftspflege, insbesondere
a)
die Auswirkungen auf Tiere, Pflanzen, Fläche, Boden, Wasser, Luft, Klima und das Wirkungsgefüge zwischen ihnen sowie die Landschaft und die biologische Vielfalt,
b)
die Erhaltungsziele und der Schutzzweck der Natura 2000-Gebiete im Sinne des Bundesnaturschutzgesetzes,
c)
umweltbezogene Auswirkungen auf den Menschen und seine Gesundheit sowie die Bevölkerung insgesamt,
d)
umweltbezogene Auswirkungen auf Kulturgüter und sonstige Sachgüter,
e)
die Vermeidung von Emissionen sowie der sachgerechte Umgang mit Abfällen und Abwässern,
f)
die Nutzung erneuerbarer Energien sowie die sparsame und effiziente Nutzung von Energie,
g)
die Darstellungen von Landschaftsplänen sowie von sonstigen Plänen, insbesondere des Wasser-, Abfall- und Immissionsschutzrechts,
h)
die Erhaltung der bestmöglichen Luftqualität in Gebieten, in denen die durch Rechtsverordnung zur Erfüllung von Rechtsakten der Europäischen Union festgelegten Immissionsgrenzwerte nicht überschritten werden,
i)
die Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Belangen des Umweltschutzes nach den Buchstaben a bis d,
j)
unbeschadet des § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes, die Auswirkungen, die aufgrund der Anfälligkeit der nach dem Bebauungsplan zulässigen Vorhaben für schwere Unfälle oder Katastrophen zu erwarten sind, auf die Belange nach den Buchstaben a bis d und i,
8.
die Belange
a)
der Wirtschaft, auch ihrer mittelständischen Struktur im Interesse einer verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung,
b)
der Land- und Forstwirtschaft,
c)
der Erhaltung, Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen,
d)
des Post- und Telekommunikationswesens, insbesondere des Mobilfunkausbaus,
e)
der Versorgung, insbesondere mit Energie und Wasser, einschließlich der Versorgungssicherheit,
f)
der Sicherung von Rohstoffvorkommen,
9.
die Belange des Personen- und Güterverkehrs und der Mobilität der Bevölkerung, auch im Hinblick auf die Entwicklungen beim Betrieb von Kraftfahrzeugen, etwa der Elektromobilität, einschließlich des öffentlichen Personennahverkehrs und des nicht motorisierten Verkehrs, unter besonderer Berücksichtigung einer auf Vermeidung und Verringerung von Verkehr ausgerichteten städtebaulichen Entwicklung,
10.
die Belange der Verteidigung und des Zivilschutzes sowie der zivilen Anschlussnutzung von Militärliegenschaften,
11.
die Ergebnisse eines von der Gemeinde beschlossenen städtebaulichen Entwicklungskonzeptes oder einer von ihr beschlossenen sonstigen städtebaulichen Planung,
12.
die Belange des Küsten- oder Hochwasserschutzes und der Hochwasservorsorge, insbesondere die Vermeidung und Verringerung von Hochwasserschäden,
13.
die Belange von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden und ihrer Unterbringung,
14.
die ausreichende Versorgung mit Grün- und Freiflächen.

(7) Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen.

(8) Die Vorschriften dieses Gesetzbuchs über die Aufstellung von Bauleitplänen gelten auch für ihre Änderung, Ergänzung und Aufhebung.

(1) Im Flächennutzungsplan können die für die Bebauung vorgesehenen Flächen nach der allgemeinen Art ihrer baulichen Nutzung (Bauflächen) dargestellt werden als

1.Wohnbauflächen(W)
2.gemischte Bauflächen(M)
3.gewerbliche Bauflächen(G)
4.Sonderbauflächen(S).

(2) Die für die Bebauung vorgesehenen Flächen können nach der besonderen Art ihrer baulichen Nutzung (Baugebiete) dargestellt werden als

1.Kleinsiedlungsgebiete(WS)
2.reine Wohngebiete(WR)
3.allgemeine Wohngebiete(WA)
4.besondere Wohngebiete(WB)
5.Dorfgebiete(MD)
6.dörfliche Wohngebiete(MDW)
7.Mischgebiete(MI)
8.urbane Gebiete(MU)
9.Kerngebiete(MK)
10.Gewerbegebiete(GE)
11.Industriegebiete(GI)
12.Sondergebiete(SO).

(3) Im Bebauungsplan können die in Absatz 2 bezeichneten Baugebiete festgesetzt werden. Durch die Festsetzung werden die Vorschriften der §§ 2 bis 14 Bestandteil des Bebauungsplans, soweit nicht auf Grund der Absätze 4 bis 10 etwas anderes bestimmt wird. Bei Festsetzung von Sondergebieten finden die Vorschriften über besondere Festsetzungen nach den Absätzen 4 bis 10 keine Anwendung; besondere Festsetzungen über die Art der Nutzung können nach den §§ 10 und 11 getroffen werden.

(4) Für die in den §§ 4 bis 9 bezeichneten Baugebiete können im Bebauungsplan für das jeweilige Baugebiet Festsetzungen getroffen werden, die das Baugebiet

1.
nach der Art der zulässigen Nutzung,
2.
nach der Art der Betriebe und Anlagen und deren besonderen Bedürfnissen und Eigenschaften
gliedern. Die Festsetzungen nach Satz 1 können auch für mehrere Gewerbegebiete einer Gemeinde im Verhältnis zueinander getroffen werden; dies gilt auch für Industriegebiete. Absatz 5 bleibt unberührt.

(5) Im Bebauungsplan kann festgesetzt werden, dass bestimmte Arten von Nutzungen, die nach den §§ 2 bis 9 sowie 13 und 13a allgemein zulässig sind, nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können, sofern die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets gewahrt bleibt.

(6) Im Bebauungsplan kann festgesetzt werden, dass alle oder einzelne Ausnahmen, die in den Baugebieten nach den §§ 2 bis 9 vorgesehen sind,

1.
nicht Bestandteil des Bebauungsplans werden oder
2.
in dem Baugebiet allgemein zulässig sind, sofern die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets gewahrt bleibt.

(7) In Bebauungsplänen für Baugebiete nach den §§ 4 bis 9 kann, wenn besondere städtebauliche Gründe dies rechtfertigen (§ 9 Absatz 3 des Baugesetzbuchs), festgesetzt werden, dass in bestimmten Geschossen, Ebenen oder sonstigen Teilen baulicher Anlagen

1.
nur einzelne oder mehrere der in dem Baugebiet allgemein zulässigen Nutzungen zulässig sind,
2.
einzelne oder mehrere der in dem Baugebiet allgemein zulässigen Nutzungen unzulässig sind oder als Ausnahme zugelassen werden können oder
3.
alle oder einzelne Ausnahmen, die in den Baugebieten nach den §§ 4 bis 9 vorgesehen sind, nicht zulässig oder, sofern die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets gewahrt bleibt, allgemein zulässig sind.

(8) Die Festsetzungen nach den Absätzen 4 bis 7 können sich auch auf Teile des Baugebiets beschränken.

(9) Wenn besondere städtebauliche Gründe dies rechtfertigen, kann im Bebauungsplan bei Anwendung der Absätze 5 bis 8 festgesetzt werden, dass nur bestimmte Arten der in den Baugebieten allgemein oder ausnahmsweise zulässigen baulichen oder sonstigen Anlagen zulässig oder nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können.

(10) Wären bei Festsetzung eines Baugebiets nach den §§ 2 bis 9 in überwiegend bebauten Gebieten bestimmte vorhandene bauliche und sonstige Anlagen unzulässig, kann im Bebauungsplan festgesetzt werden, dass Erweiterungen, Änderungen, Nutzungsänderungen und Erneuerungen dieser Anlagen allgemein zulässig sind oder ausnahmsweise zugelassen werden können. Im Bebauungsplan können nähere Bestimmungen über die Zulässigkeit getroffen werden. Die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets muss in seinen übrigen Teilen gewahrt bleiben. Die Sätze 1 bis 3 gelten auch für die Änderung und Ergänzung von Bebauungsplänen.

Gründe

1

Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO gestützte Beschwerde der Antragstellerin bleibt ohne Erfolg.

2

1. Mit den Rügen gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wird ein grundsätzlicher Klärungsbedarf nicht aufgezeigt.

3

1.1 Die Frage,

Ist die Erforderlichkeit im Sinne des § 1 Abs. 3 BauGB für einen allgemeinen Einzelhandelsausschluss in einem Gewerbegebiet zu bejahen, wenn der Plangeber Ausnahmen nach § 1 Abs. 9 BauNVO vom allgemeinen Einzelhandelsausschluss zulässt, obwohl er mit der Planung das Ziel verfolgt, die Flächen dem produzierenden Gewerbe vorzuhalten?,

lässt sich, soweit sie überhaupt einer fallübergreifenden Klärung zugänglich ist, auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ohne weiteres bejahen.

4

Wie die Beschwerde selbst ausgeführt hat, ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, dass es grundsätzlich zulässig ist, auf der Grundlage des § 1 Abs. 5 BauNVO einen völligen Ausschluss von Einzelhandelsbetrieben in einem Gewerbegebiet mit dem Ziel der Freihaltung von Flächen für das produzierende Gewerbe festzusetzen (Beschlüsse vom 3. Mai 1993 - BVerwG 4 NB 13.93 - Buchholz 406.12 § 1 BauNVO Nr. 16, vom 11. Mai 1999 - BVerwG 4 BN 15.99 - Buchholz 406.12 § 1 BauNVO Nr. 27 und vom 25. April 2002 - BVerwG 4 BN 20.02 - juris Rn. 6). Für die Abweichung von den nach der Baunutzungsverordnung vorgegebenen Gebietstypen bedarf es in allen Fällen einer städtebaulichen Begründung, die sich aus der jeweiligen konkreten Planungssituation ergeben muss und die Abweichung rechtfertigt. Ebenso ist geklärt, dass der vollständige Ausschluss einer Nutzungsart durch Gegenausnahmen für bestimmte Arten von Anlagen der betreffenden Nutzungsart wieder ein Stück zurückgenommen werden kann. Insoweit muss die Gemeinde darlegen, warum das von ihr gewählte Abgrenzungskriterium marktüblichen Gegebenheiten entspricht und die Feindifferenzierung durch besondere städtebauliche Gründe gerechtfertigt ist (Urteil vom 26. März 2009 - BVerwG 4 C 21.07 - BVerwGE 133, 310 Rn. 13). Diese Grundsätze gelten generell, also auch für den Fall, dass die Gemeinde mit der Planung das städtebauliche Ziel der Freihaltung von Flächen für das produzierende Gewerbe verfolgt. Ob sich die von den Gemeinden festgesetzten Ausnahmen auf der Grundlage des § 1 Abs. 9 BauNVO - wie im vorliegenden Fall vom Oberverwaltungsgericht angenommen (UA S. 27 - 51) - rechtfertigen lassen, ist im Lichte des Planungskonzepts mit Blick auf die konkrete Planungssituation zu beurteilen und entzieht sich einer grundsätzlichen Klärung.

5

1.2 Die Frage, welche Anforderungen an die Darstellung der Bedarfssituation im Rahmen der Abwägung gestellt werden, verleiht der Rechtssache ebenfalls keine grundsätzliche Bedeutung.

6

Die Frage, in welchem Umfang die Gemeinde ihre städtebaulichen Ziele darlegen, insbesondere, inwieweit sie ihre städtebauliche Konzeption mit hinreichend belegten Tatsachen oder Prognosen untermauern muss, lässt sich fallübergreifend nicht beantworten, sondern hängt ebenfalls maßgebend von den tatsächlichen Umständen der jeweiligen Planungssituation ab. Das gilt nicht nur bei der Prüfung der Erforderlichkeit im Sinne des § 1 Abs. 3 BauGB, sondern auch wenn es um die Gewichtung mit ggf. entgegenstehenden privaten Belangen gemäß § 1 Abs. 7 BauGB geht.

7

Im Übrigen hat das Oberverwaltungsgericht auf den Einwand der Antragstellerin, es bestehe kein Bedarf an Gewerbeflächen, unter dem Gesichtspunkt der städtebaulichen Rechtfertigung eines Einzelhandelsausschlusses (vgl. dazu Urteil vom 27. März 2013 - BVerwG 4 C 13.11 - zum Abdruck in der Amtlichen Sammlung vorgesehen - juris Rn. 8) ausgeführt, das Eingeständnis des Plangebers, für eine Prognose der Gesamtnachfrage nach gewerblichen Bauflächen über einen Zeitraum von 15 Jahren gebe es (bislang) keine detaillierte und verlässliche Datengrundlage, sei unschädlich. Denn die Antragsgegnerin könne für die Notwendigkeit des Einzelhandelsausschlusses darauf verweisen, dass sie gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 BauGB die Bebauungspläne aus dem Flächennutzungsplan zu entwickeln habe, der die Änderungsbereiche im Plangebiet des Bebauungsplans als gewerbliche Bauflächen darstelle. Im Erläuterungsbericht zum Flächennutzungsplan werde insoweit ausgeführt, dass die jährliche Nachfrage nach privaten und städtischen gewerblichen Bauflächen in Hamburg voraussichtlich deutlich über 30 ha liegen werde (UA S. 34). Danach liegen Angaben zur Bedarfslage vor. Ob es sich dabei um aussagekräftige Angaben handelt, ist eine Frage, die der Tatrichter zu beurteilen hat.

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1.3 Hinsichtlich der Frage, ob das Interesse am erweiterten Bestandsschutz je nachdem, ob das Grundstück durch den Eigentümer selbst genutzt werde oder nicht, unterschiedlich zu gewichten sei, fehlt es an der Darlegung der Entscheidungserheblichkeit. Das Oberverwaltungsgericht hat - wie die Anmerkung "Hinzu kommt" deutlich macht (UA S. 44) - lediglich ergänzend darauf verwiesen, dass die Antragstellerin als bloße Grundstückseigentümerin, die das Geschäft der Immobilienverwaltung betreibe, wirtschaftlich nur mittelbar in ihrem Verwertungsinteresse an dem Grundstück betroffen werde. Entscheidend für das Oberverwaltungsgericht ist, dass die Antragstellerin in ihrer Stellungnahme vom 4. August 2008 nur allgemein auf die Möglichkeit zur Festsetzung eines erweiterten Bestandsschutzes nach § 1 Abs. 10 BauNVO hingewiesen und ein konkretes betriebliches Bedürfnis des auf ihrem Grundstück niedergelassenen Lebensmittel-Discountmarktes für diese Festsetzung nicht aufgezeigt habe (UA S. 43).

9

1.4 Schließlich dient auch die Frage, ob eine planende Gemeinde, wenn der Planbetroffene hierzu nicht umfassend vorgetragen hat, das Interesse am erweiterten Bestandsschutz von sich aus als Belang in das Abwägungsmaterial einbeziehen müsse, letztlich nur dazu, im Gewand der Grundsatzrüge einzelfallbezogen Kritik zu üben. Seit der Senatsentscheidung vom 12. Dezember 1969 - BVerwG 4 C 105.66 - (BVerwGE 34, 301) ist es gefestigte Rechtsprechung, dass das Abwägungsgebot verletzt ist, wenn in die Abwägung an Belangen nicht eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss, oder der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten Belangen in einer Weise vorgenommen wird, der zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht. Wie das Oberverwaltungsgericht ausgeführt hat, hat die Antragstellerin in ihrer von der Antragsgegnerin gewürdigten Stellungnahme vom 4. August 2008 kein konkretes betriebliches Bedürfnis des auf ihrem Grundstück niedergelassenen Lebensmittel-Discountmarktes für diese Festsetzung aufgezeigt (UA S. 43). Danach bestand nach Lage der Dinge kein Anlass zu weiteren Ermittlungen. Gründe, warum sich die Antragstellerin gehindert gesehen hätte, substantiiert zu ihrer Situation vorzutragen, sind dem Oberverwaltungsgericht nicht vorgetragen worden. Auch die Beschwerde erschöpft sich in der schlichten Behauptung, eine Festsetzung nach § 1 Abs. 10 BauNVO hätte zu einer Verbesserung der städtebaulichen Situation geführt.

10

2. Die Divergenzrüge unter II. genügt nicht den Darlegungsanforderungen im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO.

11

Zunächst wird nicht beachtet, dass der von der Beschwerde zitierte Rechtssatz aus der in Bezug genommenen Entscheidung des Senats vom 16. April 1971 - BVerwG 4 C 66.67 - (Buchholz 406.11 § 35 BBauG Nr. 90 S. 32) erkennbar nicht entscheidungstragend ist, sondern zu den Hinweisen gehört, die der Senat aufgrund der Zurückverweisung zur Beachtung bei der weiteren Behandlung der Sache gegeben hat. Unabhängig davon fehlt es an der Benennung eines Rechtssatzes des Oberverwaltungsgerichts, der in Widerspruch zu dem zitierten Rechtssatz steht. Der von der Beschwerde zitierte Rechtssatz auf S. 43 des angefochtenen Urteils steht nicht im Widerspruch zu dem in Bezug genommenen Rechtssatz des Senats, sondern zu den Schlussfolgerungen, die die Beschwerde hieraus sieht. Eine Aussage zu § 3 Abs. 2 BauGB findet sich weder in dem Urteil vom 16. April 1971 noch in dem von der Antragstellerin zitierten Beschluss vom 8. September 1988 - BVerwG 4 NB 15.88 - (Buchholz 406.11 § 1 BBauG/BauGB Nr. 34).

(1) Gewerbegebiete dienen vorwiegend der Unterbringung von nicht erheblich belästigenden Gewerbebetrieben.

(2) Zulässig sind

1.
Gewerbebetriebe aller Art einschließlich Anlagen zur Erzeugung von Strom oder Wärme aus solarer Strahlungsenergie oder Windenergie, Lagerhäuser, Lagerplätze und öffentliche Betriebe,
2.
Geschäfts- , Büro- und Verwaltungsgebäude,
3.
Tankstellen,
4.
Anlagen für sportliche Zwecke.

(3) Ausnahmsweise können zugelassen werden

1.
Wohnungen für Aufsichts- und Bereitschaftspersonen sowie für Betriebsinhaber und Betriebsleiter, die dem Gewerbebetrieb zugeordnet und ihm gegenüber in Grundfläche und Baumasse untergeordnet sind,
2.
Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale und gesundheitliche Zwecke,
3.
Vergnügungsstätten.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der allein oder gemeinsam mit sonstigen baurechtlichen Vorschriften mindestens Festsetzungen über die Art und das Maß der baulichen Nutzung, die überbaubaren Grundstücksflächen und die örtlichen Verkehrsflächen enthält, ist ein Vorhaben zulässig, wenn es diesen Festsetzungen nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist.

(2) Im Geltungsbereich eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans nach § 12 ist ein Vorhaben zulässig, wenn es dem Bebauungsplan nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist.

(3) Im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der die Voraussetzungen des Absatzes 1 nicht erfüllt (einfacher Bebauungsplan), richtet sich die Zulässigkeit von Vorhaben im Übrigen nach § 34 oder § 35.

(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.

(1) Im Flächennutzungsplan können die für die Bebauung vorgesehenen Flächen nach der allgemeinen Art ihrer baulichen Nutzung (Bauflächen) dargestellt werden als

1.Wohnbauflächen(W)
2.gemischte Bauflächen(M)
3.gewerbliche Bauflächen(G)
4.Sonderbauflächen(S).

(2) Die für die Bebauung vorgesehenen Flächen können nach der besonderen Art ihrer baulichen Nutzung (Baugebiete) dargestellt werden als

1.Kleinsiedlungsgebiete(WS)
2.reine Wohngebiete(WR)
3.allgemeine Wohngebiete(WA)
4.besondere Wohngebiete(WB)
5.Dorfgebiete(MD)
6.dörfliche Wohngebiete(MDW)
7.Mischgebiete(MI)
8.urbane Gebiete(MU)
9.Kerngebiete(MK)
10.Gewerbegebiete(GE)
11.Industriegebiete(GI)
12.Sondergebiete(SO).

(3) Im Bebauungsplan können die in Absatz 2 bezeichneten Baugebiete festgesetzt werden. Durch die Festsetzung werden die Vorschriften der §§ 2 bis 14 Bestandteil des Bebauungsplans, soweit nicht auf Grund der Absätze 4 bis 10 etwas anderes bestimmt wird. Bei Festsetzung von Sondergebieten finden die Vorschriften über besondere Festsetzungen nach den Absätzen 4 bis 10 keine Anwendung; besondere Festsetzungen über die Art der Nutzung können nach den §§ 10 und 11 getroffen werden.

(4) Für die in den §§ 4 bis 9 bezeichneten Baugebiete können im Bebauungsplan für das jeweilige Baugebiet Festsetzungen getroffen werden, die das Baugebiet

1.
nach der Art der zulässigen Nutzung,
2.
nach der Art der Betriebe und Anlagen und deren besonderen Bedürfnissen und Eigenschaften
gliedern. Die Festsetzungen nach Satz 1 können auch für mehrere Gewerbegebiete einer Gemeinde im Verhältnis zueinander getroffen werden; dies gilt auch für Industriegebiete. Absatz 5 bleibt unberührt.

(5) Im Bebauungsplan kann festgesetzt werden, dass bestimmte Arten von Nutzungen, die nach den §§ 2 bis 9 sowie 13 und 13a allgemein zulässig sind, nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können, sofern die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets gewahrt bleibt.

(6) Im Bebauungsplan kann festgesetzt werden, dass alle oder einzelne Ausnahmen, die in den Baugebieten nach den §§ 2 bis 9 vorgesehen sind,

1.
nicht Bestandteil des Bebauungsplans werden oder
2.
in dem Baugebiet allgemein zulässig sind, sofern die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets gewahrt bleibt.

(7) In Bebauungsplänen für Baugebiete nach den §§ 4 bis 9 kann, wenn besondere städtebauliche Gründe dies rechtfertigen (§ 9 Absatz 3 des Baugesetzbuchs), festgesetzt werden, dass in bestimmten Geschossen, Ebenen oder sonstigen Teilen baulicher Anlagen

1.
nur einzelne oder mehrere der in dem Baugebiet allgemein zulässigen Nutzungen zulässig sind,
2.
einzelne oder mehrere der in dem Baugebiet allgemein zulässigen Nutzungen unzulässig sind oder als Ausnahme zugelassen werden können oder
3.
alle oder einzelne Ausnahmen, die in den Baugebieten nach den §§ 4 bis 9 vorgesehen sind, nicht zulässig oder, sofern die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets gewahrt bleibt, allgemein zulässig sind.

(8) Die Festsetzungen nach den Absätzen 4 bis 7 können sich auch auf Teile des Baugebiets beschränken.

(9) Wenn besondere städtebauliche Gründe dies rechtfertigen, kann im Bebauungsplan bei Anwendung der Absätze 5 bis 8 festgesetzt werden, dass nur bestimmte Arten der in den Baugebieten allgemein oder ausnahmsweise zulässigen baulichen oder sonstigen Anlagen zulässig oder nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können.

(10) Wären bei Festsetzung eines Baugebiets nach den §§ 2 bis 9 in überwiegend bebauten Gebieten bestimmte vorhandene bauliche und sonstige Anlagen unzulässig, kann im Bebauungsplan festgesetzt werden, dass Erweiterungen, Änderungen, Nutzungsänderungen und Erneuerungen dieser Anlagen allgemein zulässig sind oder ausnahmsweise zugelassen werden können. Im Bebauungsplan können nähere Bestimmungen über die Zulässigkeit getroffen werden. Die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets muss in seinen übrigen Teilen gewahrt bleiben. Die Sätze 1 bis 3 gelten auch für die Änderung und Ergänzung von Bebauungsplänen.

(1) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans können solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind.

(2) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans kann befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und

1.
Gründe des Wohls der Allgemeinheit, einschließlich der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, des Bedarfs zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden, des Bedarfs an Anlagen für soziale Zwecke und des Bedarfs an einem zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien, die Befreiung erfordern oder
2.
die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder
3.
die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde
und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.

(3) In einem Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt, das nach § 201a bestimmt ist, kann mit Zustimmung der Gemeinde im Einzelfall von den Festsetzungen des Bebauungsplans zugunsten des Wohnungsbaus befreit werden, wenn die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Von Satz 1 kann nur bis zum Ende der Geltungsdauer der Rechtsverordnung nach § 201a Gebrauch gemacht werden. Die Befristung in Satz 2 bezieht sich nicht auf die Geltungsdauer einer Genehmigung, sondern auf den Zeitraum, bis zu dessen Ende im bauaufsichtlichen Verfahren von der Vorschrift Gebrauch gemacht werden kann. Für die Zustimmung der Gemeinde nach Satz 1 gilt § 36 Absatz 2 Satz 2 entsprechend.

(1) Im Flächennutzungsplan können die für die Bebauung vorgesehenen Flächen nach der allgemeinen Art ihrer baulichen Nutzung (Bauflächen) dargestellt werden als

1.Wohnbauflächen(W)
2.gemischte Bauflächen(M)
3.gewerbliche Bauflächen(G)
4.Sonderbauflächen(S).

(2) Die für die Bebauung vorgesehenen Flächen können nach der besonderen Art ihrer baulichen Nutzung (Baugebiete) dargestellt werden als

1.Kleinsiedlungsgebiete(WS)
2.reine Wohngebiete(WR)
3.allgemeine Wohngebiete(WA)
4.besondere Wohngebiete(WB)
5.Dorfgebiete(MD)
6.dörfliche Wohngebiete(MDW)
7.Mischgebiete(MI)
8.urbane Gebiete(MU)
9.Kerngebiete(MK)
10.Gewerbegebiete(GE)
11.Industriegebiete(GI)
12.Sondergebiete(SO).

(3) Im Bebauungsplan können die in Absatz 2 bezeichneten Baugebiete festgesetzt werden. Durch die Festsetzung werden die Vorschriften der §§ 2 bis 14 Bestandteil des Bebauungsplans, soweit nicht auf Grund der Absätze 4 bis 10 etwas anderes bestimmt wird. Bei Festsetzung von Sondergebieten finden die Vorschriften über besondere Festsetzungen nach den Absätzen 4 bis 10 keine Anwendung; besondere Festsetzungen über die Art der Nutzung können nach den §§ 10 und 11 getroffen werden.

(4) Für die in den §§ 4 bis 9 bezeichneten Baugebiete können im Bebauungsplan für das jeweilige Baugebiet Festsetzungen getroffen werden, die das Baugebiet

1.
nach der Art der zulässigen Nutzung,
2.
nach der Art der Betriebe und Anlagen und deren besonderen Bedürfnissen und Eigenschaften
gliedern. Die Festsetzungen nach Satz 1 können auch für mehrere Gewerbegebiete einer Gemeinde im Verhältnis zueinander getroffen werden; dies gilt auch für Industriegebiete. Absatz 5 bleibt unberührt.

(5) Im Bebauungsplan kann festgesetzt werden, dass bestimmte Arten von Nutzungen, die nach den §§ 2 bis 9 sowie 13 und 13a allgemein zulässig sind, nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können, sofern die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets gewahrt bleibt.

(6) Im Bebauungsplan kann festgesetzt werden, dass alle oder einzelne Ausnahmen, die in den Baugebieten nach den §§ 2 bis 9 vorgesehen sind,

1.
nicht Bestandteil des Bebauungsplans werden oder
2.
in dem Baugebiet allgemein zulässig sind, sofern die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets gewahrt bleibt.

(7) In Bebauungsplänen für Baugebiete nach den §§ 4 bis 9 kann, wenn besondere städtebauliche Gründe dies rechtfertigen (§ 9 Absatz 3 des Baugesetzbuchs), festgesetzt werden, dass in bestimmten Geschossen, Ebenen oder sonstigen Teilen baulicher Anlagen

1.
nur einzelne oder mehrere der in dem Baugebiet allgemein zulässigen Nutzungen zulässig sind,
2.
einzelne oder mehrere der in dem Baugebiet allgemein zulässigen Nutzungen unzulässig sind oder als Ausnahme zugelassen werden können oder
3.
alle oder einzelne Ausnahmen, die in den Baugebieten nach den §§ 4 bis 9 vorgesehen sind, nicht zulässig oder, sofern die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets gewahrt bleibt, allgemein zulässig sind.

(8) Die Festsetzungen nach den Absätzen 4 bis 7 können sich auch auf Teile des Baugebiets beschränken.

(9) Wenn besondere städtebauliche Gründe dies rechtfertigen, kann im Bebauungsplan bei Anwendung der Absätze 5 bis 8 festgesetzt werden, dass nur bestimmte Arten der in den Baugebieten allgemein oder ausnahmsweise zulässigen baulichen oder sonstigen Anlagen zulässig oder nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können.

(10) Wären bei Festsetzung eines Baugebiets nach den §§ 2 bis 9 in überwiegend bebauten Gebieten bestimmte vorhandene bauliche und sonstige Anlagen unzulässig, kann im Bebauungsplan festgesetzt werden, dass Erweiterungen, Änderungen, Nutzungsänderungen und Erneuerungen dieser Anlagen allgemein zulässig sind oder ausnahmsweise zugelassen werden können. Im Bebauungsplan können nähere Bestimmungen über die Zulässigkeit getroffen werden. Die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets muss in seinen übrigen Teilen gewahrt bleiben. Die Sätze 1 bis 3 gelten auch für die Änderung und Ergänzung von Bebauungsplänen.

(1) Gewerbegebiete dienen vorwiegend der Unterbringung von nicht erheblich belästigenden Gewerbebetrieben.

(2) Zulässig sind

1.
Gewerbebetriebe aller Art einschließlich Anlagen zur Erzeugung von Strom oder Wärme aus solarer Strahlungsenergie oder Windenergie, Lagerhäuser, Lagerplätze und öffentliche Betriebe,
2.
Geschäfts- , Büro- und Verwaltungsgebäude,
3.
Tankstellen,
4.
Anlagen für sportliche Zwecke.

(3) Ausnahmsweise können zugelassen werden

1.
Wohnungen für Aufsichts- und Bereitschaftspersonen sowie für Betriebsinhaber und Betriebsleiter, die dem Gewerbebetrieb zugeordnet und ihm gegenüber in Grundfläche und Baumasse untergeordnet sind,
2.
Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale und gesundheitliche Zwecke,
3.
Vergnügungsstätten.

(1) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans können solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind.

(2) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans kann befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und

1.
Gründe des Wohls der Allgemeinheit, einschließlich der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, des Bedarfs zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden, des Bedarfs an Anlagen für soziale Zwecke und des Bedarfs an einem zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien, die Befreiung erfordern oder
2.
die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder
3.
die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde
und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.

(3) In einem Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt, das nach § 201a bestimmt ist, kann mit Zustimmung der Gemeinde im Einzelfall von den Festsetzungen des Bebauungsplans zugunsten des Wohnungsbaus befreit werden, wenn die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Von Satz 1 kann nur bis zum Ende der Geltungsdauer der Rechtsverordnung nach § 201a Gebrauch gemacht werden. Die Befristung in Satz 2 bezieht sich nicht auf die Geltungsdauer einer Genehmigung, sondern auf den Zeitraum, bis zu dessen Ende im bauaufsichtlichen Verfahren von der Vorschrift Gebrauch gemacht werden kann. Für die Zustimmung der Gemeinde nach Satz 1 gilt § 36 Absatz 2 Satz 2 entsprechend.

(1) Im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der allein oder gemeinsam mit sonstigen baurechtlichen Vorschriften mindestens Festsetzungen über die Art und das Maß der baulichen Nutzung, die überbaubaren Grundstücksflächen und die örtlichen Verkehrsflächen enthält, ist ein Vorhaben zulässig, wenn es diesen Festsetzungen nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist.

(2) Im Geltungsbereich eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans nach § 12 ist ein Vorhaben zulässig, wenn es dem Bebauungsplan nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist.

(3) Im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der die Voraussetzungen des Absatzes 1 nicht erfüllt (einfacher Bebauungsplan), richtet sich die Zulässigkeit von Vorhaben im Übrigen nach § 34 oder § 35.

(1) Als sonstige Sondergebiete sind solche Gebiete darzustellen und festzusetzen, die sich von den Baugebieten nach den §§ 2 bis 10 wesentlich unterscheiden.

(2) Für sonstige Sondergebiete sind die Zweckbestimmung und die Art der Nutzung darzustellen und festzusetzen. Als sonstige Sondergebiete kommen insbesondere in Betracht
Gebiete für den Fremdenverkehr, wie Kurgebiete und Gebiete für die Fremdenbeherbergung, auch mit einer Mischung von Fremdenbeherbergung oder Ferienwohnen einerseits sowie Dauerwohnen andererseits,
Ladengebiete,
Gebiete für Einkaufszentren und großflächige Handelsbetriebe,
Gebiete für Messen, Ausstellungen und Kongresse,
Hochschulgebiete,
Klinikgebiete,
Hafengebiete,
Gebiete für Anlagen, die der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung erneuerbarer Energien, wie Windenergie und solare Strahlungsenergie, dienen.

(3)

1.
Einkaufszentren,
2.
großflächige Einzelhandelsbetriebe, die sich nach Art, Lage oder Umfang auf die Verwirklichung der Ziele der Raumordnung und Landesplanung oder auf die städtebauliche Entwicklung und Ordnung nicht nur unwesentlich auswirken können,
3.
sonstige großflächige Handelsbetriebe, die im Hinblick auf den Verkauf an letzte Verbraucher und auf die Auswirkungen den in Nummer 2 bezeichneten Einzelhandelsbetrieben vergleichbar sind,
sind außer in Kerngebieten nur in für sie festgesetzten Sondergebieten zulässig. Auswirkungen im Sinne des Satzes 1 Nummer 2 und 3 sind insbesondere schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des § 3 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes sowie Auswirkungen auf die infrastrukturelle Ausstattung, auf den Verkehr, auf die Versorgung der Bevölkerung im Einzugsbereich der in Satz 1 bezeichneten Betriebe, auf die Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden, auf das Orts- und Landschaftsbild und auf den Naturhaushalt. Auswirkungen im Sinne des Satzes 2 sind bei Betrieben nach Satz 1 Nummer 2 und 3 in der Regel anzunehmen, wenn die Geschossfläche 1 200 m2überschreitet. Die Regel des Satzes 3 gilt nicht, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass Auswirkungen bereits bei weniger als 1 200 m2Geschossfläche vorliegen oder bei mehr als 1 200 m2Geschossfläche nicht vorliegen; dabei sind in Bezug auf die in Satz 2 bezeichneten Auswirkungen insbesondere die Gliederung und Größe der Gemeinde und ihrer Ortsteile, die Sicherung der verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung und das Warenangebot des Betriebs zu berücksichtigen.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.