Verwaltungsgericht Düsseldorf Urteil, 20. Mai 2015 - 8 K 1694/15.A
Gericht
Tenor
Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 22. Januar 2015 wird aufgehoben. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
1
Tatbestand:
2Der nach eigenen Angaben am 0.0.1995 geborene Kläger ist ghanaischer Staatsangehöriger islamischer Religionszugehörigkeit.
3Der Kläger stellte am 1. Juli 2014 in Italien einen Asylantrag. Während der Prüfung seines Asylantrags in Italien reiste er am 25. Oktober 2014 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 7. November 2014 einen Asylantrag beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt). Er hat das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten seither nicht verlassen.
4Das Bundesamt stellte auf der Grundlage eines Eurodac-Treffers fest, dass Anhaltspunkte für eine Zuständigkeit Italiens vorlagen. Daraufhin richtete es am 5. Januar 2015 ein Übernahmeersuchen nach der Dublin III-Verordnung an die italienischen Behörden, das unbeantwortet blieb.
5Es lehnte mit Bescheid vom 22. Januar 2015, dem Kläger persönlich zugestellt am 28. Februar 2015, den Asylantrag als unzulässig ab und ordnete die Abschiebung des Klägers nach Italien an.
6Der Kläger hat am 3. März 2015 die vorliegende Klage erhoben und einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt (8 L 728/15.A). Dem Eilantrag hat die erkennende Einzelrichterin mit Beschluss vom 27. April 2015 stattgegeben.
7Der Kläger beantragt schriftsätzlich,
8die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 22. Februar 2015 zu verpflichten, ein Asylverfahren durchzuführen,
9hilfsweise
10festzustellen, dass in Bezug auf ihn Abschiebungshindernisse gemäß § 60 Abs. 1 – 7 AufenthG vorliegen.
11Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
12die Klage abzuweisen.
13Der Kläger hat auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet. Die Beklagte hat durch allgemeine Prozesserklärung auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
14Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Streitakte, der Gerichtsakte in dem Verfahren 8 L 728/15.A, der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten und der Ausländerbehörde der Stadt N. Bezug genommen.
15Entscheidungsgründe:
16Das Gericht kann durch die Einzelrichterin entscheiden, nachdem ihr das Verfahren durch Beschluss der Kammer vom 27. April 2015 zur Entscheidung übertragen worden ist (§ 76 Abs. 1 AsylVfG).
17Die Entscheidung kann im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung ergehen (§ 101 Abs. 2 VwGO).
18Die Klage hat nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
19Sie ist unzulässig, soweit der Kläger mit ihr die Verpflichtung der Beklagten zur Durchführung eines Asylverfahrens begehrt. Statthafte Klageart ist einzig die Anfechtungsklage. Ein solcher Antrag ist indes in dem klägerseits gestellten (Verpflichtungs-)Antrag als Minus mit enthalten. Der nach dem Begehren des Klägers so auszulegende Klageantrag ist zulässig (§ 88 VwGO).
20Der Kläger wendet sich (auch) gegen den Bescheid vom 22. Februar 2015, mit welchem die Beklagte seinen Asylantrag gemäß § 27a AsylVfG als unzulässig abgelehnt hat. Gegen eine solche Unzulässigkeitsentscheidung ist (nur) ein isoliertes Aufhebungsbegehren statthaft. Die Entscheidungen nach § 27a und § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG stellen Verwaltungsakte im Sinne des § 35 Satz 1 VwVfG dar, deren isolierte Aufhebung - anders als in sonstigen Fällen eines Verpflichtungsbegehrens - ausnahmsweise zulässig ist, weil schon ihre Beseitigung grundsätzlich zur formellen und materiellen Prüfung des gestellten Asylantrages und damit zu dem erstrebten Rechtschutzziel führt. Denn das Bundesamt ist gemäß §§ 31, 24 AsylVfG nach Aufhebung des Bescheides bereits gesetzlich verpflichtet, das Asylverfahren durchzuführen. Das Bundesamt hat sich in den Fällen des § 27a AsylVfG lediglich mit der - einer materiellen Prüfung des Asylbegehrens vorgelagerten - Frage befasst, welcher Staat nach den Rechtsvorschriften der Europäischen Union für die Prüfung des Asylbegehrens des Klägers zuständig ist; eine Prüfung des Asylbegehrens ist in der Sache nicht erfolgt. Mit der Aufhebung des Bescheides wird ein Verfahrenshindernis für die inhaltliche Prüfung des Asylbegehrens beseitigt, und das Asylverfahren ist in dem Stadium, in dem es zu Unrecht beendet worden ist, durch das Bundesamt weiterzuführen.
21Vgl. ausführlich OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 - 1 A 21/12.A -, juris Rn. 28 ff.; Hamburgisches OVG, Beschluss vom 2. Februar 2015 – 1 Bf 208/14.AZ -, juris (Leitsatz); BayVGH, Urteil vom 29. Januar 2015 – 13a B 14.50039 -, juris (Leitsatz); OVG Niedersachsen, Beschluss vom 6. November 2014 – 13 LA 66/14 –, juris Rn. 7; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 16. April 2014 – A 11 S 1721/13 –, juris Rn. 18; OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 2. Oktober 2013 - 3 L 643/12 -, juris Rn. 21 f.
22Der nach dem Begehren des Klägers so auszulegende zulässige Klage(haupt-)antrag ist auch begründet.
23Der angefochtene Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 22. Februar 2015 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Das Bundesamt hat den Asylantrag des Klägers zu Unrecht nach § 27a AsylVfG als unzulässig abgelehnt und auf der Grundlage des § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG seine Abschiebung nach Italien angeordnet.
24Gemäß § 27a AsylVfG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. In einem solchen Fall prüft die Beklagte den Asylantrag nicht, sondern ordnet die Abschiebung in den zuständigen Staat an (§ 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG).
25Maßgebliche Rechtsvorschrift zur Bestimmung des zuständigen Staates ist die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (Dublin III-Verordnung).
26Zwar bestand eine Zuständigkeit Italiens für die Prüfung des Asylantrags gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b) Dublin III-Verordnung, weil der Kläger während der Prüfung seines am 1. Juli 2014 in Italien gestellten Asylantrages am 7. November 2014 in der Bundesrepublik einen weiteren Asylantrag gestellt und das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten seither nicht verlassen hat.
27Der Kläger hat aber einen Anspruch auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts der Bundesrepublik Deutschland im Sinne von Art. 3 Abs. 2 Dublin III-Verordnung.
28Ausgehend von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist ein Mitglied- oder Vertragsstaat unter bestimmten Umständen dazu verpflichtet, von der Rückführung in den an sich zuständigen Mitgliedstaat abzusehen. Das ihm insofern eingeräumte Ermessen ist Teil des Verfahrens zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats und stellt ein Element des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems dar. Bei der Ermessensausübung führt der Mitgliedstaat daher Unionsrecht im Sinne von Art. 51 Abs. 1 der Europäischen Grundrechtecharta (GRCh) aus. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem stützt sich auf die uneingeschränkte und umfassende Anwendung der Europäischen Grundrechtecharta, aber auch der Genfer Flüchtlingskonvention (vgl. Art. 18 GRCh und Art. 78 AEUV). Die Mitgliedstaaten müssen bei ihrer Entscheidung, ob sie von dem Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen, diese Grundsätze beachten.
29Vgl. ausführlich EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. -, NVwZ 2012, 417 Rn. 96; Urteil vom 14. November 2013 - C-4/11, Puid -, NVwZ 2014, 170 Rn. 33; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 16. April 2014 – A 11 S 1721/13 -, juris Rn. 18; OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 – 1 A 21/12.A -, juris Rn. 28 ff.
30Die Verpflichtung der Mitgliedstaaten, die nach der Aufnahmerichtlinie erforderlichen Aufnahmebedingungen zu gewährleisten, beginnt mit der Stellung des Asylantrags. Systematik und Zweck der Richtlinie und auch die Wahrung der Grundrechte verbieten es, dass einem Asylbewerber der mit den in der Richtlinie festgelegten Mindestnormen verbundene Schutz entzogen wird, und sei es auch nur vorübergehend nach Asylantragstellung.
31Vgl. EuGH, Urteil vom 27. Februar 2014 - C- 79/13 - (Saciri u. a.), juris Rn. 33 ff., und Urteil vom 27. September 2012 - C-179/11 - (Cimade), juris Rn. 39, 56, jeweils zur Richtlinie 2003/9/EG; OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 – 1 A 21/12.A -, juris Rn. 122.
32Davon ausgehend kann ein Staat im Rahmen von Art. 3 EMRK (bzw. entsprechend Art. 4 GRCh) - zumindest in Gestalt einer in Betracht kommenden Möglichkeit - für eine Behandlung verantwortlich sein, bei der sich ein von staatlicher Unterstützung vollständig abhängiger Asylsuchender in einer gravierenden Mangel- oder Notsituation staatlicher Gleichgültigkeit ausgesetzt sieht, die mit der Menschenwürde unvereinbar ist. Dies kann der Fall sein, wenn ein Asylsuchender erkanntermaßen mehrere Monate obdachlos auf der Straße gelebt hat, ohne Einnahmen oder Zugang zu Sanitäreinrichtungen und ohne die Mittel zur Befriedigung seiner Grundbedürfnisse.
33EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 - 30696/09 - (M.S.S.), EuGRZ 2011, 243, Rn. 253, 263; OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 – 1 A 21/12.A -, juris Rn. 124.
34Hiernach ergibt sich: Eine systemisch begründete, ernsthafte Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh bzw. Art. 3 EMRK liegt (insbesondere) vor, wenn mit Blick auf das Gewicht und Ausmaß einer drohenden Beeinträchtigung dieses Grundrechts mit einem beachtlichen Grad von Wahrscheinlichkeit die reale, nämlich durch eine hinreichend gesicherte Tatsachengrundlage belegte Gefahr besteht, dass dem Betroffenen in dem Mitgliedstaat, in den er als den nach der Dublin III-Verordnung „zuständigen“ Staat überstellt werden soll, entweder schon der Zugang zu einem Asylverfahren, welches nicht mit grundlegenden Mängeln behaftet ist, verwehrt oder massiv erschwert wird, das Asylverfahren an grundlegenden Mängeln leidet oder dass er während der Dauer des Asylverfahrens wegen einer grundlegend defizitären Ausstattung mit den notwendigen Mitteln elementare Grundbedürfnisse des Menschen (wie z.B. Unterkunft, Nahrungsaufnahme und Hygienebedürfnisse) nicht in einer noch zumutbarer Weise befriedigen kann.
35Vgl. OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 – 1 A 21/12.A -, juris Rn. 126.
36Nach diesen Maßstäben liegen Voraussetzungen vor, unter denen nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs eine Durchbrechung des den Bestimmungen der Dublin III-Verordnung zugrunde liegenden Systems des gegenseitigen Vertrauens gerechtfertigt ist. Die Aufnahmebedingungen in Italien sind aufgrund größerer Funktionsstörungen regelhaft so defizitär, dass anzunehmen ist, dass dem Kläger im konkreten Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht.
37Vgl. zum Maßstab BVerwG, Beschluss vom 19. März 2014 – 10 B 6/14 –, juris.
38Das Gericht geht in tatsächlicher Hinsicht übereinstimmend mit dem Bundesverfassungsgericht und dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte davon aus, dass aufgrund von Berichten international anerkannter Flüchtlingsschutzorganisationen und des Auswärtigen Amtes belastbare Anhaltspunkte für das Bestehen von erheblichen Kapazitätsengpässen bei der Unterbringung rückgeführter Ausländer in Italien bestehen und nicht auszuschließen ist, dass eine erhebliche Zahl Asylsuchender ohne Unterkunft bleibt oder in überfüllten Einrichtungen ohne jede Privatsphäre oder sogar in einer gesundheitsgefährdenden oder gewalttätigen Umgebung untergebracht werden könnte.
39Vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. September 2014 – 2 BvR 939/14 –, juris Rn. 13; EGMR, Urteil vom 4. November 2014 – Nr. 29217/12, Rn. 115 – Tarakhel.
40Bei der Bewertung der in Italien anzutreffenden Umstände der Durchführung des Asylverfahrens und der Aufnahme von Flüchtlingen sind diejenigen Umstände heranzuziehen, die auch auf die Situation des konkreten Asylantragstellers – hier des Klägers – zutreffen. Abzustellen ist demnach auf die Situation von Flüchtlingen in einer vergleichbaren rechtlichen und tatsächlichen Lage, wohingegen die Situation von Flüchtlingen in anderen rechtlichen oder tatsächlichen Umständen keine unmittelbare Rolle spielt. Sie kann allenfalls ergänzend herangezogen werden, sofern sich diese Umstände auch auf die Situation des konkreten Asylantragstellers auswirken (können).
41Vgl. ausführlich OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 – 1 A 21/12.A -, juris Rn. 130.
42Demgemäß ist auf diejenigen Personen abzustellen, die einen Antrag auf Gewährung internationalen Schutzes gestellt haben, über den noch nicht endgültig entschieden wurde (Art. 2 Buchstaben b und c Dublin III-Verordnung). Hierunter fallen auch die sog. Dublin-Rückkehrer, die nach den vorliegenden Erkenntnissen keine besondere Behandlung erfahren.
43In Anwendung dieser Grundsätze sind zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung bei der Unterbringungssituation in Italien systemische Mängel festzustellen. Die Kapazitäten der CARA und des SPRAR-Systems reichen bei weitem nicht aus, um auch nur einen überwiegenden Teil der Asylantragsteller in Italien aufzunehmen. Hierbei geht das Gericht von folgender Situation aus:
44Zuständig für die erste Unterbringung von Asylsuchenden sind die sog. CARA (Centri di Accoglienza per Richiedenti Asilo). Die offizielle maximale Aufenthaltsdauer in den CARA beträgt 35 Tage, weil ursprünglich die Vorstellung bestand, dass bis zu diesem Zeitpunkt das Asylverfahren abgeschlossen sein würde. In der Praxis wird die Aufenthaltsdauer bis zu sechs Monaten verlängert. Die Anzahl der in den CARA zur Verfügung stehenden Plätze beträgt je nach Quelle bis zu knapp über 10.000 Plätzen.
45Daneben bestehen die Unterbringungseinrichtungen des sog. SPRAR (Sistema di Protezione per Richiedenti Asilo e Rifugati). In diesen können sich Asylsuchende, die nicht in CARA wohnen müssen, bis zu einer Entscheidung der Kommission aufhalten. Personen, denen eine Form des internationalen Schutzes gewährt worden ist, dürfen sich noch maximal sechs Monate in den SPRAR-Einrichtungen aufhalten. Aufgrund außergewöhnlicher Umstände kann die Aufenthaltsdauer um bis zu sechs Monate verlängert werden. Bei Vorliegen besonderer Schutzbedürftigkeit ist eine Verlängerung um bis zu 11 Monate möglich. In den SPRAR wurden in 2011 rund 3.000 Plätze angeboten. Bis 2016 sollte die Gesamtzahl an Plätzen auf 16.000 erhöht werden. Indes teilte das italienische Innenministerium bereits im September 2014 mit, das Aufnahmesystem SPRAR verfüge (bereits) über 19.000 Plätze.
46Neben diesen staatlichen Einrichtungen gibt es noch einige Kommunen, die eigene Unterbringungsmöglichkeiten vorhalten, wobei diese nicht speziell für Asylsuchende betrieben werden. So soll die Stadt Rom in insgesamt 21 Einrichtungen zwischen 1.300 und 1.400 Plätze vorhalten, Mailand rund 400 Plätze und Turin rund 200 Plätze.
47Vgl. zum Ganzen: OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 – 1 A 21/12.A -, juris Rn. 147 ff.; VG Aachen, Beschluss vom 3. März 2015 – 9 L 168/15.A -, juris Rn. 26 ff.; Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Leitfaden Italien (Stand: Oktober 2014), Seite 10 ff..
48Diesem Angebot standen in Italien für das Jahr 2013 über 25.000 neue Asylantragsteller und für das Jahr 2014 über 63.000 neue Asylantragsteller gegenüber.
49Siehe die amtlichen Zahlen von eurostat für die Jahre 2013 und 2014, abrufbar unter: http://ec.europa.eu/eurostat/tgm/table.do?tab=table&init=1&plugin=1&pcode=tps00191&language=en; UNHCR, Asylum Trends 2014, Levels and Trends in Industrialized Countries vom 26. März 2015, Seite 20 (Tabelle 1), abrufbar unter http://www.unhcr.org/551128679.html.
50Das Ungleichgewicht zwischen verfügbaren Unterkunftsplätzen und Asylantragstellern hat sich seit Anfang des Jahres 2015 noch deutlich verschärft. In den Monaten Januar und Februar 2015 kamen knapp 7.900 Flüchtlinge nach Italien.
51Vgl. die amtlichen Zahlen von eurostat für Januar 2015, abrufbar unter: http://ec.europa.eu/eurostat/tgm/table.do?tab=table&init=1&plugin=1&pcode=tps00189&language=en borderline-europe, Newsletter März 2015, Seite 3, abrufbar unter http://www.borderline-europe.de/sites/default/files/background/Newsletter%20M%C3%A4rz%202015.pdf.
52Seither sind die Flüchtlingszahlen erneut stark gestiegen. Nachdem am Osterwochenende mehr als 1.800 Bootsflüchtlinge gerettet wurden,
53http://www.focus.de/politik/ausland/seenot-im-mittelmeer-italienische-kuestwenwache-rettet-1800-bootsfluechtlinge_id_4592375.html
54hat Italiens Küstenwache in der darauffolgenden Woche 10.000 Menschen an Land gebracht.
55http://www.spiegel.de/politik/ausland/europa-und-die-mittelmeer-fluechtlinge-hilflos-a-1028935.html.
56Am ersten Maiwochenende wurden erneut etwa 5.800 Flüchtlinge von der italienischen Küstenwache gerettet.
57Vgl. http://www.sueddeutsche.de/politik/drama-im-mittelmehr-mehr-als-bootsfluechtlinge-im-mittelmeer-gerettet-1.2463509.
58Der Bundesinnenminister geht davon aus, dass in Libyen etwa eine Million Flüchtlinge warten.
59http://www.t-online.de/nachrichten/panorama/id_73712474/in-libyen-warten-1-million-fluechtlinge-merkel-kuendigt-kurswechsel-an.html.
60Die Notunterkünfte in Italien sind überfüllt. Die Auffanglager stehen vor dem Kollaps.
61http://www.spiegel.de/politik/ausland/europa-und-die-mittelmeer-fluechtlinge-hilflos-a-1028935.html; http://www.sueddeutsche.de/politik/fluechtlingsdrama-tod-in-den-schwarzen-wogen-1.2441804.
62Damit stehen auch bei Zugrundelegung der amtlichen Zahlen den neuen Asylantragstellern in Italien – und auch dem Kläger als sog. Dublin-Rückkehrer – keine ausreichenden Unterkunftsmöglichkeiten zur Verfügung.
63Vgl. ebenso VG Aachen, Beschluss vom 3. März 2015 – 9 L 168/15.A -; VG Köln, Beschluss vom 20. Februar 2015 – 20 L 114/15.A -; VG Arnsberg, Urteil vom 12. März 2015 – 13 K 488/14.A -; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 27. Januar 2015 – 7a L 1718/14.A -; VG Minden, Beschluss vom 22. April 2015 – 10 L 136/15.A –.
64Eine andere Bewertung ergibt sich auch nicht aus dem Urteil des OVG NRW vom 24. April 2015 (- 14 A 2356/12.A -, juris). Es nimmt lediglich Bezug auf die obergerichtliche Rechtsprechung aus den Jahren 2013 und 2014 und setzt sich auch im Übrigen nicht mit den zitierten neuesten Erkenntnissen zu den seit Januar 2015 stark gestiegenen Flüchtlingszahlen, den damit unmittelbar einhergehenden Kapazitätsproblemen der italienischen Aufnahmeeinrichtungen sowie der daraus resultierenden weit verbreiteten Obdachlosigkeit einer hohen Zahl von Asylsuchenden auseinander. Diese Entwicklungen können auch in der durch das OVG NRW zitierten Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 6. Januar 2015 - naturgemäß - noch keine Berücksichtigung gefunden haben.
65Es liegen auch keine sonstigen Erkenntnisse vor, dass dem Kläger bei einer Überstellung nach Italien eine ausreichende Unterkunftsmöglichkeit zur Verfügung stünde. Es ist gerichtsbekannt, dass Italien keine individuellen Zusicherungen mehr gibt.
66Vgl. die Auskunft der Liasonbeamtin des Bundesamtes in Italien vom 13. April 2015.
67Einer Entscheidung über den gestellten Hilfsantrag bedurfte es nicht. Denn der Kläger hat sein mit dem Hauptantrag verfolgtes Ziel, die Beklagte zur Durchführung eines Asylverfahrens zu verpflichten, (mittelbar) dadurch erreicht, dass die Beklagte hierzu infolge der gerichtlichen Aufhebung des Bescheides kraft Gesetzes (§§ 31, 24 AsylVfG) verpflichtet ist. Dessen ungeachtet ist mit der gerichtlichen Aufhebung des angefochtenen Bescheides dem Hilfsantrag auch der Boden entzogen. Da die in Ziffer 2 des Bescheides getroffene Abschiebungsanordnung nach Italien beseitigt ist, bedarf es auch keiner Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 60 Abs. 1 – 7 AufenthG.
68Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO, § 83b AsylVfG.
69Dem Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit liegt § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO zugrunde.
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Annotations
(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden.
(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.
Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden.
Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Allgemeinverfügung ist ein Verwaltungsakt, der sich an einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis richtet oder die öffentlich-rechtliche Eigenschaft einer Sache oder ihre Benutzung durch die Allgemeinheit betrifft.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.
(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.
(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.
(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.