Verwaltungsgericht Arnsberg Urteil, 24. Juli 2015 - 12 K 658/14
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2Der Kläger wendet sich gegen die Entziehung seines Reisepasses sowie gegen die räumliche Beschränkung seines Personalausweises.
3Der im Jahre 1982 geborene Kläger, der sich im April 2006 verpflichtet hatte, zwölf Jahre Wehrdienst bei der Bundeswehr zu leisten, wurde mit Bescheid seiner Stammdienststelle vom 5. Februar 2010 mit der Begründung, es sei nicht davon auszugehen, dass er, der Kläger, den Anforderungen an einen Soldaten in der Laufbahn eines Unteroffiziers des allgemeinen Fachdienstes gerecht werden könne, aus dem Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit entlassen. Das die vom Kläger gegen den vorbenannten Bescheid erhobene Klage abweisende Urteil begründete das Verwaltungsgericht Minden – 10 K 823/10 – u.a. damit, dass der Kläger einem fundamentalistischen Verständnis des Islam anhänge und daher Zweifel an dessen Verfassungstreue bestünden. Den Antrag auf Zulassung der Berufung lehnte das Oberverwaltungsgericht des Landes Nordrhein-Westfalen mit Beschluss vom 22. März 2012 – 1 A 2752/11 - ab.
4Am 4. Dezember 2013 versuchte der Kläger mit zwei weiteren Personen, den Herren K und G, vom Flughafen Köln-Bonn aus in die Türkei auszureisen. Beamte der Bundespolizei befragten den Kläger sowie seine Begleiter, untersagten allen drei Personen die Ausreise aus dem Bundesgebiet und stellten die Reisepässe sicher. Der Reisepass des Klägers wurde im Anschluss an die Beklagte übersandt.
5Das Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen teilte der Beklagten im Nachgang mit, es lägen Erkenntnisse vor, die darauf hingewiesen hätten, dass der Kläger und seine beiden Begleiter die Absicht verfolgten hätten, über die Türkei nach Syrien zu reisen, um sich dort mutmaßlich an Kampfhandlungen zu beteiligen. Alle drei Personen seien dem Umfeld der im Jahre 2012 verbotenen Vereinigung „Millatu Ibrahim“ zuzurechnen, die eine islamistisch-jihadistische Grundausrichtung vertreten habe. Ferner werde die Einschätzung vertreten, die drei Personen würden auch nach dem einmalig unterbundenen Ausreiseversuch weiterhin versuchen, das Vorhaben, sich nach Syrien zu begeben, umzusetzen.
6Das Polizeipräsidium Wuppertal fertigte unter dem 6. Dezember 2013 einen Vermerk zu salafistischen Bestrebungen in Deutschland, zum jugendlichen salafistischen Personenspektrum in Solingen in Gestalt der im Jahre 2012 verbotenen Vereinigung „Millatu Ibrahim“ und zu bereits erfolgten Ausreisen nach Syrien bzw. zu diesbezüglichen Ausreiseabsichten.
7In einem weiteren Vermerk des Polizeipräsidiums Wuppertal vom 5. Februar 2014, welcher sich ausschließlich mit der Person des Klägers befasst, stellt der Verfasser im Wesentlichen fest, der Kläger gehöre zum jungendlichen salafistischen Personenspektrum in T und habe sich auch rein äußerlich dem salafistischen „Dresscode“ angepasst. Der Kläger sei Ende 2012 als Kontakt- und Begleitperson von Anhägern der verbotenen Vereinigung „Millatu Ibrahim“ respektive des gleichnamigen Vereins in T in Erscheinung getreten. Dem Kläger werde daher zugetraut, dass er – wie andere Gesinnungsgenossen auch – eine Teilnahme an terroristischen Kampfhandlungen in Syrien anstrebe.
8Vor Erlass der streitigen Verfügung gab der Kläger im Rahmen der Anhörung an, er und seine beiden anderen Bekannten hätten nicht die Absicht verfolgt, nach Syrien auszureisen, sondern seien auf dem Weg zu einem Kurzurlaub in der Türkei gewesen.
9Mit Bescheid vom 24. Februar 2014 entzog die Beklagte dem Kläger seinen Reisepass (Ziffer 1.), beschränkte den Geltungsbereich des Personalausweises des Klägers auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (Ziffer 2.) und ordnete die sofortige Vollziehung der Ziffern 1. und 2. an (Ziffer 3.). Zur Begründung führte sie aus: Die Entziehung des Reisepasses werde auf § 8 PassG in Verbindung mit § 7 Abs. 1 Nr. 1, 3. Alt. PassG gestützt. Danach sei die Teilnahme eines deutschen Staatsangehörigen am bewaffneten Jihad geeignet, sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden. Nach den vorliegenden Informationen, u.a. den Auskünften des Polizeipräsidiums Wuppertal, sei davon auszugehen, dass der Kläger eine salafistische / jihadistische Grundhaltung vertrete. So habe der Kläger dem direkten Umfeld der verbotenen Vereinigung „Millatu Ibrahim“ angehört und weise direkte Verbindungen zur neuerlich entstandenen Bewegung „Tauhid Germany“ auf. Daher gehe man davon aus, dass er weiterhin versuchen werde, nach Syrien auszureisen, um dort an terroristischen Kampfhandlungen bzw. deren Vorbereitung teilzunehmen. Die Maßnahme sei auch verhältnismäßig, denn eine Beschränkung des Gültigkeitsbereiches des Reisepasses könne die Ausreise des Klägers nicht verhindern. Im Übrigen müssten die schutzwürdigen Belange des Klägers hinter der drohenden Gefährdung von Leib und Leben Unbeteiligter in Syrien sowie dem Interesse der Bundesrepublik Deutschland, die Belastung der auswärtigen Beziehungen durch die mögliche Beteiligung des Klägers an Kampfhandlungen in Syrien zu vermeiden, zurückstehen. Aus den gleichen Gründen lägen auch die Voraussetzungen aus § 6 Abs. 7 PAuswG in Verbindung mit § 7 Abs. 1 PassG hinsichtlich der räumlichen Beschränkung des Geltungsbereiches des Personalausweises des Klägers auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland vor. Die räumliche Beschränkung diene dazu, Ausreisen zu verhindern, die lediglich einen Personalausweis erforderten.
10Am 5. März 2014 hat der Kläger Klage erhoben und nachfolgend einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gestellt. Diesen Antrag hat die Kammer mit Beschluss vom 20. Mai 2014 – 12 L 268/14 - abgelehnt. Zudem ist im Zusammenhang mit dem auf die Vereinigung „Tauhid Germany“ bezogenen Verbotsverfahren die in Wiesbaden belegene Wohnung der Lebensgefährtin des Klägers durchsucht worden.
11Zur Begründung seiner Klage trägt der Kläger vor, alle in der streitigen Verfügung gemachten Angaben seien unzutreffend, insbesondere habe er im Dezember 2013 nicht die Absicht gehabt, nach Syrien zu ausreisen. Bereits die Unbescholtenheit in strafrechtlicher Hinsicht belege seine Rechtstreue. Die Ausführungen der Beklagten zur Entlassung des Klägers aus der Bundeswehr seien vorliegend ohne Belang, da sich Soldaten – im Gegensatz zu Zivilpersonen – in einem besonderen Gewaltverhältnis befänden und daher an diese im Hinblick auf die Kundgabe von politischen, weltanschaulichen oder religiösen Ansichten besondere Anforderungen gestellt würden. Soweit in dem Vermerk des Polizeipräsidiums Wuppertal ausgeführt werde, im Falle seiner Ausreise nach Syrien verbunden mit der Teilnahme am Jihad drohe die Gefahr, er werde im Umgang mit Waffen geschult, zeige dies eine unzureichende Auseinandersetzung mit seiner Person, da er während seiner Verwendung bei der Bundeswehr selbst Waffenschulungen geleitet habe und mithin bereits über diesbezügliche umfassende Kenntnisse verfüge. Auch sei er entgegen der Darstellung im vorgenannten Vermerk kein Mitglied der Organisation „Millatu Ibrahim“. Er könne im Winter 2012 ebenso nicht als Kontakt- und Begleitperson von Anhägern der Vereinigung „Millatu Ibrahim“ aufgetreten sein, da diese Vereinigung bereits im Mai 2012 verboten worden sei. Schließlich sei die streitige Verfügung unverhältnismäßig. Dies folge zunächst daraus, dass der angefochtene Bescheid in zeitlicher Hinsicht unbegrenzt sei. Ferner komme als milderes Mittel in Betracht, den räumlichen Geltungsbereich des Reisepasses auf das Gebiet der Europäischen Union zu beschränken. Zudem seien die persönlichen Verhältnisse des Klägers nicht berücksichtigt worden. So sei es ihm verwehrt, seine Ehefrau, die über verwandtschaftliche Beziehungen in Somalia und im Jemen verfüge, auf Reisen dorthin zu begleiten. Außerdem könne er als Berufskraftfahrer jederzeit in die Situation kommen, sich beruflich bedingt in andere Staaten begeben zu müssen.
12Der Kläger beantragt,
13den Bescheid der Beklagten vom 24. Februar 2014 aufzuheben.
14Die Beklagte beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Zur Begründung vertieft sie ihr bisheriges Vorbringen und macht ergänzend geltend: Ausweislich der von den zuständigen Beamten des Polizeipräsidiums Wuppertal bzw. des Polizeipräsidiums Hagen im Mai 2015 telefonisch erlangten Angaben gehe von dem Kläger weiterhin eine Gefahr für die innere und äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland aus. Der Kläger werde eindeutig der im März 2015 verbotenen Organisation „Tauhid Germany“ zugerechnet und spiele dort eine nicht untergeordnete Rolle. Dies ergebe sich unter anderem aus dem Umstand, dass am 26. März 2015 die im Stadtgebiet der Beklagten gelegene Wohnung des Klägers im Zusammenhang mit dem vorgenannten, vom Bundesinnenministerium durchgeführten Verbotsverfahren mit dem Ziel des Auffindens und Sicherstellens von Beweismitteln durchsucht worden sei.
17Die Klage des K gegen die von der Stadt T verfügte Entziehung des Reisepasses und der Beschränkung des Geltungsbereiches des Personalausweises ist sowohl in erster Instanz – vgl. Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 11. September 2014 – 24 K 133/14 – als auch in zweiter Instanz – vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 4. Mai 2015 – 19 A 2097/14 – ohne Erfolg geblieben.
18Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten verwiesen.
19Entscheidungsgründe:
20Die Klage hat keinen Erfolg.
21Sie ist unbegründet.
22Der Bescheid der Beklagten vom 24. Februar 2014 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
23Der Bescheid ist formell rechtmäßig. Gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 des Passgesetzes (PassG) i.V.m. §§ 48 Abs. 1, 3 Abs. 1 des Ordnungsbehördengesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen (OBG NRW) bzw. § 7 Abs. 1 des Personalausweisgesetzes (PAuswG) i.V.m. §§ 48 Abs. 1, 3 Abs. 1 OBG NRW ist die Beklagte als örtliche Ordnungsbehörde für den Erlass der streitigen Verfügung sachlich zuständig. Die örtliche Zuständigkeit der Beklagten folgt aus § 19 Abs. 3 Satz 1 PassG bzw. § 8 Abs. 1 Satz 1 PAuswG. Diese bei Erlass der Ordnungsverfügung durch die seinerzeitige Wohnsitznahme des Klägers im Bezirk der Beklagten begründete örtliche Zuständigkeit ist auch nicht durch den späteren Wegzug des Klägers in den örtlichen Zuständigkeitsbereich einer anderen Ordnungsbehörde erloschen, sondern besteht für die streitige Verfügung fort. Denn die einmal begründete Zuständigkeit für den Erlass eines belastenden Verwaltungsaktes bleibt bis zum Abschluss des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens erhalten.
24Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschlüsse vom 23. Juni 2008 – 18 B 831/08 – und vom 1. April 2004 – 18 B 1521/03 -, juris; Verwaltungsgericht (VG) Düsseldorf, Urteil vom 16. April 2015 – 24 K 427/14 -, juris.
25Ob der Kläger in einer den Anforderungen der Bestimmung des § 28 Abs. 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen (VwVfG NRW) in Gänze genügenden Weise angehört worden ist, kann dahinstehen, denn jedenfalls wäre ein dahingehender Verstoß wegen der Möglichkeit, im gerichtlichen Verfahren gehört zu werden, gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG NRW unbeachtlich.
26Der Bescheid ist auch materiell rechtmäßig.
27Die in Ziffer 1. der streitigen Verfügung angeordnete Entziehung des Reisepasses findet ihre Rechtsgrundlage in § 8 PassG. Danach kann ein Pass oder ein ausschließlich als Passersatz bestimmter amtlicher Ausweis dem Inhaber entzogen werden, wenn Tatsachen bekannt werden, die nach § 7 Abs. 1 die Passversagung rechtfertigen würden. Die Ermächtigungsgrundlage für die in Ziffer 2. verfügte räumliche Beschränkung des Geltungsbereiches des Personalausweises ergibt sich aus § 6 Abs. 7 PAuswG, wonach die zuständige Behörde im Einzelfall unter den Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 PassG anordnen kann, dass der Ausweis nicht zum Verlassen Deutschlands berechtigt. Der somit für beide Anordnungen tatbestandlich relevante § 7 Abs. 1 PassG bestimmt in der hier maßgeblichen Fallgruppe, dass ein Pass zu versagen ist, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme begründen, dass der Passbewerber die innere oder äußere Sicherheit oder sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet (Nr. 1).
28Als eine Gefährdung sonstiger erheblicher Belange der Bundesrepublik Deutschland i.S.v. § 7 Abs. 1 Nr. 1, 3. Var. PassG können auch Handlungen gewertet werden, die geeignet sind, die auswärtigen Beziehungen oder unter besonderen Umständen auch das internationale Ansehen der Bundesrepublik Deutschland zu schädigen.
29Vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 25. Juli 2007 – 6 C 39/06 –, juris; OVG NRW, Urteil vom 4. Mai 2015 – 19 A 2097/14 -, juris.
30Eine solche Schädigung der auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik kommt dann in Betracht, wenn der Passinhaber sich im Ausland an Gewalttätigkeiten beteiligt,
31vgl. OVG NRW, Urteil vom 4. Mai 2015 – 19 A 2097/14 -, juris; OVG NRW, Beschluss vom 16. April 2014 - 19 B 59/14 -, juris,
32beispielsweise in Form der Teilnahme am bewaffneten Jihad in Syrien.
33Vgl. OVG NRW, Urteil vom 4. Mai 2015 – 19 A 2097/14 -, juris; OVG NRW, Beschluss vom 16. April 2014 - 19 B 59/14 -, juris; für den Fall einer geplanten Übergabe von Sprengstoff an eine Kontaktperson im Ausland OVG NRW, Beschluss vom 11. September 2013 – 18 B 866/13 -, juris; Oberverwaltungsgericht Berlin Brandenburg (OVG Berlin-Brandenburg), Beschluss vom 7. März 2011 – OVG 5 S 22/10 -, juris.
34Denn Terroranschläge des militanten Jihad, an denen deutsche Staatsangehörige mitgewirkt haben, tangieren massiv die Sicherheitsinteressen der davon betroffenen Länder und sind in ganz erheblichem Maße geeignet, diplomatische Spannungen zu erzeugen.
35Vgl. OVG NRW, Urteil vom 4. Mai 2015 – 19 A 2097/14 -, juris; OVG NRW, Beschluss vom 16. April 2014 - 19 B 59/14 -, juris; VG Berlin, Urteil vom 6. März 2012 – 23 K 59.10 –, juris.
36In tatsächlicher Hinsicht setzt der Passversagungstatbestand in § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG voraus, dass konkrete Tatsachen vorliegen, die die Begründetheit der behördlichen Gefahreneinschätzung nachvollziehbar rechtfertigen. Die Anknüpfungstatsachen für die Gefahrenprognose müssen nach Zeit, Ort und Inhalt so konkret gefasst sein, dass sie einer Überprüfung im gerichtlichen Verfahren zugänglich sind. Hingegen erfordert § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG keine eindeutigen Beweise für die Gefahreneinschätzung. Ausreichend ist eine positive Gefahrenprognose.
37Vgl. OVG NRW, Urteil vom 4. Mai 2015 – 19 A 2097/14 -, juris; OVG NRW, Beschluss vom 16. April 2014 - 19 B 59/14 -, juris.
38Der Passversagungsgrund des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG liegt also nicht erst dann vor, wenn der Betreffende Belange der Bundesrepublik Deutschland tatsächlich gefährdet, sondern schon dann, wenn der begründete Verdacht einer solchen Gefährdung besteht.
39Vgl. OVG NRW, Urteil vom 4. Mai 2015 – 19 A 2097/14 -, juris; OVG NRW, Beschluss vom 16. April 2014 - 19 B 59/14 -, juris.
40Als Anknüpfungstatsachen wegen einer befürchteten Ausreise zur Teilnahme an bewaffneten Kampfhandlungen kommen insbesondere konkrete Äußerungen des Passinhabers und seine Einbindung in einen Personenkreis von gewaltbereiten Islamisten sowie deren bisherige Aktivitäten und politischen Ziele in Betracht. Dies kann beispielsweise durch Teilnahme an regelmäßigen Zusammenkünften oder missglückte Ausreiseversuche dokumentiert werden.
41Vgl. OVG NRW, Urteil vom 4. Mai 2015 – 19 A 2097/14 -, juris; OVG NRW, Beschluss vom 16. April 2014, - 19 B 59/14 -, juris.
42Dabei ist es nicht erforderlich, dass das Reiseziel, die Art und Weise der Beteiligung am Jihad und die Rückkehrabsicht des Verfügungsadressaten jeweils konkret bezeichnet werden können. Angesichts des erheblichen Gewichts der Gefährdung kann insoweit auf allgemeine Erkenntnisse zur Unterstützung des bewaffneten Jihad zurückgegriffen werden.
43Vgl. OVG NRW, Urteil vom 04. Mai 2015 – 19 A 2097/14 –, juris.
44Hierzu ist dem am 30. Juni 2015 der Öffentlichkeit präsentierten Verfassungsschutzbericht 2014 unter anderem zu entnehmen, die Grenzen zwischen politischen und "jihadistischen" Salafisten seien fließend. Bis Anfang 2015 hätten Erkenntnisse zu mehr als 600 deutschen Islamisten bzw. Islamisten aus Deutschland vorgelegen, die in Richtung Syrien (bzw. Irak) ausgereist seien, um sich an den Kampfhandlungen zu beteiligen – mehrere Jihadisten hätten danach Selbstmordanschläge in Syrien (und im Irak) verübt - oder aber islamistische Gruppen in anderer Weise zu unterstützen. Dieser Trend halte weiter an.
45Nach diesen Grundsätzen liegen derartige, die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Nr. 1, 3. Var. PassG erfüllende Anknüpfungstatsachen vor, die die Annahme einer positiven Gefahrenprognose stützen.
46Hierzu hat die Kammer in ihrem Eilbeschluss vom 20. Mai 2014 – 12 L 268/14 – folgendes ausgeführt:
47„Zunächst ist der Antragsteller tief in der salafistischen Szene verwurzelt. Dies ergibt sich aus den Feststellungen im Urteil des Verwaltungsgerichts (VG) Minden vom 4. Oktober 2011 ‑ 10 K 823/10 ‑. In diesem Urteil, mit dem die Klage des Antragstellers gegen seine Entlassung aus dem Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit rechtskräftig abgewiesen wurde, heißt es auszugsweise:
48„Danach hatte der Kläger, der sich ausdrücklich zur Scharia bekennt und diese als ein der freiheitlich-demokratischen Grundordnung vorzuziehendes Ordnungssystem betrachtet, Kontakte zu Einrichtungen und Personen, die der - unter Beobachtung der Verfassungsschutzbehörden stehenden - salafistischen Szene zuzurechnen sind.
49Dass der Kläger einem fundamentalistischen Verständnis des Islam anhängt und aus diesem Verständnis heraus für ein der freiheitlich-demokratischen Grundordnung widersprechendes Gesellschaftssystem eintritt, manifestiert sich nicht nur darin, dass er Kontakt zur salafistischen Szene hatte, indem er einschlägige Einrichtungen besucht sowie Informationsmaterial auf der Internetseite des Predigers Q1. W1. bestellt und verteilt hat, sondern gerade auch in seinem dienstlichen Verhalten. So hat er etwa deutlich erkennbar Konsequenzen aus seinen religiös fundierten Überzeugungen gezogen, indem er (zunächst) die Ausbildung eines Hauptgefreiten d.R. an einer Feuerwaffe verweigert und sich zur Rechtfertigung darauf bezogen hat, dass der Betreffende sein durch die Unterweisung erworbenes Wissen gegen muslimische Glaubensbrüder anwenden könnte. Auch hat der Kläger im Zusammenhang mit den Auseinandersetzungen um seine Barttracht im Juni und Juli 2009 gesagt, dass Glaubensbrüder ursprünglich vorgehabt hätten, vor der Kaserne für ihn zu demonstrieren, wovon jedoch abgesehen werden könne, nachdem der Truppenarzt den Konfliktfall letztlich in seinem Sinne entschieden habe.“
50Diese Feststellungen werden durch das Vorbringen des Antragstellers im vorliegenden Verfahren nicht erschüttert. Der Einwand des Antragstellers, die Antragsgegnerin habe die Gründe, die zu seiner Entlassung aus der Bundeswehr geführt hätten, vorliegend nicht berücksichtigen dürfen, da sich Soldaten in einem besonderen Gewaltverhältnis befänden und deshalb an diese besondere Anforderungen gestellt würden, geht fehl. Denn die Feststellungen im Urteil des VG Minden, dass der Antragsteller sich ausdrücklich zur Scharia bekannt und dem Salafismus zuzurechnende Einrichtungen besucht hat, stellen unabhängig davon, welche rechtlichen Schlussfolgerungen das VG Minden hieraus gezogen hat, Tatsachen dar, die auch im hiesigen Verfahren zu berücksichtigen sind. Dass der Antragsteller sich damals in einem besonderen Gewaltverhältnis befand, mag für die Frage der rechtlichen Bewertung der Entlassung von Bedeutung sein, berührt aber den Umstand des Vorliegens dieser Tatsachen nicht.
51Die besagten Feststellungen werden zudem durch aktuelle Erkenntnisse der Direktion-K Kl Staatsschutz des Polizeipräsidiums Wuppertal bestätigt und erhärtet. In einem Vermerk vom 5. Februar 2014 zur Person des Antragstellers heißt es auszugsweise:
52„Der C gehört zum jugendlichen salafistischen Personenspektrum aus Solingen. Er hat sich auch rein äußerlich dem salafistischen Dresscode angepasst.
53Der C trat wie der […] erst gegen Ende 2012 im hiesigen Verantwortungsbereich als Kontakt- bzw. Begleitperson von Anhängern der verbotenen Vereinigung Millatu Ibrahim respektive des gleichnamigen Vereines in Solingen auf. […]
54C ist in diesem o.g. Umfeld in den letzten Monaten immer stärker verortet. Dies belegen polizeiliche Personenkontrollen ebenso wie offene Internetrecherchen […].
55C ist genauso wie […] als politisierte, radikalisierte Person anzusehen. Er unterliegt offensichtlich den gleichen Einflüssen.“
56Die dagegen vom Antragsteller vorgetragenen Einwände sind ebenfalls nicht erheblich. Im hier interessierenden Zusammenhang ist ohne Belang, ob der Antragsteller bei einer Beteiligung an Kampfeinsätzen noch im Umgang mit Waffen geschult wird oder ob dies nicht erforderlich wäre, weil er bereits während seiner aktiven Zeit bei der Bundeswehr selbst Waffenschulungen geleitet hat. Selbst wenn Letzteres der Fall wäre, wäre die von ihm ausgehende Gefahr umso größer, da der Antragsteller auf Grund seiner Waffenkenntnisse sich dann direkt an terroristischen Kampfhandlungen beteiligen könnte. Des Weiteren wird nicht – wie der Antragsteller meint - übersehen, dass die Vereinigung Millatu Ibrahim bereits im Mai 2012 verboten worden ist. Denn es ist explizit ausgeführt, dass der Antragsteller als Kontakt- bzw. Begleitperson von Anhängern der verbotenen Vereinigung Millatu Ibrahim aufgetreten ist. Das Verbot einer Vereinigung führt keineswegs - so auch hier nicht - dazu, dass deren ehemalige Anhänger ihre Ziele nicht weiter verfolgten.
57Weiterhin kann aus der Tatsache, dass der Bundeszentralregisterauszug des Antragstellers keine Einträge erhält und auch dem Amtsgericht Olpe keine Erkenntnisse diesbezüglicher Art vorliegen, nicht – wie der Antragsteller meint – auf seine zukünftige Rechtstreue geschlossen werden. Dies bezeugt lediglich, dass bislang keine strafrechtliche Verurteilung erfolgt ist, vermag aber die gefahrenabwehrrechtliche Prognose der Antragsgegnerin, um die es vorliegend geht, nicht zu erschüttern.
58Hinzu tritt, dass bereits Personen aus dem erwähnten konkreten salafistischen Umfeld des Antragstellers am Jihad teilgenommen haben. So wird in einem weiteren Vermerk der Direktion-K Kl Staatsschutz des Polizeipräsidiums Wuppertal vom 5. Dezember 2013 im Zusammenhang mit der vom Bundesinnenministerium am 29. Mai 2012 u.a. wegen des Verstoßes gegen den Gedanken der Völkerverständigung verbotenen Organisation „Millatu Ibrahim“ festgehalten:
59„Die Ausreise („Hijra“) des jihadistischen Hasspredigers N am 26.04.2012 nach Ägypten zog bundesweit regelrechte „Ausreisewellen“ seiner Anhänger nach sich. N ist eine Symbolfigur der deutschen salafistischen Szene und avancierte innerhalb des Aufenthaltes in Deutschland zu einem regelrechten Star der jihadistischen Szene.
60Er war der „Emir“ des im Juni verbotenen Vereins „Millatu Ibrahim“. Die Vereinigung „Millatu Ibrahim“ hatte mit dem gleichnamigen Verein in T seinen Hauptsitz. U.a. von hier aus radikalisierten und rekrutierten N und weitere extremistische Prediger von „Millatu Ibrahim“ […] eine Vielzahl jugendlicher Migranten und Konvertiten für den Salafismus/Extremismus und versuchten diese dann zur Durchführung von gewaltsamen Aktionen zu mobilisieren.
61Via Internet riefen N sowie D ihre Anhänger nach ihrer Ausreise im Jahr 2012 mehrfach dazu auf, ihnen in das Ausland zu folgen und am Jihad teilzunehmen. In jihadistischen Kreisen herrscht ein hoher sozialer Konformitätsdruck und Befehle, Anordnungen gruppeninterner Anführer werden befolgt. So verwundert es nicht, dass diesem Aufruf seitdem mehrere in T wohnhafte Personen aus dem Spektrum „Millatu Ibrahim“ folgten.“
62Die Kammer geht davon aus, dass in ebendiesem Zusammenhang auch der Antragsteller selbst bereits einmal versucht hat, nach Syrien zu gelangen, um dort am bewaffneten Jihad teilzunehmen. Denn er wurde am 4. Dezember 2013 gemeinsam mit 2 weiteren Personen von der Bundespolizei am Flughafen Köln-Bonn angetroffen und an der Ausreise in die Türkei gehindert. Sein Vorbringen, er habe am 4. Dezember 2013 lediglich zu einem drei- bis viertägigen Kurzurlaub nach Istanbul aufbrechen wollen, einer seiner Mitreisenden habe Verwandte in der Türkei, die dieser besuchen wolle, und der dritte Mitreisende habe sich dem Duo spontan angeschlossen, stellt sich nach Überzeugung der Kammer als bloße Schutzbehauptung dar. Denn es fehlt schon an der Benennung jeglicher lebensnaher Einzelheiten – etwa Ort und Art der Unterbringung sowie der dort beabsichtigten Aktivitäten usw. – zu dem angeblichen Urlaubsaufenthalt, die ohne weiteres zu erwarten gewesen wäre, wenn der Antragsteller seinerzeit tatsächlich nur eine Kurzreise der besagten Art in die Türkei hätte unternehmen wollen.“
63Die vorbenannten Ausführungen, auf die die Kammer vorliegend Bezug nimmt, werden auch durch das weitere Vorbringen des Klägers im Hauptsacheverfahren nicht in Zweifel gezogen, vielmehr wird die getroffene Bewertung durch neue Erkenntnisse bestätigt.
64Die pauschalen Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung, er habe nie die Absicht gehabt, nach Syrien auszureisen bzw. bei dem diesbezüglichen Vorbringen handele es sich um bloße Vermutungen, sind ersichtlich bereits aufgrund ihrer Unsubstantiiertheit nicht geeignet, den Ausführungen der Kammer im Eilverfahren hinsichtlich des vom Kläger am 4. Dezember 2013 unternommenen Versuches, nach Syrien auszureisen, die tatsächliche Grundlage zu entziehen, denn der Kläger vermochte es insbesondere nicht, die Qualifizierung seiner damaligen Äußerungen hinsichtlich des angeblichen Zweck der Reise – Kurzurlaub in der Türkei - als bloße Schutzbehauptung auch nur ansatzweise zu entkräften.
65Für die Annahme, Zweck der Reise sei die beabsichtigte Teilnahme am Jihad in Syrien gewesen, streitet ferner die Tatsache, dass im gerichtlichen Verfahren, welches Herr K einer der beiden Begleiter des Klägers, der mit diesem gemeinsam am 4. Dezember 2013 am Flughafen Köln/Bonn von Beamten der Bundespolizei an der Ausreise gehindert wurde und der seinerseits u.a. im Rahmen der salafistischen Ausschreitungen am 1. Mai 2012 in T in den Blick der Sicherheitsbehörden geraten ist – gegen die von der zuständigen Behörde ihm gegenüber ausgesprochene Entziehung des Reisepasses bzw. der räumlichen Beschränkung des Personalausweises angestrengt hat, das Vorbringen, die Reise in die Türkei habe jedenfalls nicht dem Zweck gedient, zur Teilnahme am Jihad nach Syrien weiterzureisen, als insgesamt ungereimt und nicht glaubhaft eingestuft wurde.
66Vgl. hierzu OVG NRW, Urteil vom 4. Mai 2015 – 19 A 2097/14 -, juris.
67Die Einbindung des Klägers in ein salafistisches Netzwerk hingegen hat sich weiter verfestigt.
68Der Kläger hat nach eigenen Angaben die im März 2015 verbotene Vereinigung „Tauhid Germany“, die als Ersatzorganisation der bereits im Mai 2012 verbotenen Organisation „Millatu Ibrahim“ die Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung in kämpferisch-aggressiver Weise fordert und den gewaltsamen Jihad terroristischer Gruppen wie des sogenannten „Islamischen Staates“ in Syrien und im Irak glorifiziert, in vielfältiger Weise unterstützt. Der Kläger kümmerte sich insofern um den Erhalt behördlicher Genehmigungen für den Aufbau von Informationsständen der Vereinigung, half beim Auf- und Abbau der jeweiligen Informationsstände mit und verteilte an Passanten von „Tauhid Germany“ erstellte Borschüren sowie CDs. Unerheblich ist, ob der Kläger – was von diesem mit Blick auf die anderslautende Mitteilung des Polizeipräsidiums Hagen vom 20. Juli 2015 bestritten wird - Mitglied der vorbezeichneten Organisation war. Auch ohne den rein formalen Akt der Mitgliedschaft zu einer Organisation können – wie gerade der Fall des Klägers zeigt – die Übereinstimmung, Billigung und sogar Förderung der Ziele sowie Ideale einer Vereinigung in tatkräftigen Unterstützungshandlungen zum Ausdruck kommen.
69Die enge Verbindung des Klägers zur Vereinigung „Tauhid Germany“ zeigt sich ferner an dem Umstand, dass die in X gelegene Wohnung der Lebensgefährtin des Klägers, in der sich dieser nach eigener Aussage des Öfteren aufhält, im Zusammenhang mit dem Verbotsverfahren von „Tauhid Germany“ zur Erlangung von Beweismitteln durchsucht wurde. Ob darüber hinaus auch die Wohnung des Klägers in B Ziel einer polizeilichen Durchsuchung war – insofern ist der Sachverhalt zwischen den Beteiligten streitig – kann dahinstehen, denn der Umstand, dass zumindest eine vom Kläger mitbenutzte Wohnung nach im vorbenannten Verbotsverfahren verwertbaren Beweismitteln durchsucht wurde, verdeutlicht bereits die tatsächliche Nähe des Klägers zu „Tauhid Germany“.
70Mithin liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Nr. 1, 3. Var. PassG, auf den sowohl § 8 PassG als auch § 6 Abs. 7 PAuswG Bezug nehmen, vor.
71Angesichts dessen kann auf sich beruhen, ob neben § 7 Abs. 1 Nr. 1, 3. Var. PassG vorliegend auch die Voraussetzungen des Passversagungsgrundes aus § 7 Abs. 1 Nr. 10 PassG – auch hierauf stützt die Beklagte den angefochtenen Bescheid - erfüllt sind.
72Die beiden Maßnahmen sind verhältnismäßig.
73Die Entziehung des Reisepasses und die räumliche Beschränkung des Personalausweises auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland stellen sich als geeignete Maßnahmen dar, die Ausreise des Klägers in Richtung Syrien zum Zwecke der Teilnahme an bzw. Unterstützung von bewaffneten Kampfhandlungen zu verhindern. Die Entziehung des Reisepasses und die räumliche Beschränkung des Personalausweises auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland sind ebenso erforderlich. Denn gleich geeignete, aber mildere Mittel sind nicht ersichtlich. Dies gilt zunächst für die Entziehung des Reisepasses, denn die Möglichkeit, dessen räumlichen Geltungsbereich bzw. dessen Geltungsdauer zu beschränken, ist nicht genauso geeignet, die Ausreise des Klägers zu verhindern, wie eine Passentziehung. Dies folgt bereits daraus, dass eine räumliche Beschränkung es dem Passinhaber weiterhin erlauben würde, in die von der Beschränkung nicht erfassten Staaten einzureisen und von dort weiter in das eigentliche Zielgebiet zu gelangen. Hinsichtlich der räumlichen Beschränkung des Personalausweises ist ebenfalls keine gleich geeignete und dennoch mildere Maßnahme erkennbar.
74Gegen die Angemessenheit der getroffenen Anordnungen ist ebenfalls nichts zu erinnern. Zunächst wird durch die Entziehung des Reisepasses und die räumliche Beschränkung des Geltungsbereiches des Personalausweises des Klägers in dessen durch Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) verfassungsrechtlich abgesicherte Ausreisefreiheit eingegriffen. Jedoch überwiegt vorliegend das oben ausgeführte öffentliche Sicherheitsinteresse. Dem Schutz der damit betroffenen Rechtsgüter - insbesondere dem Schutz von Leib und Leben unbeteiligter Dritter vor terroristischen Anschlägen als international anerkanntem Schutzgut - kommt angesichts der ihnen nach Lage der Dinge drohenden Beeinträchtigungen ein die Klägerinteressen deutlich überwiegendes Gewicht zu. Soweit der Kläger weiterhin vorträgt, die streitige Verfügung greife dergestalt in seine durch Art. 6 Abs. 1 GG geschützte Ehe ein, als ihm verwehrt werde, gemeinsam mit seiner mit ihm nach islamischem Ritus verheirateten Ehefrau deren Verwandte im Jemen bzw. in Somalia zu besuchen, überwiegt – unbeschadet der Frage, ob insofern überhaupt ein Eingriff in den Schutzbereich von Art. 6 Abs. 1 GG vorliegt – unter Berücksichtigung der obigen Ausführungen auch insofern das öffentliche Sicherheitsinteresse. Mit dem Vorbringen, die angefochtene Verfügung sei wegen der Verletzung von Art. 12 GG unverhältnismäßig, dringt der Kläger ebenfalls nicht durch. Der Kläger hat bereits nicht substantiiert dargelegt, dass die Entziehung seines Reisepasses bzw. die räumliche Beschränkung des Geltungsbereiches des Personalausweises in den Schutzbereich der grundgesetzlich garantierten Berufsfreiheit eingreifen. Sein pauschales schriftsätzliches Vorbringen, als Berufskraftfahrer könne jederzeit die Situation eintreffen, beruflich bedingt ins Ausland reisen zu müssen, lässt bereits keinen konkreten Sachverhalt erkennen, der Art. 12 GG überhaupt tangiert. Nichts anderes gilt in Bezug auf die im Rahmen der mündlichen Verhandlung gemachten Angaben, wonach der Kläger im Moment arbeitslos sei und ein potentieller Arbeitgeber eine Einstellung mit Verweis auf die - auf das Bundesgebiet - beschränkte Einsetzbarkeit abgelehnt haben soll. Selbst wenn der Zugang des Klägers zum Arbeitsmarkt durch die streitige Verfügung geringfügig erschwert werden sollte – zu berücksichtigen ist, dass auch und gerade für Berufskraftfahrer zahlreiche Arbeitsplätze existieren, deren Einsatzradien national, regional bzw. sogar lokal begrenzt sind -, müsste dieser nur unwesentliche Eingriff in Art. 12 GG hinter den bedeutenden öffentlichen Sicherheitsinteressen zurücktreten und wäre damit gerechtfertigt.
75Schließlich führt auch die fehlende zeitliche Befristung der Maßnahmen nicht zu deren Unverhältnismäßigkeit. Zunächst ist deren Wirkung aus der Natur der Sache heraus durch den Ablauf der Gültigkeit des Reisepasses bzw. des Personalausweises – ersterer ist bis zum 18. September 2019 gültig, letzterer bis zum 2. März 2020 – bereits in zeitlicher Hinsicht limitiert. Insofern wird das Vorliegen der Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 PassG spätestens im Falle der Neubeantragung des jeweiligen Dokumentes zu prüfen sein. Zudem steht es dem Kläger frei, im Falle einer Änderung seiner hier relevanten Lebensumstände bei der Beklagten einen Antrag auf Aufhebung der streitigen Verfügung oder auf Wiederaufgreifen des Verfahrens zu stellen.
76Die Beklagte hat auch das ihr in § 8 PassG bzw. in § 6 Abs. 7 PAuswG eingeräumte Ermessen rechtlich einwandfrei ausgeübt (§ 114 Satz 1 VwGO).
77Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
78Die Entscheidung zur Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 709, 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).
ra.de-Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Arnsberg Urteil, 24. Juli 2015 - 12 K 658/14
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Urteil einreichenVerwaltungsgericht Arnsberg Urteil, 24. Juli 2015 - 12 K 658/14 zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).
(1) Personalausweise werden für eine Gültigkeitsdauer von zehn Jahren ausgestellt.
(2) Vor Ablauf der Gültigkeit eines Personalausweises kann ein neuer Personalausweis beantragt werden, wenn ein berechtigtes Interesse an der Neuausstellung dargelegt wird.
(3) Bei Personen, die noch nicht 24 Jahre alt sind, beträgt die Gültigkeitsdauer des Personalausweises sechs Jahre.
(4) Die Gültigkeitsdauer eines vorläufigen Personalausweises ist unter Berücksichtigung des Nutzungszwecks festzulegen; sie darf einen Zeitraum von drei Monaten nicht überschreiten.
(4a) Die Gültigkeitsdauer des Ersatz-Personalausweises ist auf den Zeitraum zu beschränken, der für das Erreichen des Zweckes nach § 6a erforderlich ist; sie darf einen Zeitraum von drei Jahren nicht überschreiten.
(5) Eine Verlängerung der Gültigkeitsdauer ist nicht zulässig.
(6) Die Gültigkeitsdauer eines Ausweises darf in den Fällen des § 29 des Staatsangehörigkeitsgesetzes den Zeitpunkt der Vollendung des 23. Lebensjahres des Inhabers so lange nicht überschreiten, bis die zuständige Behörde den Fortbestand der deutschen Staatsangehörigkeit festgestellt hat.
(7) Unter den Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 des Passgesetzes kann die zuständige Behörde im Einzelfall anordnen, dass der Ausweis nicht zum Verlassen Deutschlands berechtigt.
(8) Anordnungen nach Absatz 7 dürfen im polizeilichen Grenzfahndungsbestand gespeichert werden.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.Der Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % der auf Grund des Gerichtsbescheides vollstreckbaren Kosten abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % der jeweils vollstreckbaren Kosten leistet.
1
Tatbestand:
2Der Kläger wurde am 0.12.1991 in T. geboren und ist Inhaber des am 12. April 2013 durch die Beklagte ausgestellten deutschen Reisepasses XXXXXXXXX.
3Am 4. Dezember 2013 wurde der Kläger in Begleitung zweier weiterer Personen an dem Versuch gehindert, über den Flughafen L. /C. nach Istanbul auszureisen; der Pass wurde durch die Grenzpolizei sichergestellt. Für alle drei Personen lag die Bitte des Innenministerium des Landes Nordrhein-Westfalen vor, sie vor einer Ausreise einer Befragung zu unterziehen, die bei allen drei Personen zur Untersagung führte.Das Behördenzeugnis lautet: „Hier wurde dienstlich bekannt, dass Herr T1. K. beabsichtigt, gemeinsam mit weiteren Personen aus dem Umfeld der verbotenen Vereinigung ´Millatu Ibrahim´ auszureisen, um sich am bewaffneten Jihad in Syrien zu beteiligen.“
4Ein Vermerk der Grenzpolizei zu dem Vorgang sowie dies Behördenzeugnis wurden mit dem sichergestellten Pass der Beklagten zugeleitet mit der Bitte um Prüfung in eigener Zuständigkeit.Die Staatsschutzinspektion des Polizeipräsidiums X. teilte unter dem 13. Dezember 2013 der Beklagten mit, gegen den Kläger sei ein Verfahren nach § 89a StGB eingeleitet, das bei der Staatsanwaltschaft E. zu dem Aktenzeichen 80 Js 0000/13 geführt werde.Beigefügt war ein Vermerk der Staatsschutzinspektion vom 6. Dezember 2013 zur Person des Klägers, der dessen Bezug zu dem inzwischen verbotenen Verein Millatu Ibrahim aufzeigt, dessen eindeutig jihadistischer Charakter durch zahlreiche youtube Videos gesichert sei;der Kläger sei Vorstandsmitglied des Vereins gewesen, so dass davon auszugehen sei, er stehe auch hinter dessen Zielen; dem hohen sozialen Konformitätsdruck in jihadistischen Kreisen gemäß seien auch aus T. mehrere Personen dem Aufruf des Vereins zur Ausreise und Teilnahme am bewaffneten Jihad gefolgt;auch der Bruder des Klägers sei seit Mitte 2012 im Ausland und werde zusammen mit weiteren Salafisten in Syrien vermutet; man hege die Vermutung, dass weiterhin Kontakt zwischen den ausgereisten und den in T. verbliebenen Salafisten bestehe;Mitte Juli 2013 sei der Bruder des Klägers in der Türkei verhaftet worden, weil er weder einen Pass noch sonstige Ausweispapiere bei sich geführt habe; man schließe daraus, dieser Bruder habe sich in den vergangenen Monaten im Bürgerkriegsland Syrien befunden, weil die Türkei das Haupttransitland für Kriegsfreiwillige darstelle;beide Brüder seien im Oktober 2013 wieder bei Freizeitveranstaltungen der salafistischen Szene in T. aktiv gewesen;der Kläger beteilige sich an aktuellen Informationsständen und Videoproduktionen der salafistischen Bewegung Tauhid, deren Medieninhalte sich emotional mit dem Bürgerkrieg in Syrien auseinandersetzten;auch sei der Kläger in den letzten Wochen mehrfach als Kontakt- und Begleitperson des I. L1. (auch B. J. ) aufgetreten, der als Prediger mit hoher suggestiver Wirkung vor allem auf Jugendliche eingeschätzt werde.
5Unter dem 19. Dezember 2013 teilte Ministerium der Beklagten mit, man habe beim Kläger bei der Ausreisekontrolle einen handgeschriebenen Zettel mit türkischen und syrischen Telefonnummern sowie den islamischen Aliasnamen der entsprechenden Teilnehmer gefunden; es handele sich mit höchster Wahrscheinlichkeit um eine Liste von Kontaktpersonen, die die Schleusung von H. nach Syrien bewerkstelligen sollen; dies indiziere, dass die unterbundene Reise des Klägers nicht touristischen Zielen in der Türkei, sondern der Weiterreise nach Syrien gedient habe.
6Auf dieser Basis erließ die Beklagte unter dem 19. Dezember 2013 die hier angefochtene Ordnungsverfügung, wonach sie unter Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit den Reisepass einzog und anordnete, der Personalausweis des Klägers berechtigte nicht mehr zum Verlassen der Bundesrepublik Deutschland (Ausreiseuntersagung). Die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit begründete die Beklagte damit, dass nur so eine Ausreise und damit der Erfolg der Verfügung überhaupt erreichbar sei; aus dem gleichen Grunde habe man auch von einer vorherigen Anhörung des Klägers abgesehen.
7Der Kläger hat am 9. Januar 2014 Klage erhoben und diese auch nach Einsichtnahme in die Verwaltungsvorgänge nicht begründet.
8Mit am 27. April zugestelltem Gerichtsbescheid vom 14. April 2014 wies das Gericht die Klage ab und legte dazu dar, dass die Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen für eine Passeinziehung mit dem unterbreiteten Material hinreichend dargetan sei, dem der Kläger auch nicht entgegengetreten sei.
9Unter dem 22. Mai 2014 beantragte der Kläger die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und begründete die Klage nach Erhalt der ersten Ladung am 17. Juni 2014 damit, die seitens der Beklagten angeführten Nachweise seien unzureichend, die tragenden Tatsachen seien nicht bekannt, ein Verweis auf ein Behördenzeugnis sei ungeeignet, das Gesetz verlange konkrete belegbare Tatsachen, das Innenministerium habe hinsichtlich des beim Kläger gefundenen handschriftlichen Zettels Mitte Dezember 2013 lediglich Vermutungen geäußert.Unter dem 11. Juli 2014 trug der Kläger ergänzend vor, er habe sich seit langer Zeit aus dem jugendlich salafistischen Spektrum in T. zurückgezogen, er besuche nun andere Moscheen, arbeite täglich 8 Stunden, versuche, ein normales Leben zu führen, distanziere sich von den Vorwürfen, sehe keinen Anhalt für die Befürchtung, er wolle an Kampfhandlungen teilnehmen, habe sich endgültig gelöst und von der Gemeinde vollständig losgesagt, stimme einer Teilnahme am Aussteigerprogramm grundsätzlich zu und habe mit den bei ihm geführten Telefonnummern Kontakt zu in der Türkei tätigen Organisationen für humanitäre Hilfe in Syrien knüpfen wollen.
10Die Beklagte teilte mit, im Falle nachweislicher und ernsthafter Teilnahme am Aussteigerprogramm werde sie die Voraussetzungen der Ordnungsverfügung erneut prüfen.
11Der Kläger teilte daraufhin mit, er habe Anfang August einen ersten Besprechungstermin und stehe seit fast einem halben Jahr in einem festen Arbeitsverhältnis, und wurde seitens des Gerichts umgehend um entsprechende Nachweise ersucht.
12Weiter wurde vorgetragen, der Kläger sei eine durchaus eigenständige Persönlichkeit, allein die Tatsache, dass jemand nach Syrien reise, möglicherweise um dort am Kampf gegen Assad teilzunehmen, rechtfertige keine Zuordnung zur „terroristischen“ Szene in T. , der Kläger arbeite hart und habe sich deshalb umso mehr auf den Sommerurlaub in Spanien gefreut, es habe bereits Korrespondenz und ein erstes Treffen im Rahmen des Aussteigerprogrammes gegeben. Der seitens der Behörde ins Zentrum der Argumentation gerückte handschriftliche Zettel sei nicht einmal in Kopie Bestandteil der Akten geworden, so dass die darauf befindlichen Namen und Nummern einer Überprüfung nicht zugänglich seien; den Screenshots nach hebe sich der Kläger auch äußerlich von der Szene ab, der ihn die Beklagte zuordnen wolle.
13Der Kläger beantragt,
14die Ordnungsverfügung der Beklagten vom 19. Dezember 2013 aufzuheben.
15Die Beklagte beantragt,
16die Klage abzuweisen.
17Sie verweist auf die Begründung ihrer Ordnungsverfügung und legt ergänzend einen Bericht der Staatsschutzdirektion der Polizei X. vom 11. August 2014 vor, wonach der Kläger bis zu dessen Verschwinden zusammengewohnt habe mit einem V. B1. , der entgegen einer Ausreiseuntersagung im Juni 2014 über X1. vermutlich nach Syrien gereist sei, der Bruder und weitere Kontaktpersonen des Klägers seien weiterhin in der terroristischen Szene T2. verankert, ein ehemaliger Weggefährte des Klägers und seines Bruders (T3. L2. ) rühme sich aktuell ganz offen im Internet, für IS zu kämpfen und rufe andere Gesinnungsgenossen auf, ihm zu folgen, vor dem Hintergrund der wenig gefestigten Persönlichkeit des Klägers hätten seine Einlassungen zu Gesinnung und Kontakten nur eine beschränkte Glaubwürdigkeit, selbst im Falle nachweislicher Teilnahme an einem solchen Programm sei der Prozess des Aussteigens erfahrungsgemäß ein langwieriger. Eine am Tage der mündliche Verhandlung gehaltene telefonische Rückfrage bei Frau G. von Aussteigerprogramm habe der Kläger dort vorgesprochen, mache seine endgültige Entscheidung zur Teilnahme vom Ausgang des hiesigen Verfahrens abhängig.
18Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie den der dazu beigezogenen Verwaltungsvorgänge.
19Entscheidungsgründe:
20Die Klage hat keinen Erfolg.
21I. Dass und warum die Ordnungsverfügung der Beklagten vom 19. Dezember 2013 rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt, hat das Gericht bereits in seinem Gerichtsbescheid vom 14. April 2014 dargelegt:
22Die Entziehung des Passes findet ihre Rechtsgrundlage in § 8 in Verbindung mit § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG. Hier begründen bestimmte Tatsachen die Annahme, der Kläger gefährde die innere oder äußere Sicherheit oder sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland.
23Die Tatbestandsvoraussetzung der durch Tatsachen begründeten Annahme ist nicht erst bei Vorliegen eindeutiger Beweise erfüllt; vielmehr genügt eine Gefahrenprognose dergestalt, dass konkrete und belegbare Tatsachen zur Verfügung stehen, die die Begründetheit der behördlichen Gefahreneinschätzung nachvollziehbar rechtfertigen; unzureichend wären hingegen die bloße Möglichkeit, die Vermutung oder ein durch konkrete Tatsachen nicht belegbaren Verdacht;
24vgl. dazu Verwaltungsgericht Berlin,Urteil vom 6. März 2012 – 23 K 59.10 – juris Rdnr. 18 m.w.N.
25Nach den der Beklagten vorliegenden Erkenntnissen der Polizei ist der Kläger (zusammen mit seinem Bruder) nicht nur öfter auf Veranstaltungen einer wegen dort gehaltener Predigten jihadistischen Inhaltes inzwischen verbotenen Vereinigung gewesen, sondern war auch im Vorstand, so dass in der Tat angenommen werden darf, er stehe auch inhaltlich hinter den Zielen der von ihm repräsentierten Organisation. In der jüngeren Vergangenheit hat er sich Informationsständen und Videoproduktionen der salafistischen Bewegung Tauhid beteiligt, deren Medieninhalte sich emotional mit dem Bürgerkrieg in Syrien auseinandersetzen. Ferner ist er in den letzten Wochen mehrfach als Kontakt- und Begleitperson des Predigers L1. aufgetreten. Schließlich ist bedeutsam, dass zum einen der Bruder des Klägers Mitte 2013 in der Türkei unter Umständen aufgegriffen worden ist, die dessen Aufenthalt auch in Syrien nahelegen und vor allem war der Kläger selbst bei seiner unterbundenen Ausreise in die Türkei im Besitz eines Zettels, der ein gewichtiges Indiz dafür ist, er habe sich nicht zu touristischen Zwecken in der Türkei aufhalten, sondern diese vielmehr als Transitweg für eine Weiterreise nach Syrien benutzen wollen.
26All diese Tatsachen sind sehr konkret und werden vor allem vom Kläger selbst als solche nicht in Abrede gestellt.Diese Tatsachen rechtfertigen die Annahme, der Kläger trage sich mit der Absicht, in den Bürgerkrieg in Syrien unterstützend einzugreifen.
27Die Unterstützung eines Bürgerkriegs – hier auf Seiten des bewaffneten Jihad in Syrien – durch deutsche Staatsangehörige gefährdet sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland im Sinne von § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG; denn die Beteiligung deutscher Staatsangehöriger an bewaffneten Auseinandersetzungen und vor allem an terroristischen Anschlägen beeinträchtigtdie Sicherheitsinteressen des anderen Staates und ist daher geeignet, diplomatische Spannungen herzuvozurufen;
28vgl. dazu Verwaltungsgericht Berlin,Urteil vom 6. März 2012 – 23 K 59.10 – juris Rdnr. 18 m.w.N.
29Die Passentziehung ist auch verhältnismäßig.Ihre Eignung in dem Sinne, eine legale Ausreise des Klägers zu verhindern, liegt für den hier naheliegenden Luftweg auf der Hand. Ihre Erforderlichkeit wird dadurch indiziert, dass der Kläger bereits auf dem Weg in die – bzw. aller Wahrscheinlichkeit nach: durch – die Türkei war, als er daran polizeilich gehindert wurde. Die Angemessenheit des damit einher gehenden erheblichen Eingriffs in die allgemeine Handlungsfreiheit des Klägers folgt aus der überragenden Bedeutung des dadurch vor Schaden zu bewahrenden Schutzgutes der erheblichen Belange der Bundesrepublik Deutschland; zudem ist in den Blick zu nehmen, dass einerseits der dem Kläger verbleibende Radius uneingeschränkter Bewegungsfreiheit nicht gerade klein ist und er andererseits nichts dafür vorgetragen hat, welche möglicherweise bedeutsamen privaten Interessen an einer seinerseitigen Auslandsreise bestehen sollten.
30Die Anordnung, der Personalausweis des Klägers berechtige einstweilen nicht zum Verlassen der Bundesrepublik Deutschland, findet ihre Rechtsgrundlage in § 2 Abs. 2 PersAuswG, der auf die Tatbestandsvoraussetzungen des zuvor subsumierten § 7 Abs. 1 PassG verweist.
31II. Der in der mündlichen Verhandlung und dem darauf gerichteten Antrag eingebrachte Vortrag gibt zu abweichender Beurteilung im Ergebnis keinen Anlass.
32Dem Kläger ist einzuräumen, dass allein die Absicht, an einem Bürgerkrieg teilzunehmen, die Qualifizierung eines diese Absicht befördernden Umfeldes als „terroristisch“ zu rechtfertigen nicht genügen würde; wenn man allerdings – wie der Kläger – einmal einem solch terroristischen Umfeld zumindest zugehört hat, genügt ein solch allgemeiner Verweis nicht, sondern es bedürfte konkreter Angaben dazu, um welche ohne terroristische Mittel kämpfende Organisation mit Gesinnungsgenossen in T. es sich handeln soll.
33Soweit der Kläger rügt, die die zur Begründung der Maßnahmen herangezogenen Informationen speisenden Quellen seien mangels Benennung nicht überprüfbar und mithin ungeeignet, ist dem entgegenzuhalten, dass sich die Frage der Validierbarkeit von Quellen erst stellen würde, wenn die diesen zugeschriebenen Tatsachen streitig gestellt würden.Das ist jedoch nicht der Fall.Denn der Kläger hat weder bestritten, Vorstandsmitglied des im Sommer 2012 wegen verfassungsfeindlicher Bestrebungen verbotenen Vereins „Millatu J. “, noch in Abrede gestellt, an der Erstellung von Videos für eine in der salafistischen Szene viel genutzte Internetplattform beteiligt gewesen zu sein, an einschlägigen Freizeitveranstaltungen teilgenommen und einen wegen der Schärfe seiner Predigten kritisierten Prediger begleitet zu haben, sondern räumt die ihm – nicht zuletzt dieser Indizien wegen – zugeschriebene Zugehörigkeit zur jugendlichen salafistischen Szene vor Ort für die Vergangenheit selbst ein, wenn er anführt, er habe sich seit langer Zeit daraus zurückgezogen und vollständig losgesagt.
34Dieser Rückzug ist vor dem Hintergrund dessen, dass der Kläger selbst keine Nachweise schon nur zur Aufnahme der vorgetragenen Kontakte zum Aussteigerprogramm beigebracht und nach den unwidersprochenen Feststellungen der Beklagten seine Teilnahme vom Ausgang des hiesigen Verfahrens abhängig gemacht hat, gleichzeitig aber die Fortdauer des engen familiären Kontaktes zum Bruder durchaus einräumt, über den wiederum die Polizei im August 2014 mitteilt, dieser und weitere Kontaktpersonen des Klägers seien weiterhin in der terroristischen Szene T2. verankert, bislang über die Absichtsbekundung des Klägers hinaus nicht in einer seine Tragfähigkeit und absehbare Dauer nachprüfbar erscheinenden Weise dargetan.
35Was das Aussteigerprogramm anbelangt, so wäre es selbst im Falle der Erweislichkeit einer aktiven und kontinuierlichen Teilnahme des Klägers durchaus nachvollziehbar, dass die völlige und verlässliche Loslösung eines jungen Menschen aus einem stark ideologisch durchsetzen Kontext umso länger dauert, als er auf der Basis eines eng gelebten familiären Kontaktes weiter damit in Berührung steht.
36Die auch tragend auf die nunmehrige Vollzeitbeschäftigung in einem festen Arbeitsverhältnis gestützte Festigung des Klägers als Person und seiner Bemühungen, ein normales Leben zu führen, wäre glaubhafter, wenn der Kläger der ausdrücklichen Aufforderung des Gerichts nachkommend den entsprechenden unbefristeten Arbeitsvertrag vorgelegt hätte.
37Jegliche Plausibilisierung fehlt zu Anlass, Ziel und Hintergrund der Anfang Dezember 2013 polizeilich unterbundenen Reise in die Türkei oder dazu, was es mit Verbleib des Bruders von Mitte 2012 bis zu dessen Verhaftung im Sommer 2013 in der Türkei auf sich hat. Wenig überzeugend ist auch die Einlassung, über den ehemaligen Mitbewohner V. B1. nichts zu wissen; es widerspräche jeglicher Lebenserfahrung anzunehmen, dass unter den allem Anschein nach gleichen Ideen verpflichteten jungen Männern keinerlei Informationsaustausch vor allem darüber stattgefunden habe, dass beide, B1. wie der Kläger, Adressaten von Ausreiseuntersagungen geworden waren.
38Der sich angesichts der seinerzeit amtsbekannten ideologischen Einbindung des Klägers aufdrängenden Vermutung, seine im Dezember 2013 polizeilich unterbundene Ausreise in die Türkei habe dem Zweck der Weiterreise ins Bürgerkriegsgebiet gedient, hat der Kläger explizit keine andere Erklärung gegenübergestellt.Die in diese Richtung deutende, nicht etwa unmittelbar bei dem Gespräch mit der Grenzpolizei, sondern erst jüngst zur Erläuterung des handschriftlichen Zettels im Gepäck des Klägers angeführte Absicht der Kontaktaufnahme zu humanitären Hilfsorganisationen vermöchte die seitens des Innenministeriums im Dezember 2013 angestellten Vermutungen zu Bedeutung und Verwendungszweck der auf dem Zettel notierten Telefonnummern allenfalls dann ansatzweise zu entkräften, wenn dargetan wäre, um welche Organisationen es sich handeln soll, welche Ziele diese verfolgen und vor allem, in welcher Weise der eigenem Vorbringen nach erst seit Anfang dieses Jahres in Lohn und Brot stehende Kläger im Dezember des Vorjahres welche Art von Hilfe habe leisten oder vorbereiten wollen. Vor diesem Hintergrund sieht das Gericht auch keine Veranlassung, dem Fehlen des Zettels in Original oder Kopie in den Verwaltungsvorgängen der Beklagten Bedeutung beizumessen, weil eine damit zu ermöglichende Verifikation ohne die vorstehend beschriebenen Erklärungen des Klägers auf eine Ausforschung hinausliefe.
39Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 Abs. 2, Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
40Mit Blick auf die Aktualität von Ordnungsverfügungen der vorliegenden Art und das Fehlen einschlägiger obergerichtlicher Erkenntnisse dazu hat das Gericht die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in beizutreibender Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Der Kläger ist am 2. Dezember 1991 in T. geboren. Die Beklagte stellte ihm am 16. Juli 2012 den Bundespersonalausweis Nr. , gültig bis zum 15. Juli 2018, sowie am 12. April 2013 den Reisepass Nr. , gültig bis zum 11. April 2019, aus.
3Unter dem 4. Dezember 2013 stellte das Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes NRW (MIK NRW) ein Behördenzeugnis aus, wonach dienstlich bekannt geworden sei, dass der Kläger beabsichtige, gemeinsam mit weiteren Personen aus dem Umfeld der verbotenen Vereinigung "Millatu Ibrahim" auszureisen, um sich am bewaffneten "Jihad" in Syrien zu beteiligen. Beamte der Bundespolizei kontrollierten ihn am selben Tag am Flughafen Köln/Bonn bei der grenzpolizeilichen Ausreisekontrolle des Fluges TK nach Istanbul. Der Kläger befand sich in Begleitung des T1. G. und des T2. C. . Die drei hatten ihr Flugticket erst am Abflugtag gekauft und führten lediglich Handgepäck mit sich. Auf der Grundlage des Behördenzeugnisses führten die Beamten eine Ausreisebefragung bei allen drei Personen durch. Diese gaben an, zu privaten Zwecken nach Istanbul reisen zu wollen; Angaben zu dortiger Unterkunft und Rückflug konnten sie nicht machen. In der Geldbörse des Klägers fand sich ein Zettel, auf dem handschriftlich notiert ist: "Nummer von Deutschland aus: ... Nummer von Türkei aus: ... Der Bruder heißt F. A. . Die Nummer haben wir von B. T3. . Wir wollen zum B. Anrufen vom Reisebus-Bahnhof (…) in Antep oder Anrufen vom Flughafen in Antep". Die Bundespolizei untersagte dem Kläger und seinen beiden Begleitern die Ausreise und stellte den Reisepass des Klägers sicher.
4Das Polizeipräsidium (PP) X. erstellte unter dem 6. Dezember 2013 einen Vermerk zur Person des Klägers. Darin stellt der Verfasser, KOK L. , fest, der ältere Bruder T4. des Klägers habe zu den Gründungsmitgliedern der verbotenen Vereinigung "Millatu Ibrahim" in T. gehört; der Kläger sei als regelmäßiger Besucher des Vereins bekannt. T4. K. sei Mitte 2012 aus Deutschland ausgereist. Die Deutsche Botschaft in Ankara habe am 24. Juli 2013 mitgeteilt, er sei nach Angaben türkischer Behörden am 19. Juli 2013 auf dem Hoheitsgebiet der Türkei festgenommen worden, weil er weder einen Pass noch sonstige Ausweisdokumente, sondern lediglich eine deutsche Einbürgerungsurkunde mit sich geführt habe. Er, KOK L. , habe T4. K. aufgrund verschiedener Haftbefehle bei der Einreise am Frankfurter Flughafen festgenommen. Dabei habe T4. K. freimütig angegeben, er und andere hätten sich "ganz nah an der Kriegsfront befunden". Beide Brüder hätten sich bei den salafistischen Ausschreitungen in T. am 1. Mai 2012 am Veranstaltungsort befunden. Weiter beteilige sich der Kläger auch an den aktuellen Koraninformationsständen und Videoproduktionen der salafistischen Bewegung "Tauhid Deutschland". Hierzu enthält der Vermerk zwei Bilder, auf denen der Kläger mit mehreren anderen Personen abgebildet ist, darunter jeweils T1. G. und T2. C. . Schließlich sei der Kläger in den letzten Wochen mehrfach als Begleit- und Kontaktperson des Predigers Hasan Keskin in Erscheinung getreten, der unter anderem während der Ausschreitungen am 1. Mai 2012 als aufhetzender Wortführer agiert habe.
5In den Vermerken zu den Begleitern des Klägers, T1. G. und T2. C. , ist gleichfalls ausgeführt, sie gehörten zum jugendlichen salafistischen Personenspektrum aus T. .
6Mit Ordnungsverfügung vom 19. Dezember 2013 entzog die Beklagte dem Kläger ohne vorherige Anhörung den Reisepass (Nr. 1) und beschränkte den Geltungsbereich seines Personalausweises auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (Nr. 2). Zur Begründung gab sie den Inhalt des Behördenzeugnisses wieder und führte an, die Teilnahme eines deutschen Staatsangehörigen am bewaffneten "Jihad" sei geeignet, in erheblichem Maße die auswärtigen Belange der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden. Es lägen schwerwiegende Anhaltspunkte dafür vor, dass er beabsichtige, die Bundesrepublik Deutschland zu verlassen, um sich im derzeitigen Krisengebiet Syrien am bewaffneten Kampf ("Jihad") zu beteiligen. In diesem Zusammenhang habe bereits die Abteilung Staatsschutz des PP X. ein Verfahren gegen ihn beantragt. Es werde keine Anhörung durchgeführt, da eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug notwendig erscheine. Die angeordneten Maßnahmen könnten nur Erfolg haben, wenn die Ausreise des Klägers sofort verhindert werde.
7Der Kläger hat am 9. Januar 2014 Klage erhoben und nach Einsicht in den Verwaltungsvorgang der Beklagten geltend gemacht, in der Begründung der angefochtenen Ordnungsverfügung fehle eine Darlegung hinreichend konkreter und belegbarer Anknüpfungstatsachen für die Gefahrenprognose der Beklagten. Das Behördenzeugnis des MIK NRW sei keine solche Tatsache. Die erforderlichen Anknüpfungstatsachen unterlägen auch den allgemeinen Beweisregeln, Beweiserleichterungen stünden der Behörde insoweit nicht zu. Die angegriffene Verfügung sei im Hinblick auf die Gefahr begründenden Tatsachen nicht hinreichend bestimmt. Er, der Kläger, weise die Behauptung, zum salafistischen Personenspektrum aus T. zu zählen, mit Entschiedenheit zurück. Von dort habe er sich bereits seit langer Zeit zurückgezogen. Er besuche andere Moscheen, pflege andere Kontakte, habe eine Freundin und arbeite ganz normal 8 Stunden täglich. Von seinem Bruder, der allerdings in der einschlägigen Szene in T. verankert sei, lasse er sich nicht beeinflussen. Im Zusammenhang mit den Ausschreitungen am 1. Mai 2012 in T. habe er sich früh vom Veranstaltungsort entfernt und sei im später eingeleiteten Strafverfahren freigesprochen worden. Auf dem Zettel, den er bei sich gehabt habe, stünden Telefonnummern von in der Türkei humanitär tätigen zum Teil syrischen Organisationen, keinesfalls aber handele es sich um irgendwelche Kontaktleute oder Schleuser für einen Transitweg. Sein Bruder habe ihm den Zettel mitgegeben, damit er in Istanbul Kontakt zu humanitär tätigen Organisationen für die Hilfe nach Syrien aufnehme. Mit dem im - ohnehin offensichtlich auf Anlass gefertigten und daher unverwertbaren - Bericht vom 11. August 2014 erwähnten V. B1. habe er zwar in der L1. Straße in T. gewohnt. Zu dessen Ausreise sei ihm aber nichts bekannt gewesen. Überdies habe er Kontakt mit einer Mitarbeiterin eines Aussteigerprogramms aufgenommen und einen ersten Besprechungstermin vereinbart.
8Der Kläger hat beantragt,
9die Ordnungsverfügung der Beklagten vom 19. Dezember 2013 aufzuheben.
10Die Beklagte hat beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Sie hat ergänzend auf den Vermerk des PP X. vom 6. Dezember 2013 Bezug genommen und darauf hingewiesen, dass der Kläger danach regelmäßiger Besucher und Vorstandsmitglied des verbotenen Vereins "Millatu Ibrahim" gewesen sei, sich bei den Ausschreitungen am 1. Mai 2012 am Tatort befunden habe, im Zusammenhang mit den Koraninformationsständen aufgetreten sei und sich mehrfach in Begleitung von Hasan Keskin aufgehalten habe. Gegen die Annahme einer Ausreiseabsicht zu touristischen Zwecken spreche die bei ihm gefundene Telefonliste. Ferner hat die Beklagte einen ergänzenden Bericht des PP X. vom 11. August 2014 vorgelegt, wonach der Kläger zuletzt mit V. B1. in der L1. Straße in T. zusammengewohnt habe. B1. sei trotz eigener Ausreiseuntersagung im Juni 2014 zunächst über Wien vermutlich nach Syrien ausgereist. Mit S. C1. , E. K1. und C2. L2. seien drei der Terrorkrieger aus T. bereits in Syrien gestorben. Auch T5. L3. sei ehemaliger Weggefährte des Klägers und seines Bruders gewesen. Er gebe im Internet ganz offen an, für den Islamischen Staat zu kämpfen. Zweifelhaft sei die Glaubhaftigkeit der Angabe des Klägers, in einem Aussteigerprogramm zu sein. Auch in der Vergangenheit habe er stets geleugnet, Angehöriger der Szene zu sein, auch wenn hierfür offenkundige Befunde vorgelegen hätten.
13Mit dem angefochtenen Urteil hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Kläger sei zusammen mit seinem Bruder öfter auf Veranstaltungen einer wegen dort gehaltener Predigten jihadistischen Inhaltes inzwischen verbotenen Vereinigung gewesen. Auch wegen seiner Eigenschaft als deren Vorstandsmitglied dürfe angenommen werden, er stehe auch inhaltlich hinter den Zielen der von ihm repräsentierten Organisation. Als weitere Indizien für die Absicht des Klägers, zur Teilnahme am "Jihad" auszureisen, führte das Verwaltungsgericht seine Beteiligung an Informationsständen und Videoproduktionen der salafistischen Bewegung "Tauhid", sein Auftreten als Kontakt- und Begleitperson des Predigers Keskin, das Aufgreifen seines Bruders Mitte 2013 in der Türkei sowie den Besitz des Zettels mit Telefonnummern bei seiner unterbundenen Ausreise in die Türkei an.
14Gegen das am 19. September 2014 zugestellte Urteil hat der Kläger am Montag, dem 20. Oktober 2014 die vom Verwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Berufung eingelegt. Zu ihrer Begründung macht er im Wesentlichen geltend: Dass er beabsichtigt habe, zur Teilnahme am "militanten Jihad" nach Syrien auszureisen, sei durch nichts belegt. Er würde sich niemals einer Terrorgruppe wie der ISIS anschließen. Konkrete und belegbare Anknüpfungstatsachen der für die Gefahrenprognose darlegungs- und beweispflichtigen Behörde fehlten. Die Beklagte verweise in dem Bescheid lediglich generell auf Kenntnisse von Sicherheitsbehörden. Dies sei nicht geeignet, die angegriffenen Maßnahmen zu begründen. Die Mitteilung des Ministeriums für Inneres und Kommunales vom 19. Dezember 2013 sei unerheblich, weil es nach der Gesetzeslage auf Tatsachen ankomme, nicht auf die behördliche Einschätzung oder Bewertung von Tatsachen. Auch "die Bezugnahme auf die Einschätzung des Bundesministeriums vom 14.06.2012" sei nicht ausreichend. Zudem gebe es eine Vielzahl von Gruppierungen, die gegen das Assad-Regime kämpften. Diese würden zum Teil von den USA unterstützt. Auch erhalte die ISIS oder IS Unterstützung durch Staaten wie die Türkei oder Qatar, zumindest aber durch in diesen Ländern tätige private Geschäftsleute, die ihrerseits Kontakte zu den USA unterhielten. Daher sei nicht zu erkennen, inwieweit ausgerechnet durch ihn, den Kläger, erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet würden.
15Der Kläger beantragt sinngemäß,
16das angefochtene Urteil zu ändern und nach dem erstinstanzlichen Klageantrag zu erkennen.
17Die Beklagte beantragt,
18die Berufung zurückzuweisen.
19Sie verweist auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts sowie des Senats im Beschluss vom 16. April 2014 - 19 B 59/14 - und übermittelt die telefonische Auskunft der für das Aussteigerprogramm zuständigen Sachbearbeiterin beim MIK NRW, dass sich der Kläger auf mehrfache telefonische und zuletzt schriftliche Kontaktversuche nicht gemeldet habe.
20Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten dieses Verfahrens und der Verfahren 24 L 37/14 und 24 L 1849/14 - VG Düsseldorf -, des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Beklagten sowie der Akten zum Verfahren 80 Js 1120/13 (StA Düsseldorf) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
21Die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung des Klägers ist zulässig, aber unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klage ist als Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 VwGO zulässig, aber unbegründet. Die Ordnungsverfügung der Beklagten vom 19. Dezember 2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die in deren Nr. 1 verfügte Passentziehung findet ihre Rechtsgrundlage in § 8 PassG. Danach kann ein Pass dem Inhaber entzogen werden, wenn Tatsachen bekanntwerden, die nach § 7 Abs. 1 PassG die Passversagung rechtfertigen würden. § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG setzt tatbestandlich voraus, dass bestimmte Tatsachen die Annahme begründen, dass der Passinhaber die innere oder äußere Sicherheit oder sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet. Die in Nr. 2 der angefochtenen Ordnungsverfügung angeordnete Ausweisbeschränkung hat die Beklagte zu Recht auf § 6 Abs. 7 PAuswG gestützt, der diese Maßnahme ebenfalls an das Vorliegen eines Passversagungsgrundes nach § 7 Abs. 1 PassG knüpft.
22Am Maßstab dieser beiden Ermächtigungsgrundlagen ist die angefochtene Ordnungsverfügung materiell rechtmäßig (A.). Auch Verfahrensfehler rechtfertigen nicht ihre Aufhebung (B.).
23A. In materiell-rechtlicher Hinsicht hat die Beklagte die beiden genannten Maßnahmen ausschließlich auf die 3. Variante des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG gestützt (Gefährdung sonstiger erheblicher Belange der Bundesrepublik Deutschland). Diesen Passversagungsgrund hat sie sinngemäß in Bezug genommen, indem sie zur Begründung ausgeführt hat, die Teilnahme eines deutschen Staatsangehörigen am bewaffneten "Jihad" sei geeignet, in erheblichem Maße die auswärtigen Belange der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden.
24Die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Nr. 1 Variante 3 sind erfüllt. Für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung maßgeblich. Denn sowohl bei der Entziehung des Reisepasses als auch bei der räumlichen Beschränkung des Geltungsbereichs des Personalausweises handelt es sich um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung. Dauerverwaltungsakte sind solche Verfügungen, die einen fortwährenden Regelungsgehalt haben, und deren Rechtsgrundlage verlangt, dass ihre tatbestandlichen Voraussetzungen während des gesamten Wirkungszeitraums der Regelung vorliegen.
25Wolff in Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Auflage 2014, § 113 Rn. 116 mit weiteren Nachweisen.
26Dies ist hier der Fall. Sowohl die Passentziehung als auch die räumliche Beschränkung des Geltungsbereichs des Personalausweises erschöpfen sich nicht in einer einmaligen Anordnung, sondern entfalten dauerhafte Wirkung für den Betroffenen.
27Vgl. VG Berlin, Urteil vom 6. März 2012 - 23 K 59/10 -, juris Rdn. 15.
28Im Streitfall sind Tatsachen bekannt geworden, die die Annahme begründen, dass der Kläger sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet. In der Ausreise eines Deutschen zum Zweck der Unterstützung des militanten "Jihad" liegt eine Gefährdung sonstiger erheblicher Belange der Bundesrepublik Deutschland im Sinne der 3. Variante des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG (I.). Im Streitfall begründen Tatsachen die Annahme, dass der Kläger in solcher Absicht nach Syrien ausreisen wollte und noch will (II.).
29I. Die Ausreise eines Deutschen zum Zweck der Unterstützung des militanten "Jihad" begründet eine Gefährdung sonstiger erheblicher Belange der Bundesrepublik Deutschland im Sinne der 3. Variante des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG. Der Begriff "sonstige erhebliche Belange" ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, dessen Vorliegen der Senat in vollem Umfang nachzuprüfen hat. Er erfasst Tatbestände, die in ihrer Erheblichkeit den beiden anderen Tatbestandsvarianten (innere und äußere Sicherheit) nahekommen. Sie müssen so gewichtig sein, dass die Passbehörde sie aus zwingenden staatspolitischen Gründen der freiheitlichen Entwicklung in der Bundesrepublik voranstellen muss. Das ergibt sich aus dem Zusammenhang der drei Tatbestandsvarianten des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG. Der Passinhaber gefährdet sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland insbesondere, wenn bestimmte Tatsachen die Prognose rechtfertigen, er werde sich im Ausland an Gewalttätigkeiten beteiligen, die geeignet sind, die auswärtigen Beziehungen oder unter besonderen Umständen auch das internationale Ansehen der Bundesrepublik zu schädigen.
30BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2007 - 6 C 39.06 -, BVerwGE 129, 142 = juris Rdn. 28; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 7. Dezember 2004 - 1 S 2218/03 -, VBlBW 2005, 231 = juris Rdn. 21; OVG NRW, Beschluss vom 16. April 2014 - 19 B 59/14 -, NVwZ-RR 2014, 593 = juris Rdn. 3.
31Die Beteiligung am militanten "Jihad" ist geeignet, die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik zu schädigen. Terroranschläge des militanten "Jihad", an denen deutsche Staatsangehörige mitwirken, tangieren massiv die Sicherheitsinteressen der davon betroffenen Länder sowie der internationalen Staatengemeinschaft und sind geeignet, die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik nachhaltig zu beeinträchtigen.
32Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16. April 2014 - 19 B 59/14 -, NVwZ-RR 2014, 593 = juris Rdn. 3; VG Arnsberg, Urteil vom 23. Januar 2015 - 12 K 2036/13 -, juris Rdn. 32; VG Münster, Beschluss vom 27. Juni 2014 - 1 L 328/14 -, juris Rdn. 9; VG Hamburg, Beschluss vom 23. November 2012 - 2 E 2951/12 -, juris Rdn. 14; VG Berlin, Urteil vom 6. März 2012 - 23 K 59.10 -, juris Rdn. 18; VG Braunschweig, Beschluss vom 27. Oktober 2011 - 5 B 164/11 -, juris Rdn. 21; VG Frankfurt a.M., Beschluss vom 30. November 2009 - 5 L 3142/09.F -, juris; VG Aachen, Urteil vom 26. August 2009 - 8 K 637/09 -, juris Rdn. 45; abweichend Daum, Anforderungen an Ausreisebeschränkungen von Islamisten, DÖV 2014, 526 (531).
33Dies unterstreicht der Umstand, dass der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen mit der am 24. September 2014 verabschiedeten Resolution 2178 (2014) die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, Personen, die im Ausland terroristische Taten begehen wollen, an der Einreise, dem Transit und der Ausreise zu hindern und entsprechende Taten unter Strafe zu stellen. Dabei werden sämtliche Vorbereitungs‑, Unterstützungs- und Finanzierungshandlungen erfasst.
34Vgl. Payandeh, Globale Anti-Terrorgesetzgebung: Die deutsche Rechtsordnung im Sog des UN-Sicherheitsrats?, ZRP 2014, 241 (242).
35Zudem gibt eine Vielzahl der militanten Kämpfer seine Herkunft und seine Staats-angehörigkeit in Videobotschaften in den sozialen Netzwerken öffentlich bekannt und kokettiert nicht selten sogar damit, Bürger eines westlichen Staates zu sein, den dieser Staat eingebürgert hat.
36II. Es sind Tatsachen bekannt geworden, die die Annahme begründen, dass der Kläger zum Zwecke der Unterstützung des "Jihad" nach Syrien ausreisen wollte und noch will.
37Der Passversagungstatbestand in § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG setzt voraus, dass konkrete Tatsachen vorliegen, die die Begründetheit der behördlichen Gefahreneinschätzung nachvollziehbar rechtfertigen. Hinsichtlich dieser Gefahreneinschätzung erfordert § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG keine eindeutigen Beweise; es reicht aus, wenn der begründete Verdacht einer Gefährdung der Belange der Bundesrepublik Deutschland besteht. Eine bloße Möglichkeit, eine reine Vermutung oder ein durch konkrete Tatsachen nicht belegbarer Verdacht genügen hingegen nicht, um eine konkrete Gefährdungslage im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG zu begründen. Diese Herabstufung des anzulegenden Wahrscheinlichkeitsmaßstabs in Bezug auf die vorausgesetzte Gefährdung ergibt sich aus dem Wortlaut des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG, der lediglich verlangt, dass Tatsachen "die Annahme" einer Gefährdung im Sinne der Nr. 1 begründen, ohne dass die Gefährdung selbst vorliegen muss.
38Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT- Drs. 14/2726 vom 18. Februar 2000, S. 6; OVG NRW, Beschluss vom 16. April 2014 - 19 B 59/14 -, NVwZ-RR 2014, 593 = juris Rdn. 5 ff.; VG Berlin, Urteil vom 6. März 2012 - 23 K 59.10 -, juris Rdn. 18; VG Braunschweig, Beschluss vom 27. Oktober 2011 - 5 B 164/11 -, juris Rdn. 22; VG Aachen, Urteil vom 26. August 2009 - 8 K 637/09 -, juris Rdn. 46; entsprechend zur Passentziehung wegen Steuerflucht nach § 7 Abs. 1 Nr. 4 PassG OVG Bremen, Beschluss vom 25. Januar 2013
39- 1 B 297/12 -, NordÖR 2013, 217 = juris Rdn. 5.
40Insofern führt der Passversagungstatbestand in § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG zu einer ähnlichen Vorverlagerung des Gefährdungsschutzes wie auch der Ausschlusstatbestand des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG im Rahmen der Einbürgerung.
41Dazu allgemein BVerwG, Beschluss vom 16. Juli 2003 - 6 VR 10.02 -, juris Rdn. 13; zu § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG etwa BVerwG, Beschluss vom 8. Juni 2011 - 5 B 55.10 -, juris Rdn. 3.
42Die Herabstufung des Wahrscheinlichkeitsmaßstabs nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG erstreckt sich auf die von dieser Vorschrift vorausgesetzte Gefährdung, nicht aber auch auf die einzelnen "bestimmten Tatsachen" im Sinne dieses Eingriffstatbestandes. Diese Anknüpfungstatsachen für die Gefahrenprognose müssen nach Zeit, Ort und Inhalt so konkret gefasst sein, dass sie einer Überprüfung im gerichtlichen Verfahren zugänglich sind; für sie verbleibt es bei dem Regelbeweismaß der vollen richterlichen Überzeugungsgewissheit nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
43OVG NRW, Beschluss vom 16. April 2014 - 19 B 59/14 -, NVwZ-RR 2014, 593 = juris Rdn. 11.
44Bei einer Passentziehung wegen befürchteter Ausreise zur Teilnahme am bewaffneten "Jihad" kommen ebenso wie bei der Beschränkung des Geltungsbereichs des Personalausweises als Anknüpfungstatsachen vor allem konkrete Äußerungen des Passinhabers und seine Einbindung in einen Personenkreis von gewaltbereiten Islamisten sowie deren bisherige Aktivitäten und politische Ziele in Betracht (z. B. Teilnahme an regelmäßigen Zusammenkünften oder an einem Ausbildungscamp für Terroristen; Auffinden von Notizzetteln mit Rufnummern oder Anschriften).
45OVG NRW, Beschluss vom 16. April 2014 - 19 B 59/14 -, NVwZ-RR 2014, 593 = juris Rdn. 12; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 7. März 2011 - 5 S 22.10, 5 M 34.10 -, juris, Rdn. 4, 6; VG Münster, Beschluss vom 27. Juni 2014 - 1 L 328/14 -, juris Rdn. 7; VG Hamburg, Beschluss vom 23. November 2012 - 2 E 2951/12 -, juris Rdn. 18 ff.; VG Berlin, Urteile vom 6. März 2012 - 23 K 59.10 -, juris Rdn. 18, und - 23 K 58.10 -, juris, Rdn. 20; VG Braunschweig, Beschluss vom 27. Oktober 2011 - 5 B 164/11 -, juris Rdn. 20; OVG NRW, Beschluss vom 11. September 2013 - 18 B 866/13 -, juris Rdn. 11 (Ausreiseverbot nach § 46 Abs. 2 AufenthG); Daum, a. a. O., S. 529.
46Dabei ist es nicht erforderlich, dass das Reiseziel, die Art und Weise der Beteiligung am "Jihad" und die Rückkehrabsicht des Verfügungsadressaten jeweils konkret bezeichnet werden können. Angesichts des erheblichen Gewichts der Gefährdung kann insoweit auf allgemeine Erkenntnisse zur Unterstützung des bewaffneten "Jihad" zurückgegriffen werden. Hierzu ist dem Verfassungsschutzbericht 2013 unter anderem zu entnehmen, die Grenzen zwischen politischen und "jihadistischen" Salafisten seien fließend. Bis Anfang 2014 hätten Erkenntnisse zu mehr als 270 deutschen Islamisten bzw. Islamisten aus Deutschland vorgelegen, die in Richtung Syrien ausgereist seien, um sich an den Kampfhandlungen zu beteiligen oder den Widerstand gegen das Assad-Regime in sonstiger Weise zu unterstützen - ein Trend, dessen Ende nicht abzusehen sei. Wenngleich aus den meisten Bundesländern Personen nach Syrien ausgereist seien, sei eine Schwerpunktbildung insbesondere dort zu erkennen, wo - wie in T. - über Jahre eine aktive islamistische Szene existiere. In vielen Fällen bleibe das tatsächliche Ziel der Ausreisen unklar.
47Dies zugrunde gelegt begründen im Fall des Klägers bestimmte Tatsachen im Sinne der 3. Variante des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG die Annahme, dass er sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, nämlich deren auswärtige Beziehungen. Die Beklagte hat ihre behördliche Gefahreneinschätzung, der Kläger wolle zum Zweck der Beteiligung am bewaffneten Jihad im Bürgerkrieg in Syrien ausreisen, auf konkrete Tatsachen gestützt, die die Begründetheit dieser Prognose nachvollziehbar rechtfertigen. Als Anknüpfungstatsachen für diese Prognose hat sie unter anderem angeführt,
48 der Kläger sei bis zu dessen Verbot im Juni 2012 regelmäßiger Besucher des Moscheevereins "Millatu Ibrahim e. V." in T. gewesen (1.),
49 habe sich bei den salafistischen Ausschreitungen in T. am 1. Mai 2012 am Veranstaltungsort befunden (2.),
50 habe sich an den sog. Koraninformationsständen und an Freizeitaktivitäten der salafistischen Szene Solingens beteiligt (3.), und
51 sei in den letzten Wochen vor seinem Ausreiseversuch mehrfach als Begleit- und Kontaktperson des islamistischen Predigers Hassan Keskin in Erscheinung getreten (4.).
52Diese Indiztatsachen lassen jedenfalls in ihrer Gesamtheit den von den Sicherheitsbehörden und der Beklagten gezogenen Prognoseschluss zu, der Kläger habe zum Zweck der Teilnahme am bewaffneten "Jihad" ausreisen wollen und plane dies auch weiterhin.
53Zunächst liegen Tatsachen vor, die die Annahme der Ausreiseabsicht des Klägers Richtung Syrien begründen. Es steht fest, dass der Kläger am 4. Dezember 2013 am Flughafen Köln-Bonn durch die Grenzpolizei daran gehindert worden ist, nach Istanbul auszureisen. Er war dabei in Begleitung zweier Personen - T1. G. und T2. C. -, für die ebenfalls Anhaltspunkte für ihre Einbindung in das Umfeld der verbotenen Vereinigung "Millatu Ibrahim" bestehen. Der Annahme, die Reise habe touristischen Zwecken gedient, standen deren Umstände entgegen: Der Kläger und seine Begleiter hatten das Flugticket erst am gleichen Tag erworben; sie führten jeweils lediglich Handgepäck mit sich; Angaben dazu, wo sich aufhalten und wie sie zurückreisen wollten, machten sie nicht. Die Notizen auf dem Zettel, den der Kläger bei sich trug, lassen darauf schließen, dass die Reise in die nahe der türkisch-syrischen Grenze gelegenen Stadt Gaziantep (kurz Antep) weitergehen sollte; denn auf dem Zettel ist neben Namen des oder der Ansprechpartner und einer Telefonnummer notiert: "Anrufen vom Reisebus-Bahnhof (…) in Antep oder Anrufen vom Flughafen in Antep" . Angemerkt sei wegen der Beanstandungen des Klägers, die Notiz nicht zur Kenntnis bekommen zu haben, dass sich die Kopie jenes Zettels bei den Verwaltungsvorgängen befindet, in die der Prozessbevollmächtigte des Klägers Einsicht genommen hat.
54Das Vorbringen des Klägers in der mündlichen Verhandlung, er habe in Istanbul Verwandte besuchen wollen, den Zettel mit den Telefonnummern habe er von seinem Bruder bekommen, um ihn seinen Begleitern zu geben, und/oder er habe über die Telefonnummern in Kontakt zu in der Türkei tätigen Organisationen für humanitäre Hilfe in Syrien treten wollen, auch seine Begleiter habe er auf Wunsch seines Bruders mitgenommen und ebenfalls auf deren Wunsch erst nur ein Hinflugticket gekauft, ist insgesamt ungereimt und nicht glaubhaft. Weder ist nachvollziehbar, warum der Kläger nur mit Handgepäck zu Verwandten gereist sein will, noch, warum es nötig gewesen sein sollte, dass er seine Begleiter mitnimmt, noch, warum er - wirtschaftlich unvernünftigerweise - deren Wunsch entsprochen und nur ein Hinflugticket gekauft haben sollte, noch, warum er diese Verwandten zuvor niemals erwähnt und insbesondere bei der Ausreisekontrolle nicht genannt hat. Sein Vorbringen zu dem Zettel mit den Telefonnummern ist schon nicht einheitlich.
55Eine Reihe von Tatsachen belegt darüber hinaus die Einbindung des Klägers in einen Personenkreis von mit dem "Jihad" sympathisierenden Islamisten jedenfalls bis ins Jahr 2013 hinein. Diese Einbindung lässt darauf schließen, dass Zweck der Ausreise die Unterstützung des "Jihad" in Syrien war und weiterhin wäre.
561. Ein gewichtiges Indiz hierfür bildet der Umstand, dass der Kläger bis zu dessen Verbot im Juni 2012 regelmäßiger Besucher des Vereins "Millatu Ibrahim e. V." ("Religion Abrahams") in T. war, der im Jahre 2012 durch das Bundesministerium des Innern wegen Bestrebungen gegen die verfassungsmäßige Ordnung sowie den Gedanken der Völkerverständigung verboten worden ist (vgl. Bundesamt für Verfassungsschutz, Verfassungsschutzbericht 2012, S. 236). Dies steht zur Überzeugung des Senats fest, zumal der Kläger die Tatsache nicht dezidiert bestritten hat. Er stellt lediglich pauschal eine "Verbindung zum salafistischen Personenspektrum" in T. in Abrede ("wird mit aller Entschiedenheit zurückgewiesen"), räumt diese aber für die Vergangenheit sogar indirekt ein, wenn er geltend macht, er habe sich "bereits seit langer Zeit von dort zurückgezogen". Diese vagen Formulierungen entkräften die vorgenannte Indiztatsache nicht, weil sie Zeitpunkt, Beweggründe, nähere Umstände und vor allem die Art des angeblichen "Zurückziehens" offen lassen. Die Behauptung des Klägers, er besuche "andere Moscheen" und pflege "andere Kontakte", ist ohne Substanz geblieben; der Kläger hat weder andere Moscheen noch Kontakte benannt.
572. Bei den salafistischen Ausschreitungen am 1. Mai 2012 in T. , bei denen Islamisten gegen das Zeigen der Mohammed-Karikaturen durch die Bürgerbewegung "Pro NRW" protestierten und in darauf folgenden Krawallen Polizisten verletzten, befand der Kläger sich am Veranstaltungsort. Auch diesen Umstand hat er mit dem Vorbringen eingeräumt, am 1. Mai 2012 habe er sich frühzeitig vom Ort der Ausschreitungen entfernt.
583. Der Kläger ist überdies wie sein Bruder im Zusammenhang mit der mittlerweile ebenfalls verbotenen Vereinigung "Tauhid Deutschland" sowie als Teilnehmer an Freizeitaktivitäten der salafistischen Szene in Erscheinung getreten. Im Bericht des Polizeipräsidiums X. vom 6. Dezember 2013 finden sich ein Foto und ein Screenshot, die den Kläger in einem Kreis von ersichtlich Gleichgesinnten an einem Koraninformationsstand der salafistischen Vereinigung "Tauhid" und als Beteiligten an deren Videoproduktion zeigen. Unter der Bezeichnung "Tauhid Germany" (zeitweise auch "Tauhid Deutschland") firmierte eine Gruppe, die sich zur Verbreitung salafistischer Propaganda im Internet zusammengeschlossen hatte (Verfassungsschutzbericht NRW 2013, S. 272). Sie verfügte neben einer eigenen Webseite über Online-Auftritte bei Facebook und YouTube, wo sich neben Predigten in deutscher Sprache Beiträge von arabischsprachigen Gelehrten fanden, die der salafistischen Szene als Vorbild dienten. Viele der bei "Tauhid Germany" eingestellten Videos und Postings ließen starke Bezüge zum Jihadismus erkennen, indem sie etwa den gewaltsamen "Jihad" verherrlichten und zum Hass gegen "Ungläubige" aufriefen. Das Bundesinnenministerium hat die Vereinigung "Tauhid Germany" am 26. März 2015 verboten mit der Begründung, die Vereinigung rufe über das Internet und mit Informationsständen Muslime "zum Kampf gegen die verfassungsmäßige Ordnung" auf und glorifiziere den gewaltsamen "Jihad" von Gruppen wie dem Islamischen Staat (IS) in Syrien und im Irak.
59Die bei den Verwaltungsvorgängen befindliche Abbildung aus dem Screenshot (wohl vom November 2013), die auch den Kläger zeigt, ist überschrieben mit "B. Ibrahim und ein paar Brüder nach den Dreharbeiten zu den Video zur Unterstützung von Ansarul Asser". Mit "Ansarul Asser" ist offensichtlich die entsprechende Webseite der deutschen Islamisten-Szene zur Unterstützung inhaftierter Islamisten gemeint (ansarul-aseer.com; vgl. Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen, Verfassungsschutzbericht 2013, S. 272 f.), mit "Abu Ibrahim" Hasdan (Hassan) Keskin, ein wegen der Schärfe seiner Predigten kritisierter, strafgerichtlich verurteilter und vom Verfassungsschutz beobachteter islamistischer Prediger.
60Hierzu hat der Kläger sich dahin eingelassen, auf dem Foto sowie dem Screenshot unterscheide er sich nach Kleidung und Habitus von den übrigen Abgebildeten. Die Beeinflussungen seines Bruders sowie anderer Bekannter aus der salafistischen Szene wehre er ab. Der Umstand, dass der Kläger auf dem Foto und auf dem Screenshot jeweils der einzige von fünf Abgebildeten ist, der keinen Bart trägt - hierauf will der Kläger möglicherweise hinaus -, schmälert jedoch den im Übrigen zu gewinnenden Eindruck nicht durchgreifend, dass es sich um Gleichgesinnte handelt; neben der Bildüberschrift spricht hierfür etwa, dass der Kläger die gleiche Geste wie jeweils ein Teil der Abgebildeten zeigt, nämlich den erhobenen Zeigefinger. Seine Behauptung, er unterscheide sich auf den Abbildungen auch nach seiner Kleidung von den übrigen Abgebildeten, hat der Kläger weder näher erläutert noch ist sie sonst nachvollziehbar.
614. Der Kläger hat schließlich nicht in Abrede gestellt, dass er als Begleit- und Kontaktperson des vorerwähnten Predigers Hassan Keskin in Erscheinung getreten ist.
62Der Kläger hat das Gewicht dieser seine Einbindung in die salafistische Szene Solingens belegenden Anhaltspunkte nicht entkräftet. Es ist nicht anzunehmen, dass er sich tatsächlich vollständig aus diesen Zusammenhängen gelöst hat. Hierfür genügt es nicht, dass er sich mit einer Mitarbeiterin eines Aussteiger-programms in Verbindung gesetzt hat. Denn nach der Auskunft der für das Aussteigerprogramm zuständigen Sachbearbeiterin beim MIK NRW vom 30. Oktober 2014 hat der Kläger sich auf mehrfache telefonische und zuletzt schriftliche Kontaktversuche nicht mehr gemeldet; man werde ihm mitteilen, dass man nicht mehr mit seinem Interesse an dem Programm rechne. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass er seine Teilnahme an dem Programm abgebrochen hat.
63Auch der Umstand, dass der Kläger, wie er behauptet, in einem festen Arbeitsverhältnis steht, reicht nicht aus. Abgesehen davon, dass er es insoweit an jeder näheren Angabe hat fehlen lassen, ist anzunehmen, dass er seine bis Ende 2013 innegehabte Arbeitsstelle aufgegeben hat, als er im Dezember 2013 nach Syrien auszureisen versucht hat. Denn in den Auszügen zum Girokonto Nr. … bei der T6. T. sind für die Zeit bis November 2013 Lohnzahlungen des Unternehmens H. H1. T. belegt, für die Zeit ab Januar 2014 jedoch solche der L4. Q. T7. Das lässt darauf schließen, dass den Kläger allein das Innehaben einer Arbeitsstelle von der Ausreise nicht abhält.
64Endlich rechtfertigt es keine abweichende Beurteilung, dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung weniger den Eindruck eines fanatischen Islamisten, sondern eher den eines leicht beeinflussbaren Mitläufers hinterlassen oder zumindest zu hinterlassen versucht hat. Denn auch dann verbleibt der Befund, dass er sich dem Einfluss insbesondere seines fest in der salafistischen Szene verankerten älteren Bruders nur unzureichend entziehen kann und von diesem namentlich zur Unterstützung des "Jihad" - einschließlich der Ausreise zu diesem Zweck - zu verleiten ist.
65Angesichts dessen kann auf sich beruhen, ob die von der Beklagten herangezogenen Anknüpfungstatsachen auch im Sinne der 1. Variante des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG die Annahme begründen, der Kläger gefährde die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland,
66vgl. hierzu VG Münster, Beschluss vom 27. Juni 2014 - 1 L 328/14 -, juris, Rdn. 11; VG Frankfurt a.M., Beschluss vom 30. November 2009 - 5 L 3142/09.F -, juris.
67oder die Passversagungsgründe in § 7 Abs. 1 Nr. 6 PassG (unbefugtes Verpflichten zum Wehrdienst außerhalb der Bundeswehr) oder in § 7 Abs. 1 Nr. 10 PassG erfüllen (Vornahme einer in § 89a StGB beschriebenen Handlung).
68Vgl. Daum, a.a.O., S. 531 ff.
69II. Ermessensfehler liegen nicht vor. Die Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 PassG, wonach von einer Passversagung abzusehen ist, wenn sie unverhältnismäßig ist, insbesondere wenn es genügt, den Geltungsbereich oder die Gültigkeitsdauer des Passes zu beschränken, sind nicht erfüllt. Die Maßnahme ist geeignet, erforderlich und auch angemessen, die nach dem oben Ausgeführten weiterhin gegebene Gefahr einer Teilnahme des Klägers am bewaffneten "Jihad" im Ausland zumindest zu verringern. Mildere Mittel mit gleicher Eignung zur Zielerreichung sind nicht ersichtlich. Insbesondere scheidet angesichts der Unbestimmtheit der konkreten Unterstützungshandlungen und der Vielzahl der Reisemöglichkeiten eine Beschränkung des Geltungsbereichs des Passes auf bestimmte Länder aus. Da derzeit keine hinreichenden Erkenntnisse dafür vorliegen, dass die Ausreiseabsicht des Klägers zeitlich begrenzt wäre, führt auch die mangelnde Befristung nicht zur Unverhältnismäßigkeit der Maßnahmen. Die Behörde hat überdies den Fall unter Kontrolle zu halten, da den Verwaltungsakten Dauerwirkung zukommt. Gemäß § 7 Abs. 2 Satz 3 PassG wird auf Antrag ein neuer Pass ausgestellt, soweit die Voraussetzungen für die Beschränkung fortfallen.
70Der Senat verkennt nicht, dass die Entziehung des Passes für den Kläger einen erheblichen Eingriff in seine grundgesetzlich geschützte Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG darstellt. Dieser Eingriff ist jedoch angesichts der Schwere des hier zu schützenden Rechtsguts gerechtfertigt. Dem Schutz der damit betroffenen Rechtsgüter - insbesondere dem Schutz von Leib und Leben unbeteiligter Dritter vor terroristischen Anschlägen als international anerkanntes Schutzgut - kommt angesichts der ihnen nach Lage der Dinge drohenden Beeinträchtigungen überragendes Gewicht zu. Entsprechendes gilt im Hinblick auf die verfügte Beschränkung des Geltungsbereichs des Personalausweises des Klägers.
71B. Die angefochtene Ordnungsverfügung ist auch nicht wegen formeller Mängel aufzuheben. Von einer Anhörung des Klägers durfte die Beklagte absehen (I.). Ein ihrer Ordnungsverfügung etwa anhaftender Begründungsmangel ist unbeachtlich (II.).
72I. Von der nach § 28 Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW erforderlichen Anhörung vor Erlass eines belastenden Verwaltungsaktes durfte die Beklagte nach § 28 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG NRW absehen, weil nach den Umständen des Einzelfalls eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erschien. Es genügt hierfür, dass die Behörde unter diesen Gesichtspunkten eine sofortige Entscheidung für notwendig halten durfte. Im Streitfall bestand die Gefahr, dass der Kläger eine Anhörung zur Passentziehung oder zur Ausreiseuntersagung zum Anlass genommen hätte, das Bundesgebiet vor Erlass der Verfügung zu verlassen. Die unten noch näher erläuterte Gefährdung wäre damit eingetreten, die Verfügung ins Leere gegangen. Daran führt nicht vorbei, dass der Reisepass bereits seit dem 4. Dezember 2013 sichergestellt war; denn gleichwohl bestand die Gefahr, dass der Kläger eine Anhörung zur Passentziehung oder zur Ausreiseuntersagung zum Anlass der sofortigen Ausreise auf dem Landweg genommen hätte.
73II. Soweit ein Mangel der nach § 39 Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW erforderlichen Begründung vorliegt, ist dieser unbeachtlich.
74Gemäß § 39 Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW ist ein schriftlicher Verwaltungsakt mit einer Begründung zu versehen. In der Begründung sind gemäß § 39 Abs. 1 Satz 2 VwVfG NRW die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben. Dies verlangt nicht die Darlegung aller Einzelheiten, die für eine vollständige Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts notwendig wären; anzugeben sind jedoch die tragenden Gründe, von denen die erlassende Behörde bei ihrer Entscheidung ausgegangen ist, in tatsächlicher Hinsicht also der von der Behörde ermittelte als gegeben angenommene Sachverhalt.
75Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Auflage 2014, § 39 Rdn. 45; Tiedemann in Bader/Ronellenfitsch, VwVfG, 2010, § 39 Rdn. 32 f.
76Ob die Beklagte diesen Anforderungen gerecht geworden ist, unterliegt Zweifeln, weil sie im streitgegenständlichen Bescheid vom 19. Dezember 2013 für die Darlegung der Tatsachen, die die Annahme einer Gefährdung im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 PassG rechtfertigen, lediglich darauf verwiesen hat, dass dem Kläger am 4. Dezember 2013 am Flughafen Köln-Bonn die Ausreise nach Istanbul untersagt und gegen ihn von der Staatsschutzabteilung des Polizeipräsidiums X. ein Verfahren eingeleitet worden ist, sowie auf das Behördenzeugnis des Ministeriums für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen vom 4. Dezember 2013. Das Behördenzeugnis beschränkt sich jedoch auf den Satz "Hier wurde dienstlich bekannt, dass Herr T8. K. beabsichtigt, gemeinsam mit weiteren Personen aus dem Umfeld der verbotenen Vereinigung 'Millatu Ibrahim' auszureisen, um sich am bewaffneten Jihad in Syrien zu beteiligen" und enthält mithin keine konkreten Anknüpfungstatsachen. Die zahlreichen Einzelheiten, die insbesondere dem seinerzeit bereits vorliegenden und in den Verwaltungsvorgängen befindlichen "Vermerk zur Person T8. K. " des Polizeipräsidiums X. vom 6. Dezember 2013 zu entnehmen sind, sind in dem Bescheid weder wiedergegeben noch auch nur in Bezug genommen.
77Wegen eines Begründungsdefizits könnte jedoch die Aufhebung des Verwaltungsakts gemäß § 46 VwVfG NRW nicht verlangt werden. Denn eine etwaige Verletzung des Begründungserfordernisses hätte die Entscheidung in der Sache offensichtlich nicht beeinflusst. Im Streitfall erscheint es ausgeschlossen, dass bei Beachtung der Verfahrensvorschrift die Entscheidung anders ausgefallen wäre. Denn die Beklagte hat lediglich versäumt, die seinerzeit bereits bekannten, in den Verwaltungsvorgängen dokumentierten und der Verfügung zugrunde liegenden Umstände im Einzelnen aufzuführen.
78Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
79Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
80Der Senat lässt die Revision nicht zu, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Für Ausweisangelegenheiten in Deutschland sind die von den Ländern bestimmten Behörden zuständig (Personalausweisbehörden).
(2) Für Personalausweisangelegenheiten im Ausland ist das Auswärtige Amt mit den von ihm bestimmten Auslandsvertretungen zuständig (Personalausweisbehörde).
(3) Für die Einziehung nach § 29 Abs. 1 und die Sicherstellung nach § 29 Abs. 2 sind die Personalausweisbehörden, die Auslandsvertretungen und die zur hoheitlichen Identitätsfeststellung berechtigten Behörden zuständig.
(3a) Für das elektronisch beantragte Neusetzen der Geheimnummer sowie für die elektronische Beantragung des nachträglichen Einschaltens der Funktion zum elektronischen Identitätsnachweis ist der Ausweishersteller zuständig.
(3b) Für die Übermittlung von Daten nach § 5 Absatz 5a aus dem elektronischen Speicher- und Verarbeitungsmedium des Personalausweises auf ein elektronisches Speicher- und Verarbeitungsmedium in einem mobilen Endgerät nach § 10a Absatz 1 sowie für die Auskunft nach § 10a Absatz 5 ist der Ausweishersteller zuständig.
(4) Für die Erteilung und Aufhebung von Berechtigungen nach § 21 ist die Vergabestelle für Berechtigungszertifikate nach § 4 Abs. 3 zuständig. Für das Führen einer Sperrliste nach § 10 Abs. 4 Satz 1 ist der Sperrlistenbetreiber nach § 4 Abs. 3 zuständig.
(5) Für Diensteanbieter in Deutschland sind die für die Einhaltung der Vorgaben des Datenschutzes zuständigen Stellen zuständig. Haben Diensteanbieter ihren Wohn-, Geschäfts- oder Dienstsitz nicht in Deutschland, so ist der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit zuständige Datenschutzaufsichtsbehörde im Sinne des § 21 Absatz 4 Satz 3.
(1) In Deutschland ist die Personalausweisbehörde zuständig, in deren Bezirk die antragstellende Person oder der Ausweisinhaber für seine Wohnung, bei mehreren Wohnungen für seine Hauptwohnung, meldepflichtig ist. Hat die antragstellende Person keine Wohnung, so ist die Personalausweisbehörde zuständig, in deren Bezirk sie sich vorübergehend aufhält.
(2) Im Ausland sind die vom Auswärtigen Amt bestimmten Auslandsvertretungen zuständig, in deren Bezirk sich die antragstellende Person oder der Ausweisinhaber gewöhnlich aufhält. Der Ausweisinhaber hat den Nachweis über den gewöhnlichen Aufenthaltsort zu erbringen.
(3) Für Binnenschiffer, die keine Wohnung in Deutschland haben, ist die Personalausweisbehörde am Heimatort des Binnenschiffes, für Seeleute, die keine Wohnung in Deutschland haben, die Personalausweisbehörde am Sitz des Reeders zuständig.
(4) Der Antrag auf Ausstellung eines Ausweises muss auch von einer örtlich nicht zuständigen Personalausweisbehörde bearbeitet werden, wenn ein wichtiger Grund dargelegt wird. Ein Ausweis darf nur mit Ermächtigung der örtlich zuständigen Personalausweisbehörde ausgestellt werden.
Tenor
Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, wird das Verfahren eingestellt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
1
Tatbestand:
2Der am 00.00.1980 geborene Kläger, der sich derzeit in der Stadt E. aufhält, wendet sich gegen die Entziehung seines Reisepasses sowie gegen die räumliche Beschränkung seines Personalausweises durch die Beklagte.
3Mit Schreiben vom 2. Januar 2014 übermittelte das Polizeipräsidium N. der Beklagten ein am 9. Dezember 2013 ausgestelltes Behördenzeugnis des Bundesamtes für Verfassungsschutz, ausweislich dessen der Kläger die Absicht habe, in naher Zukunft in ein Krisengebiet (Syrien) auszureisen. Dabei werde eine beabsichtigte Beteiligung am bewaffneten Jihad für wahrscheinlich erachtet.
4Mit Bescheid vom 2. Januar 2014 zog die Beklagte den Reisepass des Klägers mit der Nr. X000XX0X00 ein (Ziffer 1.), beschränkte den Geltungsbereich des Personalausweises des Klägers mit der Nr. 0000000000 in räumlicher Hinsicht auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (Ziffer 2.), ordnete die sofortige Vollziehung der Verfügung an (Ziffer 4.), forderte den Kläger zur Abgabe seines Reisepasses auf (Ziffer 5.) und drohte dem Kläger für den Fall der Nichtfolgeleistung der Aufforderung in Ziffer 5. der Verfügung ein Zwangsgeld in Höhe von 1.000,00 Euro an (Ziffer 6.). Zur Begründung führte die Beklagte aus, im Fall des Klägers liege der Passversagungsgrund des § 7 Abs. 1 Nr. 1 und des § 7 Abs. 1 Nr. 10 PassG vor, der nach § 8 PassG zur Passentziehung berechtige. Eine mildere Maßnahme (die Beschränkung des Geltungsbereichs oder der Gültigkeitsdauer) käme nicht in Betracht. Dies gelte u.a. angesichts des Interesses der Bundesrepublik Deutschland an ihrer inneren und äußeren Sicherheit sowie des internationalen Ansehens der Bundesrepublik Deutschland. Auch der Aspekt der Generalprävention sei zu berücksichtigen. Entsprechende Erwägungen stellte die Beklagte zur Maßnahme der Beschränkung des Personalausweises an.
5Am 7. Januar 2014 wurde dem Kläger am Flughafen in G. /N1. anlässlich seiner Ankunft aus dem K. der genannte Bescheid vom 2. Januar 2014 eröffnet und ausgehändigt. Der Kläger bestätigte den Empfang schriftlich und übergab den dortigen Behörden den Reisepass.
6Mit Schreiben vom 15. Januar 2014 legte der Kläger bei der Beklagten „Widerspruch“ gegen die Ordnungsverfügung vom 2. Januar 2015 ein. Er machte geltend, von ihm sei zu keiner Zeit eine Gefahr ausgegangen. Er habe die Krisengebiete und Dritteweltländer aus rein karitativen Gründen besucht. Sollte die Verfügung nicht binnen zwei Wochen rückgängig gemacht werden, werde er Anfechtungsklage erheben.
7Am 23. Januar 2014 hat der Kläger Klage erhoben und einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gestellt.
8Während des Klageverfahrens ist der Kläger am 24. Februar 2014 festgenommen und in Untersuchungshaft verbracht worden. Hintergrund ist ein gegen den Kläger gerichtetes Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft T. gewesen, und zwar wegen des Verdachts der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat gemäß § 89a StGB sowie des Anwerbens für einen fremden Wehrdienst gemäß § 109h StGB.
9Im Rahmen dieses Ermittlungsverfahrens ist dem Kläger vorgeworfen worden, zwei andere Beschuldigte im Zusammenhang mit einer Pilgerfahrt nach Mekka dazu gebracht zu haben, sich zu radikalisieren und Kontakt zur einer syrischen Widerstandsorganisation aufgenommen zu haben, die als Bestandteil der ISIS (Islamischer Staat im Irak und Syrien) anzusehen sei. Einer von ihnen habe sich später in einem Ausbildungslager der genannten Organisation aufgehalten. Zuvor habe sich der Kläger mit den beiden anderen Beschuldigten in einer Wohnung in N. getroffen und einem der beiden einen Geldbetrag von 100,- Euro „für diese Sache“ mitgegeben. Später habe der Kläger eine weitere Geldübergabe vorgenommen, und zwar in Syrien. In der Folgezeit habe der Kläger auch den zweiten anderen Beschuldigten dazu gebracht, den Entschluss zu fassen, zur Vornahme von Kampfhandlungen nach Syrien auszureisen. Die Ausreise sei dann polizeilich verhindert worden. Daneben habe der Kläger unter dem Deckmantel der humanitären Hilfe Geld für den Verein „I. “ gesammelt. Von diesem Geld sei ein alter Notarztwagen gekauft worden. Zwei weitere Mitbeschuldigte seien mit diesem Wagen sowie einem Geldbetrag von ca. 6.000,- Euro auf Veranlassung des Klägers in Richtung Syrien aufgebrochen. Ziel sei die Verwendung für den gewaltsamen Kampf gegen den syrischen Staat gewesen. Die Ausreise sei unterbunden worden.
10Am 5. Mai 2014 hat die Staatsanwaltschaft T. gegen den Kläger Anklage wegen Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat gemäß § 89a StGB erhoben (0 Js 0000/14). Mit Blick auf den Tatbestand des Anwerbens für einen fremden Wehrdienst (§ 109h StGB) hat sie eine Verfolgungsbeschränkung vorgenommen (§§ 154a, 154 StPO). Mit Verfügung vom 22. Mai 2014 hat die Staatsanwaltschaft T. das Verfahren gegen den Kläger teilweise, und zwar betreffend eines Teils der mit Blick auf § 89a StGB vorgeworfenen Handlungen, nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Daraufhin ist der Kläger aus der Untersuchungshaft entlassen worden. Im Anschluss hat er seinen Wohnsitz in E. genommen. Wegen des weiteren Sachverhalts hat die Staatsanwaltschaft T. das Verfahren zuständigkeitshalber an die Staatsanwaltschaft E. abgegeben. Die Staatsanwaltschaft E. hat mit Verfügung vom 5. Juni 2014 das Verfahren übernommen und darüber hinaus auch die Ermittlungen bezüglich des von der Staatsanwaltschaft T. eingestellten Verfahrensteils wieder aufgenommen (00 Js 000/14).
11Zur Begründung seiner Klage macht der Kläger geltend, die gegen ihn erhobenen Vorwürfe betreffend die Teilnahme am bewaffneten Kampf in Syrien seien unzutreffend. Die Reisen nach Syrien seien aus humanitären und karitativen Gründen erfolgt. Der Kläger habe über die Wohltätigkeitsorganisationen „C. T1. “, „I1. in O. e.V.“ und „I. “ Menschen in O. geholfen. Er habe zu keinem Zeitpunkt am bewaffneten oder unbewaffneten Kampf teilgenommen; er hege auch keine entsprechenden Absichten. Ferner sei er nicht vorbestraft. Auch habe er sich stets rechtstreu verhalten. Mit Blick auf die während des Klageverfahrens erhobene Anklage wegen Straftaten nach § 89a StGB und § 109h StGB trägt der Kläger vor, die Vorwürfe seien unbegründet. Dies belege auch die Zurücknahme der Anklage durch die Staatsanwaltschaft T. nach dreimonatiger Untersuchungshaft. Soweit der Kläger bei (einer) seiner vormaligen Reisen nach Syrien bewaffnet gewesen sei, habe dies dem Selbstschutz gedient. Die entsprechende Aufnahme, die den Kläger auf einem Panzer zeige, sei auf einem Stützpunkt der freien syrischen Armee entstanden. Es handele sich um eine private Aufnahme, die nicht zu Propagandazwecken bestimmt gewesen sei. Im Übrigen habe der Kläger keine Absicht, erneut nach Syrien zu reisen. Aufgrund der dort herrschenden chaotischen Zustände könne und möchte er keine humanitäre Hilfe mehr leisten. Vielmehr beabsichtige er, nach England oder in die Emirate auszuwandern und dort in seinem Beruf als G1. zu arbeiten.
12Betreffend den Vortrag des Klägers und seines Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung am 16. April 2015 wird auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.
13Nachdem die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung den Rechtsstreit bezüglich der in den Ziffern 5. und 6. enthaltenen Regelungen der angegriffenen Ordnungsverfügung vom 2. Januar 2014 übereinstimmend für erledigt erklärt haben, beantragt der Kläger,
14Ziffer 1. und Ziffer 2. des Bescheides der Beklagten vom 2. Januar 2014 aufzuheben.
15Die Beklagte beantragt,
16die Klage abzuweisen.
17Zur Begründung verweist sie zunächst auf den angefochtenen Bescheid. Ergänzend nimmt sie Bezug auf das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft T. wegen des Verdachts der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat gemäß § 89a StGB und des Anwerbens für einen fremden Wehrdienst gemäß § 109h StGB sowie den diesem Ermittlungsverfahren zugrundeliegenden Sachverhalt. Nachdem die Kammer mit Aufklärungsverfügung vom 13. Oktober 2014 die Beklagte um die Mitteilung weiterer, den Kläger betreffende Erkenntnisse gebeten hatte, hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 11. November 2014 zur Stützung ihrer im angefochtenen Bescheid getroffenen Einschätzung eine Stellungnahme des Polizeipräsidiums N. sowie zahlreiche Presseberichte eingereicht. Unter anderem ist ein Foto zu den Gerichtsakten gelangt, das nach Angaben der Beklagten den Kläger nahe B. auf einem Panzer zeige, und zwar bewaffnet mit einer Kalaschnikow.
18Mit Beschluss vom 5. März 2014 - 24 L 135/14 - hat die Kammer den Antrag des Klägers auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abgelehnt.
19Aufgrund einer entsprechenden gerichtlichen Verfügung vom 13. Oktober 2014 hat die Stadt E. mit Schriftsatz vom 16. Oktober 2014 gemäß § 3 Abs. 3 VwVfG NRW der Fortführung des Verfahrens durch die Beklagte zugestimmt.
20Auf seinen Antrag vom 23. Oktober 2014 hat die Kammer dem Kläger mit Beschluss vom 12. November 2014 für das Verfahren erster Instanz Prozesskostenhilfe bewilligt.
21Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten sowie die als Beiakte angelegte, von der Staatsanwaltschaft E. übersandte Sammlung von polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Erkenntnissen verwiesen.
22Entscheidungsgründe:
23Soweit die Beteiligten das Verfahren übereinstimmend für erledigt erklärt haben, war es einzustellen.
24Im Übrigen hat die Klage keinen Erfolg. Sie ist zulässig, aber unbegründet. Die in den Ziffern 1. und 2. des Bescheides der Beklagten vom 2. Januar 2014 enthaltenen Regelungen sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
25Die angefochtenen Ziffern 1. und 2. der Ordnungsverfügung sind zunächst formell rechtmäßig. Die Beklagte ist gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 PassG i.V.m. §§ 48 Abs. 1, 3 Abs. 1 OBG NRW bzw. § 7 Abs. 1 PAuswG i.V.m. §§ 48 Abs. 1, 3 Abs. 1 OBG NRW als örtliche Ordnungsbehörde sowohl für die Passentziehung als auch für die Beschränkung des Geltungsbereichs des Personalausweises sachlich zuständig. Die örtliche Zuständigkeit der Beklagten folgt aus § 19 Abs. 3 Satz 3 PassG bzw. § 8 Abs. 1 Satz 2 PAuswG, denn der Kläger hatte im Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Ordnungsverfügung keinen festen Wohnsitz, hielt sich aber vorübergehend im Zuständigkeitsbereich der Beklagten auf. Diese bei Erlass der Ordnungsverfügung begründete örtliche Zuständigkeit ist auch nicht durch den späteren Wegzug des Klägers in den örtlichen Zuständigkeitsbereich einer anderen Ordnungsbehörde erloschen. Denn eine einmal begründete Zuständigkeit für den Erlass eines belastenden Verwaltungsaktes bleibt bis zum Abschluss des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens erhalten.
26Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 23. Juni 2008 - 18 B 831/08 -, Seite 3 des Abdrucks, vom 1. April 2004 - 18 B 1521/03 -, juris, Rn. 5 sowie vom 31. März 1992 - 18 B 299/92 -, juris, Rn. 2 ff. m.w.N.
27Im Übrigen hat die Stadt E. , in deren Zuständigkeitsbereich der Kläger derzeit gemeldet ist, gemäß § 3 Abs. 3 VwVfG NRW der Fortführung des Verfahrens durch die Beklagte zugestimmt.
28Bedenken gegen die formelle Rechtmäßigkeit im Übrigen bestehen nicht. Insbesondere ist es nicht zu beanstanden, dass die Beklagte gemäß § 28 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG NRW vor Erlass der Ordnungsverfügung von der Anhörung des Klägers abgesehen hat. Gemäß § 28 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG NRW kann von der Anhörung abgesehen werden, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalles nicht geboten ist, insbesondere wenn eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint. Das ist hier der Fall. Der Kläger hielt sich bei Erlass der Ordnungsverfügung (bereits) im Ausland auf. Aus den Verwaltungsvorgängen ergibt sich insoweit, dass der Kläger am 7. Januar 2014 aus dem K. wieder nach Deutschland einreiste. Vor diesem Hintergrund stand zu befürchten, dass der Kläger in dem Zeitraum zwischen einer potenziellen Anhörung und dem Erlass einer Ordnungsverfügung Deutschland erneut verlassen würde. Im Übrigen wäre ein Verstoß gegen das Anhörungserfordernis gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG NRW unbeachtlich, weil der Kläger im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens gehört wurde.
29Die Verfügung des Beklagten vom 2. Januar 2014 ist, soweit sie noch angegriffen ist, auch materiell rechtmäßig.
30I. Die in Ziffer 1. der Verfügung des Beklagten vom 2. Januar 2014 angeordnete Entziehung des Reisepasses findet ihre Rechtsgrundlage in § 8 PassG. Danach kann ein Pass dem Inhaber entzogen werden, wenn Tatsachen bekannt werden, die nach § 7 Abs. 1 die Passversagung rechtfertigen würden. Die Ermächtigungsgrundlage für die in Ziffer 2. verfügte räumliche Beschränkung des Geltungsbereiches des Personalausweises auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ergibt sich aus § 6 Abs. 7 PAuswG. Danach kann die zuständige Behörde unter den Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 PassG im Einzelfall anordnen, dass der Ausweis nicht zum Verlassen Deutschlands berechtigt. § 7 Abs. 1 PassG, der mithin für beide Anordnungen maßgeblich ist, bestimmt u.a., dass ein Pass zu versagen ist, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme begründen, dass der Passbewerber die innere oder äußere Sicherheit oder sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet (Nr. 1).
31Dabei ist von einer Gefährdung sonstiger erheblicher Belange der Bundesrepublik Deutschland insbesondere dann auszugehen, wenn bestimmte Tatsachen die Prognose rechtfertigen, der Passbewerber (bzw. hier: Passinhaber) werde sich im Ausland an Gewalttätigkeiten beteiligen, die geeignet sind, die auswärtigen Beziehungen oder unter besonderen Umständen auch das internationale Ansehen der Bundesrepublik zu schädigen.
32OVG NRW, Beschluss vom 16. April 2014 - 19 B 59/14 -, juris, Rn. 3 unter Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2007 - 6 C 39/06 -, juris, Rn. 28 und VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 7. Dezember 2004 - 1 S 2218/03 -, juris, Rn. 21.
33Zu den Gewalttätigkeiten im Ausland, die in diesem Sinne geeignet sind, die auswärtigen Beziehungen und auch das internationale Ansehen der Bundesrepublik zu schädigen, gehört die Teilnahme am bewaffneten Jihad (in Syrien).
34Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16. April 2014 - 19 B 59/14 -, a.a.O., Rn. 12; OVG NRW, Beschluss vom 11. September 2013 - 18 B 866/13 -, juris, Orientierungssatz und Rn. 11; konkludent: OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 7. März 2011 - OVG 5 S 22.10, OVG 5 MOVG 5 M 34.10 -, juris, Rn. 4 ff.
35Denn Terroranschläge des militanten Jihad, an denen deutsche Staatsangehörige mitgewirkt haben, tangieren massiv die Sicherheitsinteressen der davon betroffenen Länder und sind in ganz erheblichem Maße geeignet, diplomatische Spannungen zu erzeugen.
36Vgl. VG Berlin, Urteil vom 6. März 2012 - 23 K 59.10 -, juris, Rn. 18.
37In tatsächlicher Hinsicht setzt der Passversagungstatbestand in § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG voraus, dass konkrete Tatsachen vorliegen, die die Begründetheit der behördlichen Gefahreneinschätzung nachvollziehbar rechtfertigen. Die Anknüpfungstatsachen für die Gefahrenprognose müssen nach Zeit, Ort und Inhalt so konkret gefasst sein, dass sie einer Überprüfung im gerichtlichen Verfahren zugänglich sind. Hingegen ist der anzulegende Wahrscheinlichkeitsmaßstab in Bezug auf die vorausgesetzte Gefährdung herabgestuft. § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG erfordert keine eindeutigen Beweise für die Gefahreneinschätzung. Ausreichend ist eine positive Gefahrenprognose.
38Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16. April 2014 - 19 B 59/14 -, a.a.O., Rn. 5 ff., m.w.N.
39Als Anknüpfungstatsachen wegen einer befürchteten Ausreise zur Teilnahme an bewaffneten Kampfhandlungen im Ausland kommen insbesondere konkrete Äußerungen des Passinhabers, seine Einbindung in einen Personenkreis von gewaltbereiten Islamisten sowie deren bisherige Aktivitäten und politischen Ziele in Betracht.
40Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16. April 2014, - 19 B 59/14 -, a.a.O., Rn. 12 mit weiteren konkreten Beispielen aus der Rechtsprechung.
41Gemessen daran liegen - die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG erfüllende - Anknüpfungstatsachen vor, die die Annahme einer positiven Gefahrenprognose stützen. Nach den dem Gericht vorliegenden Erkenntnissen ist der Kläger in ein salafistisches Netzwerk eingebunden und verkehrt in einem Personenkreis gewaltbereiter Islamisten (1.). Ferner sind bereits Ausreisen des Klägers nach Syrien zu verzeichnen und liegen konkrete Anhaltspunkte für die Annahme vor, er habe sich dort nicht zu humanitären oder karitativen Zwecken, sondern im Zusammenhang mit bewaffneten Kampfhandlungen aufgehalten (2.). Die sich daraus ableitende Gefahrenprognose ist auch im entscheidungserheblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung noch zu stellen (3.).
421. Die Einbindung des Klägers in ein salafistisches Netzwerk und sein Kontakt zu gewaltbereiten Islamisten leiten sich aus folgenden Umständen ab:
43In der Vergangenheit war der Kläger zeitweise Vorsitzender des in N. ansässig gewesenen Vereins „F. Q. “, der vom Verfassungsschutz als salafistisch eingestuft wurde. Dieser Verein hatte sich Mitte 2011 selbst aufgelöst, nachdem im Zusammenhang mit einem vereinsrechtlichen Verbotsverfahren wegen des Verdachts der Verfassungsfeindlichkeit Ende 2010 bundesweit Durchsuchungen erfolgt waren. Heute ist der Kläger ein bundesweit bekannter salafistischer Prediger. Er verbreitet die salafistische Idee, nach der die islamische Religion als Ideologie und die Scharia als gottgegebenes Ordnungs- und Herrschaftssystem verstanden werden. In diesem Zusammenhang hat der Kläger u.a. Folgendes geäußert: „Wir folgen unserem Propheten mit Riten und Gebräuchen, die seit 1400 Jahren zählen. In diesem Sinne sind wir radikal.“
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45„Die Scharia ist perfekt. Sie ist göttlich, nicht menschlich. Sie ist nicht barbarisch, sie ist Barmherzigkeit. Diese Maßnahmen, die Sie als barbarisch empfinden und die hier nicht umgesetzt werden, weil es die Scharia in Deutschland nicht gibt, sind dazu da, das Übel aus der Gesellschaft zu entfernen.“
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47Darüber hinaus unterstützt der Kläger nach eigenen Aussagen den Verein „I1. O. e.V.“. Dieser Verein bezeichnet sich als Hilfsverein zur Unterstützung notleidender Muslime, wird aber vom Verfassungsschutz in Zusammenhang gebracht mit der salafistischen Szene. Dort seien z.T. auch Prediger aufgetreten, die dem gewaltaffinen Spektrum des Salafismus zuzuordnen seien.
48Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen über das Jahr 2013, S. 271.
49Soweit der Kläger geltend macht, die Bewegung des Salafismus sei inhomogen, so dass nicht bei jedem Salafisten eine positive Gefahrenprognose gestellt werden könne, so trifft diese Annahme durchaus zu. Auch der Verfassungsschutz geht davon aus, dass zwischen politischen und jihadistischen Salafisten zu unterscheiden sei (wobei die Grenzen allerdings fließend seien).
50Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen über das Jahr 2013, S. 263.
51Jedoch begründen bei dem Kläger Tatsachen die Annahme, dass er sich nicht ausschließlich den sogenannten politischen Salafisten zuordnen lässt. Er hat zunächst selbst u.a. folgende Äußerungen getätigt, die an einer rein verbal-missionarischen Ausrichtung seiner Aktivitäten zweifeln lassen: „Unsere Religion ist die wahre Religion. Wir sind überzeugt von unserer Botschaft. Deswegen werden wir bis zu unserem Lebensende mit Gottes Erlaubnis dies so weiterführen. Ich bin bereit, für diesen Weg zu sterben.“
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53In einem Interview aus Anlass einer I2. -Demonstration am 00.00. 2014 in L. hat der Kläger ferner geäußert: „Aber wer Probleme sucht, der kann sie gerne haben. Das ist kein Fußballspiel. Wer uns zu nahe kommt, der muss wissen, dass das ein Spiel ums Leben ist.“
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55Ferner lässt sich aus der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft T. vom 5. Mai 2014 entnehmen, dass Bilder vorliegen, aus denen sich schließen lasse, dass dem Kläger ein militärisches Auftreten nicht fremd sei. Auch eine hinreichende Distanzierung des Klägers von Gewalttätigkeiten des Islamischen Staates (IS, bis Mitte 2014: ISIS), dessen Ideologie ebenfalls auf einer fundamentalistischen Islamauslegung basiert, ist nicht zu verzeichnen: „Ich soll sagen: Ich distanziere mich vom IS und deren Gräueltaten. Warum sollte ich das tun? Sie sind kein Glaubensbruder. Ich finde die Todesspritzen in Amerika ein Verbrechen. Sie finden das Kopfabschneiden nicht legitim. Es wird immer nur auf uns geschaut.“
56http://......................html
57Soweit der Kläger diesbezüglich in der mündlichen Verhandlung eingewendet hat, er habe viele andere Interviews gegeben, in denen er deutlich zum Ausdruck gebracht habe, Gewalttaten abzulehnen, diese seien aber mangels Interesses nicht publiziert worden, so wirft dies kein anderes Licht auf die den Kläger betreffende Gefahrenprognose. Zum einen ist nicht plausibel, warum der Kläger dann in dem oben zitierten Interview eine Distanzierung verweigert. Zum anderen bestehen - wie im Folgenden aufgezeigt wird - diverse andere Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger hinreichend in das gewaltaffine Spektrum des Salafismus eingebunden ist (und im Übrigen auch entsprechende eigene Aktivitäten unternommen hat, s.u. 2.).
58Diese Einbindung wird belegt durch Kontakte zu gewaltbereiten bzw. -ausübenden Islamisten. Hier ist ganz maßgeblich die Verbindung des Klägers zu J. zu sehen, der am 00.0.2015 vom T. - 0- 0 XXX 0/14 - wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung, nämlich der Jaish al-Muhajirin wal-Ansar (JAMWA) verurteilt wurde. Nach den Feststellungen des Senats strebte die als jihadistisch einzustufende JAMWA ein islamisches Kalifat in Syrien unter Geltung der Scharia an. In tatsächlicher Hinsicht stellte das T. fest, dass J. am 00.0.2013 aus Deutschland ausgereist ist, sich Ende August 2013 der JAMWA angeschlossen hat, dort zunächst eine vierwöchige Kampf- und Waffenausbildung gemacht hat und danach im Basislager der JAMWA in I3. in der sogenannten deutschen Gruppe eingesetzt war, die an der Frontlinie in dem bei B. gelegenen Ort L1. I4. eine Stellung hielt. Dabei war J. mindestens an einem Kampfeinsatz beteiligt, bevor er am 21. Oktober 2013 nach Deutschland zurückreiste.
59Pressemitteilung ……………………………
60Die Verbindung des Klägers zu J. I. ergibt sich aus einem im Rahmen von polizeilichen Ermittlungen gewonnenen und protokollierten WhatsApp-Nachrichtenverlauf zwischen dem Kläger und J. . Dem Gericht liegt insoweit das Protokoll von Nachrichten an insgesamt 21 Tagen zwischen dem 10. August 2013 und dem 27. November 2013 vor, wobei an einigen Tagen bis zu 40 Nachrichten ausgetauscht wurden. Dieser Zeitraum deckt einen Teil des Zeitraums ab, in dem sich J. nach den o.g. Feststellungen des T. in Syrien (zuletzt in I3. ) aufhielt. Aus dem Nachrichtenverkehr ergibt sich nicht nur der (nach dem o.g. Strafverfahren ohnehin feststehende) Zweck des Aufenthalts von J. in Syrien, sondern auch die Rolle des Klägers. Dieser hat J. offenbar sowohl „moralisch“ als auch finanziell unterstützt. Bevor J. nach Syrien ausreiste, teilte der Kläger ihm am 10. August 2013 mit, er habe Geld für ihn, und zwar „für deinen Weg“. Dabei kann mit „dein Weg“ nur der Kampf in Syrien gemeint sein. In der Folge fragte der Kläger J. am 12. August 2013, ob dieser sich komplett von seinem Leben losgesagt habe, was J. bejahte (und möglicherweise auch bedeutet, dass er den Märtyrertod in Kauf nahm). Dass Zweck des Aufenthalts des J. in Syrien die Teilnahme an Kampfhandlungen war, belegen auch die Mutmaßung des J. , dass der Glaubensbruder A. . für seine Katiba (Einheit) Kanonenfutter sein werde und die Aussage des Klägers, dass A. . unbedingt fallen wollte. Ähnliches lässt sich aus einem Austausch am 20. Oktober 2013 ableiten, der nach den Feststellungen des T. offenbar die Situation am Basislager betrifft, in dem sich J. zu diesem Zeitpunkt aufhielt: „Hier ist eine mega fitna zwischen uns und der Demokraten…“, „Auch Knallerei?“ „dann ist reinkommen jetzt auch gefährlich“.
61Neben dieser engen Verbindung zu J. kannte der Kläger offenbar auch N2. (alias J1. ), einen Jihadisten, der Ende 2013 bei Kämpfen seines deutschen Kommandos starb.
62https://.........................
63In einem Interview hat der Kläger zugegeben, N2. sei ein Freund von ihm gewesen, der Kontakt sei aber vor zwei bis drei Jahren abgebrochen, in Syrien habe er ihn zufällig wiedergetroffen.
64http://...........................
65Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung eingewendet hat, er habe nicht gewusst, dass N2. ein Kämpfer gewesen sei, ist dies nicht nachvollziehbar. Denn am 15. November 2013 teilte der Kläger dem J. per WhatsApp-Nachricht mit, J1. sei gefallen. Daraus wird deutlich, dass der Kläger nicht nur genau über das Schicksal des N2. (alias J1. ) informiert war. Das Vokabular („gefallen“) spricht auch eindeutig für einen Tod im Zusammenhang mit Kampfhandlungen.
662. Ist der Kläger danach in ein salafistisches Netzwerk eingebunden und hatte er Kontakt zu gewaltbereiten Islamisten, ist ferner zu konstatieren, dass er bereits mehrfach nach Syrien ausgereist ist. Diesen Umstand bestreitet er auch nicht.
67s. nur: http://.................................
68Dass seine Aufenthalte in Syrien - wie der Kläger behauptet - humanitäre bzw. karitative Zwecke gehabt haben sollen, erschließt sich dem Gericht indes nicht. Ungeachtet des Umstandes, dass der Kläger schon nicht plausibel dargelegt hat, wie genau (d.h. zu welcher Zeit, über welche Reiserouten, mit welchen Hilfsmitteln etc.) humanitäre Hilfe geleistet worden sein soll, liegen vielmehr konkrete Anhaltspunkte für die Annahme vor, dass sich der Kläger in Syrien im Zusammenhang mit bewaffneten Kampfhandlungen aufgehalten hat.
69So hat sich der Kläger bei einem seiner Syrien-Aufenthalte am 28. September 2013 mit J. getroffen, dem er Geld überreichte. Das ergibt sich aus der protokollierten WhatsApp-Korrespondenz zwischen J. und seinem Bruder F1. vom 29. September 2013, die Bestandteil des Einleitungsvermerks des Polizeipräsidiums T. vom 20. Januar 2014 ist. Später, am 18. Oktober 2013, schreibt der Kläger per WhatsApp an J. : „schade, dass wir uns letztens nicht länger gesehen haben“. Nachdem feststeht, dass J. zum Zeitpunkt des 28. September 2013 im Basislager in I3. in der sogenannten deutschen Gruppe eingesetzt war, die an der Frontlinie in dem bei B. gelegenen Ort L1. I4. eine Stellung hielt, hielt sich demnach auch der Kläger (vorübergehend) in diesem Basislager auf.
70Ein weiterer Syrienaufenthalt des Klägers fand Ende Oktober 2013 statt. Es liegt nahe, dass der Kläger hier ebenfalls das besagte Basislager in I3. nahe B. aufgesucht hat, und zwar zu militärischen und nicht zu humanitären Zwecken. Das ergibt sich aus dem in der Gerichtsakte sowie in der Beiakte befindlichen Bildmaterial. Auf einer der Aufnahmen ist der Kläger zu sehen, wie er mit Splitterschutzweste in einem Fahrzeug sitzt. Dieses Foto enthält einen GPS-Zeitstempel mit dem Datum 29. Oktober 2013 und den geographischen Angaben eines Ortes nahe B. . Ein anderes Bild zeigt den Kläger, wie er mit weiteren vier Personen auf einem Panzer steht. Dabei hält der Kläger eine Maschinenpistole im Anschlag. Ein bei offenbar gleicher Gelegenheit aufgenommenes Foto zeigt den Kläger mit den weiteren Personen wiederum auf dem Panzer; der Kläger hat hier die Maschinenpistole umgehängt und hebt den rechten Zeigefinger. Beide Fotos tragen das Erzeugungsdatum 31. Oktober 2013. Auf dem letztgenannten Foto ist im Hintergrund ein Turm zu sehen, bei dem es sich ausweislich des bei den Gerichtsakten befindlichen Artikels der T2. Nachrichten vom 18. Oktober 2014 um den Wasserturm in I3. , nahe B. , handelt. Schließlich ist auf einer weiteren Aufnahme (ebenfalls am 31. Oktober 2013 erzeugt) der Kläger abgebildet, als er gerade in eine Panzerluke steigt.
71Soweit der Kläger bezüglich dieser Aufnahmen vorträgt, die mitgeführte Waffe habe dem Selbstschutz gedient, ist dies schlicht unglaubhaft. Das folgt schon daraus, dass der Kläger und die weiteren Personen auf dem Panzer geradezu posieren. Das gilt insbesondere für die Aufnahme, auf der der Kläger die Maschinenpistole im Anschlag hält. Solch ein Gebaren ist im Falle des Selbstschutzes untypisch. Mit dem Argument des Selbstschutzes nicht zu erklären ist ferner der Umstand, dass der Kläger und die weiteren Personen gerade auf einem Panzer, also einem zuvörderst militärisch nutzbaren Fahrzeug, stehen bzw. der Kläger in einen Panzer einsteigt. Daneben kann die Aussage eines Ortskundigen im bereits genannten Artikel der T2. Nachrichten vom 18. Oktober 2014 nicht außer Betracht bleiben, wonach der IS es nicht tolerieren würde, dass Helfer (d.h. wohl zu humanitären Zwecken Anwesende) aus dem Westen Waffen tragen, schon gar nicht in einem vom IS besetzten Dorf. Auch diese Einschätzung rechtfertigt den Schluss, dass sich der Kläger zum Zwecke des (bewaffneten) Kampfes in Syrien aufgehalten hat.
72Ergibt sich die Zweckrichtung der Syrien-Aufenthalte des Klägers bereits aus den soeben genannten Umständen, existieren darüber hinaus auch entsprechende Äußerungen des Klägers. So hat er die Hoffnung bzw. Absicht zum Ausdruck gebracht, im Kampfgeschehen mitzuwirken, und zwar dauerhaft. Das ergibt sich aus folgenden Verlautbarungen im WhatsApp-Chat mit J. : Am 20. Oktober 2013 schreibt der Kläger an J. , er hoffe, bald wieder „bei euch“ zu sein, „dann für immer“. Vor dem Hintergrund des seinerzeitigen Aufenthalts des J. in einer Kampfeinheit nahe B. bringt der Kläger damit zum Ausdruck, bald auch wieder dort mitkämpfen zu wollen. Ähnliches schreibt er am 24. Oktober 2013: „Hoffe bin bald da“. Später antwortet der Kläger auf die Äußerung des J. am 9. November 2013 „Super bald geht es los für T3. “: „Für mich auch in sch Allah“ und im Folgenden ergänzt er: „wir alle brechen auf“.
733. Die aus diesen Anknüpfungstatsachen resultierende Gefahrenprognose ist (auch) im insoweit entscheidungserheblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung zu stellen, so dass der Tatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG auch weiterhin erfüllt ist. Zwar bezieht sich ein Großteil der Erkenntnisse betreffend die Einbindung des Klägers in (bewaffnete) Kampfhandlungen in Syrien auf Vorgänge im Jahr 2013. Jedoch ist nicht ersichtlich, dass sich die Lebensumstände des Klägers und seine Aktivitäten bis zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt derartig grundlegend geändert haben, dass die Annahme gerechtfertigt ist, er habe sich von den o.g. Handlungen und Bestrebungen nachhaltig distanziert.
74So tritt der Kläger weiterhin regelmäßig auf entsprechenden salafistischen Veranstaltungen auf und wirbt offensiv für den Salafismus. Zu nennen sind hier beispielhaft nur das Auftreten des Klägers im Zusammenhang mit der sogenannten „Scharia-Polizei“ Anfang September 2014 und eine Kundgebung am 00.0.2015 in X. anlässlich von ebenfalls an diesem Tag angesetzten Demonstrationen der Pegida und einer Hooligan-Gruppe. Hinzuweisen ist darüber hinaus auf die bereits zitierten Äußerungen, die der Kläger in einem Interview gegenüber dem Magazin „G2. “ am 00.0.2014 getätigt hat sowie sein - ebenfalls bereits oben angeführtes - Statement aus Anlass einer I2. -Demonstration am 00.00. 2014 in L. gegenüber dem „W. “-Magazin.
75Vor diesem Hintergrund sind die Ausführungen des Klägers, er habe keine Absicht, erneut nach Syrien zu reisen, und aufgrund der dort herrschenden chaotischen Zustände könne und möchte er keine humanitäre Hilfe mehr leisten, als schlichte Schutzbehauptungen zu werten. Das gilt nicht zuletzt mit Blick darauf, dass der Kläger nach den o.g. Erkenntnissen auch bisher in Syrien keine humanitäre Hilfe geleistet hat, sondern Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass er sich in Syrien in Zusammenhang mit bewaffneten Kampfhandlungen aufgehalten hat.
76Ist danach der Tatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG erfüllt, kann offen bleiben, ob daneben auch der Tatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 10 PassG erfüllt ist, der voraussetzt, dass bestimmte Tatsachen die Annahme begründen, dass der Betroffene eine in § 89a StGB beschriebene Handlung vornehmen wird. Dafür könnte sprechen, dass derzeit ein entsprechendes Ermittlungsverfahren bei der Staatsanwaltschaft E. anhängig ist (Az.: 00 Js 000/14), dass sich auf drei Tathandlungen im Zusammenhang mit der Übergabe bzw. Sammlung von Vermögenswerten bezieht. Einer Entscheidung bedarf diese Frage im Rahmen des vorliegenden Verfahrens jedoch nicht. Insbesondere genügt es im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit der angegriffenen Ordnungsverfügung, dass einer der im Bescheid genannten Tatbestände des § 7 Abs. 1 PassG erfüllt ist.
77II. Die mithin zu Recht auf § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG gestützten Maßnahmen der Entziehung des Reisepasses (§ 8 PassG) und der Beschränkung des Geltungsbereichs des Personalausweises (§ 6 Abs. 7 PAuswG) erweisen sich auch als verhältnismäßig. Sie stellen sich insbesondere als geeignete Maßnahmen dar, die Ausreise des Klägers in Richtung Syrien zum Zwecke der Teilnahme an bzw. Unterstützung von bewaffneten Kampfhandlungen zu verhindern, zumindest aber zu erschweren. Auch die Erforderlichkeit der genannten Maßnahmen ist zu bejahen. Denn gleich geeignete, aber mildere Mittel sind nicht ersichtlich. Dies gilt zunächst für die Entziehung des Reisepasses. Insoweit ist - auch mit Blick auf die Ausführungen des Prozessbevollmächtigten des Klägers in der mündlichen Verhandlung - die Möglichkeit, den räumlichen Geltungsbereich des Passes etwa auf das Gebiet der Europäischen Union zu beschränken, nicht genauso geeignet, die Ausreise des Klägers zu verhindern, wie eine Passentziehung. Das folgt bereits daraus, dass eine räumliche Beschränkung es dem Passinhaber weiterhin erlauben würde, in die von der Beschränkung nicht erfassten Staaten einzureisen und von dort weiter in das eigentliche Zielgebiet zu gelangen. Hinsichtlich der räumlichen Beschränkung des Personalausweises ist bereits keine gleich geeignete und dennoch mildere Maßnahme erkennbar.
78Auch Bedenken gegen die Angemessenheit der getroffenen Maßnahmen bestehen nicht. Zwar wird durch die Entziehung des Reisepasses und die räumliche Beschränkung des Geltungsbereiches des Personalausweises des Klägers in dessen durch Art. 2 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich geschützte Ausreisefreiheit eingegriffen. Bei einer Betrachtung der widerstreitenden Belange überwiegt jedoch das öffentliche Sicherheitsinteresse. Dem Schutz der insoweit betroffenen Rechtsgüter - insbesondere dem Schutz von Leib und Leben unbeteiligter Dritter vor terroristischen Anschlägen als international anerkanntem Schutzgut - kommt angesichts der ihnen nach Lage der Dinge drohenden Beeinträchtigungen ein die Klägerinteressen deutlich überwiegendes Gewicht zu. Diese Einschätzung gilt trotz der vom Kläger vorgetragenen Argumente. Soweit der Kläger einwendet, er habe keine Absicht, erneut nach Syrien zu reisen und aufgrund der dort herrschenden chaotischen Zustände könne und möchte er keine humanitäre Hilfe mehr leisten, ist dieses Vorbringen bereits auf der Tatbestandsebene gewürdigt worden und kann mit Blick auf die Angemessenheit der Maßnahme zu keinem anderen Ergebnis führen. Auch die vom Kläger geäußerte Absicht, nach England oder in die Emirate auszuwandern, um dort in seinem Beruf als G1. zu arbeiten, gebietet nicht die Annahme der Unverhältnismäßigkeit der getroffenen Maßnahmen. Denn diese Absicht ist nach den oben genannten Erkenntnissen über die Einbindung des Klägers in eines salafistisches Netzwerk und seine Aktivitäten im Zusammenhang mit bewaffneten Kampfhandlungen in Syrien schon nicht glaubhaft. Auch hat der Kläger seine Absicht weder konkretisiert (etwa durch die Angabe des Zeitpunktes oder des Zielortes der Auswanderung bzw. durch die Darlegung einer Arbeitsstelle) noch hat er entsprechende Belege beigebracht. Im Übrigen benötigte er für eine „Auswanderung“ ein Aufenthaltsrecht in den genannten Staaten.
79Schließlich steht auch die fehlende zeitliche Befristung der Maßnahmen der Verhältnismäßigkeit nicht entgegen. Zunächst ist die Wirkung sowohl der Passentziehung als auch der Beschränkung des Geltungsbereichs des Personalausweises naturgemäß durch den Ablauf der Gültigkeit des jeweiligen Dokuments - 00.0.2017 bzw. 00.0.2017 - in zeitlicher Hinsicht limitiert. Vor diesem Hintergrund wird das Vorliegen der Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 PassG spätestens im Falle der Neubeantragung zu prüfen sein. Im Übrigen werden die angefochtenen Maßnahmen aufzuheben sein, wenn sie sich aufgrund veränderter (Lebens)Umstände des Klägers nicht mehr als rechtmäßig erweisen. Für eine solche Sachlagenänderung bestehen - wie bereits an anderer Stelle ausgeführt - derzeit indes keine Anhaltspunkte.
80III. Soweit der Beklagten in § 8 PassG bzw. in § 6 Abs. 7 PAuswG mit Blick auf die Entziehung des Reisepasses bzw. die Beschränkung des Personalausweises Ermessen eingeräumt ist, sind Ermessensfehler nicht ersichtlich (§ 114 Satz 1 VwGO). Das gilt (bereits) deshalb, weil in Anbetracht der im vorliegenden Einzelfall vorliegenden Umstände eine Reduktion des Ermessens auf Null anzunehmen ist, der Beklagte rechtmäßigerweise also nur die Entscheidung treffen konnte, den Pass zu entziehen und die Geltung des Personalausweises zu beschränken. Im Fall des Klägers liegen - wie oben ausgeführt - Tatsachen vor, die die Annahme begründen, dass der Kläger sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, und zwar durch eine Ausreise nach Syrien, um dort zum Zwecke des Jihad an bewaffneten Kampfhandlungen teilzunehmen. Diese Gefährdungslage ist verstärkt durch belegbare Tatsachen, die die Annahme begründen, der Kläger habe sich bereits zu derartigen Zwecken in Syrien aufgehalten. Denn aus den bisherigen Syrienaufenthalten lässt sich eine erhöhte Motivation des Klägers ableiten, diesen Weg erneut zu gehen. Vor diesem Hintergrund und unter Berücksichtigung der als besonders hoch einzustufenden Schutzgüter (Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland, Leib und Leben Dritter) kann der Gefahr, der § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG entgegenwirken soll, hier nur mit einer Passentziehung begegnet werden. Gleiches gilt für die Beschränkung des Personalausweises.
81Die Kostenentscheidung folgt für den streitigen Teil aus § 154 Abs. 1 VwGO und für den erledigten Teil aus § 161 Abs. 2 VwGO. Im Hinblick auf den erledigten Teil entscheidet gemäß § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO das Gericht über die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen, wobei der bisherige Sach- und Streitstand zu berücksichtigen ist. Danach trifft den Kläger die Kostenlast. Ungeachtet des Umstandes, dass die in den Ziffern 5. und 6. enthaltenen Regelungen des Bescheides der Beklagten vom 2. Januar 2014 wohl bereits vor Erhebung der Klage erledigt waren, erweisen sich die genannten Regelungen bei summarischer Prüfung als rechtmäßig. Die in Ziffer 5. des streitgegenständlichen Bescheides niedergelegte Verpflichtung, den Reisepass abzugeben, folgt im Falle der - wie hier - für sofort vollziehbar erklärten Passentziehung unmittelbar aus § 8 PassG.
82Vgl. Süßmuth/Koch, Pass- und Personalausweisrecht, 4. Auflage, Stand: 5/2011, § 8 PassG Rn. 5.
83Die bezüglich dieser Verpflichtung verfügte Zwangsgeldandrohung (Ziffer 6.) findet ihre Rechtsgrundlage in §§ 55 Abs. 1, 57 Abs. 1 Nr. 2, 60 und 63 VwVG NRW.
84Die Entscheidung zur Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.
(1) Bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, ist diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern.
(2) Von der Anhörung kann abgesehen werden, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalls nicht geboten ist, insbesondere wenn
- 1.
eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint; - 2.
durch die Anhörung die Einhaltung einer für die Entscheidung maßgeblichen Frist in Frage gestellt würde; - 3.
von den tatsächlichen Angaben eines Beteiligten, die dieser in einem Antrag oder einer Erklärung gemacht hat, nicht zu seinen Ungunsten abgewichen werden soll; - 4.
die Behörde eine Allgemeinverfügung oder gleichartige Verwaltungsakte in größerer Zahl oder Verwaltungsakte mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen will; - 5.
Maßnahmen in der Verwaltungsvollstreckung getroffen werden sollen.
(3) Eine Anhörung unterbleibt, wenn ihr ein zwingendes öffentliches Interesse entgegensteht.
(1) Eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften, die nicht den Verwaltungsakt nach § 44 nichtig macht, ist unbeachtlich, wenn
- 1.
der für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderliche Antrag nachträglich gestellt wird; - 2.
die erforderliche Begründung nachträglich gegeben wird; - 3.
die erforderliche Anhörung eines Beteiligten nachgeholt wird; - 4.
der Beschluss eines Ausschusses, dessen Mitwirkung für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderlich ist, nachträglich gefasst wird; - 5.
die erforderliche Mitwirkung einer anderen Behörde nachgeholt wird.
(2) Handlungen nach Absatz 1 können bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden.
(3) Fehlt einem Verwaltungsakt die erforderliche Begründung oder ist die erforderliche Anhörung eines Beteiligten vor Erlass des Verwaltungsaktes unterblieben und ist dadurch die rechtzeitige Anfechtung des Verwaltungsaktes versäumt worden, so gilt die Versäumung der Rechtsbehelfsfrist als nicht verschuldet. Das für die Wiedereinsetzungsfrist nach § 32 Abs. 2 maßgebende Ereignis tritt im Zeitpunkt der Nachholung der unterlassenen Verfahrenshandlung ein.
(1) Personalausweise werden für eine Gültigkeitsdauer von zehn Jahren ausgestellt.
(2) Vor Ablauf der Gültigkeit eines Personalausweises kann ein neuer Personalausweis beantragt werden, wenn ein berechtigtes Interesse an der Neuausstellung dargelegt wird.
(3) Bei Personen, die noch nicht 24 Jahre alt sind, beträgt die Gültigkeitsdauer des Personalausweises sechs Jahre.
(4) Die Gültigkeitsdauer eines vorläufigen Personalausweises ist unter Berücksichtigung des Nutzungszwecks festzulegen; sie darf einen Zeitraum von drei Monaten nicht überschreiten.
(4a) Die Gültigkeitsdauer des Ersatz-Personalausweises ist auf den Zeitraum zu beschränken, der für das Erreichen des Zweckes nach § 6a erforderlich ist; sie darf einen Zeitraum von drei Jahren nicht überschreiten.
(5) Eine Verlängerung der Gültigkeitsdauer ist nicht zulässig.
(6) Die Gültigkeitsdauer eines Ausweises darf in den Fällen des § 29 des Staatsangehörigkeitsgesetzes den Zeitpunkt der Vollendung des 23. Lebensjahres des Inhabers so lange nicht überschreiten, bis die zuständige Behörde den Fortbestand der deutschen Staatsangehörigkeit festgestellt hat.
(7) Unter den Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 des Passgesetzes kann die zuständige Behörde im Einzelfall anordnen, dass der Ausweis nicht zum Verlassen Deutschlands berechtigt.
(8) Anordnungen nach Absatz 7 dürfen im polizeilichen Grenzfahndungsbestand gespeichert werden.
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in beizutreibender Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Der Kläger ist am 2. Dezember 1991 in T. geboren. Die Beklagte stellte ihm am 16. Juli 2012 den Bundespersonalausweis Nr. , gültig bis zum 15. Juli 2018, sowie am 12. April 2013 den Reisepass Nr. , gültig bis zum 11. April 2019, aus.
3Unter dem 4. Dezember 2013 stellte das Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes NRW (MIK NRW) ein Behördenzeugnis aus, wonach dienstlich bekannt geworden sei, dass der Kläger beabsichtige, gemeinsam mit weiteren Personen aus dem Umfeld der verbotenen Vereinigung "Millatu Ibrahim" auszureisen, um sich am bewaffneten "Jihad" in Syrien zu beteiligen. Beamte der Bundespolizei kontrollierten ihn am selben Tag am Flughafen Köln/Bonn bei der grenzpolizeilichen Ausreisekontrolle des Fluges TK nach Istanbul. Der Kläger befand sich in Begleitung des T1. G. und des T2. C. . Die drei hatten ihr Flugticket erst am Abflugtag gekauft und führten lediglich Handgepäck mit sich. Auf der Grundlage des Behördenzeugnisses führten die Beamten eine Ausreisebefragung bei allen drei Personen durch. Diese gaben an, zu privaten Zwecken nach Istanbul reisen zu wollen; Angaben zu dortiger Unterkunft und Rückflug konnten sie nicht machen. In der Geldbörse des Klägers fand sich ein Zettel, auf dem handschriftlich notiert ist: "Nummer von Deutschland aus: ... Nummer von Türkei aus: ... Der Bruder heißt F. A. . Die Nummer haben wir von B. T3. . Wir wollen zum B. Anrufen vom Reisebus-Bahnhof (…) in Antep oder Anrufen vom Flughafen in Antep". Die Bundespolizei untersagte dem Kläger und seinen beiden Begleitern die Ausreise und stellte den Reisepass des Klägers sicher.
4Das Polizeipräsidium (PP) X. erstellte unter dem 6. Dezember 2013 einen Vermerk zur Person des Klägers. Darin stellt der Verfasser, KOK L. , fest, der ältere Bruder T4. des Klägers habe zu den Gründungsmitgliedern der verbotenen Vereinigung "Millatu Ibrahim" in T. gehört; der Kläger sei als regelmäßiger Besucher des Vereins bekannt. T4. K. sei Mitte 2012 aus Deutschland ausgereist. Die Deutsche Botschaft in Ankara habe am 24. Juli 2013 mitgeteilt, er sei nach Angaben türkischer Behörden am 19. Juli 2013 auf dem Hoheitsgebiet der Türkei festgenommen worden, weil er weder einen Pass noch sonstige Ausweisdokumente, sondern lediglich eine deutsche Einbürgerungsurkunde mit sich geführt habe. Er, KOK L. , habe T4. K. aufgrund verschiedener Haftbefehle bei der Einreise am Frankfurter Flughafen festgenommen. Dabei habe T4. K. freimütig angegeben, er und andere hätten sich "ganz nah an der Kriegsfront befunden". Beide Brüder hätten sich bei den salafistischen Ausschreitungen in T. am 1. Mai 2012 am Veranstaltungsort befunden. Weiter beteilige sich der Kläger auch an den aktuellen Koraninformationsständen und Videoproduktionen der salafistischen Bewegung "Tauhid Deutschland". Hierzu enthält der Vermerk zwei Bilder, auf denen der Kläger mit mehreren anderen Personen abgebildet ist, darunter jeweils T1. G. und T2. C. . Schließlich sei der Kläger in den letzten Wochen mehrfach als Begleit- und Kontaktperson des Predigers Hasan Keskin in Erscheinung getreten, der unter anderem während der Ausschreitungen am 1. Mai 2012 als aufhetzender Wortführer agiert habe.
5In den Vermerken zu den Begleitern des Klägers, T1. G. und T2. C. , ist gleichfalls ausgeführt, sie gehörten zum jugendlichen salafistischen Personenspektrum aus T. .
6Mit Ordnungsverfügung vom 19. Dezember 2013 entzog die Beklagte dem Kläger ohne vorherige Anhörung den Reisepass (Nr. 1) und beschränkte den Geltungsbereich seines Personalausweises auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (Nr. 2). Zur Begründung gab sie den Inhalt des Behördenzeugnisses wieder und führte an, die Teilnahme eines deutschen Staatsangehörigen am bewaffneten "Jihad" sei geeignet, in erheblichem Maße die auswärtigen Belange der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden. Es lägen schwerwiegende Anhaltspunkte dafür vor, dass er beabsichtige, die Bundesrepublik Deutschland zu verlassen, um sich im derzeitigen Krisengebiet Syrien am bewaffneten Kampf ("Jihad") zu beteiligen. In diesem Zusammenhang habe bereits die Abteilung Staatsschutz des PP X. ein Verfahren gegen ihn beantragt. Es werde keine Anhörung durchgeführt, da eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug notwendig erscheine. Die angeordneten Maßnahmen könnten nur Erfolg haben, wenn die Ausreise des Klägers sofort verhindert werde.
7Der Kläger hat am 9. Januar 2014 Klage erhoben und nach Einsicht in den Verwaltungsvorgang der Beklagten geltend gemacht, in der Begründung der angefochtenen Ordnungsverfügung fehle eine Darlegung hinreichend konkreter und belegbarer Anknüpfungstatsachen für die Gefahrenprognose der Beklagten. Das Behördenzeugnis des MIK NRW sei keine solche Tatsache. Die erforderlichen Anknüpfungstatsachen unterlägen auch den allgemeinen Beweisregeln, Beweiserleichterungen stünden der Behörde insoweit nicht zu. Die angegriffene Verfügung sei im Hinblick auf die Gefahr begründenden Tatsachen nicht hinreichend bestimmt. Er, der Kläger, weise die Behauptung, zum salafistischen Personenspektrum aus T. zu zählen, mit Entschiedenheit zurück. Von dort habe er sich bereits seit langer Zeit zurückgezogen. Er besuche andere Moscheen, pflege andere Kontakte, habe eine Freundin und arbeite ganz normal 8 Stunden täglich. Von seinem Bruder, der allerdings in der einschlägigen Szene in T. verankert sei, lasse er sich nicht beeinflussen. Im Zusammenhang mit den Ausschreitungen am 1. Mai 2012 in T. habe er sich früh vom Veranstaltungsort entfernt und sei im später eingeleiteten Strafverfahren freigesprochen worden. Auf dem Zettel, den er bei sich gehabt habe, stünden Telefonnummern von in der Türkei humanitär tätigen zum Teil syrischen Organisationen, keinesfalls aber handele es sich um irgendwelche Kontaktleute oder Schleuser für einen Transitweg. Sein Bruder habe ihm den Zettel mitgegeben, damit er in Istanbul Kontakt zu humanitär tätigen Organisationen für die Hilfe nach Syrien aufnehme. Mit dem im - ohnehin offensichtlich auf Anlass gefertigten und daher unverwertbaren - Bericht vom 11. August 2014 erwähnten V. B1. habe er zwar in der L1. Straße in T. gewohnt. Zu dessen Ausreise sei ihm aber nichts bekannt gewesen. Überdies habe er Kontakt mit einer Mitarbeiterin eines Aussteigerprogramms aufgenommen und einen ersten Besprechungstermin vereinbart.
8Der Kläger hat beantragt,
9die Ordnungsverfügung der Beklagten vom 19. Dezember 2013 aufzuheben.
10Die Beklagte hat beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Sie hat ergänzend auf den Vermerk des PP X. vom 6. Dezember 2013 Bezug genommen und darauf hingewiesen, dass der Kläger danach regelmäßiger Besucher und Vorstandsmitglied des verbotenen Vereins "Millatu Ibrahim" gewesen sei, sich bei den Ausschreitungen am 1. Mai 2012 am Tatort befunden habe, im Zusammenhang mit den Koraninformationsständen aufgetreten sei und sich mehrfach in Begleitung von Hasan Keskin aufgehalten habe. Gegen die Annahme einer Ausreiseabsicht zu touristischen Zwecken spreche die bei ihm gefundene Telefonliste. Ferner hat die Beklagte einen ergänzenden Bericht des PP X. vom 11. August 2014 vorgelegt, wonach der Kläger zuletzt mit V. B1. in der L1. Straße in T. zusammengewohnt habe. B1. sei trotz eigener Ausreiseuntersagung im Juni 2014 zunächst über Wien vermutlich nach Syrien ausgereist. Mit S. C1. , E. K1. und C2. L2. seien drei der Terrorkrieger aus T. bereits in Syrien gestorben. Auch T5. L3. sei ehemaliger Weggefährte des Klägers und seines Bruders gewesen. Er gebe im Internet ganz offen an, für den Islamischen Staat zu kämpfen. Zweifelhaft sei die Glaubhaftigkeit der Angabe des Klägers, in einem Aussteigerprogramm zu sein. Auch in der Vergangenheit habe er stets geleugnet, Angehöriger der Szene zu sein, auch wenn hierfür offenkundige Befunde vorgelegen hätten.
13Mit dem angefochtenen Urteil hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Kläger sei zusammen mit seinem Bruder öfter auf Veranstaltungen einer wegen dort gehaltener Predigten jihadistischen Inhaltes inzwischen verbotenen Vereinigung gewesen. Auch wegen seiner Eigenschaft als deren Vorstandsmitglied dürfe angenommen werden, er stehe auch inhaltlich hinter den Zielen der von ihm repräsentierten Organisation. Als weitere Indizien für die Absicht des Klägers, zur Teilnahme am "Jihad" auszureisen, führte das Verwaltungsgericht seine Beteiligung an Informationsständen und Videoproduktionen der salafistischen Bewegung "Tauhid", sein Auftreten als Kontakt- und Begleitperson des Predigers Keskin, das Aufgreifen seines Bruders Mitte 2013 in der Türkei sowie den Besitz des Zettels mit Telefonnummern bei seiner unterbundenen Ausreise in die Türkei an.
14Gegen das am 19. September 2014 zugestellte Urteil hat der Kläger am Montag, dem 20. Oktober 2014 die vom Verwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Berufung eingelegt. Zu ihrer Begründung macht er im Wesentlichen geltend: Dass er beabsichtigt habe, zur Teilnahme am "militanten Jihad" nach Syrien auszureisen, sei durch nichts belegt. Er würde sich niemals einer Terrorgruppe wie der ISIS anschließen. Konkrete und belegbare Anknüpfungstatsachen der für die Gefahrenprognose darlegungs- und beweispflichtigen Behörde fehlten. Die Beklagte verweise in dem Bescheid lediglich generell auf Kenntnisse von Sicherheitsbehörden. Dies sei nicht geeignet, die angegriffenen Maßnahmen zu begründen. Die Mitteilung des Ministeriums für Inneres und Kommunales vom 19. Dezember 2013 sei unerheblich, weil es nach der Gesetzeslage auf Tatsachen ankomme, nicht auf die behördliche Einschätzung oder Bewertung von Tatsachen. Auch "die Bezugnahme auf die Einschätzung des Bundesministeriums vom 14.06.2012" sei nicht ausreichend. Zudem gebe es eine Vielzahl von Gruppierungen, die gegen das Assad-Regime kämpften. Diese würden zum Teil von den USA unterstützt. Auch erhalte die ISIS oder IS Unterstützung durch Staaten wie die Türkei oder Qatar, zumindest aber durch in diesen Ländern tätige private Geschäftsleute, die ihrerseits Kontakte zu den USA unterhielten. Daher sei nicht zu erkennen, inwieweit ausgerechnet durch ihn, den Kläger, erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet würden.
15Der Kläger beantragt sinngemäß,
16das angefochtene Urteil zu ändern und nach dem erstinstanzlichen Klageantrag zu erkennen.
17Die Beklagte beantragt,
18die Berufung zurückzuweisen.
19Sie verweist auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts sowie des Senats im Beschluss vom 16. April 2014 - 19 B 59/14 - und übermittelt die telefonische Auskunft der für das Aussteigerprogramm zuständigen Sachbearbeiterin beim MIK NRW, dass sich der Kläger auf mehrfache telefonische und zuletzt schriftliche Kontaktversuche nicht gemeldet habe.
20Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten dieses Verfahrens und der Verfahren 24 L 37/14 und 24 L 1849/14 - VG Düsseldorf -, des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Beklagten sowie der Akten zum Verfahren 80 Js 1120/13 (StA Düsseldorf) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
21Die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung des Klägers ist zulässig, aber unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klage ist als Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 VwGO zulässig, aber unbegründet. Die Ordnungsverfügung der Beklagten vom 19. Dezember 2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die in deren Nr. 1 verfügte Passentziehung findet ihre Rechtsgrundlage in § 8 PassG. Danach kann ein Pass dem Inhaber entzogen werden, wenn Tatsachen bekanntwerden, die nach § 7 Abs. 1 PassG die Passversagung rechtfertigen würden. § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG setzt tatbestandlich voraus, dass bestimmte Tatsachen die Annahme begründen, dass der Passinhaber die innere oder äußere Sicherheit oder sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet. Die in Nr. 2 der angefochtenen Ordnungsverfügung angeordnete Ausweisbeschränkung hat die Beklagte zu Recht auf § 6 Abs. 7 PAuswG gestützt, der diese Maßnahme ebenfalls an das Vorliegen eines Passversagungsgrundes nach § 7 Abs. 1 PassG knüpft.
22Am Maßstab dieser beiden Ermächtigungsgrundlagen ist die angefochtene Ordnungsverfügung materiell rechtmäßig (A.). Auch Verfahrensfehler rechtfertigen nicht ihre Aufhebung (B.).
23A. In materiell-rechtlicher Hinsicht hat die Beklagte die beiden genannten Maßnahmen ausschließlich auf die 3. Variante des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG gestützt (Gefährdung sonstiger erheblicher Belange der Bundesrepublik Deutschland). Diesen Passversagungsgrund hat sie sinngemäß in Bezug genommen, indem sie zur Begründung ausgeführt hat, die Teilnahme eines deutschen Staatsangehörigen am bewaffneten "Jihad" sei geeignet, in erheblichem Maße die auswärtigen Belange der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden.
24Die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Nr. 1 Variante 3 sind erfüllt. Für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung maßgeblich. Denn sowohl bei der Entziehung des Reisepasses als auch bei der räumlichen Beschränkung des Geltungsbereichs des Personalausweises handelt es sich um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung. Dauerverwaltungsakte sind solche Verfügungen, die einen fortwährenden Regelungsgehalt haben, und deren Rechtsgrundlage verlangt, dass ihre tatbestandlichen Voraussetzungen während des gesamten Wirkungszeitraums der Regelung vorliegen.
25Wolff in Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Auflage 2014, § 113 Rn. 116 mit weiteren Nachweisen.
26Dies ist hier der Fall. Sowohl die Passentziehung als auch die räumliche Beschränkung des Geltungsbereichs des Personalausweises erschöpfen sich nicht in einer einmaligen Anordnung, sondern entfalten dauerhafte Wirkung für den Betroffenen.
27Vgl. VG Berlin, Urteil vom 6. März 2012 - 23 K 59/10 -, juris Rdn. 15.
28Im Streitfall sind Tatsachen bekannt geworden, die die Annahme begründen, dass der Kläger sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet. In der Ausreise eines Deutschen zum Zweck der Unterstützung des militanten "Jihad" liegt eine Gefährdung sonstiger erheblicher Belange der Bundesrepublik Deutschland im Sinne der 3. Variante des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG (I.). Im Streitfall begründen Tatsachen die Annahme, dass der Kläger in solcher Absicht nach Syrien ausreisen wollte und noch will (II.).
29I. Die Ausreise eines Deutschen zum Zweck der Unterstützung des militanten "Jihad" begründet eine Gefährdung sonstiger erheblicher Belange der Bundesrepublik Deutschland im Sinne der 3. Variante des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG. Der Begriff "sonstige erhebliche Belange" ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, dessen Vorliegen der Senat in vollem Umfang nachzuprüfen hat. Er erfasst Tatbestände, die in ihrer Erheblichkeit den beiden anderen Tatbestandsvarianten (innere und äußere Sicherheit) nahekommen. Sie müssen so gewichtig sein, dass die Passbehörde sie aus zwingenden staatspolitischen Gründen der freiheitlichen Entwicklung in der Bundesrepublik voranstellen muss. Das ergibt sich aus dem Zusammenhang der drei Tatbestandsvarianten des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG. Der Passinhaber gefährdet sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland insbesondere, wenn bestimmte Tatsachen die Prognose rechtfertigen, er werde sich im Ausland an Gewalttätigkeiten beteiligen, die geeignet sind, die auswärtigen Beziehungen oder unter besonderen Umständen auch das internationale Ansehen der Bundesrepublik zu schädigen.
30BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2007 - 6 C 39.06 -, BVerwGE 129, 142 = juris Rdn. 28; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 7. Dezember 2004 - 1 S 2218/03 -, VBlBW 2005, 231 = juris Rdn. 21; OVG NRW, Beschluss vom 16. April 2014 - 19 B 59/14 -, NVwZ-RR 2014, 593 = juris Rdn. 3.
31Die Beteiligung am militanten "Jihad" ist geeignet, die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik zu schädigen. Terroranschläge des militanten "Jihad", an denen deutsche Staatsangehörige mitwirken, tangieren massiv die Sicherheitsinteressen der davon betroffenen Länder sowie der internationalen Staatengemeinschaft und sind geeignet, die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik nachhaltig zu beeinträchtigen.
32Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16. April 2014 - 19 B 59/14 -, NVwZ-RR 2014, 593 = juris Rdn. 3; VG Arnsberg, Urteil vom 23. Januar 2015 - 12 K 2036/13 -, juris Rdn. 32; VG Münster, Beschluss vom 27. Juni 2014 - 1 L 328/14 -, juris Rdn. 9; VG Hamburg, Beschluss vom 23. November 2012 - 2 E 2951/12 -, juris Rdn. 14; VG Berlin, Urteil vom 6. März 2012 - 23 K 59.10 -, juris Rdn. 18; VG Braunschweig, Beschluss vom 27. Oktober 2011 - 5 B 164/11 -, juris Rdn. 21; VG Frankfurt a.M., Beschluss vom 30. November 2009 - 5 L 3142/09.F -, juris; VG Aachen, Urteil vom 26. August 2009 - 8 K 637/09 -, juris Rdn. 45; abweichend Daum, Anforderungen an Ausreisebeschränkungen von Islamisten, DÖV 2014, 526 (531).
33Dies unterstreicht der Umstand, dass der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen mit der am 24. September 2014 verabschiedeten Resolution 2178 (2014) die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, Personen, die im Ausland terroristische Taten begehen wollen, an der Einreise, dem Transit und der Ausreise zu hindern und entsprechende Taten unter Strafe zu stellen. Dabei werden sämtliche Vorbereitungs‑, Unterstützungs- und Finanzierungshandlungen erfasst.
34Vgl. Payandeh, Globale Anti-Terrorgesetzgebung: Die deutsche Rechtsordnung im Sog des UN-Sicherheitsrats?, ZRP 2014, 241 (242).
35Zudem gibt eine Vielzahl der militanten Kämpfer seine Herkunft und seine Staats-angehörigkeit in Videobotschaften in den sozialen Netzwerken öffentlich bekannt und kokettiert nicht selten sogar damit, Bürger eines westlichen Staates zu sein, den dieser Staat eingebürgert hat.
36II. Es sind Tatsachen bekannt geworden, die die Annahme begründen, dass der Kläger zum Zwecke der Unterstützung des "Jihad" nach Syrien ausreisen wollte und noch will.
37Der Passversagungstatbestand in § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG setzt voraus, dass konkrete Tatsachen vorliegen, die die Begründetheit der behördlichen Gefahreneinschätzung nachvollziehbar rechtfertigen. Hinsichtlich dieser Gefahreneinschätzung erfordert § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG keine eindeutigen Beweise; es reicht aus, wenn der begründete Verdacht einer Gefährdung der Belange der Bundesrepublik Deutschland besteht. Eine bloße Möglichkeit, eine reine Vermutung oder ein durch konkrete Tatsachen nicht belegbarer Verdacht genügen hingegen nicht, um eine konkrete Gefährdungslage im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG zu begründen. Diese Herabstufung des anzulegenden Wahrscheinlichkeitsmaßstabs in Bezug auf die vorausgesetzte Gefährdung ergibt sich aus dem Wortlaut des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG, der lediglich verlangt, dass Tatsachen "die Annahme" einer Gefährdung im Sinne der Nr. 1 begründen, ohne dass die Gefährdung selbst vorliegen muss.
38Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT- Drs. 14/2726 vom 18. Februar 2000, S. 6; OVG NRW, Beschluss vom 16. April 2014 - 19 B 59/14 -, NVwZ-RR 2014, 593 = juris Rdn. 5 ff.; VG Berlin, Urteil vom 6. März 2012 - 23 K 59.10 -, juris Rdn. 18; VG Braunschweig, Beschluss vom 27. Oktober 2011 - 5 B 164/11 -, juris Rdn. 22; VG Aachen, Urteil vom 26. August 2009 - 8 K 637/09 -, juris Rdn. 46; entsprechend zur Passentziehung wegen Steuerflucht nach § 7 Abs. 1 Nr. 4 PassG OVG Bremen, Beschluss vom 25. Januar 2013
39- 1 B 297/12 -, NordÖR 2013, 217 = juris Rdn. 5.
40Insofern führt der Passversagungstatbestand in § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG zu einer ähnlichen Vorverlagerung des Gefährdungsschutzes wie auch der Ausschlusstatbestand des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG im Rahmen der Einbürgerung.
41Dazu allgemein BVerwG, Beschluss vom 16. Juli 2003 - 6 VR 10.02 -, juris Rdn. 13; zu § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG etwa BVerwG, Beschluss vom 8. Juni 2011 - 5 B 55.10 -, juris Rdn. 3.
42Die Herabstufung des Wahrscheinlichkeitsmaßstabs nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG erstreckt sich auf die von dieser Vorschrift vorausgesetzte Gefährdung, nicht aber auch auf die einzelnen "bestimmten Tatsachen" im Sinne dieses Eingriffstatbestandes. Diese Anknüpfungstatsachen für die Gefahrenprognose müssen nach Zeit, Ort und Inhalt so konkret gefasst sein, dass sie einer Überprüfung im gerichtlichen Verfahren zugänglich sind; für sie verbleibt es bei dem Regelbeweismaß der vollen richterlichen Überzeugungsgewissheit nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
43OVG NRW, Beschluss vom 16. April 2014 - 19 B 59/14 -, NVwZ-RR 2014, 593 = juris Rdn. 11.
44Bei einer Passentziehung wegen befürchteter Ausreise zur Teilnahme am bewaffneten "Jihad" kommen ebenso wie bei der Beschränkung des Geltungsbereichs des Personalausweises als Anknüpfungstatsachen vor allem konkrete Äußerungen des Passinhabers und seine Einbindung in einen Personenkreis von gewaltbereiten Islamisten sowie deren bisherige Aktivitäten und politische Ziele in Betracht (z. B. Teilnahme an regelmäßigen Zusammenkünften oder an einem Ausbildungscamp für Terroristen; Auffinden von Notizzetteln mit Rufnummern oder Anschriften).
45OVG NRW, Beschluss vom 16. April 2014 - 19 B 59/14 -, NVwZ-RR 2014, 593 = juris Rdn. 12; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 7. März 2011 - 5 S 22.10, 5 M 34.10 -, juris, Rdn. 4, 6; VG Münster, Beschluss vom 27. Juni 2014 - 1 L 328/14 -, juris Rdn. 7; VG Hamburg, Beschluss vom 23. November 2012 - 2 E 2951/12 -, juris Rdn. 18 ff.; VG Berlin, Urteile vom 6. März 2012 - 23 K 59.10 -, juris Rdn. 18, und - 23 K 58.10 -, juris, Rdn. 20; VG Braunschweig, Beschluss vom 27. Oktober 2011 - 5 B 164/11 -, juris Rdn. 20; OVG NRW, Beschluss vom 11. September 2013 - 18 B 866/13 -, juris Rdn. 11 (Ausreiseverbot nach § 46 Abs. 2 AufenthG); Daum, a. a. O., S. 529.
46Dabei ist es nicht erforderlich, dass das Reiseziel, die Art und Weise der Beteiligung am "Jihad" und die Rückkehrabsicht des Verfügungsadressaten jeweils konkret bezeichnet werden können. Angesichts des erheblichen Gewichts der Gefährdung kann insoweit auf allgemeine Erkenntnisse zur Unterstützung des bewaffneten "Jihad" zurückgegriffen werden. Hierzu ist dem Verfassungsschutzbericht 2013 unter anderem zu entnehmen, die Grenzen zwischen politischen und "jihadistischen" Salafisten seien fließend. Bis Anfang 2014 hätten Erkenntnisse zu mehr als 270 deutschen Islamisten bzw. Islamisten aus Deutschland vorgelegen, die in Richtung Syrien ausgereist seien, um sich an den Kampfhandlungen zu beteiligen oder den Widerstand gegen das Assad-Regime in sonstiger Weise zu unterstützen - ein Trend, dessen Ende nicht abzusehen sei. Wenngleich aus den meisten Bundesländern Personen nach Syrien ausgereist seien, sei eine Schwerpunktbildung insbesondere dort zu erkennen, wo - wie in T. - über Jahre eine aktive islamistische Szene existiere. In vielen Fällen bleibe das tatsächliche Ziel der Ausreisen unklar.
47Dies zugrunde gelegt begründen im Fall des Klägers bestimmte Tatsachen im Sinne der 3. Variante des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG die Annahme, dass er sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, nämlich deren auswärtige Beziehungen. Die Beklagte hat ihre behördliche Gefahreneinschätzung, der Kläger wolle zum Zweck der Beteiligung am bewaffneten Jihad im Bürgerkrieg in Syrien ausreisen, auf konkrete Tatsachen gestützt, die die Begründetheit dieser Prognose nachvollziehbar rechtfertigen. Als Anknüpfungstatsachen für diese Prognose hat sie unter anderem angeführt,
48 der Kläger sei bis zu dessen Verbot im Juni 2012 regelmäßiger Besucher des Moscheevereins "Millatu Ibrahim e. V." in T. gewesen (1.),
49 habe sich bei den salafistischen Ausschreitungen in T. am 1. Mai 2012 am Veranstaltungsort befunden (2.),
50 habe sich an den sog. Koraninformationsständen und an Freizeitaktivitäten der salafistischen Szene Solingens beteiligt (3.), und
51 sei in den letzten Wochen vor seinem Ausreiseversuch mehrfach als Begleit- und Kontaktperson des islamistischen Predigers Hassan Keskin in Erscheinung getreten (4.).
52Diese Indiztatsachen lassen jedenfalls in ihrer Gesamtheit den von den Sicherheitsbehörden und der Beklagten gezogenen Prognoseschluss zu, der Kläger habe zum Zweck der Teilnahme am bewaffneten "Jihad" ausreisen wollen und plane dies auch weiterhin.
53Zunächst liegen Tatsachen vor, die die Annahme der Ausreiseabsicht des Klägers Richtung Syrien begründen. Es steht fest, dass der Kläger am 4. Dezember 2013 am Flughafen Köln-Bonn durch die Grenzpolizei daran gehindert worden ist, nach Istanbul auszureisen. Er war dabei in Begleitung zweier Personen - T1. G. und T2. C. -, für die ebenfalls Anhaltspunkte für ihre Einbindung in das Umfeld der verbotenen Vereinigung "Millatu Ibrahim" bestehen. Der Annahme, die Reise habe touristischen Zwecken gedient, standen deren Umstände entgegen: Der Kläger und seine Begleiter hatten das Flugticket erst am gleichen Tag erworben; sie führten jeweils lediglich Handgepäck mit sich; Angaben dazu, wo sich aufhalten und wie sie zurückreisen wollten, machten sie nicht. Die Notizen auf dem Zettel, den der Kläger bei sich trug, lassen darauf schließen, dass die Reise in die nahe der türkisch-syrischen Grenze gelegenen Stadt Gaziantep (kurz Antep) weitergehen sollte; denn auf dem Zettel ist neben Namen des oder der Ansprechpartner und einer Telefonnummer notiert: "Anrufen vom Reisebus-Bahnhof (…) in Antep oder Anrufen vom Flughafen in Antep" . Angemerkt sei wegen der Beanstandungen des Klägers, die Notiz nicht zur Kenntnis bekommen zu haben, dass sich die Kopie jenes Zettels bei den Verwaltungsvorgängen befindet, in die der Prozessbevollmächtigte des Klägers Einsicht genommen hat.
54Das Vorbringen des Klägers in der mündlichen Verhandlung, er habe in Istanbul Verwandte besuchen wollen, den Zettel mit den Telefonnummern habe er von seinem Bruder bekommen, um ihn seinen Begleitern zu geben, und/oder er habe über die Telefonnummern in Kontakt zu in der Türkei tätigen Organisationen für humanitäre Hilfe in Syrien treten wollen, auch seine Begleiter habe er auf Wunsch seines Bruders mitgenommen und ebenfalls auf deren Wunsch erst nur ein Hinflugticket gekauft, ist insgesamt ungereimt und nicht glaubhaft. Weder ist nachvollziehbar, warum der Kläger nur mit Handgepäck zu Verwandten gereist sein will, noch, warum es nötig gewesen sein sollte, dass er seine Begleiter mitnimmt, noch, warum er - wirtschaftlich unvernünftigerweise - deren Wunsch entsprochen und nur ein Hinflugticket gekauft haben sollte, noch, warum er diese Verwandten zuvor niemals erwähnt und insbesondere bei der Ausreisekontrolle nicht genannt hat. Sein Vorbringen zu dem Zettel mit den Telefonnummern ist schon nicht einheitlich.
55Eine Reihe von Tatsachen belegt darüber hinaus die Einbindung des Klägers in einen Personenkreis von mit dem "Jihad" sympathisierenden Islamisten jedenfalls bis ins Jahr 2013 hinein. Diese Einbindung lässt darauf schließen, dass Zweck der Ausreise die Unterstützung des "Jihad" in Syrien war und weiterhin wäre.
561. Ein gewichtiges Indiz hierfür bildet der Umstand, dass der Kläger bis zu dessen Verbot im Juni 2012 regelmäßiger Besucher des Vereins "Millatu Ibrahim e. V." ("Religion Abrahams") in T. war, der im Jahre 2012 durch das Bundesministerium des Innern wegen Bestrebungen gegen die verfassungsmäßige Ordnung sowie den Gedanken der Völkerverständigung verboten worden ist (vgl. Bundesamt für Verfassungsschutz, Verfassungsschutzbericht 2012, S. 236). Dies steht zur Überzeugung des Senats fest, zumal der Kläger die Tatsache nicht dezidiert bestritten hat. Er stellt lediglich pauschal eine "Verbindung zum salafistischen Personenspektrum" in T. in Abrede ("wird mit aller Entschiedenheit zurückgewiesen"), räumt diese aber für die Vergangenheit sogar indirekt ein, wenn er geltend macht, er habe sich "bereits seit langer Zeit von dort zurückgezogen". Diese vagen Formulierungen entkräften die vorgenannte Indiztatsache nicht, weil sie Zeitpunkt, Beweggründe, nähere Umstände und vor allem die Art des angeblichen "Zurückziehens" offen lassen. Die Behauptung des Klägers, er besuche "andere Moscheen" und pflege "andere Kontakte", ist ohne Substanz geblieben; der Kläger hat weder andere Moscheen noch Kontakte benannt.
572. Bei den salafistischen Ausschreitungen am 1. Mai 2012 in T. , bei denen Islamisten gegen das Zeigen der Mohammed-Karikaturen durch die Bürgerbewegung "Pro NRW" protestierten und in darauf folgenden Krawallen Polizisten verletzten, befand der Kläger sich am Veranstaltungsort. Auch diesen Umstand hat er mit dem Vorbringen eingeräumt, am 1. Mai 2012 habe er sich frühzeitig vom Ort der Ausschreitungen entfernt.
583. Der Kläger ist überdies wie sein Bruder im Zusammenhang mit der mittlerweile ebenfalls verbotenen Vereinigung "Tauhid Deutschland" sowie als Teilnehmer an Freizeitaktivitäten der salafistischen Szene in Erscheinung getreten. Im Bericht des Polizeipräsidiums X. vom 6. Dezember 2013 finden sich ein Foto und ein Screenshot, die den Kläger in einem Kreis von ersichtlich Gleichgesinnten an einem Koraninformationsstand der salafistischen Vereinigung "Tauhid" und als Beteiligten an deren Videoproduktion zeigen. Unter der Bezeichnung "Tauhid Germany" (zeitweise auch "Tauhid Deutschland") firmierte eine Gruppe, die sich zur Verbreitung salafistischer Propaganda im Internet zusammengeschlossen hatte (Verfassungsschutzbericht NRW 2013, S. 272). Sie verfügte neben einer eigenen Webseite über Online-Auftritte bei Facebook und YouTube, wo sich neben Predigten in deutscher Sprache Beiträge von arabischsprachigen Gelehrten fanden, die der salafistischen Szene als Vorbild dienten. Viele der bei "Tauhid Germany" eingestellten Videos und Postings ließen starke Bezüge zum Jihadismus erkennen, indem sie etwa den gewaltsamen "Jihad" verherrlichten und zum Hass gegen "Ungläubige" aufriefen. Das Bundesinnenministerium hat die Vereinigung "Tauhid Germany" am 26. März 2015 verboten mit der Begründung, die Vereinigung rufe über das Internet und mit Informationsständen Muslime "zum Kampf gegen die verfassungsmäßige Ordnung" auf und glorifiziere den gewaltsamen "Jihad" von Gruppen wie dem Islamischen Staat (IS) in Syrien und im Irak.
59Die bei den Verwaltungsvorgängen befindliche Abbildung aus dem Screenshot (wohl vom November 2013), die auch den Kläger zeigt, ist überschrieben mit "B. Ibrahim und ein paar Brüder nach den Dreharbeiten zu den Video zur Unterstützung von Ansarul Asser". Mit "Ansarul Asser" ist offensichtlich die entsprechende Webseite der deutschen Islamisten-Szene zur Unterstützung inhaftierter Islamisten gemeint (ansarul-aseer.com; vgl. Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen, Verfassungsschutzbericht 2013, S. 272 f.), mit "Abu Ibrahim" Hasdan (Hassan) Keskin, ein wegen der Schärfe seiner Predigten kritisierter, strafgerichtlich verurteilter und vom Verfassungsschutz beobachteter islamistischer Prediger.
60Hierzu hat der Kläger sich dahin eingelassen, auf dem Foto sowie dem Screenshot unterscheide er sich nach Kleidung und Habitus von den übrigen Abgebildeten. Die Beeinflussungen seines Bruders sowie anderer Bekannter aus der salafistischen Szene wehre er ab. Der Umstand, dass der Kläger auf dem Foto und auf dem Screenshot jeweils der einzige von fünf Abgebildeten ist, der keinen Bart trägt - hierauf will der Kläger möglicherweise hinaus -, schmälert jedoch den im Übrigen zu gewinnenden Eindruck nicht durchgreifend, dass es sich um Gleichgesinnte handelt; neben der Bildüberschrift spricht hierfür etwa, dass der Kläger die gleiche Geste wie jeweils ein Teil der Abgebildeten zeigt, nämlich den erhobenen Zeigefinger. Seine Behauptung, er unterscheide sich auf den Abbildungen auch nach seiner Kleidung von den übrigen Abgebildeten, hat der Kläger weder näher erläutert noch ist sie sonst nachvollziehbar.
614. Der Kläger hat schließlich nicht in Abrede gestellt, dass er als Begleit- und Kontaktperson des vorerwähnten Predigers Hassan Keskin in Erscheinung getreten ist.
62Der Kläger hat das Gewicht dieser seine Einbindung in die salafistische Szene Solingens belegenden Anhaltspunkte nicht entkräftet. Es ist nicht anzunehmen, dass er sich tatsächlich vollständig aus diesen Zusammenhängen gelöst hat. Hierfür genügt es nicht, dass er sich mit einer Mitarbeiterin eines Aussteiger-programms in Verbindung gesetzt hat. Denn nach der Auskunft der für das Aussteigerprogramm zuständigen Sachbearbeiterin beim MIK NRW vom 30. Oktober 2014 hat der Kläger sich auf mehrfache telefonische und zuletzt schriftliche Kontaktversuche nicht mehr gemeldet; man werde ihm mitteilen, dass man nicht mehr mit seinem Interesse an dem Programm rechne. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass er seine Teilnahme an dem Programm abgebrochen hat.
63Auch der Umstand, dass der Kläger, wie er behauptet, in einem festen Arbeitsverhältnis steht, reicht nicht aus. Abgesehen davon, dass er es insoweit an jeder näheren Angabe hat fehlen lassen, ist anzunehmen, dass er seine bis Ende 2013 innegehabte Arbeitsstelle aufgegeben hat, als er im Dezember 2013 nach Syrien auszureisen versucht hat. Denn in den Auszügen zum Girokonto Nr. … bei der T6. T. sind für die Zeit bis November 2013 Lohnzahlungen des Unternehmens H. H1. T. belegt, für die Zeit ab Januar 2014 jedoch solche der L4. Q. T7. Das lässt darauf schließen, dass den Kläger allein das Innehaben einer Arbeitsstelle von der Ausreise nicht abhält.
64Endlich rechtfertigt es keine abweichende Beurteilung, dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung weniger den Eindruck eines fanatischen Islamisten, sondern eher den eines leicht beeinflussbaren Mitläufers hinterlassen oder zumindest zu hinterlassen versucht hat. Denn auch dann verbleibt der Befund, dass er sich dem Einfluss insbesondere seines fest in der salafistischen Szene verankerten älteren Bruders nur unzureichend entziehen kann und von diesem namentlich zur Unterstützung des "Jihad" - einschließlich der Ausreise zu diesem Zweck - zu verleiten ist.
65Angesichts dessen kann auf sich beruhen, ob die von der Beklagten herangezogenen Anknüpfungstatsachen auch im Sinne der 1. Variante des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG die Annahme begründen, der Kläger gefährde die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland,
66vgl. hierzu VG Münster, Beschluss vom 27. Juni 2014 - 1 L 328/14 -, juris, Rdn. 11; VG Frankfurt a.M., Beschluss vom 30. November 2009 - 5 L 3142/09.F -, juris.
67oder die Passversagungsgründe in § 7 Abs. 1 Nr. 6 PassG (unbefugtes Verpflichten zum Wehrdienst außerhalb der Bundeswehr) oder in § 7 Abs. 1 Nr. 10 PassG erfüllen (Vornahme einer in § 89a StGB beschriebenen Handlung).
68Vgl. Daum, a.a.O., S. 531 ff.
69II. Ermessensfehler liegen nicht vor. Die Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 PassG, wonach von einer Passversagung abzusehen ist, wenn sie unverhältnismäßig ist, insbesondere wenn es genügt, den Geltungsbereich oder die Gültigkeitsdauer des Passes zu beschränken, sind nicht erfüllt. Die Maßnahme ist geeignet, erforderlich und auch angemessen, die nach dem oben Ausgeführten weiterhin gegebene Gefahr einer Teilnahme des Klägers am bewaffneten "Jihad" im Ausland zumindest zu verringern. Mildere Mittel mit gleicher Eignung zur Zielerreichung sind nicht ersichtlich. Insbesondere scheidet angesichts der Unbestimmtheit der konkreten Unterstützungshandlungen und der Vielzahl der Reisemöglichkeiten eine Beschränkung des Geltungsbereichs des Passes auf bestimmte Länder aus. Da derzeit keine hinreichenden Erkenntnisse dafür vorliegen, dass die Ausreiseabsicht des Klägers zeitlich begrenzt wäre, führt auch die mangelnde Befristung nicht zur Unverhältnismäßigkeit der Maßnahmen. Die Behörde hat überdies den Fall unter Kontrolle zu halten, da den Verwaltungsakten Dauerwirkung zukommt. Gemäß § 7 Abs. 2 Satz 3 PassG wird auf Antrag ein neuer Pass ausgestellt, soweit die Voraussetzungen für die Beschränkung fortfallen.
70Der Senat verkennt nicht, dass die Entziehung des Passes für den Kläger einen erheblichen Eingriff in seine grundgesetzlich geschützte Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG darstellt. Dieser Eingriff ist jedoch angesichts der Schwere des hier zu schützenden Rechtsguts gerechtfertigt. Dem Schutz der damit betroffenen Rechtsgüter - insbesondere dem Schutz von Leib und Leben unbeteiligter Dritter vor terroristischen Anschlägen als international anerkanntes Schutzgut - kommt angesichts der ihnen nach Lage der Dinge drohenden Beeinträchtigungen überragendes Gewicht zu. Entsprechendes gilt im Hinblick auf die verfügte Beschränkung des Geltungsbereichs des Personalausweises des Klägers.
71B. Die angefochtene Ordnungsverfügung ist auch nicht wegen formeller Mängel aufzuheben. Von einer Anhörung des Klägers durfte die Beklagte absehen (I.). Ein ihrer Ordnungsverfügung etwa anhaftender Begründungsmangel ist unbeachtlich (II.).
72I. Von der nach § 28 Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW erforderlichen Anhörung vor Erlass eines belastenden Verwaltungsaktes durfte die Beklagte nach § 28 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG NRW absehen, weil nach den Umständen des Einzelfalls eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erschien. Es genügt hierfür, dass die Behörde unter diesen Gesichtspunkten eine sofortige Entscheidung für notwendig halten durfte. Im Streitfall bestand die Gefahr, dass der Kläger eine Anhörung zur Passentziehung oder zur Ausreiseuntersagung zum Anlass genommen hätte, das Bundesgebiet vor Erlass der Verfügung zu verlassen. Die unten noch näher erläuterte Gefährdung wäre damit eingetreten, die Verfügung ins Leere gegangen. Daran führt nicht vorbei, dass der Reisepass bereits seit dem 4. Dezember 2013 sichergestellt war; denn gleichwohl bestand die Gefahr, dass der Kläger eine Anhörung zur Passentziehung oder zur Ausreiseuntersagung zum Anlass der sofortigen Ausreise auf dem Landweg genommen hätte.
73II. Soweit ein Mangel der nach § 39 Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW erforderlichen Begründung vorliegt, ist dieser unbeachtlich.
74Gemäß § 39 Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW ist ein schriftlicher Verwaltungsakt mit einer Begründung zu versehen. In der Begründung sind gemäß § 39 Abs. 1 Satz 2 VwVfG NRW die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben. Dies verlangt nicht die Darlegung aller Einzelheiten, die für eine vollständige Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts notwendig wären; anzugeben sind jedoch die tragenden Gründe, von denen die erlassende Behörde bei ihrer Entscheidung ausgegangen ist, in tatsächlicher Hinsicht also der von der Behörde ermittelte als gegeben angenommene Sachverhalt.
75Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Auflage 2014, § 39 Rdn. 45; Tiedemann in Bader/Ronellenfitsch, VwVfG, 2010, § 39 Rdn. 32 f.
76Ob die Beklagte diesen Anforderungen gerecht geworden ist, unterliegt Zweifeln, weil sie im streitgegenständlichen Bescheid vom 19. Dezember 2013 für die Darlegung der Tatsachen, die die Annahme einer Gefährdung im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 PassG rechtfertigen, lediglich darauf verwiesen hat, dass dem Kläger am 4. Dezember 2013 am Flughafen Köln-Bonn die Ausreise nach Istanbul untersagt und gegen ihn von der Staatsschutzabteilung des Polizeipräsidiums X. ein Verfahren eingeleitet worden ist, sowie auf das Behördenzeugnis des Ministeriums für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen vom 4. Dezember 2013. Das Behördenzeugnis beschränkt sich jedoch auf den Satz "Hier wurde dienstlich bekannt, dass Herr T8. K. beabsichtigt, gemeinsam mit weiteren Personen aus dem Umfeld der verbotenen Vereinigung 'Millatu Ibrahim' auszureisen, um sich am bewaffneten Jihad in Syrien zu beteiligen" und enthält mithin keine konkreten Anknüpfungstatsachen. Die zahlreichen Einzelheiten, die insbesondere dem seinerzeit bereits vorliegenden und in den Verwaltungsvorgängen befindlichen "Vermerk zur Person T8. K. " des Polizeipräsidiums X. vom 6. Dezember 2013 zu entnehmen sind, sind in dem Bescheid weder wiedergegeben noch auch nur in Bezug genommen.
77Wegen eines Begründungsdefizits könnte jedoch die Aufhebung des Verwaltungsakts gemäß § 46 VwVfG NRW nicht verlangt werden. Denn eine etwaige Verletzung des Begründungserfordernisses hätte die Entscheidung in der Sache offensichtlich nicht beeinflusst. Im Streitfall erscheint es ausgeschlossen, dass bei Beachtung der Verfahrensvorschrift die Entscheidung anders ausgefallen wäre. Denn die Beklagte hat lediglich versäumt, die seinerzeit bereits bekannten, in den Verwaltungsvorgängen dokumentierten und der Verfügung zugrunde liegenden Umstände im Einzelnen aufzuführen.
78Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
79Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
80Der Senat lässt die Revision nicht zu, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
Tenor
Nr. 1 des angefochtenen Beschlusses wird geändert.
Die aufschiebende Wirkung der Klage 4 K 2467/13 VG Aachen gegen Nr. 1 der Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 22. August 2013 wird wiederhergestellt und gegen Nrn. 2 und 5 angeordnet.
Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, dem Antragsteller den Reisepass Nr. XXXXXXXXX zurückzugeben und das Bundespolizeipräsidium unverzüglich zu ersuchen, die Ausschreibung des Antragstellers im Geschützten Grenzfahndungsbestand und seiner Identitätsdokumente im nationalen Sachfahndungsbestand und im Schengener Informationssystem zu löschen.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.
1
Gründe:
2Die Beschwerde ist gemäß § 146 Abs. 1 und 4 VwGO zulässig und begründet. Die Prüfung des Senats ist auf diejenigen Gründe beschränkt, die der Antragsteller innerhalb der einmonatigen Begründungsfrist nach § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO dargelegt hat (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO). Diese fristgerecht dargelegten Gründe rechtfertigen und gebieten es, den angefochtenen Beschluss zu ändern und dem Aussetzungsantrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO gegen die Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 22. August 2013 stattzugeben. Mit dieser Ordnungsverfügung hat sie dem Antragsteller den Reisepass entzogen (Nr. 1), den Geltungsbereich seines Personalausweises auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland beschränkt (Nr. 2), die sofortige Vollziehung dieser beiden Maßnahmen angeordnet (Nr. 3) und ihm unter Androhung eines Zwangsgeldes in Höhe von 1.000,00 Euro aufgegeben, seinen Reisepass sofort nach Erhalt der Ordnungsverfügung bei ihr abzugeben (Nrn. 4 und 5). Die Vollziehungsanordnung in Nr. 3 geht ins Leere, soweit sie sich auf die Ausweisbeschränkung nach § 6 Abs. 7 PAuswG in Nr. 2 der Ordnungsverfügung bezieht, denn diese Maßnahme ist nach § 30 PAuswG schon kraft Gesetzes sofort vollziehbar. Insoweit ist die aufschiebende Wirkung anzuordnen.
3Der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ist begründet, weil das Aussetzungsinteresse des Antragstellers das öffentliche Vollzugsinteresse überwiegt. Nach gegenwärtiger Aktenlage sind die Anordnungen in den Nrn. 1 und 2 der Ordnungsverfügung offensichtlich rechtswidrig und wird die Ordnungsverfügung voraussichtlich im Hauptsacheverfahren 4 K 2467/13 VG Aachen keinen Bestand haben.
4Als Rechtsgrundlage für die in Nr. 1 verfügte Passentziehung kommt nur § 8 PassG in Betracht. Danach kann ein Pass dem Inhaber entzogen werden, wenn „Tatsachen bekanntwerden“, die nach § 7 Abs. 1 PassG die Passversagung rechtfertigen würden. § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG setzt tatbestandlich voraus, dass „bestimmte Tatsachen“ die Annahme begründen, dass der Passinhaber die innere oder äußere Sicherheit oder sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet. Unter dieser Voraussetzung kann die zuständige Behörde nach § 6 Abs. 7 PAuswG auch die Ausweisbeschränkung in Nr. 2 der Ordnungsverfügung gegenüber dem Antragsteller anordnen. Im vorliegenden Fall ist die 3. Alternative des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG einschlägig (Gefährdung sonstiger erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland). Solche Belange gefährdet der Passinhaber insbesondere, wenn bestimmte Tatsachen die Prognose rechtfertigen, er werde sich im Ausland an Gewalttätigkeiten beteiligen, die geeignet sind, die auswärtigen Beziehungen oder unter besonderen Umständen auch das internationale Ansehen der Bundesrepublik zu schädigen.
5BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2007 ‑ 6 C 39.06 ‑, BVerwGE 129, 142, juris, Rdn. 28 (G-8-Gipfel Genua); VGH Bad-Württ., Urteil vom 7. Dezember 2004 ‑ 1 S 2218/03 ‑, VBlBW 2005, 231, juris, Rdn. 21.
6Der Passversagungstatbestand in § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG setzt lediglich voraus, dass konkrete Tatsachen vorliegen, die die Begründetheit der behördlichen Gefahreneinschätzung nachvollziehbar rechtfertigen. Die Anknüpfungstatsachen für die Gefahrenprognose müssen nach Zeit, Ort und Inhalt so konkret gefasst sein, dass sie einer Überprüfung im gerichtlichen Verfahren zugänglich sind. Hingegen erfordert § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG keine eindeutigen Beweise für diese Gefahreneinschätzung. Ausreichend ist eine auf Tatsachen gestützte positive Gefahrenprognose. Eine bloße Möglichkeit, eine reine Vermutung oder ein durch konkrete Tatsachen nicht belegbarer Verdacht genügen nicht, um eine konkrete Gefährdungslage im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG zu begründen.
7Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 14/2726 vom 18. Februar 2000, S. 6; VG Berlin, Urteil vom 6. März 2012 ‑ 23 K 59.10 ‑, juris, Rdn. 18; VG Braunschweig, Beschluss vom 27. Oktober 2011 ‑ 5 B 164/11 ‑, juris, Rdn. 22; VG Aachen, Urteil vom 26. August 2009 ‑ 8 K 637/09 ‑, juris, Rdn. 46; entsprechend zur Passentziehung wegen Steuerflucht nach § 7 Abs. 1 Nr. 4 PassG OVG Bremen, Beschluss vom 25. Januar 2013 ‑ 1 B 297/12 ‑, NordÖR 2013, 217, juris, Rdn. 5.
8Hierin liegt eine Herabstufung des anzulegenden Wahrscheinlichkeitsmaßstabs in Bezug auf die vorausgesetzte Gefährdung. Der Passversagungsgrund des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG liegt nicht erst dann vor, wenn der Betreffende Belange der Bundesrepublik Deutschland tatsächlich gefährdet, sondern schon dann, wenn der begründete Verdacht einer solchen Gefährdung besteht. Diese Herabstufung ergibt sich aus dem Wortlaut des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG, der lediglich verlangt, dass Tatsachen „die Annahme“ einer Gefährdung im Sinne der Nr. 1 begründen, ohne dass die Gefährdung selbst vorliegen muss. Insofern führt der Passversagungstatbestand in § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG zu einer ähnlichen Vorverlagerung des Gefährdungsschutzes wie auch der Ausschlusstatbestand des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG im Rahmen der Einbürgerung.
9Dazu allgemein BVerwG, Beschluss vom 16. Juli 2003 ‑ 6 VR 10.02 ‑, juris, Rdn. 13 (Vereinsverbot); zu § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG: BVerwG, Beschluss vom 8. Juni 2011 ‑ 5 B 55.10 ‑, juris, Rdn. 3; Urteil vom 2. Dezember 2009 ‑ 5 C 24.08 ‑, BVerwGE 135, 302, juris, Rdn. 15, 18 (IGMG); Urteil vom 22. Februar 2007 ‑ 5 C 20.05 ‑, BVerwGE 128, 140, juris, Rdn. 19 f. (PKK-Selbsterklärung).
10In diesem herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab unterscheidet sich der Passversagungstatbestand in § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG ebenso wie der Ausschlusstatbestand des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG von Vereinsverboten sowie von Behauptungen in einem Verfassungsschutzbericht, für die keine Verringerung des Regelbeweismaßes der vollen richterlichen Überzeugungsgewissheit nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO eingreift. Bei diesen Maßnahmen ist eine Herabstufung des Wahrscheinlichkeitsmaßstabs insbesondere nicht wegen des sachtypischen Beweisnotstandes gerechtfertigt, in dem sich die handelnde Behörde befindet, weil der Verfassungsschutz seine Erkenntnisquellen und Arbeitsweisen schützen, Vertraulichkeitszusagen an Informanten einhalten muss und deshalb oftmals die Vorlage seiner Akten nach § 99 VwGO verweigert. Denn eine solche Beweisregel ist weder in § 99 VwGO noch an anderer Stelle der Verwaltungsgerichtsordnung vorgesehen.
11BVerwG, Urteil vom 21. Mai 2008 ‑ 6 C 13.07 ‑, BVerwGE 131, 171, juris, Rdn. 25, 29 (VS-Bericht BW 2001); Urteil vom 3. Dezember 2004 ‑ 6 C 10.02 ‑, NVwZ 2005, 1435, juris, Rdn. 16 (Vereinsverbot).
12Nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG erstreckt sich die Herabstufung des Wahrscheinlichkeitsmaßstabs auf die von dieser Vorschrift vorausgesetzte Gefährdung, nicht aber auch auf die einzelnen „bestimmten Tatsachen“ im Sinne dieses Eingriffstatbestandes. Für diese Indiztatsachen verbleibt es vielmehr bei dem Regelbeweismaß der vollen richterlichen Überzeugungsgewissheit nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Als ausschließlich auf diese Indiztatsachen bezogen versteht der Senat die Aussage der Vorinstanz, ein geheimhaltungsbedingter Beweisnotstand führe nicht zu einer Herabstufung des Regelbeweismaßes der vollen richterlichen Überzeugungsgewissheit nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO (Seite 9 unten des Beschlussabdrucks).
13Bei einer Passentziehung wegen befürchteter Ausreise zur Teilnahme am bewaffneten Jihad kommen als Anknüpfungstatsachen vor allem konkrete Äußerungen des Passinhabers und seine Einbindung in einen Personenkreis von gewaltbereiten Islamisten sowie deren bisherige Aktivitäten und politische Ziele in Betracht (z. B. Teilnahme an regelmäßigen Zusammenkünften, bei denen Koransuren mit zentralen Leitsätzen des militanten Jihad besprochen werden; Teilnahme an einem Ausbildungscamp für Terroristen im Ausland; missglückte Ausreiseversuche; Auffinden eines USB-Speichersticks mit demokratiefeindlichen digitalisierten Büchern; eigene Äußerungen des Passinhabers über einen konkret geplanten Grenzübertritt nach Syrien mit Sprengstoffübergabe).
14OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 7. März 2011 ‑ 5 S 22.10, 5 M 34.10 ‑, NVwZ-RR 2011, 500, juris, Rdn. 4, 6; VG Hamburg, Beschluss vom 23. November 2012 ‑ 2 E 2951/12 ‑, juris, Rdn. 18 ff.; VG Berlin, Urteil vom 6. März 2012, a. a. O., Rdn. 18; Urteil vom 6. März 2012 ‑ 23 K 58.10 ‑, juris, Rdn. 20; VG Braunschweig, a. a. O., Rdn. 20; OVG NRW, Beschluss vom 11. September 2013 ‑ 18 B 866/13 ‑ (Ausreiseverbot nach § 46 Abs. 2 AufenthG).
15Im Fall des Antragstellers hat die Antragsgegnerin derartige nach Zeit, Ort und Inhalt konkretisierte Anknüpfungstatsachen noch nicht einmal im Sinne einer bloßen Behauptung benannt. Sie stützt ihre Maßnahme vielmehr lediglich auf die allgemein formulierte Befürchtung, er plane „zeitnah“ nach Syrien auszureisen, um sich dort „mutmaßlich dem bewaffneten ‚Jihad‘ anzuschließen bzw. terroristische Gruppierungen zu unterstützen“. Diese Befürchtung wiederum stützt sie ausschließlich auf die Mitteilung des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) in seinem Behördenzeugnis vom 1. August 2013, ihm lägen „glaubhafte Informationen aus zuverlässigen Quellen“ vor, welche diese Befürchtung angeblich „belegen“. Hierin liegt keine auf Tatsachen gestützte positive Gefahrenprognose, sondern lediglich die Äußerung einer bloßen Vermutung, welche weder die Antragsgegnerin noch das BfV durch konkrete belegbare Tatsachen untermauert hat. Eine solche Vermutung genügt nicht, um eine konkrete Gefahrenprognose im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG zu stützen.
16Das Behördenzeugnis des BfV ist auch nicht schon selbst als eigenständige Anknüpfungstatsache zu werten, die eine Gefahrenprognose nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG rechtfertigen kann. Allein der Umstand, dass eine Verfassungsschutzbehörde eine bestimmte Gefahrenprognose anstellt, ist noch kein Indiz dafür, dass diese Gefahr tatsächlich besteht. Vielmehr unterliegt auch diese behördliche Gefahreinschätzung in vollem Umfang der gerichtlichen Überprüfung. Für die gerichtliche Überzeugungsbildung über das Vorliegen des Passversagungstatbestandes des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG können nur diejenigen Tatsachen ausschlaggebend sein, die der behördlichen Gefahreinschätzung zugrunde liegen. Ein Behördenzeugnis einer Verfassungsschutzbehörde, mit der diese ihre eigene Gefahrenprognose sowie gegebenenfalls die ihr zugrunde liegenden Feststellungen seiner Mitarbeiter oder Informanten wiedergibt, ist lediglich Erkenntnisquelle, also Beweismittel, nicht aber selbst Indiztatsache für die nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG erforderliche Gefahrenprognose.
17Vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Dezember 2004, a. a. O., Rdn. 16; VG Aachen, a. a. O., Rdn. 51, 55; VG Braunschweig, a. a. O., Rdn. 24.
18In diesem Sinn tragfähige Indiztatsachen benennt auch das BfV in seinem Behördenzeugnis vom 1. August 2013 nicht. Dessen Inhalt erschöpft sich in der oben bereits zitierten Verdachtsbehauptung, die in jeder Hinsicht pauschal ist und durch keinerlei bestimmte Tatsachen gestützt wird, die eine gerichtliche Überprüfung ermöglichen. Auf welche „Informationen“ von nicht genannten Quellen das BfV die genannte Verdachtsbehauptung stützt, ergibt sich weder aus dem Behördenzeugnis noch aus den Begleitinformationen, mit denen die Kriminalpolizei B. dieses der Antragsgegnerin übermittelt hat. Ebenso wenig lässt sich dem sonstigen Akteninhalt entnehmen, auf welche konkreten Indiztatsachen die Antragsgegnerin die von § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG vorausgesetzte Gefährdung sonstiger erheblicher Belange der Bundesrepublik Deutschland durch den Antragsteller stützt. Das gilt insbesondere auch für ihre nicht näher konkretisierte Behauptung in der Begründung zur angefochtenen Ordnungsverfügung, der Antragsteller besitze eine „radikalisierte Persönlichkeit“ und „fortgesetzte Kontakte in die islamistisch-jihadistische Szene“, weshalb „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen [sei], dass Sie versuchen werden, sich einer Haft durch Flucht zu entziehen“.
19Für eine solche bevorstehende oder beabsichtigte Inhaftierung des Antragstellers gibt es nach Aktenlage keinen Anhalt. Dem Senat drängt sich vielmehr der Eindruck auf, dass die Antragsgegnerin die genannten personenbezogenen Aspekte dem Muster einer Passentziehungsverfügung entnommen hat, welches die Kriminalpolizei B. ihr mit dem Behördenzeugnis zur Verfügung gestellt hat. Für den Fall des Antragstellers wären sie dann ohne realen Hintergrund. Folgerichtig hat auch das Amtsgericht B. die beantragte Anordnung der Wohnungsdurchsuchung mit der zutreffenden Begründung abgelehnt, der möglicherweise ernst zu nehmende Hintergrund entbinde die Ermittlungsbehörden nicht von ihrer rechtsstaatlichen Pflicht, die gesetzlichen Eingriffsvoraussetzungen zumindest ansatzweise im Sinne einer behördlichen Behauptung von Indiztatsachen zu konkretisieren (Beschluss vom 21. August 2013 ‑ 620 Gs 1184/13 ‑).
20Der Senat hat schon im Rahmen des vorliegenden Aussetzungsantrags nach § 80 Abs. 5 VwGO zu prüfen, ob die Passbehörde hinreichend konkrete Tatsachen für den nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG erforderlichen Gefahrenverdacht zumindest im Sinne einer Behauptung benannt und gegebenenfalls glaubhaft gemacht hat. Er teilt nicht die Rechtsauffassung der Vorinstanz und anderer erstinstanzlicher Verwaltungsgerichte, die eine Passentziehung in Eilverfahren schon allein im Hinblick auf die bloße Möglichkeit einer Offenlegung der maßgeblichen nachrichtendienstlichen Erkenntnisse im Rahmen einer Beweiserhebung im Hauptsacheverfahren bestätigt haben (S. 10 f. des Beschlussabdrucks).
21VG Aachen, Beschluss vom 14. April 2009 ‑ 8 L 164/09 ‑, NVwZ-RR 2009, 781, juris, Rdn. 28; VG Braunschweig, a. a. O., Rdn. 29 f.
22Vielmehr unterliegen auch behördliche Maßnahmen, welche auf nachrichtendienstliche Erkenntnisse zurückgehen, in einem Aussetzungsverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO der gerichtlichen Überprüfung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht, soweit dies mit den beschränkten Mitteln des Eilverfahrens möglich ist.
23Vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 16. Juli 2003, a. a. O., Rdn. 5 ff.
24Insbesondere ermöglicht auch das Eilverfahren dem Gericht die Prüfung, ob und mit welchem Wahrscheinlichkeitsgrad die behaupteten Indiztatsachen, ihren Nachweis im Hauptsacheverfahren für den Fall eines Bestreitens unterstellt, den Schluss auf die für § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG maßgebliche Haupttatsache zulassen (Ausreise- und Gefährdungsabsicht gerade des Antragstellers). Hierbei handelt es sich um eine tatsächliche Würdigung von Indiztatsachen, hinsichtlich derer sich das Eilverfahren nicht maßgeblich vom Hauptsacheverfahren unterscheidet.
25Abgesehen davon ist im vorliegenden Fall noch nicht einmal zu erwarten, das BfV werde die angefochtene Ordnungsverfügung im Hauptsacheverfahren wenigstens nachträglich mit den erforderlichen konkreten Indiztatsachen untermauern. Denn die Polizei hat mitgeteilt, dem Bundeskriminalamt lägen keine belastbaren Informationen vor, die eine Ausreise des Antragstellers erwarten ließen, trotz intensivster Bemühungen könne es keine weitergehenden Informationen im Sachzusammenhang mitteilen. Auch die Sicherheitskonferenz des Ministeriums für Inneres und Kommunales hat angegeben, es lägen keine freigegebenen Informationen vor; eine Freigabe sei bei der jeweiligen Behörde im Einzelfall zu beantragen. Schließlich hat das Ministerium für Inneres und Kommunales unter dem 27. Januar 2014 die Auskunft des BfV wiedergegeben, ihm lägen aktuell keine belastbaren Informationen vor, die eine Ausreise des Antragstellers aus dem Bundesgebiet erwarten ließen, es halte an dem Behördenzeugnis „mit dem damaligen Stand“ fest; die dahinter stehenden Informationen könnten jedoch nicht weiter offen gelegt werden als sie bereits im Behördenzeugnis formuliert seien.
26Mit der Anordnung an die Antragsgegnerin, den Reisepass zurückzugeben und die Ausschreibung des Antragstellers zur Fahndung löschen zu lassen, macht der Senat von seiner Befugnis nach § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO Gebrauch, die bereits erfolgte Vollziehung der Entziehungsverfügung rückgängig zu machen.
27Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
28Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.
29Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 66 Abs. 3 Satz 3, 68 Abs. 1 Satz 5 GKG).
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in beizutreibender Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Der Kläger ist am 2. Dezember 1991 in T. geboren. Die Beklagte stellte ihm am 16. Juli 2012 den Bundespersonalausweis Nr. , gültig bis zum 15. Juli 2018, sowie am 12. April 2013 den Reisepass Nr. , gültig bis zum 11. April 2019, aus.
3Unter dem 4. Dezember 2013 stellte das Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes NRW (MIK NRW) ein Behördenzeugnis aus, wonach dienstlich bekannt geworden sei, dass der Kläger beabsichtige, gemeinsam mit weiteren Personen aus dem Umfeld der verbotenen Vereinigung "Millatu Ibrahim" auszureisen, um sich am bewaffneten "Jihad" in Syrien zu beteiligen. Beamte der Bundespolizei kontrollierten ihn am selben Tag am Flughafen Köln/Bonn bei der grenzpolizeilichen Ausreisekontrolle des Fluges TK nach Istanbul. Der Kläger befand sich in Begleitung des T1. G. und des T2. C. . Die drei hatten ihr Flugticket erst am Abflugtag gekauft und führten lediglich Handgepäck mit sich. Auf der Grundlage des Behördenzeugnisses führten die Beamten eine Ausreisebefragung bei allen drei Personen durch. Diese gaben an, zu privaten Zwecken nach Istanbul reisen zu wollen; Angaben zu dortiger Unterkunft und Rückflug konnten sie nicht machen. In der Geldbörse des Klägers fand sich ein Zettel, auf dem handschriftlich notiert ist: "Nummer von Deutschland aus: ... Nummer von Türkei aus: ... Der Bruder heißt F. A. . Die Nummer haben wir von B. T3. . Wir wollen zum B. Anrufen vom Reisebus-Bahnhof (…) in Antep oder Anrufen vom Flughafen in Antep". Die Bundespolizei untersagte dem Kläger und seinen beiden Begleitern die Ausreise und stellte den Reisepass des Klägers sicher.
4Das Polizeipräsidium (PP) X. erstellte unter dem 6. Dezember 2013 einen Vermerk zur Person des Klägers. Darin stellt der Verfasser, KOK L. , fest, der ältere Bruder T4. des Klägers habe zu den Gründungsmitgliedern der verbotenen Vereinigung "Millatu Ibrahim" in T. gehört; der Kläger sei als regelmäßiger Besucher des Vereins bekannt. T4. K. sei Mitte 2012 aus Deutschland ausgereist. Die Deutsche Botschaft in Ankara habe am 24. Juli 2013 mitgeteilt, er sei nach Angaben türkischer Behörden am 19. Juli 2013 auf dem Hoheitsgebiet der Türkei festgenommen worden, weil er weder einen Pass noch sonstige Ausweisdokumente, sondern lediglich eine deutsche Einbürgerungsurkunde mit sich geführt habe. Er, KOK L. , habe T4. K. aufgrund verschiedener Haftbefehle bei der Einreise am Frankfurter Flughafen festgenommen. Dabei habe T4. K. freimütig angegeben, er und andere hätten sich "ganz nah an der Kriegsfront befunden". Beide Brüder hätten sich bei den salafistischen Ausschreitungen in T. am 1. Mai 2012 am Veranstaltungsort befunden. Weiter beteilige sich der Kläger auch an den aktuellen Koraninformationsständen und Videoproduktionen der salafistischen Bewegung "Tauhid Deutschland". Hierzu enthält der Vermerk zwei Bilder, auf denen der Kläger mit mehreren anderen Personen abgebildet ist, darunter jeweils T1. G. und T2. C. . Schließlich sei der Kläger in den letzten Wochen mehrfach als Begleit- und Kontaktperson des Predigers Hasan Keskin in Erscheinung getreten, der unter anderem während der Ausschreitungen am 1. Mai 2012 als aufhetzender Wortführer agiert habe.
5In den Vermerken zu den Begleitern des Klägers, T1. G. und T2. C. , ist gleichfalls ausgeführt, sie gehörten zum jugendlichen salafistischen Personenspektrum aus T. .
6Mit Ordnungsverfügung vom 19. Dezember 2013 entzog die Beklagte dem Kläger ohne vorherige Anhörung den Reisepass (Nr. 1) und beschränkte den Geltungsbereich seines Personalausweises auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (Nr. 2). Zur Begründung gab sie den Inhalt des Behördenzeugnisses wieder und führte an, die Teilnahme eines deutschen Staatsangehörigen am bewaffneten "Jihad" sei geeignet, in erheblichem Maße die auswärtigen Belange der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden. Es lägen schwerwiegende Anhaltspunkte dafür vor, dass er beabsichtige, die Bundesrepublik Deutschland zu verlassen, um sich im derzeitigen Krisengebiet Syrien am bewaffneten Kampf ("Jihad") zu beteiligen. In diesem Zusammenhang habe bereits die Abteilung Staatsschutz des PP X. ein Verfahren gegen ihn beantragt. Es werde keine Anhörung durchgeführt, da eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug notwendig erscheine. Die angeordneten Maßnahmen könnten nur Erfolg haben, wenn die Ausreise des Klägers sofort verhindert werde.
7Der Kläger hat am 9. Januar 2014 Klage erhoben und nach Einsicht in den Verwaltungsvorgang der Beklagten geltend gemacht, in der Begründung der angefochtenen Ordnungsverfügung fehle eine Darlegung hinreichend konkreter und belegbarer Anknüpfungstatsachen für die Gefahrenprognose der Beklagten. Das Behördenzeugnis des MIK NRW sei keine solche Tatsache. Die erforderlichen Anknüpfungstatsachen unterlägen auch den allgemeinen Beweisregeln, Beweiserleichterungen stünden der Behörde insoweit nicht zu. Die angegriffene Verfügung sei im Hinblick auf die Gefahr begründenden Tatsachen nicht hinreichend bestimmt. Er, der Kläger, weise die Behauptung, zum salafistischen Personenspektrum aus T. zu zählen, mit Entschiedenheit zurück. Von dort habe er sich bereits seit langer Zeit zurückgezogen. Er besuche andere Moscheen, pflege andere Kontakte, habe eine Freundin und arbeite ganz normal 8 Stunden täglich. Von seinem Bruder, der allerdings in der einschlägigen Szene in T. verankert sei, lasse er sich nicht beeinflussen. Im Zusammenhang mit den Ausschreitungen am 1. Mai 2012 in T. habe er sich früh vom Veranstaltungsort entfernt und sei im später eingeleiteten Strafverfahren freigesprochen worden. Auf dem Zettel, den er bei sich gehabt habe, stünden Telefonnummern von in der Türkei humanitär tätigen zum Teil syrischen Organisationen, keinesfalls aber handele es sich um irgendwelche Kontaktleute oder Schleuser für einen Transitweg. Sein Bruder habe ihm den Zettel mitgegeben, damit er in Istanbul Kontakt zu humanitär tätigen Organisationen für die Hilfe nach Syrien aufnehme. Mit dem im - ohnehin offensichtlich auf Anlass gefertigten und daher unverwertbaren - Bericht vom 11. August 2014 erwähnten V. B1. habe er zwar in der L1. Straße in T. gewohnt. Zu dessen Ausreise sei ihm aber nichts bekannt gewesen. Überdies habe er Kontakt mit einer Mitarbeiterin eines Aussteigerprogramms aufgenommen und einen ersten Besprechungstermin vereinbart.
8Der Kläger hat beantragt,
9die Ordnungsverfügung der Beklagten vom 19. Dezember 2013 aufzuheben.
10Die Beklagte hat beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Sie hat ergänzend auf den Vermerk des PP X. vom 6. Dezember 2013 Bezug genommen und darauf hingewiesen, dass der Kläger danach regelmäßiger Besucher und Vorstandsmitglied des verbotenen Vereins "Millatu Ibrahim" gewesen sei, sich bei den Ausschreitungen am 1. Mai 2012 am Tatort befunden habe, im Zusammenhang mit den Koraninformationsständen aufgetreten sei und sich mehrfach in Begleitung von Hasan Keskin aufgehalten habe. Gegen die Annahme einer Ausreiseabsicht zu touristischen Zwecken spreche die bei ihm gefundene Telefonliste. Ferner hat die Beklagte einen ergänzenden Bericht des PP X. vom 11. August 2014 vorgelegt, wonach der Kläger zuletzt mit V. B1. in der L1. Straße in T. zusammengewohnt habe. B1. sei trotz eigener Ausreiseuntersagung im Juni 2014 zunächst über Wien vermutlich nach Syrien ausgereist. Mit S. C1. , E. K1. und C2. L2. seien drei der Terrorkrieger aus T. bereits in Syrien gestorben. Auch T5. L3. sei ehemaliger Weggefährte des Klägers und seines Bruders gewesen. Er gebe im Internet ganz offen an, für den Islamischen Staat zu kämpfen. Zweifelhaft sei die Glaubhaftigkeit der Angabe des Klägers, in einem Aussteigerprogramm zu sein. Auch in der Vergangenheit habe er stets geleugnet, Angehöriger der Szene zu sein, auch wenn hierfür offenkundige Befunde vorgelegen hätten.
13Mit dem angefochtenen Urteil hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Kläger sei zusammen mit seinem Bruder öfter auf Veranstaltungen einer wegen dort gehaltener Predigten jihadistischen Inhaltes inzwischen verbotenen Vereinigung gewesen. Auch wegen seiner Eigenschaft als deren Vorstandsmitglied dürfe angenommen werden, er stehe auch inhaltlich hinter den Zielen der von ihm repräsentierten Organisation. Als weitere Indizien für die Absicht des Klägers, zur Teilnahme am "Jihad" auszureisen, führte das Verwaltungsgericht seine Beteiligung an Informationsständen und Videoproduktionen der salafistischen Bewegung "Tauhid", sein Auftreten als Kontakt- und Begleitperson des Predigers Keskin, das Aufgreifen seines Bruders Mitte 2013 in der Türkei sowie den Besitz des Zettels mit Telefonnummern bei seiner unterbundenen Ausreise in die Türkei an.
14Gegen das am 19. September 2014 zugestellte Urteil hat der Kläger am Montag, dem 20. Oktober 2014 die vom Verwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Berufung eingelegt. Zu ihrer Begründung macht er im Wesentlichen geltend: Dass er beabsichtigt habe, zur Teilnahme am "militanten Jihad" nach Syrien auszureisen, sei durch nichts belegt. Er würde sich niemals einer Terrorgruppe wie der ISIS anschließen. Konkrete und belegbare Anknüpfungstatsachen der für die Gefahrenprognose darlegungs- und beweispflichtigen Behörde fehlten. Die Beklagte verweise in dem Bescheid lediglich generell auf Kenntnisse von Sicherheitsbehörden. Dies sei nicht geeignet, die angegriffenen Maßnahmen zu begründen. Die Mitteilung des Ministeriums für Inneres und Kommunales vom 19. Dezember 2013 sei unerheblich, weil es nach der Gesetzeslage auf Tatsachen ankomme, nicht auf die behördliche Einschätzung oder Bewertung von Tatsachen. Auch "die Bezugnahme auf die Einschätzung des Bundesministeriums vom 14.06.2012" sei nicht ausreichend. Zudem gebe es eine Vielzahl von Gruppierungen, die gegen das Assad-Regime kämpften. Diese würden zum Teil von den USA unterstützt. Auch erhalte die ISIS oder IS Unterstützung durch Staaten wie die Türkei oder Qatar, zumindest aber durch in diesen Ländern tätige private Geschäftsleute, die ihrerseits Kontakte zu den USA unterhielten. Daher sei nicht zu erkennen, inwieweit ausgerechnet durch ihn, den Kläger, erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet würden.
15Der Kläger beantragt sinngemäß,
16das angefochtene Urteil zu ändern und nach dem erstinstanzlichen Klageantrag zu erkennen.
17Die Beklagte beantragt,
18die Berufung zurückzuweisen.
19Sie verweist auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts sowie des Senats im Beschluss vom 16. April 2014 - 19 B 59/14 - und übermittelt die telefonische Auskunft der für das Aussteigerprogramm zuständigen Sachbearbeiterin beim MIK NRW, dass sich der Kläger auf mehrfache telefonische und zuletzt schriftliche Kontaktversuche nicht gemeldet habe.
20Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten dieses Verfahrens und der Verfahren 24 L 37/14 und 24 L 1849/14 - VG Düsseldorf -, des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Beklagten sowie der Akten zum Verfahren 80 Js 1120/13 (StA Düsseldorf) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
21Die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung des Klägers ist zulässig, aber unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klage ist als Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 VwGO zulässig, aber unbegründet. Die Ordnungsverfügung der Beklagten vom 19. Dezember 2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die in deren Nr. 1 verfügte Passentziehung findet ihre Rechtsgrundlage in § 8 PassG. Danach kann ein Pass dem Inhaber entzogen werden, wenn Tatsachen bekanntwerden, die nach § 7 Abs. 1 PassG die Passversagung rechtfertigen würden. § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG setzt tatbestandlich voraus, dass bestimmte Tatsachen die Annahme begründen, dass der Passinhaber die innere oder äußere Sicherheit oder sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet. Die in Nr. 2 der angefochtenen Ordnungsverfügung angeordnete Ausweisbeschränkung hat die Beklagte zu Recht auf § 6 Abs. 7 PAuswG gestützt, der diese Maßnahme ebenfalls an das Vorliegen eines Passversagungsgrundes nach § 7 Abs. 1 PassG knüpft.
22Am Maßstab dieser beiden Ermächtigungsgrundlagen ist die angefochtene Ordnungsverfügung materiell rechtmäßig (A.). Auch Verfahrensfehler rechtfertigen nicht ihre Aufhebung (B.).
23A. In materiell-rechtlicher Hinsicht hat die Beklagte die beiden genannten Maßnahmen ausschließlich auf die 3. Variante des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG gestützt (Gefährdung sonstiger erheblicher Belange der Bundesrepublik Deutschland). Diesen Passversagungsgrund hat sie sinngemäß in Bezug genommen, indem sie zur Begründung ausgeführt hat, die Teilnahme eines deutschen Staatsangehörigen am bewaffneten "Jihad" sei geeignet, in erheblichem Maße die auswärtigen Belange der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden.
24Die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Nr. 1 Variante 3 sind erfüllt. Für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung maßgeblich. Denn sowohl bei der Entziehung des Reisepasses als auch bei der räumlichen Beschränkung des Geltungsbereichs des Personalausweises handelt es sich um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung. Dauerverwaltungsakte sind solche Verfügungen, die einen fortwährenden Regelungsgehalt haben, und deren Rechtsgrundlage verlangt, dass ihre tatbestandlichen Voraussetzungen während des gesamten Wirkungszeitraums der Regelung vorliegen.
25Wolff in Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Auflage 2014, § 113 Rn. 116 mit weiteren Nachweisen.
26Dies ist hier der Fall. Sowohl die Passentziehung als auch die räumliche Beschränkung des Geltungsbereichs des Personalausweises erschöpfen sich nicht in einer einmaligen Anordnung, sondern entfalten dauerhafte Wirkung für den Betroffenen.
27Vgl. VG Berlin, Urteil vom 6. März 2012 - 23 K 59/10 -, juris Rdn. 15.
28Im Streitfall sind Tatsachen bekannt geworden, die die Annahme begründen, dass der Kläger sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet. In der Ausreise eines Deutschen zum Zweck der Unterstützung des militanten "Jihad" liegt eine Gefährdung sonstiger erheblicher Belange der Bundesrepublik Deutschland im Sinne der 3. Variante des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG (I.). Im Streitfall begründen Tatsachen die Annahme, dass der Kläger in solcher Absicht nach Syrien ausreisen wollte und noch will (II.).
29I. Die Ausreise eines Deutschen zum Zweck der Unterstützung des militanten "Jihad" begründet eine Gefährdung sonstiger erheblicher Belange der Bundesrepublik Deutschland im Sinne der 3. Variante des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG. Der Begriff "sonstige erhebliche Belange" ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, dessen Vorliegen der Senat in vollem Umfang nachzuprüfen hat. Er erfasst Tatbestände, die in ihrer Erheblichkeit den beiden anderen Tatbestandsvarianten (innere und äußere Sicherheit) nahekommen. Sie müssen so gewichtig sein, dass die Passbehörde sie aus zwingenden staatspolitischen Gründen der freiheitlichen Entwicklung in der Bundesrepublik voranstellen muss. Das ergibt sich aus dem Zusammenhang der drei Tatbestandsvarianten des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG. Der Passinhaber gefährdet sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland insbesondere, wenn bestimmte Tatsachen die Prognose rechtfertigen, er werde sich im Ausland an Gewalttätigkeiten beteiligen, die geeignet sind, die auswärtigen Beziehungen oder unter besonderen Umständen auch das internationale Ansehen der Bundesrepublik zu schädigen.
30BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2007 - 6 C 39.06 -, BVerwGE 129, 142 = juris Rdn. 28; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 7. Dezember 2004 - 1 S 2218/03 -, VBlBW 2005, 231 = juris Rdn. 21; OVG NRW, Beschluss vom 16. April 2014 - 19 B 59/14 -, NVwZ-RR 2014, 593 = juris Rdn. 3.
31Die Beteiligung am militanten "Jihad" ist geeignet, die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik zu schädigen. Terroranschläge des militanten "Jihad", an denen deutsche Staatsangehörige mitwirken, tangieren massiv die Sicherheitsinteressen der davon betroffenen Länder sowie der internationalen Staatengemeinschaft und sind geeignet, die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik nachhaltig zu beeinträchtigen.
32Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16. April 2014 - 19 B 59/14 -, NVwZ-RR 2014, 593 = juris Rdn. 3; VG Arnsberg, Urteil vom 23. Januar 2015 - 12 K 2036/13 -, juris Rdn. 32; VG Münster, Beschluss vom 27. Juni 2014 - 1 L 328/14 -, juris Rdn. 9; VG Hamburg, Beschluss vom 23. November 2012 - 2 E 2951/12 -, juris Rdn. 14; VG Berlin, Urteil vom 6. März 2012 - 23 K 59.10 -, juris Rdn. 18; VG Braunschweig, Beschluss vom 27. Oktober 2011 - 5 B 164/11 -, juris Rdn. 21; VG Frankfurt a.M., Beschluss vom 30. November 2009 - 5 L 3142/09.F -, juris; VG Aachen, Urteil vom 26. August 2009 - 8 K 637/09 -, juris Rdn. 45; abweichend Daum, Anforderungen an Ausreisebeschränkungen von Islamisten, DÖV 2014, 526 (531).
33Dies unterstreicht der Umstand, dass der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen mit der am 24. September 2014 verabschiedeten Resolution 2178 (2014) die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, Personen, die im Ausland terroristische Taten begehen wollen, an der Einreise, dem Transit und der Ausreise zu hindern und entsprechende Taten unter Strafe zu stellen. Dabei werden sämtliche Vorbereitungs‑, Unterstützungs- und Finanzierungshandlungen erfasst.
34Vgl. Payandeh, Globale Anti-Terrorgesetzgebung: Die deutsche Rechtsordnung im Sog des UN-Sicherheitsrats?, ZRP 2014, 241 (242).
35Zudem gibt eine Vielzahl der militanten Kämpfer seine Herkunft und seine Staats-angehörigkeit in Videobotschaften in den sozialen Netzwerken öffentlich bekannt und kokettiert nicht selten sogar damit, Bürger eines westlichen Staates zu sein, den dieser Staat eingebürgert hat.
36II. Es sind Tatsachen bekannt geworden, die die Annahme begründen, dass der Kläger zum Zwecke der Unterstützung des "Jihad" nach Syrien ausreisen wollte und noch will.
37Der Passversagungstatbestand in § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG setzt voraus, dass konkrete Tatsachen vorliegen, die die Begründetheit der behördlichen Gefahreneinschätzung nachvollziehbar rechtfertigen. Hinsichtlich dieser Gefahreneinschätzung erfordert § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG keine eindeutigen Beweise; es reicht aus, wenn der begründete Verdacht einer Gefährdung der Belange der Bundesrepublik Deutschland besteht. Eine bloße Möglichkeit, eine reine Vermutung oder ein durch konkrete Tatsachen nicht belegbarer Verdacht genügen hingegen nicht, um eine konkrete Gefährdungslage im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG zu begründen. Diese Herabstufung des anzulegenden Wahrscheinlichkeitsmaßstabs in Bezug auf die vorausgesetzte Gefährdung ergibt sich aus dem Wortlaut des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG, der lediglich verlangt, dass Tatsachen "die Annahme" einer Gefährdung im Sinne der Nr. 1 begründen, ohne dass die Gefährdung selbst vorliegen muss.
38Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT- Drs. 14/2726 vom 18. Februar 2000, S. 6; OVG NRW, Beschluss vom 16. April 2014 - 19 B 59/14 -, NVwZ-RR 2014, 593 = juris Rdn. 5 ff.; VG Berlin, Urteil vom 6. März 2012 - 23 K 59.10 -, juris Rdn. 18; VG Braunschweig, Beschluss vom 27. Oktober 2011 - 5 B 164/11 -, juris Rdn. 22; VG Aachen, Urteil vom 26. August 2009 - 8 K 637/09 -, juris Rdn. 46; entsprechend zur Passentziehung wegen Steuerflucht nach § 7 Abs. 1 Nr. 4 PassG OVG Bremen, Beschluss vom 25. Januar 2013
39- 1 B 297/12 -, NordÖR 2013, 217 = juris Rdn. 5.
40Insofern führt der Passversagungstatbestand in § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG zu einer ähnlichen Vorverlagerung des Gefährdungsschutzes wie auch der Ausschlusstatbestand des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG im Rahmen der Einbürgerung.
41Dazu allgemein BVerwG, Beschluss vom 16. Juli 2003 - 6 VR 10.02 -, juris Rdn. 13; zu § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG etwa BVerwG, Beschluss vom 8. Juni 2011 - 5 B 55.10 -, juris Rdn. 3.
42Die Herabstufung des Wahrscheinlichkeitsmaßstabs nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG erstreckt sich auf die von dieser Vorschrift vorausgesetzte Gefährdung, nicht aber auch auf die einzelnen "bestimmten Tatsachen" im Sinne dieses Eingriffstatbestandes. Diese Anknüpfungstatsachen für die Gefahrenprognose müssen nach Zeit, Ort und Inhalt so konkret gefasst sein, dass sie einer Überprüfung im gerichtlichen Verfahren zugänglich sind; für sie verbleibt es bei dem Regelbeweismaß der vollen richterlichen Überzeugungsgewissheit nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
43OVG NRW, Beschluss vom 16. April 2014 - 19 B 59/14 -, NVwZ-RR 2014, 593 = juris Rdn. 11.
44Bei einer Passentziehung wegen befürchteter Ausreise zur Teilnahme am bewaffneten "Jihad" kommen ebenso wie bei der Beschränkung des Geltungsbereichs des Personalausweises als Anknüpfungstatsachen vor allem konkrete Äußerungen des Passinhabers und seine Einbindung in einen Personenkreis von gewaltbereiten Islamisten sowie deren bisherige Aktivitäten und politische Ziele in Betracht (z. B. Teilnahme an regelmäßigen Zusammenkünften oder an einem Ausbildungscamp für Terroristen; Auffinden von Notizzetteln mit Rufnummern oder Anschriften).
45OVG NRW, Beschluss vom 16. April 2014 - 19 B 59/14 -, NVwZ-RR 2014, 593 = juris Rdn. 12; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 7. März 2011 - 5 S 22.10, 5 M 34.10 -, juris, Rdn. 4, 6; VG Münster, Beschluss vom 27. Juni 2014 - 1 L 328/14 -, juris Rdn. 7; VG Hamburg, Beschluss vom 23. November 2012 - 2 E 2951/12 -, juris Rdn. 18 ff.; VG Berlin, Urteile vom 6. März 2012 - 23 K 59.10 -, juris Rdn. 18, und - 23 K 58.10 -, juris, Rdn. 20; VG Braunschweig, Beschluss vom 27. Oktober 2011 - 5 B 164/11 -, juris Rdn. 20; OVG NRW, Beschluss vom 11. September 2013 - 18 B 866/13 -, juris Rdn. 11 (Ausreiseverbot nach § 46 Abs. 2 AufenthG); Daum, a. a. O., S. 529.
46Dabei ist es nicht erforderlich, dass das Reiseziel, die Art und Weise der Beteiligung am "Jihad" und die Rückkehrabsicht des Verfügungsadressaten jeweils konkret bezeichnet werden können. Angesichts des erheblichen Gewichts der Gefährdung kann insoweit auf allgemeine Erkenntnisse zur Unterstützung des bewaffneten "Jihad" zurückgegriffen werden. Hierzu ist dem Verfassungsschutzbericht 2013 unter anderem zu entnehmen, die Grenzen zwischen politischen und "jihadistischen" Salafisten seien fließend. Bis Anfang 2014 hätten Erkenntnisse zu mehr als 270 deutschen Islamisten bzw. Islamisten aus Deutschland vorgelegen, die in Richtung Syrien ausgereist seien, um sich an den Kampfhandlungen zu beteiligen oder den Widerstand gegen das Assad-Regime in sonstiger Weise zu unterstützen - ein Trend, dessen Ende nicht abzusehen sei. Wenngleich aus den meisten Bundesländern Personen nach Syrien ausgereist seien, sei eine Schwerpunktbildung insbesondere dort zu erkennen, wo - wie in T. - über Jahre eine aktive islamistische Szene existiere. In vielen Fällen bleibe das tatsächliche Ziel der Ausreisen unklar.
47Dies zugrunde gelegt begründen im Fall des Klägers bestimmte Tatsachen im Sinne der 3. Variante des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG die Annahme, dass er sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, nämlich deren auswärtige Beziehungen. Die Beklagte hat ihre behördliche Gefahreneinschätzung, der Kläger wolle zum Zweck der Beteiligung am bewaffneten Jihad im Bürgerkrieg in Syrien ausreisen, auf konkrete Tatsachen gestützt, die die Begründetheit dieser Prognose nachvollziehbar rechtfertigen. Als Anknüpfungstatsachen für diese Prognose hat sie unter anderem angeführt,
48 der Kläger sei bis zu dessen Verbot im Juni 2012 regelmäßiger Besucher des Moscheevereins "Millatu Ibrahim e. V." in T. gewesen (1.),
49 habe sich bei den salafistischen Ausschreitungen in T. am 1. Mai 2012 am Veranstaltungsort befunden (2.),
50 habe sich an den sog. Koraninformationsständen und an Freizeitaktivitäten der salafistischen Szene Solingens beteiligt (3.), und
51 sei in den letzten Wochen vor seinem Ausreiseversuch mehrfach als Begleit- und Kontaktperson des islamistischen Predigers Hassan Keskin in Erscheinung getreten (4.).
52Diese Indiztatsachen lassen jedenfalls in ihrer Gesamtheit den von den Sicherheitsbehörden und der Beklagten gezogenen Prognoseschluss zu, der Kläger habe zum Zweck der Teilnahme am bewaffneten "Jihad" ausreisen wollen und plane dies auch weiterhin.
53Zunächst liegen Tatsachen vor, die die Annahme der Ausreiseabsicht des Klägers Richtung Syrien begründen. Es steht fest, dass der Kläger am 4. Dezember 2013 am Flughafen Köln-Bonn durch die Grenzpolizei daran gehindert worden ist, nach Istanbul auszureisen. Er war dabei in Begleitung zweier Personen - T1. G. und T2. C. -, für die ebenfalls Anhaltspunkte für ihre Einbindung in das Umfeld der verbotenen Vereinigung "Millatu Ibrahim" bestehen. Der Annahme, die Reise habe touristischen Zwecken gedient, standen deren Umstände entgegen: Der Kläger und seine Begleiter hatten das Flugticket erst am gleichen Tag erworben; sie führten jeweils lediglich Handgepäck mit sich; Angaben dazu, wo sich aufhalten und wie sie zurückreisen wollten, machten sie nicht. Die Notizen auf dem Zettel, den der Kläger bei sich trug, lassen darauf schließen, dass die Reise in die nahe der türkisch-syrischen Grenze gelegenen Stadt Gaziantep (kurz Antep) weitergehen sollte; denn auf dem Zettel ist neben Namen des oder der Ansprechpartner und einer Telefonnummer notiert: "Anrufen vom Reisebus-Bahnhof (…) in Antep oder Anrufen vom Flughafen in Antep" . Angemerkt sei wegen der Beanstandungen des Klägers, die Notiz nicht zur Kenntnis bekommen zu haben, dass sich die Kopie jenes Zettels bei den Verwaltungsvorgängen befindet, in die der Prozessbevollmächtigte des Klägers Einsicht genommen hat.
54Das Vorbringen des Klägers in der mündlichen Verhandlung, er habe in Istanbul Verwandte besuchen wollen, den Zettel mit den Telefonnummern habe er von seinem Bruder bekommen, um ihn seinen Begleitern zu geben, und/oder er habe über die Telefonnummern in Kontakt zu in der Türkei tätigen Organisationen für humanitäre Hilfe in Syrien treten wollen, auch seine Begleiter habe er auf Wunsch seines Bruders mitgenommen und ebenfalls auf deren Wunsch erst nur ein Hinflugticket gekauft, ist insgesamt ungereimt und nicht glaubhaft. Weder ist nachvollziehbar, warum der Kläger nur mit Handgepäck zu Verwandten gereist sein will, noch, warum es nötig gewesen sein sollte, dass er seine Begleiter mitnimmt, noch, warum er - wirtschaftlich unvernünftigerweise - deren Wunsch entsprochen und nur ein Hinflugticket gekauft haben sollte, noch, warum er diese Verwandten zuvor niemals erwähnt und insbesondere bei der Ausreisekontrolle nicht genannt hat. Sein Vorbringen zu dem Zettel mit den Telefonnummern ist schon nicht einheitlich.
55Eine Reihe von Tatsachen belegt darüber hinaus die Einbindung des Klägers in einen Personenkreis von mit dem "Jihad" sympathisierenden Islamisten jedenfalls bis ins Jahr 2013 hinein. Diese Einbindung lässt darauf schließen, dass Zweck der Ausreise die Unterstützung des "Jihad" in Syrien war und weiterhin wäre.
561. Ein gewichtiges Indiz hierfür bildet der Umstand, dass der Kläger bis zu dessen Verbot im Juni 2012 regelmäßiger Besucher des Vereins "Millatu Ibrahim e. V." ("Religion Abrahams") in T. war, der im Jahre 2012 durch das Bundesministerium des Innern wegen Bestrebungen gegen die verfassungsmäßige Ordnung sowie den Gedanken der Völkerverständigung verboten worden ist (vgl. Bundesamt für Verfassungsschutz, Verfassungsschutzbericht 2012, S. 236). Dies steht zur Überzeugung des Senats fest, zumal der Kläger die Tatsache nicht dezidiert bestritten hat. Er stellt lediglich pauschal eine "Verbindung zum salafistischen Personenspektrum" in T. in Abrede ("wird mit aller Entschiedenheit zurückgewiesen"), räumt diese aber für die Vergangenheit sogar indirekt ein, wenn er geltend macht, er habe sich "bereits seit langer Zeit von dort zurückgezogen". Diese vagen Formulierungen entkräften die vorgenannte Indiztatsache nicht, weil sie Zeitpunkt, Beweggründe, nähere Umstände und vor allem die Art des angeblichen "Zurückziehens" offen lassen. Die Behauptung des Klägers, er besuche "andere Moscheen" und pflege "andere Kontakte", ist ohne Substanz geblieben; der Kläger hat weder andere Moscheen noch Kontakte benannt.
572. Bei den salafistischen Ausschreitungen am 1. Mai 2012 in T. , bei denen Islamisten gegen das Zeigen der Mohammed-Karikaturen durch die Bürgerbewegung "Pro NRW" protestierten und in darauf folgenden Krawallen Polizisten verletzten, befand der Kläger sich am Veranstaltungsort. Auch diesen Umstand hat er mit dem Vorbringen eingeräumt, am 1. Mai 2012 habe er sich frühzeitig vom Ort der Ausschreitungen entfernt.
583. Der Kläger ist überdies wie sein Bruder im Zusammenhang mit der mittlerweile ebenfalls verbotenen Vereinigung "Tauhid Deutschland" sowie als Teilnehmer an Freizeitaktivitäten der salafistischen Szene in Erscheinung getreten. Im Bericht des Polizeipräsidiums X. vom 6. Dezember 2013 finden sich ein Foto und ein Screenshot, die den Kläger in einem Kreis von ersichtlich Gleichgesinnten an einem Koraninformationsstand der salafistischen Vereinigung "Tauhid" und als Beteiligten an deren Videoproduktion zeigen. Unter der Bezeichnung "Tauhid Germany" (zeitweise auch "Tauhid Deutschland") firmierte eine Gruppe, die sich zur Verbreitung salafistischer Propaganda im Internet zusammengeschlossen hatte (Verfassungsschutzbericht NRW 2013, S. 272). Sie verfügte neben einer eigenen Webseite über Online-Auftritte bei Facebook und YouTube, wo sich neben Predigten in deutscher Sprache Beiträge von arabischsprachigen Gelehrten fanden, die der salafistischen Szene als Vorbild dienten. Viele der bei "Tauhid Germany" eingestellten Videos und Postings ließen starke Bezüge zum Jihadismus erkennen, indem sie etwa den gewaltsamen "Jihad" verherrlichten und zum Hass gegen "Ungläubige" aufriefen. Das Bundesinnenministerium hat die Vereinigung "Tauhid Germany" am 26. März 2015 verboten mit der Begründung, die Vereinigung rufe über das Internet und mit Informationsständen Muslime "zum Kampf gegen die verfassungsmäßige Ordnung" auf und glorifiziere den gewaltsamen "Jihad" von Gruppen wie dem Islamischen Staat (IS) in Syrien und im Irak.
59Die bei den Verwaltungsvorgängen befindliche Abbildung aus dem Screenshot (wohl vom November 2013), die auch den Kläger zeigt, ist überschrieben mit "B. Ibrahim und ein paar Brüder nach den Dreharbeiten zu den Video zur Unterstützung von Ansarul Asser". Mit "Ansarul Asser" ist offensichtlich die entsprechende Webseite der deutschen Islamisten-Szene zur Unterstützung inhaftierter Islamisten gemeint (ansarul-aseer.com; vgl. Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen, Verfassungsschutzbericht 2013, S. 272 f.), mit "Abu Ibrahim" Hasdan (Hassan) Keskin, ein wegen der Schärfe seiner Predigten kritisierter, strafgerichtlich verurteilter und vom Verfassungsschutz beobachteter islamistischer Prediger.
60Hierzu hat der Kläger sich dahin eingelassen, auf dem Foto sowie dem Screenshot unterscheide er sich nach Kleidung und Habitus von den übrigen Abgebildeten. Die Beeinflussungen seines Bruders sowie anderer Bekannter aus der salafistischen Szene wehre er ab. Der Umstand, dass der Kläger auf dem Foto und auf dem Screenshot jeweils der einzige von fünf Abgebildeten ist, der keinen Bart trägt - hierauf will der Kläger möglicherweise hinaus -, schmälert jedoch den im Übrigen zu gewinnenden Eindruck nicht durchgreifend, dass es sich um Gleichgesinnte handelt; neben der Bildüberschrift spricht hierfür etwa, dass der Kläger die gleiche Geste wie jeweils ein Teil der Abgebildeten zeigt, nämlich den erhobenen Zeigefinger. Seine Behauptung, er unterscheide sich auf den Abbildungen auch nach seiner Kleidung von den übrigen Abgebildeten, hat der Kläger weder näher erläutert noch ist sie sonst nachvollziehbar.
614. Der Kläger hat schließlich nicht in Abrede gestellt, dass er als Begleit- und Kontaktperson des vorerwähnten Predigers Hassan Keskin in Erscheinung getreten ist.
62Der Kläger hat das Gewicht dieser seine Einbindung in die salafistische Szene Solingens belegenden Anhaltspunkte nicht entkräftet. Es ist nicht anzunehmen, dass er sich tatsächlich vollständig aus diesen Zusammenhängen gelöst hat. Hierfür genügt es nicht, dass er sich mit einer Mitarbeiterin eines Aussteiger-programms in Verbindung gesetzt hat. Denn nach der Auskunft der für das Aussteigerprogramm zuständigen Sachbearbeiterin beim MIK NRW vom 30. Oktober 2014 hat der Kläger sich auf mehrfache telefonische und zuletzt schriftliche Kontaktversuche nicht mehr gemeldet; man werde ihm mitteilen, dass man nicht mehr mit seinem Interesse an dem Programm rechne. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass er seine Teilnahme an dem Programm abgebrochen hat.
63Auch der Umstand, dass der Kläger, wie er behauptet, in einem festen Arbeitsverhältnis steht, reicht nicht aus. Abgesehen davon, dass er es insoweit an jeder näheren Angabe hat fehlen lassen, ist anzunehmen, dass er seine bis Ende 2013 innegehabte Arbeitsstelle aufgegeben hat, als er im Dezember 2013 nach Syrien auszureisen versucht hat. Denn in den Auszügen zum Girokonto Nr. … bei der T6. T. sind für die Zeit bis November 2013 Lohnzahlungen des Unternehmens H. H1. T. belegt, für die Zeit ab Januar 2014 jedoch solche der L4. Q. T7. Das lässt darauf schließen, dass den Kläger allein das Innehaben einer Arbeitsstelle von der Ausreise nicht abhält.
64Endlich rechtfertigt es keine abweichende Beurteilung, dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung weniger den Eindruck eines fanatischen Islamisten, sondern eher den eines leicht beeinflussbaren Mitläufers hinterlassen oder zumindest zu hinterlassen versucht hat. Denn auch dann verbleibt der Befund, dass er sich dem Einfluss insbesondere seines fest in der salafistischen Szene verankerten älteren Bruders nur unzureichend entziehen kann und von diesem namentlich zur Unterstützung des "Jihad" - einschließlich der Ausreise zu diesem Zweck - zu verleiten ist.
65Angesichts dessen kann auf sich beruhen, ob die von der Beklagten herangezogenen Anknüpfungstatsachen auch im Sinne der 1. Variante des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG die Annahme begründen, der Kläger gefährde die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland,
66vgl. hierzu VG Münster, Beschluss vom 27. Juni 2014 - 1 L 328/14 -, juris, Rdn. 11; VG Frankfurt a.M., Beschluss vom 30. November 2009 - 5 L 3142/09.F -, juris.
67oder die Passversagungsgründe in § 7 Abs. 1 Nr. 6 PassG (unbefugtes Verpflichten zum Wehrdienst außerhalb der Bundeswehr) oder in § 7 Abs. 1 Nr. 10 PassG erfüllen (Vornahme einer in § 89a StGB beschriebenen Handlung).
68Vgl. Daum, a.a.O., S. 531 ff.
69II. Ermessensfehler liegen nicht vor. Die Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 PassG, wonach von einer Passversagung abzusehen ist, wenn sie unverhältnismäßig ist, insbesondere wenn es genügt, den Geltungsbereich oder die Gültigkeitsdauer des Passes zu beschränken, sind nicht erfüllt. Die Maßnahme ist geeignet, erforderlich und auch angemessen, die nach dem oben Ausgeführten weiterhin gegebene Gefahr einer Teilnahme des Klägers am bewaffneten "Jihad" im Ausland zumindest zu verringern. Mildere Mittel mit gleicher Eignung zur Zielerreichung sind nicht ersichtlich. Insbesondere scheidet angesichts der Unbestimmtheit der konkreten Unterstützungshandlungen und der Vielzahl der Reisemöglichkeiten eine Beschränkung des Geltungsbereichs des Passes auf bestimmte Länder aus. Da derzeit keine hinreichenden Erkenntnisse dafür vorliegen, dass die Ausreiseabsicht des Klägers zeitlich begrenzt wäre, führt auch die mangelnde Befristung nicht zur Unverhältnismäßigkeit der Maßnahmen. Die Behörde hat überdies den Fall unter Kontrolle zu halten, da den Verwaltungsakten Dauerwirkung zukommt. Gemäß § 7 Abs. 2 Satz 3 PassG wird auf Antrag ein neuer Pass ausgestellt, soweit die Voraussetzungen für die Beschränkung fortfallen.
70Der Senat verkennt nicht, dass die Entziehung des Passes für den Kläger einen erheblichen Eingriff in seine grundgesetzlich geschützte Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG darstellt. Dieser Eingriff ist jedoch angesichts der Schwere des hier zu schützenden Rechtsguts gerechtfertigt. Dem Schutz der damit betroffenen Rechtsgüter - insbesondere dem Schutz von Leib und Leben unbeteiligter Dritter vor terroristischen Anschlägen als international anerkanntes Schutzgut - kommt angesichts der ihnen nach Lage der Dinge drohenden Beeinträchtigungen überragendes Gewicht zu. Entsprechendes gilt im Hinblick auf die verfügte Beschränkung des Geltungsbereichs des Personalausweises des Klägers.
71B. Die angefochtene Ordnungsverfügung ist auch nicht wegen formeller Mängel aufzuheben. Von einer Anhörung des Klägers durfte die Beklagte absehen (I.). Ein ihrer Ordnungsverfügung etwa anhaftender Begründungsmangel ist unbeachtlich (II.).
72I. Von der nach § 28 Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW erforderlichen Anhörung vor Erlass eines belastenden Verwaltungsaktes durfte die Beklagte nach § 28 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG NRW absehen, weil nach den Umständen des Einzelfalls eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erschien. Es genügt hierfür, dass die Behörde unter diesen Gesichtspunkten eine sofortige Entscheidung für notwendig halten durfte. Im Streitfall bestand die Gefahr, dass der Kläger eine Anhörung zur Passentziehung oder zur Ausreiseuntersagung zum Anlass genommen hätte, das Bundesgebiet vor Erlass der Verfügung zu verlassen. Die unten noch näher erläuterte Gefährdung wäre damit eingetreten, die Verfügung ins Leere gegangen. Daran führt nicht vorbei, dass der Reisepass bereits seit dem 4. Dezember 2013 sichergestellt war; denn gleichwohl bestand die Gefahr, dass der Kläger eine Anhörung zur Passentziehung oder zur Ausreiseuntersagung zum Anlass der sofortigen Ausreise auf dem Landweg genommen hätte.
73II. Soweit ein Mangel der nach § 39 Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW erforderlichen Begründung vorliegt, ist dieser unbeachtlich.
74Gemäß § 39 Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW ist ein schriftlicher Verwaltungsakt mit einer Begründung zu versehen. In der Begründung sind gemäß § 39 Abs. 1 Satz 2 VwVfG NRW die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben. Dies verlangt nicht die Darlegung aller Einzelheiten, die für eine vollständige Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts notwendig wären; anzugeben sind jedoch die tragenden Gründe, von denen die erlassende Behörde bei ihrer Entscheidung ausgegangen ist, in tatsächlicher Hinsicht also der von der Behörde ermittelte als gegeben angenommene Sachverhalt.
75Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Auflage 2014, § 39 Rdn. 45; Tiedemann in Bader/Ronellenfitsch, VwVfG, 2010, § 39 Rdn. 32 f.
76Ob die Beklagte diesen Anforderungen gerecht geworden ist, unterliegt Zweifeln, weil sie im streitgegenständlichen Bescheid vom 19. Dezember 2013 für die Darlegung der Tatsachen, die die Annahme einer Gefährdung im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 PassG rechtfertigen, lediglich darauf verwiesen hat, dass dem Kläger am 4. Dezember 2013 am Flughafen Köln-Bonn die Ausreise nach Istanbul untersagt und gegen ihn von der Staatsschutzabteilung des Polizeipräsidiums X. ein Verfahren eingeleitet worden ist, sowie auf das Behördenzeugnis des Ministeriums für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen vom 4. Dezember 2013. Das Behördenzeugnis beschränkt sich jedoch auf den Satz "Hier wurde dienstlich bekannt, dass Herr T8. K. beabsichtigt, gemeinsam mit weiteren Personen aus dem Umfeld der verbotenen Vereinigung 'Millatu Ibrahim' auszureisen, um sich am bewaffneten Jihad in Syrien zu beteiligen" und enthält mithin keine konkreten Anknüpfungstatsachen. Die zahlreichen Einzelheiten, die insbesondere dem seinerzeit bereits vorliegenden und in den Verwaltungsvorgängen befindlichen "Vermerk zur Person T8. K. " des Polizeipräsidiums X. vom 6. Dezember 2013 zu entnehmen sind, sind in dem Bescheid weder wiedergegeben noch auch nur in Bezug genommen.
77Wegen eines Begründungsdefizits könnte jedoch die Aufhebung des Verwaltungsakts gemäß § 46 VwVfG NRW nicht verlangt werden. Denn eine etwaige Verletzung des Begründungserfordernisses hätte die Entscheidung in der Sache offensichtlich nicht beeinflusst. Im Streitfall erscheint es ausgeschlossen, dass bei Beachtung der Verfahrensvorschrift die Entscheidung anders ausgefallen wäre. Denn die Beklagte hat lediglich versäumt, die seinerzeit bereits bekannten, in den Verwaltungsvorgängen dokumentierten und der Verfügung zugrunde liegenden Umstände im Einzelnen aufzuführen.
78Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
79Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
80Der Senat lässt die Revision nicht zu, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
Tenor
Nr. 1 des angefochtenen Beschlusses wird geändert.
Die aufschiebende Wirkung der Klage 4 K 2467/13 VG Aachen gegen Nr. 1 der Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 22. August 2013 wird wiederhergestellt und gegen Nrn. 2 und 5 angeordnet.
Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, dem Antragsteller den Reisepass Nr. XXXXXXXXX zurückzugeben und das Bundespolizeipräsidium unverzüglich zu ersuchen, die Ausschreibung des Antragstellers im Geschützten Grenzfahndungsbestand und seiner Identitätsdokumente im nationalen Sachfahndungsbestand und im Schengener Informationssystem zu löschen.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.
1
Gründe:
2Die Beschwerde ist gemäß § 146 Abs. 1 und 4 VwGO zulässig und begründet. Die Prüfung des Senats ist auf diejenigen Gründe beschränkt, die der Antragsteller innerhalb der einmonatigen Begründungsfrist nach § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO dargelegt hat (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO). Diese fristgerecht dargelegten Gründe rechtfertigen und gebieten es, den angefochtenen Beschluss zu ändern und dem Aussetzungsantrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO gegen die Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 22. August 2013 stattzugeben. Mit dieser Ordnungsverfügung hat sie dem Antragsteller den Reisepass entzogen (Nr. 1), den Geltungsbereich seines Personalausweises auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland beschränkt (Nr. 2), die sofortige Vollziehung dieser beiden Maßnahmen angeordnet (Nr. 3) und ihm unter Androhung eines Zwangsgeldes in Höhe von 1.000,00 Euro aufgegeben, seinen Reisepass sofort nach Erhalt der Ordnungsverfügung bei ihr abzugeben (Nrn. 4 und 5). Die Vollziehungsanordnung in Nr. 3 geht ins Leere, soweit sie sich auf die Ausweisbeschränkung nach § 6 Abs. 7 PAuswG in Nr. 2 der Ordnungsverfügung bezieht, denn diese Maßnahme ist nach § 30 PAuswG schon kraft Gesetzes sofort vollziehbar. Insoweit ist die aufschiebende Wirkung anzuordnen.
3Der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ist begründet, weil das Aussetzungsinteresse des Antragstellers das öffentliche Vollzugsinteresse überwiegt. Nach gegenwärtiger Aktenlage sind die Anordnungen in den Nrn. 1 und 2 der Ordnungsverfügung offensichtlich rechtswidrig und wird die Ordnungsverfügung voraussichtlich im Hauptsacheverfahren 4 K 2467/13 VG Aachen keinen Bestand haben.
4Als Rechtsgrundlage für die in Nr. 1 verfügte Passentziehung kommt nur § 8 PassG in Betracht. Danach kann ein Pass dem Inhaber entzogen werden, wenn „Tatsachen bekanntwerden“, die nach § 7 Abs. 1 PassG die Passversagung rechtfertigen würden. § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG setzt tatbestandlich voraus, dass „bestimmte Tatsachen“ die Annahme begründen, dass der Passinhaber die innere oder äußere Sicherheit oder sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet. Unter dieser Voraussetzung kann die zuständige Behörde nach § 6 Abs. 7 PAuswG auch die Ausweisbeschränkung in Nr. 2 der Ordnungsverfügung gegenüber dem Antragsteller anordnen. Im vorliegenden Fall ist die 3. Alternative des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG einschlägig (Gefährdung sonstiger erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland). Solche Belange gefährdet der Passinhaber insbesondere, wenn bestimmte Tatsachen die Prognose rechtfertigen, er werde sich im Ausland an Gewalttätigkeiten beteiligen, die geeignet sind, die auswärtigen Beziehungen oder unter besonderen Umständen auch das internationale Ansehen der Bundesrepublik zu schädigen.
5BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2007 ‑ 6 C 39.06 ‑, BVerwGE 129, 142, juris, Rdn. 28 (G-8-Gipfel Genua); VGH Bad-Württ., Urteil vom 7. Dezember 2004 ‑ 1 S 2218/03 ‑, VBlBW 2005, 231, juris, Rdn. 21.
6Der Passversagungstatbestand in § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG setzt lediglich voraus, dass konkrete Tatsachen vorliegen, die die Begründetheit der behördlichen Gefahreneinschätzung nachvollziehbar rechtfertigen. Die Anknüpfungstatsachen für die Gefahrenprognose müssen nach Zeit, Ort und Inhalt so konkret gefasst sein, dass sie einer Überprüfung im gerichtlichen Verfahren zugänglich sind. Hingegen erfordert § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG keine eindeutigen Beweise für diese Gefahreneinschätzung. Ausreichend ist eine auf Tatsachen gestützte positive Gefahrenprognose. Eine bloße Möglichkeit, eine reine Vermutung oder ein durch konkrete Tatsachen nicht belegbarer Verdacht genügen nicht, um eine konkrete Gefährdungslage im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG zu begründen.
7Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 14/2726 vom 18. Februar 2000, S. 6; VG Berlin, Urteil vom 6. März 2012 ‑ 23 K 59.10 ‑, juris, Rdn. 18; VG Braunschweig, Beschluss vom 27. Oktober 2011 ‑ 5 B 164/11 ‑, juris, Rdn. 22; VG Aachen, Urteil vom 26. August 2009 ‑ 8 K 637/09 ‑, juris, Rdn. 46; entsprechend zur Passentziehung wegen Steuerflucht nach § 7 Abs. 1 Nr. 4 PassG OVG Bremen, Beschluss vom 25. Januar 2013 ‑ 1 B 297/12 ‑, NordÖR 2013, 217, juris, Rdn. 5.
8Hierin liegt eine Herabstufung des anzulegenden Wahrscheinlichkeitsmaßstabs in Bezug auf die vorausgesetzte Gefährdung. Der Passversagungsgrund des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG liegt nicht erst dann vor, wenn der Betreffende Belange der Bundesrepublik Deutschland tatsächlich gefährdet, sondern schon dann, wenn der begründete Verdacht einer solchen Gefährdung besteht. Diese Herabstufung ergibt sich aus dem Wortlaut des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG, der lediglich verlangt, dass Tatsachen „die Annahme“ einer Gefährdung im Sinne der Nr. 1 begründen, ohne dass die Gefährdung selbst vorliegen muss. Insofern führt der Passversagungstatbestand in § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG zu einer ähnlichen Vorverlagerung des Gefährdungsschutzes wie auch der Ausschlusstatbestand des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG im Rahmen der Einbürgerung.
9Dazu allgemein BVerwG, Beschluss vom 16. Juli 2003 ‑ 6 VR 10.02 ‑, juris, Rdn. 13 (Vereinsverbot); zu § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG: BVerwG, Beschluss vom 8. Juni 2011 ‑ 5 B 55.10 ‑, juris, Rdn. 3; Urteil vom 2. Dezember 2009 ‑ 5 C 24.08 ‑, BVerwGE 135, 302, juris, Rdn. 15, 18 (IGMG); Urteil vom 22. Februar 2007 ‑ 5 C 20.05 ‑, BVerwGE 128, 140, juris, Rdn. 19 f. (PKK-Selbsterklärung).
10In diesem herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab unterscheidet sich der Passversagungstatbestand in § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG ebenso wie der Ausschlusstatbestand des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG von Vereinsverboten sowie von Behauptungen in einem Verfassungsschutzbericht, für die keine Verringerung des Regelbeweismaßes der vollen richterlichen Überzeugungsgewissheit nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO eingreift. Bei diesen Maßnahmen ist eine Herabstufung des Wahrscheinlichkeitsmaßstabs insbesondere nicht wegen des sachtypischen Beweisnotstandes gerechtfertigt, in dem sich die handelnde Behörde befindet, weil der Verfassungsschutz seine Erkenntnisquellen und Arbeitsweisen schützen, Vertraulichkeitszusagen an Informanten einhalten muss und deshalb oftmals die Vorlage seiner Akten nach § 99 VwGO verweigert. Denn eine solche Beweisregel ist weder in § 99 VwGO noch an anderer Stelle der Verwaltungsgerichtsordnung vorgesehen.
11BVerwG, Urteil vom 21. Mai 2008 ‑ 6 C 13.07 ‑, BVerwGE 131, 171, juris, Rdn. 25, 29 (VS-Bericht BW 2001); Urteil vom 3. Dezember 2004 ‑ 6 C 10.02 ‑, NVwZ 2005, 1435, juris, Rdn. 16 (Vereinsverbot).
12Nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG erstreckt sich die Herabstufung des Wahrscheinlichkeitsmaßstabs auf die von dieser Vorschrift vorausgesetzte Gefährdung, nicht aber auch auf die einzelnen „bestimmten Tatsachen“ im Sinne dieses Eingriffstatbestandes. Für diese Indiztatsachen verbleibt es vielmehr bei dem Regelbeweismaß der vollen richterlichen Überzeugungsgewissheit nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Als ausschließlich auf diese Indiztatsachen bezogen versteht der Senat die Aussage der Vorinstanz, ein geheimhaltungsbedingter Beweisnotstand führe nicht zu einer Herabstufung des Regelbeweismaßes der vollen richterlichen Überzeugungsgewissheit nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO (Seite 9 unten des Beschlussabdrucks).
13Bei einer Passentziehung wegen befürchteter Ausreise zur Teilnahme am bewaffneten Jihad kommen als Anknüpfungstatsachen vor allem konkrete Äußerungen des Passinhabers und seine Einbindung in einen Personenkreis von gewaltbereiten Islamisten sowie deren bisherige Aktivitäten und politische Ziele in Betracht (z. B. Teilnahme an regelmäßigen Zusammenkünften, bei denen Koransuren mit zentralen Leitsätzen des militanten Jihad besprochen werden; Teilnahme an einem Ausbildungscamp für Terroristen im Ausland; missglückte Ausreiseversuche; Auffinden eines USB-Speichersticks mit demokratiefeindlichen digitalisierten Büchern; eigene Äußerungen des Passinhabers über einen konkret geplanten Grenzübertritt nach Syrien mit Sprengstoffübergabe).
14OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 7. März 2011 ‑ 5 S 22.10, 5 M 34.10 ‑, NVwZ-RR 2011, 500, juris, Rdn. 4, 6; VG Hamburg, Beschluss vom 23. November 2012 ‑ 2 E 2951/12 ‑, juris, Rdn. 18 ff.; VG Berlin, Urteil vom 6. März 2012, a. a. O., Rdn. 18; Urteil vom 6. März 2012 ‑ 23 K 58.10 ‑, juris, Rdn. 20; VG Braunschweig, a. a. O., Rdn. 20; OVG NRW, Beschluss vom 11. September 2013 ‑ 18 B 866/13 ‑ (Ausreiseverbot nach § 46 Abs. 2 AufenthG).
15Im Fall des Antragstellers hat die Antragsgegnerin derartige nach Zeit, Ort und Inhalt konkretisierte Anknüpfungstatsachen noch nicht einmal im Sinne einer bloßen Behauptung benannt. Sie stützt ihre Maßnahme vielmehr lediglich auf die allgemein formulierte Befürchtung, er plane „zeitnah“ nach Syrien auszureisen, um sich dort „mutmaßlich dem bewaffneten ‚Jihad‘ anzuschließen bzw. terroristische Gruppierungen zu unterstützen“. Diese Befürchtung wiederum stützt sie ausschließlich auf die Mitteilung des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) in seinem Behördenzeugnis vom 1. August 2013, ihm lägen „glaubhafte Informationen aus zuverlässigen Quellen“ vor, welche diese Befürchtung angeblich „belegen“. Hierin liegt keine auf Tatsachen gestützte positive Gefahrenprognose, sondern lediglich die Äußerung einer bloßen Vermutung, welche weder die Antragsgegnerin noch das BfV durch konkrete belegbare Tatsachen untermauert hat. Eine solche Vermutung genügt nicht, um eine konkrete Gefahrenprognose im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG zu stützen.
16Das Behördenzeugnis des BfV ist auch nicht schon selbst als eigenständige Anknüpfungstatsache zu werten, die eine Gefahrenprognose nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG rechtfertigen kann. Allein der Umstand, dass eine Verfassungsschutzbehörde eine bestimmte Gefahrenprognose anstellt, ist noch kein Indiz dafür, dass diese Gefahr tatsächlich besteht. Vielmehr unterliegt auch diese behördliche Gefahreinschätzung in vollem Umfang der gerichtlichen Überprüfung. Für die gerichtliche Überzeugungsbildung über das Vorliegen des Passversagungstatbestandes des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG können nur diejenigen Tatsachen ausschlaggebend sein, die der behördlichen Gefahreinschätzung zugrunde liegen. Ein Behördenzeugnis einer Verfassungsschutzbehörde, mit der diese ihre eigene Gefahrenprognose sowie gegebenenfalls die ihr zugrunde liegenden Feststellungen seiner Mitarbeiter oder Informanten wiedergibt, ist lediglich Erkenntnisquelle, also Beweismittel, nicht aber selbst Indiztatsache für die nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG erforderliche Gefahrenprognose.
17Vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Dezember 2004, a. a. O., Rdn. 16; VG Aachen, a. a. O., Rdn. 51, 55; VG Braunschweig, a. a. O., Rdn. 24.
18In diesem Sinn tragfähige Indiztatsachen benennt auch das BfV in seinem Behördenzeugnis vom 1. August 2013 nicht. Dessen Inhalt erschöpft sich in der oben bereits zitierten Verdachtsbehauptung, die in jeder Hinsicht pauschal ist und durch keinerlei bestimmte Tatsachen gestützt wird, die eine gerichtliche Überprüfung ermöglichen. Auf welche „Informationen“ von nicht genannten Quellen das BfV die genannte Verdachtsbehauptung stützt, ergibt sich weder aus dem Behördenzeugnis noch aus den Begleitinformationen, mit denen die Kriminalpolizei B. dieses der Antragsgegnerin übermittelt hat. Ebenso wenig lässt sich dem sonstigen Akteninhalt entnehmen, auf welche konkreten Indiztatsachen die Antragsgegnerin die von § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG vorausgesetzte Gefährdung sonstiger erheblicher Belange der Bundesrepublik Deutschland durch den Antragsteller stützt. Das gilt insbesondere auch für ihre nicht näher konkretisierte Behauptung in der Begründung zur angefochtenen Ordnungsverfügung, der Antragsteller besitze eine „radikalisierte Persönlichkeit“ und „fortgesetzte Kontakte in die islamistisch-jihadistische Szene“, weshalb „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen [sei], dass Sie versuchen werden, sich einer Haft durch Flucht zu entziehen“.
19Für eine solche bevorstehende oder beabsichtigte Inhaftierung des Antragstellers gibt es nach Aktenlage keinen Anhalt. Dem Senat drängt sich vielmehr der Eindruck auf, dass die Antragsgegnerin die genannten personenbezogenen Aspekte dem Muster einer Passentziehungsverfügung entnommen hat, welches die Kriminalpolizei B. ihr mit dem Behördenzeugnis zur Verfügung gestellt hat. Für den Fall des Antragstellers wären sie dann ohne realen Hintergrund. Folgerichtig hat auch das Amtsgericht B. die beantragte Anordnung der Wohnungsdurchsuchung mit der zutreffenden Begründung abgelehnt, der möglicherweise ernst zu nehmende Hintergrund entbinde die Ermittlungsbehörden nicht von ihrer rechtsstaatlichen Pflicht, die gesetzlichen Eingriffsvoraussetzungen zumindest ansatzweise im Sinne einer behördlichen Behauptung von Indiztatsachen zu konkretisieren (Beschluss vom 21. August 2013 ‑ 620 Gs 1184/13 ‑).
20Der Senat hat schon im Rahmen des vorliegenden Aussetzungsantrags nach § 80 Abs. 5 VwGO zu prüfen, ob die Passbehörde hinreichend konkrete Tatsachen für den nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG erforderlichen Gefahrenverdacht zumindest im Sinne einer Behauptung benannt und gegebenenfalls glaubhaft gemacht hat. Er teilt nicht die Rechtsauffassung der Vorinstanz und anderer erstinstanzlicher Verwaltungsgerichte, die eine Passentziehung in Eilverfahren schon allein im Hinblick auf die bloße Möglichkeit einer Offenlegung der maßgeblichen nachrichtendienstlichen Erkenntnisse im Rahmen einer Beweiserhebung im Hauptsacheverfahren bestätigt haben (S. 10 f. des Beschlussabdrucks).
21VG Aachen, Beschluss vom 14. April 2009 ‑ 8 L 164/09 ‑, NVwZ-RR 2009, 781, juris, Rdn. 28; VG Braunschweig, a. a. O., Rdn. 29 f.
22Vielmehr unterliegen auch behördliche Maßnahmen, welche auf nachrichtendienstliche Erkenntnisse zurückgehen, in einem Aussetzungsverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO der gerichtlichen Überprüfung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht, soweit dies mit den beschränkten Mitteln des Eilverfahrens möglich ist.
23Vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 16. Juli 2003, a. a. O., Rdn. 5 ff.
24Insbesondere ermöglicht auch das Eilverfahren dem Gericht die Prüfung, ob und mit welchem Wahrscheinlichkeitsgrad die behaupteten Indiztatsachen, ihren Nachweis im Hauptsacheverfahren für den Fall eines Bestreitens unterstellt, den Schluss auf die für § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG maßgebliche Haupttatsache zulassen (Ausreise- und Gefährdungsabsicht gerade des Antragstellers). Hierbei handelt es sich um eine tatsächliche Würdigung von Indiztatsachen, hinsichtlich derer sich das Eilverfahren nicht maßgeblich vom Hauptsacheverfahren unterscheidet.
25Abgesehen davon ist im vorliegenden Fall noch nicht einmal zu erwarten, das BfV werde die angefochtene Ordnungsverfügung im Hauptsacheverfahren wenigstens nachträglich mit den erforderlichen konkreten Indiztatsachen untermauern. Denn die Polizei hat mitgeteilt, dem Bundeskriminalamt lägen keine belastbaren Informationen vor, die eine Ausreise des Antragstellers erwarten ließen, trotz intensivster Bemühungen könne es keine weitergehenden Informationen im Sachzusammenhang mitteilen. Auch die Sicherheitskonferenz des Ministeriums für Inneres und Kommunales hat angegeben, es lägen keine freigegebenen Informationen vor; eine Freigabe sei bei der jeweiligen Behörde im Einzelfall zu beantragen. Schließlich hat das Ministerium für Inneres und Kommunales unter dem 27. Januar 2014 die Auskunft des BfV wiedergegeben, ihm lägen aktuell keine belastbaren Informationen vor, die eine Ausreise des Antragstellers aus dem Bundesgebiet erwarten ließen, es halte an dem Behördenzeugnis „mit dem damaligen Stand“ fest; die dahinter stehenden Informationen könnten jedoch nicht weiter offen gelegt werden als sie bereits im Behördenzeugnis formuliert seien.
26Mit der Anordnung an die Antragsgegnerin, den Reisepass zurückzugeben und die Ausschreibung des Antragstellers zur Fahndung löschen zu lassen, macht der Senat von seiner Befugnis nach § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO Gebrauch, die bereits erfolgte Vollziehung der Entziehungsverfügung rückgängig zu machen.
27Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
28Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.
29Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 66 Abs. 3 Satz 3, 68 Abs. 1 Satz 5 GKG).
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in beizutreibender Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Der Kläger ist am 2. Dezember 1991 in T. geboren. Die Beklagte stellte ihm am 16. Juli 2012 den Bundespersonalausweis Nr. , gültig bis zum 15. Juli 2018, sowie am 12. April 2013 den Reisepass Nr. , gültig bis zum 11. April 2019, aus.
3Unter dem 4. Dezember 2013 stellte das Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes NRW (MIK NRW) ein Behördenzeugnis aus, wonach dienstlich bekannt geworden sei, dass der Kläger beabsichtige, gemeinsam mit weiteren Personen aus dem Umfeld der verbotenen Vereinigung "Millatu Ibrahim" auszureisen, um sich am bewaffneten "Jihad" in Syrien zu beteiligen. Beamte der Bundespolizei kontrollierten ihn am selben Tag am Flughafen Köln/Bonn bei der grenzpolizeilichen Ausreisekontrolle des Fluges TK nach Istanbul. Der Kläger befand sich in Begleitung des T1. G. und des T2. C. . Die drei hatten ihr Flugticket erst am Abflugtag gekauft und führten lediglich Handgepäck mit sich. Auf der Grundlage des Behördenzeugnisses führten die Beamten eine Ausreisebefragung bei allen drei Personen durch. Diese gaben an, zu privaten Zwecken nach Istanbul reisen zu wollen; Angaben zu dortiger Unterkunft und Rückflug konnten sie nicht machen. In der Geldbörse des Klägers fand sich ein Zettel, auf dem handschriftlich notiert ist: "Nummer von Deutschland aus: ... Nummer von Türkei aus: ... Der Bruder heißt F. A. . Die Nummer haben wir von B. T3. . Wir wollen zum B. Anrufen vom Reisebus-Bahnhof (…) in Antep oder Anrufen vom Flughafen in Antep". Die Bundespolizei untersagte dem Kläger und seinen beiden Begleitern die Ausreise und stellte den Reisepass des Klägers sicher.
4Das Polizeipräsidium (PP) X. erstellte unter dem 6. Dezember 2013 einen Vermerk zur Person des Klägers. Darin stellt der Verfasser, KOK L. , fest, der ältere Bruder T4. des Klägers habe zu den Gründungsmitgliedern der verbotenen Vereinigung "Millatu Ibrahim" in T. gehört; der Kläger sei als regelmäßiger Besucher des Vereins bekannt. T4. K. sei Mitte 2012 aus Deutschland ausgereist. Die Deutsche Botschaft in Ankara habe am 24. Juli 2013 mitgeteilt, er sei nach Angaben türkischer Behörden am 19. Juli 2013 auf dem Hoheitsgebiet der Türkei festgenommen worden, weil er weder einen Pass noch sonstige Ausweisdokumente, sondern lediglich eine deutsche Einbürgerungsurkunde mit sich geführt habe. Er, KOK L. , habe T4. K. aufgrund verschiedener Haftbefehle bei der Einreise am Frankfurter Flughafen festgenommen. Dabei habe T4. K. freimütig angegeben, er und andere hätten sich "ganz nah an der Kriegsfront befunden". Beide Brüder hätten sich bei den salafistischen Ausschreitungen in T. am 1. Mai 2012 am Veranstaltungsort befunden. Weiter beteilige sich der Kläger auch an den aktuellen Koraninformationsständen und Videoproduktionen der salafistischen Bewegung "Tauhid Deutschland". Hierzu enthält der Vermerk zwei Bilder, auf denen der Kläger mit mehreren anderen Personen abgebildet ist, darunter jeweils T1. G. und T2. C. . Schließlich sei der Kläger in den letzten Wochen mehrfach als Begleit- und Kontaktperson des Predigers Hasan Keskin in Erscheinung getreten, der unter anderem während der Ausschreitungen am 1. Mai 2012 als aufhetzender Wortführer agiert habe.
5In den Vermerken zu den Begleitern des Klägers, T1. G. und T2. C. , ist gleichfalls ausgeführt, sie gehörten zum jugendlichen salafistischen Personenspektrum aus T. .
6Mit Ordnungsverfügung vom 19. Dezember 2013 entzog die Beklagte dem Kläger ohne vorherige Anhörung den Reisepass (Nr. 1) und beschränkte den Geltungsbereich seines Personalausweises auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (Nr. 2). Zur Begründung gab sie den Inhalt des Behördenzeugnisses wieder und führte an, die Teilnahme eines deutschen Staatsangehörigen am bewaffneten "Jihad" sei geeignet, in erheblichem Maße die auswärtigen Belange der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden. Es lägen schwerwiegende Anhaltspunkte dafür vor, dass er beabsichtige, die Bundesrepublik Deutschland zu verlassen, um sich im derzeitigen Krisengebiet Syrien am bewaffneten Kampf ("Jihad") zu beteiligen. In diesem Zusammenhang habe bereits die Abteilung Staatsschutz des PP X. ein Verfahren gegen ihn beantragt. Es werde keine Anhörung durchgeführt, da eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug notwendig erscheine. Die angeordneten Maßnahmen könnten nur Erfolg haben, wenn die Ausreise des Klägers sofort verhindert werde.
7Der Kläger hat am 9. Januar 2014 Klage erhoben und nach Einsicht in den Verwaltungsvorgang der Beklagten geltend gemacht, in der Begründung der angefochtenen Ordnungsverfügung fehle eine Darlegung hinreichend konkreter und belegbarer Anknüpfungstatsachen für die Gefahrenprognose der Beklagten. Das Behördenzeugnis des MIK NRW sei keine solche Tatsache. Die erforderlichen Anknüpfungstatsachen unterlägen auch den allgemeinen Beweisregeln, Beweiserleichterungen stünden der Behörde insoweit nicht zu. Die angegriffene Verfügung sei im Hinblick auf die Gefahr begründenden Tatsachen nicht hinreichend bestimmt. Er, der Kläger, weise die Behauptung, zum salafistischen Personenspektrum aus T. zu zählen, mit Entschiedenheit zurück. Von dort habe er sich bereits seit langer Zeit zurückgezogen. Er besuche andere Moscheen, pflege andere Kontakte, habe eine Freundin und arbeite ganz normal 8 Stunden täglich. Von seinem Bruder, der allerdings in der einschlägigen Szene in T. verankert sei, lasse er sich nicht beeinflussen. Im Zusammenhang mit den Ausschreitungen am 1. Mai 2012 in T. habe er sich früh vom Veranstaltungsort entfernt und sei im später eingeleiteten Strafverfahren freigesprochen worden. Auf dem Zettel, den er bei sich gehabt habe, stünden Telefonnummern von in der Türkei humanitär tätigen zum Teil syrischen Organisationen, keinesfalls aber handele es sich um irgendwelche Kontaktleute oder Schleuser für einen Transitweg. Sein Bruder habe ihm den Zettel mitgegeben, damit er in Istanbul Kontakt zu humanitär tätigen Organisationen für die Hilfe nach Syrien aufnehme. Mit dem im - ohnehin offensichtlich auf Anlass gefertigten und daher unverwertbaren - Bericht vom 11. August 2014 erwähnten V. B1. habe er zwar in der L1. Straße in T. gewohnt. Zu dessen Ausreise sei ihm aber nichts bekannt gewesen. Überdies habe er Kontakt mit einer Mitarbeiterin eines Aussteigerprogramms aufgenommen und einen ersten Besprechungstermin vereinbart.
8Der Kläger hat beantragt,
9die Ordnungsverfügung der Beklagten vom 19. Dezember 2013 aufzuheben.
10Die Beklagte hat beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Sie hat ergänzend auf den Vermerk des PP X. vom 6. Dezember 2013 Bezug genommen und darauf hingewiesen, dass der Kläger danach regelmäßiger Besucher und Vorstandsmitglied des verbotenen Vereins "Millatu Ibrahim" gewesen sei, sich bei den Ausschreitungen am 1. Mai 2012 am Tatort befunden habe, im Zusammenhang mit den Koraninformationsständen aufgetreten sei und sich mehrfach in Begleitung von Hasan Keskin aufgehalten habe. Gegen die Annahme einer Ausreiseabsicht zu touristischen Zwecken spreche die bei ihm gefundene Telefonliste. Ferner hat die Beklagte einen ergänzenden Bericht des PP X. vom 11. August 2014 vorgelegt, wonach der Kläger zuletzt mit V. B1. in der L1. Straße in T. zusammengewohnt habe. B1. sei trotz eigener Ausreiseuntersagung im Juni 2014 zunächst über Wien vermutlich nach Syrien ausgereist. Mit S. C1. , E. K1. und C2. L2. seien drei der Terrorkrieger aus T. bereits in Syrien gestorben. Auch T5. L3. sei ehemaliger Weggefährte des Klägers und seines Bruders gewesen. Er gebe im Internet ganz offen an, für den Islamischen Staat zu kämpfen. Zweifelhaft sei die Glaubhaftigkeit der Angabe des Klägers, in einem Aussteigerprogramm zu sein. Auch in der Vergangenheit habe er stets geleugnet, Angehöriger der Szene zu sein, auch wenn hierfür offenkundige Befunde vorgelegen hätten.
13Mit dem angefochtenen Urteil hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Kläger sei zusammen mit seinem Bruder öfter auf Veranstaltungen einer wegen dort gehaltener Predigten jihadistischen Inhaltes inzwischen verbotenen Vereinigung gewesen. Auch wegen seiner Eigenschaft als deren Vorstandsmitglied dürfe angenommen werden, er stehe auch inhaltlich hinter den Zielen der von ihm repräsentierten Organisation. Als weitere Indizien für die Absicht des Klägers, zur Teilnahme am "Jihad" auszureisen, führte das Verwaltungsgericht seine Beteiligung an Informationsständen und Videoproduktionen der salafistischen Bewegung "Tauhid", sein Auftreten als Kontakt- und Begleitperson des Predigers Keskin, das Aufgreifen seines Bruders Mitte 2013 in der Türkei sowie den Besitz des Zettels mit Telefonnummern bei seiner unterbundenen Ausreise in die Türkei an.
14Gegen das am 19. September 2014 zugestellte Urteil hat der Kläger am Montag, dem 20. Oktober 2014 die vom Verwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Berufung eingelegt. Zu ihrer Begründung macht er im Wesentlichen geltend: Dass er beabsichtigt habe, zur Teilnahme am "militanten Jihad" nach Syrien auszureisen, sei durch nichts belegt. Er würde sich niemals einer Terrorgruppe wie der ISIS anschließen. Konkrete und belegbare Anknüpfungstatsachen der für die Gefahrenprognose darlegungs- und beweispflichtigen Behörde fehlten. Die Beklagte verweise in dem Bescheid lediglich generell auf Kenntnisse von Sicherheitsbehörden. Dies sei nicht geeignet, die angegriffenen Maßnahmen zu begründen. Die Mitteilung des Ministeriums für Inneres und Kommunales vom 19. Dezember 2013 sei unerheblich, weil es nach der Gesetzeslage auf Tatsachen ankomme, nicht auf die behördliche Einschätzung oder Bewertung von Tatsachen. Auch "die Bezugnahme auf die Einschätzung des Bundesministeriums vom 14.06.2012" sei nicht ausreichend. Zudem gebe es eine Vielzahl von Gruppierungen, die gegen das Assad-Regime kämpften. Diese würden zum Teil von den USA unterstützt. Auch erhalte die ISIS oder IS Unterstützung durch Staaten wie die Türkei oder Qatar, zumindest aber durch in diesen Ländern tätige private Geschäftsleute, die ihrerseits Kontakte zu den USA unterhielten. Daher sei nicht zu erkennen, inwieweit ausgerechnet durch ihn, den Kläger, erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet würden.
15Der Kläger beantragt sinngemäß,
16das angefochtene Urteil zu ändern und nach dem erstinstanzlichen Klageantrag zu erkennen.
17Die Beklagte beantragt,
18die Berufung zurückzuweisen.
19Sie verweist auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts sowie des Senats im Beschluss vom 16. April 2014 - 19 B 59/14 - und übermittelt die telefonische Auskunft der für das Aussteigerprogramm zuständigen Sachbearbeiterin beim MIK NRW, dass sich der Kläger auf mehrfache telefonische und zuletzt schriftliche Kontaktversuche nicht gemeldet habe.
20Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten dieses Verfahrens und der Verfahren 24 L 37/14 und 24 L 1849/14 - VG Düsseldorf -, des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Beklagten sowie der Akten zum Verfahren 80 Js 1120/13 (StA Düsseldorf) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
21Die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung des Klägers ist zulässig, aber unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klage ist als Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 VwGO zulässig, aber unbegründet. Die Ordnungsverfügung der Beklagten vom 19. Dezember 2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die in deren Nr. 1 verfügte Passentziehung findet ihre Rechtsgrundlage in § 8 PassG. Danach kann ein Pass dem Inhaber entzogen werden, wenn Tatsachen bekanntwerden, die nach § 7 Abs. 1 PassG die Passversagung rechtfertigen würden. § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG setzt tatbestandlich voraus, dass bestimmte Tatsachen die Annahme begründen, dass der Passinhaber die innere oder äußere Sicherheit oder sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet. Die in Nr. 2 der angefochtenen Ordnungsverfügung angeordnete Ausweisbeschränkung hat die Beklagte zu Recht auf § 6 Abs. 7 PAuswG gestützt, der diese Maßnahme ebenfalls an das Vorliegen eines Passversagungsgrundes nach § 7 Abs. 1 PassG knüpft.
22Am Maßstab dieser beiden Ermächtigungsgrundlagen ist die angefochtene Ordnungsverfügung materiell rechtmäßig (A.). Auch Verfahrensfehler rechtfertigen nicht ihre Aufhebung (B.).
23A. In materiell-rechtlicher Hinsicht hat die Beklagte die beiden genannten Maßnahmen ausschließlich auf die 3. Variante des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG gestützt (Gefährdung sonstiger erheblicher Belange der Bundesrepublik Deutschland). Diesen Passversagungsgrund hat sie sinngemäß in Bezug genommen, indem sie zur Begründung ausgeführt hat, die Teilnahme eines deutschen Staatsangehörigen am bewaffneten "Jihad" sei geeignet, in erheblichem Maße die auswärtigen Belange der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden.
24Die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Nr. 1 Variante 3 sind erfüllt. Für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung maßgeblich. Denn sowohl bei der Entziehung des Reisepasses als auch bei der räumlichen Beschränkung des Geltungsbereichs des Personalausweises handelt es sich um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung. Dauerverwaltungsakte sind solche Verfügungen, die einen fortwährenden Regelungsgehalt haben, und deren Rechtsgrundlage verlangt, dass ihre tatbestandlichen Voraussetzungen während des gesamten Wirkungszeitraums der Regelung vorliegen.
25Wolff in Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Auflage 2014, § 113 Rn. 116 mit weiteren Nachweisen.
26Dies ist hier der Fall. Sowohl die Passentziehung als auch die räumliche Beschränkung des Geltungsbereichs des Personalausweises erschöpfen sich nicht in einer einmaligen Anordnung, sondern entfalten dauerhafte Wirkung für den Betroffenen.
27Vgl. VG Berlin, Urteil vom 6. März 2012 - 23 K 59/10 -, juris Rdn. 15.
28Im Streitfall sind Tatsachen bekannt geworden, die die Annahme begründen, dass der Kläger sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet. In der Ausreise eines Deutschen zum Zweck der Unterstützung des militanten "Jihad" liegt eine Gefährdung sonstiger erheblicher Belange der Bundesrepublik Deutschland im Sinne der 3. Variante des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG (I.). Im Streitfall begründen Tatsachen die Annahme, dass der Kläger in solcher Absicht nach Syrien ausreisen wollte und noch will (II.).
29I. Die Ausreise eines Deutschen zum Zweck der Unterstützung des militanten "Jihad" begründet eine Gefährdung sonstiger erheblicher Belange der Bundesrepublik Deutschland im Sinne der 3. Variante des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG. Der Begriff "sonstige erhebliche Belange" ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, dessen Vorliegen der Senat in vollem Umfang nachzuprüfen hat. Er erfasst Tatbestände, die in ihrer Erheblichkeit den beiden anderen Tatbestandsvarianten (innere und äußere Sicherheit) nahekommen. Sie müssen so gewichtig sein, dass die Passbehörde sie aus zwingenden staatspolitischen Gründen der freiheitlichen Entwicklung in der Bundesrepublik voranstellen muss. Das ergibt sich aus dem Zusammenhang der drei Tatbestandsvarianten des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG. Der Passinhaber gefährdet sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland insbesondere, wenn bestimmte Tatsachen die Prognose rechtfertigen, er werde sich im Ausland an Gewalttätigkeiten beteiligen, die geeignet sind, die auswärtigen Beziehungen oder unter besonderen Umständen auch das internationale Ansehen der Bundesrepublik zu schädigen.
30BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2007 - 6 C 39.06 -, BVerwGE 129, 142 = juris Rdn. 28; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 7. Dezember 2004 - 1 S 2218/03 -, VBlBW 2005, 231 = juris Rdn. 21; OVG NRW, Beschluss vom 16. April 2014 - 19 B 59/14 -, NVwZ-RR 2014, 593 = juris Rdn. 3.
31Die Beteiligung am militanten "Jihad" ist geeignet, die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik zu schädigen. Terroranschläge des militanten "Jihad", an denen deutsche Staatsangehörige mitwirken, tangieren massiv die Sicherheitsinteressen der davon betroffenen Länder sowie der internationalen Staatengemeinschaft und sind geeignet, die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik nachhaltig zu beeinträchtigen.
32Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16. April 2014 - 19 B 59/14 -, NVwZ-RR 2014, 593 = juris Rdn. 3; VG Arnsberg, Urteil vom 23. Januar 2015 - 12 K 2036/13 -, juris Rdn. 32; VG Münster, Beschluss vom 27. Juni 2014 - 1 L 328/14 -, juris Rdn. 9; VG Hamburg, Beschluss vom 23. November 2012 - 2 E 2951/12 -, juris Rdn. 14; VG Berlin, Urteil vom 6. März 2012 - 23 K 59.10 -, juris Rdn. 18; VG Braunschweig, Beschluss vom 27. Oktober 2011 - 5 B 164/11 -, juris Rdn. 21; VG Frankfurt a.M., Beschluss vom 30. November 2009 - 5 L 3142/09.F -, juris; VG Aachen, Urteil vom 26. August 2009 - 8 K 637/09 -, juris Rdn. 45; abweichend Daum, Anforderungen an Ausreisebeschränkungen von Islamisten, DÖV 2014, 526 (531).
33Dies unterstreicht der Umstand, dass der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen mit der am 24. September 2014 verabschiedeten Resolution 2178 (2014) die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, Personen, die im Ausland terroristische Taten begehen wollen, an der Einreise, dem Transit und der Ausreise zu hindern und entsprechende Taten unter Strafe zu stellen. Dabei werden sämtliche Vorbereitungs‑, Unterstützungs- und Finanzierungshandlungen erfasst.
34Vgl. Payandeh, Globale Anti-Terrorgesetzgebung: Die deutsche Rechtsordnung im Sog des UN-Sicherheitsrats?, ZRP 2014, 241 (242).
35Zudem gibt eine Vielzahl der militanten Kämpfer seine Herkunft und seine Staats-angehörigkeit in Videobotschaften in den sozialen Netzwerken öffentlich bekannt und kokettiert nicht selten sogar damit, Bürger eines westlichen Staates zu sein, den dieser Staat eingebürgert hat.
36II. Es sind Tatsachen bekannt geworden, die die Annahme begründen, dass der Kläger zum Zwecke der Unterstützung des "Jihad" nach Syrien ausreisen wollte und noch will.
37Der Passversagungstatbestand in § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG setzt voraus, dass konkrete Tatsachen vorliegen, die die Begründetheit der behördlichen Gefahreneinschätzung nachvollziehbar rechtfertigen. Hinsichtlich dieser Gefahreneinschätzung erfordert § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG keine eindeutigen Beweise; es reicht aus, wenn der begründete Verdacht einer Gefährdung der Belange der Bundesrepublik Deutschland besteht. Eine bloße Möglichkeit, eine reine Vermutung oder ein durch konkrete Tatsachen nicht belegbarer Verdacht genügen hingegen nicht, um eine konkrete Gefährdungslage im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG zu begründen. Diese Herabstufung des anzulegenden Wahrscheinlichkeitsmaßstabs in Bezug auf die vorausgesetzte Gefährdung ergibt sich aus dem Wortlaut des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG, der lediglich verlangt, dass Tatsachen "die Annahme" einer Gefährdung im Sinne der Nr. 1 begründen, ohne dass die Gefährdung selbst vorliegen muss.
38Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT- Drs. 14/2726 vom 18. Februar 2000, S. 6; OVG NRW, Beschluss vom 16. April 2014 - 19 B 59/14 -, NVwZ-RR 2014, 593 = juris Rdn. 5 ff.; VG Berlin, Urteil vom 6. März 2012 - 23 K 59.10 -, juris Rdn. 18; VG Braunschweig, Beschluss vom 27. Oktober 2011 - 5 B 164/11 -, juris Rdn. 22; VG Aachen, Urteil vom 26. August 2009 - 8 K 637/09 -, juris Rdn. 46; entsprechend zur Passentziehung wegen Steuerflucht nach § 7 Abs. 1 Nr. 4 PassG OVG Bremen, Beschluss vom 25. Januar 2013
39- 1 B 297/12 -, NordÖR 2013, 217 = juris Rdn. 5.
40Insofern führt der Passversagungstatbestand in § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG zu einer ähnlichen Vorverlagerung des Gefährdungsschutzes wie auch der Ausschlusstatbestand des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG im Rahmen der Einbürgerung.
41Dazu allgemein BVerwG, Beschluss vom 16. Juli 2003 - 6 VR 10.02 -, juris Rdn. 13; zu § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG etwa BVerwG, Beschluss vom 8. Juni 2011 - 5 B 55.10 -, juris Rdn. 3.
42Die Herabstufung des Wahrscheinlichkeitsmaßstabs nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG erstreckt sich auf die von dieser Vorschrift vorausgesetzte Gefährdung, nicht aber auch auf die einzelnen "bestimmten Tatsachen" im Sinne dieses Eingriffstatbestandes. Diese Anknüpfungstatsachen für die Gefahrenprognose müssen nach Zeit, Ort und Inhalt so konkret gefasst sein, dass sie einer Überprüfung im gerichtlichen Verfahren zugänglich sind; für sie verbleibt es bei dem Regelbeweismaß der vollen richterlichen Überzeugungsgewissheit nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
43OVG NRW, Beschluss vom 16. April 2014 - 19 B 59/14 -, NVwZ-RR 2014, 593 = juris Rdn. 11.
44Bei einer Passentziehung wegen befürchteter Ausreise zur Teilnahme am bewaffneten "Jihad" kommen ebenso wie bei der Beschränkung des Geltungsbereichs des Personalausweises als Anknüpfungstatsachen vor allem konkrete Äußerungen des Passinhabers und seine Einbindung in einen Personenkreis von gewaltbereiten Islamisten sowie deren bisherige Aktivitäten und politische Ziele in Betracht (z. B. Teilnahme an regelmäßigen Zusammenkünften oder an einem Ausbildungscamp für Terroristen; Auffinden von Notizzetteln mit Rufnummern oder Anschriften).
45OVG NRW, Beschluss vom 16. April 2014 - 19 B 59/14 -, NVwZ-RR 2014, 593 = juris Rdn. 12; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 7. März 2011 - 5 S 22.10, 5 M 34.10 -, juris, Rdn. 4, 6; VG Münster, Beschluss vom 27. Juni 2014 - 1 L 328/14 -, juris Rdn. 7; VG Hamburg, Beschluss vom 23. November 2012 - 2 E 2951/12 -, juris Rdn. 18 ff.; VG Berlin, Urteile vom 6. März 2012 - 23 K 59.10 -, juris Rdn. 18, und - 23 K 58.10 -, juris, Rdn. 20; VG Braunschweig, Beschluss vom 27. Oktober 2011 - 5 B 164/11 -, juris Rdn. 20; OVG NRW, Beschluss vom 11. September 2013 - 18 B 866/13 -, juris Rdn. 11 (Ausreiseverbot nach § 46 Abs. 2 AufenthG); Daum, a. a. O., S. 529.
46Dabei ist es nicht erforderlich, dass das Reiseziel, die Art und Weise der Beteiligung am "Jihad" und die Rückkehrabsicht des Verfügungsadressaten jeweils konkret bezeichnet werden können. Angesichts des erheblichen Gewichts der Gefährdung kann insoweit auf allgemeine Erkenntnisse zur Unterstützung des bewaffneten "Jihad" zurückgegriffen werden. Hierzu ist dem Verfassungsschutzbericht 2013 unter anderem zu entnehmen, die Grenzen zwischen politischen und "jihadistischen" Salafisten seien fließend. Bis Anfang 2014 hätten Erkenntnisse zu mehr als 270 deutschen Islamisten bzw. Islamisten aus Deutschland vorgelegen, die in Richtung Syrien ausgereist seien, um sich an den Kampfhandlungen zu beteiligen oder den Widerstand gegen das Assad-Regime in sonstiger Weise zu unterstützen - ein Trend, dessen Ende nicht abzusehen sei. Wenngleich aus den meisten Bundesländern Personen nach Syrien ausgereist seien, sei eine Schwerpunktbildung insbesondere dort zu erkennen, wo - wie in T. - über Jahre eine aktive islamistische Szene existiere. In vielen Fällen bleibe das tatsächliche Ziel der Ausreisen unklar.
47Dies zugrunde gelegt begründen im Fall des Klägers bestimmte Tatsachen im Sinne der 3. Variante des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG die Annahme, dass er sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, nämlich deren auswärtige Beziehungen. Die Beklagte hat ihre behördliche Gefahreneinschätzung, der Kläger wolle zum Zweck der Beteiligung am bewaffneten Jihad im Bürgerkrieg in Syrien ausreisen, auf konkrete Tatsachen gestützt, die die Begründetheit dieser Prognose nachvollziehbar rechtfertigen. Als Anknüpfungstatsachen für diese Prognose hat sie unter anderem angeführt,
48 der Kläger sei bis zu dessen Verbot im Juni 2012 regelmäßiger Besucher des Moscheevereins "Millatu Ibrahim e. V." in T. gewesen (1.),
49 habe sich bei den salafistischen Ausschreitungen in T. am 1. Mai 2012 am Veranstaltungsort befunden (2.),
50 habe sich an den sog. Koraninformationsständen und an Freizeitaktivitäten der salafistischen Szene Solingens beteiligt (3.), und
51 sei in den letzten Wochen vor seinem Ausreiseversuch mehrfach als Begleit- und Kontaktperson des islamistischen Predigers Hassan Keskin in Erscheinung getreten (4.).
52Diese Indiztatsachen lassen jedenfalls in ihrer Gesamtheit den von den Sicherheitsbehörden und der Beklagten gezogenen Prognoseschluss zu, der Kläger habe zum Zweck der Teilnahme am bewaffneten "Jihad" ausreisen wollen und plane dies auch weiterhin.
53Zunächst liegen Tatsachen vor, die die Annahme der Ausreiseabsicht des Klägers Richtung Syrien begründen. Es steht fest, dass der Kläger am 4. Dezember 2013 am Flughafen Köln-Bonn durch die Grenzpolizei daran gehindert worden ist, nach Istanbul auszureisen. Er war dabei in Begleitung zweier Personen - T1. G. und T2. C. -, für die ebenfalls Anhaltspunkte für ihre Einbindung in das Umfeld der verbotenen Vereinigung "Millatu Ibrahim" bestehen. Der Annahme, die Reise habe touristischen Zwecken gedient, standen deren Umstände entgegen: Der Kläger und seine Begleiter hatten das Flugticket erst am gleichen Tag erworben; sie führten jeweils lediglich Handgepäck mit sich; Angaben dazu, wo sich aufhalten und wie sie zurückreisen wollten, machten sie nicht. Die Notizen auf dem Zettel, den der Kläger bei sich trug, lassen darauf schließen, dass die Reise in die nahe der türkisch-syrischen Grenze gelegenen Stadt Gaziantep (kurz Antep) weitergehen sollte; denn auf dem Zettel ist neben Namen des oder der Ansprechpartner und einer Telefonnummer notiert: "Anrufen vom Reisebus-Bahnhof (…) in Antep oder Anrufen vom Flughafen in Antep" . Angemerkt sei wegen der Beanstandungen des Klägers, die Notiz nicht zur Kenntnis bekommen zu haben, dass sich die Kopie jenes Zettels bei den Verwaltungsvorgängen befindet, in die der Prozessbevollmächtigte des Klägers Einsicht genommen hat.
54Das Vorbringen des Klägers in der mündlichen Verhandlung, er habe in Istanbul Verwandte besuchen wollen, den Zettel mit den Telefonnummern habe er von seinem Bruder bekommen, um ihn seinen Begleitern zu geben, und/oder er habe über die Telefonnummern in Kontakt zu in der Türkei tätigen Organisationen für humanitäre Hilfe in Syrien treten wollen, auch seine Begleiter habe er auf Wunsch seines Bruders mitgenommen und ebenfalls auf deren Wunsch erst nur ein Hinflugticket gekauft, ist insgesamt ungereimt und nicht glaubhaft. Weder ist nachvollziehbar, warum der Kläger nur mit Handgepäck zu Verwandten gereist sein will, noch, warum es nötig gewesen sein sollte, dass er seine Begleiter mitnimmt, noch, warum er - wirtschaftlich unvernünftigerweise - deren Wunsch entsprochen und nur ein Hinflugticket gekauft haben sollte, noch, warum er diese Verwandten zuvor niemals erwähnt und insbesondere bei der Ausreisekontrolle nicht genannt hat. Sein Vorbringen zu dem Zettel mit den Telefonnummern ist schon nicht einheitlich.
55Eine Reihe von Tatsachen belegt darüber hinaus die Einbindung des Klägers in einen Personenkreis von mit dem "Jihad" sympathisierenden Islamisten jedenfalls bis ins Jahr 2013 hinein. Diese Einbindung lässt darauf schließen, dass Zweck der Ausreise die Unterstützung des "Jihad" in Syrien war und weiterhin wäre.
561. Ein gewichtiges Indiz hierfür bildet der Umstand, dass der Kläger bis zu dessen Verbot im Juni 2012 regelmäßiger Besucher des Vereins "Millatu Ibrahim e. V." ("Religion Abrahams") in T. war, der im Jahre 2012 durch das Bundesministerium des Innern wegen Bestrebungen gegen die verfassungsmäßige Ordnung sowie den Gedanken der Völkerverständigung verboten worden ist (vgl. Bundesamt für Verfassungsschutz, Verfassungsschutzbericht 2012, S. 236). Dies steht zur Überzeugung des Senats fest, zumal der Kläger die Tatsache nicht dezidiert bestritten hat. Er stellt lediglich pauschal eine "Verbindung zum salafistischen Personenspektrum" in T. in Abrede ("wird mit aller Entschiedenheit zurückgewiesen"), räumt diese aber für die Vergangenheit sogar indirekt ein, wenn er geltend macht, er habe sich "bereits seit langer Zeit von dort zurückgezogen". Diese vagen Formulierungen entkräften die vorgenannte Indiztatsache nicht, weil sie Zeitpunkt, Beweggründe, nähere Umstände und vor allem die Art des angeblichen "Zurückziehens" offen lassen. Die Behauptung des Klägers, er besuche "andere Moscheen" und pflege "andere Kontakte", ist ohne Substanz geblieben; der Kläger hat weder andere Moscheen noch Kontakte benannt.
572. Bei den salafistischen Ausschreitungen am 1. Mai 2012 in T. , bei denen Islamisten gegen das Zeigen der Mohammed-Karikaturen durch die Bürgerbewegung "Pro NRW" protestierten und in darauf folgenden Krawallen Polizisten verletzten, befand der Kläger sich am Veranstaltungsort. Auch diesen Umstand hat er mit dem Vorbringen eingeräumt, am 1. Mai 2012 habe er sich frühzeitig vom Ort der Ausschreitungen entfernt.
583. Der Kläger ist überdies wie sein Bruder im Zusammenhang mit der mittlerweile ebenfalls verbotenen Vereinigung "Tauhid Deutschland" sowie als Teilnehmer an Freizeitaktivitäten der salafistischen Szene in Erscheinung getreten. Im Bericht des Polizeipräsidiums X. vom 6. Dezember 2013 finden sich ein Foto und ein Screenshot, die den Kläger in einem Kreis von ersichtlich Gleichgesinnten an einem Koraninformationsstand der salafistischen Vereinigung "Tauhid" und als Beteiligten an deren Videoproduktion zeigen. Unter der Bezeichnung "Tauhid Germany" (zeitweise auch "Tauhid Deutschland") firmierte eine Gruppe, die sich zur Verbreitung salafistischer Propaganda im Internet zusammengeschlossen hatte (Verfassungsschutzbericht NRW 2013, S. 272). Sie verfügte neben einer eigenen Webseite über Online-Auftritte bei Facebook und YouTube, wo sich neben Predigten in deutscher Sprache Beiträge von arabischsprachigen Gelehrten fanden, die der salafistischen Szene als Vorbild dienten. Viele der bei "Tauhid Germany" eingestellten Videos und Postings ließen starke Bezüge zum Jihadismus erkennen, indem sie etwa den gewaltsamen "Jihad" verherrlichten und zum Hass gegen "Ungläubige" aufriefen. Das Bundesinnenministerium hat die Vereinigung "Tauhid Germany" am 26. März 2015 verboten mit der Begründung, die Vereinigung rufe über das Internet und mit Informationsständen Muslime "zum Kampf gegen die verfassungsmäßige Ordnung" auf und glorifiziere den gewaltsamen "Jihad" von Gruppen wie dem Islamischen Staat (IS) in Syrien und im Irak.
59Die bei den Verwaltungsvorgängen befindliche Abbildung aus dem Screenshot (wohl vom November 2013), die auch den Kläger zeigt, ist überschrieben mit "B. Ibrahim und ein paar Brüder nach den Dreharbeiten zu den Video zur Unterstützung von Ansarul Asser". Mit "Ansarul Asser" ist offensichtlich die entsprechende Webseite der deutschen Islamisten-Szene zur Unterstützung inhaftierter Islamisten gemeint (ansarul-aseer.com; vgl. Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen, Verfassungsschutzbericht 2013, S. 272 f.), mit "Abu Ibrahim" Hasdan (Hassan) Keskin, ein wegen der Schärfe seiner Predigten kritisierter, strafgerichtlich verurteilter und vom Verfassungsschutz beobachteter islamistischer Prediger.
60Hierzu hat der Kläger sich dahin eingelassen, auf dem Foto sowie dem Screenshot unterscheide er sich nach Kleidung und Habitus von den übrigen Abgebildeten. Die Beeinflussungen seines Bruders sowie anderer Bekannter aus der salafistischen Szene wehre er ab. Der Umstand, dass der Kläger auf dem Foto und auf dem Screenshot jeweils der einzige von fünf Abgebildeten ist, der keinen Bart trägt - hierauf will der Kläger möglicherweise hinaus -, schmälert jedoch den im Übrigen zu gewinnenden Eindruck nicht durchgreifend, dass es sich um Gleichgesinnte handelt; neben der Bildüberschrift spricht hierfür etwa, dass der Kläger die gleiche Geste wie jeweils ein Teil der Abgebildeten zeigt, nämlich den erhobenen Zeigefinger. Seine Behauptung, er unterscheide sich auf den Abbildungen auch nach seiner Kleidung von den übrigen Abgebildeten, hat der Kläger weder näher erläutert noch ist sie sonst nachvollziehbar.
614. Der Kläger hat schließlich nicht in Abrede gestellt, dass er als Begleit- und Kontaktperson des vorerwähnten Predigers Hassan Keskin in Erscheinung getreten ist.
62Der Kläger hat das Gewicht dieser seine Einbindung in die salafistische Szene Solingens belegenden Anhaltspunkte nicht entkräftet. Es ist nicht anzunehmen, dass er sich tatsächlich vollständig aus diesen Zusammenhängen gelöst hat. Hierfür genügt es nicht, dass er sich mit einer Mitarbeiterin eines Aussteiger-programms in Verbindung gesetzt hat. Denn nach der Auskunft der für das Aussteigerprogramm zuständigen Sachbearbeiterin beim MIK NRW vom 30. Oktober 2014 hat der Kläger sich auf mehrfache telefonische und zuletzt schriftliche Kontaktversuche nicht mehr gemeldet; man werde ihm mitteilen, dass man nicht mehr mit seinem Interesse an dem Programm rechne. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass er seine Teilnahme an dem Programm abgebrochen hat.
63Auch der Umstand, dass der Kläger, wie er behauptet, in einem festen Arbeitsverhältnis steht, reicht nicht aus. Abgesehen davon, dass er es insoweit an jeder näheren Angabe hat fehlen lassen, ist anzunehmen, dass er seine bis Ende 2013 innegehabte Arbeitsstelle aufgegeben hat, als er im Dezember 2013 nach Syrien auszureisen versucht hat. Denn in den Auszügen zum Girokonto Nr. … bei der T6. T. sind für die Zeit bis November 2013 Lohnzahlungen des Unternehmens H. H1. T. belegt, für die Zeit ab Januar 2014 jedoch solche der L4. Q. T7. Das lässt darauf schließen, dass den Kläger allein das Innehaben einer Arbeitsstelle von der Ausreise nicht abhält.
64Endlich rechtfertigt es keine abweichende Beurteilung, dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung weniger den Eindruck eines fanatischen Islamisten, sondern eher den eines leicht beeinflussbaren Mitläufers hinterlassen oder zumindest zu hinterlassen versucht hat. Denn auch dann verbleibt der Befund, dass er sich dem Einfluss insbesondere seines fest in der salafistischen Szene verankerten älteren Bruders nur unzureichend entziehen kann und von diesem namentlich zur Unterstützung des "Jihad" - einschließlich der Ausreise zu diesem Zweck - zu verleiten ist.
65Angesichts dessen kann auf sich beruhen, ob die von der Beklagten herangezogenen Anknüpfungstatsachen auch im Sinne der 1. Variante des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG die Annahme begründen, der Kläger gefährde die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland,
66vgl. hierzu VG Münster, Beschluss vom 27. Juni 2014 - 1 L 328/14 -, juris, Rdn. 11; VG Frankfurt a.M., Beschluss vom 30. November 2009 - 5 L 3142/09.F -, juris.
67oder die Passversagungsgründe in § 7 Abs. 1 Nr. 6 PassG (unbefugtes Verpflichten zum Wehrdienst außerhalb der Bundeswehr) oder in § 7 Abs. 1 Nr. 10 PassG erfüllen (Vornahme einer in § 89a StGB beschriebenen Handlung).
68Vgl. Daum, a.a.O., S. 531 ff.
69II. Ermessensfehler liegen nicht vor. Die Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 PassG, wonach von einer Passversagung abzusehen ist, wenn sie unverhältnismäßig ist, insbesondere wenn es genügt, den Geltungsbereich oder die Gültigkeitsdauer des Passes zu beschränken, sind nicht erfüllt. Die Maßnahme ist geeignet, erforderlich und auch angemessen, die nach dem oben Ausgeführten weiterhin gegebene Gefahr einer Teilnahme des Klägers am bewaffneten "Jihad" im Ausland zumindest zu verringern. Mildere Mittel mit gleicher Eignung zur Zielerreichung sind nicht ersichtlich. Insbesondere scheidet angesichts der Unbestimmtheit der konkreten Unterstützungshandlungen und der Vielzahl der Reisemöglichkeiten eine Beschränkung des Geltungsbereichs des Passes auf bestimmte Länder aus. Da derzeit keine hinreichenden Erkenntnisse dafür vorliegen, dass die Ausreiseabsicht des Klägers zeitlich begrenzt wäre, führt auch die mangelnde Befristung nicht zur Unverhältnismäßigkeit der Maßnahmen. Die Behörde hat überdies den Fall unter Kontrolle zu halten, da den Verwaltungsakten Dauerwirkung zukommt. Gemäß § 7 Abs. 2 Satz 3 PassG wird auf Antrag ein neuer Pass ausgestellt, soweit die Voraussetzungen für die Beschränkung fortfallen.
70Der Senat verkennt nicht, dass die Entziehung des Passes für den Kläger einen erheblichen Eingriff in seine grundgesetzlich geschützte Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG darstellt. Dieser Eingriff ist jedoch angesichts der Schwere des hier zu schützenden Rechtsguts gerechtfertigt. Dem Schutz der damit betroffenen Rechtsgüter - insbesondere dem Schutz von Leib und Leben unbeteiligter Dritter vor terroristischen Anschlägen als international anerkanntes Schutzgut - kommt angesichts der ihnen nach Lage der Dinge drohenden Beeinträchtigungen überragendes Gewicht zu. Entsprechendes gilt im Hinblick auf die verfügte Beschränkung des Geltungsbereichs des Personalausweises des Klägers.
71B. Die angefochtene Ordnungsverfügung ist auch nicht wegen formeller Mängel aufzuheben. Von einer Anhörung des Klägers durfte die Beklagte absehen (I.). Ein ihrer Ordnungsverfügung etwa anhaftender Begründungsmangel ist unbeachtlich (II.).
72I. Von der nach § 28 Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW erforderlichen Anhörung vor Erlass eines belastenden Verwaltungsaktes durfte die Beklagte nach § 28 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG NRW absehen, weil nach den Umständen des Einzelfalls eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erschien. Es genügt hierfür, dass die Behörde unter diesen Gesichtspunkten eine sofortige Entscheidung für notwendig halten durfte. Im Streitfall bestand die Gefahr, dass der Kläger eine Anhörung zur Passentziehung oder zur Ausreiseuntersagung zum Anlass genommen hätte, das Bundesgebiet vor Erlass der Verfügung zu verlassen. Die unten noch näher erläuterte Gefährdung wäre damit eingetreten, die Verfügung ins Leere gegangen. Daran führt nicht vorbei, dass der Reisepass bereits seit dem 4. Dezember 2013 sichergestellt war; denn gleichwohl bestand die Gefahr, dass der Kläger eine Anhörung zur Passentziehung oder zur Ausreiseuntersagung zum Anlass der sofortigen Ausreise auf dem Landweg genommen hätte.
73II. Soweit ein Mangel der nach § 39 Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW erforderlichen Begründung vorliegt, ist dieser unbeachtlich.
74Gemäß § 39 Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW ist ein schriftlicher Verwaltungsakt mit einer Begründung zu versehen. In der Begründung sind gemäß § 39 Abs. 1 Satz 2 VwVfG NRW die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben. Dies verlangt nicht die Darlegung aller Einzelheiten, die für eine vollständige Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts notwendig wären; anzugeben sind jedoch die tragenden Gründe, von denen die erlassende Behörde bei ihrer Entscheidung ausgegangen ist, in tatsächlicher Hinsicht also der von der Behörde ermittelte als gegeben angenommene Sachverhalt.
75Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Auflage 2014, § 39 Rdn. 45; Tiedemann in Bader/Ronellenfitsch, VwVfG, 2010, § 39 Rdn. 32 f.
76Ob die Beklagte diesen Anforderungen gerecht geworden ist, unterliegt Zweifeln, weil sie im streitgegenständlichen Bescheid vom 19. Dezember 2013 für die Darlegung der Tatsachen, die die Annahme einer Gefährdung im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 PassG rechtfertigen, lediglich darauf verwiesen hat, dass dem Kläger am 4. Dezember 2013 am Flughafen Köln-Bonn die Ausreise nach Istanbul untersagt und gegen ihn von der Staatsschutzabteilung des Polizeipräsidiums X. ein Verfahren eingeleitet worden ist, sowie auf das Behördenzeugnis des Ministeriums für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen vom 4. Dezember 2013. Das Behördenzeugnis beschränkt sich jedoch auf den Satz "Hier wurde dienstlich bekannt, dass Herr T8. K. beabsichtigt, gemeinsam mit weiteren Personen aus dem Umfeld der verbotenen Vereinigung 'Millatu Ibrahim' auszureisen, um sich am bewaffneten Jihad in Syrien zu beteiligen" und enthält mithin keine konkreten Anknüpfungstatsachen. Die zahlreichen Einzelheiten, die insbesondere dem seinerzeit bereits vorliegenden und in den Verwaltungsvorgängen befindlichen "Vermerk zur Person T8. K. " des Polizeipräsidiums X. vom 6. Dezember 2013 zu entnehmen sind, sind in dem Bescheid weder wiedergegeben noch auch nur in Bezug genommen.
77Wegen eines Begründungsdefizits könnte jedoch die Aufhebung des Verwaltungsakts gemäß § 46 VwVfG NRW nicht verlangt werden. Denn eine etwaige Verletzung des Begründungserfordernisses hätte die Entscheidung in der Sache offensichtlich nicht beeinflusst. Im Streitfall erscheint es ausgeschlossen, dass bei Beachtung der Verfahrensvorschrift die Entscheidung anders ausgefallen wäre. Denn die Beklagte hat lediglich versäumt, die seinerzeit bereits bekannten, in den Verwaltungsvorgängen dokumentierten und der Verfügung zugrunde liegenden Umstände im Einzelnen aufzuführen.
78Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
79Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
80Der Senat lässt die Revision nicht zu, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
Tenor
Nr. 1 des angefochtenen Beschlusses wird geändert.
Die aufschiebende Wirkung der Klage 4 K 2467/13 VG Aachen gegen Nr. 1 der Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 22. August 2013 wird wiederhergestellt und gegen Nrn. 2 und 5 angeordnet.
Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, dem Antragsteller den Reisepass Nr. XXXXXXXXX zurückzugeben und das Bundespolizeipräsidium unverzüglich zu ersuchen, die Ausschreibung des Antragstellers im Geschützten Grenzfahndungsbestand und seiner Identitätsdokumente im nationalen Sachfahndungsbestand und im Schengener Informationssystem zu löschen.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.
1
Gründe:
2Die Beschwerde ist gemäß § 146 Abs. 1 und 4 VwGO zulässig und begründet. Die Prüfung des Senats ist auf diejenigen Gründe beschränkt, die der Antragsteller innerhalb der einmonatigen Begründungsfrist nach § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO dargelegt hat (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO). Diese fristgerecht dargelegten Gründe rechtfertigen und gebieten es, den angefochtenen Beschluss zu ändern und dem Aussetzungsantrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO gegen die Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 22. August 2013 stattzugeben. Mit dieser Ordnungsverfügung hat sie dem Antragsteller den Reisepass entzogen (Nr. 1), den Geltungsbereich seines Personalausweises auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland beschränkt (Nr. 2), die sofortige Vollziehung dieser beiden Maßnahmen angeordnet (Nr. 3) und ihm unter Androhung eines Zwangsgeldes in Höhe von 1.000,00 Euro aufgegeben, seinen Reisepass sofort nach Erhalt der Ordnungsverfügung bei ihr abzugeben (Nrn. 4 und 5). Die Vollziehungsanordnung in Nr. 3 geht ins Leere, soweit sie sich auf die Ausweisbeschränkung nach § 6 Abs. 7 PAuswG in Nr. 2 der Ordnungsverfügung bezieht, denn diese Maßnahme ist nach § 30 PAuswG schon kraft Gesetzes sofort vollziehbar. Insoweit ist die aufschiebende Wirkung anzuordnen.
3Der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ist begründet, weil das Aussetzungsinteresse des Antragstellers das öffentliche Vollzugsinteresse überwiegt. Nach gegenwärtiger Aktenlage sind die Anordnungen in den Nrn. 1 und 2 der Ordnungsverfügung offensichtlich rechtswidrig und wird die Ordnungsverfügung voraussichtlich im Hauptsacheverfahren 4 K 2467/13 VG Aachen keinen Bestand haben.
4Als Rechtsgrundlage für die in Nr. 1 verfügte Passentziehung kommt nur § 8 PassG in Betracht. Danach kann ein Pass dem Inhaber entzogen werden, wenn „Tatsachen bekanntwerden“, die nach § 7 Abs. 1 PassG die Passversagung rechtfertigen würden. § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG setzt tatbestandlich voraus, dass „bestimmte Tatsachen“ die Annahme begründen, dass der Passinhaber die innere oder äußere Sicherheit oder sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet. Unter dieser Voraussetzung kann die zuständige Behörde nach § 6 Abs. 7 PAuswG auch die Ausweisbeschränkung in Nr. 2 der Ordnungsverfügung gegenüber dem Antragsteller anordnen. Im vorliegenden Fall ist die 3. Alternative des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG einschlägig (Gefährdung sonstiger erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland). Solche Belange gefährdet der Passinhaber insbesondere, wenn bestimmte Tatsachen die Prognose rechtfertigen, er werde sich im Ausland an Gewalttätigkeiten beteiligen, die geeignet sind, die auswärtigen Beziehungen oder unter besonderen Umständen auch das internationale Ansehen der Bundesrepublik zu schädigen.
5BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2007 ‑ 6 C 39.06 ‑, BVerwGE 129, 142, juris, Rdn. 28 (G-8-Gipfel Genua); VGH Bad-Württ., Urteil vom 7. Dezember 2004 ‑ 1 S 2218/03 ‑, VBlBW 2005, 231, juris, Rdn. 21.
6Der Passversagungstatbestand in § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG setzt lediglich voraus, dass konkrete Tatsachen vorliegen, die die Begründetheit der behördlichen Gefahreneinschätzung nachvollziehbar rechtfertigen. Die Anknüpfungstatsachen für die Gefahrenprognose müssen nach Zeit, Ort und Inhalt so konkret gefasst sein, dass sie einer Überprüfung im gerichtlichen Verfahren zugänglich sind. Hingegen erfordert § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG keine eindeutigen Beweise für diese Gefahreneinschätzung. Ausreichend ist eine auf Tatsachen gestützte positive Gefahrenprognose. Eine bloße Möglichkeit, eine reine Vermutung oder ein durch konkrete Tatsachen nicht belegbarer Verdacht genügen nicht, um eine konkrete Gefährdungslage im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG zu begründen.
7Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 14/2726 vom 18. Februar 2000, S. 6; VG Berlin, Urteil vom 6. März 2012 ‑ 23 K 59.10 ‑, juris, Rdn. 18; VG Braunschweig, Beschluss vom 27. Oktober 2011 ‑ 5 B 164/11 ‑, juris, Rdn. 22; VG Aachen, Urteil vom 26. August 2009 ‑ 8 K 637/09 ‑, juris, Rdn. 46; entsprechend zur Passentziehung wegen Steuerflucht nach § 7 Abs. 1 Nr. 4 PassG OVG Bremen, Beschluss vom 25. Januar 2013 ‑ 1 B 297/12 ‑, NordÖR 2013, 217, juris, Rdn. 5.
8Hierin liegt eine Herabstufung des anzulegenden Wahrscheinlichkeitsmaßstabs in Bezug auf die vorausgesetzte Gefährdung. Der Passversagungsgrund des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG liegt nicht erst dann vor, wenn der Betreffende Belange der Bundesrepublik Deutschland tatsächlich gefährdet, sondern schon dann, wenn der begründete Verdacht einer solchen Gefährdung besteht. Diese Herabstufung ergibt sich aus dem Wortlaut des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG, der lediglich verlangt, dass Tatsachen „die Annahme“ einer Gefährdung im Sinne der Nr. 1 begründen, ohne dass die Gefährdung selbst vorliegen muss. Insofern führt der Passversagungstatbestand in § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG zu einer ähnlichen Vorverlagerung des Gefährdungsschutzes wie auch der Ausschlusstatbestand des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG im Rahmen der Einbürgerung.
9Dazu allgemein BVerwG, Beschluss vom 16. Juli 2003 ‑ 6 VR 10.02 ‑, juris, Rdn. 13 (Vereinsverbot); zu § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG: BVerwG, Beschluss vom 8. Juni 2011 ‑ 5 B 55.10 ‑, juris, Rdn. 3; Urteil vom 2. Dezember 2009 ‑ 5 C 24.08 ‑, BVerwGE 135, 302, juris, Rdn. 15, 18 (IGMG); Urteil vom 22. Februar 2007 ‑ 5 C 20.05 ‑, BVerwGE 128, 140, juris, Rdn. 19 f. (PKK-Selbsterklärung).
10In diesem herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab unterscheidet sich der Passversagungstatbestand in § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG ebenso wie der Ausschlusstatbestand des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG von Vereinsverboten sowie von Behauptungen in einem Verfassungsschutzbericht, für die keine Verringerung des Regelbeweismaßes der vollen richterlichen Überzeugungsgewissheit nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO eingreift. Bei diesen Maßnahmen ist eine Herabstufung des Wahrscheinlichkeitsmaßstabs insbesondere nicht wegen des sachtypischen Beweisnotstandes gerechtfertigt, in dem sich die handelnde Behörde befindet, weil der Verfassungsschutz seine Erkenntnisquellen und Arbeitsweisen schützen, Vertraulichkeitszusagen an Informanten einhalten muss und deshalb oftmals die Vorlage seiner Akten nach § 99 VwGO verweigert. Denn eine solche Beweisregel ist weder in § 99 VwGO noch an anderer Stelle der Verwaltungsgerichtsordnung vorgesehen.
11BVerwG, Urteil vom 21. Mai 2008 ‑ 6 C 13.07 ‑, BVerwGE 131, 171, juris, Rdn. 25, 29 (VS-Bericht BW 2001); Urteil vom 3. Dezember 2004 ‑ 6 C 10.02 ‑, NVwZ 2005, 1435, juris, Rdn. 16 (Vereinsverbot).
12Nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG erstreckt sich die Herabstufung des Wahrscheinlichkeitsmaßstabs auf die von dieser Vorschrift vorausgesetzte Gefährdung, nicht aber auch auf die einzelnen „bestimmten Tatsachen“ im Sinne dieses Eingriffstatbestandes. Für diese Indiztatsachen verbleibt es vielmehr bei dem Regelbeweismaß der vollen richterlichen Überzeugungsgewissheit nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Als ausschließlich auf diese Indiztatsachen bezogen versteht der Senat die Aussage der Vorinstanz, ein geheimhaltungsbedingter Beweisnotstand führe nicht zu einer Herabstufung des Regelbeweismaßes der vollen richterlichen Überzeugungsgewissheit nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO (Seite 9 unten des Beschlussabdrucks).
13Bei einer Passentziehung wegen befürchteter Ausreise zur Teilnahme am bewaffneten Jihad kommen als Anknüpfungstatsachen vor allem konkrete Äußerungen des Passinhabers und seine Einbindung in einen Personenkreis von gewaltbereiten Islamisten sowie deren bisherige Aktivitäten und politische Ziele in Betracht (z. B. Teilnahme an regelmäßigen Zusammenkünften, bei denen Koransuren mit zentralen Leitsätzen des militanten Jihad besprochen werden; Teilnahme an einem Ausbildungscamp für Terroristen im Ausland; missglückte Ausreiseversuche; Auffinden eines USB-Speichersticks mit demokratiefeindlichen digitalisierten Büchern; eigene Äußerungen des Passinhabers über einen konkret geplanten Grenzübertritt nach Syrien mit Sprengstoffübergabe).
14OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 7. März 2011 ‑ 5 S 22.10, 5 M 34.10 ‑, NVwZ-RR 2011, 500, juris, Rdn. 4, 6; VG Hamburg, Beschluss vom 23. November 2012 ‑ 2 E 2951/12 ‑, juris, Rdn. 18 ff.; VG Berlin, Urteil vom 6. März 2012, a. a. O., Rdn. 18; Urteil vom 6. März 2012 ‑ 23 K 58.10 ‑, juris, Rdn. 20; VG Braunschweig, a. a. O., Rdn. 20; OVG NRW, Beschluss vom 11. September 2013 ‑ 18 B 866/13 ‑ (Ausreiseverbot nach § 46 Abs. 2 AufenthG).
15Im Fall des Antragstellers hat die Antragsgegnerin derartige nach Zeit, Ort und Inhalt konkretisierte Anknüpfungstatsachen noch nicht einmal im Sinne einer bloßen Behauptung benannt. Sie stützt ihre Maßnahme vielmehr lediglich auf die allgemein formulierte Befürchtung, er plane „zeitnah“ nach Syrien auszureisen, um sich dort „mutmaßlich dem bewaffneten ‚Jihad‘ anzuschließen bzw. terroristische Gruppierungen zu unterstützen“. Diese Befürchtung wiederum stützt sie ausschließlich auf die Mitteilung des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) in seinem Behördenzeugnis vom 1. August 2013, ihm lägen „glaubhafte Informationen aus zuverlässigen Quellen“ vor, welche diese Befürchtung angeblich „belegen“. Hierin liegt keine auf Tatsachen gestützte positive Gefahrenprognose, sondern lediglich die Äußerung einer bloßen Vermutung, welche weder die Antragsgegnerin noch das BfV durch konkrete belegbare Tatsachen untermauert hat. Eine solche Vermutung genügt nicht, um eine konkrete Gefahrenprognose im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG zu stützen.
16Das Behördenzeugnis des BfV ist auch nicht schon selbst als eigenständige Anknüpfungstatsache zu werten, die eine Gefahrenprognose nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG rechtfertigen kann. Allein der Umstand, dass eine Verfassungsschutzbehörde eine bestimmte Gefahrenprognose anstellt, ist noch kein Indiz dafür, dass diese Gefahr tatsächlich besteht. Vielmehr unterliegt auch diese behördliche Gefahreinschätzung in vollem Umfang der gerichtlichen Überprüfung. Für die gerichtliche Überzeugungsbildung über das Vorliegen des Passversagungstatbestandes des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG können nur diejenigen Tatsachen ausschlaggebend sein, die der behördlichen Gefahreinschätzung zugrunde liegen. Ein Behördenzeugnis einer Verfassungsschutzbehörde, mit der diese ihre eigene Gefahrenprognose sowie gegebenenfalls die ihr zugrunde liegenden Feststellungen seiner Mitarbeiter oder Informanten wiedergibt, ist lediglich Erkenntnisquelle, also Beweismittel, nicht aber selbst Indiztatsache für die nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG erforderliche Gefahrenprognose.
17Vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Dezember 2004, a. a. O., Rdn. 16; VG Aachen, a. a. O., Rdn. 51, 55; VG Braunschweig, a. a. O., Rdn. 24.
18In diesem Sinn tragfähige Indiztatsachen benennt auch das BfV in seinem Behördenzeugnis vom 1. August 2013 nicht. Dessen Inhalt erschöpft sich in der oben bereits zitierten Verdachtsbehauptung, die in jeder Hinsicht pauschal ist und durch keinerlei bestimmte Tatsachen gestützt wird, die eine gerichtliche Überprüfung ermöglichen. Auf welche „Informationen“ von nicht genannten Quellen das BfV die genannte Verdachtsbehauptung stützt, ergibt sich weder aus dem Behördenzeugnis noch aus den Begleitinformationen, mit denen die Kriminalpolizei B. dieses der Antragsgegnerin übermittelt hat. Ebenso wenig lässt sich dem sonstigen Akteninhalt entnehmen, auf welche konkreten Indiztatsachen die Antragsgegnerin die von § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG vorausgesetzte Gefährdung sonstiger erheblicher Belange der Bundesrepublik Deutschland durch den Antragsteller stützt. Das gilt insbesondere auch für ihre nicht näher konkretisierte Behauptung in der Begründung zur angefochtenen Ordnungsverfügung, der Antragsteller besitze eine „radikalisierte Persönlichkeit“ und „fortgesetzte Kontakte in die islamistisch-jihadistische Szene“, weshalb „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen [sei], dass Sie versuchen werden, sich einer Haft durch Flucht zu entziehen“.
19Für eine solche bevorstehende oder beabsichtigte Inhaftierung des Antragstellers gibt es nach Aktenlage keinen Anhalt. Dem Senat drängt sich vielmehr der Eindruck auf, dass die Antragsgegnerin die genannten personenbezogenen Aspekte dem Muster einer Passentziehungsverfügung entnommen hat, welches die Kriminalpolizei B. ihr mit dem Behördenzeugnis zur Verfügung gestellt hat. Für den Fall des Antragstellers wären sie dann ohne realen Hintergrund. Folgerichtig hat auch das Amtsgericht B. die beantragte Anordnung der Wohnungsdurchsuchung mit der zutreffenden Begründung abgelehnt, der möglicherweise ernst zu nehmende Hintergrund entbinde die Ermittlungsbehörden nicht von ihrer rechtsstaatlichen Pflicht, die gesetzlichen Eingriffsvoraussetzungen zumindest ansatzweise im Sinne einer behördlichen Behauptung von Indiztatsachen zu konkretisieren (Beschluss vom 21. August 2013 ‑ 620 Gs 1184/13 ‑).
20Der Senat hat schon im Rahmen des vorliegenden Aussetzungsantrags nach § 80 Abs. 5 VwGO zu prüfen, ob die Passbehörde hinreichend konkrete Tatsachen für den nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG erforderlichen Gefahrenverdacht zumindest im Sinne einer Behauptung benannt und gegebenenfalls glaubhaft gemacht hat. Er teilt nicht die Rechtsauffassung der Vorinstanz und anderer erstinstanzlicher Verwaltungsgerichte, die eine Passentziehung in Eilverfahren schon allein im Hinblick auf die bloße Möglichkeit einer Offenlegung der maßgeblichen nachrichtendienstlichen Erkenntnisse im Rahmen einer Beweiserhebung im Hauptsacheverfahren bestätigt haben (S. 10 f. des Beschlussabdrucks).
21VG Aachen, Beschluss vom 14. April 2009 ‑ 8 L 164/09 ‑, NVwZ-RR 2009, 781, juris, Rdn. 28; VG Braunschweig, a. a. O., Rdn. 29 f.
22Vielmehr unterliegen auch behördliche Maßnahmen, welche auf nachrichtendienstliche Erkenntnisse zurückgehen, in einem Aussetzungsverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO der gerichtlichen Überprüfung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht, soweit dies mit den beschränkten Mitteln des Eilverfahrens möglich ist.
23Vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 16. Juli 2003, a. a. O., Rdn. 5 ff.
24Insbesondere ermöglicht auch das Eilverfahren dem Gericht die Prüfung, ob und mit welchem Wahrscheinlichkeitsgrad die behaupteten Indiztatsachen, ihren Nachweis im Hauptsacheverfahren für den Fall eines Bestreitens unterstellt, den Schluss auf die für § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG maßgebliche Haupttatsache zulassen (Ausreise- und Gefährdungsabsicht gerade des Antragstellers). Hierbei handelt es sich um eine tatsächliche Würdigung von Indiztatsachen, hinsichtlich derer sich das Eilverfahren nicht maßgeblich vom Hauptsacheverfahren unterscheidet.
25Abgesehen davon ist im vorliegenden Fall noch nicht einmal zu erwarten, das BfV werde die angefochtene Ordnungsverfügung im Hauptsacheverfahren wenigstens nachträglich mit den erforderlichen konkreten Indiztatsachen untermauern. Denn die Polizei hat mitgeteilt, dem Bundeskriminalamt lägen keine belastbaren Informationen vor, die eine Ausreise des Antragstellers erwarten ließen, trotz intensivster Bemühungen könne es keine weitergehenden Informationen im Sachzusammenhang mitteilen. Auch die Sicherheitskonferenz des Ministeriums für Inneres und Kommunales hat angegeben, es lägen keine freigegebenen Informationen vor; eine Freigabe sei bei der jeweiligen Behörde im Einzelfall zu beantragen. Schließlich hat das Ministerium für Inneres und Kommunales unter dem 27. Januar 2014 die Auskunft des BfV wiedergegeben, ihm lägen aktuell keine belastbaren Informationen vor, die eine Ausreise des Antragstellers aus dem Bundesgebiet erwarten ließen, es halte an dem Behördenzeugnis „mit dem damaligen Stand“ fest; die dahinter stehenden Informationen könnten jedoch nicht weiter offen gelegt werden als sie bereits im Behördenzeugnis formuliert seien.
26Mit der Anordnung an die Antragsgegnerin, den Reisepass zurückzugeben und die Ausschreibung des Antragstellers zur Fahndung löschen zu lassen, macht der Senat von seiner Befugnis nach § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO Gebrauch, die bereits erfolgte Vollziehung der Entziehungsverfügung rückgängig zu machen.
27Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
28Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.
29Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 66 Abs. 3 Satz 3, 68 Abs. 1 Satz 5 GKG).
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in beizutreibender Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Der Kläger ist am 2. Dezember 1991 in T. geboren. Die Beklagte stellte ihm am 16. Juli 2012 den Bundespersonalausweis Nr. , gültig bis zum 15. Juli 2018, sowie am 12. April 2013 den Reisepass Nr. , gültig bis zum 11. April 2019, aus.
3Unter dem 4. Dezember 2013 stellte das Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes NRW (MIK NRW) ein Behördenzeugnis aus, wonach dienstlich bekannt geworden sei, dass der Kläger beabsichtige, gemeinsam mit weiteren Personen aus dem Umfeld der verbotenen Vereinigung "Millatu Ibrahim" auszureisen, um sich am bewaffneten "Jihad" in Syrien zu beteiligen. Beamte der Bundespolizei kontrollierten ihn am selben Tag am Flughafen Köln/Bonn bei der grenzpolizeilichen Ausreisekontrolle des Fluges TK nach Istanbul. Der Kläger befand sich in Begleitung des T1. G. und des T2. C. . Die drei hatten ihr Flugticket erst am Abflugtag gekauft und führten lediglich Handgepäck mit sich. Auf der Grundlage des Behördenzeugnisses führten die Beamten eine Ausreisebefragung bei allen drei Personen durch. Diese gaben an, zu privaten Zwecken nach Istanbul reisen zu wollen; Angaben zu dortiger Unterkunft und Rückflug konnten sie nicht machen. In der Geldbörse des Klägers fand sich ein Zettel, auf dem handschriftlich notiert ist: "Nummer von Deutschland aus: ... Nummer von Türkei aus: ... Der Bruder heißt F. A. . Die Nummer haben wir von B. T3. . Wir wollen zum B. Anrufen vom Reisebus-Bahnhof (…) in Antep oder Anrufen vom Flughafen in Antep". Die Bundespolizei untersagte dem Kläger und seinen beiden Begleitern die Ausreise und stellte den Reisepass des Klägers sicher.
4Das Polizeipräsidium (PP) X. erstellte unter dem 6. Dezember 2013 einen Vermerk zur Person des Klägers. Darin stellt der Verfasser, KOK L. , fest, der ältere Bruder T4. des Klägers habe zu den Gründungsmitgliedern der verbotenen Vereinigung "Millatu Ibrahim" in T. gehört; der Kläger sei als regelmäßiger Besucher des Vereins bekannt. T4. K. sei Mitte 2012 aus Deutschland ausgereist. Die Deutsche Botschaft in Ankara habe am 24. Juli 2013 mitgeteilt, er sei nach Angaben türkischer Behörden am 19. Juli 2013 auf dem Hoheitsgebiet der Türkei festgenommen worden, weil er weder einen Pass noch sonstige Ausweisdokumente, sondern lediglich eine deutsche Einbürgerungsurkunde mit sich geführt habe. Er, KOK L. , habe T4. K. aufgrund verschiedener Haftbefehle bei der Einreise am Frankfurter Flughafen festgenommen. Dabei habe T4. K. freimütig angegeben, er und andere hätten sich "ganz nah an der Kriegsfront befunden". Beide Brüder hätten sich bei den salafistischen Ausschreitungen in T. am 1. Mai 2012 am Veranstaltungsort befunden. Weiter beteilige sich der Kläger auch an den aktuellen Koraninformationsständen und Videoproduktionen der salafistischen Bewegung "Tauhid Deutschland". Hierzu enthält der Vermerk zwei Bilder, auf denen der Kläger mit mehreren anderen Personen abgebildet ist, darunter jeweils T1. G. und T2. C. . Schließlich sei der Kläger in den letzten Wochen mehrfach als Begleit- und Kontaktperson des Predigers Hasan Keskin in Erscheinung getreten, der unter anderem während der Ausschreitungen am 1. Mai 2012 als aufhetzender Wortführer agiert habe.
5In den Vermerken zu den Begleitern des Klägers, T1. G. und T2. C. , ist gleichfalls ausgeführt, sie gehörten zum jugendlichen salafistischen Personenspektrum aus T. .
6Mit Ordnungsverfügung vom 19. Dezember 2013 entzog die Beklagte dem Kläger ohne vorherige Anhörung den Reisepass (Nr. 1) und beschränkte den Geltungsbereich seines Personalausweises auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (Nr. 2). Zur Begründung gab sie den Inhalt des Behördenzeugnisses wieder und führte an, die Teilnahme eines deutschen Staatsangehörigen am bewaffneten "Jihad" sei geeignet, in erheblichem Maße die auswärtigen Belange der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden. Es lägen schwerwiegende Anhaltspunkte dafür vor, dass er beabsichtige, die Bundesrepublik Deutschland zu verlassen, um sich im derzeitigen Krisengebiet Syrien am bewaffneten Kampf ("Jihad") zu beteiligen. In diesem Zusammenhang habe bereits die Abteilung Staatsschutz des PP X. ein Verfahren gegen ihn beantragt. Es werde keine Anhörung durchgeführt, da eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug notwendig erscheine. Die angeordneten Maßnahmen könnten nur Erfolg haben, wenn die Ausreise des Klägers sofort verhindert werde.
7Der Kläger hat am 9. Januar 2014 Klage erhoben und nach Einsicht in den Verwaltungsvorgang der Beklagten geltend gemacht, in der Begründung der angefochtenen Ordnungsverfügung fehle eine Darlegung hinreichend konkreter und belegbarer Anknüpfungstatsachen für die Gefahrenprognose der Beklagten. Das Behördenzeugnis des MIK NRW sei keine solche Tatsache. Die erforderlichen Anknüpfungstatsachen unterlägen auch den allgemeinen Beweisregeln, Beweiserleichterungen stünden der Behörde insoweit nicht zu. Die angegriffene Verfügung sei im Hinblick auf die Gefahr begründenden Tatsachen nicht hinreichend bestimmt. Er, der Kläger, weise die Behauptung, zum salafistischen Personenspektrum aus T. zu zählen, mit Entschiedenheit zurück. Von dort habe er sich bereits seit langer Zeit zurückgezogen. Er besuche andere Moscheen, pflege andere Kontakte, habe eine Freundin und arbeite ganz normal 8 Stunden täglich. Von seinem Bruder, der allerdings in der einschlägigen Szene in T. verankert sei, lasse er sich nicht beeinflussen. Im Zusammenhang mit den Ausschreitungen am 1. Mai 2012 in T. habe er sich früh vom Veranstaltungsort entfernt und sei im später eingeleiteten Strafverfahren freigesprochen worden. Auf dem Zettel, den er bei sich gehabt habe, stünden Telefonnummern von in der Türkei humanitär tätigen zum Teil syrischen Organisationen, keinesfalls aber handele es sich um irgendwelche Kontaktleute oder Schleuser für einen Transitweg. Sein Bruder habe ihm den Zettel mitgegeben, damit er in Istanbul Kontakt zu humanitär tätigen Organisationen für die Hilfe nach Syrien aufnehme. Mit dem im - ohnehin offensichtlich auf Anlass gefertigten und daher unverwertbaren - Bericht vom 11. August 2014 erwähnten V. B1. habe er zwar in der L1. Straße in T. gewohnt. Zu dessen Ausreise sei ihm aber nichts bekannt gewesen. Überdies habe er Kontakt mit einer Mitarbeiterin eines Aussteigerprogramms aufgenommen und einen ersten Besprechungstermin vereinbart.
8Der Kläger hat beantragt,
9die Ordnungsverfügung der Beklagten vom 19. Dezember 2013 aufzuheben.
10Die Beklagte hat beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Sie hat ergänzend auf den Vermerk des PP X. vom 6. Dezember 2013 Bezug genommen und darauf hingewiesen, dass der Kläger danach regelmäßiger Besucher und Vorstandsmitglied des verbotenen Vereins "Millatu Ibrahim" gewesen sei, sich bei den Ausschreitungen am 1. Mai 2012 am Tatort befunden habe, im Zusammenhang mit den Koraninformationsständen aufgetreten sei und sich mehrfach in Begleitung von Hasan Keskin aufgehalten habe. Gegen die Annahme einer Ausreiseabsicht zu touristischen Zwecken spreche die bei ihm gefundene Telefonliste. Ferner hat die Beklagte einen ergänzenden Bericht des PP X. vom 11. August 2014 vorgelegt, wonach der Kläger zuletzt mit V. B1. in der L1. Straße in T. zusammengewohnt habe. B1. sei trotz eigener Ausreiseuntersagung im Juni 2014 zunächst über Wien vermutlich nach Syrien ausgereist. Mit S. C1. , E. K1. und C2. L2. seien drei der Terrorkrieger aus T. bereits in Syrien gestorben. Auch T5. L3. sei ehemaliger Weggefährte des Klägers und seines Bruders gewesen. Er gebe im Internet ganz offen an, für den Islamischen Staat zu kämpfen. Zweifelhaft sei die Glaubhaftigkeit der Angabe des Klägers, in einem Aussteigerprogramm zu sein. Auch in der Vergangenheit habe er stets geleugnet, Angehöriger der Szene zu sein, auch wenn hierfür offenkundige Befunde vorgelegen hätten.
13Mit dem angefochtenen Urteil hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Kläger sei zusammen mit seinem Bruder öfter auf Veranstaltungen einer wegen dort gehaltener Predigten jihadistischen Inhaltes inzwischen verbotenen Vereinigung gewesen. Auch wegen seiner Eigenschaft als deren Vorstandsmitglied dürfe angenommen werden, er stehe auch inhaltlich hinter den Zielen der von ihm repräsentierten Organisation. Als weitere Indizien für die Absicht des Klägers, zur Teilnahme am "Jihad" auszureisen, führte das Verwaltungsgericht seine Beteiligung an Informationsständen und Videoproduktionen der salafistischen Bewegung "Tauhid", sein Auftreten als Kontakt- und Begleitperson des Predigers Keskin, das Aufgreifen seines Bruders Mitte 2013 in der Türkei sowie den Besitz des Zettels mit Telefonnummern bei seiner unterbundenen Ausreise in die Türkei an.
14Gegen das am 19. September 2014 zugestellte Urteil hat der Kläger am Montag, dem 20. Oktober 2014 die vom Verwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Berufung eingelegt. Zu ihrer Begründung macht er im Wesentlichen geltend: Dass er beabsichtigt habe, zur Teilnahme am "militanten Jihad" nach Syrien auszureisen, sei durch nichts belegt. Er würde sich niemals einer Terrorgruppe wie der ISIS anschließen. Konkrete und belegbare Anknüpfungstatsachen der für die Gefahrenprognose darlegungs- und beweispflichtigen Behörde fehlten. Die Beklagte verweise in dem Bescheid lediglich generell auf Kenntnisse von Sicherheitsbehörden. Dies sei nicht geeignet, die angegriffenen Maßnahmen zu begründen. Die Mitteilung des Ministeriums für Inneres und Kommunales vom 19. Dezember 2013 sei unerheblich, weil es nach der Gesetzeslage auf Tatsachen ankomme, nicht auf die behördliche Einschätzung oder Bewertung von Tatsachen. Auch "die Bezugnahme auf die Einschätzung des Bundesministeriums vom 14.06.2012" sei nicht ausreichend. Zudem gebe es eine Vielzahl von Gruppierungen, die gegen das Assad-Regime kämpften. Diese würden zum Teil von den USA unterstützt. Auch erhalte die ISIS oder IS Unterstützung durch Staaten wie die Türkei oder Qatar, zumindest aber durch in diesen Ländern tätige private Geschäftsleute, die ihrerseits Kontakte zu den USA unterhielten. Daher sei nicht zu erkennen, inwieweit ausgerechnet durch ihn, den Kläger, erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet würden.
15Der Kläger beantragt sinngemäß,
16das angefochtene Urteil zu ändern und nach dem erstinstanzlichen Klageantrag zu erkennen.
17Die Beklagte beantragt,
18die Berufung zurückzuweisen.
19Sie verweist auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts sowie des Senats im Beschluss vom 16. April 2014 - 19 B 59/14 - und übermittelt die telefonische Auskunft der für das Aussteigerprogramm zuständigen Sachbearbeiterin beim MIK NRW, dass sich der Kläger auf mehrfache telefonische und zuletzt schriftliche Kontaktversuche nicht gemeldet habe.
20Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten dieses Verfahrens und der Verfahren 24 L 37/14 und 24 L 1849/14 - VG Düsseldorf -, des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Beklagten sowie der Akten zum Verfahren 80 Js 1120/13 (StA Düsseldorf) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
21Die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung des Klägers ist zulässig, aber unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klage ist als Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 VwGO zulässig, aber unbegründet. Die Ordnungsverfügung der Beklagten vom 19. Dezember 2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die in deren Nr. 1 verfügte Passentziehung findet ihre Rechtsgrundlage in § 8 PassG. Danach kann ein Pass dem Inhaber entzogen werden, wenn Tatsachen bekanntwerden, die nach § 7 Abs. 1 PassG die Passversagung rechtfertigen würden. § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG setzt tatbestandlich voraus, dass bestimmte Tatsachen die Annahme begründen, dass der Passinhaber die innere oder äußere Sicherheit oder sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet. Die in Nr. 2 der angefochtenen Ordnungsverfügung angeordnete Ausweisbeschränkung hat die Beklagte zu Recht auf § 6 Abs. 7 PAuswG gestützt, der diese Maßnahme ebenfalls an das Vorliegen eines Passversagungsgrundes nach § 7 Abs. 1 PassG knüpft.
22Am Maßstab dieser beiden Ermächtigungsgrundlagen ist die angefochtene Ordnungsverfügung materiell rechtmäßig (A.). Auch Verfahrensfehler rechtfertigen nicht ihre Aufhebung (B.).
23A. In materiell-rechtlicher Hinsicht hat die Beklagte die beiden genannten Maßnahmen ausschließlich auf die 3. Variante des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG gestützt (Gefährdung sonstiger erheblicher Belange der Bundesrepublik Deutschland). Diesen Passversagungsgrund hat sie sinngemäß in Bezug genommen, indem sie zur Begründung ausgeführt hat, die Teilnahme eines deutschen Staatsangehörigen am bewaffneten "Jihad" sei geeignet, in erheblichem Maße die auswärtigen Belange der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden.
24Die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Nr. 1 Variante 3 sind erfüllt. Für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung maßgeblich. Denn sowohl bei der Entziehung des Reisepasses als auch bei der räumlichen Beschränkung des Geltungsbereichs des Personalausweises handelt es sich um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung. Dauerverwaltungsakte sind solche Verfügungen, die einen fortwährenden Regelungsgehalt haben, und deren Rechtsgrundlage verlangt, dass ihre tatbestandlichen Voraussetzungen während des gesamten Wirkungszeitraums der Regelung vorliegen.
25Wolff in Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Auflage 2014, § 113 Rn. 116 mit weiteren Nachweisen.
26Dies ist hier der Fall. Sowohl die Passentziehung als auch die räumliche Beschränkung des Geltungsbereichs des Personalausweises erschöpfen sich nicht in einer einmaligen Anordnung, sondern entfalten dauerhafte Wirkung für den Betroffenen.
27Vgl. VG Berlin, Urteil vom 6. März 2012 - 23 K 59/10 -, juris Rdn. 15.
28Im Streitfall sind Tatsachen bekannt geworden, die die Annahme begründen, dass der Kläger sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet. In der Ausreise eines Deutschen zum Zweck der Unterstützung des militanten "Jihad" liegt eine Gefährdung sonstiger erheblicher Belange der Bundesrepublik Deutschland im Sinne der 3. Variante des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG (I.). Im Streitfall begründen Tatsachen die Annahme, dass der Kläger in solcher Absicht nach Syrien ausreisen wollte und noch will (II.).
29I. Die Ausreise eines Deutschen zum Zweck der Unterstützung des militanten "Jihad" begründet eine Gefährdung sonstiger erheblicher Belange der Bundesrepublik Deutschland im Sinne der 3. Variante des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG. Der Begriff "sonstige erhebliche Belange" ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, dessen Vorliegen der Senat in vollem Umfang nachzuprüfen hat. Er erfasst Tatbestände, die in ihrer Erheblichkeit den beiden anderen Tatbestandsvarianten (innere und äußere Sicherheit) nahekommen. Sie müssen so gewichtig sein, dass die Passbehörde sie aus zwingenden staatspolitischen Gründen der freiheitlichen Entwicklung in der Bundesrepublik voranstellen muss. Das ergibt sich aus dem Zusammenhang der drei Tatbestandsvarianten des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG. Der Passinhaber gefährdet sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland insbesondere, wenn bestimmte Tatsachen die Prognose rechtfertigen, er werde sich im Ausland an Gewalttätigkeiten beteiligen, die geeignet sind, die auswärtigen Beziehungen oder unter besonderen Umständen auch das internationale Ansehen der Bundesrepublik zu schädigen.
30BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2007 - 6 C 39.06 -, BVerwGE 129, 142 = juris Rdn. 28; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 7. Dezember 2004 - 1 S 2218/03 -, VBlBW 2005, 231 = juris Rdn. 21; OVG NRW, Beschluss vom 16. April 2014 - 19 B 59/14 -, NVwZ-RR 2014, 593 = juris Rdn. 3.
31Die Beteiligung am militanten "Jihad" ist geeignet, die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik zu schädigen. Terroranschläge des militanten "Jihad", an denen deutsche Staatsangehörige mitwirken, tangieren massiv die Sicherheitsinteressen der davon betroffenen Länder sowie der internationalen Staatengemeinschaft und sind geeignet, die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik nachhaltig zu beeinträchtigen.
32Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16. April 2014 - 19 B 59/14 -, NVwZ-RR 2014, 593 = juris Rdn. 3; VG Arnsberg, Urteil vom 23. Januar 2015 - 12 K 2036/13 -, juris Rdn. 32; VG Münster, Beschluss vom 27. Juni 2014 - 1 L 328/14 -, juris Rdn. 9; VG Hamburg, Beschluss vom 23. November 2012 - 2 E 2951/12 -, juris Rdn. 14; VG Berlin, Urteil vom 6. März 2012 - 23 K 59.10 -, juris Rdn. 18; VG Braunschweig, Beschluss vom 27. Oktober 2011 - 5 B 164/11 -, juris Rdn. 21; VG Frankfurt a.M., Beschluss vom 30. November 2009 - 5 L 3142/09.F -, juris; VG Aachen, Urteil vom 26. August 2009 - 8 K 637/09 -, juris Rdn. 45; abweichend Daum, Anforderungen an Ausreisebeschränkungen von Islamisten, DÖV 2014, 526 (531).
33Dies unterstreicht der Umstand, dass der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen mit der am 24. September 2014 verabschiedeten Resolution 2178 (2014) die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, Personen, die im Ausland terroristische Taten begehen wollen, an der Einreise, dem Transit und der Ausreise zu hindern und entsprechende Taten unter Strafe zu stellen. Dabei werden sämtliche Vorbereitungs‑, Unterstützungs- und Finanzierungshandlungen erfasst.
34Vgl. Payandeh, Globale Anti-Terrorgesetzgebung: Die deutsche Rechtsordnung im Sog des UN-Sicherheitsrats?, ZRP 2014, 241 (242).
35Zudem gibt eine Vielzahl der militanten Kämpfer seine Herkunft und seine Staats-angehörigkeit in Videobotschaften in den sozialen Netzwerken öffentlich bekannt und kokettiert nicht selten sogar damit, Bürger eines westlichen Staates zu sein, den dieser Staat eingebürgert hat.
36II. Es sind Tatsachen bekannt geworden, die die Annahme begründen, dass der Kläger zum Zwecke der Unterstützung des "Jihad" nach Syrien ausreisen wollte und noch will.
37Der Passversagungstatbestand in § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG setzt voraus, dass konkrete Tatsachen vorliegen, die die Begründetheit der behördlichen Gefahreneinschätzung nachvollziehbar rechtfertigen. Hinsichtlich dieser Gefahreneinschätzung erfordert § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG keine eindeutigen Beweise; es reicht aus, wenn der begründete Verdacht einer Gefährdung der Belange der Bundesrepublik Deutschland besteht. Eine bloße Möglichkeit, eine reine Vermutung oder ein durch konkrete Tatsachen nicht belegbarer Verdacht genügen hingegen nicht, um eine konkrete Gefährdungslage im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG zu begründen. Diese Herabstufung des anzulegenden Wahrscheinlichkeitsmaßstabs in Bezug auf die vorausgesetzte Gefährdung ergibt sich aus dem Wortlaut des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG, der lediglich verlangt, dass Tatsachen "die Annahme" einer Gefährdung im Sinne der Nr. 1 begründen, ohne dass die Gefährdung selbst vorliegen muss.
38Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT- Drs. 14/2726 vom 18. Februar 2000, S. 6; OVG NRW, Beschluss vom 16. April 2014 - 19 B 59/14 -, NVwZ-RR 2014, 593 = juris Rdn. 5 ff.; VG Berlin, Urteil vom 6. März 2012 - 23 K 59.10 -, juris Rdn. 18; VG Braunschweig, Beschluss vom 27. Oktober 2011 - 5 B 164/11 -, juris Rdn. 22; VG Aachen, Urteil vom 26. August 2009 - 8 K 637/09 -, juris Rdn. 46; entsprechend zur Passentziehung wegen Steuerflucht nach § 7 Abs. 1 Nr. 4 PassG OVG Bremen, Beschluss vom 25. Januar 2013
39- 1 B 297/12 -, NordÖR 2013, 217 = juris Rdn. 5.
40Insofern führt der Passversagungstatbestand in § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG zu einer ähnlichen Vorverlagerung des Gefährdungsschutzes wie auch der Ausschlusstatbestand des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG im Rahmen der Einbürgerung.
41Dazu allgemein BVerwG, Beschluss vom 16. Juli 2003 - 6 VR 10.02 -, juris Rdn. 13; zu § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG etwa BVerwG, Beschluss vom 8. Juni 2011 - 5 B 55.10 -, juris Rdn. 3.
42Die Herabstufung des Wahrscheinlichkeitsmaßstabs nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG erstreckt sich auf die von dieser Vorschrift vorausgesetzte Gefährdung, nicht aber auch auf die einzelnen "bestimmten Tatsachen" im Sinne dieses Eingriffstatbestandes. Diese Anknüpfungstatsachen für die Gefahrenprognose müssen nach Zeit, Ort und Inhalt so konkret gefasst sein, dass sie einer Überprüfung im gerichtlichen Verfahren zugänglich sind; für sie verbleibt es bei dem Regelbeweismaß der vollen richterlichen Überzeugungsgewissheit nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
43OVG NRW, Beschluss vom 16. April 2014 - 19 B 59/14 -, NVwZ-RR 2014, 593 = juris Rdn. 11.
44Bei einer Passentziehung wegen befürchteter Ausreise zur Teilnahme am bewaffneten "Jihad" kommen ebenso wie bei der Beschränkung des Geltungsbereichs des Personalausweises als Anknüpfungstatsachen vor allem konkrete Äußerungen des Passinhabers und seine Einbindung in einen Personenkreis von gewaltbereiten Islamisten sowie deren bisherige Aktivitäten und politische Ziele in Betracht (z. B. Teilnahme an regelmäßigen Zusammenkünften oder an einem Ausbildungscamp für Terroristen; Auffinden von Notizzetteln mit Rufnummern oder Anschriften).
45OVG NRW, Beschluss vom 16. April 2014 - 19 B 59/14 -, NVwZ-RR 2014, 593 = juris Rdn. 12; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 7. März 2011 - 5 S 22.10, 5 M 34.10 -, juris, Rdn. 4, 6; VG Münster, Beschluss vom 27. Juni 2014 - 1 L 328/14 -, juris Rdn. 7; VG Hamburg, Beschluss vom 23. November 2012 - 2 E 2951/12 -, juris Rdn. 18 ff.; VG Berlin, Urteile vom 6. März 2012 - 23 K 59.10 -, juris Rdn. 18, und - 23 K 58.10 -, juris, Rdn. 20; VG Braunschweig, Beschluss vom 27. Oktober 2011 - 5 B 164/11 -, juris Rdn. 20; OVG NRW, Beschluss vom 11. September 2013 - 18 B 866/13 -, juris Rdn. 11 (Ausreiseverbot nach § 46 Abs. 2 AufenthG); Daum, a. a. O., S. 529.
46Dabei ist es nicht erforderlich, dass das Reiseziel, die Art und Weise der Beteiligung am "Jihad" und die Rückkehrabsicht des Verfügungsadressaten jeweils konkret bezeichnet werden können. Angesichts des erheblichen Gewichts der Gefährdung kann insoweit auf allgemeine Erkenntnisse zur Unterstützung des bewaffneten "Jihad" zurückgegriffen werden. Hierzu ist dem Verfassungsschutzbericht 2013 unter anderem zu entnehmen, die Grenzen zwischen politischen und "jihadistischen" Salafisten seien fließend. Bis Anfang 2014 hätten Erkenntnisse zu mehr als 270 deutschen Islamisten bzw. Islamisten aus Deutschland vorgelegen, die in Richtung Syrien ausgereist seien, um sich an den Kampfhandlungen zu beteiligen oder den Widerstand gegen das Assad-Regime in sonstiger Weise zu unterstützen - ein Trend, dessen Ende nicht abzusehen sei. Wenngleich aus den meisten Bundesländern Personen nach Syrien ausgereist seien, sei eine Schwerpunktbildung insbesondere dort zu erkennen, wo - wie in T. - über Jahre eine aktive islamistische Szene existiere. In vielen Fällen bleibe das tatsächliche Ziel der Ausreisen unklar.
47Dies zugrunde gelegt begründen im Fall des Klägers bestimmte Tatsachen im Sinne der 3. Variante des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG die Annahme, dass er sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, nämlich deren auswärtige Beziehungen. Die Beklagte hat ihre behördliche Gefahreneinschätzung, der Kläger wolle zum Zweck der Beteiligung am bewaffneten Jihad im Bürgerkrieg in Syrien ausreisen, auf konkrete Tatsachen gestützt, die die Begründetheit dieser Prognose nachvollziehbar rechtfertigen. Als Anknüpfungstatsachen für diese Prognose hat sie unter anderem angeführt,
48 der Kläger sei bis zu dessen Verbot im Juni 2012 regelmäßiger Besucher des Moscheevereins "Millatu Ibrahim e. V." in T. gewesen (1.),
49 habe sich bei den salafistischen Ausschreitungen in T. am 1. Mai 2012 am Veranstaltungsort befunden (2.),
50 habe sich an den sog. Koraninformationsständen und an Freizeitaktivitäten der salafistischen Szene Solingens beteiligt (3.), und
51 sei in den letzten Wochen vor seinem Ausreiseversuch mehrfach als Begleit- und Kontaktperson des islamistischen Predigers Hassan Keskin in Erscheinung getreten (4.).
52Diese Indiztatsachen lassen jedenfalls in ihrer Gesamtheit den von den Sicherheitsbehörden und der Beklagten gezogenen Prognoseschluss zu, der Kläger habe zum Zweck der Teilnahme am bewaffneten "Jihad" ausreisen wollen und plane dies auch weiterhin.
53Zunächst liegen Tatsachen vor, die die Annahme der Ausreiseabsicht des Klägers Richtung Syrien begründen. Es steht fest, dass der Kläger am 4. Dezember 2013 am Flughafen Köln-Bonn durch die Grenzpolizei daran gehindert worden ist, nach Istanbul auszureisen. Er war dabei in Begleitung zweier Personen - T1. G. und T2. C. -, für die ebenfalls Anhaltspunkte für ihre Einbindung in das Umfeld der verbotenen Vereinigung "Millatu Ibrahim" bestehen. Der Annahme, die Reise habe touristischen Zwecken gedient, standen deren Umstände entgegen: Der Kläger und seine Begleiter hatten das Flugticket erst am gleichen Tag erworben; sie führten jeweils lediglich Handgepäck mit sich; Angaben dazu, wo sich aufhalten und wie sie zurückreisen wollten, machten sie nicht. Die Notizen auf dem Zettel, den der Kläger bei sich trug, lassen darauf schließen, dass die Reise in die nahe der türkisch-syrischen Grenze gelegenen Stadt Gaziantep (kurz Antep) weitergehen sollte; denn auf dem Zettel ist neben Namen des oder der Ansprechpartner und einer Telefonnummer notiert: "Anrufen vom Reisebus-Bahnhof (…) in Antep oder Anrufen vom Flughafen in Antep" . Angemerkt sei wegen der Beanstandungen des Klägers, die Notiz nicht zur Kenntnis bekommen zu haben, dass sich die Kopie jenes Zettels bei den Verwaltungsvorgängen befindet, in die der Prozessbevollmächtigte des Klägers Einsicht genommen hat.
54Das Vorbringen des Klägers in der mündlichen Verhandlung, er habe in Istanbul Verwandte besuchen wollen, den Zettel mit den Telefonnummern habe er von seinem Bruder bekommen, um ihn seinen Begleitern zu geben, und/oder er habe über die Telefonnummern in Kontakt zu in der Türkei tätigen Organisationen für humanitäre Hilfe in Syrien treten wollen, auch seine Begleiter habe er auf Wunsch seines Bruders mitgenommen und ebenfalls auf deren Wunsch erst nur ein Hinflugticket gekauft, ist insgesamt ungereimt und nicht glaubhaft. Weder ist nachvollziehbar, warum der Kläger nur mit Handgepäck zu Verwandten gereist sein will, noch, warum es nötig gewesen sein sollte, dass er seine Begleiter mitnimmt, noch, warum er - wirtschaftlich unvernünftigerweise - deren Wunsch entsprochen und nur ein Hinflugticket gekauft haben sollte, noch, warum er diese Verwandten zuvor niemals erwähnt und insbesondere bei der Ausreisekontrolle nicht genannt hat. Sein Vorbringen zu dem Zettel mit den Telefonnummern ist schon nicht einheitlich.
55Eine Reihe von Tatsachen belegt darüber hinaus die Einbindung des Klägers in einen Personenkreis von mit dem "Jihad" sympathisierenden Islamisten jedenfalls bis ins Jahr 2013 hinein. Diese Einbindung lässt darauf schließen, dass Zweck der Ausreise die Unterstützung des "Jihad" in Syrien war und weiterhin wäre.
561. Ein gewichtiges Indiz hierfür bildet der Umstand, dass der Kläger bis zu dessen Verbot im Juni 2012 regelmäßiger Besucher des Vereins "Millatu Ibrahim e. V." ("Religion Abrahams") in T. war, der im Jahre 2012 durch das Bundesministerium des Innern wegen Bestrebungen gegen die verfassungsmäßige Ordnung sowie den Gedanken der Völkerverständigung verboten worden ist (vgl. Bundesamt für Verfassungsschutz, Verfassungsschutzbericht 2012, S. 236). Dies steht zur Überzeugung des Senats fest, zumal der Kläger die Tatsache nicht dezidiert bestritten hat. Er stellt lediglich pauschal eine "Verbindung zum salafistischen Personenspektrum" in T. in Abrede ("wird mit aller Entschiedenheit zurückgewiesen"), räumt diese aber für die Vergangenheit sogar indirekt ein, wenn er geltend macht, er habe sich "bereits seit langer Zeit von dort zurückgezogen". Diese vagen Formulierungen entkräften die vorgenannte Indiztatsache nicht, weil sie Zeitpunkt, Beweggründe, nähere Umstände und vor allem die Art des angeblichen "Zurückziehens" offen lassen. Die Behauptung des Klägers, er besuche "andere Moscheen" und pflege "andere Kontakte", ist ohne Substanz geblieben; der Kläger hat weder andere Moscheen noch Kontakte benannt.
572. Bei den salafistischen Ausschreitungen am 1. Mai 2012 in T. , bei denen Islamisten gegen das Zeigen der Mohammed-Karikaturen durch die Bürgerbewegung "Pro NRW" protestierten und in darauf folgenden Krawallen Polizisten verletzten, befand der Kläger sich am Veranstaltungsort. Auch diesen Umstand hat er mit dem Vorbringen eingeräumt, am 1. Mai 2012 habe er sich frühzeitig vom Ort der Ausschreitungen entfernt.
583. Der Kläger ist überdies wie sein Bruder im Zusammenhang mit der mittlerweile ebenfalls verbotenen Vereinigung "Tauhid Deutschland" sowie als Teilnehmer an Freizeitaktivitäten der salafistischen Szene in Erscheinung getreten. Im Bericht des Polizeipräsidiums X. vom 6. Dezember 2013 finden sich ein Foto und ein Screenshot, die den Kläger in einem Kreis von ersichtlich Gleichgesinnten an einem Koraninformationsstand der salafistischen Vereinigung "Tauhid" und als Beteiligten an deren Videoproduktion zeigen. Unter der Bezeichnung "Tauhid Germany" (zeitweise auch "Tauhid Deutschland") firmierte eine Gruppe, die sich zur Verbreitung salafistischer Propaganda im Internet zusammengeschlossen hatte (Verfassungsschutzbericht NRW 2013, S. 272). Sie verfügte neben einer eigenen Webseite über Online-Auftritte bei Facebook und YouTube, wo sich neben Predigten in deutscher Sprache Beiträge von arabischsprachigen Gelehrten fanden, die der salafistischen Szene als Vorbild dienten. Viele der bei "Tauhid Germany" eingestellten Videos und Postings ließen starke Bezüge zum Jihadismus erkennen, indem sie etwa den gewaltsamen "Jihad" verherrlichten und zum Hass gegen "Ungläubige" aufriefen. Das Bundesinnenministerium hat die Vereinigung "Tauhid Germany" am 26. März 2015 verboten mit der Begründung, die Vereinigung rufe über das Internet und mit Informationsständen Muslime "zum Kampf gegen die verfassungsmäßige Ordnung" auf und glorifiziere den gewaltsamen "Jihad" von Gruppen wie dem Islamischen Staat (IS) in Syrien und im Irak.
59Die bei den Verwaltungsvorgängen befindliche Abbildung aus dem Screenshot (wohl vom November 2013), die auch den Kläger zeigt, ist überschrieben mit "B. Ibrahim und ein paar Brüder nach den Dreharbeiten zu den Video zur Unterstützung von Ansarul Asser". Mit "Ansarul Asser" ist offensichtlich die entsprechende Webseite der deutschen Islamisten-Szene zur Unterstützung inhaftierter Islamisten gemeint (ansarul-aseer.com; vgl. Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen, Verfassungsschutzbericht 2013, S. 272 f.), mit "Abu Ibrahim" Hasdan (Hassan) Keskin, ein wegen der Schärfe seiner Predigten kritisierter, strafgerichtlich verurteilter und vom Verfassungsschutz beobachteter islamistischer Prediger.
60Hierzu hat der Kläger sich dahin eingelassen, auf dem Foto sowie dem Screenshot unterscheide er sich nach Kleidung und Habitus von den übrigen Abgebildeten. Die Beeinflussungen seines Bruders sowie anderer Bekannter aus der salafistischen Szene wehre er ab. Der Umstand, dass der Kläger auf dem Foto und auf dem Screenshot jeweils der einzige von fünf Abgebildeten ist, der keinen Bart trägt - hierauf will der Kläger möglicherweise hinaus -, schmälert jedoch den im Übrigen zu gewinnenden Eindruck nicht durchgreifend, dass es sich um Gleichgesinnte handelt; neben der Bildüberschrift spricht hierfür etwa, dass der Kläger die gleiche Geste wie jeweils ein Teil der Abgebildeten zeigt, nämlich den erhobenen Zeigefinger. Seine Behauptung, er unterscheide sich auf den Abbildungen auch nach seiner Kleidung von den übrigen Abgebildeten, hat der Kläger weder näher erläutert noch ist sie sonst nachvollziehbar.
614. Der Kläger hat schließlich nicht in Abrede gestellt, dass er als Begleit- und Kontaktperson des vorerwähnten Predigers Hassan Keskin in Erscheinung getreten ist.
62Der Kläger hat das Gewicht dieser seine Einbindung in die salafistische Szene Solingens belegenden Anhaltspunkte nicht entkräftet. Es ist nicht anzunehmen, dass er sich tatsächlich vollständig aus diesen Zusammenhängen gelöst hat. Hierfür genügt es nicht, dass er sich mit einer Mitarbeiterin eines Aussteiger-programms in Verbindung gesetzt hat. Denn nach der Auskunft der für das Aussteigerprogramm zuständigen Sachbearbeiterin beim MIK NRW vom 30. Oktober 2014 hat der Kläger sich auf mehrfache telefonische und zuletzt schriftliche Kontaktversuche nicht mehr gemeldet; man werde ihm mitteilen, dass man nicht mehr mit seinem Interesse an dem Programm rechne. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass er seine Teilnahme an dem Programm abgebrochen hat.
63Auch der Umstand, dass der Kläger, wie er behauptet, in einem festen Arbeitsverhältnis steht, reicht nicht aus. Abgesehen davon, dass er es insoweit an jeder näheren Angabe hat fehlen lassen, ist anzunehmen, dass er seine bis Ende 2013 innegehabte Arbeitsstelle aufgegeben hat, als er im Dezember 2013 nach Syrien auszureisen versucht hat. Denn in den Auszügen zum Girokonto Nr. … bei der T6. T. sind für die Zeit bis November 2013 Lohnzahlungen des Unternehmens H. H1. T. belegt, für die Zeit ab Januar 2014 jedoch solche der L4. Q. T7. Das lässt darauf schließen, dass den Kläger allein das Innehaben einer Arbeitsstelle von der Ausreise nicht abhält.
64Endlich rechtfertigt es keine abweichende Beurteilung, dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung weniger den Eindruck eines fanatischen Islamisten, sondern eher den eines leicht beeinflussbaren Mitläufers hinterlassen oder zumindest zu hinterlassen versucht hat. Denn auch dann verbleibt der Befund, dass er sich dem Einfluss insbesondere seines fest in der salafistischen Szene verankerten älteren Bruders nur unzureichend entziehen kann und von diesem namentlich zur Unterstützung des "Jihad" - einschließlich der Ausreise zu diesem Zweck - zu verleiten ist.
65Angesichts dessen kann auf sich beruhen, ob die von der Beklagten herangezogenen Anknüpfungstatsachen auch im Sinne der 1. Variante des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG die Annahme begründen, der Kläger gefährde die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland,
66vgl. hierzu VG Münster, Beschluss vom 27. Juni 2014 - 1 L 328/14 -, juris, Rdn. 11; VG Frankfurt a.M., Beschluss vom 30. November 2009 - 5 L 3142/09.F -, juris.
67oder die Passversagungsgründe in § 7 Abs. 1 Nr. 6 PassG (unbefugtes Verpflichten zum Wehrdienst außerhalb der Bundeswehr) oder in § 7 Abs. 1 Nr. 10 PassG erfüllen (Vornahme einer in § 89a StGB beschriebenen Handlung).
68Vgl. Daum, a.a.O., S. 531 ff.
69II. Ermessensfehler liegen nicht vor. Die Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 PassG, wonach von einer Passversagung abzusehen ist, wenn sie unverhältnismäßig ist, insbesondere wenn es genügt, den Geltungsbereich oder die Gültigkeitsdauer des Passes zu beschränken, sind nicht erfüllt. Die Maßnahme ist geeignet, erforderlich und auch angemessen, die nach dem oben Ausgeführten weiterhin gegebene Gefahr einer Teilnahme des Klägers am bewaffneten "Jihad" im Ausland zumindest zu verringern. Mildere Mittel mit gleicher Eignung zur Zielerreichung sind nicht ersichtlich. Insbesondere scheidet angesichts der Unbestimmtheit der konkreten Unterstützungshandlungen und der Vielzahl der Reisemöglichkeiten eine Beschränkung des Geltungsbereichs des Passes auf bestimmte Länder aus. Da derzeit keine hinreichenden Erkenntnisse dafür vorliegen, dass die Ausreiseabsicht des Klägers zeitlich begrenzt wäre, führt auch die mangelnde Befristung nicht zur Unverhältnismäßigkeit der Maßnahmen. Die Behörde hat überdies den Fall unter Kontrolle zu halten, da den Verwaltungsakten Dauerwirkung zukommt. Gemäß § 7 Abs. 2 Satz 3 PassG wird auf Antrag ein neuer Pass ausgestellt, soweit die Voraussetzungen für die Beschränkung fortfallen.
70Der Senat verkennt nicht, dass die Entziehung des Passes für den Kläger einen erheblichen Eingriff in seine grundgesetzlich geschützte Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG darstellt. Dieser Eingriff ist jedoch angesichts der Schwere des hier zu schützenden Rechtsguts gerechtfertigt. Dem Schutz der damit betroffenen Rechtsgüter - insbesondere dem Schutz von Leib und Leben unbeteiligter Dritter vor terroristischen Anschlägen als international anerkanntes Schutzgut - kommt angesichts der ihnen nach Lage der Dinge drohenden Beeinträchtigungen überragendes Gewicht zu. Entsprechendes gilt im Hinblick auf die verfügte Beschränkung des Geltungsbereichs des Personalausweises des Klägers.
71B. Die angefochtene Ordnungsverfügung ist auch nicht wegen formeller Mängel aufzuheben. Von einer Anhörung des Klägers durfte die Beklagte absehen (I.). Ein ihrer Ordnungsverfügung etwa anhaftender Begründungsmangel ist unbeachtlich (II.).
72I. Von der nach § 28 Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW erforderlichen Anhörung vor Erlass eines belastenden Verwaltungsaktes durfte die Beklagte nach § 28 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG NRW absehen, weil nach den Umständen des Einzelfalls eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erschien. Es genügt hierfür, dass die Behörde unter diesen Gesichtspunkten eine sofortige Entscheidung für notwendig halten durfte. Im Streitfall bestand die Gefahr, dass der Kläger eine Anhörung zur Passentziehung oder zur Ausreiseuntersagung zum Anlass genommen hätte, das Bundesgebiet vor Erlass der Verfügung zu verlassen. Die unten noch näher erläuterte Gefährdung wäre damit eingetreten, die Verfügung ins Leere gegangen. Daran führt nicht vorbei, dass der Reisepass bereits seit dem 4. Dezember 2013 sichergestellt war; denn gleichwohl bestand die Gefahr, dass der Kläger eine Anhörung zur Passentziehung oder zur Ausreiseuntersagung zum Anlass der sofortigen Ausreise auf dem Landweg genommen hätte.
73II. Soweit ein Mangel der nach § 39 Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW erforderlichen Begründung vorliegt, ist dieser unbeachtlich.
74Gemäß § 39 Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW ist ein schriftlicher Verwaltungsakt mit einer Begründung zu versehen. In der Begründung sind gemäß § 39 Abs. 1 Satz 2 VwVfG NRW die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben. Dies verlangt nicht die Darlegung aller Einzelheiten, die für eine vollständige Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts notwendig wären; anzugeben sind jedoch die tragenden Gründe, von denen die erlassende Behörde bei ihrer Entscheidung ausgegangen ist, in tatsächlicher Hinsicht also der von der Behörde ermittelte als gegeben angenommene Sachverhalt.
75Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Auflage 2014, § 39 Rdn. 45; Tiedemann in Bader/Ronellenfitsch, VwVfG, 2010, § 39 Rdn. 32 f.
76Ob die Beklagte diesen Anforderungen gerecht geworden ist, unterliegt Zweifeln, weil sie im streitgegenständlichen Bescheid vom 19. Dezember 2013 für die Darlegung der Tatsachen, die die Annahme einer Gefährdung im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 PassG rechtfertigen, lediglich darauf verwiesen hat, dass dem Kläger am 4. Dezember 2013 am Flughafen Köln-Bonn die Ausreise nach Istanbul untersagt und gegen ihn von der Staatsschutzabteilung des Polizeipräsidiums X. ein Verfahren eingeleitet worden ist, sowie auf das Behördenzeugnis des Ministeriums für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen vom 4. Dezember 2013. Das Behördenzeugnis beschränkt sich jedoch auf den Satz "Hier wurde dienstlich bekannt, dass Herr T8. K. beabsichtigt, gemeinsam mit weiteren Personen aus dem Umfeld der verbotenen Vereinigung 'Millatu Ibrahim' auszureisen, um sich am bewaffneten Jihad in Syrien zu beteiligen" und enthält mithin keine konkreten Anknüpfungstatsachen. Die zahlreichen Einzelheiten, die insbesondere dem seinerzeit bereits vorliegenden und in den Verwaltungsvorgängen befindlichen "Vermerk zur Person T8. K. " des Polizeipräsidiums X. vom 6. Dezember 2013 zu entnehmen sind, sind in dem Bescheid weder wiedergegeben noch auch nur in Bezug genommen.
77Wegen eines Begründungsdefizits könnte jedoch die Aufhebung des Verwaltungsakts gemäß § 46 VwVfG NRW nicht verlangt werden. Denn eine etwaige Verletzung des Begründungserfordernisses hätte die Entscheidung in der Sache offensichtlich nicht beeinflusst. Im Streitfall erscheint es ausgeschlossen, dass bei Beachtung der Verfahrensvorschrift die Entscheidung anders ausgefallen wäre. Denn die Beklagte hat lediglich versäumt, die seinerzeit bereits bekannten, in den Verwaltungsvorgängen dokumentierten und der Verfügung zugrunde liegenden Umstände im Einzelnen aufzuführen.
78Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
79Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
80Der Senat lässt die Revision nicht zu, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
Tenor
Nr. 1 des angefochtenen Beschlusses wird geändert.
Die aufschiebende Wirkung der Klage 4 K 2467/13 VG Aachen gegen Nr. 1 der Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 22. August 2013 wird wiederhergestellt und gegen Nrn. 2 und 5 angeordnet.
Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, dem Antragsteller den Reisepass Nr. XXXXXXXXX zurückzugeben und das Bundespolizeipräsidium unverzüglich zu ersuchen, die Ausschreibung des Antragstellers im Geschützten Grenzfahndungsbestand und seiner Identitätsdokumente im nationalen Sachfahndungsbestand und im Schengener Informationssystem zu löschen.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.
1
Gründe:
2Die Beschwerde ist gemäß § 146 Abs. 1 und 4 VwGO zulässig und begründet. Die Prüfung des Senats ist auf diejenigen Gründe beschränkt, die der Antragsteller innerhalb der einmonatigen Begründungsfrist nach § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO dargelegt hat (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO). Diese fristgerecht dargelegten Gründe rechtfertigen und gebieten es, den angefochtenen Beschluss zu ändern und dem Aussetzungsantrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO gegen die Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 22. August 2013 stattzugeben. Mit dieser Ordnungsverfügung hat sie dem Antragsteller den Reisepass entzogen (Nr. 1), den Geltungsbereich seines Personalausweises auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland beschränkt (Nr. 2), die sofortige Vollziehung dieser beiden Maßnahmen angeordnet (Nr. 3) und ihm unter Androhung eines Zwangsgeldes in Höhe von 1.000,00 Euro aufgegeben, seinen Reisepass sofort nach Erhalt der Ordnungsverfügung bei ihr abzugeben (Nrn. 4 und 5). Die Vollziehungsanordnung in Nr. 3 geht ins Leere, soweit sie sich auf die Ausweisbeschränkung nach § 6 Abs. 7 PAuswG in Nr. 2 der Ordnungsverfügung bezieht, denn diese Maßnahme ist nach § 30 PAuswG schon kraft Gesetzes sofort vollziehbar. Insoweit ist die aufschiebende Wirkung anzuordnen.
3Der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ist begründet, weil das Aussetzungsinteresse des Antragstellers das öffentliche Vollzugsinteresse überwiegt. Nach gegenwärtiger Aktenlage sind die Anordnungen in den Nrn. 1 und 2 der Ordnungsverfügung offensichtlich rechtswidrig und wird die Ordnungsverfügung voraussichtlich im Hauptsacheverfahren 4 K 2467/13 VG Aachen keinen Bestand haben.
4Als Rechtsgrundlage für die in Nr. 1 verfügte Passentziehung kommt nur § 8 PassG in Betracht. Danach kann ein Pass dem Inhaber entzogen werden, wenn „Tatsachen bekanntwerden“, die nach § 7 Abs. 1 PassG die Passversagung rechtfertigen würden. § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG setzt tatbestandlich voraus, dass „bestimmte Tatsachen“ die Annahme begründen, dass der Passinhaber die innere oder äußere Sicherheit oder sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet. Unter dieser Voraussetzung kann die zuständige Behörde nach § 6 Abs. 7 PAuswG auch die Ausweisbeschränkung in Nr. 2 der Ordnungsverfügung gegenüber dem Antragsteller anordnen. Im vorliegenden Fall ist die 3. Alternative des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG einschlägig (Gefährdung sonstiger erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland). Solche Belange gefährdet der Passinhaber insbesondere, wenn bestimmte Tatsachen die Prognose rechtfertigen, er werde sich im Ausland an Gewalttätigkeiten beteiligen, die geeignet sind, die auswärtigen Beziehungen oder unter besonderen Umständen auch das internationale Ansehen der Bundesrepublik zu schädigen.
5BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2007 ‑ 6 C 39.06 ‑, BVerwGE 129, 142, juris, Rdn. 28 (G-8-Gipfel Genua); VGH Bad-Württ., Urteil vom 7. Dezember 2004 ‑ 1 S 2218/03 ‑, VBlBW 2005, 231, juris, Rdn. 21.
6Der Passversagungstatbestand in § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG setzt lediglich voraus, dass konkrete Tatsachen vorliegen, die die Begründetheit der behördlichen Gefahreneinschätzung nachvollziehbar rechtfertigen. Die Anknüpfungstatsachen für die Gefahrenprognose müssen nach Zeit, Ort und Inhalt so konkret gefasst sein, dass sie einer Überprüfung im gerichtlichen Verfahren zugänglich sind. Hingegen erfordert § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG keine eindeutigen Beweise für diese Gefahreneinschätzung. Ausreichend ist eine auf Tatsachen gestützte positive Gefahrenprognose. Eine bloße Möglichkeit, eine reine Vermutung oder ein durch konkrete Tatsachen nicht belegbarer Verdacht genügen nicht, um eine konkrete Gefährdungslage im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG zu begründen.
7Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 14/2726 vom 18. Februar 2000, S. 6; VG Berlin, Urteil vom 6. März 2012 ‑ 23 K 59.10 ‑, juris, Rdn. 18; VG Braunschweig, Beschluss vom 27. Oktober 2011 ‑ 5 B 164/11 ‑, juris, Rdn. 22; VG Aachen, Urteil vom 26. August 2009 ‑ 8 K 637/09 ‑, juris, Rdn. 46; entsprechend zur Passentziehung wegen Steuerflucht nach § 7 Abs. 1 Nr. 4 PassG OVG Bremen, Beschluss vom 25. Januar 2013 ‑ 1 B 297/12 ‑, NordÖR 2013, 217, juris, Rdn. 5.
8Hierin liegt eine Herabstufung des anzulegenden Wahrscheinlichkeitsmaßstabs in Bezug auf die vorausgesetzte Gefährdung. Der Passversagungsgrund des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG liegt nicht erst dann vor, wenn der Betreffende Belange der Bundesrepublik Deutschland tatsächlich gefährdet, sondern schon dann, wenn der begründete Verdacht einer solchen Gefährdung besteht. Diese Herabstufung ergibt sich aus dem Wortlaut des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG, der lediglich verlangt, dass Tatsachen „die Annahme“ einer Gefährdung im Sinne der Nr. 1 begründen, ohne dass die Gefährdung selbst vorliegen muss. Insofern führt der Passversagungstatbestand in § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG zu einer ähnlichen Vorverlagerung des Gefährdungsschutzes wie auch der Ausschlusstatbestand des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG im Rahmen der Einbürgerung.
9Dazu allgemein BVerwG, Beschluss vom 16. Juli 2003 ‑ 6 VR 10.02 ‑, juris, Rdn. 13 (Vereinsverbot); zu § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG: BVerwG, Beschluss vom 8. Juni 2011 ‑ 5 B 55.10 ‑, juris, Rdn. 3; Urteil vom 2. Dezember 2009 ‑ 5 C 24.08 ‑, BVerwGE 135, 302, juris, Rdn. 15, 18 (IGMG); Urteil vom 22. Februar 2007 ‑ 5 C 20.05 ‑, BVerwGE 128, 140, juris, Rdn. 19 f. (PKK-Selbsterklärung).
10In diesem herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab unterscheidet sich der Passversagungstatbestand in § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG ebenso wie der Ausschlusstatbestand des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG von Vereinsverboten sowie von Behauptungen in einem Verfassungsschutzbericht, für die keine Verringerung des Regelbeweismaßes der vollen richterlichen Überzeugungsgewissheit nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO eingreift. Bei diesen Maßnahmen ist eine Herabstufung des Wahrscheinlichkeitsmaßstabs insbesondere nicht wegen des sachtypischen Beweisnotstandes gerechtfertigt, in dem sich die handelnde Behörde befindet, weil der Verfassungsschutz seine Erkenntnisquellen und Arbeitsweisen schützen, Vertraulichkeitszusagen an Informanten einhalten muss und deshalb oftmals die Vorlage seiner Akten nach § 99 VwGO verweigert. Denn eine solche Beweisregel ist weder in § 99 VwGO noch an anderer Stelle der Verwaltungsgerichtsordnung vorgesehen.
11BVerwG, Urteil vom 21. Mai 2008 ‑ 6 C 13.07 ‑, BVerwGE 131, 171, juris, Rdn. 25, 29 (VS-Bericht BW 2001); Urteil vom 3. Dezember 2004 ‑ 6 C 10.02 ‑, NVwZ 2005, 1435, juris, Rdn. 16 (Vereinsverbot).
12Nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG erstreckt sich die Herabstufung des Wahrscheinlichkeitsmaßstabs auf die von dieser Vorschrift vorausgesetzte Gefährdung, nicht aber auch auf die einzelnen „bestimmten Tatsachen“ im Sinne dieses Eingriffstatbestandes. Für diese Indiztatsachen verbleibt es vielmehr bei dem Regelbeweismaß der vollen richterlichen Überzeugungsgewissheit nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Als ausschließlich auf diese Indiztatsachen bezogen versteht der Senat die Aussage der Vorinstanz, ein geheimhaltungsbedingter Beweisnotstand führe nicht zu einer Herabstufung des Regelbeweismaßes der vollen richterlichen Überzeugungsgewissheit nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO (Seite 9 unten des Beschlussabdrucks).
13Bei einer Passentziehung wegen befürchteter Ausreise zur Teilnahme am bewaffneten Jihad kommen als Anknüpfungstatsachen vor allem konkrete Äußerungen des Passinhabers und seine Einbindung in einen Personenkreis von gewaltbereiten Islamisten sowie deren bisherige Aktivitäten und politische Ziele in Betracht (z. B. Teilnahme an regelmäßigen Zusammenkünften, bei denen Koransuren mit zentralen Leitsätzen des militanten Jihad besprochen werden; Teilnahme an einem Ausbildungscamp für Terroristen im Ausland; missglückte Ausreiseversuche; Auffinden eines USB-Speichersticks mit demokratiefeindlichen digitalisierten Büchern; eigene Äußerungen des Passinhabers über einen konkret geplanten Grenzübertritt nach Syrien mit Sprengstoffübergabe).
14OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 7. März 2011 ‑ 5 S 22.10, 5 M 34.10 ‑, NVwZ-RR 2011, 500, juris, Rdn. 4, 6; VG Hamburg, Beschluss vom 23. November 2012 ‑ 2 E 2951/12 ‑, juris, Rdn. 18 ff.; VG Berlin, Urteil vom 6. März 2012, a. a. O., Rdn. 18; Urteil vom 6. März 2012 ‑ 23 K 58.10 ‑, juris, Rdn. 20; VG Braunschweig, a. a. O., Rdn. 20; OVG NRW, Beschluss vom 11. September 2013 ‑ 18 B 866/13 ‑ (Ausreiseverbot nach § 46 Abs. 2 AufenthG).
15Im Fall des Antragstellers hat die Antragsgegnerin derartige nach Zeit, Ort und Inhalt konkretisierte Anknüpfungstatsachen noch nicht einmal im Sinne einer bloßen Behauptung benannt. Sie stützt ihre Maßnahme vielmehr lediglich auf die allgemein formulierte Befürchtung, er plane „zeitnah“ nach Syrien auszureisen, um sich dort „mutmaßlich dem bewaffneten ‚Jihad‘ anzuschließen bzw. terroristische Gruppierungen zu unterstützen“. Diese Befürchtung wiederum stützt sie ausschließlich auf die Mitteilung des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) in seinem Behördenzeugnis vom 1. August 2013, ihm lägen „glaubhafte Informationen aus zuverlässigen Quellen“ vor, welche diese Befürchtung angeblich „belegen“. Hierin liegt keine auf Tatsachen gestützte positive Gefahrenprognose, sondern lediglich die Äußerung einer bloßen Vermutung, welche weder die Antragsgegnerin noch das BfV durch konkrete belegbare Tatsachen untermauert hat. Eine solche Vermutung genügt nicht, um eine konkrete Gefahrenprognose im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG zu stützen.
16Das Behördenzeugnis des BfV ist auch nicht schon selbst als eigenständige Anknüpfungstatsache zu werten, die eine Gefahrenprognose nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG rechtfertigen kann. Allein der Umstand, dass eine Verfassungsschutzbehörde eine bestimmte Gefahrenprognose anstellt, ist noch kein Indiz dafür, dass diese Gefahr tatsächlich besteht. Vielmehr unterliegt auch diese behördliche Gefahreinschätzung in vollem Umfang der gerichtlichen Überprüfung. Für die gerichtliche Überzeugungsbildung über das Vorliegen des Passversagungstatbestandes des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG können nur diejenigen Tatsachen ausschlaggebend sein, die der behördlichen Gefahreinschätzung zugrunde liegen. Ein Behördenzeugnis einer Verfassungsschutzbehörde, mit der diese ihre eigene Gefahrenprognose sowie gegebenenfalls die ihr zugrunde liegenden Feststellungen seiner Mitarbeiter oder Informanten wiedergibt, ist lediglich Erkenntnisquelle, also Beweismittel, nicht aber selbst Indiztatsache für die nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG erforderliche Gefahrenprognose.
17Vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Dezember 2004, a. a. O., Rdn. 16; VG Aachen, a. a. O., Rdn. 51, 55; VG Braunschweig, a. a. O., Rdn. 24.
18In diesem Sinn tragfähige Indiztatsachen benennt auch das BfV in seinem Behördenzeugnis vom 1. August 2013 nicht. Dessen Inhalt erschöpft sich in der oben bereits zitierten Verdachtsbehauptung, die in jeder Hinsicht pauschal ist und durch keinerlei bestimmte Tatsachen gestützt wird, die eine gerichtliche Überprüfung ermöglichen. Auf welche „Informationen“ von nicht genannten Quellen das BfV die genannte Verdachtsbehauptung stützt, ergibt sich weder aus dem Behördenzeugnis noch aus den Begleitinformationen, mit denen die Kriminalpolizei B. dieses der Antragsgegnerin übermittelt hat. Ebenso wenig lässt sich dem sonstigen Akteninhalt entnehmen, auf welche konkreten Indiztatsachen die Antragsgegnerin die von § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG vorausgesetzte Gefährdung sonstiger erheblicher Belange der Bundesrepublik Deutschland durch den Antragsteller stützt. Das gilt insbesondere auch für ihre nicht näher konkretisierte Behauptung in der Begründung zur angefochtenen Ordnungsverfügung, der Antragsteller besitze eine „radikalisierte Persönlichkeit“ und „fortgesetzte Kontakte in die islamistisch-jihadistische Szene“, weshalb „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen [sei], dass Sie versuchen werden, sich einer Haft durch Flucht zu entziehen“.
19Für eine solche bevorstehende oder beabsichtigte Inhaftierung des Antragstellers gibt es nach Aktenlage keinen Anhalt. Dem Senat drängt sich vielmehr der Eindruck auf, dass die Antragsgegnerin die genannten personenbezogenen Aspekte dem Muster einer Passentziehungsverfügung entnommen hat, welches die Kriminalpolizei B. ihr mit dem Behördenzeugnis zur Verfügung gestellt hat. Für den Fall des Antragstellers wären sie dann ohne realen Hintergrund. Folgerichtig hat auch das Amtsgericht B. die beantragte Anordnung der Wohnungsdurchsuchung mit der zutreffenden Begründung abgelehnt, der möglicherweise ernst zu nehmende Hintergrund entbinde die Ermittlungsbehörden nicht von ihrer rechtsstaatlichen Pflicht, die gesetzlichen Eingriffsvoraussetzungen zumindest ansatzweise im Sinne einer behördlichen Behauptung von Indiztatsachen zu konkretisieren (Beschluss vom 21. August 2013 ‑ 620 Gs 1184/13 ‑).
20Der Senat hat schon im Rahmen des vorliegenden Aussetzungsantrags nach § 80 Abs. 5 VwGO zu prüfen, ob die Passbehörde hinreichend konkrete Tatsachen für den nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG erforderlichen Gefahrenverdacht zumindest im Sinne einer Behauptung benannt und gegebenenfalls glaubhaft gemacht hat. Er teilt nicht die Rechtsauffassung der Vorinstanz und anderer erstinstanzlicher Verwaltungsgerichte, die eine Passentziehung in Eilverfahren schon allein im Hinblick auf die bloße Möglichkeit einer Offenlegung der maßgeblichen nachrichtendienstlichen Erkenntnisse im Rahmen einer Beweiserhebung im Hauptsacheverfahren bestätigt haben (S. 10 f. des Beschlussabdrucks).
21VG Aachen, Beschluss vom 14. April 2009 ‑ 8 L 164/09 ‑, NVwZ-RR 2009, 781, juris, Rdn. 28; VG Braunschweig, a. a. O., Rdn. 29 f.
22Vielmehr unterliegen auch behördliche Maßnahmen, welche auf nachrichtendienstliche Erkenntnisse zurückgehen, in einem Aussetzungsverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO der gerichtlichen Überprüfung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht, soweit dies mit den beschränkten Mitteln des Eilverfahrens möglich ist.
23Vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 16. Juli 2003, a. a. O., Rdn. 5 ff.
24Insbesondere ermöglicht auch das Eilverfahren dem Gericht die Prüfung, ob und mit welchem Wahrscheinlichkeitsgrad die behaupteten Indiztatsachen, ihren Nachweis im Hauptsacheverfahren für den Fall eines Bestreitens unterstellt, den Schluss auf die für § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG maßgebliche Haupttatsache zulassen (Ausreise- und Gefährdungsabsicht gerade des Antragstellers). Hierbei handelt es sich um eine tatsächliche Würdigung von Indiztatsachen, hinsichtlich derer sich das Eilverfahren nicht maßgeblich vom Hauptsacheverfahren unterscheidet.
25Abgesehen davon ist im vorliegenden Fall noch nicht einmal zu erwarten, das BfV werde die angefochtene Ordnungsverfügung im Hauptsacheverfahren wenigstens nachträglich mit den erforderlichen konkreten Indiztatsachen untermauern. Denn die Polizei hat mitgeteilt, dem Bundeskriminalamt lägen keine belastbaren Informationen vor, die eine Ausreise des Antragstellers erwarten ließen, trotz intensivster Bemühungen könne es keine weitergehenden Informationen im Sachzusammenhang mitteilen. Auch die Sicherheitskonferenz des Ministeriums für Inneres und Kommunales hat angegeben, es lägen keine freigegebenen Informationen vor; eine Freigabe sei bei der jeweiligen Behörde im Einzelfall zu beantragen. Schließlich hat das Ministerium für Inneres und Kommunales unter dem 27. Januar 2014 die Auskunft des BfV wiedergegeben, ihm lägen aktuell keine belastbaren Informationen vor, die eine Ausreise des Antragstellers aus dem Bundesgebiet erwarten ließen, es halte an dem Behördenzeugnis „mit dem damaligen Stand“ fest; die dahinter stehenden Informationen könnten jedoch nicht weiter offen gelegt werden als sie bereits im Behördenzeugnis formuliert seien.
26Mit der Anordnung an die Antragsgegnerin, den Reisepass zurückzugeben und die Ausschreibung des Antragstellers zur Fahndung löschen zu lassen, macht der Senat von seiner Befugnis nach § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO Gebrauch, die bereits erfolgte Vollziehung der Entziehungsverfügung rückgängig zu machen.
27Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
28Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.
29Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 66 Abs. 3 Satz 3, 68 Abs. 1 Satz 5 GKG).
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in beizutreibender Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Der Kläger ist am 2. Dezember 1991 in T. geboren. Die Beklagte stellte ihm am 16. Juli 2012 den Bundespersonalausweis Nr. , gültig bis zum 15. Juli 2018, sowie am 12. April 2013 den Reisepass Nr. , gültig bis zum 11. April 2019, aus.
3Unter dem 4. Dezember 2013 stellte das Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes NRW (MIK NRW) ein Behördenzeugnis aus, wonach dienstlich bekannt geworden sei, dass der Kläger beabsichtige, gemeinsam mit weiteren Personen aus dem Umfeld der verbotenen Vereinigung "Millatu Ibrahim" auszureisen, um sich am bewaffneten "Jihad" in Syrien zu beteiligen. Beamte der Bundespolizei kontrollierten ihn am selben Tag am Flughafen Köln/Bonn bei der grenzpolizeilichen Ausreisekontrolle des Fluges TK nach Istanbul. Der Kläger befand sich in Begleitung des T1. G. und des T2. C. . Die drei hatten ihr Flugticket erst am Abflugtag gekauft und führten lediglich Handgepäck mit sich. Auf der Grundlage des Behördenzeugnisses führten die Beamten eine Ausreisebefragung bei allen drei Personen durch. Diese gaben an, zu privaten Zwecken nach Istanbul reisen zu wollen; Angaben zu dortiger Unterkunft und Rückflug konnten sie nicht machen. In der Geldbörse des Klägers fand sich ein Zettel, auf dem handschriftlich notiert ist: "Nummer von Deutschland aus: ... Nummer von Türkei aus: ... Der Bruder heißt F. A. . Die Nummer haben wir von B. T3. . Wir wollen zum B. Anrufen vom Reisebus-Bahnhof (…) in Antep oder Anrufen vom Flughafen in Antep". Die Bundespolizei untersagte dem Kläger und seinen beiden Begleitern die Ausreise und stellte den Reisepass des Klägers sicher.
4Das Polizeipräsidium (PP) X. erstellte unter dem 6. Dezember 2013 einen Vermerk zur Person des Klägers. Darin stellt der Verfasser, KOK L. , fest, der ältere Bruder T4. des Klägers habe zu den Gründungsmitgliedern der verbotenen Vereinigung "Millatu Ibrahim" in T. gehört; der Kläger sei als regelmäßiger Besucher des Vereins bekannt. T4. K. sei Mitte 2012 aus Deutschland ausgereist. Die Deutsche Botschaft in Ankara habe am 24. Juli 2013 mitgeteilt, er sei nach Angaben türkischer Behörden am 19. Juli 2013 auf dem Hoheitsgebiet der Türkei festgenommen worden, weil er weder einen Pass noch sonstige Ausweisdokumente, sondern lediglich eine deutsche Einbürgerungsurkunde mit sich geführt habe. Er, KOK L. , habe T4. K. aufgrund verschiedener Haftbefehle bei der Einreise am Frankfurter Flughafen festgenommen. Dabei habe T4. K. freimütig angegeben, er und andere hätten sich "ganz nah an der Kriegsfront befunden". Beide Brüder hätten sich bei den salafistischen Ausschreitungen in T. am 1. Mai 2012 am Veranstaltungsort befunden. Weiter beteilige sich der Kläger auch an den aktuellen Koraninformationsständen und Videoproduktionen der salafistischen Bewegung "Tauhid Deutschland". Hierzu enthält der Vermerk zwei Bilder, auf denen der Kläger mit mehreren anderen Personen abgebildet ist, darunter jeweils T1. G. und T2. C. . Schließlich sei der Kläger in den letzten Wochen mehrfach als Begleit- und Kontaktperson des Predigers Hasan Keskin in Erscheinung getreten, der unter anderem während der Ausschreitungen am 1. Mai 2012 als aufhetzender Wortführer agiert habe.
5In den Vermerken zu den Begleitern des Klägers, T1. G. und T2. C. , ist gleichfalls ausgeführt, sie gehörten zum jugendlichen salafistischen Personenspektrum aus T. .
6Mit Ordnungsverfügung vom 19. Dezember 2013 entzog die Beklagte dem Kläger ohne vorherige Anhörung den Reisepass (Nr. 1) und beschränkte den Geltungsbereich seines Personalausweises auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (Nr. 2). Zur Begründung gab sie den Inhalt des Behördenzeugnisses wieder und führte an, die Teilnahme eines deutschen Staatsangehörigen am bewaffneten "Jihad" sei geeignet, in erheblichem Maße die auswärtigen Belange der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden. Es lägen schwerwiegende Anhaltspunkte dafür vor, dass er beabsichtige, die Bundesrepublik Deutschland zu verlassen, um sich im derzeitigen Krisengebiet Syrien am bewaffneten Kampf ("Jihad") zu beteiligen. In diesem Zusammenhang habe bereits die Abteilung Staatsschutz des PP X. ein Verfahren gegen ihn beantragt. Es werde keine Anhörung durchgeführt, da eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug notwendig erscheine. Die angeordneten Maßnahmen könnten nur Erfolg haben, wenn die Ausreise des Klägers sofort verhindert werde.
7Der Kläger hat am 9. Januar 2014 Klage erhoben und nach Einsicht in den Verwaltungsvorgang der Beklagten geltend gemacht, in der Begründung der angefochtenen Ordnungsverfügung fehle eine Darlegung hinreichend konkreter und belegbarer Anknüpfungstatsachen für die Gefahrenprognose der Beklagten. Das Behördenzeugnis des MIK NRW sei keine solche Tatsache. Die erforderlichen Anknüpfungstatsachen unterlägen auch den allgemeinen Beweisregeln, Beweiserleichterungen stünden der Behörde insoweit nicht zu. Die angegriffene Verfügung sei im Hinblick auf die Gefahr begründenden Tatsachen nicht hinreichend bestimmt. Er, der Kläger, weise die Behauptung, zum salafistischen Personenspektrum aus T. zu zählen, mit Entschiedenheit zurück. Von dort habe er sich bereits seit langer Zeit zurückgezogen. Er besuche andere Moscheen, pflege andere Kontakte, habe eine Freundin und arbeite ganz normal 8 Stunden täglich. Von seinem Bruder, der allerdings in der einschlägigen Szene in T. verankert sei, lasse er sich nicht beeinflussen. Im Zusammenhang mit den Ausschreitungen am 1. Mai 2012 in T. habe er sich früh vom Veranstaltungsort entfernt und sei im später eingeleiteten Strafverfahren freigesprochen worden. Auf dem Zettel, den er bei sich gehabt habe, stünden Telefonnummern von in der Türkei humanitär tätigen zum Teil syrischen Organisationen, keinesfalls aber handele es sich um irgendwelche Kontaktleute oder Schleuser für einen Transitweg. Sein Bruder habe ihm den Zettel mitgegeben, damit er in Istanbul Kontakt zu humanitär tätigen Organisationen für die Hilfe nach Syrien aufnehme. Mit dem im - ohnehin offensichtlich auf Anlass gefertigten und daher unverwertbaren - Bericht vom 11. August 2014 erwähnten V. B1. habe er zwar in der L1. Straße in T. gewohnt. Zu dessen Ausreise sei ihm aber nichts bekannt gewesen. Überdies habe er Kontakt mit einer Mitarbeiterin eines Aussteigerprogramms aufgenommen und einen ersten Besprechungstermin vereinbart.
8Der Kläger hat beantragt,
9die Ordnungsverfügung der Beklagten vom 19. Dezember 2013 aufzuheben.
10Die Beklagte hat beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Sie hat ergänzend auf den Vermerk des PP X. vom 6. Dezember 2013 Bezug genommen und darauf hingewiesen, dass der Kläger danach regelmäßiger Besucher und Vorstandsmitglied des verbotenen Vereins "Millatu Ibrahim" gewesen sei, sich bei den Ausschreitungen am 1. Mai 2012 am Tatort befunden habe, im Zusammenhang mit den Koraninformationsständen aufgetreten sei und sich mehrfach in Begleitung von Hasan Keskin aufgehalten habe. Gegen die Annahme einer Ausreiseabsicht zu touristischen Zwecken spreche die bei ihm gefundene Telefonliste. Ferner hat die Beklagte einen ergänzenden Bericht des PP X. vom 11. August 2014 vorgelegt, wonach der Kläger zuletzt mit V. B1. in der L1. Straße in T. zusammengewohnt habe. B1. sei trotz eigener Ausreiseuntersagung im Juni 2014 zunächst über Wien vermutlich nach Syrien ausgereist. Mit S. C1. , E. K1. und C2. L2. seien drei der Terrorkrieger aus T. bereits in Syrien gestorben. Auch T5. L3. sei ehemaliger Weggefährte des Klägers und seines Bruders gewesen. Er gebe im Internet ganz offen an, für den Islamischen Staat zu kämpfen. Zweifelhaft sei die Glaubhaftigkeit der Angabe des Klägers, in einem Aussteigerprogramm zu sein. Auch in der Vergangenheit habe er stets geleugnet, Angehöriger der Szene zu sein, auch wenn hierfür offenkundige Befunde vorgelegen hätten.
13Mit dem angefochtenen Urteil hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Kläger sei zusammen mit seinem Bruder öfter auf Veranstaltungen einer wegen dort gehaltener Predigten jihadistischen Inhaltes inzwischen verbotenen Vereinigung gewesen. Auch wegen seiner Eigenschaft als deren Vorstandsmitglied dürfe angenommen werden, er stehe auch inhaltlich hinter den Zielen der von ihm repräsentierten Organisation. Als weitere Indizien für die Absicht des Klägers, zur Teilnahme am "Jihad" auszureisen, führte das Verwaltungsgericht seine Beteiligung an Informationsständen und Videoproduktionen der salafistischen Bewegung "Tauhid", sein Auftreten als Kontakt- und Begleitperson des Predigers Keskin, das Aufgreifen seines Bruders Mitte 2013 in der Türkei sowie den Besitz des Zettels mit Telefonnummern bei seiner unterbundenen Ausreise in die Türkei an.
14Gegen das am 19. September 2014 zugestellte Urteil hat der Kläger am Montag, dem 20. Oktober 2014 die vom Verwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Berufung eingelegt. Zu ihrer Begründung macht er im Wesentlichen geltend: Dass er beabsichtigt habe, zur Teilnahme am "militanten Jihad" nach Syrien auszureisen, sei durch nichts belegt. Er würde sich niemals einer Terrorgruppe wie der ISIS anschließen. Konkrete und belegbare Anknüpfungstatsachen der für die Gefahrenprognose darlegungs- und beweispflichtigen Behörde fehlten. Die Beklagte verweise in dem Bescheid lediglich generell auf Kenntnisse von Sicherheitsbehörden. Dies sei nicht geeignet, die angegriffenen Maßnahmen zu begründen. Die Mitteilung des Ministeriums für Inneres und Kommunales vom 19. Dezember 2013 sei unerheblich, weil es nach der Gesetzeslage auf Tatsachen ankomme, nicht auf die behördliche Einschätzung oder Bewertung von Tatsachen. Auch "die Bezugnahme auf die Einschätzung des Bundesministeriums vom 14.06.2012" sei nicht ausreichend. Zudem gebe es eine Vielzahl von Gruppierungen, die gegen das Assad-Regime kämpften. Diese würden zum Teil von den USA unterstützt. Auch erhalte die ISIS oder IS Unterstützung durch Staaten wie die Türkei oder Qatar, zumindest aber durch in diesen Ländern tätige private Geschäftsleute, die ihrerseits Kontakte zu den USA unterhielten. Daher sei nicht zu erkennen, inwieweit ausgerechnet durch ihn, den Kläger, erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet würden.
15Der Kläger beantragt sinngemäß,
16das angefochtene Urteil zu ändern und nach dem erstinstanzlichen Klageantrag zu erkennen.
17Die Beklagte beantragt,
18die Berufung zurückzuweisen.
19Sie verweist auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts sowie des Senats im Beschluss vom 16. April 2014 - 19 B 59/14 - und übermittelt die telefonische Auskunft der für das Aussteigerprogramm zuständigen Sachbearbeiterin beim MIK NRW, dass sich der Kläger auf mehrfache telefonische und zuletzt schriftliche Kontaktversuche nicht gemeldet habe.
20Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten dieses Verfahrens und der Verfahren 24 L 37/14 und 24 L 1849/14 - VG Düsseldorf -, des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Beklagten sowie der Akten zum Verfahren 80 Js 1120/13 (StA Düsseldorf) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
21Die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung des Klägers ist zulässig, aber unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klage ist als Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 VwGO zulässig, aber unbegründet. Die Ordnungsverfügung der Beklagten vom 19. Dezember 2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die in deren Nr. 1 verfügte Passentziehung findet ihre Rechtsgrundlage in § 8 PassG. Danach kann ein Pass dem Inhaber entzogen werden, wenn Tatsachen bekanntwerden, die nach § 7 Abs. 1 PassG die Passversagung rechtfertigen würden. § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG setzt tatbestandlich voraus, dass bestimmte Tatsachen die Annahme begründen, dass der Passinhaber die innere oder äußere Sicherheit oder sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet. Die in Nr. 2 der angefochtenen Ordnungsverfügung angeordnete Ausweisbeschränkung hat die Beklagte zu Recht auf § 6 Abs. 7 PAuswG gestützt, der diese Maßnahme ebenfalls an das Vorliegen eines Passversagungsgrundes nach § 7 Abs. 1 PassG knüpft.
22Am Maßstab dieser beiden Ermächtigungsgrundlagen ist die angefochtene Ordnungsverfügung materiell rechtmäßig (A.). Auch Verfahrensfehler rechtfertigen nicht ihre Aufhebung (B.).
23A. In materiell-rechtlicher Hinsicht hat die Beklagte die beiden genannten Maßnahmen ausschließlich auf die 3. Variante des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG gestützt (Gefährdung sonstiger erheblicher Belange der Bundesrepublik Deutschland). Diesen Passversagungsgrund hat sie sinngemäß in Bezug genommen, indem sie zur Begründung ausgeführt hat, die Teilnahme eines deutschen Staatsangehörigen am bewaffneten "Jihad" sei geeignet, in erheblichem Maße die auswärtigen Belange der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden.
24Die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Nr. 1 Variante 3 sind erfüllt. Für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung maßgeblich. Denn sowohl bei der Entziehung des Reisepasses als auch bei der räumlichen Beschränkung des Geltungsbereichs des Personalausweises handelt es sich um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung. Dauerverwaltungsakte sind solche Verfügungen, die einen fortwährenden Regelungsgehalt haben, und deren Rechtsgrundlage verlangt, dass ihre tatbestandlichen Voraussetzungen während des gesamten Wirkungszeitraums der Regelung vorliegen.
25Wolff in Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Auflage 2014, § 113 Rn. 116 mit weiteren Nachweisen.
26Dies ist hier der Fall. Sowohl die Passentziehung als auch die räumliche Beschränkung des Geltungsbereichs des Personalausweises erschöpfen sich nicht in einer einmaligen Anordnung, sondern entfalten dauerhafte Wirkung für den Betroffenen.
27Vgl. VG Berlin, Urteil vom 6. März 2012 - 23 K 59/10 -, juris Rdn. 15.
28Im Streitfall sind Tatsachen bekannt geworden, die die Annahme begründen, dass der Kläger sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet. In der Ausreise eines Deutschen zum Zweck der Unterstützung des militanten "Jihad" liegt eine Gefährdung sonstiger erheblicher Belange der Bundesrepublik Deutschland im Sinne der 3. Variante des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG (I.). Im Streitfall begründen Tatsachen die Annahme, dass der Kläger in solcher Absicht nach Syrien ausreisen wollte und noch will (II.).
29I. Die Ausreise eines Deutschen zum Zweck der Unterstützung des militanten "Jihad" begründet eine Gefährdung sonstiger erheblicher Belange der Bundesrepublik Deutschland im Sinne der 3. Variante des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG. Der Begriff "sonstige erhebliche Belange" ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, dessen Vorliegen der Senat in vollem Umfang nachzuprüfen hat. Er erfasst Tatbestände, die in ihrer Erheblichkeit den beiden anderen Tatbestandsvarianten (innere und äußere Sicherheit) nahekommen. Sie müssen so gewichtig sein, dass die Passbehörde sie aus zwingenden staatspolitischen Gründen der freiheitlichen Entwicklung in der Bundesrepublik voranstellen muss. Das ergibt sich aus dem Zusammenhang der drei Tatbestandsvarianten des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG. Der Passinhaber gefährdet sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland insbesondere, wenn bestimmte Tatsachen die Prognose rechtfertigen, er werde sich im Ausland an Gewalttätigkeiten beteiligen, die geeignet sind, die auswärtigen Beziehungen oder unter besonderen Umständen auch das internationale Ansehen der Bundesrepublik zu schädigen.
30BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2007 - 6 C 39.06 -, BVerwGE 129, 142 = juris Rdn. 28; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 7. Dezember 2004 - 1 S 2218/03 -, VBlBW 2005, 231 = juris Rdn. 21; OVG NRW, Beschluss vom 16. April 2014 - 19 B 59/14 -, NVwZ-RR 2014, 593 = juris Rdn. 3.
31Die Beteiligung am militanten "Jihad" ist geeignet, die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik zu schädigen. Terroranschläge des militanten "Jihad", an denen deutsche Staatsangehörige mitwirken, tangieren massiv die Sicherheitsinteressen der davon betroffenen Länder sowie der internationalen Staatengemeinschaft und sind geeignet, die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik nachhaltig zu beeinträchtigen.
32Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16. April 2014 - 19 B 59/14 -, NVwZ-RR 2014, 593 = juris Rdn. 3; VG Arnsberg, Urteil vom 23. Januar 2015 - 12 K 2036/13 -, juris Rdn. 32; VG Münster, Beschluss vom 27. Juni 2014 - 1 L 328/14 -, juris Rdn. 9; VG Hamburg, Beschluss vom 23. November 2012 - 2 E 2951/12 -, juris Rdn. 14; VG Berlin, Urteil vom 6. März 2012 - 23 K 59.10 -, juris Rdn. 18; VG Braunschweig, Beschluss vom 27. Oktober 2011 - 5 B 164/11 -, juris Rdn. 21; VG Frankfurt a.M., Beschluss vom 30. November 2009 - 5 L 3142/09.F -, juris; VG Aachen, Urteil vom 26. August 2009 - 8 K 637/09 -, juris Rdn. 45; abweichend Daum, Anforderungen an Ausreisebeschränkungen von Islamisten, DÖV 2014, 526 (531).
33Dies unterstreicht der Umstand, dass der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen mit der am 24. September 2014 verabschiedeten Resolution 2178 (2014) die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, Personen, die im Ausland terroristische Taten begehen wollen, an der Einreise, dem Transit und der Ausreise zu hindern und entsprechende Taten unter Strafe zu stellen. Dabei werden sämtliche Vorbereitungs‑, Unterstützungs- und Finanzierungshandlungen erfasst.
34Vgl. Payandeh, Globale Anti-Terrorgesetzgebung: Die deutsche Rechtsordnung im Sog des UN-Sicherheitsrats?, ZRP 2014, 241 (242).
35Zudem gibt eine Vielzahl der militanten Kämpfer seine Herkunft und seine Staats-angehörigkeit in Videobotschaften in den sozialen Netzwerken öffentlich bekannt und kokettiert nicht selten sogar damit, Bürger eines westlichen Staates zu sein, den dieser Staat eingebürgert hat.
36II. Es sind Tatsachen bekannt geworden, die die Annahme begründen, dass der Kläger zum Zwecke der Unterstützung des "Jihad" nach Syrien ausreisen wollte und noch will.
37Der Passversagungstatbestand in § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG setzt voraus, dass konkrete Tatsachen vorliegen, die die Begründetheit der behördlichen Gefahreneinschätzung nachvollziehbar rechtfertigen. Hinsichtlich dieser Gefahreneinschätzung erfordert § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG keine eindeutigen Beweise; es reicht aus, wenn der begründete Verdacht einer Gefährdung der Belange der Bundesrepublik Deutschland besteht. Eine bloße Möglichkeit, eine reine Vermutung oder ein durch konkrete Tatsachen nicht belegbarer Verdacht genügen hingegen nicht, um eine konkrete Gefährdungslage im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG zu begründen. Diese Herabstufung des anzulegenden Wahrscheinlichkeitsmaßstabs in Bezug auf die vorausgesetzte Gefährdung ergibt sich aus dem Wortlaut des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG, der lediglich verlangt, dass Tatsachen "die Annahme" einer Gefährdung im Sinne der Nr. 1 begründen, ohne dass die Gefährdung selbst vorliegen muss.
38Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT- Drs. 14/2726 vom 18. Februar 2000, S. 6; OVG NRW, Beschluss vom 16. April 2014 - 19 B 59/14 -, NVwZ-RR 2014, 593 = juris Rdn. 5 ff.; VG Berlin, Urteil vom 6. März 2012 - 23 K 59.10 -, juris Rdn. 18; VG Braunschweig, Beschluss vom 27. Oktober 2011 - 5 B 164/11 -, juris Rdn. 22; VG Aachen, Urteil vom 26. August 2009 - 8 K 637/09 -, juris Rdn. 46; entsprechend zur Passentziehung wegen Steuerflucht nach § 7 Abs. 1 Nr. 4 PassG OVG Bremen, Beschluss vom 25. Januar 2013
39- 1 B 297/12 -, NordÖR 2013, 217 = juris Rdn. 5.
40Insofern führt der Passversagungstatbestand in § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG zu einer ähnlichen Vorverlagerung des Gefährdungsschutzes wie auch der Ausschlusstatbestand des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG im Rahmen der Einbürgerung.
41Dazu allgemein BVerwG, Beschluss vom 16. Juli 2003 - 6 VR 10.02 -, juris Rdn. 13; zu § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG etwa BVerwG, Beschluss vom 8. Juni 2011 - 5 B 55.10 -, juris Rdn. 3.
42Die Herabstufung des Wahrscheinlichkeitsmaßstabs nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG erstreckt sich auf die von dieser Vorschrift vorausgesetzte Gefährdung, nicht aber auch auf die einzelnen "bestimmten Tatsachen" im Sinne dieses Eingriffstatbestandes. Diese Anknüpfungstatsachen für die Gefahrenprognose müssen nach Zeit, Ort und Inhalt so konkret gefasst sein, dass sie einer Überprüfung im gerichtlichen Verfahren zugänglich sind; für sie verbleibt es bei dem Regelbeweismaß der vollen richterlichen Überzeugungsgewissheit nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
43OVG NRW, Beschluss vom 16. April 2014 - 19 B 59/14 -, NVwZ-RR 2014, 593 = juris Rdn. 11.
44Bei einer Passentziehung wegen befürchteter Ausreise zur Teilnahme am bewaffneten "Jihad" kommen ebenso wie bei der Beschränkung des Geltungsbereichs des Personalausweises als Anknüpfungstatsachen vor allem konkrete Äußerungen des Passinhabers und seine Einbindung in einen Personenkreis von gewaltbereiten Islamisten sowie deren bisherige Aktivitäten und politische Ziele in Betracht (z. B. Teilnahme an regelmäßigen Zusammenkünften oder an einem Ausbildungscamp für Terroristen; Auffinden von Notizzetteln mit Rufnummern oder Anschriften).
45OVG NRW, Beschluss vom 16. April 2014 - 19 B 59/14 -, NVwZ-RR 2014, 593 = juris Rdn. 12; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 7. März 2011 - 5 S 22.10, 5 M 34.10 -, juris, Rdn. 4, 6; VG Münster, Beschluss vom 27. Juni 2014 - 1 L 328/14 -, juris Rdn. 7; VG Hamburg, Beschluss vom 23. November 2012 - 2 E 2951/12 -, juris Rdn. 18 ff.; VG Berlin, Urteile vom 6. März 2012 - 23 K 59.10 -, juris Rdn. 18, und - 23 K 58.10 -, juris, Rdn. 20; VG Braunschweig, Beschluss vom 27. Oktober 2011 - 5 B 164/11 -, juris Rdn. 20; OVG NRW, Beschluss vom 11. September 2013 - 18 B 866/13 -, juris Rdn. 11 (Ausreiseverbot nach § 46 Abs. 2 AufenthG); Daum, a. a. O., S. 529.
46Dabei ist es nicht erforderlich, dass das Reiseziel, die Art und Weise der Beteiligung am "Jihad" und die Rückkehrabsicht des Verfügungsadressaten jeweils konkret bezeichnet werden können. Angesichts des erheblichen Gewichts der Gefährdung kann insoweit auf allgemeine Erkenntnisse zur Unterstützung des bewaffneten "Jihad" zurückgegriffen werden. Hierzu ist dem Verfassungsschutzbericht 2013 unter anderem zu entnehmen, die Grenzen zwischen politischen und "jihadistischen" Salafisten seien fließend. Bis Anfang 2014 hätten Erkenntnisse zu mehr als 270 deutschen Islamisten bzw. Islamisten aus Deutschland vorgelegen, die in Richtung Syrien ausgereist seien, um sich an den Kampfhandlungen zu beteiligen oder den Widerstand gegen das Assad-Regime in sonstiger Weise zu unterstützen - ein Trend, dessen Ende nicht abzusehen sei. Wenngleich aus den meisten Bundesländern Personen nach Syrien ausgereist seien, sei eine Schwerpunktbildung insbesondere dort zu erkennen, wo - wie in T. - über Jahre eine aktive islamistische Szene existiere. In vielen Fällen bleibe das tatsächliche Ziel der Ausreisen unklar.
47Dies zugrunde gelegt begründen im Fall des Klägers bestimmte Tatsachen im Sinne der 3. Variante des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG die Annahme, dass er sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, nämlich deren auswärtige Beziehungen. Die Beklagte hat ihre behördliche Gefahreneinschätzung, der Kläger wolle zum Zweck der Beteiligung am bewaffneten Jihad im Bürgerkrieg in Syrien ausreisen, auf konkrete Tatsachen gestützt, die die Begründetheit dieser Prognose nachvollziehbar rechtfertigen. Als Anknüpfungstatsachen für diese Prognose hat sie unter anderem angeführt,
48 der Kläger sei bis zu dessen Verbot im Juni 2012 regelmäßiger Besucher des Moscheevereins "Millatu Ibrahim e. V." in T. gewesen (1.),
49 habe sich bei den salafistischen Ausschreitungen in T. am 1. Mai 2012 am Veranstaltungsort befunden (2.),
50 habe sich an den sog. Koraninformationsständen und an Freizeitaktivitäten der salafistischen Szene Solingens beteiligt (3.), und
51 sei in den letzten Wochen vor seinem Ausreiseversuch mehrfach als Begleit- und Kontaktperson des islamistischen Predigers Hassan Keskin in Erscheinung getreten (4.).
52Diese Indiztatsachen lassen jedenfalls in ihrer Gesamtheit den von den Sicherheitsbehörden und der Beklagten gezogenen Prognoseschluss zu, der Kläger habe zum Zweck der Teilnahme am bewaffneten "Jihad" ausreisen wollen und plane dies auch weiterhin.
53Zunächst liegen Tatsachen vor, die die Annahme der Ausreiseabsicht des Klägers Richtung Syrien begründen. Es steht fest, dass der Kläger am 4. Dezember 2013 am Flughafen Köln-Bonn durch die Grenzpolizei daran gehindert worden ist, nach Istanbul auszureisen. Er war dabei in Begleitung zweier Personen - T1. G. und T2. C. -, für die ebenfalls Anhaltspunkte für ihre Einbindung in das Umfeld der verbotenen Vereinigung "Millatu Ibrahim" bestehen. Der Annahme, die Reise habe touristischen Zwecken gedient, standen deren Umstände entgegen: Der Kläger und seine Begleiter hatten das Flugticket erst am gleichen Tag erworben; sie führten jeweils lediglich Handgepäck mit sich; Angaben dazu, wo sich aufhalten und wie sie zurückreisen wollten, machten sie nicht. Die Notizen auf dem Zettel, den der Kläger bei sich trug, lassen darauf schließen, dass die Reise in die nahe der türkisch-syrischen Grenze gelegenen Stadt Gaziantep (kurz Antep) weitergehen sollte; denn auf dem Zettel ist neben Namen des oder der Ansprechpartner und einer Telefonnummer notiert: "Anrufen vom Reisebus-Bahnhof (…) in Antep oder Anrufen vom Flughafen in Antep" . Angemerkt sei wegen der Beanstandungen des Klägers, die Notiz nicht zur Kenntnis bekommen zu haben, dass sich die Kopie jenes Zettels bei den Verwaltungsvorgängen befindet, in die der Prozessbevollmächtigte des Klägers Einsicht genommen hat.
54Das Vorbringen des Klägers in der mündlichen Verhandlung, er habe in Istanbul Verwandte besuchen wollen, den Zettel mit den Telefonnummern habe er von seinem Bruder bekommen, um ihn seinen Begleitern zu geben, und/oder er habe über die Telefonnummern in Kontakt zu in der Türkei tätigen Organisationen für humanitäre Hilfe in Syrien treten wollen, auch seine Begleiter habe er auf Wunsch seines Bruders mitgenommen und ebenfalls auf deren Wunsch erst nur ein Hinflugticket gekauft, ist insgesamt ungereimt und nicht glaubhaft. Weder ist nachvollziehbar, warum der Kläger nur mit Handgepäck zu Verwandten gereist sein will, noch, warum es nötig gewesen sein sollte, dass er seine Begleiter mitnimmt, noch, warum er - wirtschaftlich unvernünftigerweise - deren Wunsch entsprochen und nur ein Hinflugticket gekauft haben sollte, noch, warum er diese Verwandten zuvor niemals erwähnt und insbesondere bei der Ausreisekontrolle nicht genannt hat. Sein Vorbringen zu dem Zettel mit den Telefonnummern ist schon nicht einheitlich.
55Eine Reihe von Tatsachen belegt darüber hinaus die Einbindung des Klägers in einen Personenkreis von mit dem "Jihad" sympathisierenden Islamisten jedenfalls bis ins Jahr 2013 hinein. Diese Einbindung lässt darauf schließen, dass Zweck der Ausreise die Unterstützung des "Jihad" in Syrien war und weiterhin wäre.
561. Ein gewichtiges Indiz hierfür bildet der Umstand, dass der Kläger bis zu dessen Verbot im Juni 2012 regelmäßiger Besucher des Vereins "Millatu Ibrahim e. V." ("Religion Abrahams") in T. war, der im Jahre 2012 durch das Bundesministerium des Innern wegen Bestrebungen gegen die verfassungsmäßige Ordnung sowie den Gedanken der Völkerverständigung verboten worden ist (vgl. Bundesamt für Verfassungsschutz, Verfassungsschutzbericht 2012, S. 236). Dies steht zur Überzeugung des Senats fest, zumal der Kläger die Tatsache nicht dezidiert bestritten hat. Er stellt lediglich pauschal eine "Verbindung zum salafistischen Personenspektrum" in T. in Abrede ("wird mit aller Entschiedenheit zurückgewiesen"), räumt diese aber für die Vergangenheit sogar indirekt ein, wenn er geltend macht, er habe sich "bereits seit langer Zeit von dort zurückgezogen". Diese vagen Formulierungen entkräften die vorgenannte Indiztatsache nicht, weil sie Zeitpunkt, Beweggründe, nähere Umstände und vor allem die Art des angeblichen "Zurückziehens" offen lassen. Die Behauptung des Klägers, er besuche "andere Moscheen" und pflege "andere Kontakte", ist ohne Substanz geblieben; der Kläger hat weder andere Moscheen noch Kontakte benannt.
572. Bei den salafistischen Ausschreitungen am 1. Mai 2012 in T. , bei denen Islamisten gegen das Zeigen der Mohammed-Karikaturen durch die Bürgerbewegung "Pro NRW" protestierten und in darauf folgenden Krawallen Polizisten verletzten, befand der Kläger sich am Veranstaltungsort. Auch diesen Umstand hat er mit dem Vorbringen eingeräumt, am 1. Mai 2012 habe er sich frühzeitig vom Ort der Ausschreitungen entfernt.
583. Der Kläger ist überdies wie sein Bruder im Zusammenhang mit der mittlerweile ebenfalls verbotenen Vereinigung "Tauhid Deutschland" sowie als Teilnehmer an Freizeitaktivitäten der salafistischen Szene in Erscheinung getreten. Im Bericht des Polizeipräsidiums X. vom 6. Dezember 2013 finden sich ein Foto und ein Screenshot, die den Kläger in einem Kreis von ersichtlich Gleichgesinnten an einem Koraninformationsstand der salafistischen Vereinigung "Tauhid" und als Beteiligten an deren Videoproduktion zeigen. Unter der Bezeichnung "Tauhid Germany" (zeitweise auch "Tauhid Deutschland") firmierte eine Gruppe, die sich zur Verbreitung salafistischer Propaganda im Internet zusammengeschlossen hatte (Verfassungsschutzbericht NRW 2013, S. 272). Sie verfügte neben einer eigenen Webseite über Online-Auftritte bei Facebook und YouTube, wo sich neben Predigten in deutscher Sprache Beiträge von arabischsprachigen Gelehrten fanden, die der salafistischen Szene als Vorbild dienten. Viele der bei "Tauhid Germany" eingestellten Videos und Postings ließen starke Bezüge zum Jihadismus erkennen, indem sie etwa den gewaltsamen "Jihad" verherrlichten und zum Hass gegen "Ungläubige" aufriefen. Das Bundesinnenministerium hat die Vereinigung "Tauhid Germany" am 26. März 2015 verboten mit der Begründung, die Vereinigung rufe über das Internet und mit Informationsständen Muslime "zum Kampf gegen die verfassungsmäßige Ordnung" auf und glorifiziere den gewaltsamen "Jihad" von Gruppen wie dem Islamischen Staat (IS) in Syrien und im Irak.
59Die bei den Verwaltungsvorgängen befindliche Abbildung aus dem Screenshot (wohl vom November 2013), die auch den Kläger zeigt, ist überschrieben mit "B. Ibrahim und ein paar Brüder nach den Dreharbeiten zu den Video zur Unterstützung von Ansarul Asser". Mit "Ansarul Asser" ist offensichtlich die entsprechende Webseite der deutschen Islamisten-Szene zur Unterstützung inhaftierter Islamisten gemeint (ansarul-aseer.com; vgl. Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen, Verfassungsschutzbericht 2013, S. 272 f.), mit "Abu Ibrahim" Hasdan (Hassan) Keskin, ein wegen der Schärfe seiner Predigten kritisierter, strafgerichtlich verurteilter und vom Verfassungsschutz beobachteter islamistischer Prediger.
60Hierzu hat der Kläger sich dahin eingelassen, auf dem Foto sowie dem Screenshot unterscheide er sich nach Kleidung und Habitus von den übrigen Abgebildeten. Die Beeinflussungen seines Bruders sowie anderer Bekannter aus der salafistischen Szene wehre er ab. Der Umstand, dass der Kläger auf dem Foto und auf dem Screenshot jeweils der einzige von fünf Abgebildeten ist, der keinen Bart trägt - hierauf will der Kläger möglicherweise hinaus -, schmälert jedoch den im Übrigen zu gewinnenden Eindruck nicht durchgreifend, dass es sich um Gleichgesinnte handelt; neben der Bildüberschrift spricht hierfür etwa, dass der Kläger die gleiche Geste wie jeweils ein Teil der Abgebildeten zeigt, nämlich den erhobenen Zeigefinger. Seine Behauptung, er unterscheide sich auf den Abbildungen auch nach seiner Kleidung von den übrigen Abgebildeten, hat der Kläger weder näher erläutert noch ist sie sonst nachvollziehbar.
614. Der Kläger hat schließlich nicht in Abrede gestellt, dass er als Begleit- und Kontaktperson des vorerwähnten Predigers Hassan Keskin in Erscheinung getreten ist.
62Der Kläger hat das Gewicht dieser seine Einbindung in die salafistische Szene Solingens belegenden Anhaltspunkte nicht entkräftet. Es ist nicht anzunehmen, dass er sich tatsächlich vollständig aus diesen Zusammenhängen gelöst hat. Hierfür genügt es nicht, dass er sich mit einer Mitarbeiterin eines Aussteiger-programms in Verbindung gesetzt hat. Denn nach der Auskunft der für das Aussteigerprogramm zuständigen Sachbearbeiterin beim MIK NRW vom 30. Oktober 2014 hat der Kläger sich auf mehrfache telefonische und zuletzt schriftliche Kontaktversuche nicht mehr gemeldet; man werde ihm mitteilen, dass man nicht mehr mit seinem Interesse an dem Programm rechne. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass er seine Teilnahme an dem Programm abgebrochen hat.
63Auch der Umstand, dass der Kläger, wie er behauptet, in einem festen Arbeitsverhältnis steht, reicht nicht aus. Abgesehen davon, dass er es insoweit an jeder näheren Angabe hat fehlen lassen, ist anzunehmen, dass er seine bis Ende 2013 innegehabte Arbeitsstelle aufgegeben hat, als er im Dezember 2013 nach Syrien auszureisen versucht hat. Denn in den Auszügen zum Girokonto Nr. … bei der T6. T. sind für die Zeit bis November 2013 Lohnzahlungen des Unternehmens H. H1. T. belegt, für die Zeit ab Januar 2014 jedoch solche der L4. Q. T7. Das lässt darauf schließen, dass den Kläger allein das Innehaben einer Arbeitsstelle von der Ausreise nicht abhält.
64Endlich rechtfertigt es keine abweichende Beurteilung, dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung weniger den Eindruck eines fanatischen Islamisten, sondern eher den eines leicht beeinflussbaren Mitläufers hinterlassen oder zumindest zu hinterlassen versucht hat. Denn auch dann verbleibt der Befund, dass er sich dem Einfluss insbesondere seines fest in der salafistischen Szene verankerten älteren Bruders nur unzureichend entziehen kann und von diesem namentlich zur Unterstützung des "Jihad" - einschließlich der Ausreise zu diesem Zweck - zu verleiten ist.
65Angesichts dessen kann auf sich beruhen, ob die von der Beklagten herangezogenen Anknüpfungstatsachen auch im Sinne der 1. Variante des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG die Annahme begründen, der Kläger gefährde die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland,
66vgl. hierzu VG Münster, Beschluss vom 27. Juni 2014 - 1 L 328/14 -, juris, Rdn. 11; VG Frankfurt a.M., Beschluss vom 30. November 2009 - 5 L 3142/09.F -, juris.
67oder die Passversagungsgründe in § 7 Abs. 1 Nr. 6 PassG (unbefugtes Verpflichten zum Wehrdienst außerhalb der Bundeswehr) oder in § 7 Abs. 1 Nr. 10 PassG erfüllen (Vornahme einer in § 89a StGB beschriebenen Handlung).
68Vgl. Daum, a.a.O., S. 531 ff.
69II. Ermessensfehler liegen nicht vor. Die Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 PassG, wonach von einer Passversagung abzusehen ist, wenn sie unverhältnismäßig ist, insbesondere wenn es genügt, den Geltungsbereich oder die Gültigkeitsdauer des Passes zu beschränken, sind nicht erfüllt. Die Maßnahme ist geeignet, erforderlich und auch angemessen, die nach dem oben Ausgeführten weiterhin gegebene Gefahr einer Teilnahme des Klägers am bewaffneten "Jihad" im Ausland zumindest zu verringern. Mildere Mittel mit gleicher Eignung zur Zielerreichung sind nicht ersichtlich. Insbesondere scheidet angesichts der Unbestimmtheit der konkreten Unterstützungshandlungen und der Vielzahl der Reisemöglichkeiten eine Beschränkung des Geltungsbereichs des Passes auf bestimmte Länder aus. Da derzeit keine hinreichenden Erkenntnisse dafür vorliegen, dass die Ausreiseabsicht des Klägers zeitlich begrenzt wäre, führt auch die mangelnde Befristung nicht zur Unverhältnismäßigkeit der Maßnahmen. Die Behörde hat überdies den Fall unter Kontrolle zu halten, da den Verwaltungsakten Dauerwirkung zukommt. Gemäß § 7 Abs. 2 Satz 3 PassG wird auf Antrag ein neuer Pass ausgestellt, soweit die Voraussetzungen für die Beschränkung fortfallen.
70Der Senat verkennt nicht, dass die Entziehung des Passes für den Kläger einen erheblichen Eingriff in seine grundgesetzlich geschützte Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG darstellt. Dieser Eingriff ist jedoch angesichts der Schwere des hier zu schützenden Rechtsguts gerechtfertigt. Dem Schutz der damit betroffenen Rechtsgüter - insbesondere dem Schutz von Leib und Leben unbeteiligter Dritter vor terroristischen Anschlägen als international anerkanntes Schutzgut - kommt angesichts der ihnen nach Lage der Dinge drohenden Beeinträchtigungen überragendes Gewicht zu. Entsprechendes gilt im Hinblick auf die verfügte Beschränkung des Geltungsbereichs des Personalausweises des Klägers.
71B. Die angefochtene Ordnungsverfügung ist auch nicht wegen formeller Mängel aufzuheben. Von einer Anhörung des Klägers durfte die Beklagte absehen (I.). Ein ihrer Ordnungsverfügung etwa anhaftender Begründungsmangel ist unbeachtlich (II.).
72I. Von der nach § 28 Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW erforderlichen Anhörung vor Erlass eines belastenden Verwaltungsaktes durfte die Beklagte nach § 28 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG NRW absehen, weil nach den Umständen des Einzelfalls eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erschien. Es genügt hierfür, dass die Behörde unter diesen Gesichtspunkten eine sofortige Entscheidung für notwendig halten durfte. Im Streitfall bestand die Gefahr, dass der Kläger eine Anhörung zur Passentziehung oder zur Ausreiseuntersagung zum Anlass genommen hätte, das Bundesgebiet vor Erlass der Verfügung zu verlassen. Die unten noch näher erläuterte Gefährdung wäre damit eingetreten, die Verfügung ins Leere gegangen. Daran führt nicht vorbei, dass der Reisepass bereits seit dem 4. Dezember 2013 sichergestellt war; denn gleichwohl bestand die Gefahr, dass der Kläger eine Anhörung zur Passentziehung oder zur Ausreiseuntersagung zum Anlass der sofortigen Ausreise auf dem Landweg genommen hätte.
73II. Soweit ein Mangel der nach § 39 Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW erforderlichen Begründung vorliegt, ist dieser unbeachtlich.
74Gemäß § 39 Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW ist ein schriftlicher Verwaltungsakt mit einer Begründung zu versehen. In der Begründung sind gemäß § 39 Abs. 1 Satz 2 VwVfG NRW die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben. Dies verlangt nicht die Darlegung aller Einzelheiten, die für eine vollständige Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts notwendig wären; anzugeben sind jedoch die tragenden Gründe, von denen die erlassende Behörde bei ihrer Entscheidung ausgegangen ist, in tatsächlicher Hinsicht also der von der Behörde ermittelte als gegeben angenommene Sachverhalt.
75Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Auflage 2014, § 39 Rdn. 45; Tiedemann in Bader/Ronellenfitsch, VwVfG, 2010, § 39 Rdn. 32 f.
76Ob die Beklagte diesen Anforderungen gerecht geworden ist, unterliegt Zweifeln, weil sie im streitgegenständlichen Bescheid vom 19. Dezember 2013 für die Darlegung der Tatsachen, die die Annahme einer Gefährdung im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 PassG rechtfertigen, lediglich darauf verwiesen hat, dass dem Kläger am 4. Dezember 2013 am Flughafen Köln-Bonn die Ausreise nach Istanbul untersagt und gegen ihn von der Staatsschutzabteilung des Polizeipräsidiums X. ein Verfahren eingeleitet worden ist, sowie auf das Behördenzeugnis des Ministeriums für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen vom 4. Dezember 2013. Das Behördenzeugnis beschränkt sich jedoch auf den Satz "Hier wurde dienstlich bekannt, dass Herr T8. K. beabsichtigt, gemeinsam mit weiteren Personen aus dem Umfeld der verbotenen Vereinigung 'Millatu Ibrahim' auszureisen, um sich am bewaffneten Jihad in Syrien zu beteiligen" und enthält mithin keine konkreten Anknüpfungstatsachen. Die zahlreichen Einzelheiten, die insbesondere dem seinerzeit bereits vorliegenden und in den Verwaltungsvorgängen befindlichen "Vermerk zur Person T8. K. " des Polizeipräsidiums X. vom 6. Dezember 2013 zu entnehmen sind, sind in dem Bescheid weder wiedergegeben noch auch nur in Bezug genommen.
77Wegen eines Begründungsdefizits könnte jedoch die Aufhebung des Verwaltungsakts gemäß § 46 VwVfG NRW nicht verlangt werden. Denn eine etwaige Verletzung des Begründungserfordernisses hätte die Entscheidung in der Sache offensichtlich nicht beeinflusst. Im Streitfall erscheint es ausgeschlossen, dass bei Beachtung der Verfahrensvorschrift die Entscheidung anders ausgefallen wäre. Denn die Beklagte hat lediglich versäumt, die seinerzeit bereits bekannten, in den Verwaltungsvorgängen dokumentierten und der Verfügung zugrunde liegenden Umstände im Einzelnen aufzuführen.
78Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
79Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
80Der Senat lässt die Revision nicht zu, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
Tenor
Nr. 1 des angefochtenen Beschlusses wird geändert.
Die aufschiebende Wirkung der Klage 4 K 2467/13 VG Aachen gegen Nr. 1 der Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 22. August 2013 wird wiederhergestellt und gegen Nrn. 2 und 5 angeordnet.
Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, dem Antragsteller den Reisepass Nr. XXXXXXXXX zurückzugeben und das Bundespolizeipräsidium unverzüglich zu ersuchen, die Ausschreibung des Antragstellers im Geschützten Grenzfahndungsbestand und seiner Identitätsdokumente im nationalen Sachfahndungsbestand und im Schengener Informationssystem zu löschen.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.
1
Gründe:
2Die Beschwerde ist gemäß § 146 Abs. 1 und 4 VwGO zulässig und begründet. Die Prüfung des Senats ist auf diejenigen Gründe beschränkt, die der Antragsteller innerhalb der einmonatigen Begründungsfrist nach § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO dargelegt hat (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO). Diese fristgerecht dargelegten Gründe rechtfertigen und gebieten es, den angefochtenen Beschluss zu ändern und dem Aussetzungsantrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO gegen die Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 22. August 2013 stattzugeben. Mit dieser Ordnungsverfügung hat sie dem Antragsteller den Reisepass entzogen (Nr. 1), den Geltungsbereich seines Personalausweises auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland beschränkt (Nr. 2), die sofortige Vollziehung dieser beiden Maßnahmen angeordnet (Nr. 3) und ihm unter Androhung eines Zwangsgeldes in Höhe von 1.000,00 Euro aufgegeben, seinen Reisepass sofort nach Erhalt der Ordnungsverfügung bei ihr abzugeben (Nrn. 4 und 5). Die Vollziehungsanordnung in Nr. 3 geht ins Leere, soweit sie sich auf die Ausweisbeschränkung nach § 6 Abs. 7 PAuswG in Nr. 2 der Ordnungsverfügung bezieht, denn diese Maßnahme ist nach § 30 PAuswG schon kraft Gesetzes sofort vollziehbar. Insoweit ist die aufschiebende Wirkung anzuordnen.
3Der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ist begründet, weil das Aussetzungsinteresse des Antragstellers das öffentliche Vollzugsinteresse überwiegt. Nach gegenwärtiger Aktenlage sind die Anordnungen in den Nrn. 1 und 2 der Ordnungsverfügung offensichtlich rechtswidrig und wird die Ordnungsverfügung voraussichtlich im Hauptsacheverfahren 4 K 2467/13 VG Aachen keinen Bestand haben.
4Als Rechtsgrundlage für die in Nr. 1 verfügte Passentziehung kommt nur § 8 PassG in Betracht. Danach kann ein Pass dem Inhaber entzogen werden, wenn „Tatsachen bekanntwerden“, die nach § 7 Abs. 1 PassG die Passversagung rechtfertigen würden. § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG setzt tatbestandlich voraus, dass „bestimmte Tatsachen“ die Annahme begründen, dass der Passinhaber die innere oder äußere Sicherheit oder sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet. Unter dieser Voraussetzung kann die zuständige Behörde nach § 6 Abs. 7 PAuswG auch die Ausweisbeschränkung in Nr. 2 der Ordnungsverfügung gegenüber dem Antragsteller anordnen. Im vorliegenden Fall ist die 3. Alternative des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG einschlägig (Gefährdung sonstiger erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland). Solche Belange gefährdet der Passinhaber insbesondere, wenn bestimmte Tatsachen die Prognose rechtfertigen, er werde sich im Ausland an Gewalttätigkeiten beteiligen, die geeignet sind, die auswärtigen Beziehungen oder unter besonderen Umständen auch das internationale Ansehen der Bundesrepublik zu schädigen.
5BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2007 ‑ 6 C 39.06 ‑, BVerwGE 129, 142, juris, Rdn. 28 (G-8-Gipfel Genua); VGH Bad-Württ., Urteil vom 7. Dezember 2004 ‑ 1 S 2218/03 ‑, VBlBW 2005, 231, juris, Rdn. 21.
6Der Passversagungstatbestand in § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG setzt lediglich voraus, dass konkrete Tatsachen vorliegen, die die Begründetheit der behördlichen Gefahreneinschätzung nachvollziehbar rechtfertigen. Die Anknüpfungstatsachen für die Gefahrenprognose müssen nach Zeit, Ort und Inhalt so konkret gefasst sein, dass sie einer Überprüfung im gerichtlichen Verfahren zugänglich sind. Hingegen erfordert § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG keine eindeutigen Beweise für diese Gefahreneinschätzung. Ausreichend ist eine auf Tatsachen gestützte positive Gefahrenprognose. Eine bloße Möglichkeit, eine reine Vermutung oder ein durch konkrete Tatsachen nicht belegbarer Verdacht genügen nicht, um eine konkrete Gefährdungslage im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG zu begründen.
7Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 14/2726 vom 18. Februar 2000, S. 6; VG Berlin, Urteil vom 6. März 2012 ‑ 23 K 59.10 ‑, juris, Rdn. 18; VG Braunschweig, Beschluss vom 27. Oktober 2011 ‑ 5 B 164/11 ‑, juris, Rdn. 22; VG Aachen, Urteil vom 26. August 2009 ‑ 8 K 637/09 ‑, juris, Rdn. 46; entsprechend zur Passentziehung wegen Steuerflucht nach § 7 Abs. 1 Nr. 4 PassG OVG Bremen, Beschluss vom 25. Januar 2013 ‑ 1 B 297/12 ‑, NordÖR 2013, 217, juris, Rdn. 5.
8Hierin liegt eine Herabstufung des anzulegenden Wahrscheinlichkeitsmaßstabs in Bezug auf die vorausgesetzte Gefährdung. Der Passversagungsgrund des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG liegt nicht erst dann vor, wenn der Betreffende Belange der Bundesrepublik Deutschland tatsächlich gefährdet, sondern schon dann, wenn der begründete Verdacht einer solchen Gefährdung besteht. Diese Herabstufung ergibt sich aus dem Wortlaut des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG, der lediglich verlangt, dass Tatsachen „die Annahme“ einer Gefährdung im Sinne der Nr. 1 begründen, ohne dass die Gefährdung selbst vorliegen muss. Insofern führt der Passversagungstatbestand in § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG zu einer ähnlichen Vorverlagerung des Gefährdungsschutzes wie auch der Ausschlusstatbestand des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG im Rahmen der Einbürgerung.
9Dazu allgemein BVerwG, Beschluss vom 16. Juli 2003 ‑ 6 VR 10.02 ‑, juris, Rdn. 13 (Vereinsverbot); zu § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG: BVerwG, Beschluss vom 8. Juni 2011 ‑ 5 B 55.10 ‑, juris, Rdn. 3; Urteil vom 2. Dezember 2009 ‑ 5 C 24.08 ‑, BVerwGE 135, 302, juris, Rdn. 15, 18 (IGMG); Urteil vom 22. Februar 2007 ‑ 5 C 20.05 ‑, BVerwGE 128, 140, juris, Rdn. 19 f. (PKK-Selbsterklärung).
10In diesem herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab unterscheidet sich der Passversagungstatbestand in § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG ebenso wie der Ausschlusstatbestand des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG von Vereinsverboten sowie von Behauptungen in einem Verfassungsschutzbericht, für die keine Verringerung des Regelbeweismaßes der vollen richterlichen Überzeugungsgewissheit nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO eingreift. Bei diesen Maßnahmen ist eine Herabstufung des Wahrscheinlichkeitsmaßstabs insbesondere nicht wegen des sachtypischen Beweisnotstandes gerechtfertigt, in dem sich die handelnde Behörde befindet, weil der Verfassungsschutz seine Erkenntnisquellen und Arbeitsweisen schützen, Vertraulichkeitszusagen an Informanten einhalten muss und deshalb oftmals die Vorlage seiner Akten nach § 99 VwGO verweigert. Denn eine solche Beweisregel ist weder in § 99 VwGO noch an anderer Stelle der Verwaltungsgerichtsordnung vorgesehen.
11BVerwG, Urteil vom 21. Mai 2008 ‑ 6 C 13.07 ‑, BVerwGE 131, 171, juris, Rdn. 25, 29 (VS-Bericht BW 2001); Urteil vom 3. Dezember 2004 ‑ 6 C 10.02 ‑, NVwZ 2005, 1435, juris, Rdn. 16 (Vereinsverbot).
12Nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG erstreckt sich die Herabstufung des Wahrscheinlichkeitsmaßstabs auf die von dieser Vorschrift vorausgesetzte Gefährdung, nicht aber auch auf die einzelnen „bestimmten Tatsachen“ im Sinne dieses Eingriffstatbestandes. Für diese Indiztatsachen verbleibt es vielmehr bei dem Regelbeweismaß der vollen richterlichen Überzeugungsgewissheit nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Als ausschließlich auf diese Indiztatsachen bezogen versteht der Senat die Aussage der Vorinstanz, ein geheimhaltungsbedingter Beweisnotstand führe nicht zu einer Herabstufung des Regelbeweismaßes der vollen richterlichen Überzeugungsgewissheit nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO (Seite 9 unten des Beschlussabdrucks).
13Bei einer Passentziehung wegen befürchteter Ausreise zur Teilnahme am bewaffneten Jihad kommen als Anknüpfungstatsachen vor allem konkrete Äußerungen des Passinhabers und seine Einbindung in einen Personenkreis von gewaltbereiten Islamisten sowie deren bisherige Aktivitäten und politische Ziele in Betracht (z. B. Teilnahme an regelmäßigen Zusammenkünften, bei denen Koransuren mit zentralen Leitsätzen des militanten Jihad besprochen werden; Teilnahme an einem Ausbildungscamp für Terroristen im Ausland; missglückte Ausreiseversuche; Auffinden eines USB-Speichersticks mit demokratiefeindlichen digitalisierten Büchern; eigene Äußerungen des Passinhabers über einen konkret geplanten Grenzübertritt nach Syrien mit Sprengstoffübergabe).
14OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 7. März 2011 ‑ 5 S 22.10, 5 M 34.10 ‑, NVwZ-RR 2011, 500, juris, Rdn. 4, 6; VG Hamburg, Beschluss vom 23. November 2012 ‑ 2 E 2951/12 ‑, juris, Rdn. 18 ff.; VG Berlin, Urteil vom 6. März 2012, a. a. O., Rdn. 18; Urteil vom 6. März 2012 ‑ 23 K 58.10 ‑, juris, Rdn. 20; VG Braunschweig, a. a. O., Rdn. 20; OVG NRW, Beschluss vom 11. September 2013 ‑ 18 B 866/13 ‑ (Ausreiseverbot nach § 46 Abs. 2 AufenthG).
15Im Fall des Antragstellers hat die Antragsgegnerin derartige nach Zeit, Ort und Inhalt konkretisierte Anknüpfungstatsachen noch nicht einmal im Sinne einer bloßen Behauptung benannt. Sie stützt ihre Maßnahme vielmehr lediglich auf die allgemein formulierte Befürchtung, er plane „zeitnah“ nach Syrien auszureisen, um sich dort „mutmaßlich dem bewaffneten ‚Jihad‘ anzuschließen bzw. terroristische Gruppierungen zu unterstützen“. Diese Befürchtung wiederum stützt sie ausschließlich auf die Mitteilung des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) in seinem Behördenzeugnis vom 1. August 2013, ihm lägen „glaubhafte Informationen aus zuverlässigen Quellen“ vor, welche diese Befürchtung angeblich „belegen“. Hierin liegt keine auf Tatsachen gestützte positive Gefahrenprognose, sondern lediglich die Äußerung einer bloßen Vermutung, welche weder die Antragsgegnerin noch das BfV durch konkrete belegbare Tatsachen untermauert hat. Eine solche Vermutung genügt nicht, um eine konkrete Gefahrenprognose im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG zu stützen.
16Das Behördenzeugnis des BfV ist auch nicht schon selbst als eigenständige Anknüpfungstatsache zu werten, die eine Gefahrenprognose nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG rechtfertigen kann. Allein der Umstand, dass eine Verfassungsschutzbehörde eine bestimmte Gefahrenprognose anstellt, ist noch kein Indiz dafür, dass diese Gefahr tatsächlich besteht. Vielmehr unterliegt auch diese behördliche Gefahreinschätzung in vollem Umfang der gerichtlichen Überprüfung. Für die gerichtliche Überzeugungsbildung über das Vorliegen des Passversagungstatbestandes des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG können nur diejenigen Tatsachen ausschlaggebend sein, die der behördlichen Gefahreinschätzung zugrunde liegen. Ein Behördenzeugnis einer Verfassungsschutzbehörde, mit der diese ihre eigene Gefahrenprognose sowie gegebenenfalls die ihr zugrunde liegenden Feststellungen seiner Mitarbeiter oder Informanten wiedergibt, ist lediglich Erkenntnisquelle, also Beweismittel, nicht aber selbst Indiztatsache für die nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG erforderliche Gefahrenprognose.
17Vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Dezember 2004, a. a. O., Rdn. 16; VG Aachen, a. a. O., Rdn. 51, 55; VG Braunschweig, a. a. O., Rdn. 24.
18In diesem Sinn tragfähige Indiztatsachen benennt auch das BfV in seinem Behördenzeugnis vom 1. August 2013 nicht. Dessen Inhalt erschöpft sich in der oben bereits zitierten Verdachtsbehauptung, die in jeder Hinsicht pauschal ist und durch keinerlei bestimmte Tatsachen gestützt wird, die eine gerichtliche Überprüfung ermöglichen. Auf welche „Informationen“ von nicht genannten Quellen das BfV die genannte Verdachtsbehauptung stützt, ergibt sich weder aus dem Behördenzeugnis noch aus den Begleitinformationen, mit denen die Kriminalpolizei B. dieses der Antragsgegnerin übermittelt hat. Ebenso wenig lässt sich dem sonstigen Akteninhalt entnehmen, auf welche konkreten Indiztatsachen die Antragsgegnerin die von § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG vorausgesetzte Gefährdung sonstiger erheblicher Belange der Bundesrepublik Deutschland durch den Antragsteller stützt. Das gilt insbesondere auch für ihre nicht näher konkretisierte Behauptung in der Begründung zur angefochtenen Ordnungsverfügung, der Antragsteller besitze eine „radikalisierte Persönlichkeit“ und „fortgesetzte Kontakte in die islamistisch-jihadistische Szene“, weshalb „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen [sei], dass Sie versuchen werden, sich einer Haft durch Flucht zu entziehen“.
19Für eine solche bevorstehende oder beabsichtigte Inhaftierung des Antragstellers gibt es nach Aktenlage keinen Anhalt. Dem Senat drängt sich vielmehr der Eindruck auf, dass die Antragsgegnerin die genannten personenbezogenen Aspekte dem Muster einer Passentziehungsverfügung entnommen hat, welches die Kriminalpolizei B. ihr mit dem Behördenzeugnis zur Verfügung gestellt hat. Für den Fall des Antragstellers wären sie dann ohne realen Hintergrund. Folgerichtig hat auch das Amtsgericht B. die beantragte Anordnung der Wohnungsdurchsuchung mit der zutreffenden Begründung abgelehnt, der möglicherweise ernst zu nehmende Hintergrund entbinde die Ermittlungsbehörden nicht von ihrer rechtsstaatlichen Pflicht, die gesetzlichen Eingriffsvoraussetzungen zumindest ansatzweise im Sinne einer behördlichen Behauptung von Indiztatsachen zu konkretisieren (Beschluss vom 21. August 2013 ‑ 620 Gs 1184/13 ‑).
20Der Senat hat schon im Rahmen des vorliegenden Aussetzungsantrags nach § 80 Abs. 5 VwGO zu prüfen, ob die Passbehörde hinreichend konkrete Tatsachen für den nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG erforderlichen Gefahrenverdacht zumindest im Sinne einer Behauptung benannt und gegebenenfalls glaubhaft gemacht hat. Er teilt nicht die Rechtsauffassung der Vorinstanz und anderer erstinstanzlicher Verwaltungsgerichte, die eine Passentziehung in Eilverfahren schon allein im Hinblick auf die bloße Möglichkeit einer Offenlegung der maßgeblichen nachrichtendienstlichen Erkenntnisse im Rahmen einer Beweiserhebung im Hauptsacheverfahren bestätigt haben (S. 10 f. des Beschlussabdrucks).
21VG Aachen, Beschluss vom 14. April 2009 ‑ 8 L 164/09 ‑, NVwZ-RR 2009, 781, juris, Rdn. 28; VG Braunschweig, a. a. O., Rdn. 29 f.
22Vielmehr unterliegen auch behördliche Maßnahmen, welche auf nachrichtendienstliche Erkenntnisse zurückgehen, in einem Aussetzungsverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO der gerichtlichen Überprüfung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht, soweit dies mit den beschränkten Mitteln des Eilverfahrens möglich ist.
23Vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 16. Juli 2003, a. a. O., Rdn. 5 ff.
24Insbesondere ermöglicht auch das Eilverfahren dem Gericht die Prüfung, ob und mit welchem Wahrscheinlichkeitsgrad die behaupteten Indiztatsachen, ihren Nachweis im Hauptsacheverfahren für den Fall eines Bestreitens unterstellt, den Schluss auf die für § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG maßgebliche Haupttatsache zulassen (Ausreise- und Gefährdungsabsicht gerade des Antragstellers). Hierbei handelt es sich um eine tatsächliche Würdigung von Indiztatsachen, hinsichtlich derer sich das Eilverfahren nicht maßgeblich vom Hauptsacheverfahren unterscheidet.
25Abgesehen davon ist im vorliegenden Fall noch nicht einmal zu erwarten, das BfV werde die angefochtene Ordnungsverfügung im Hauptsacheverfahren wenigstens nachträglich mit den erforderlichen konkreten Indiztatsachen untermauern. Denn die Polizei hat mitgeteilt, dem Bundeskriminalamt lägen keine belastbaren Informationen vor, die eine Ausreise des Antragstellers erwarten ließen, trotz intensivster Bemühungen könne es keine weitergehenden Informationen im Sachzusammenhang mitteilen. Auch die Sicherheitskonferenz des Ministeriums für Inneres und Kommunales hat angegeben, es lägen keine freigegebenen Informationen vor; eine Freigabe sei bei der jeweiligen Behörde im Einzelfall zu beantragen. Schließlich hat das Ministerium für Inneres und Kommunales unter dem 27. Januar 2014 die Auskunft des BfV wiedergegeben, ihm lägen aktuell keine belastbaren Informationen vor, die eine Ausreise des Antragstellers aus dem Bundesgebiet erwarten ließen, es halte an dem Behördenzeugnis „mit dem damaligen Stand“ fest; die dahinter stehenden Informationen könnten jedoch nicht weiter offen gelegt werden als sie bereits im Behördenzeugnis formuliert seien.
26Mit der Anordnung an die Antragsgegnerin, den Reisepass zurückzugeben und die Ausschreibung des Antragstellers zur Fahndung löschen zu lassen, macht der Senat von seiner Befugnis nach § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO Gebrauch, die bereits erfolgte Vollziehung der Entziehungsverfügung rückgängig zu machen.
27Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
28Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.
29Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 66 Abs. 3 Satz 3, 68 Abs. 1 Satz 5 GKG).
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in beizutreibender Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Der Kläger ist am 2. Dezember 1991 in T. geboren. Die Beklagte stellte ihm am 16. Juli 2012 den Bundespersonalausweis Nr. , gültig bis zum 15. Juli 2018, sowie am 12. April 2013 den Reisepass Nr. , gültig bis zum 11. April 2019, aus.
3Unter dem 4. Dezember 2013 stellte das Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes NRW (MIK NRW) ein Behördenzeugnis aus, wonach dienstlich bekannt geworden sei, dass der Kläger beabsichtige, gemeinsam mit weiteren Personen aus dem Umfeld der verbotenen Vereinigung "Millatu Ibrahim" auszureisen, um sich am bewaffneten "Jihad" in Syrien zu beteiligen. Beamte der Bundespolizei kontrollierten ihn am selben Tag am Flughafen Köln/Bonn bei der grenzpolizeilichen Ausreisekontrolle des Fluges TK nach Istanbul. Der Kläger befand sich in Begleitung des T1. G. und des T2. C. . Die drei hatten ihr Flugticket erst am Abflugtag gekauft und führten lediglich Handgepäck mit sich. Auf der Grundlage des Behördenzeugnisses führten die Beamten eine Ausreisebefragung bei allen drei Personen durch. Diese gaben an, zu privaten Zwecken nach Istanbul reisen zu wollen; Angaben zu dortiger Unterkunft und Rückflug konnten sie nicht machen. In der Geldbörse des Klägers fand sich ein Zettel, auf dem handschriftlich notiert ist: "Nummer von Deutschland aus: ... Nummer von Türkei aus: ... Der Bruder heißt F. A. . Die Nummer haben wir von B. T3. . Wir wollen zum B. Anrufen vom Reisebus-Bahnhof (…) in Antep oder Anrufen vom Flughafen in Antep". Die Bundespolizei untersagte dem Kläger und seinen beiden Begleitern die Ausreise und stellte den Reisepass des Klägers sicher.
4Das Polizeipräsidium (PP) X. erstellte unter dem 6. Dezember 2013 einen Vermerk zur Person des Klägers. Darin stellt der Verfasser, KOK L. , fest, der ältere Bruder T4. des Klägers habe zu den Gründungsmitgliedern der verbotenen Vereinigung "Millatu Ibrahim" in T. gehört; der Kläger sei als regelmäßiger Besucher des Vereins bekannt. T4. K. sei Mitte 2012 aus Deutschland ausgereist. Die Deutsche Botschaft in Ankara habe am 24. Juli 2013 mitgeteilt, er sei nach Angaben türkischer Behörden am 19. Juli 2013 auf dem Hoheitsgebiet der Türkei festgenommen worden, weil er weder einen Pass noch sonstige Ausweisdokumente, sondern lediglich eine deutsche Einbürgerungsurkunde mit sich geführt habe. Er, KOK L. , habe T4. K. aufgrund verschiedener Haftbefehle bei der Einreise am Frankfurter Flughafen festgenommen. Dabei habe T4. K. freimütig angegeben, er und andere hätten sich "ganz nah an der Kriegsfront befunden". Beide Brüder hätten sich bei den salafistischen Ausschreitungen in T. am 1. Mai 2012 am Veranstaltungsort befunden. Weiter beteilige sich der Kläger auch an den aktuellen Koraninformationsständen und Videoproduktionen der salafistischen Bewegung "Tauhid Deutschland". Hierzu enthält der Vermerk zwei Bilder, auf denen der Kläger mit mehreren anderen Personen abgebildet ist, darunter jeweils T1. G. und T2. C. . Schließlich sei der Kläger in den letzten Wochen mehrfach als Begleit- und Kontaktperson des Predigers Hasan Keskin in Erscheinung getreten, der unter anderem während der Ausschreitungen am 1. Mai 2012 als aufhetzender Wortführer agiert habe.
5In den Vermerken zu den Begleitern des Klägers, T1. G. und T2. C. , ist gleichfalls ausgeführt, sie gehörten zum jugendlichen salafistischen Personenspektrum aus T. .
6Mit Ordnungsverfügung vom 19. Dezember 2013 entzog die Beklagte dem Kläger ohne vorherige Anhörung den Reisepass (Nr. 1) und beschränkte den Geltungsbereich seines Personalausweises auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (Nr. 2). Zur Begründung gab sie den Inhalt des Behördenzeugnisses wieder und führte an, die Teilnahme eines deutschen Staatsangehörigen am bewaffneten "Jihad" sei geeignet, in erheblichem Maße die auswärtigen Belange der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden. Es lägen schwerwiegende Anhaltspunkte dafür vor, dass er beabsichtige, die Bundesrepublik Deutschland zu verlassen, um sich im derzeitigen Krisengebiet Syrien am bewaffneten Kampf ("Jihad") zu beteiligen. In diesem Zusammenhang habe bereits die Abteilung Staatsschutz des PP X. ein Verfahren gegen ihn beantragt. Es werde keine Anhörung durchgeführt, da eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug notwendig erscheine. Die angeordneten Maßnahmen könnten nur Erfolg haben, wenn die Ausreise des Klägers sofort verhindert werde.
7Der Kläger hat am 9. Januar 2014 Klage erhoben und nach Einsicht in den Verwaltungsvorgang der Beklagten geltend gemacht, in der Begründung der angefochtenen Ordnungsverfügung fehle eine Darlegung hinreichend konkreter und belegbarer Anknüpfungstatsachen für die Gefahrenprognose der Beklagten. Das Behördenzeugnis des MIK NRW sei keine solche Tatsache. Die erforderlichen Anknüpfungstatsachen unterlägen auch den allgemeinen Beweisregeln, Beweiserleichterungen stünden der Behörde insoweit nicht zu. Die angegriffene Verfügung sei im Hinblick auf die Gefahr begründenden Tatsachen nicht hinreichend bestimmt. Er, der Kläger, weise die Behauptung, zum salafistischen Personenspektrum aus T. zu zählen, mit Entschiedenheit zurück. Von dort habe er sich bereits seit langer Zeit zurückgezogen. Er besuche andere Moscheen, pflege andere Kontakte, habe eine Freundin und arbeite ganz normal 8 Stunden täglich. Von seinem Bruder, der allerdings in der einschlägigen Szene in T. verankert sei, lasse er sich nicht beeinflussen. Im Zusammenhang mit den Ausschreitungen am 1. Mai 2012 in T. habe er sich früh vom Veranstaltungsort entfernt und sei im später eingeleiteten Strafverfahren freigesprochen worden. Auf dem Zettel, den er bei sich gehabt habe, stünden Telefonnummern von in der Türkei humanitär tätigen zum Teil syrischen Organisationen, keinesfalls aber handele es sich um irgendwelche Kontaktleute oder Schleuser für einen Transitweg. Sein Bruder habe ihm den Zettel mitgegeben, damit er in Istanbul Kontakt zu humanitär tätigen Organisationen für die Hilfe nach Syrien aufnehme. Mit dem im - ohnehin offensichtlich auf Anlass gefertigten und daher unverwertbaren - Bericht vom 11. August 2014 erwähnten V. B1. habe er zwar in der L1. Straße in T. gewohnt. Zu dessen Ausreise sei ihm aber nichts bekannt gewesen. Überdies habe er Kontakt mit einer Mitarbeiterin eines Aussteigerprogramms aufgenommen und einen ersten Besprechungstermin vereinbart.
8Der Kläger hat beantragt,
9die Ordnungsverfügung der Beklagten vom 19. Dezember 2013 aufzuheben.
10Die Beklagte hat beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Sie hat ergänzend auf den Vermerk des PP X. vom 6. Dezember 2013 Bezug genommen und darauf hingewiesen, dass der Kläger danach regelmäßiger Besucher und Vorstandsmitglied des verbotenen Vereins "Millatu Ibrahim" gewesen sei, sich bei den Ausschreitungen am 1. Mai 2012 am Tatort befunden habe, im Zusammenhang mit den Koraninformationsständen aufgetreten sei und sich mehrfach in Begleitung von Hasan Keskin aufgehalten habe. Gegen die Annahme einer Ausreiseabsicht zu touristischen Zwecken spreche die bei ihm gefundene Telefonliste. Ferner hat die Beklagte einen ergänzenden Bericht des PP X. vom 11. August 2014 vorgelegt, wonach der Kläger zuletzt mit V. B1. in der L1. Straße in T. zusammengewohnt habe. B1. sei trotz eigener Ausreiseuntersagung im Juni 2014 zunächst über Wien vermutlich nach Syrien ausgereist. Mit S. C1. , E. K1. und C2. L2. seien drei der Terrorkrieger aus T. bereits in Syrien gestorben. Auch T5. L3. sei ehemaliger Weggefährte des Klägers und seines Bruders gewesen. Er gebe im Internet ganz offen an, für den Islamischen Staat zu kämpfen. Zweifelhaft sei die Glaubhaftigkeit der Angabe des Klägers, in einem Aussteigerprogramm zu sein. Auch in der Vergangenheit habe er stets geleugnet, Angehöriger der Szene zu sein, auch wenn hierfür offenkundige Befunde vorgelegen hätten.
13Mit dem angefochtenen Urteil hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Kläger sei zusammen mit seinem Bruder öfter auf Veranstaltungen einer wegen dort gehaltener Predigten jihadistischen Inhaltes inzwischen verbotenen Vereinigung gewesen. Auch wegen seiner Eigenschaft als deren Vorstandsmitglied dürfe angenommen werden, er stehe auch inhaltlich hinter den Zielen der von ihm repräsentierten Organisation. Als weitere Indizien für die Absicht des Klägers, zur Teilnahme am "Jihad" auszureisen, führte das Verwaltungsgericht seine Beteiligung an Informationsständen und Videoproduktionen der salafistischen Bewegung "Tauhid", sein Auftreten als Kontakt- und Begleitperson des Predigers Keskin, das Aufgreifen seines Bruders Mitte 2013 in der Türkei sowie den Besitz des Zettels mit Telefonnummern bei seiner unterbundenen Ausreise in die Türkei an.
14Gegen das am 19. September 2014 zugestellte Urteil hat der Kläger am Montag, dem 20. Oktober 2014 die vom Verwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Berufung eingelegt. Zu ihrer Begründung macht er im Wesentlichen geltend: Dass er beabsichtigt habe, zur Teilnahme am "militanten Jihad" nach Syrien auszureisen, sei durch nichts belegt. Er würde sich niemals einer Terrorgruppe wie der ISIS anschließen. Konkrete und belegbare Anknüpfungstatsachen der für die Gefahrenprognose darlegungs- und beweispflichtigen Behörde fehlten. Die Beklagte verweise in dem Bescheid lediglich generell auf Kenntnisse von Sicherheitsbehörden. Dies sei nicht geeignet, die angegriffenen Maßnahmen zu begründen. Die Mitteilung des Ministeriums für Inneres und Kommunales vom 19. Dezember 2013 sei unerheblich, weil es nach der Gesetzeslage auf Tatsachen ankomme, nicht auf die behördliche Einschätzung oder Bewertung von Tatsachen. Auch "die Bezugnahme auf die Einschätzung des Bundesministeriums vom 14.06.2012" sei nicht ausreichend. Zudem gebe es eine Vielzahl von Gruppierungen, die gegen das Assad-Regime kämpften. Diese würden zum Teil von den USA unterstützt. Auch erhalte die ISIS oder IS Unterstützung durch Staaten wie die Türkei oder Qatar, zumindest aber durch in diesen Ländern tätige private Geschäftsleute, die ihrerseits Kontakte zu den USA unterhielten. Daher sei nicht zu erkennen, inwieweit ausgerechnet durch ihn, den Kläger, erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet würden.
15Der Kläger beantragt sinngemäß,
16das angefochtene Urteil zu ändern und nach dem erstinstanzlichen Klageantrag zu erkennen.
17Die Beklagte beantragt,
18die Berufung zurückzuweisen.
19Sie verweist auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts sowie des Senats im Beschluss vom 16. April 2014 - 19 B 59/14 - und übermittelt die telefonische Auskunft der für das Aussteigerprogramm zuständigen Sachbearbeiterin beim MIK NRW, dass sich der Kläger auf mehrfache telefonische und zuletzt schriftliche Kontaktversuche nicht gemeldet habe.
20Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten dieses Verfahrens und der Verfahren 24 L 37/14 und 24 L 1849/14 - VG Düsseldorf -, des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Beklagten sowie der Akten zum Verfahren 80 Js 1120/13 (StA Düsseldorf) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
21Die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung des Klägers ist zulässig, aber unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klage ist als Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 VwGO zulässig, aber unbegründet. Die Ordnungsverfügung der Beklagten vom 19. Dezember 2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die in deren Nr. 1 verfügte Passentziehung findet ihre Rechtsgrundlage in § 8 PassG. Danach kann ein Pass dem Inhaber entzogen werden, wenn Tatsachen bekanntwerden, die nach § 7 Abs. 1 PassG die Passversagung rechtfertigen würden. § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG setzt tatbestandlich voraus, dass bestimmte Tatsachen die Annahme begründen, dass der Passinhaber die innere oder äußere Sicherheit oder sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet. Die in Nr. 2 der angefochtenen Ordnungsverfügung angeordnete Ausweisbeschränkung hat die Beklagte zu Recht auf § 6 Abs. 7 PAuswG gestützt, der diese Maßnahme ebenfalls an das Vorliegen eines Passversagungsgrundes nach § 7 Abs. 1 PassG knüpft.
22Am Maßstab dieser beiden Ermächtigungsgrundlagen ist die angefochtene Ordnungsverfügung materiell rechtmäßig (A.). Auch Verfahrensfehler rechtfertigen nicht ihre Aufhebung (B.).
23A. In materiell-rechtlicher Hinsicht hat die Beklagte die beiden genannten Maßnahmen ausschließlich auf die 3. Variante des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG gestützt (Gefährdung sonstiger erheblicher Belange der Bundesrepublik Deutschland). Diesen Passversagungsgrund hat sie sinngemäß in Bezug genommen, indem sie zur Begründung ausgeführt hat, die Teilnahme eines deutschen Staatsangehörigen am bewaffneten "Jihad" sei geeignet, in erheblichem Maße die auswärtigen Belange der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden.
24Die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Nr. 1 Variante 3 sind erfüllt. Für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung maßgeblich. Denn sowohl bei der Entziehung des Reisepasses als auch bei der räumlichen Beschränkung des Geltungsbereichs des Personalausweises handelt es sich um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung. Dauerverwaltungsakte sind solche Verfügungen, die einen fortwährenden Regelungsgehalt haben, und deren Rechtsgrundlage verlangt, dass ihre tatbestandlichen Voraussetzungen während des gesamten Wirkungszeitraums der Regelung vorliegen.
25Wolff in Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Auflage 2014, § 113 Rn. 116 mit weiteren Nachweisen.
26Dies ist hier der Fall. Sowohl die Passentziehung als auch die räumliche Beschränkung des Geltungsbereichs des Personalausweises erschöpfen sich nicht in einer einmaligen Anordnung, sondern entfalten dauerhafte Wirkung für den Betroffenen.
27Vgl. VG Berlin, Urteil vom 6. März 2012 - 23 K 59/10 -, juris Rdn. 15.
28Im Streitfall sind Tatsachen bekannt geworden, die die Annahme begründen, dass der Kläger sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet. In der Ausreise eines Deutschen zum Zweck der Unterstützung des militanten "Jihad" liegt eine Gefährdung sonstiger erheblicher Belange der Bundesrepublik Deutschland im Sinne der 3. Variante des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG (I.). Im Streitfall begründen Tatsachen die Annahme, dass der Kläger in solcher Absicht nach Syrien ausreisen wollte und noch will (II.).
29I. Die Ausreise eines Deutschen zum Zweck der Unterstützung des militanten "Jihad" begründet eine Gefährdung sonstiger erheblicher Belange der Bundesrepublik Deutschland im Sinne der 3. Variante des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG. Der Begriff "sonstige erhebliche Belange" ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, dessen Vorliegen der Senat in vollem Umfang nachzuprüfen hat. Er erfasst Tatbestände, die in ihrer Erheblichkeit den beiden anderen Tatbestandsvarianten (innere und äußere Sicherheit) nahekommen. Sie müssen so gewichtig sein, dass die Passbehörde sie aus zwingenden staatspolitischen Gründen der freiheitlichen Entwicklung in der Bundesrepublik voranstellen muss. Das ergibt sich aus dem Zusammenhang der drei Tatbestandsvarianten des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG. Der Passinhaber gefährdet sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland insbesondere, wenn bestimmte Tatsachen die Prognose rechtfertigen, er werde sich im Ausland an Gewalttätigkeiten beteiligen, die geeignet sind, die auswärtigen Beziehungen oder unter besonderen Umständen auch das internationale Ansehen der Bundesrepublik zu schädigen.
30BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2007 - 6 C 39.06 -, BVerwGE 129, 142 = juris Rdn. 28; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 7. Dezember 2004 - 1 S 2218/03 -, VBlBW 2005, 231 = juris Rdn. 21; OVG NRW, Beschluss vom 16. April 2014 - 19 B 59/14 -, NVwZ-RR 2014, 593 = juris Rdn. 3.
31Die Beteiligung am militanten "Jihad" ist geeignet, die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik zu schädigen. Terroranschläge des militanten "Jihad", an denen deutsche Staatsangehörige mitwirken, tangieren massiv die Sicherheitsinteressen der davon betroffenen Länder sowie der internationalen Staatengemeinschaft und sind geeignet, die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik nachhaltig zu beeinträchtigen.
32Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16. April 2014 - 19 B 59/14 -, NVwZ-RR 2014, 593 = juris Rdn. 3; VG Arnsberg, Urteil vom 23. Januar 2015 - 12 K 2036/13 -, juris Rdn. 32; VG Münster, Beschluss vom 27. Juni 2014 - 1 L 328/14 -, juris Rdn. 9; VG Hamburg, Beschluss vom 23. November 2012 - 2 E 2951/12 -, juris Rdn. 14; VG Berlin, Urteil vom 6. März 2012 - 23 K 59.10 -, juris Rdn. 18; VG Braunschweig, Beschluss vom 27. Oktober 2011 - 5 B 164/11 -, juris Rdn. 21; VG Frankfurt a.M., Beschluss vom 30. November 2009 - 5 L 3142/09.F -, juris; VG Aachen, Urteil vom 26. August 2009 - 8 K 637/09 -, juris Rdn. 45; abweichend Daum, Anforderungen an Ausreisebeschränkungen von Islamisten, DÖV 2014, 526 (531).
33Dies unterstreicht der Umstand, dass der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen mit der am 24. September 2014 verabschiedeten Resolution 2178 (2014) die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, Personen, die im Ausland terroristische Taten begehen wollen, an der Einreise, dem Transit und der Ausreise zu hindern und entsprechende Taten unter Strafe zu stellen. Dabei werden sämtliche Vorbereitungs‑, Unterstützungs- und Finanzierungshandlungen erfasst.
34Vgl. Payandeh, Globale Anti-Terrorgesetzgebung: Die deutsche Rechtsordnung im Sog des UN-Sicherheitsrats?, ZRP 2014, 241 (242).
35Zudem gibt eine Vielzahl der militanten Kämpfer seine Herkunft und seine Staats-angehörigkeit in Videobotschaften in den sozialen Netzwerken öffentlich bekannt und kokettiert nicht selten sogar damit, Bürger eines westlichen Staates zu sein, den dieser Staat eingebürgert hat.
36II. Es sind Tatsachen bekannt geworden, die die Annahme begründen, dass der Kläger zum Zwecke der Unterstützung des "Jihad" nach Syrien ausreisen wollte und noch will.
37Der Passversagungstatbestand in § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG setzt voraus, dass konkrete Tatsachen vorliegen, die die Begründetheit der behördlichen Gefahreneinschätzung nachvollziehbar rechtfertigen. Hinsichtlich dieser Gefahreneinschätzung erfordert § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG keine eindeutigen Beweise; es reicht aus, wenn der begründete Verdacht einer Gefährdung der Belange der Bundesrepublik Deutschland besteht. Eine bloße Möglichkeit, eine reine Vermutung oder ein durch konkrete Tatsachen nicht belegbarer Verdacht genügen hingegen nicht, um eine konkrete Gefährdungslage im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG zu begründen. Diese Herabstufung des anzulegenden Wahrscheinlichkeitsmaßstabs in Bezug auf die vorausgesetzte Gefährdung ergibt sich aus dem Wortlaut des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG, der lediglich verlangt, dass Tatsachen "die Annahme" einer Gefährdung im Sinne der Nr. 1 begründen, ohne dass die Gefährdung selbst vorliegen muss.
38Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT- Drs. 14/2726 vom 18. Februar 2000, S. 6; OVG NRW, Beschluss vom 16. April 2014 - 19 B 59/14 -, NVwZ-RR 2014, 593 = juris Rdn. 5 ff.; VG Berlin, Urteil vom 6. März 2012 - 23 K 59.10 -, juris Rdn. 18; VG Braunschweig, Beschluss vom 27. Oktober 2011 - 5 B 164/11 -, juris Rdn. 22; VG Aachen, Urteil vom 26. August 2009 - 8 K 637/09 -, juris Rdn. 46; entsprechend zur Passentziehung wegen Steuerflucht nach § 7 Abs. 1 Nr. 4 PassG OVG Bremen, Beschluss vom 25. Januar 2013
39- 1 B 297/12 -, NordÖR 2013, 217 = juris Rdn. 5.
40Insofern führt der Passversagungstatbestand in § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG zu einer ähnlichen Vorverlagerung des Gefährdungsschutzes wie auch der Ausschlusstatbestand des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG im Rahmen der Einbürgerung.
41Dazu allgemein BVerwG, Beschluss vom 16. Juli 2003 - 6 VR 10.02 -, juris Rdn. 13; zu § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG etwa BVerwG, Beschluss vom 8. Juni 2011 - 5 B 55.10 -, juris Rdn. 3.
42Die Herabstufung des Wahrscheinlichkeitsmaßstabs nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG erstreckt sich auf die von dieser Vorschrift vorausgesetzte Gefährdung, nicht aber auch auf die einzelnen "bestimmten Tatsachen" im Sinne dieses Eingriffstatbestandes. Diese Anknüpfungstatsachen für die Gefahrenprognose müssen nach Zeit, Ort und Inhalt so konkret gefasst sein, dass sie einer Überprüfung im gerichtlichen Verfahren zugänglich sind; für sie verbleibt es bei dem Regelbeweismaß der vollen richterlichen Überzeugungsgewissheit nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
43OVG NRW, Beschluss vom 16. April 2014 - 19 B 59/14 -, NVwZ-RR 2014, 593 = juris Rdn. 11.
44Bei einer Passentziehung wegen befürchteter Ausreise zur Teilnahme am bewaffneten "Jihad" kommen ebenso wie bei der Beschränkung des Geltungsbereichs des Personalausweises als Anknüpfungstatsachen vor allem konkrete Äußerungen des Passinhabers und seine Einbindung in einen Personenkreis von gewaltbereiten Islamisten sowie deren bisherige Aktivitäten und politische Ziele in Betracht (z. B. Teilnahme an regelmäßigen Zusammenkünften oder an einem Ausbildungscamp für Terroristen; Auffinden von Notizzetteln mit Rufnummern oder Anschriften).
45OVG NRW, Beschluss vom 16. April 2014 - 19 B 59/14 -, NVwZ-RR 2014, 593 = juris Rdn. 12; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 7. März 2011 - 5 S 22.10, 5 M 34.10 -, juris, Rdn. 4, 6; VG Münster, Beschluss vom 27. Juni 2014 - 1 L 328/14 -, juris Rdn. 7; VG Hamburg, Beschluss vom 23. November 2012 - 2 E 2951/12 -, juris Rdn. 18 ff.; VG Berlin, Urteile vom 6. März 2012 - 23 K 59.10 -, juris Rdn. 18, und - 23 K 58.10 -, juris, Rdn. 20; VG Braunschweig, Beschluss vom 27. Oktober 2011 - 5 B 164/11 -, juris Rdn. 20; OVG NRW, Beschluss vom 11. September 2013 - 18 B 866/13 -, juris Rdn. 11 (Ausreiseverbot nach § 46 Abs. 2 AufenthG); Daum, a. a. O., S. 529.
46Dabei ist es nicht erforderlich, dass das Reiseziel, die Art und Weise der Beteiligung am "Jihad" und die Rückkehrabsicht des Verfügungsadressaten jeweils konkret bezeichnet werden können. Angesichts des erheblichen Gewichts der Gefährdung kann insoweit auf allgemeine Erkenntnisse zur Unterstützung des bewaffneten "Jihad" zurückgegriffen werden. Hierzu ist dem Verfassungsschutzbericht 2013 unter anderem zu entnehmen, die Grenzen zwischen politischen und "jihadistischen" Salafisten seien fließend. Bis Anfang 2014 hätten Erkenntnisse zu mehr als 270 deutschen Islamisten bzw. Islamisten aus Deutschland vorgelegen, die in Richtung Syrien ausgereist seien, um sich an den Kampfhandlungen zu beteiligen oder den Widerstand gegen das Assad-Regime in sonstiger Weise zu unterstützen - ein Trend, dessen Ende nicht abzusehen sei. Wenngleich aus den meisten Bundesländern Personen nach Syrien ausgereist seien, sei eine Schwerpunktbildung insbesondere dort zu erkennen, wo - wie in T. - über Jahre eine aktive islamistische Szene existiere. In vielen Fällen bleibe das tatsächliche Ziel der Ausreisen unklar.
47Dies zugrunde gelegt begründen im Fall des Klägers bestimmte Tatsachen im Sinne der 3. Variante des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG die Annahme, dass er sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, nämlich deren auswärtige Beziehungen. Die Beklagte hat ihre behördliche Gefahreneinschätzung, der Kläger wolle zum Zweck der Beteiligung am bewaffneten Jihad im Bürgerkrieg in Syrien ausreisen, auf konkrete Tatsachen gestützt, die die Begründetheit dieser Prognose nachvollziehbar rechtfertigen. Als Anknüpfungstatsachen für diese Prognose hat sie unter anderem angeführt,
48 der Kläger sei bis zu dessen Verbot im Juni 2012 regelmäßiger Besucher des Moscheevereins "Millatu Ibrahim e. V." in T. gewesen (1.),
49 habe sich bei den salafistischen Ausschreitungen in T. am 1. Mai 2012 am Veranstaltungsort befunden (2.),
50 habe sich an den sog. Koraninformationsständen und an Freizeitaktivitäten der salafistischen Szene Solingens beteiligt (3.), und
51 sei in den letzten Wochen vor seinem Ausreiseversuch mehrfach als Begleit- und Kontaktperson des islamistischen Predigers Hassan Keskin in Erscheinung getreten (4.).
52Diese Indiztatsachen lassen jedenfalls in ihrer Gesamtheit den von den Sicherheitsbehörden und der Beklagten gezogenen Prognoseschluss zu, der Kläger habe zum Zweck der Teilnahme am bewaffneten "Jihad" ausreisen wollen und plane dies auch weiterhin.
53Zunächst liegen Tatsachen vor, die die Annahme der Ausreiseabsicht des Klägers Richtung Syrien begründen. Es steht fest, dass der Kläger am 4. Dezember 2013 am Flughafen Köln-Bonn durch die Grenzpolizei daran gehindert worden ist, nach Istanbul auszureisen. Er war dabei in Begleitung zweier Personen - T1. G. und T2. C. -, für die ebenfalls Anhaltspunkte für ihre Einbindung in das Umfeld der verbotenen Vereinigung "Millatu Ibrahim" bestehen. Der Annahme, die Reise habe touristischen Zwecken gedient, standen deren Umstände entgegen: Der Kläger und seine Begleiter hatten das Flugticket erst am gleichen Tag erworben; sie führten jeweils lediglich Handgepäck mit sich; Angaben dazu, wo sich aufhalten und wie sie zurückreisen wollten, machten sie nicht. Die Notizen auf dem Zettel, den der Kläger bei sich trug, lassen darauf schließen, dass die Reise in die nahe der türkisch-syrischen Grenze gelegenen Stadt Gaziantep (kurz Antep) weitergehen sollte; denn auf dem Zettel ist neben Namen des oder der Ansprechpartner und einer Telefonnummer notiert: "Anrufen vom Reisebus-Bahnhof (…) in Antep oder Anrufen vom Flughafen in Antep" . Angemerkt sei wegen der Beanstandungen des Klägers, die Notiz nicht zur Kenntnis bekommen zu haben, dass sich die Kopie jenes Zettels bei den Verwaltungsvorgängen befindet, in die der Prozessbevollmächtigte des Klägers Einsicht genommen hat.
54Das Vorbringen des Klägers in der mündlichen Verhandlung, er habe in Istanbul Verwandte besuchen wollen, den Zettel mit den Telefonnummern habe er von seinem Bruder bekommen, um ihn seinen Begleitern zu geben, und/oder er habe über die Telefonnummern in Kontakt zu in der Türkei tätigen Organisationen für humanitäre Hilfe in Syrien treten wollen, auch seine Begleiter habe er auf Wunsch seines Bruders mitgenommen und ebenfalls auf deren Wunsch erst nur ein Hinflugticket gekauft, ist insgesamt ungereimt und nicht glaubhaft. Weder ist nachvollziehbar, warum der Kläger nur mit Handgepäck zu Verwandten gereist sein will, noch, warum es nötig gewesen sein sollte, dass er seine Begleiter mitnimmt, noch, warum er - wirtschaftlich unvernünftigerweise - deren Wunsch entsprochen und nur ein Hinflugticket gekauft haben sollte, noch, warum er diese Verwandten zuvor niemals erwähnt und insbesondere bei der Ausreisekontrolle nicht genannt hat. Sein Vorbringen zu dem Zettel mit den Telefonnummern ist schon nicht einheitlich.
55Eine Reihe von Tatsachen belegt darüber hinaus die Einbindung des Klägers in einen Personenkreis von mit dem "Jihad" sympathisierenden Islamisten jedenfalls bis ins Jahr 2013 hinein. Diese Einbindung lässt darauf schließen, dass Zweck der Ausreise die Unterstützung des "Jihad" in Syrien war und weiterhin wäre.
561. Ein gewichtiges Indiz hierfür bildet der Umstand, dass der Kläger bis zu dessen Verbot im Juni 2012 regelmäßiger Besucher des Vereins "Millatu Ibrahim e. V." ("Religion Abrahams") in T. war, der im Jahre 2012 durch das Bundesministerium des Innern wegen Bestrebungen gegen die verfassungsmäßige Ordnung sowie den Gedanken der Völkerverständigung verboten worden ist (vgl. Bundesamt für Verfassungsschutz, Verfassungsschutzbericht 2012, S. 236). Dies steht zur Überzeugung des Senats fest, zumal der Kläger die Tatsache nicht dezidiert bestritten hat. Er stellt lediglich pauschal eine "Verbindung zum salafistischen Personenspektrum" in T. in Abrede ("wird mit aller Entschiedenheit zurückgewiesen"), räumt diese aber für die Vergangenheit sogar indirekt ein, wenn er geltend macht, er habe sich "bereits seit langer Zeit von dort zurückgezogen". Diese vagen Formulierungen entkräften die vorgenannte Indiztatsache nicht, weil sie Zeitpunkt, Beweggründe, nähere Umstände und vor allem die Art des angeblichen "Zurückziehens" offen lassen. Die Behauptung des Klägers, er besuche "andere Moscheen" und pflege "andere Kontakte", ist ohne Substanz geblieben; der Kläger hat weder andere Moscheen noch Kontakte benannt.
572. Bei den salafistischen Ausschreitungen am 1. Mai 2012 in T. , bei denen Islamisten gegen das Zeigen der Mohammed-Karikaturen durch die Bürgerbewegung "Pro NRW" protestierten und in darauf folgenden Krawallen Polizisten verletzten, befand der Kläger sich am Veranstaltungsort. Auch diesen Umstand hat er mit dem Vorbringen eingeräumt, am 1. Mai 2012 habe er sich frühzeitig vom Ort der Ausschreitungen entfernt.
583. Der Kläger ist überdies wie sein Bruder im Zusammenhang mit der mittlerweile ebenfalls verbotenen Vereinigung "Tauhid Deutschland" sowie als Teilnehmer an Freizeitaktivitäten der salafistischen Szene in Erscheinung getreten. Im Bericht des Polizeipräsidiums X. vom 6. Dezember 2013 finden sich ein Foto und ein Screenshot, die den Kläger in einem Kreis von ersichtlich Gleichgesinnten an einem Koraninformationsstand der salafistischen Vereinigung "Tauhid" und als Beteiligten an deren Videoproduktion zeigen. Unter der Bezeichnung "Tauhid Germany" (zeitweise auch "Tauhid Deutschland") firmierte eine Gruppe, die sich zur Verbreitung salafistischer Propaganda im Internet zusammengeschlossen hatte (Verfassungsschutzbericht NRW 2013, S. 272). Sie verfügte neben einer eigenen Webseite über Online-Auftritte bei Facebook und YouTube, wo sich neben Predigten in deutscher Sprache Beiträge von arabischsprachigen Gelehrten fanden, die der salafistischen Szene als Vorbild dienten. Viele der bei "Tauhid Germany" eingestellten Videos und Postings ließen starke Bezüge zum Jihadismus erkennen, indem sie etwa den gewaltsamen "Jihad" verherrlichten und zum Hass gegen "Ungläubige" aufriefen. Das Bundesinnenministerium hat die Vereinigung "Tauhid Germany" am 26. März 2015 verboten mit der Begründung, die Vereinigung rufe über das Internet und mit Informationsständen Muslime "zum Kampf gegen die verfassungsmäßige Ordnung" auf und glorifiziere den gewaltsamen "Jihad" von Gruppen wie dem Islamischen Staat (IS) in Syrien und im Irak.
59Die bei den Verwaltungsvorgängen befindliche Abbildung aus dem Screenshot (wohl vom November 2013), die auch den Kläger zeigt, ist überschrieben mit "B. Ibrahim und ein paar Brüder nach den Dreharbeiten zu den Video zur Unterstützung von Ansarul Asser". Mit "Ansarul Asser" ist offensichtlich die entsprechende Webseite der deutschen Islamisten-Szene zur Unterstützung inhaftierter Islamisten gemeint (ansarul-aseer.com; vgl. Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen, Verfassungsschutzbericht 2013, S. 272 f.), mit "Abu Ibrahim" Hasdan (Hassan) Keskin, ein wegen der Schärfe seiner Predigten kritisierter, strafgerichtlich verurteilter und vom Verfassungsschutz beobachteter islamistischer Prediger.
60Hierzu hat der Kläger sich dahin eingelassen, auf dem Foto sowie dem Screenshot unterscheide er sich nach Kleidung und Habitus von den übrigen Abgebildeten. Die Beeinflussungen seines Bruders sowie anderer Bekannter aus der salafistischen Szene wehre er ab. Der Umstand, dass der Kläger auf dem Foto und auf dem Screenshot jeweils der einzige von fünf Abgebildeten ist, der keinen Bart trägt - hierauf will der Kläger möglicherweise hinaus -, schmälert jedoch den im Übrigen zu gewinnenden Eindruck nicht durchgreifend, dass es sich um Gleichgesinnte handelt; neben der Bildüberschrift spricht hierfür etwa, dass der Kläger die gleiche Geste wie jeweils ein Teil der Abgebildeten zeigt, nämlich den erhobenen Zeigefinger. Seine Behauptung, er unterscheide sich auf den Abbildungen auch nach seiner Kleidung von den übrigen Abgebildeten, hat der Kläger weder näher erläutert noch ist sie sonst nachvollziehbar.
614. Der Kläger hat schließlich nicht in Abrede gestellt, dass er als Begleit- und Kontaktperson des vorerwähnten Predigers Hassan Keskin in Erscheinung getreten ist.
62Der Kläger hat das Gewicht dieser seine Einbindung in die salafistische Szene Solingens belegenden Anhaltspunkte nicht entkräftet. Es ist nicht anzunehmen, dass er sich tatsächlich vollständig aus diesen Zusammenhängen gelöst hat. Hierfür genügt es nicht, dass er sich mit einer Mitarbeiterin eines Aussteiger-programms in Verbindung gesetzt hat. Denn nach der Auskunft der für das Aussteigerprogramm zuständigen Sachbearbeiterin beim MIK NRW vom 30. Oktober 2014 hat der Kläger sich auf mehrfache telefonische und zuletzt schriftliche Kontaktversuche nicht mehr gemeldet; man werde ihm mitteilen, dass man nicht mehr mit seinem Interesse an dem Programm rechne. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass er seine Teilnahme an dem Programm abgebrochen hat.
63Auch der Umstand, dass der Kläger, wie er behauptet, in einem festen Arbeitsverhältnis steht, reicht nicht aus. Abgesehen davon, dass er es insoweit an jeder näheren Angabe hat fehlen lassen, ist anzunehmen, dass er seine bis Ende 2013 innegehabte Arbeitsstelle aufgegeben hat, als er im Dezember 2013 nach Syrien auszureisen versucht hat. Denn in den Auszügen zum Girokonto Nr. … bei der T6. T. sind für die Zeit bis November 2013 Lohnzahlungen des Unternehmens H. H1. T. belegt, für die Zeit ab Januar 2014 jedoch solche der L4. Q. T7. Das lässt darauf schließen, dass den Kläger allein das Innehaben einer Arbeitsstelle von der Ausreise nicht abhält.
64Endlich rechtfertigt es keine abweichende Beurteilung, dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung weniger den Eindruck eines fanatischen Islamisten, sondern eher den eines leicht beeinflussbaren Mitläufers hinterlassen oder zumindest zu hinterlassen versucht hat. Denn auch dann verbleibt der Befund, dass er sich dem Einfluss insbesondere seines fest in der salafistischen Szene verankerten älteren Bruders nur unzureichend entziehen kann und von diesem namentlich zur Unterstützung des "Jihad" - einschließlich der Ausreise zu diesem Zweck - zu verleiten ist.
65Angesichts dessen kann auf sich beruhen, ob die von der Beklagten herangezogenen Anknüpfungstatsachen auch im Sinne der 1. Variante des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG die Annahme begründen, der Kläger gefährde die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland,
66vgl. hierzu VG Münster, Beschluss vom 27. Juni 2014 - 1 L 328/14 -, juris, Rdn. 11; VG Frankfurt a.M., Beschluss vom 30. November 2009 - 5 L 3142/09.F -, juris.
67oder die Passversagungsgründe in § 7 Abs. 1 Nr. 6 PassG (unbefugtes Verpflichten zum Wehrdienst außerhalb der Bundeswehr) oder in § 7 Abs. 1 Nr. 10 PassG erfüllen (Vornahme einer in § 89a StGB beschriebenen Handlung).
68Vgl. Daum, a.a.O., S. 531 ff.
69II. Ermessensfehler liegen nicht vor. Die Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 PassG, wonach von einer Passversagung abzusehen ist, wenn sie unverhältnismäßig ist, insbesondere wenn es genügt, den Geltungsbereich oder die Gültigkeitsdauer des Passes zu beschränken, sind nicht erfüllt. Die Maßnahme ist geeignet, erforderlich und auch angemessen, die nach dem oben Ausgeführten weiterhin gegebene Gefahr einer Teilnahme des Klägers am bewaffneten "Jihad" im Ausland zumindest zu verringern. Mildere Mittel mit gleicher Eignung zur Zielerreichung sind nicht ersichtlich. Insbesondere scheidet angesichts der Unbestimmtheit der konkreten Unterstützungshandlungen und der Vielzahl der Reisemöglichkeiten eine Beschränkung des Geltungsbereichs des Passes auf bestimmte Länder aus. Da derzeit keine hinreichenden Erkenntnisse dafür vorliegen, dass die Ausreiseabsicht des Klägers zeitlich begrenzt wäre, führt auch die mangelnde Befristung nicht zur Unverhältnismäßigkeit der Maßnahmen. Die Behörde hat überdies den Fall unter Kontrolle zu halten, da den Verwaltungsakten Dauerwirkung zukommt. Gemäß § 7 Abs. 2 Satz 3 PassG wird auf Antrag ein neuer Pass ausgestellt, soweit die Voraussetzungen für die Beschränkung fortfallen.
70Der Senat verkennt nicht, dass die Entziehung des Passes für den Kläger einen erheblichen Eingriff in seine grundgesetzlich geschützte Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG darstellt. Dieser Eingriff ist jedoch angesichts der Schwere des hier zu schützenden Rechtsguts gerechtfertigt. Dem Schutz der damit betroffenen Rechtsgüter - insbesondere dem Schutz von Leib und Leben unbeteiligter Dritter vor terroristischen Anschlägen als international anerkanntes Schutzgut - kommt angesichts der ihnen nach Lage der Dinge drohenden Beeinträchtigungen überragendes Gewicht zu. Entsprechendes gilt im Hinblick auf die verfügte Beschränkung des Geltungsbereichs des Personalausweises des Klägers.
71B. Die angefochtene Ordnungsverfügung ist auch nicht wegen formeller Mängel aufzuheben. Von einer Anhörung des Klägers durfte die Beklagte absehen (I.). Ein ihrer Ordnungsverfügung etwa anhaftender Begründungsmangel ist unbeachtlich (II.).
72I. Von der nach § 28 Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW erforderlichen Anhörung vor Erlass eines belastenden Verwaltungsaktes durfte die Beklagte nach § 28 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG NRW absehen, weil nach den Umständen des Einzelfalls eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erschien. Es genügt hierfür, dass die Behörde unter diesen Gesichtspunkten eine sofortige Entscheidung für notwendig halten durfte. Im Streitfall bestand die Gefahr, dass der Kläger eine Anhörung zur Passentziehung oder zur Ausreiseuntersagung zum Anlass genommen hätte, das Bundesgebiet vor Erlass der Verfügung zu verlassen. Die unten noch näher erläuterte Gefährdung wäre damit eingetreten, die Verfügung ins Leere gegangen. Daran führt nicht vorbei, dass der Reisepass bereits seit dem 4. Dezember 2013 sichergestellt war; denn gleichwohl bestand die Gefahr, dass der Kläger eine Anhörung zur Passentziehung oder zur Ausreiseuntersagung zum Anlass der sofortigen Ausreise auf dem Landweg genommen hätte.
73II. Soweit ein Mangel der nach § 39 Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW erforderlichen Begründung vorliegt, ist dieser unbeachtlich.
74Gemäß § 39 Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW ist ein schriftlicher Verwaltungsakt mit einer Begründung zu versehen. In der Begründung sind gemäß § 39 Abs. 1 Satz 2 VwVfG NRW die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben. Dies verlangt nicht die Darlegung aller Einzelheiten, die für eine vollständige Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts notwendig wären; anzugeben sind jedoch die tragenden Gründe, von denen die erlassende Behörde bei ihrer Entscheidung ausgegangen ist, in tatsächlicher Hinsicht also der von der Behörde ermittelte als gegeben angenommene Sachverhalt.
75Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Auflage 2014, § 39 Rdn. 45; Tiedemann in Bader/Ronellenfitsch, VwVfG, 2010, § 39 Rdn. 32 f.
76Ob die Beklagte diesen Anforderungen gerecht geworden ist, unterliegt Zweifeln, weil sie im streitgegenständlichen Bescheid vom 19. Dezember 2013 für die Darlegung der Tatsachen, die die Annahme einer Gefährdung im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 PassG rechtfertigen, lediglich darauf verwiesen hat, dass dem Kläger am 4. Dezember 2013 am Flughafen Köln-Bonn die Ausreise nach Istanbul untersagt und gegen ihn von der Staatsschutzabteilung des Polizeipräsidiums X. ein Verfahren eingeleitet worden ist, sowie auf das Behördenzeugnis des Ministeriums für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen vom 4. Dezember 2013. Das Behördenzeugnis beschränkt sich jedoch auf den Satz "Hier wurde dienstlich bekannt, dass Herr T8. K. beabsichtigt, gemeinsam mit weiteren Personen aus dem Umfeld der verbotenen Vereinigung 'Millatu Ibrahim' auszureisen, um sich am bewaffneten Jihad in Syrien zu beteiligen" und enthält mithin keine konkreten Anknüpfungstatsachen. Die zahlreichen Einzelheiten, die insbesondere dem seinerzeit bereits vorliegenden und in den Verwaltungsvorgängen befindlichen "Vermerk zur Person T8. K. " des Polizeipräsidiums X. vom 6. Dezember 2013 zu entnehmen sind, sind in dem Bescheid weder wiedergegeben noch auch nur in Bezug genommen.
77Wegen eines Begründungsdefizits könnte jedoch die Aufhebung des Verwaltungsakts gemäß § 46 VwVfG NRW nicht verlangt werden. Denn eine etwaige Verletzung des Begründungserfordernisses hätte die Entscheidung in der Sache offensichtlich nicht beeinflusst. Im Streitfall erscheint es ausgeschlossen, dass bei Beachtung der Verfahrensvorschrift die Entscheidung anders ausgefallen wäre. Denn die Beklagte hat lediglich versäumt, die seinerzeit bereits bekannten, in den Verwaltungsvorgängen dokumentierten und der Verfügung zugrunde liegenden Umstände im Einzelnen aufzuführen.
78Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
79Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
80Der Senat lässt die Revision nicht zu, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
Tenor
Nr. 1 des angefochtenen Beschlusses wird geändert.
Die aufschiebende Wirkung der Klage 4 K 2467/13 VG Aachen gegen Nr. 1 der Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 22. August 2013 wird wiederhergestellt und gegen Nrn. 2 und 5 angeordnet.
Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, dem Antragsteller den Reisepass Nr. XXXXXXXXX zurückzugeben und das Bundespolizeipräsidium unverzüglich zu ersuchen, die Ausschreibung des Antragstellers im Geschützten Grenzfahndungsbestand und seiner Identitätsdokumente im nationalen Sachfahndungsbestand und im Schengener Informationssystem zu löschen.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.
1
Gründe:
2Die Beschwerde ist gemäß § 146 Abs. 1 und 4 VwGO zulässig und begründet. Die Prüfung des Senats ist auf diejenigen Gründe beschränkt, die der Antragsteller innerhalb der einmonatigen Begründungsfrist nach § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO dargelegt hat (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO). Diese fristgerecht dargelegten Gründe rechtfertigen und gebieten es, den angefochtenen Beschluss zu ändern und dem Aussetzungsantrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO gegen die Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 22. August 2013 stattzugeben. Mit dieser Ordnungsverfügung hat sie dem Antragsteller den Reisepass entzogen (Nr. 1), den Geltungsbereich seines Personalausweises auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland beschränkt (Nr. 2), die sofortige Vollziehung dieser beiden Maßnahmen angeordnet (Nr. 3) und ihm unter Androhung eines Zwangsgeldes in Höhe von 1.000,00 Euro aufgegeben, seinen Reisepass sofort nach Erhalt der Ordnungsverfügung bei ihr abzugeben (Nrn. 4 und 5). Die Vollziehungsanordnung in Nr. 3 geht ins Leere, soweit sie sich auf die Ausweisbeschränkung nach § 6 Abs. 7 PAuswG in Nr. 2 der Ordnungsverfügung bezieht, denn diese Maßnahme ist nach § 30 PAuswG schon kraft Gesetzes sofort vollziehbar. Insoweit ist die aufschiebende Wirkung anzuordnen.
3Der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ist begründet, weil das Aussetzungsinteresse des Antragstellers das öffentliche Vollzugsinteresse überwiegt. Nach gegenwärtiger Aktenlage sind die Anordnungen in den Nrn. 1 und 2 der Ordnungsverfügung offensichtlich rechtswidrig und wird die Ordnungsverfügung voraussichtlich im Hauptsacheverfahren 4 K 2467/13 VG Aachen keinen Bestand haben.
4Als Rechtsgrundlage für die in Nr. 1 verfügte Passentziehung kommt nur § 8 PassG in Betracht. Danach kann ein Pass dem Inhaber entzogen werden, wenn „Tatsachen bekanntwerden“, die nach § 7 Abs. 1 PassG die Passversagung rechtfertigen würden. § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG setzt tatbestandlich voraus, dass „bestimmte Tatsachen“ die Annahme begründen, dass der Passinhaber die innere oder äußere Sicherheit oder sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet. Unter dieser Voraussetzung kann die zuständige Behörde nach § 6 Abs. 7 PAuswG auch die Ausweisbeschränkung in Nr. 2 der Ordnungsverfügung gegenüber dem Antragsteller anordnen. Im vorliegenden Fall ist die 3. Alternative des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG einschlägig (Gefährdung sonstiger erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland). Solche Belange gefährdet der Passinhaber insbesondere, wenn bestimmte Tatsachen die Prognose rechtfertigen, er werde sich im Ausland an Gewalttätigkeiten beteiligen, die geeignet sind, die auswärtigen Beziehungen oder unter besonderen Umständen auch das internationale Ansehen der Bundesrepublik zu schädigen.
5BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2007 ‑ 6 C 39.06 ‑, BVerwGE 129, 142, juris, Rdn. 28 (G-8-Gipfel Genua); VGH Bad-Württ., Urteil vom 7. Dezember 2004 ‑ 1 S 2218/03 ‑, VBlBW 2005, 231, juris, Rdn. 21.
6Der Passversagungstatbestand in § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG setzt lediglich voraus, dass konkrete Tatsachen vorliegen, die die Begründetheit der behördlichen Gefahreneinschätzung nachvollziehbar rechtfertigen. Die Anknüpfungstatsachen für die Gefahrenprognose müssen nach Zeit, Ort und Inhalt so konkret gefasst sein, dass sie einer Überprüfung im gerichtlichen Verfahren zugänglich sind. Hingegen erfordert § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG keine eindeutigen Beweise für diese Gefahreneinschätzung. Ausreichend ist eine auf Tatsachen gestützte positive Gefahrenprognose. Eine bloße Möglichkeit, eine reine Vermutung oder ein durch konkrete Tatsachen nicht belegbarer Verdacht genügen nicht, um eine konkrete Gefährdungslage im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG zu begründen.
7Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 14/2726 vom 18. Februar 2000, S. 6; VG Berlin, Urteil vom 6. März 2012 ‑ 23 K 59.10 ‑, juris, Rdn. 18; VG Braunschweig, Beschluss vom 27. Oktober 2011 ‑ 5 B 164/11 ‑, juris, Rdn. 22; VG Aachen, Urteil vom 26. August 2009 ‑ 8 K 637/09 ‑, juris, Rdn. 46; entsprechend zur Passentziehung wegen Steuerflucht nach § 7 Abs. 1 Nr. 4 PassG OVG Bremen, Beschluss vom 25. Januar 2013 ‑ 1 B 297/12 ‑, NordÖR 2013, 217, juris, Rdn. 5.
8Hierin liegt eine Herabstufung des anzulegenden Wahrscheinlichkeitsmaßstabs in Bezug auf die vorausgesetzte Gefährdung. Der Passversagungsgrund des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG liegt nicht erst dann vor, wenn der Betreffende Belange der Bundesrepublik Deutschland tatsächlich gefährdet, sondern schon dann, wenn der begründete Verdacht einer solchen Gefährdung besteht. Diese Herabstufung ergibt sich aus dem Wortlaut des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG, der lediglich verlangt, dass Tatsachen „die Annahme“ einer Gefährdung im Sinne der Nr. 1 begründen, ohne dass die Gefährdung selbst vorliegen muss. Insofern führt der Passversagungstatbestand in § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG zu einer ähnlichen Vorverlagerung des Gefährdungsschutzes wie auch der Ausschlusstatbestand des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG im Rahmen der Einbürgerung.
9Dazu allgemein BVerwG, Beschluss vom 16. Juli 2003 ‑ 6 VR 10.02 ‑, juris, Rdn. 13 (Vereinsverbot); zu § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG: BVerwG, Beschluss vom 8. Juni 2011 ‑ 5 B 55.10 ‑, juris, Rdn. 3; Urteil vom 2. Dezember 2009 ‑ 5 C 24.08 ‑, BVerwGE 135, 302, juris, Rdn. 15, 18 (IGMG); Urteil vom 22. Februar 2007 ‑ 5 C 20.05 ‑, BVerwGE 128, 140, juris, Rdn. 19 f. (PKK-Selbsterklärung).
10In diesem herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab unterscheidet sich der Passversagungstatbestand in § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG ebenso wie der Ausschlusstatbestand des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG von Vereinsverboten sowie von Behauptungen in einem Verfassungsschutzbericht, für die keine Verringerung des Regelbeweismaßes der vollen richterlichen Überzeugungsgewissheit nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO eingreift. Bei diesen Maßnahmen ist eine Herabstufung des Wahrscheinlichkeitsmaßstabs insbesondere nicht wegen des sachtypischen Beweisnotstandes gerechtfertigt, in dem sich die handelnde Behörde befindet, weil der Verfassungsschutz seine Erkenntnisquellen und Arbeitsweisen schützen, Vertraulichkeitszusagen an Informanten einhalten muss und deshalb oftmals die Vorlage seiner Akten nach § 99 VwGO verweigert. Denn eine solche Beweisregel ist weder in § 99 VwGO noch an anderer Stelle der Verwaltungsgerichtsordnung vorgesehen.
11BVerwG, Urteil vom 21. Mai 2008 ‑ 6 C 13.07 ‑, BVerwGE 131, 171, juris, Rdn. 25, 29 (VS-Bericht BW 2001); Urteil vom 3. Dezember 2004 ‑ 6 C 10.02 ‑, NVwZ 2005, 1435, juris, Rdn. 16 (Vereinsverbot).
12Nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG erstreckt sich die Herabstufung des Wahrscheinlichkeitsmaßstabs auf die von dieser Vorschrift vorausgesetzte Gefährdung, nicht aber auch auf die einzelnen „bestimmten Tatsachen“ im Sinne dieses Eingriffstatbestandes. Für diese Indiztatsachen verbleibt es vielmehr bei dem Regelbeweismaß der vollen richterlichen Überzeugungsgewissheit nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Als ausschließlich auf diese Indiztatsachen bezogen versteht der Senat die Aussage der Vorinstanz, ein geheimhaltungsbedingter Beweisnotstand führe nicht zu einer Herabstufung des Regelbeweismaßes der vollen richterlichen Überzeugungsgewissheit nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO (Seite 9 unten des Beschlussabdrucks).
13Bei einer Passentziehung wegen befürchteter Ausreise zur Teilnahme am bewaffneten Jihad kommen als Anknüpfungstatsachen vor allem konkrete Äußerungen des Passinhabers und seine Einbindung in einen Personenkreis von gewaltbereiten Islamisten sowie deren bisherige Aktivitäten und politische Ziele in Betracht (z. B. Teilnahme an regelmäßigen Zusammenkünften, bei denen Koransuren mit zentralen Leitsätzen des militanten Jihad besprochen werden; Teilnahme an einem Ausbildungscamp für Terroristen im Ausland; missglückte Ausreiseversuche; Auffinden eines USB-Speichersticks mit demokratiefeindlichen digitalisierten Büchern; eigene Äußerungen des Passinhabers über einen konkret geplanten Grenzübertritt nach Syrien mit Sprengstoffübergabe).
14OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 7. März 2011 ‑ 5 S 22.10, 5 M 34.10 ‑, NVwZ-RR 2011, 500, juris, Rdn. 4, 6; VG Hamburg, Beschluss vom 23. November 2012 ‑ 2 E 2951/12 ‑, juris, Rdn. 18 ff.; VG Berlin, Urteil vom 6. März 2012, a. a. O., Rdn. 18; Urteil vom 6. März 2012 ‑ 23 K 58.10 ‑, juris, Rdn. 20; VG Braunschweig, a. a. O., Rdn. 20; OVG NRW, Beschluss vom 11. September 2013 ‑ 18 B 866/13 ‑ (Ausreiseverbot nach § 46 Abs. 2 AufenthG).
15Im Fall des Antragstellers hat die Antragsgegnerin derartige nach Zeit, Ort und Inhalt konkretisierte Anknüpfungstatsachen noch nicht einmal im Sinne einer bloßen Behauptung benannt. Sie stützt ihre Maßnahme vielmehr lediglich auf die allgemein formulierte Befürchtung, er plane „zeitnah“ nach Syrien auszureisen, um sich dort „mutmaßlich dem bewaffneten ‚Jihad‘ anzuschließen bzw. terroristische Gruppierungen zu unterstützen“. Diese Befürchtung wiederum stützt sie ausschließlich auf die Mitteilung des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) in seinem Behördenzeugnis vom 1. August 2013, ihm lägen „glaubhafte Informationen aus zuverlässigen Quellen“ vor, welche diese Befürchtung angeblich „belegen“. Hierin liegt keine auf Tatsachen gestützte positive Gefahrenprognose, sondern lediglich die Äußerung einer bloßen Vermutung, welche weder die Antragsgegnerin noch das BfV durch konkrete belegbare Tatsachen untermauert hat. Eine solche Vermutung genügt nicht, um eine konkrete Gefahrenprognose im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG zu stützen.
16Das Behördenzeugnis des BfV ist auch nicht schon selbst als eigenständige Anknüpfungstatsache zu werten, die eine Gefahrenprognose nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG rechtfertigen kann. Allein der Umstand, dass eine Verfassungsschutzbehörde eine bestimmte Gefahrenprognose anstellt, ist noch kein Indiz dafür, dass diese Gefahr tatsächlich besteht. Vielmehr unterliegt auch diese behördliche Gefahreinschätzung in vollem Umfang der gerichtlichen Überprüfung. Für die gerichtliche Überzeugungsbildung über das Vorliegen des Passversagungstatbestandes des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG können nur diejenigen Tatsachen ausschlaggebend sein, die der behördlichen Gefahreinschätzung zugrunde liegen. Ein Behördenzeugnis einer Verfassungsschutzbehörde, mit der diese ihre eigene Gefahrenprognose sowie gegebenenfalls die ihr zugrunde liegenden Feststellungen seiner Mitarbeiter oder Informanten wiedergibt, ist lediglich Erkenntnisquelle, also Beweismittel, nicht aber selbst Indiztatsache für die nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG erforderliche Gefahrenprognose.
17Vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Dezember 2004, a. a. O., Rdn. 16; VG Aachen, a. a. O., Rdn. 51, 55; VG Braunschweig, a. a. O., Rdn. 24.
18In diesem Sinn tragfähige Indiztatsachen benennt auch das BfV in seinem Behördenzeugnis vom 1. August 2013 nicht. Dessen Inhalt erschöpft sich in der oben bereits zitierten Verdachtsbehauptung, die in jeder Hinsicht pauschal ist und durch keinerlei bestimmte Tatsachen gestützt wird, die eine gerichtliche Überprüfung ermöglichen. Auf welche „Informationen“ von nicht genannten Quellen das BfV die genannte Verdachtsbehauptung stützt, ergibt sich weder aus dem Behördenzeugnis noch aus den Begleitinformationen, mit denen die Kriminalpolizei B. dieses der Antragsgegnerin übermittelt hat. Ebenso wenig lässt sich dem sonstigen Akteninhalt entnehmen, auf welche konkreten Indiztatsachen die Antragsgegnerin die von § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG vorausgesetzte Gefährdung sonstiger erheblicher Belange der Bundesrepublik Deutschland durch den Antragsteller stützt. Das gilt insbesondere auch für ihre nicht näher konkretisierte Behauptung in der Begründung zur angefochtenen Ordnungsverfügung, der Antragsteller besitze eine „radikalisierte Persönlichkeit“ und „fortgesetzte Kontakte in die islamistisch-jihadistische Szene“, weshalb „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen [sei], dass Sie versuchen werden, sich einer Haft durch Flucht zu entziehen“.
19Für eine solche bevorstehende oder beabsichtigte Inhaftierung des Antragstellers gibt es nach Aktenlage keinen Anhalt. Dem Senat drängt sich vielmehr der Eindruck auf, dass die Antragsgegnerin die genannten personenbezogenen Aspekte dem Muster einer Passentziehungsverfügung entnommen hat, welches die Kriminalpolizei B. ihr mit dem Behördenzeugnis zur Verfügung gestellt hat. Für den Fall des Antragstellers wären sie dann ohne realen Hintergrund. Folgerichtig hat auch das Amtsgericht B. die beantragte Anordnung der Wohnungsdurchsuchung mit der zutreffenden Begründung abgelehnt, der möglicherweise ernst zu nehmende Hintergrund entbinde die Ermittlungsbehörden nicht von ihrer rechtsstaatlichen Pflicht, die gesetzlichen Eingriffsvoraussetzungen zumindest ansatzweise im Sinne einer behördlichen Behauptung von Indiztatsachen zu konkretisieren (Beschluss vom 21. August 2013 ‑ 620 Gs 1184/13 ‑).
20Der Senat hat schon im Rahmen des vorliegenden Aussetzungsantrags nach § 80 Abs. 5 VwGO zu prüfen, ob die Passbehörde hinreichend konkrete Tatsachen für den nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG erforderlichen Gefahrenverdacht zumindest im Sinne einer Behauptung benannt und gegebenenfalls glaubhaft gemacht hat. Er teilt nicht die Rechtsauffassung der Vorinstanz und anderer erstinstanzlicher Verwaltungsgerichte, die eine Passentziehung in Eilverfahren schon allein im Hinblick auf die bloße Möglichkeit einer Offenlegung der maßgeblichen nachrichtendienstlichen Erkenntnisse im Rahmen einer Beweiserhebung im Hauptsacheverfahren bestätigt haben (S. 10 f. des Beschlussabdrucks).
21VG Aachen, Beschluss vom 14. April 2009 ‑ 8 L 164/09 ‑, NVwZ-RR 2009, 781, juris, Rdn. 28; VG Braunschweig, a. a. O., Rdn. 29 f.
22Vielmehr unterliegen auch behördliche Maßnahmen, welche auf nachrichtendienstliche Erkenntnisse zurückgehen, in einem Aussetzungsverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO der gerichtlichen Überprüfung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht, soweit dies mit den beschränkten Mitteln des Eilverfahrens möglich ist.
23Vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 16. Juli 2003, a. a. O., Rdn. 5 ff.
24Insbesondere ermöglicht auch das Eilverfahren dem Gericht die Prüfung, ob und mit welchem Wahrscheinlichkeitsgrad die behaupteten Indiztatsachen, ihren Nachweis im Hauptsacheverfahren für den Fall eines Bestreitens unterstellt, den Schluss auf die für § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG maßgebliche Haupttatsache zulassen (Ausreise- und Gefährdungsabsicht gerade des Antragstellers). Hierbei handelt es sich um eine tatsächliche Würdigung von Indiztatsachen, hinsichtlich derer sich das Eilverfahren nicht maßgeblich vom Hauptsacheverfahren unterscheidet.
25Abgesehen davon ist im vorliegenden Fall noch nicht einmal zu erwarten, das BfV werde die angefochtene Ordnungsverfügung im Hauptsacheverfahren wenigstens nachträglich mit den erforderlichen konkreten Indiztatsachen untermauern. Denn die Polizei hat mitgeteilt, dem Bundeskriminalamt lägen keine belastbaren Informationen vor, die eine Ausreise des Antragstellers erwarten ließen, trotz intensivster Bemühungen könne es keine weitergehenden Informationen im Sachzusammenhang mitteilen. Auch die Sicherheitskonferenz des Ministeriums für Inneres und Kommunales hat angegeben, es lägen keine freigegebenen Informationen vor; eine Freigabe sei bei der jeweiligen Behörde im Einzelfall zu beantragen. Schließlich hat das Ministerium für Inneres und Kommunales unter dem 27. Januar 2014 die Auskunft des BfV wiedergegeben, ihm lägen aktuell keine belastbaren Informationen vor, die eine Ausreise des Antragstellers aus dem Bundesgebiet erwarten ließen, es halte an dem Behördenzeugnis „mit dem damaligen Stand“ fest; die dahinter stehenden Informationen könnten jedoch nicht weiter offen gelegt werden als sie bereits im Behördenzeugnis formuliert seien.
26Mit der Anordnung an die Antragsgegnerin, den Reisepass zurückzugeben und die Ausschreibung des Antragstellers zur Fahndung löschen zu lassen, macht der Senat von seiner Befugnis nach § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO Gebrauch, die bereits erfolgte Vollziehung der Entziehungsverfügung rückgängig zu machen.
27Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
28Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.
29Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 66 Abs. 3 Satz 3, 68 Abs. 1 Satz 5 GKG).
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in beizutreibender Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Der Kläger ist am 2. Dezember 1991 in T. geboren. Die Beklagte stellte ihm am 16. Juli 2012 den Bundespersonalausweis Nr. , gültig bis zum 15. Juli 2018, sowie am 12. April 2013 den Reisepass Nr. , gültig bis zum 11. April 2019, aus.
3Unter dem 4. Dezember 2013 stellte das Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes NRW (MIK NRW) ein Behördenzeugnis aus, wonach dienstlich bekannt geworden sei, dass der Kläger beabsichtige, gemeinsam mit weiteren Personen aus dem Umfeld der verbotenen Vereinigung "Millatu Ibrahim" auszureisen, um sich am bewaffneten "Jihad" in Syrien zu beteiligen. Beamte der Bundespolizei kontrollierten ihn am selben Tag am Flughafen Köln/Bonn bei der grenzpolizeilichen Ausreisekontrolle des Fluges TK nach Istanbul. Der Kläger befand sich in Begleitung des T1. G. und des T2. C. . Die drei hatten ihr Flugticket erst am Abflugtag gekauft und führten lediglich Handgepäck mit sich. Auf der Grundlage des Behördenzeugnisses führten die Beamten eine Ausreisebefragung bei allen drei Personen durch. Diese gaben an, zu privaten Zwecken nach Istanbul reisen zu wollen; Angaben zu dortiger Unterkunft und Rückflug konnten sie nicht machen. In der Geldbörse des Klägers fand sich ein Zettel, auf dem handschriftlich notiert ist: "Nummer von Deutschland aus: ... Nummer von Türkei aus: ... Der Bruder heißt F. A. . Die Nummer haben wir von B. T3. . Wir wollen zum B. Anrufen vom Reisebus-Bahnhof (…) in Antep oder Anrufen vom Flughafen in Antep". Die Bundespolizei untersagte dem Kläger und seinen beiden Begleitern die Ausreise und stellte den Reisepass des Klägers sicher.
4Das Polizeipräsidium (PP) X. erstellte unter dem 6. Dezember 2013 einen Vermerk zur Person des Klägers. Darin stellt der Verfasser, KOK L. , fest, der ältere Bruder T4. des Klägers habe zu den Gründungsmitgliedern der verbotenen Vereinigung "Millatu Ibrahim" in T. gehört; der Kläger sei als regelmäßiger Besucher des Vereins bekannt. T4. K. sei Mitte 2012 aus Deutschland ausgereist. Die Deutsche Botschaft in Ankara habe am 24. Juli 2013 mitgeteilt, er sei nach Angaben türkischer Behörden am 19. Juli 2013 auf dem Hoheitsgebiet der Türkei festgenommen worden, weil er weder einen Pass noch sonstige Ausweisdokumente, sondern lediglich eine deutsche Einbürgerungsurkunde mit sich geführt habe. Er, KOK L. , habe T4. K. aufgrund verschiedener Haftbefehle bei der Einreise am Frankfurter Flughafen festgenommen. Dabei habe T4. K. freimütig angegeben, er und andere hätten sich "ganz nah an der Kriegsfront befunden". Beide Brüder hätten sich bei den salafistischen Ausschreitungen in T. am 1. Mai 2012 am Veranstaltungsort befunden. Weiter beteilige sich der Kläger auch an den aktuellen Koraninformationsständen und Videoproduktionen der salafistischen Bewegung "Tauhid Deutschland". Hierzu enthält der Vermerk zwei Bilder, auf denen der Kläger mit mehreren anderen Personen abgebildet ist, darunter jeweils T1. G. und T2. C. . Schließlich sei der Kläger in den letzten Wochen mehrfach als Begleit- und Kontaktperson des Predigers Hasan Keskin in Erscheinung getreten, der unter anderem während der Ausschreitungen am 1. Mai 2012 als aufhetzender Wortführer agiert habe.
5In den Vermerken zu den Begleitern des Klägers, T1. G. und T2. C. , ist gleichfalls ausgeführt, sie gehörten zum jugendlichen salafistischen Personenspektrum aus T. .
6Mit Ordnungsverfügung vom 19. Dezember 2013 entzog die Beklagte dem Kläger ohne vorherige Anhörung den Reisepass (Nr. 1) und beschränkte den Geltungsbereich seines Personalausweises auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (Nr. 2). Zur Begründung gab sie den Inhalt des Behördenzeugnisses wieder und führte an, die Teilnahme eines deutschen Staatsangehörigen am bewaffneten "Jihad" sei geeignet, in erheblichem Maße die auswärtigen Belange der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden. Es lägen schwerwiegende Anhaltspunkte dafür vor, dass er beabsichtige, die Bundesrepublik Deutschland zu verlassen, um sich im derzeitigen Krisengebiet Syrien am bewaffneten Kampf ("Jihad") zu beteiligen. In diesem Zusammenhang habe bereits die Abteilung Staatsschutz des PP X. ein Verfahren gegen ihn beantragt. Es werde keine Anhörung durchgeführt, da eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug notwendig erscheine. Die angeordneten Maßnahmen könnten nur Erfolg haben, wenn die Ausreise des Klägers sofort verhindert werde.
7Der Kläger hat am 9. Januar 2014 Klage erhoben und nach Einsicht in den Verwaltungsvorgang der Beklagten geltend gemacht, in der Begründung der angefochtenen Ordnungsverfügung fehle eine Darlegung hinreichend konkreter und belegbarer Anknüpfungstatsachen für die Gefahrenprognose der Beklagten. Das Behördenzeugnis des MIK NRW sei keine solche Tatsache. Die erforderlichen Anknüpfungstatsachen unterlägen auch den allgemeinen Beweisregeln, Beweiserleichterungen stünden der Behörde insoweit nicht zu. Die angegriffene Verfügung sei im Hinblick auf die Gefahr begründenden Tatsachen nicht hinreichend bestimmt. Er, der Kläger, weise die Behauptung, zum salafistischen Personenspektrum aus T. zu zählen, mit Entschiedenheit zurück. Von dort habe er sich bereits seit langer Zeit zurückgezogen. Er besuche andere Moscheen, pflege andere Kontakte, habe eine Freundin und arbeite ganz normal 8 Stunden täglich. Von seinem Bruder, der allerdings in der einschlägigen Szene in T. verankert sei, lasse er sich nicht beeinflussen. Im Zusammenhang mit den Ausschreitungen am 1. Mai 2012 in T. habe er sich früh vom Veranstaltungsort entfernt und sei im später eingeleiteten Strafverfahren freigesprochen worden. Auf dem Zettel, den er bei sich gehabt habe, stünden Telefonnummern von in der Türkei humanitär tätigen zum Teil syrischen Organisationen, keinesfalls aber handele es sich um irgendwelche Kontaktleute oder Schleuser für einen Transitweg. Sein Bruder habe ihm den Zettel mitgegeben, damit er in Istanbul Kontakt zu humanitär tätigen Organisationen für die Hilfe nach Syrien aufnehme. Mit dem im - ohnehin offensichtlich auf Anlass gefertigten und daher unverwertbaren - Bericht vom 11. August 2014 erwähnten V. B1. habe er zwar in der L1. Straße in T. gewohnt. Zu dessen Ausreise sei ihm aber nichts bekannt gewesen. Überdies habe er Kontakt mit einer Mitarbeiterin eines Aussteigerprogramms aufgenommen und einen ersten Besprechungstermin vereinbart.
8Der Kläger hat beantragt,
9die Ordnungsverfügung der Beklagten vom 19. Dezember 2013 aufzuheben.
10Die Beklagte hat beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Sie hat ergänzend auf den Vermerk des PP X. vom 6. Dezember 2013 Bezug genommen und darauf hingewiesen, dass der Kläger danach regelmäßiger Besucher und Vorstandsmitglied des verbotenen Vereins "Millatu Ibrahim" gewesen sei, sich bei den Ausschreitungen am 1. Mai 2012 am Tatort befunden habe, im Zusammenhang mit den Koraninformationsständen aufgetreten sei und sich mehrfach in Begleitung von Hasan Keskin aufgehalten habe. Gegen die Annahme einer Ausreiseabsicht zu touristischen Zwecken spreche die bei ihm gefundene Telefonliste. Ferner hat die Beklagte einen ergänzenden Bericht des PP X. vom 11. August 2014 vorgelegt, wonach der Kläger zuletzt mit V. B1. in der L1. Straße in T. zusammengewohnt habe. B1. sei trotz eigener Ausreiseuntersagung im Juni 2014 zunächst über Wien vermutlich nach Syrien ausgereist. Mit S. C1. , E. K1. und C2. L2. seien drei der Terrorkrieger aus T. bereits in Syrien gestorben. Auch T5. L3. sei ehemaliger Weggefährte des Klägers und seines Bruders gewesen. Er gebe im Internet ganz offen an, für den Islamischen Staat zu kämpfen. Zweifelhaft sei die Glaubhaftigkeit der Angabe des Klägers, in einem Aussteigerprogramm zu sein. Auch in der Vergangenheit habe er stets geleugnet, Angehöriger der Szene zu sein, auch wenn hierfür offenkundige Befunde vorgelegen hätten.
13Mit dem angefochtenen Urteil hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Kläger sei zusammen mit seinem Bruder öfter auf Veranstaltungen einer wegen dort gehaltener Predigten jihadistischen Inhaltes inzwischen verbotenen Vereinigung gewesen. Auch wegen seiner Eigenschaft als deren Vorstandsmitglied dürfe angenommen werden, er stehe auch inhaltlich hinter den Zielen der von ihm repräsentierten Organisation. Als weitere Indizien für die Absicht des Klägers, zur Teilnahme am "Jihad" auszureisen, führte das Verwaltungsgericht seine Beteiligung an Informationsständen und Videoproduktionen der salafistischen Bewegung "Tauhid", sein Auftreten als Kontakt- und Begleitperson des Predigers Keskin, das Aufgreifen seines Bruders Mitte 2013 in der Türkei sowie den Besitz des Zettels mit Telefonnummern bei seiner unterbundenen Ausreise in die Türkei an.
14Gegen das am 19. September 2014 zugestellte Urteil hat der Kläger am Montag, dem 20. Oktober 2014 die vom Verwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Berufung eingelegt. Zu ihrer Begründung macht er im Wesentlichen geltend: Dass er beabsichtigt habe, zur Teilnahme am "militanten Jihad" nach Syrien auszureisen, sei durch nichts belegt. Er würde sich niemals einer Terrorgruppe wie der ISIS anschließen. Konkrete und belegbare Anknüpfungstatsachen der für die Gefahrenprognose darlegungs- und beweispflichtigen Behörde fehlten. Die Beklagte verweise in dem Bescheid lediglich generell auf Kenntnisse von Sicherheitsbehörden. Dies sei nicht geeignet, die angegriffenen Maßnahmen zu begründen. Die Mitteilung des Ministeriums für Inneres und Kommunales vom 19. Dezember 2013 sei unerheblich, weil es nach der Gesetzeslage auf Tatsachen ankomme, nicht auf die behördliche Einschätzung oder Bewertung von Tatsachen. Auch "die Bezugnahme auf die Einschätzung des Bundesministeriums vom 14.06.2012" sei nicht ausreichend. Zudem gebe es eine Vielzahl von Gruppierungen, die gegen das Assad-Regime kämpften. Diese würden zum Teil von den USA unterstützt. Auch erhalte die ISIS oder IS Unterstützung durch Staaten wie die Türkei oder Qatar, zumindest aber durch in diesen Ländern tätige private Geschäftsleute, die ihrerseits Kontakte zu den USA unterhielten. Daher sei nicht zu erkennen, inwieweit ausgerechnet durch ihn, den Kläger, erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet würden.
15Der Kläger beantragt sinngemäß,
16das angefochtene Urteil zu ändern und nach dem erstinstanzlichen Klageantrag zu erkennen.
17Die Beklagte beantragt,
18die Berufung zurückzuweisen.
19Sie verweist auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts sowie des Senats im Beschluss vom 16. April 2014 - 19 B 59/14 - und übermittelt die telefonische Auskunft der für das Aussteigerprogramm zuständigen Sachbearbeiterin beim MIK NRW, dass sich der Kläger auf mehrfache telefonische und zuletzt schriftliche Kontaktversuche nicht gemeldet habe.
20Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten dieses Verfahrens und der Verfahren 24 L 37/14 und 24 L 1849/14 - VG Düsseldorf -, des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Beklagten sowie der Akten zum Verfahren 80 Js 1120/13 (StA Düsseldorf) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
21Die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung des Klägers ist zulässig, aber unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klage ist als Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 VwGO zulässig, aber unbegründet. Die Ordnungsverfügung der Beklagten vom 19. Dezember 2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die in deren Nr. 1 verfügte Passentziehung findet ihre Rechtsgrundlage in § 8 PassG. Danach kann ein Pass dem Inhaber entzogen werden, wenn Tatsachen bekanntwerden, die nach § 7 Abs. 1 PassG die Passversagung rechtfertigen würden. § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG setzt tatbestandlich voraus, dass bestimmte Tatsachen die Annahme begründen, dass der Passinhaber die innere oder äußere Sicherheit oder sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet. Die in Nr. 2 der angefochtenen Ordnungsverfügung angeordnete Ausweisbeschränkung hat die Beklagte zu Recht auf § 6 Abs. 7 PAuswG gestützt, der diese Maßnahme ebenfalls an das Vorliegen eines Passversagungsgrundes nach § 7 Abs. 1 PassG knüpft.
22Am Maßstab dieser beiden Ermächtigungsgrundlagen ist die angefochtene Ordnungsverfügung materiell rechtmäßig (A.). Auch Verfahrensfehler rechtfertigen nicht ihre Aufhebung (B.).
23A. In materiell-rechtlicher Hinsicht hat die Beklagte die beiden genannten Maßnahmen ausschließlich auf die 3. Variante des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG gestützt (Gefährdung sonstiger erheblicher Belange der Bundesrepublik Deutschland). Diesen Passversagungsgrund hat sie sinngemäß in Bezug genommen, indem sie zur Begründung ausgeführt hat, die Teilnahme eines deutschen Staatsangehörigen am bewaffneten "Jihad" sei geeignet, in erheblichem Maße die auswärtigen Belange der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden.
24Die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Nr. 1 Variante 3 sind erfüllt. Für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung maßgeblich. Denn sowohl bei der Entziehung des Reisepasses als auch bei der räumlichen Beschränkung des Geltungsbereichs des Personalausweises handelt es sich um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung. Dauerverwaltungsakte sind solche Verfügungen, die einen fortwährenden Regelungsgehalt haben, und deren Rechtsgrundlage verlangt, dass ihre tatbestandlichen Voraussetzungen während des gesamten Wirkungszeitraums der Regelung vorliegen.
25Wolff in Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Auflage 2014, § 113 Rn. 116 mit weiteren Nachweisen.
26Dies ist hier der Fall. Sowohl die Passentziehung als auch die räumliche Beschränkung des Geltungsbereichs des Personalausweises erschöpfen sich nicht in einer einmaligen Anordnung, sondern entfalten dauerhafte Wirkung für den Betroffenen.
27Vgl. VG Berlin, Urteil vom 6. März 2012 - 23 K 59/10 -, juris Rdn. 15.
28Im Streitfall sind Tatsachen bekannt geworden, die die Annahme begründen, dass der Kläger sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet. In der Ausreise eines Deutschen zum Zweck der Unterstützung des militanten "Jihad" liegt eine Gefährdung sonstiger erheblicher Belange der Bundesrepublik Deutschland im Sinne der 3. Variante des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG (I.). Im Streitfall begründen Tatsachen die Annahme, dass der Kläger in solcher Absicht nach Syrien ausreisen wollte und noch will (II.).
29I. Die Ausreise eines Deutschen zum Zweck der Unterstützung des militanten "Jihad" begründet eine Gefährdung sonstiger erheblicher Belange der Bundesrepublik Deutschland im Sinne der 3. Variante des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG. Der Begriff "sonstige erhebliche Belange" ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, dessen Vorliegen der Senat in vollem Umfang nachzuprüfen hat. Er erfasst Tatbestände, die in ihrer Erheblichkeit den beiden anderen Tatbestandsvarianten (innere und äußere Sicherheit) nahekommen. Sie müssen so gewichtig sein, dass die Passbehörde sie aus zwingenden staatspolitischen Gründen der freiheitlichen Entwicklung in der Bundesrepublik voranstellen muss. Das ergibt sich aus dem Zusammenhang der drei Tatbestandsvarianten des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG. Der Passinhaber gefährdet sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland insbesondere, wenn bestimmte Tatsachen die Prognose rechtfertigen, er werde sich im Ausland an Gewalttätigkeiten beteiligen, die geeignet sind, die auswärtigen Beziehungen oder unter besonderen Umständen auch das internationale Ansehen der Bundesrepublik zu schädigen.
30BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2007 - 6 C 39.06 -, BVerwGE 129, 142 = juris Rdn. 28; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 7. Dezember 2004 - 1 S 2218/03 -, VBlBW 2005, 231 = juris Rdn. 21; OVG NRW, Beschluss vom 16. April 2014 - 19 B 59/14 -, NVwZ-RR 2014, 593 = juris Rdn. 3.
31Die Beteiligung am militanten "Jihad" ist geeignet, die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik zu schädigen. Terroranschläge des militanten "Jihad", an denen deutsche Staatsangehörige mitwirken, tangieren massiv die Sicherheitsinteressen der davon betroffenen Länder sowie der internationalen Staatengemeinschaft und sind geeignet, die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik nachhaltig zu beeinträchtigen.
32Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16. April 2014 - 19 B 59/14 -, NVwZ-RR 2014, 593 = juris Rdn. 3; VG Arnsberg, Urteil vom 23. Januar 2015 - 12 K 2036/13 -, juris Rdn. 32; VG Münster, Beschluss vom 27. Juni 2014 - 1 L 328/14 -, juris Rdn. 9; VG Hamburg, Beschluss vom 23. November 2012 - 2 E 2951/12 -, juris Rdn. 14; VG Berlin, Urteil vom 6. März 2012 - 23 K 59.10 -, juris Rdn. 18; VG Braunschweig, Beschluss vom 27. Oktober 2011 - 5 B 164/11 -, juris Rdn. 21; VG Frankfurt a.M., Beschluss vom 30. November 2009 - 5 L 3142/09.F -, juris; VG Aachen, Urteil vom 26. August 2009 - 8 K 637/09 -, juris Rdn. 45; abweichend Daum, Anforderungen an Ausreisebeschränkungen von Islamisten, DÖV 2014, 526 (531).
33Dies unterstreicht der Umstand, dass der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen mit der am 24. September 2014 verabschiedeten Resolution 2178 (2014) die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, Personen, die im Ausland terroristische Taten begehen wollen, an der Einreise, dem Transit und der Ausreise zu hindern und entsprechende Taten unter Strafe zu stellen. Dabei werden sämtliche Vorbereitungs‑, Unterstützungs- und Finanzierungshandlungen erfasst.
34Vgl. Payandeh, Globale Anti-Terrorgesetzgebung: Die deutsche Rechtsordnung im Sog des UN-Sicherheitsrats?, ZRP 2014, 241 (242).
35Zudem gibt eine Vielzahl der militanten Kämpfer seine Herkunft und seine Staats-angehörigkeit in Videobotschaften in den sozialen Netzwerken öffentlich bekannt und kokettiert nicht selten sogar damit, Bürger eines westlichen Staates zu sein, den dieser Staat eingebürgert hat.
36II. Es sind Tatsachen bekannt geworden, die die Annahme begründen, dass der Kläger zum Zwecke der Unterstützung des "Jihad" nach Syrien ausreisen wollte und noch will.
37Der Passversagungstatbestand in § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG setzt voraus, dass konkrete Tatsachen vorliegen, die die Begründetheit der behördlichen Gefahreneinschätzung nachvollziehbar rechtfertigen. Hinsichtlich dieser Gefahreneinschätzung erfordert § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG keine eindeutigen Beweise; es reicht aus, wenn der begründete Verdacht einer Gefährdung der Belange der Bundesrepublik Deutschland besteht. Eine bloße Möglichkeit, eine reine Vermutung oder ein durch konkrete Tatsachen nicht belegbarer Verdacht genügen hingegen nicht, um eine konkrete Gefährdungslage im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG zu begründen. Diese Herabstufung des anzulegenden Wahrscheinlichkeitsmaßstabs in Bezug auf die vorausgesetzte Gefährdung ergibt sich aus dem Wortlaut des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG, der lediglich verlangt, dass Tatsachen "die Annahme" einer Gefährdung im Sinne der Nr. 1 begründen, ohne dass die Gefährdung selbst vorliegen muss.
38Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT- Drs. 14/2726 vom 18. Februar 2000, S. 6; OVG NRW, Beschluss vom 16. April 2014 - 19 B 59/14 -, NVwZ-RR 2014, 593 = juris Rdn. 5 ff.; VG Berlin, Urteil vom 6. März 2012 - 23 K 59.10 -, juris Rdn. 18; VG Braunschweig, Beschluss vom 27. Oktober 2011 - 5 B 164/11 -, juris Rdn. 22; VG Aachen, Urteil vom 26. August 2009 - 8 K 637/09 -, juris Rdn. 46; entsprechend zur Passentziehung wegen Steuerflucht nach § 7 Abs. 1 Nr. 4 PassG OVG Bremen, Beschluss vom 25. Januar 2013
39- 1 B 297/12 -, NordÖR 2013, 217 = juris Rdn. 5.
40Insofern führt der Passversagungstatbestand in § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG zu einer ähnlichen Vorverlagerung des Gefährdungsschutzes wie auch der Ausschlusstatbestand des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG im Rahmen der Einbürgerung.
41Dazu allgemein BVerwG, Beschluss vom 16. Juli 2003 - 6 VR 10.02 -, juris Rdn. 13; zu § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG etwa BVerwG, Beschluss vom 8. Juni 2011 - 5 B 55.10 -, juris Rdn. 3.
42Die Herabstufung des Wahrscheinlichkeitsmaßstabs nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG erstreckt sich auf die von dieser Vorschrift vorausgesetzte Gefährdung, nicht aber auch auf die einzelnen "bestimmten Tatsachen" im Sinne dieses Eingriffstatbestandes. Diese Anknüpfungstatsachen für die Gefahrenprognose müssen nach Zeit, Ort und Inhalt so konkret gefasst sein, dass sie einer Überprüfung im gerichtlichen Verfahren zugänglich sind; für sie verbleibt es bei dem Regelbeweismaß der vollen richterlichen Überzeugungsgewissheit nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
43OVG NRW, Beschluss vom 16. April 2014 - 19 B 59/14 -, NVwZ-RR 2014, 593 = juris Rdn. 11.
44Bei einer Passentziehung wegen befürchteter Ausreise zur Teilnahme am bewaffneten "Jihad" kommen ebenso wie bei der Beschränkung des Geltungsbereichs des Personalausweises als Anknüpfungstatsachen vor allem konkrete Äußerungen des Passinhabers und seine Einbindung in einen Personenkreis von gewaltbereiten Islamisten sowie deren bisherige Aktivitäten und politische Ziele in Betracht (z. B. Teilnahme an regelmäßigen Zusammenkünften oder an einem Ausbildungscamp für Terroristen; Auffinden von Notizzetteln mit Rufnummern oder Anschriften).
45OVG NRW, Beschluss vom 16. April 2014 - 19 B 59/14 -, NVwZ-RR 2014, 593 = juris Rdn. 12; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 7. März 2011 - 5 S 22.10, 5 M 34.10 -, juris, Rdn. 4, 6; VG Münster, Beschluss vom 27. Juni 2014 - 1 L 328/14 -, juris Rdn. 7; VG Hamburg, Beschluss vom 23. November 2012 - 2 E 2951/12 -, juris Rdn. 18 ff.; VG Berlin, Urteile vom 6. März 2012 - 23 K 59.10 -, juris Rdn. 18, und - 23 K 58.10 -, juris, Rdn. 20; VG Braunschweig, Beschluss vom 27. Oktober 2011 - 5 B 164/11 -, juris Rdn. 20; OVG NRW, Beschluss vom 11. September 2013 - 18 B 866/13 -, juris Rdn. 11 (Ausreiseverbot nach § 46 Abs. 2 AufenthG); Daum, a. a. O., S. 529.
46Dabei ist es nicht erforderlich, dass das Reiseziel, die Art und Weise der Beteiligung am "Jihad" und die Rückkehrabsicht des Verfügungsadressaten jeweils konkret bezeichnet werden können. Angesichts des erheblichen Gewichts der Gefährdung kann insoweit auf allgemeine Erkenntnisse zur Unterstützung des bewaffneten "Jihad" zurückgegriffen werden. Hierzu ist dem Verfassungsschutzbericht 2013 unter anderem zu entnehmen, die Grenzen zwischen politischen und "jihadistischen" Salafisten seien fließend. Bis Anfang 2014 hätten Erkenntnisse zu mehr als 270 deutschen Islamisten bzw. Islamisten aus Deutschland vorgelegen, die in Richtung Syrien ausgereist seien, um sich an den Kampfhandlungen zu beteiligen oder den Widerstand gegen das Assad-Regime in sonstiger Weise zu unterstützen - ein Trend, dessen Ende nicht abzusehen sei. Wenngleich aus den meisten Bundesländern Personen nach Syrien ausgereist seien, sei eine Schwerpunktbildung insbesondere dort zu erkennen, wo - wie in T. - über Jahre eine aktive islamistische Szene existiere. In vielen Fällen bleibe das tatsächliche Ziel der Ausreisen unklar.
47Dies zugrunde gelegt begründen im Fall des Klägers bestimmte Tatsachen im Sinne der 3. Variante des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG die Annahme, dass er sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, nämlich deren auswärtige Beziehungen. Die Beklagte hat ihre behördliche Gefahreneinschätzung, der Kläger wolle zum Zweck der Beteiligung am bewaffneten Jihad im Bürgerkrieg in Syrien ausreisen, auf konkrete Tatsachen gestützt, die die Begründetheit dieser Prognose nachvollziehbar rechtfertigen. Als Anknüpfungstatsachen für diese Prognose hat sie unter anderem angeführt,
48 der Kläger sei bis zu dessen Verbot im Juni 2012 regelmäßiger Besucher des Moscheevereins "Millatu Ibrahim e. V." in T. gewesen (1.),
49 habe sich bei den salafistischen Ausschreitungen in T. am 1. Mai 2012 am Veranstaltungsort befunden (2.),
50 habe sich an den sog. Koraninformationsständen und an Freizeitaktivitäten der salafistischen Szene Solingens beteiligt (3.), und
51 sei in den letzten Wochen vor seinem Ausreiseversuch mehrfach als Begleit- und Kontaktperson des islamistischen Predigers Hassan Keskin in Erscheinung getreten (4.).
52Diese Indiztatsachen lassen jedenfalls in ihrer Gesamtheit den von den Sicherheitsbehörden und der Beklagten gezogenen Prognoseschluss zu, der Kläger habe zum Zweck der Teilnahme am bewaffneten "Jihad" ausreisen wollen und plane dies auch weiterhin.
53Zunächst liegen Tatsachen vor, die die Annahme der Ausreiseabsicht des Klägers Richtung Syrien begründen. Es steht fest, dass der Kläger am 4. Dezember 2013 am Flughafen Köln-Bonn durch die Grenzpolizei daran gehindert worden ist, nach Istanbul auszureisen. Er war dabei in Begleitung zweier Personen - T1. G. und T2. C. -, für die ebenfalls Anhaltspunkte für ihre Einbindung in das Umfeld der verbotenen Vereinigung "Millatu Ibrahim" bestehen. Der Annahme, die Reise habe touristischen Zwecken gedient, standen deren Umstände entgegen: Der Kläger und seine Begleiter hatten das Flugticket erst am gleichen Tag erworben; sie führten jeweils lediglich Handgepäck mit sich; Angaben dazu, wo sich aufhalten und wie sie zurückreisen wollten, machten sie nicht. Die Notizen auf dem Zettel, den der Kläger bei sich trug, lassen darauf schließen, dass die Reise in die nahe der türkisch-syrischen Grenze gelegenen Stadt Gaziantep (kurz Antep) weitergehen sollte; denn auf dem Zettel ist neben Namen des oder der Ansprechpartner und einer Telefonnummer notiert: "Anrufen vom Reisebus-Bahnhof (…) in Antep oder Anrufen vom Flughafen in Antep" . Angemerkt sei wegen der Beanstandungen des Klägers, die Notiz nicht zur Kenntnis bekommen zu haben, dass sich die Kopie jenes Zettels bei den Verwaltungsvorgängen befindet, in die der Prozessbevollmächtigte des Klägers Einsicht genommen hat.
54Das Vorbringen des Klägers in der mündlichen Verhandlung, er habe in Istanbul Verwandte besuchen wollen, den Zettel mit den Telefonnummern habe er von seinem Bruder bekommen, um ihn seinen Begleitern zu geben, und/oder er habe über die Telefonnummern in Kontakt zu in der Türkei tätigen Organisationen für humanitäre Hilfe in Syrien treten wollen, auch seine Begleiter habe er auf Wunsch seines Bruders mitgenommen und ebenfalls auf deren Wunsch erst nur ein Hinflugticket gekauft, ist insgesamt ungereimt und nicht glaubhaft. Weder ist nachvollziehbar, warum der Kläger nur mit Handgepäck zu Verwandten gereist sein will, noch, warum es nötig gewesen sein sollte, dass er seine Begleiter mitnimmt, noch, warum er - wirtschaftlich unvernünftigerweise - deren Wunsch entsprochen und nur ein Hinflugticket gekauft haben sollte, noch, warum er diese Verwandten zuvor niemals erwähnt und insbesondere bei der Ausreisekontrolle nicht genannt hat. Sein Vorbringen zu dem Zettel mit den Telefonnummern ist schon nicht einheitlich.
55Eine Reihe von Tatsachen belegt darüber hinaus die Einbindung des Klägers in einen Personenkreis von mit dem "Jihad" sympathisierenden Islamisten jedenfalls bis ins Jahr 2013 hinein. Diese Einbindung lässt darauf schließen, dass Zweck der Ausreise die Unterstützung des "Jihad" in Syrien war und weiterhin wäre.
561. Ein gewichtiges Indiz hierfür bildet der Umstand, dass der Kläger bis zu dessen Verbot im Juni 2012 regelmäßiger Besucher des Vereins "Millatu Ibrahim e. V." ("Religion Abrahams") in T. war, der im Jahre 2012 durch das Bundesministerium des Innern wegen Bestrebungen gegen die verfassungsmäßige Ordnung sowie den Gedanken der Völkerverständigung verboten worden ist (vgl. Bundesamt für Verfassungsschutz, Verfassungsschutzbericht 2012, S. 236). Dies steht zur Überzeugung des Senats fest, zumal der Kläger die Tatsache nicht dezidiert bestritten hat. Er stellt lediglich pauschal eine "Verbindung zum salafistischen Personenspektrum" in T. in Abrede ("wird mit aller Entschiedenheit zurückgewiesen"), räumt diese aber für die Vergangenheit sogar indirekt ein, wenn er geltend macht, er habe sich "bereits seit langer Zeit von dort zurückgezogen". Diese vagen Formulierungen entkräften die vorgenannte Indiztatsache nicht, weil sie Zeitpunkt, Beweggründe, nähere Umstände und vor allem die Art des angeblichen "Zurückziehens" offen lassen. Die Behauptung des Klägers, er besuche "andere Moscheen" und pflege "andere Kontakte", ist ohne Substanz geblieben; der Kläger hat weder andere Moscheen noch Kontakte benannt.
572. Bei den salafistischen Ausschreitungen am 1. Mai 2012 in T. , bei denen Islamisten gegen das Zeigen der Mohammed-Karikaturen durch die Bürgerbewegung "Pro NRW" protestierten und in darauf folgenden Krawallen Polizisten verletzten, befand der Kläger sich am Veranstaltungsort. Auch diesen Umstand hat er mit dem Vorbringen eingeräumt, am 1. Mai 2012 habe er sich frühzeitig vom Ort der Ausschreitungen entfernt.
583. Der Kläger ist überdies wie sein Bruder im Zusammenhang mit der mittlerweile ebenfalls verbotenen Vereinigung "Tauhid Deutschland" sowie als Teilnehmer an Freizeitaktivitäten der salafistischen Szene in Erscheinung getreten. Im Bericht des Polizeipräsidiums X. vom 6. Dezember 2013 finden sich ein Foto und ein Screenshot, die den Kläger in einem Kreis von ersichtlich Gleichgesinnten an einem Koraninformationsstand der salafistischen Vereinigung "Tauhid" und als Beteiligten an deren Videoproduktion zeigen. Unter der Bezeichnung "Tauhid Germany" (zeitweise auch "Tauhid Deutschland") firmierte eine Gruppe, die sich zur Verbreitung salafistischer Propaganda im Internet zusammengeschlossen hatte (Verfassungsschutzbericht NRW 2013, S. 272). Sie verfügte neben einer eigenen Webseite über Online-Auftritte bei Facebook und YouTube, wo sich neben Predigten in deutscher Sprache Beiträge von arabischsprachigen Gelehrten fanden, die der salafistischen Szene als Vorbild dienten. Viele der bei "Tauhid Germany" eingestellten Videos und Postings ließen starke Bezüge zum Jihadismus erkennen, indem sie etwa den gewaltsamen "Jihad" verherrlichten und zum Hass gegen "Ungläubige" aufriefen. Das Bundesinnenministerium hat die Vereinigung "Tauhid Germany" am 26. März 2015 verboten mit der Begründung, die Vereinigung rufe über das Internet und mit Informationsständen Muslime "zum Kampf gegen die verfassungsmäßige Ordnung" auf und glorifiziere den gewaltsamen "Jihad" von Gruppen wie dem Islamischen Staat (IS) in Syrien und im Irak.
59Die bei den Verwaltungsvorgängen befindliche Abbildung aus dem Screenshot (wohl vom November 2013), die auch den Kläger zeigt, ist überschrieben mit "B. Ibrahim und ein paar Brüder nach den Dreharbeiten zu den Video zur Unterstützung von Ansarul Asser". Mit "Ansarul Asser" ist offensichtlich die entsprechende Webseite der deutschen Islamisten-Szene zur Unterstützung inhaftierter Islamisten gemeint (ansarul-aseer.com; vgl. Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen, Verfassungsschutzbericht 2013, S. 272 f.), mit "Abu Ibrahim" Hasdan (Hassan) Keskin, ein wegen der Schärfe seiner Predigten kritisierter, strafgerichtlich verurteilter und vom Verfassungsschutz beobachteter islamistischer Prediger.
60Hierzu hat der Kläger sich dahin eingelassen, auf dem Foto sowie dem Screenshot unterscheide er sich nach Kleidung und Habitus von den übrigen Abgebildeten. Die Beeinflussungen seines Bruders sowie anderer Bekannter aus der salafistischen Szene wehre er ab. Der Umstand, dass der Kläger auf dem Foto und auf dem Screenshot jeweils der einzige von fünf Abgebildeten ist, der keinen Bart trägt - hierauf will der Kläger möglicherweise hinaus -, schmälert jedoch den im Übrigen zu gewinnenden Eindruck nicht durchgreifend, dass es sich um Gleichgesinnte handelt; neben der Bildüberschrift spricht hierfür etwa, dass der Kläger die gleiche Geste wie jeweils ein Teil der Abgebildeten zeigt, nämlich den erhobenen Zeigefinger. Seine Behauptung, er unterscheide sich auf den Abbildungen auch nach seiner Kleidung von den übrigen Abgebildeten, hat der Kläger weder näher erläutert noch ist sie sonst nachvollziehbar.
614. Der Kläger hat schließlich nicht in Abrede gestellt, dass er als Begleit- und Kontaktperson des vorerwähnten Predigers Hassan Keskin in Erscheinung getreten ist.
62Der Kläger hat das Gewicht dieser seine Einbindung in die salafistische Szene Solingens belegenden Anhaltspunkte nicht entkräftet. Es ist nicht anzunehmen, dass er sich tatsächlich vollständig aus diesen Zusammenhängen gelöst hat. Hierfür genügt es nicht, dass er sich mit einer Mitarbeiterin eines Aussteiger-programms in Verbindung gesetzt hat. Denn nach der Auskunft der für das Aussteigerprogramm zuständigen Sachbearbeiterin beim MIK NRW vom 30. Oktober 2014 hat der Kläger sich auf mehrfache telefonische und zuletzt schriftliche Kontaktversuche nicht mehr gemeldet; man werde ihm mitteilen, dass man nicht mehr mit seinem Interesse an dem Programm rechne. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass er seine Teilnahme an dem Programm abgebrochen hat.
63Auch der Umstand, dass der Kläger, wie er behauptet, in einem festen Arbeitsverhältnis steht, reicht nicht aus. Abgesehen davon, dass er es insoweit an jeder näheren Angabe hat fehlen lassen, ist anzunehmen, dass er seine bis Ende 2013 innegehabte Arbeitsstelle aufgegeben hat, als er im Dezember 2013 nach Syrien auszureisen versucht hat. Denn in den Auszügen zum Girokonto Nr. … bei der T6. T. sind für die Zeit bis November 2013 Lohnzahlungen des Unternehmens H. H1. T. belegt, für die Zeit ab Januar 2014 jedoch solche der L4. Q. T7. Das lässt darauf schließen, dass den Kläger allein das Innehaben einer Arbeitsstelle von der Ausreise nicht abhält.
64Endlich rechtfertigt es keine abweichende Beurteilung, dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung weniger den Eindruck eines fanatischen Islamisten, sondern eher den eines leicht beeinflussbaren Mitläufers hinterlassen oder zumindest zu hinterlassen versucht hat. Denn auch dann verbleibt der Befund, dass er sich dem Einfluss insbesondere seines fest in der salafistischen Szene verankerten älteren Bruders nur unzureichend entziehen kann und von diesem namentlich zur Unterstützung des "Jihad" - einschließlich der Ausreise zu diesem Zweck - zu verleiten ist.
65Angesichts dessen kann auf sich beruhen, ob die von der Beklagten herangezogenen Anknüpfungstatsachen auch im Sinne der 1. Variante des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG die Annahme begründen, der Kläger gefährde die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland,
66vgl. hierzu VG Münster, Beschluss vom 27. Juni 2014 - 1 L 328/14 -, juris, Rdn. 11; VG Frankfurt a.M., Beschluss vom 30. November 2009 - 5 L 3142/09.F -, juris.
67oder die Passversagungsgründe in § 7 Abs. 1 Nr. 6 PassG (unbefugtes Verpflichten zum Wehrdienst außerhalb der Bundeswehr) oder in § 7 Abs. 1 Nr. 10 PassG erfüllen (Vornahme einer in § 89a StGB beschriebenen Handlung).
68Vgl. Daum, a.a.O., S. 531 ff.
69II. Ermessensfehler liegen nicht vor. Die Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 PassG, wonach von einer Passversagung abzusehen ist, wenn sie unverhältnismäßig ist, insbesondere wenn es genügt, den Geltungsbereich oder die Gültigkeitsdauer des Passes zu beschränken, sind nicht erfüllt. Die Maßnahme ist geeignet, erforderlich und auch angemessen, die nach dem oben Ausgeführten weiterhin gegebene Gefahr einer Teilnahme des Klägers am bewaffneten "Jihad" im Ausland zumindest zu verringern. Mildere Mittel mit gleicher Eignung zur Zielerreichung sind nicht ersichtlich. Insbesondere scheidet angesichts der Unbestimmtheit der konkreten Unterstützungshandlungen und der Vielzahl der Reisemöglichkeiten eine Beschränkung des Geltungsbereichs des Passes auf bestimmte Länder aus. Da derzeit keine hinreichenden Erkenntnisse dafür vorliegen, dass die Ausreiseabsicht des Klägers zeitlich begrenzt wäre, führt auch die mangelnde Befristung nicht zur Unverhältnismäßigkeit der Maßnahmen. Die Behörde hat überdies den Fall unter Kontrolle zu halten, da den Verwaltungsakten Dauerwirkung zukommt. Gemäß § 7 Abs. 2 Satz 3 PassG wird auf Antrag ein neuer Pass ausgestellt, soweit die Voraussetzungen für die Beschränkung fortfallen.
70Der Senat verkennt nicht, dass die Entziehung des Passes für den Kläger einen erheblichen Eingriff in seine grundgesetzlich geschützte Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG darstellt. Dieser Eingriff ist jedoch angesichts der Schwere des hier zu schützenden Rechtsguts gerechtfertigt. Dem Schutz der damit betroffenen Rechtsgüter - insbesondere dem Schutz von Leib und Leben unbeteiligter Dritter vor terroristischen Anschlägen als international anerkanntes Schutzgut - kommt angesichts der ihnen nach Lage der Dinge drohenden Beeinträchtigungen überragendes Gewicht zu. Entsprechendes gilt im Hinblick auf die verfügte Beschränkung des Geltungsbereichs des Personalausweises des Klägers.
71B. Die angefochtene Ordnungsverfügung ist auch nicht wegen formeller Mängel aufzuheben. Von einer Anhörung des Klägers durfte die Beklagte absehen (I.). Ein ihrer Ordnungsverfügung etwa anhaftender Begründungsmangel ist unbeachtlich (II.).
72I. Von der nach § 28 Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW erforderlichen Anhörung vor Erlass eines belastenden Verwaltungsaktes durfte die Beklagte nach § 28 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG NRW absehen, weil nach den Umständen des Einzelfalls eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erschien. Es genügt hierfür, dass die Behörde unter diesen Gesichtspunkten eine sofortige Entscheidung für notwendig halten durfte. Im Streitfall bestand die Gefahr, dass der Kläger eine Anhörung zur Passentziehung oder zur Ausreiseuntersagung zum Anlass genommen hätte, das Bundesgebiet vor Erlass der Verfügung zu verlassen. Die unten noch näher erläuterte Gefährdung wäre damit eingetreten, die Verfügung ins Leere gegangen. Daran führt nicht vorbei, dass der Reisepass bereits seit dem 4. Dezember 2013 sichergestellt war; denn gleichwohl bestand die Gefahr, dass der Kläger eine Anhörung zur Passentziehung oder zur Ausreiseuntersagung zum Anlass der sofortigen Ausreise auf dem Landweg genommen hätte.
73II. Soweit ein Mangel der nach § 39 Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW erforderlichen Begründung vorliegt, ist dieser unbeachtlich.
74Gemäß § 39 Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW ist ein schriftlicher Verwaltungsakt mit einer Begründung zu versehen. In der Begründung sind gemäß § 39 Abs. 1 Satz 2 VwVfG NRW die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben. Dies verlangt nicht die Darlegung aller Einzelheiten, die für eine vollständige Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts notwendig wären; anzugeben sind jedoch die tragenden Gründe, von denen die erlassende Behörde bei ihrer Entscheidung ausgegangen ist, in tatsächlicher Hinsicht also der von der Behörde ermittelte als gegeben angenommene Sachverhalt.
75Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Auflage 2014, § 39 Rdn. 45; Tiedemann in Bader/Ronellenfitsch, VwVfG, 2010, § 39 Rdn. 32 f.
76Ob die Beklagte diesen Anforderungen gerecht geworden ist, unterliegt Zweifeln, weil sie im streitgegenständlichen Bescheid vom 19. Dezember 2013 für die Darlegung der Tatsachen, die die Annahme einer Gefährdung im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 PassG rechtfertigen, lediglich darauf verwiesen hat, dass dem Kläger am 4. Dezember 2013 am Flughafen Köln-Bonn die Ausreise nach Istanbul untersagt und gegen ihn von der Staatsschutzabteilung des Polizeipräsidiums X. ein Verfahren eingeleitet worden ist, sowie auf das Behördenzeugnis des Ministeriums für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen vom 4. Dezember 2013. Das Behördenzeugnis beschränkt sich jedoch auf den Satz "Hier wurde dienstlich bekannt, dass Herr T8. K. beabsichtigt, gemeinsam mit weiteren Personen aus dem Umfeld der verbotenen Vereinigung 'Millatu Ibrahim' auszureisen, um sich am bewaffneten Jihad in Syrien zu beteiligen" und enthält mithin keine konkreten Anknüpfungstatsachen. Die zahlreichen Einzelheiten, die insbesondere dem seinerzeit bereits vorliegenden und in den Verwaltungsvorgängen befindlichen "Vermerk zur Person T8. K. " des Polizeipräsidiums X. vom 6. Dezember 2013 zu entnehmen sind, sind in dem Bescheid weder wiedergegeben noch auch nur in Bezug genommen.
77Wegen eines Begründungsdefizits könnte jedoch die Aufhebung des Verwaltungsakts gemäß § 46 VwVfG NRW nicht verlangt werden. Denn eine etwaige Verletzung des Begründungserfordernisses hätte die Entscheidung in der Sache offensichtlich nicht beeinflusst. Im Streitfall erscheint es ausgeschlossen, dass bei Beachtung der Verfahrensvorschrift die Entscheidung anders ausgefallen wäre. Denn die Beklagte hat lediglich versäumt, die seinerzeit bereits bekannten, in den Verwaltungsvorgängen dokumentierten und der Verfügung zugrunde liegenden Umstände im Einzelnen aufzuführen.
78Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
79Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
80Der Senat lässt die Revision nicht zu, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
(1) Personalausweise werden für eine Gültigkeitsdauer von zehn Jahren ausgestellt.
(2) Vor Ablauf der Gültigkeit eines Personalausweises kann ein neuer Personalausweis beantragt werden, wenn ein berechtigtes Interesse an der Neuausstellung dargelegt wird.
(3) Bei Personen, die noch nicht 24 Jahre alt sind, beträgt die Gültigkeitsdauer des Personalausweises sechs Jahre.
(4) Die Gültigkeitsdauer eines vorläufigen Personalausweises ist unter Berücksichtigung des Nutzungszwecks festzulegen; sie darf einen Zeitraum von drei Monaten nicht überschreiten.
(4a) Die Gültigkeitsdauer des Ersatz-Personalausweises ist auf den Zeitraum zu beschränken, der für das Erreichen des Zweckes nach § 6a erforderlich ist; sie darf einen Zeitraum von drei Jahren nicht überschreiten.
(5) Eine Verlängerung der Gültigkeitsdauer ist nicht zulässig.
(6) Die Gültigkeitsdauer eines Ausweises darf in den Fällen des § 29 des Staatsangehörigkeitsgesetzes den Zeitpunkt der Vollendung des 23. Lebensjahres des Inhabers so lange nicht überschreiten, bis die zuständige Behörde den Fortbestand der deutschen Staatsangehörigkeit festgestellt hat.
(7) Unter den Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 des Passgesetzes kann die zuständige Behörde im Einzelfall anordnen, dass der Ausweis nicht zum Verlassen Deutschlands berechtigt.
(8) Anordnungen nach Absatz 7 dürfen im polizeilichen Grenzfahndungsbestand gespeichert werden.
(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.
(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.
(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.
(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.
(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.
(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.
(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.
(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.
(1) Personalausweise werden für eine Gültigkeitsdauer von zehn Jahren ausgestellt.
(2) Vor Ablauf der Gültigkeit eines Personalausweises kann ein neuer Personalausweis beantragt werden, wenn ein berechtigtes Interesse an der Neuausstellung dargelegt wird.
(3) Bei Personen, die noch nicht 24 Jahre alt sind, beträgt die Gültigkeitsdauer des Personalausweises sechs Jahre.
(4) Die Gültigkeitsdauer eines vorläufigen Personalausweises ist unter Berücksichtigung des Nutzungszwecks festzulegen; sie darf einen Zeitraum von drei Monaten nicht überschreiten.
(4a) Die Gültigkeitsdauer des Ersatz-Personalausweises ist auf den Zeitraum zu beschränken, der für das Erreichen des Zweckes nach § 6a erforderlich ist; sie darf einen Zeitraum von drei Jahren nicht überschreiten.
(5) Eine Verlängerung der Gültigkeitsdauer ist nicht zulässig.
(6) Die Gültigkeitsdauer eines Ausweises darf in den Fällen des § 29 des Staatsangehörigkeitsgesetzes den Zeitpunkt der Vollendung des 23. Lebensjahres des Inhabers so lange nicht überschreiten, bis die zuständige Behörde den Fortbestand der deutschen Staatsangehörigkeit festgestellt hat.
(7) Unter den Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 des Passgesetzes kann die zuständige Behörde im Einzelfall anordnen, dass der Ausweis nicht zum Verlassen Deutschlands berechtigt.
(8) Anordnungen nach Absatz 7 dürfen im polizeilichen Grenzfahndungsbestand gespeichert werden.
Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.