Sozialgericht Stuttgart Beschluss, 12. Juni 2008 - S 12 KR 945/08 KE

bei uns veröffentlicht am12.06.2008

Tenor

Die Erinnerung gegen die Festsetzung der Vergütung des Erinnerungsführers für seine Tätigkeit im Verfahren vor dem Sozialgericht Stuttgart (Az.: S 12 KR 266/05), in welchem er im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnet war, wird zurückgewiesen.

Gründe

 
I.
Der Erinnerungsführer wendet sich gegen die Festsetzung der Vergütung für seine Tätigkeit im Verfahren vor dem Sozialgericht Stuttgart (Az.: S 12 KR 266/05), in welchem er im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnet war.
Im inzwischen abgeschlossenen Verfahren der Hauptsache vor dem Sozialgericht Stuttgart (Az.: S 12 KR 266/05) war zwischen den dort Beteiligten die Erstattung von Kosten der Anmietung einer Kniebewegungsschiene streitig.
Nachdem der dortige Kläger, der Mandant des Ef., zunächst persönlich, gegen den Bescheid der beklagten Krankenkasse vom 07. September 2004 (Widerspruchsbescheid vom 13. Dezember 2004) am 14. Januar 2005 Klage zum Sozialgericht Stuttgart erhob, legitimierte sich unter dem 10. Februar 2005 der Ef. für den Kläger und beantragte die Bewilligung von Prozesskostenhilfe, die sodann, mit Beschluss vom 30. Mai 2005 (Az.: S 12 KR 698/05 PKH- A) unter Beiordnung des Ef., bewilligt wurde.
Im Verfahren der Hauptsache unterbreitete das Gericht sodann unter dem 05. Oktober 2007 einen schriftlichen Vergleichsvorschlag, dem der Kläger durch Schriftsatz des Ef. vom 30. Oktober 2007, die Beklagte durch Schriftsatz vom 22. Oktober 2007 zustimmten. Hierin war u.a. beinhaltet, dass die Beklagte 1/3 der außergerichtlichen Kosten des Klägers erstattet.
Am 12. November 2007 beantragte der Ef. die ihm entstandenen Kosten und Auslagen wie folgt festzusetzen:
Geb.Nr. 3102: Verfahrensgebühr in Verfahren vor den Gerichten der
Sozialgerichtsbarkeit vor dem Sozialgericht (PKH):
250,00 EUR
Geb.Nr. 3104: Terminsgebühr (PKH):
200,00 EUR
Geb.Nr. 1005: Einigung oder Erledigung in sozialrechtlichen
Angelegenheiten (PKH):
250,00 EUR
Geb.Nr. 7002: Pauschale für Entgelte für Post und
Telekommunikationsdienstleistungen:
20,00 EUR
Summe 
720,00 EUR
Geb.Nr. 7008: 19% Umsatzsteuer
136,80 EUR
                 
Summe:
 856,80 EUR
Am 13. Dezember 2007 setzte der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle die mit der Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu erstattenden Vergütung des Ef. auf 364,95 EUR fest. Nachdem der Ef. zunächst monierte, dass die erstatteten Kosten nicht aufgeschlüsselt seien, erläuterte der Kostenbeamte mit Schreiben vom 28. Januar 2008 die Zusammensetzung des festgesetzten Betrages und begründete, dass eine Terminsgebühr nicht abgerechnet werden könne, da das Verfahren im Wege eines Vergleichsabschlusses beendet worden sei und die Erledigungsgebühr im Umfang von 190,00 EUR berücksichtigt worden sei. Unter Berücksichtigung der zu 1/3 von der Beklagten des Hauptsacheverfahrens zu tragenden außergerichtlichen Kosten, sei die, nach der Bewilligung von Prozesskostenhilfe von der Staatskasse zu tragenden Vergütung des Ef. auf 364,95 EUR festzusetzen.
Am 31. Januar 2008 erhob der Ef. Erinnerung. Zu deren Begründung wird vorgetragen, dass auch im Falle einer Prozessbeendigung im Wege eines Vergleichsschlusses eine Terminsgebühr zu berücksichtigen sei. Im PKH- Verfahren müsse dies gleichfalls gelten. Zur weiteren Begründung wird u.a. auf einen Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 30. Oktober 2007 (Az.: S 20 AL 6741/07 KE) verwiesen.
Der Erinnerungsführer beantragt (zweckdienlich gefasst),
10 
die Festsetzung vom 13. Dezember 2007 in der Fassung vom 28. Januar 2008 abzuändern und die im Wege der Prozesskostenhilfe von der Staatskasse zu erstattende Vergütung des Bevollmächtigten entsprechend dem Schriftsatz vom 08. November 2007 auf 856,80 EUR festzusetzen
11 
Der Erinnerungsgegner beantragt,
12 
die Erinnerung zurückzuweisen, soweit eine über die Festsetzung der Kostenbeamtin hinausgehende Entschädigung begehrt wird.
13 
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte der Hauptsache und der Kostenstreitsache verwiesen.
II.
14 
Die Erinnerung des Ef. ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.
15 
Gemäß § 45 Abs. 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz erhält der im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnete Rechtsanwalt die gesetzliche Vergütung in Verfahren vor den Gerichten eines Landes aus der Landeskasse. Die aus der Landeskasse zu gewährende Vergütung werden auf Antrag des Rechtsanwalts von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Gerichts des ersten Rechtszuges festgesetzt (§ 55 Abs. 1 RVG). Über die Erinnerung des Rechtsanwalts gegen die Festsetzung nach § 55 entscheidet das Gericht, bei dem die Festsetzung erfolgt ist, durch Beschluss (§ 56 Abs. 1 S.1 RVG).
16 
Die Erinnerung ist hiernach der statthafte Rechtsbehelf und als solcher zulässig.
17 
Die Erinnerung ist jedoch nicht begründet. Die Vergütung des Ef. für dessen Tätigkeit im Verfahren vor dem Sozialgericht Stuttgart (Az.: S 12 KR 266/05) wurde vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle in rechtlich nicht zu beanstandender Weise auf 364,95 EUR festgesetzt. Eine weitergehende Festsetzung der Vergütung findet nicht statt.
18 
Der Vergütungsanspruch des beigeordneten Rechtsanwalts bestimmt sich gemäß § 48 Abs. 1 RVG nach dem Beschluss, durch den Prozesskostenhilfe bewilligt wurde und der Rechtsanwalt beigeordnet wurde. Da im Beschluss vom 30. Mai 2005 (Az.: S 12 KR 698/05 PKH- A) keine Einschränkung der Bewilligung bzw. der Beiordnung beinhaltet ist, ist die Vergütung des beigeordneten Rechtsanwalt wie die eines gewählten Rechtsanwaltes festzusetzen.
19 
Die zu erstattende gesetzliche Vergütung bestimmt sich nach dem RVG. Dies gilt gemäß § 12 RVG für im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnete Rechtsanwälte entsprechend.
20 
Im Verfahren der Hauptsache vor dem Sozialgericht Stuttgart, in dem das Gerichtskostengesetz nicht anzuwenden war, da der Ef. zum Kreis der kostenprivilegierten Kläger (§ 183 Sozialgerichtsgesetz) zählte, bestimmt sich die Vergütung eines Rechtsanwalts gemäß § 3 Abs. 1 S.1 RVG anhand von Betragsrahmengebühren. Konkret bestimmt sich die anwaltliche Vergütung nach § 2 Abs. 2 RVG nach dem Vergütungsverzeichnis der Anlage 1 zu diesem Gesetz [RVG].
21 
Nach Teil 1 „allgemeine Gebühren“ der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 (Vergütungsverzeichnis) entstehen, unter den dort genannten Voraussetzungen die jeweiligen Gebühren.
22 
Nach GebNr. 3106 VV beträgt die vorliegend streitige Terminsgebühr in Verfahren vor den Sozialgerichten, in denen Betragsrahmengebühren entstehen (§ 3 RVG) 20,00 bis 380,00 EUR. Sie entsteht nach Vorbemerkung 3 Abs. 3 zu Teil 3 des Vergütungsverzeichnisses für die Vertretung in einem Verhandlungs-, Erörterungs- oder Beweisaufnahmetermin oder der Wahrnehmung eines von einem gerichtlich bestellten Sachverständigen anberaumten Termins oder die Mitwirkung an auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechung ohne Beteiligung des Gerichts. Ein Termin in diesem Sinne hat jedoch im Verfahren der Hauptsache nicht stattgefunden, so dass insofern kein zu vergütender Aufwand entstanden ist.
23 
Auch ist eine Terminsgebühr nicht in Ansehung des weiteren Inhalts von GebNr. 3106 VV entstanden. Dort ist bestimmt, dass die Terminsgebühr auch entsteht, wenn
24 
- in einem Verfahren, für das mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, im Einverständnis mit den Parteien ohne mündliche Verhandlung entschieden wird (Nr.1),
- nach § 105 Abs. 1 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entschieden wird (Nr.2) oder
- das Verfahren nach angenommenem Anerkenntnis ohne mündliche Verhandlung endet (Nr.3).
25 
Das Verfahren (Az.: S 12 KR 266/05) endete indes weder im Wege eines Urteils ohne mündliche Verhandlung, eines Gerichtsbescheides noch im Wege eines angenommenen Anerkenntnisses, sondern im Wege eines gerichtlichen Vergleichs nach § 202 SGG i.V.m. § 278 Abs. 6 Zivilprozessordnung. Ein solcher ist jedoch in GebNr. 3106 VV nicht als, eine Terminsgebühr auslösende Beendigungsvariante, aufgeführt.
26 
Entgegen der, auf den Beschluss des Sozialgerichtes Stuttgart vom 30. Oktober 2007 (Az.: S 20 AL 6741/07 KE) gestützten Auffassung des Ef, ist die Geb.Nr. 3106 VV auf (gerichtliche) Vergleich nicht entsprechend anwendbar. Dies ergibt sich aus einem Abgleich der Geb.Nr. 3106 VV mit der Geb.Nr.3104 VV. In dieser, für den Fall der streitwertabhängigen Vergütung geltenden Gebührennummer ist in Abs. 1 Nr. 1 auch die Entstehung einer Terminsgebühr für den Fall, in dem ein Verfahren, in denen eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, durch einen schriftlichen Vergleich endet, vorgesehen. Indes ist in Geb.Nr. 3104 VV ausdrücklich geregelt, dass dies nur gilt, „soweit in Nummer 3106 nichts anderes bestimmt ist“. Geb.Nr. 3106 VV beinhaltet insofern eine abschließende Sonderregelung, die einen Rückgriff auf GebNr.3104 im Anwendungsbereich der Geb.Nr. 3106 VV ausschließt. Auch hat der Gesetzgeber mit der aufgezeigten Differenzierung die kostenrechtliche Privilegierung des Personenkreises des § 183 SGG fortgeführt, als die Fiktion der Terminsgebühr nur dort eingreifen soll, wo der gesteigerte Schutzbedarf der in § 183 SGG benannten Beteiligten durch eine richterliche Entscheidung kompensiert wird (Entscheidung ohne mündliche Verhandlung oder Gerichtsbescheid) oder wo eine Benachteiligung des kostenprivilegierten Beteiligte wegen des Obsiegens ohnehin nicht zu befürchten steht (angenommenes Anerkenntnis).
27 
Mithin ist zur Überzeugung der Kammer die Geb.Nr.3106 VV auf den vorliegenden Fall einer Verfahrensbeendigung durch schriftlichen Vergleich nicht anzuwenden.
28 
Die Festsetzung der Vergütung des Bevollmächtigten des Ef. hat hiernach, in Einklang mit der Entscheidung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu unterbleiben.
29 
Die festzusetzende Vergütung errechnet sich hiernach, in Einklang mit der Festsetzung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle, wie folgt:
30 
-       
Verfahrensgebühr Geb.Nr. 3102 VV:
250,00 EUR
-       
Einigungs- und Erledigungsgebühr GebNr.1006 VV:
190,00 EUR
-       
Pauschale Post + Telekommunikation Nr. 7002 VV RVG:
20,00 EUR
        
Umsatzsteuer 19 %:
87,40 EUR
                 
547,40 EUR
        
Hiervon 2/3 im Wege der Prozesskostenhilfe zu vergüten: 
364,50 EUR
31 
Die Erinnerung ist hiernach zurückzuweisen.

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bei uns veröffentlicht am 30.10.2007

Tenor Auf die Erinnerung des Herrn Rechtsanwalt … wird der Beschluss vom 05.07.2007 abgeändert. Die Rechtsanwaltsvergütung des Herrn Rechtsanwalt … wird auf 690,20 EUR festgesetzt. Bereits erbrachte Zahlungen sind hie
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Sozialgericht Stuttgart Beschluss, 14. Jan. 2011 - S 20 SF 7180/10 E

bei uns veröffentlicht am 14.01.2011

Tenor Die Erinnerung gegen die Kostenfestsetzungsverfügung der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Sozialgerichts Stuttgart vom 7.9.2010 wird zurückgewiesen. Gründe   I. 1 Der Erinnerungsführer begehrt die Festsetzung einer Terminsge

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Tenor

Auf die Erinnerung des Herrn Rechtsanwalt … wird der Beschluss vom 05.07.2007 abgeändert.

Die Rechtsanwaltsvergütung des Herrn Rechtsanwalt … wird auf 690,20 EUR festgesetzt. Bereits erbrachte Zahlungen sind hiervon abzusetzen.

Die Beschwerde wird für die Staatskasse zugelassen.

Gründe

 
I.
Der Erinnerungsführer begehrt im Ergebnis die Festsetzung einer Terminsgebühr gemäß Nr. 3106 VV RVG.
Im Hauptsacheverfahren stritten die Beteiligten über die Rechtmäßigkeit einer Sperrzeit.
Mit Beschluss vom 29.11.2006 wurde dem Kläger für dieses Verfahren Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt. Herr Rechtsanwalt … wurde dem Kläger als Prozessbevollmächtigter beigeordnet.
Nach Beweiserhebung durch Einholung schriftlicher Zeugenaussagen schlossen die Beteiligten auf einen schriftlichen gerichtlichen Vergleichsvorschlag vom 11.05.2007 einen gerichtlichen Vergleich, dessen Zustandekommen mit gerichtlichem Beschluss vom 04.06.2007 festgestellt wurde.
Mit Schreiben vom 15.06.2007 beantragte Herr Rechtsanwalt … die Festsetzung seiner Gebühren gegen die Staatskasse wie folgt:
-       
Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV RVG:
170,00 EUR
-       
Terminsgebühr Nr. 3106 VV RVG:
200,00 EUR
-       
Einigungs- und Erledigungsgebühren Nr. 1006 VV RVG:
190,00 EUR
-       
Pauschale Post + Telekommunikation Nr. 7002 VV RVG:
20,00 EUR
                 
580,00 EUR
        
Umsatzsteuer 19 %:
110,20 EUR
                 
690,20 EUR
        
Abzüglich Vorschuss:
- 313,20 EUR
        
Restbetrag:
378,00 EUR
Die Rechtsanwaltsvergütung wurde von der Urkundsbeamtin mit Bescheid vom 05.07.2007 festgesetzt wie beantragt mit Ausnahme der Terminsgebühr und der hierauf entfallenden Mehrwertsteuer. Es wurden 452,20 EUR festgesetzt, was abzüglich des PKH-Vorschusses zu einem Restbetrag in Höhe von noch 139,00 EUR führte.
Gegen diese Entscheidung wendet sich der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit einer „Beschwerde“, die am 23.07.2007 bei Gericht einging.
Er ist der Ansicht, ihm stehe eine Terminsgebühr in Analogie zu Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 VV RVG zu. Der Gesetzgeber habe auch in Verfahren mit Betragsrahmengebühren einen gebührenrechtlichen Erledigungsanreiz schaffen wollen.
10 
Die Staatskasse ist dem entgegengetreten. Sie meint, eine der Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 VV RVG entsprechende Regelung sei vom Gesetzgeber bewusst nicht in Nr. 3106 VV RVG aufgenommen worden. Dies hänge damit zusammen, dass es Vergleichsabschlüsse gemäß § 278 Abs. 6 ZPO im sozialgerichtlichen Verfahren nicht gebe. Vergleichsschlüsse außerhalb mündlicher Verhandlungen seien daher nur außergerichtliche Vergleiche, die als Klagerücknahme zu werten seien.
II.
11 
Der Antrag des Herrn Rechtsanwalt … ist zulässig. Es handelt sich um eine Erinnerung gemäß § 56 RVG gegen die Festsetzung der aus der Staatskasse zu zahlenden Vergütung.
12 
Dem Prozessbevollmächtigten des Klägers steht auch eine Terminsgebühr zu gemäß Nr. 3106 VV RVG.
13 
Hierbei ist zu beachten, dass gemäß Vorbemerkung 3 Abs. 3 VV RVG eine Terminsgebühr nicht nur für die Vertretung in einem Verhandlungs-, Erörterungs- oder Beweisaufnahmetermin entsteht, sondern auch für die Mitwirkung an auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechungen ohne Beteiligung des Gerichts. Der Gesetzgeber hat damit den Anwendungsbereich der Terminsgebühr mit der Neuregelung des RVG deutlich erweitert. Der Gesetzgeber hat einen gebührenrechtlichen Anreiz für die unstreitigen Verfahrenserledigungen ohne mündliche Verhandlung schaffen wollen (BAG, Beschluss vom 20.06.2006, 3 AZB 78/05, NZA 2006, S. 1060).
14 
Im Anwendungsbereich der Nr. 3104 VV RVG wirkt sich dies so aus, dass bei Vergleichsschlüssen in Verfahren, für die die mündliche Verhandlung vorgesehen ist, gemäß Abs. 1 Nr. 1 Variante 4 eine Terminsgebühr entsteht. Dies betrifft nicht nur Fälle der §§ 307, 495a ZPO, sondern alle Vergleiche in Verfahren, in denen eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist (BAG a.a.O; BGH, Beschluss vom 27.10.2005, III ZB 42/05, NJW 2006, S. 157). Nach dem amtlichen Teil der Begründung soll Teil 3 des VV RVG auch für die Sozialgerichtsbarkeit gelten (BT-Drs. 15/1971 S. 208). Gemäß § 124 SGG ist grundsätzlich die mündliche Verhandlung im sozialgerichtlichen Verfahren vorgeschrieben.
15 
Entgegen der Ansicht der Staatskasse, kann auch im sozialgerichtlichen Verfahren ein gerichtlicher Vergleich gemäß § 278 Abs. 6 ZPO geschlossen werden. Dies folgt zwar nicht aus § 101 SGG, in dem tatsächlich nur die Vergleichsniederschrift vor dem Gericht oder dem Vorsitzenden vorgesehen ist, jedoch ergibt sich dies aus § 202 SGG, über dessen Verweisung § 278 Abs. 6 ZPO auch im sozialgerichtlichen Verfahren Anwendung findet (Leitherer in Meyer-Ladewig § 101 SGG Rn. 9). Im Übrigen wird darauf hingewiesen, dass im vorliegenden Hauptsacheverfahren gerade ein Vergleich gemäß § 278 Abs. 6 ZPO geschlossen wurde und vom Vorsitzenden mit Beschluss vom 04.06.2007 festgestellt wurde. Um den von der Staatskasse zitierten Beschluss des Sozialgerichts Würzburg vom 11.05.2007 (S 6 R 93/05.Ko) zu bemühen: Vorliegend fiel die mündliche Verhandlung nur deswegen aus, weil ein anderes Verfahren gewählt wurde. Untechnisch gesprochen: Es wurde der Weg einer „schriftlichen Verhandlung“ über die Verfahrensvorschrift des § 278 Abs. 6 ZPO gewählt, es wurde nicht nur ein außergerichtlicher Vergleich geschlossen.
16 
Kann aber in den sozialgerichtlichen Verfahren, die nach Streitwert abgerechnet werden, eine Terminsgebühr abgerechnet werden in Fällen, in denen ohne mündliche Verhandlung ein gerichtlicher Vergleich gemäß § 278 Abs. 6 ZPO geschlossen wurde, ist nicht ersichtlich, weshalb dies in den Verfahren, die nach Betragsrahmengebühr abgerechnet werden, nicht gelten soll. Es besteht keine Veranlassung zur Annahme, dass die vom Gesetzgeber gewollte und in der Vorbemerkung 3 Abs. 3 VV RVG angedeutete Erweiterung des Anwendungsbereichs der Terminsgebühr durch Erleichterung des Vergleichsschlusses auch außerhalb der mündlichen Verhandlung in diesem Verfahren nicht gelten soll. Im Ergebnis mit dem Sozialgericht Ulm (Beschluss vom 06.09.2006, S 11 SB 3004/06 KO-A) wird davon ausgegangen, dass es sich bei der Nichtaufnahme dieser Variante in Nr. 3106 VV RVG um ein gesetzgeberisches Versehen handelt. Anderenfalls würde nämlich die vom Gesetzgeber gerade nicht mehr gewollte Praxis, einen gerichtlichen Verhandlungstermin nur um der anwaltlichen Gebühr willen anzusetzen, perpetuiert werden (BAG a.a.O.). Man würde im Übrigen § 278 Abs. 6 ZPO seines Hauptzwecks berauben, ohne mündliche Verhandlung schnell zu einer vollstreckbaren Vergleichslösung zu kommen.
17 
Die Terminsgebühr gemäß Nr. 3106 VV RVG war als Mittelgebühr in Höhe von 200,00 EUR festzusetzen. Hinzu kommt die Mehrwertsteuer in Höhe von 38,00 EUR.
18 
Der Sache wird grundsätzliche Bedeutung beigemessen gem. § 56 Abs. 2 RVG iVm. § 33 Abs. 3 RVG, weshalb die Beschwerde für die Staatskasse zuzulassen war.

(1) Die aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung und der Vorschuss hierauf werden auf Antrag des Rechtsanwalts von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Gerichts des ersten Rechtszugs festgesetzt. Ist das Verfahren nicht gerichtlich anhängig geworden, erfolgt die Festsetzung durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Gerichts, das den Verteidiger bestellt hat.

(2) In Angelegenheiten, in denen sich die Gebühren nach Teil 3 des Vergütungsverzeichnisses bestimmen, erfolgt die Festsetzung durch den Urkundsbeamten des Gerichts des Rechtszugs, solange das Verfahren nicht durch rechtskräftige Entscheidung oder in sonstiger Weise beendet ist.

(3) Im Fall der Beiordnung einer Kontaktperson (§ 34a des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz) erfolgt die Festsetzung durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Landgerichts, in dessen Bezirk die Justizvollzugsanstalt liegt.

(4) Im Fall der Beratungshilfe wird die Vergütung von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des in § 4 Absatz 1 des Beratungshilfegesetzes bestimmten Gerichts festgesetzt.

(5) § 104 Absatz 2 Satz 1 und 2 der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. Der Antrag hat die Erklärung zu enthalten, ob und welche Zahlungen der Rechtsanwalt bis zum Tag der Antragstellung erhalten hat. Bei Zahlungen auf eine anzurechnende Gebühr sind diese Zahlungen, der Satz oder der Betrag der Gebühr und bei Wertgebühren auch der zugrunde gelegte Wert anzugeben. Zahlungen, die der Rechtsanwalt nach der Antragstellung erhalten hat, hat er unverzüglich anzuzeigen.

(6) Der Urkundsbeamte kann vor einer Festsetzung der weiteren Vergütung (§ 50) den Rechtsanwalt auffordern, innerhalb einer Frist von einem Monat bei der Geschäftsstelle des Gerichts, dem der Urkundsbeamte angehört, Anträge auf Festsetzung der Vergütungen, für die ihm noch Ansprüche gegen die Staatskasse zustehen, einzureichen oder sich zu den empfangenen Zahlungen (Absatz 5 Satz 2) zu erklären. Kommt der Rechtsanwalt der Aufforderung nicht nach, erlöschen seine Ansprüche gegen die Staatskasse.

(7) Die Absätze 1 und 5 gelten im Bußgeldverfahren vor der Verwaltungsbehörde entsprechend. An die Stelle des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle tritt die Verwaltungsbehörde.

(1) Über Erinnerungen des Rechtsanwalts und der Staatskasse gegen die Festsetzung nach § 55 entscheidet das Gericht des Rechtszugs, bei dem die Festsetzung erfolgt ist, durch Beschluss. Im Fall des § 55 Absatz 3 entscheidet die Strafkammer des Landgerichts. Im Fall der Beratungshilfe entscheidet das nach § 4 Absatz 1 des Beratungshilfegesetzes zuständige Gericht.

(2) Im Verfahren über die Erinnerung gilt § 33 Absatz 4 Satz 1, Absatz 7 und 8 und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Entscheidung über die Erinnerung § 33 Absatz 3 bis 8 entsprechend. Das Verfahren über die Erinnerung und über die Beschwerde ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

(1) Der Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse ist auf die gesetzliche Vergütung gerichtet und bestimmt sich nach den Beschlüssen, durch die die Prozesskostenhilfe bewilligt und der Rechtsanwalt beigeordnet oder bestellt worden ist, soweit nichts anderes bestimmt ist. Erstreckt sich die Beiordnung auf den Abschluss eines Vertrags im Sinne der Nummer 1000 des Vergütungsverzeichnisses oder ist die Beiordnung oder die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hierauf beschränkt, so umfasst der Anspruch alle gesetzlichen Gebühren und Auslagen, die durch die Tätigkeiten entstehen, die zur Herbeiführung der Einigung erforderlich sind.

(2) In Angelegenheiten, in denen sich die Gebühren nach Teil 3 des Vergütungsverzeichnisses bestimmen und die Beiordnung eine Berufung, eine Beschwerde wegen des Hauptgegenstands, eine Revision oder eine Rechtsbeschwerde wegen des Hauptgegenstands betrifft, wird eine Vergütung aus der Staatskasse auch für die Rechtsverteidigung gegen ein Anschlussrechtsmittel und, wenn der Rechtsanwalt für die Erwirkung eines Arrests, einer einstweiligen Verfügung oder einer einstweiligen Anordnung beigeordnet ist, auch für deren Vollziehung oder Vollstreckung gewährt. Dies gilt nicht, wenn der Beiordnungsbeschluss ausdrücklich etwas anderes bestimmt.

(3) Die Beiordnung in einer Ehesache erstreckt sich im Fall des Abschlusses eines Vertrags im Sinne der Nummer 1000 des Vergütungsverzeichnisses auf alle mit der Herbeiführung der Einigung erforderlichen Tätigkeiten, soweit der Vertrag

1.
den gegenseitigen Unterhalt der Ehegatten,
2.
den Unterhalt gegenüber den Kindern im Verhältnis der Ehegatten zueinander,
3.
die Sorge für die Person der gemeinschaftlichen minderjährigen Kinder,
4.
die Regelung des Umgangs mit einem Kind,
5.
die Rechtsverhältnisse an der Ehewohnung und den Haushaltsgegenständen,
6.
die Ansprüche aus dem ehelichen Güterrecht oder
7.
den Versorgungsausgleich
betrifft. Satz 1 gilt im Fall der Beiordnung in Lebenspartnerschaftssachen nach § 269 Absatz 1 Nummer 1 und 2 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit entsprechend.

(4) Die Beiordnung in Angelegenheiten, in denen nach § 3 Absatz 1 Betragsrahmengebühren entstehen, erstreckt sich auf Tätigkeiten ab dem Zeitpunkt der Beantragung der Prozesskostenhilfe, wenn vom Gericht nichts anderes bestimmt ist. Die Beiordnung erstreckt sich ferner auf die gesamte Tätigkeit im Verfahren über die Prozesskostenhilfe einschließlich der vorbereitenden Tätigkeit.

(5) In anderen Angelegenheiten, die mit dem Hauptverfahren nur zusammenhängen, erhält der für das Hauptverfahren beigeordnete Rechtsanwalt eine Vergütung aus der Staatskasse nur dann, wenn er ausdrücklich auch hierfür beigeordnet ist. Dies gilt insbesondere für

1.
die Zwangsvollstreckung, die Vollstreckung und den Verwaltungszwang;
2.
das Verfahren über den Arrest, den Europäischen Beschluss zur vorläufigen Kontenpfändung, die einstweilige Verfügung und die einstweilige Anordnung;
3.
das selbstständige Beweisverfahren;
4.
das Verfahren über die Widerklage oder den Widerantrag, ausgenommen die Rechtsverteidigung gegen den Widerantrag in Ehesachen und in Lebenspartnerschaftssachen nach § 269 Absatz 1 Nummer 1 und 2 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit.

(6) Wird der Rechtsanwalt in Angelegenheiten nach den Teilen 4 bis 6 des Vergütungsverzeichnisses im ersten Rechtszug bestellt oder beigeordnet, erhält er die Vergütung auch für seine Tätigkeit vor dem Zeitpunkt seiner Bestellung, in Strafsachen einschließlich seiner Tätigkeit vor Erhebung der öffentlichen Klage und in Bußgeldsachen einschließlich der Tätigkeit vor der Verwaltungsbehörde. Wird der Rechtsanwalt in einem späteren Rechtszug beigeordnet, erhält er seine Vergütung in diesem Rechtszug auch für seine Tätigkeit vor dem Zeitpunkt seiner Bestellung. Werden Verfahren verbunden und ist der Rechtsanwalt nicht in allen Verfahren bestellt oder beigeordnet, kann das Gericht die Wirkungen des Satzes 1 auch auf diejenigen Verfahren erstrecken, in denen vor der Verbindung keine Beiordnung oder Bestellung erfolgt war.

Die Vorschriften dieses Gesetzes für im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnete Rechtsanwälte und für Verfahren über die Prozesskostenhilfe sind bei Verfahrenskostenhilfe und im Fall des § 4a der Insolvenzordnung entsprechend anzuwenden. Der Bewilligung von Prozesskostenhilfe steht die Stundung nach § 4a der Insolvenzordnung gleich.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen das Gerichtskostengesetz nicht anzuwenden ist, entstehen Betragsrahmengebühren. In sonstigen Verfahren werden die Gebühren nach dem Gegenstandswert berechnet, wenn der Auftraggeber nicht zu den in § 183 des Sozialgerichtsgesetzes genannten Personen gehört; im Verfahren nach § 201 Absatz 1 des Sozialgerichtsgesetzes werden die Gebühren immer nach dem Gegenstandswert berechnet. In Verfahren wegen überlanger Gerichtsverfahren (§ 202 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes) werden die Gebühren nach dem Gegenstandswert berechnet.

(2) Absatz 1 gilt entsprechend für eine Tätigkeit außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens.

(1) Die Gebühren werden, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, nach dem Wert berechnet, den der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit hat (Gegenstandswert).

(2) Die Höhe der Vergütung bestimmt sich nach dem Vergütungsverzeichnis der Anlage 1 zu diesem Gesetz. Gebühren werden auf den nächstliegenden Cent auf- oder abgerundet; 0,5 Cent werden aufgerundet.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen das Gerichtskostengesetz nicht anzuwenden ist, entstehen Betragsrahmengebühren. In sonstigen Verfahren werden die Gebühren nach dem Gegenstandswert berechnet, wenn der Auftraggeber nicht zu den in § 183 des Sozialgerichtsgesetzes genannten Personen gehört; im Verfahren nach § 201 Absatz 1 des Sozialgerichtsgesetzes werden die Gebühren immer nach dem Gegenstandswert berechnet. In Verfahren wegen überlanger Gerichtsverfahren (§ 202 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes) werden die Gebühren nach dem Gegenstandswert berechnet.

(2) Absatz 1 gilt entsprechend für eine Tätigkeit außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens.

(1) Das Gericht kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten sind vorher zu hören. Die Vorschriften über Urteile gelten entsprechend.

(2) Die Beteiligten können innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheids das Rechtsmittel einlegen, das zulässig wäre, wenn das Gericht durch Urteil entschieden hätte. Ist die Berufung nicht gegeben, kann mündliche Verhandlung beantragt werden. Wird sowohl ein Rechtsmittel eingelegt als auch mündliche Verhandlung beantragt, findet mündliche Verhandlung statt.

(3) Der Gerichtsbescheid wirkt als Urteil; wird rechtzeitig mündliche Verhandlung beantragt, gilt er als nicht ergangen.

(4) Wird mündliche Verhandlung beantragt, kann das Gericht in dem Urteil von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Gerichtsbescheids folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.

Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Sozialgerichtsgesetz tritt. In Streitigkeiten über Entscheidungen des Bundeskartellamts, die die freiwillige Vereinigung von Krankenkassen nach § 172a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch betreffen, sind die §§ 63 bis 80 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Sozialgerichtsgesetz tritt.

(1) Das Gericht soll in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Beilegung des Rechtsstreits oder einzelner Streitpunkte bedacht sein.

(2) Der mündlichen Verhandlung geht zum Zwecke der gütlichen Beilegung des Rechtsstreits eine Güteverhandlung voraus, es sei denn, es hat bereits ein Einigungsversuch vor einer außergerichtlichen Gütestelle stattgefunden oder die Güteverhandlung erscheint erkennbar aussichtslos. Das Gericht hat in der Güteverhandlung den Sach- und Streitstand mit den Parteien unter freier Würdigung aller Umstände zu erörtern und, soweit erforderlich, Fragen zu stellen. Die erschienenen Parteien sollen hierzu persönlich gehört werden. § 128a Absatz 1 und 3 gilt entsprechend.

(3) Für die Güteverhandlung sowie für weitere Güteversuche soll das persönliche Erscheinen der Parteien angeordnet werden. § 141 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 und 3 gilt entsprechend.

(4) Erscheinen beide Parteien in der Güteverhandlung nicht, ist das Ruhen des Verfahrens anzuordnen.

(5) Das Gericht kann die Parteien für die Güteverhandlung sowie für weitere Güteversuche vor einen hierfür bestimmten und nicht entscheidungsbefugten Richter (Güterichter) verweisen. Der Güterichter kann alle Methoden der Konfliktbeilegung einschließlich der Mediation einsetzen.

(6) Ein gerichtlicher Vergleich kann auch dadurch geschlossen werden, dass die Parteien dem Gericht einen schriftlichen Vergleichsvorschlag unterbreiten oder einen schriftlichen oder zu Protokoll der mündlichen Verhandlung erklärten Vergleichsvorschlag des Gerichts durch Schriftsatz oder durch Erklärung zu Protokoll der mündlichen Verhandlung gegenüber dem Gericht annehmen. Das Gericht stellt das Zustandekommen und den Inhalt eines nach Satz 1 geschlossenen Vergleichs durch Beschluss fest. § 164 gilt entsprechend.

Tenor

Auf die Erinnerung des Herrn Rechtsanwalt … wird der Beschluss vom 05.07.2007 abgeändert.

Die Rechtsanwaltsvergütung des Herrn Rechtsanwalt … wird auf 690,20 EUR festgesetzt. Bereits erbrachte Zahlungen sind hiervon abzusetzen.

Die Beschwerde wird für die Staatskasse zugelassen.

Gründe

 
I.
Der Erinnerungsführer begehrt im Ergebnis die Festsetzung einer Terminsgebühr gemäß Nr. 3106 VV RVG.
Im Hauptsacheverfahren stritten die Beteiligten über die Rechtmäßigkeit einer Sperrzeit.
Mit Beschluss vom 29.11.2006 wurde dem Kläger für dieses Verfahren Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt. Herr Rechtsanwalt … wurde dem Kläger als Prozessbevollmächtigter beigeordnet.
Nach Beweiserhebung durch Einholung schriftlicher Zeugenaussagen schlossen die Beteiligten auf einen schriftlichen gerichtlichen Vergleichsvorschlag vom 11.05.2007 einen gerichtlichen Vergleich, dessen Zustandekommen mit gerichtlichem Beschluss vom 04.06.2007 festgestellt wurde.
Mit Schreiben vom 15.06.2007 beantragte Herr Rechtsanwalt … die Festsetzung seiner Gebühren gegen die Staatskasse wie folgt:
-       
Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV RVG:
170,00 EUR
-       
Terminsgebühr Nr. 3106 VV RVG:
200,00 EUR
-       
Einigungs- und Erledigungsgebühren Nr. 1006 VV RVG:
190,00 EUR
-       
Pauschale Post + Telekommunikation Nr. 7002 VV RVG:
20,00 EUR
                 
580,00 EUR
        
Umsatzsteuer 19 %:
110,20 EUR
                 
690,20 EUR
        
Abzüglich Vorschuss:
- 313,20 EUR
        
Restbetrag:
378,00 EUR
Die Rechtsanwaltsvergütung wurde von der Urkundsbeamtin mit Bescheid vom 05.07.2007 festgesetzt wie beantragt mit Ausnahme der Terminsgebühr und der hierauf entfallenden Mehrwertsteuer. Es wurden 452,20 EUR festgesetzt, was abzüglich des PKH-Vorschusses zu einem Restbetrag in Höhe von noch 139,00 EUR führte.
Gegen diese Entscheidung wendet sich der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit einer „Beschwerde“, die am 23.07.2007 bei Gericht einging.
Er ist der Ansicht, ihm stehe eine Terminsgebühr in Analogie zu Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 VV RVG zu. Der Gesetzgeber habe auch in Verfahren mit Betragsrahmengebühren einen gebührenrechtlichen Erledigungsanreiz schaffen wollen.
10 
Die Staatskasse ist dem entgegengetreten. Sie meint, eine der Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 VV RVG entsprechende Regelung sei vom Gesetzgeber bewusst nicht in Nr. 3106 VV RVG aufgenommen worden. Dies hänge damit zusammen, dass es Vergleichsabschlüsse gemäß § 278 Abs. 6 ZPO im sozialgerichtlichen Verfahren nicht gebe. Vergleichsschlüsse außerhalb mündlicher Verhandlungen seien daher nur außergerichtliche Vergleiche, die als Klagerücknahme zu werten seien.
II.
11 
Der Antrag des Herrn Rechtsanwalt … ist zulässig. Es handelt sich um eine Erinnerung gemäß § 56 RVG gegen die Festsetzung der aus der Staatskasse zu zahlenden Vergütung.
12 
Dem Prozessbevollmächtigten des Klägers steht auch eine Terminsgebühr zu gemäß Nr. 3106 VV RVG.
13 
Hierbei ist zu beachten, dass gemäß Vorbemerkung 3 Abs. 3 VV RVG eine Terminsgebühr nicht nur für die Vertretung in einem Verhandlungs-, Erörterungs- oder Beweisaufnahmetermin entsteht, sondern auch für die Mitwirkung an auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechungen ohne Beteiligung des Gerichts. Der Gesetzgeber hat damit den Anwendungsbereich der Terminsgebühr mit der Neuregelung des RVG deutlich erweitert. Der Gesetzgeber hat einen gebührenrechtlichen Anreiz für die unstreitigen Verfahrenserledigungen ohne mündliche Verhandlung schaffen wollen (BAG, Beschluss vom 20.06.2006, 3 AZB 78/05, NZA 2006, S. 1060).
14 
Im Anwendungsbereich der Nr. 3104 VV RVG wirkt sich dies so aus, dass bei Vergleichsschlüssen in Verfahren, für die die mündliche Verhandlung vorgesehen ist, gemäß Abs. 1 Nr. 1 Variante 4 eine Terminsgebühr entsteht. Dies betrifft nicht nur Fälle der §§ 307, 495a ZPO, sondern alle Vergleiche in Verfahren, in denen eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist (BAG a.a.O; BGH, Beschluss vom 27.10.2005, III ZB 42/05, NJW 2006, S. 157). Nach dem amtlichen Teil der Begründung soll Teil 3 des VV RVG auch für die Sozialgerichtsbarkeit gelten (BT-Drs. 15/1971 S. 208). Gemäß § 124 SGG ist grundsätzlich die mündliche Verhandlung im sozialgerichtlichen Verfahren vorgeschrieben.
15 
Entgegen der Ansicht der Staatskasse, kann auch im sozialgerichtlichen Verfahren ein gerichtlicher Vergleich gemäß § 278 Abs. 6 ZPO geschlossen werden. Dies folgt zwar nicht aus § 101 SGG, in dem tatsächlich nur die Vergleichsniederschrift vor dem Gericht oder dem Vorsitzenden vorgesehen ist, jedoch ergibt sich dies aus § 202 SGG, über dessen Verweisung § 278 Abs. 6 ZPO auch im sozialgerichtlichen Verfahren Anwendung findet (Leitherer in Meyer-Ladewig § 101 SGG Rn. 9). Im Übrigen wird darauf hingewiesen, dass im vorliegenden Hauptsacheverfahren gerade ein Vergleich gemäß § 278 Abs. 6 ZPO geschlossen wurde und vom Vorsitzenden mit Beschluss vom 04.06.2007 festgestellt wurde. Um den von der Staatskasse zitierten Beschluss des Sozialgerichts Würzburg vom 11.05.2007 (S 6 R 93/05.Ko) zu bemühen: Vorliegend fiel die mündliche Verhandlung nur deswegen aus, weil ein anderes Verfahren gewählt wurde. Untechnisch gesprochen: Es wurde der Weg einer „schriftlichen Verhandlung“ über die Verfahrensvorschrift des § 278 Abs. 6 ZPO gewählt, es wurde nicht nur ein außergerichtlicher Vergleich geschlossen.
16 
Kann aber in den sozialgerichtlichen Verfahren, die nach Streitwert abgerechnet werden, eine Terminsgebühr abgerechnet werden in Fällen, in denen ohne mündliche Verhandlung ein gerichtlicher Vergleich gemäß § 278 Abs. 6 ZPO geschlossen wurde, ist nicht ersichtlich, weshalb dies in den Verfahren, die nach Betragsrahmengebühr abgerechnet werden, nicht gelten soll. Es besteht keine Veranlassung zur Annahme, dass die vom Gesetzgeber gewollte und in der Vorbemerkung 3 Abs. 3 VV RVG angedeutete Erweiterung des Anwendungsbereichs der Terminsgebühr durch Erleichterung des Vergleichsschlusses auch außerhalb der mündlichen Verhandlung in diesem Verfahren nicht gelten soll. Im Ergebnis mit dem Sozialgericht Ulm (Beschluss vom 06.09.2006, S 11 SB 3004/06 KO-A) wird davon ausgegangen, dass es sich bei der Nichtaufnahme dieser Variante in Nr. 3106 VV RVG um ein gesetzgeberisches Versehen handelt. Anderenfalls würde nämlich die vom Gesetzgeber gerade nicht mehr gewollte Praxis, einen gerichtlichen Verhandlungstermin nur um der anwaltlichen Gebühr willen anzusetzen, perpetuiert werden (BAG a.a.O.). Man würde im Übrigen § 278 Abs. 6 ZPO seines Hauptzwecks berauben, ohne mündliche Verhandlung schnell zu einer vollstreckbaren Vergleichslösung zu kommen.
17 
Die Terminsgebühr gemäß Nr. 3106 VV RVG war als Mittelgebühr in Höhe von 200,00 EUR festzusetzen. Hinzu kommt die Mehrwertsteuer in Höhe von 38,00 EUR.
18 
Der Sache wird grundsätzliche Bedeutung beigemessen gem. § 56 Abs. 2 RVG iVm. § 33 Abs. 3 RVG, weshalb die Beschwerde für die Staatskasse zuzulassen war.

Das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch kostenfrei, soweit sie in dieser jeweiligen Eigenschaft als Kläger oder Beklagte beteiligt sind. Nimmt ein sonstiger Rechtsnachfolger das Verfahren auf, bleibt das Verfahren in dem Rechtszug kostenfrei. Den in Satz 1 und 2 genannten Personen steht gleich, wer im Falle des Obsiegens zu diesen Personen gehören würde. Leistungsempfängern nach Satz 1 stehen Antragsteller nach § 55a Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative gleich. § 93 Satz 3, § 109 Abs. 1 Satz 2, § 120 Absatz 1 Satz 2 und § 192 bleiben unberührt. Die Kostenfreiheit nach dieser Vorschrift gilt nicht in einem Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2).