Sozialgericht Regensburg Entscheidung, 04. Juli 2018 - S 13 VJ 2/16

bei uns veröffentlicht am04.07.2018

Tenor

I. Die Klage gegen den Bescheid des Zentrums Bayern Familie und Soziales - Region Oberpfalz vom 01.10.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Zentrums Bayern Familie und Soziales - Landesversorgungsamt vom 22.02.2016 wird abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Versorgungsrente aufgrund einer Impfung im Jahr 1985 im Wege eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 SGB X streitig.

Der am 21.08.1985 geborene Kläger erhielt am 22.08.1985 eine BCG-Impfung gegen Tuberkulose mit einem Impfstoff der A-Firma (Chargennummer 311 766).

In der zeitlichen Folge entwickelten sich beim Kläger erste Krampfanfälle, zu deren genauem Zeitpunkt divergierende ärztliche Berichte existieren: Einem Bericht des Herrn Dr. S. vom 27.08.1985 zufolge hätten sich erste Anfälle am „2. Tag post partum plötzlich“ gezeigt. Nach einem Bericht des Städtischen Krankenhauses W. vom 27.09.1985 seien zwei typische Krampfanfälle dagegen bereits „11 Stunden nach der Geburt“ aufgetreten.

Am 11.04.2005 beantragte der Kläger beim Amt für Versorgung und Familienförderung Regensburg erstmals Beschädigtenversorgung nach dem Infektionsschutzgesetz wegen epileptischer Anfälle und einer spastischen Lähmung infolge dieser Impfung.

Nach Durchführung medizinischer Sachverhaltsermittlungen und Einholung versorgungsärztlicher Stellungnahmen wurde der Antrag des Klägers mit Bescheid vom 10.07.2006 abgelehnt. Es sei keine kausale Verknüpfung zwischen den bestehenden Behinderungen mit der angeschuldigten BCG-Impfung herstellbar. Bereits elf Stunden nach der Geburt seien erste Krampfanfälle aufgetreten, worauf eine Verlegung aus dem Krankenhaus O. nach W. erfolgt sei. Bei der Liquoruntersuchung seien bereits Hinweise auf eine intrazerebrale Blutung gegeben gewesen, welche sich durch eine Ultraschalluntersuchung und ein Computertomogramm am Aufnahmetag und somit vor der Impfung bestätigt habe. Die Lage der Blutung rechts parieto-occipital passe zu einer späteren linksbetonten Lähmung. Es sei damals auch eine Kultur des Liquors angelegt worden, die am 31.08.1985 als steril (und damit auch ohne Nachweis von Tuberkelbakterien) befundet worden sei. Auch müsse nach einer Impfung eine gewisse Zeit vergehen, um Krampfanfälle auszulösen. Die spastische linksseitige Lähmung und die Krampfanfälle seien auf die Hirnblutung und nachfolgende Meningitis und somit auf schädigungsfremde Gesundheitsstörungen zurückzuführen.

Am 12.07.2006 wurde gegen diese Entscheidung Widerspruch eingelegt. Hierin wurde unter anderem ausgeführt, dass die ersten Krämpfe nicht elf Stunden nach der Geburt aufgetreten seien, sondern erst nach ca. 21 Stunden. Die Impfung sei vor Auftreten der ersten Krämpfe erfolgt. In sämtlichen Arztberichten werde dargelegt, dass der Kläger nach der Geburt hervorragende Werte aufwies; von einem etwaigen Sauerstoffmangel bzw. anderen Beschwerden sei nicht die Rede.

Mit Widerspruchsbescheid vom 24.08.2006 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Die Ungereimtheit hinsichtlich der in den Befunden angegebenen Stunden bezüglich des ersten Auftretens der Krampfanfälle und der Verlegung in das Krankenhaus W. seien nicht geeignet, einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der durchgeführten Impfung und den geltend gemachten Gesundheitsstörungen zu belegen. Der zeitliche Aspekt allein sei nicht ausreichend für die Annahme eines Impfschadens. Eine klinisch-symptomatische Schädigung des zentralen Nervensystems sei nach einer derart kurzen Latenzzeit (bis zu 24 Stunden) zwischen Impfung und ersten Symptomen (hier: dem zerebralen Anfall) bei einer BCG-Erstimpfung nahezu auszuschließen. Zudem hätten sich bei steriler Blutkultur und negativem CRP keine Infektionshinweise ergeben. Die pathophysiologischen Vorgänge, die zu einer klinisch-symptomatischen Hirnschädigung führten, benötigten in der Regel einen Zeitraum von mindestens drei Tagen nach erfolgter Impfung. Das am 22.08.1985 - also noch am Tage der Impfung erstellte - cranielle Nativ-CT habe den dringenden Verdacht auf eine große Hirnblutung bestätigt. Die weitere Diagnostik in der Kinderklinik E. habe diese große Hirnblutung, die letztlich als alleinige Ursache der nunmehr vorliegenden halbseitigen Lähmung und des Anfallsleidens angesehen werden müsse, ebenfalls bestätigt.

Gegen diese Entscheidung erhob der Kläger am 20.09.2006 eine erste Klage zum Sozialgericht Regensburg (S 3 VJ 4/06). Im Rahmen dieses Verfahrens holte das Gericht ärztliche Sachverständigengutachten ein, insbesondere ein Gutachten des Herrn Dr. R. vom 22.02.2008 nach § 106 SGG sowie ein Gutachten nach § 109 SGG des Herrn Dr. J. vom 08.09.2008 samt ergänzender Stellungnahme vom 06.11.2008. Auf den Inhalt dieser Gutachten wird vollumfänglich verwiesen; beide Sachverständige verneinten einen Kausalzusammenhang zwischen der Impfung und den gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers. Bereits damals war der Zeitpunkt des erstmaligen Auftretens der Krampfanfälle gewürdigt worden. Zudem war ein Schreiben der B-Firma vom 12.11.2008 in das Verfahren eingeführt worden, in dem sich das Unternehmen beim Kläger für die Mitteilung eines Verdachtsfalles einer unerwünschten Arzneimittelwirkung nach Gabe eines BCG-Impfstoffs bedankt, das Vorgehen zur Meldepflicht beschreibt und den Kläger um weitere medizinische Informationen bittet; auf den Inhalt wird verwiesen. Am 06.10.2009 wurde die Klage zurückgenommen.

Am 28.07.2015 ging beim Beklagten ein neuerlicher Antrag des Klägers auf Beschädigtenversorgung nach dem Infektionsschutzgesetz ein; dieser wurde als Antrag nach § 44 SGB X ausgelegt.

Mit Schreiben vom 17.08.2015 teilte der Kläger mit, er halte seinen Antrag aufrecht. Falsch sei der Bericht der Klinik W., dass er bereits 17 Stunden nach der Geburt eingeliefert worden sei. Die im Bericht enthaltenen Werte (Liquorstatus, Gliczutose) seien nach einer damaligen Auskunft eines Arztes eine allergische Reaktion auf den Stoff, der den Impfstoff haltbar mache. Es reiche aus, wenn mehr für einen Impfschaden spreche als dagegen.

Mit Bescheid des Zentrums Bayern Familie und Soziales - Region Oberpfalz vom 01.10.2015 wurde der Antrag auf Rücknahme des Bescheides vom 10.07.2016 abgelehnt. Neue Beweismittel oder Tatsachen seien nicht vorgebracht worden. Bezüglich des fehlenden kausalen Zusammenhangs zwischen den Gesundheitsstörungen und der am 22.08.1985 durchgeführten Impfung werde auf die Begründungen im Bescheid vom 10.07.2006 und im Widerspruchsbescheid vom 24.08.2006 verwiesen.

Ein hiergegen eingelegter Widerspruch vom 26.10.2015 wurde nicht weiter begründet und vom Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 22.02.2016 zurückgewiesen.

Am 29.03.2016 erhob der Kläger hiergegen Klage zum Sozialgericht Regensburg.

Mit Schriftsatz vom 15.06.2016 führte der Kläger ein Schreiben der B-Firma vom 13.01.2009 in das Verfahren ein. Hierin heißt es unter anderem, dass gemäß Arzneimittelgesetz der vorliegende Fall wegen der medizinischen Bedeutsamkeit und des bleibenden Schadens als schwerwiegend zu bewerten sei. Hirnblutungen seien nach Gabe von BCG-Impfstoffen nicht bekannt und nicht beschrieben, ebenso wenig wie Hirnblutungen ein Symptom einer allergischen Reaktion seien. Am ehesten hätten die diagnostizierten Blutgerinnungsstörungen zu der Hirnblutung beigetragen. Ein Zusammenhang mit der BCG-Impfung werde nicht gesehen. Eine diesem Schreiben beigefügte Packungsbeilage aus dem Jahr 1984 („Gebrauchsinformation der A-Firma“ zu BCG-Vaccine) wurde mit Schreiben vom 23.06.2016 nachgereicht. Auf den Inhalt der beiden Schreiben wird vollumfänglich verwiesen.

Das Gericht hat in Ausübung seiner Amtsermittlungsbefugnisse gemäß § 106 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eine Stellungnahme des Paul-Ehrlich-Instituts vom 10.03.2017 eingeholt. Darin wird unter anderem ausgeführt, dass in der Literatur bekannte Nebenwirkungen der meisten attenuierten BCG-Impfstoffe lokale oder regionale Komplikationen in Form einer existierenden oder ausgedehnten Ulzeration oder Lymphknotenschwellungen seien. Disseminierte BCG-Infektionen sowie eine Osteomyelitis seien sehr selten. Eine aktuelle Literaturrecherche habe keine weiteren Informationen über einen möglichen Zusammenhang zwischen BCG-Impfung und Hirnblutung und/oder Anfallsleiden ergeben. Das PEI habe in seinem Archiv alle Meldungen zu Verdachtsfällen von Nebenwirkungen zu BCG-Impfungen der Jahre 1985 und 1986 durchgesehen und keine Meldung über Hirnblutungen und Krampfleiden identifiziert.

Nach Durchführung eines Erörterungstermins am 10.05.2017 wurde dem Kläger mit Beschluss vom 24.07.2017 Prozesskostenhilfe u.a. vor dem Hintergrund der Würdigung des EuGH-Urteils vom 21.06.2017 gewährt.

Der Kläger bringt vor, dass seine gesundheitlichen Einschränkungen auf einen Impfschaden zurückzuführen seien. Er sei am 21.08.1985 kerngesund geboren worden. Am 22.08.1985 sei die Tuberkuloseimpfung erfolgt und danach hätten sich plötzlich Krampfanfälle gezeigt. Demgegenüber gehe der Beklagte von einem unzutreffenden Sachverhalt aus, wenn es wiederholt heiße, dass es bereits elf Stunden nach der Geburt zu Krampfanfällen gekommen und dass der Kläger bereits 17 Stunden nach der Geburt in W. eingeliefert worden sei. Die nach der Geburt ermittelten Werte seien eindeutige Hinweise auf eine allergische Reaktion, und als Auslöser dieser Reaktion komme nur die Tuberkuloseimpfung in Betracht. Die Stellungnahme der B-Firma vom 13.01.2009 habe dem Beklagten bei Erlass des Bescheides vom 10.07.2006 nicht vorgelegen; sie bestätige aber die Behauptung des Klägers, wonach die Impfung mit BCG am Morgen des ersten Tages nach der Geburt zum Folgeschaden spastische Hemiparese links mit statischen Auswirkungen auf den Stütz- und Bewegungsapparat geführt habe, über diese Einschätzung habe sich der Beklagte, der diese Stellungnahme gekannt habe, nicht hinwegsetzen dürfen. Erst nach der Impfung seien die massiven Störungen aufgetreten. Aufgrund des tatsächlichen Verlaufs ab der Geburt sei bis zum Beweis des Gegenteils davon auszugehen, dass eben und gerade die Impfung Auslöser für den späteren Dauerschaden sei. Der Impfstoff sei längst vom Markt genommen worden, und es werde auch Abstand davon genommen, Kinder derart früh zu impfen. Einer Studie von Quast und Kollegen aus dem Jahr 1986 sei zu entnehmen, dass eine Impfung mit Lebendbakterien zu Entzündungsbildung führe. Damit trage der Impfstoff das Risiko von Gehirnhautentzündungen und Hirnblutungen in sich, damit das Risiko, an spastischer Hemiparese zu erkranken. Auch eine Studie von Tardieu und Kollegen bestätige dies. Weiter habe die Mutter des Klägers zwei Wochen vor der Geburt eine Mandelentzündung/Halsentzündung gehabt und sei mit Penicillin behandelt worden; der Gesichtspunkt, ob die Entzündung der Mutter zu Vorschäden beim Kläger geführt habe, welche dann den Eintritt des Impfschadens noch wahrscheinlicher machten, sei bislang ebenfalls nicht untersucht worden. Einem Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 09.11.2007 (S 1 VJ 2/05) zufolge, als eine Entscheidung, die auch erst nach Abschluss des Verwaltungsverfahrens im Ausgangsverfahren ergangen sei, reiche es für den Leistungsanspruch aus, wenn überwiegende Gründe für das Vorliegen eines Impfschadens sprächen. Nach einer aktuellen Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 21.06.2017 komme es vorliegend auf eine wissenschaftliche Bestätigung des vom Kläger vorgetragenen Sachverhalts, der in sich schlüssig sei, gar nicht an, da bereits ernsthafte, klare und übereinstimmende Indizien vorlägen, die den Schluss auf das Vorliegen eines Fehlers des Impfstoffes sowie auf einen ursächlichen Zusammenhang zwischen diesen Fehler und der Krankheit zuließen.

Der Kläger beantragt zuletzt, den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides des ZBFS vom 01.10.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des ZBFS vom 22.02.2016 zu verurteilen, den Bescheid vom 10.07.2006 zurückzunehmen und dem Kläger Versorgungsrente nach dem IfSG in Verbindung mit dem BVG zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte wendet ein, dass keine neuen Gesichtspunkte vorgebracht worden seien, welche einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der Impfung und der frühkindlichen Hirnschädigung nahelegen bzw. eine objektive Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 10.07.2006 begründen könnten. Die Angaben des Arzneimittelherstellers seien eindeutig unrichtig zitiert worden. Auch der weiter beigelegten Packungsbeilage aus dem Jahr 1984 seien keine entsprechenden Hinweise zu entnehmen. Es gebe keinen vernünftigen Zweifel daran, dass die spastische Hemiparese und die Krampfanfälle durch die nachgewiesene Hirnblutung ausgelöst worden seien. Die Hirnblutung sei nicht durch die Impfung ausgelöst worden. Als Risikofaktor habe ein erniedrigter Quickwert vorgelegen. Die Argumentation, die BCG-Impfung könne Entzündungen einschließlich Gehirnhautentzündungen auslösen und diese könnten Ursache von Hirnblutungen sein, sei zwar im längerem Verlauf nicht völlig unmöglich, aber der zeitliche Ablauf beim Kläger sei völlig anders gewesen. Es sei nicht primär eine Meningitis aufgetreten, was gerade die Bezeichnung „lebensfrisch“ belege, sondern primär eine Hirnblutung durch niedrige Gerinnungswerte. Auch wäre eine tuberkulöse Meningitis nicht innerhalb eines Tages so ausgeprägt, dass sie eine Hirnblutung bedinge, sondern würde über mehrere Tage bis Wochen verlaufen; hierzu könne sogar auf die vom Kläger vorgelegte Literatur (Tardieu und Kollegen) verwiesen werden - beide Fälle hätten eine Meningitis erst fünf und sechs Monate nach der Impfung entwickelt. Auch seien die Fallbeschreibungen gänzlich different, da dort im Liquor der Impfstamm des Bakteriums hoch positiv gewesen sei; im Gegensatz dazu seien der Liquor und die Kultur im vorliegenden Fall steril gewesen. Zusammenfassend handele es sich beim Auftreten einer großen Blutung mit Mittellinienverlagerung am Tag nach der Geburt um eine schwere Erkrankung, die das Auftreten einer spastischen Hemiparese mit Krampfanfällen schlüssig erkläre. Auch die Spekulationen im Zusammenhang mit der Behandlung der Mutter während der Schwangerschaft mit einem Antibiotikum führten nicht weiter. Der Bescheid aus dem Jahr 2006 sei weiter als zutreffend anzusehen.

Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhalts wegen der Einzelheiten auf die Akte des Beklagten und die Akten des Sozialgerichts (einschließlich der Alt-Akte S 3 VJ 4/06) verwiesen.

Die Beteiligten wurden mit Schreiben vom 12.03.2018 zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid gemäß § 105 SGG angehört. Sie erklärten sich hiermit einverstanden.

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet: Der bestandskräftige Bescheid des Beklagten vom 10.07.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.08.2006 erweist sich weiterhin als rechtmäßig; neue relevante Tatsachen oder Beweismittel wurden nicht vorgebracht. Der Beklagte durfte sich zu Recht ohne weitere Sachprüfung darauf beziehen.

Das Gericht kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist; die Beteiligten sind vorher gehört worden, § 105 Abs. 1 SGG.

I.

Die Klage ist zulässig.

Streitgegenstand ist neben der Anfechtung der belastenden Bescheide das Begehren zur Verpflichtung des Beklagten zur Zurücknahme des bestandskräftigen Bescheides vom 10.07.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.08.2006 und zur Gewährung von Versorgungsrente nach dem IfSG in Verbindung mit dem BVG.

Die Klage ist statthaft als kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 S. 1 SGG). Auch die weiteren Zulässigkeitsvoraussetzungen liegen vor, insbesondere wurde die Klage form- und fristgerecht (der 28.03.2016 war der Ostermontag) erhoben. Das Gericht ist sachlich und örtlich zuständig.

II.

Da das IfSG am 1. Januar 2001 in Kraft getreten ist, bei zeitgleichem Außerkrafttreten des BSeuchG ohne Übergangsvorschrift, ist im Hinblick auf den Entschädigungsanspruch bis zum Inkrafttreten des IfSG das BSeuchG weiterhin anzuwenden, sofern der Antrag auf Entschädigung vor dem 01.01.2001 gestellt wurde; d.h. für einen Anspruchszeitraum bis zum 31.12.2000 ist § 51 Abs. 1 BSeuchG zu prüfen, für den Zeitraum ab 01.01.2001 dagegen § 60 IfSG (vgl. etwa BSG, Urteil vom 20. Juli 2005 - B 9a/9 VJ 2/04 R). Ist der Antrag auf Entschädigung - wie hier - erst nach dem 01.01.2001 gestellt worden, ist dagegen ausschließlich auf das IfSG abzustellen.

Nach § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 IfSG erhält bei einem Impfschaden u.a. Versorgung, wer durch eine Schutzimpfung, die von einer zuständigen Landesbehörde öffentlich empfohlen und in ihrem Bereich vorgenommen worden ist, eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat. Nach § 61 Satz 1 IfSG genügt zur Anerkennung eines Gesundheitsschadens als Folge einer Schädigung im Sinn des § 60 Abs. 1 Satz 1 IfSG die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs. Wenn diese Wahrscheinlichkeit nur deshalb nicht gegeben ist, weil über die Ursache des festgestellten Leidens in der medizinischen Wissenschaft Ungewissheit besteht, kann gemäß § 61 Satz 2 IfSG mit Zustimmung der für die Kriegsopferversorgung zuständigen obersten Landesbehörde der Gesundheitsschaden als Folge einer Schädigung im Sinn des § 60 Abs. 1 Satz 1 IfSG anerkannt werden. Die BCG-Impfung vom 22.08.1985 fiel (zum damaligen Zeitpunkt) in den Schutzbereich des IfSG.

Nachdem der Bescheid vom 10.07.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.08.2006 aber durch Rücknahme der Klage S 3 VJ 4/06 bestandskräftig wurde und der Beklagte sich ohne erneute Sachprüfung und Sachentscheidung auf die damaligen Bescheide bezogen hat, kann eine gerichtliche Überprüfung nur eingeschränkt erfolgen (vgl. hierzu und zum folgenden die Ausführungen des Bayerischen Landessozialgerichts in den Urteilen vom 18.03.2013 - L 15 VK 11/11, vom 08.04.2014 - L 15 VK 2/11 und vom 07.05.2014 - L 15 VK 10/13):

Ausgangspunkt ist die gesetzliche Regelung des § 77 SGG, wonach ein Verwaltungsakt für die Beteiligten in der Sache bindend wird, wenn ein Rechtsbehelf nicht oder erfolglos eingelegt wird. Diese Bestandskraft (Unanfechtbarkeit) ist ein wesentliches Prinzip der Rechtsordnung. Mit der Bestandskraft wird Rechtssicherheit geschaffen, weil die Beteiligten wissen, woran sie sind, nämlich dass die Regelung des Verwaltungsakts sie bindet, und Rechtsfrieden garantiert, weil weiterer Streit über den Verwaltungsakt ausgeschlossen ist. Für den Adressaten des Verwaltungsakts ist damit keine unangemessene Benachteiligung verbunden, hat er doch die Möglichkeit, sich im Rahmen der zur Verfügung stehenden Rechtsmittel gegen einen Bescheid zu wehren und dessen Rechtmäßigkeit überprüfen zu lassen. Schöpft er diese Mittel nicht aus oder akzeptiert er den Verwaltungsakt, weil er selbst keinen überzeugenden Zweifel an der Rechtmäßigkeit hat, müssen die Beteiligten die getroffene Regelung in der Zukunft für und gegen sich gelten lassen.

Die Regelung des § 44 SGB X ermöglicht unter bestimmten Voraussetzungen eine ausnahmsweise Abweichung von der Bindungswirkung (Bestandskraft) unanfechtbarer und damit für die Beteiligten bindend gewordener sozialrechtlicher Verwaltungsakte, um damit materielle Rechtmäßigkeit herzustellen. § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X eröffnet dazu zwei Alternativen. Entweder muss bei der bestandskräftig gewordenen Entscheidung das Recht unrichtig angewandt worden (erste Alternative) oder die Behörde muss beim Erlass des bestandskräftig gewordenen Verwaltungsakts von einem Sachverhalt ausgegangen sein, der sich nachträglich aufgrund des Bekanntwerdens neuer Tatsachen als unrichtig erwiesen hat (zweite Alternative).

Beide Tatbestandsvarianten des § 44 SGB X sind vorliegend nicht nachgewiesen:

1. Keine unrichtige Rechtsanwendung

Bei dieser Alternative des § 44 SGB X handelt es sich um eine rein rechtliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit der bestandskräftig gewordenen Entscheidung, bei der es auf den Vortrag neuer Tatsachen nicht ankommt und die von Amts wegen zu erfolgen hat (vgl. BSG, Urteil vom 05.09.2006, Az.: B 2 U 24/05 R). Eine derartige Überprüfung bedeutet jedoch nicht, dass eine vollständige Überprüfung des Sachverhalts mittels neuer Ermittlung des Sachverhalts und neu einzuholender Gutachten durchzuführen wäre. Vielmehr ist lediglich aus rein rechtlicher Sicht zu würdigen, ob der der bestandskräftig gewordenen Entscheidung zu Grunde liegende Sachverhalt rechtlich zutreffend beurteilt und rechtlich in nicht zu beanstandender Weise bewertet worden ist. Weitergehende Sachermittlungen sind im Rahmen der ersten Alternative nicht geboten, sondern es sind die tatsächlichen Feststellungen, wie sie dem bestandskräftigen Bescheid zu Grunde gelegen haben, auch im Überprüfungsverfahren zu beachten und lediglich zu prüfen, ob auf diesen Tatsachen aufbauend, unabhängig von ihrer Richtigkeit, die rechtlichen Schlussfolgerungen zutreffend sind (vgl. zum Ganzen BayLSG, Urteile vom 18.03.2013 - L 15 VK 11/11, vom 08.04.2014 - L 15 VK 2/11 und vom 07.05.2014 - L 15 VK 10/13). Daran bestehen vorliegend keine Zweifel:

a. Kein Nachweis einer anderen versorgungsmedizinischen (= versorgungsrechtlichen) Einschätzung Das Gericht hält die Einschätzung des Beklagten weiterhin für zutreffend, auch unabhängig von der offenen Frage, zu welchem Zeitpunkt die Krampfanfälle erstmalig aufgetreten sind.

Ein Zusammenhang zwischen BCG-Impfungen und Gehirnblutungen, Anfallsleiden oder allergischen Reaktionen ist wissenschaftlich nicht bekannt. Dies bestätigt auch das Paul-Ehrlich-Institut noch einmal in seinem Schreiben vom 10.03.2017. Auch der Sachverständige Dr. J. vertrat diese Auffassung schon im ersten sozialgerichtlichen Verfahren S 3 VJ 4/06 (vgl. seine ergänzende Stellungnahme vom 06.11.2008), wobei er zusätzlich anführte, dass es für eine allergische Reaktion auch keinerlei Aufzeichnungen gebe; die vom Klägerbevollmächtigten in der Klageschrift zitierten Werte hatte der Sachverständige bereits damals gewürdigt.

(Theoretisch) denkbar erscheint dem Gericht nur dann ein Zusammenhang, wenn es zu einer impfbedingten Meningitis gekommen wäre. Dies geben die medizinischen Fakten aber bis heute nicht her: Denn auch wenn es möglich ist, dass Impfungen zu einer Entzündung einschließlich einer Hirnhautentzündung führen können, tritt dies nicht sofort ein, sondern erst in der zeitlichen Folge mehrerer Tage bis Wochen. Dies zeigt gerade auch die vom Kläger in Bezug genommene Veröffentlichung einer Fallstudie von Tardieux und Kollegen (Tuberculous meningitis due to BCG in two previosly healthy children, The Lancet, 1988, 440 - 441), die eine zeitliche Latenz von mehreren Monaten beschreiben. Dass beim Kläger ein atypisch frühzeitiges entzündliches Geschehen eingesetzt hätte, lässt sich mit der vorliegenden medizinischen Dokumentation nicht belegen; im Gegenteil war der gezogene Liquor ebenso steril wie die gesetzte Kultur.

Damit bleibt als naheliegender (konkurrierender) Faktor der erniedrigte Quick-Wert nach der Geburt. Dieser steht aber mit der Impfung in keinerlei Zusammenhang. b. Keine Änderung der Rechtslage durch die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 21.06.2017 Auch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 21.06.2017 (C-621/15) ändert nichts an den bislang geltenden Beweismaßstäben des IfSG. Denn in dem zugrundeliegenden Fall ging es um die (zivilrechtliche) Frage der Haftung eines Herstellers für fehlerhafte Produkte (dort: des Herstellers eines Impfstoffs gegen Hepatitis B) für das Auftreten einer multiplen Sklerose bei der geimpften Person. Der EuGH hatte sich mit der Auslegung einer europäischen Richtlinie zur Haftung für fehlerhafte Produkte zu beschäftigen, welche in französisches nationales Recht umgesetzt worden war; dies ist nicht vergleichbar mit der Versorgung bei Impfschäden nach dem IfSG.

Teilweise wird hierzu vertreten, dass das Urteil des EuGH für die Rechtsanwendung nach deutschem Recht, insbesondere dem Arzneimittelhaftungsrecht, ohnehin keine nennenswerten praktischen Auswirkungen habe und der EuGH den Kausalitätsnachweis nicht erleichtert habe (vgl. Bomsdorf/Seehawer; Grenzen von Beweiserleichterungen in der Produkthaftung, Neue juristische Wochenschrift 2017, 2743 - 2744; ebenso Czettritz/Thewes, Anmerkung zum Urteil des EuGH vom 21.06.2017, C-621/15 - Zur Beweislast bei Fragen zur Haftung für einen fehlerhaften Impfstoff, PharmR 2017, 392 - 394; im Kern auch: Kuchheuser; Anmerkung zu einer Entscheidung des EuGH vom 21.06.2017, C-621/15 - Zur Grenze von Beweiserleichterungen in der Produkthaftung, NVwZ 2017, 1524 - 1525).

Aber selbst bei Annahme einer Ausweitung der Erleichterungen zu Beweisanforderungen hat diese Rechtsprechung des EuGH keine bindende Wirkung: Denn das deutsche IfSG beruht nicht auf der europäischen Richtlinie 85/374/EWG des Rates vom 25. Juli 1985 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Haftung für fehlerhafte Produkte, so dass etwaige Auslegungsvorgaben des EuGH zur Beweislast in Produkthaftungsfällen hier nicht bindend sind.

Unabhängig von diesem formalen Argument ist es aber auch nicht angezeigt, diese Vorgaben über die Auslegung des Begriffs der Wahrscheinlichkeit in das deutsche Impfschadensrecht zu übernehmen: Dies wäre eine weitere Beweiserleichterung, die das Gesetz nicht vorsieht. Das Bundessozialgericht (BSG, Urteil vom 27.8.1998 - B 9 VJ 2/97 R) hat hierzu bereits früher entschieden, dass die objektive Beweislast bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Ursachenzusammenhanges beim Geimpften liegt, und zwar auch bei unaufgeklärtem Ursachenzusammenhang zwischen Impfung und dauerndem Gesundheitsschaden; die gesetzlichen Beweiserleichterungen (Wahrscheinlichkeit des Ursachenzusammenhangs, Kann-Versorgung) seien ausreichend. Dem schließt sich das Gericht im vollen Umfang an.

c. Keine neue Rechtslage durch eine Entscheidung des Sozialgerichts Würzburg vom 09.11.2007 (S 1 VJ 2/05)

Ebenso kann einer Entscheidung des Sozialgerichts Würzburg vom 09.11.2007 keine Änderung der Rechtslage nach Eintritt der Bestandskraft entnommen werden, zumal die erste Klage (S 3 VJ 4/06) erst im Jahr 2009 zurückgenommen wurde.

Unabhängig davon, dass die Entscheidung nicht veröffentlicht ist, stellt ihr (vom Klägerbevollmächtigten zitierter) Inhalt keine Neuerung dar, wenn es geheißen haben soll, dass für die Annahme eines Impfschadens überwiegende Gründe sprechen müssen. Es handelt sich vielmehr um die Definition der „Wahrscheinlichkeit des Kausalzusammenhangs“, wie sie auch vom Beklagten und dem Gericht der Entscheidung zugrunde gelegt wurde.

2. Keine neuen (relevanten) Tatsachen und Beweismittel

Für die zweite Alternative kommt es auf die Benennung neuer Tatsachen und Beweismittel im Rahmen eines abgestuften Verfahrens an (vgl. BSG, Urteil vom 03.02.1988, Az.: 9/9a RV 18/86, das auch im Urteil des BSG vom 05.09.2006, Az.: B 2 U 24/05 R nicht infrage gestellt worden ist). Die Prüfung bei dieser zweiten Alternative hat sich an den rechtlichen Vorgaben zu orientieren, wie sie auch im Rahmen eines gerichtlichen Wiederaufnahmeverfahrens zu beachten sind. Es liegt daher der zweiten Alternative ein Verfahren zugrunde, bei der es auf die Benennung neuer Tatsachen und Beweismittel ankommt (vgl. BSG, Urteil vom 05.09.2006, Az.: B 2 U 24/05 R). Ergibt sich bei diesem Verfahren nichts Neues, was für die Unrichtigkeit der Vorentscheidung sprechen könnte, darf sich die Verwaltung ohne jede Sachprüfung auf die Bindungswirkung der bestandskräftigen Entscheidung berufen. Werden zwar neue Tatsachen oder Erkenntnisse vorgetragen und neue Beweismittel benannt, ergibt aber die Prüfung, dass die vorgebrachten Gesichtspunkte nicht tatsächlich vorliegen oder für die frühere Entscheidung nicht erheblich waren, darf sich die Behörde ebenfalls auf die Bindungswirkung stützen. Eine Behörde ist daher nur dann, wenn die Prüfung zu dem Ergebnis führt, dass ursprünglich nicht bekannte Tatsachen oder Erkenntnisse vorliegen, die für die Entscheidung wesentlich sind, oder wenn sich herausstellt, dass das Recht unrichtig angewandt worden ist, dazu verpflichtet, ohne Rücksicht auf die Bindungswirkung erneut zu entscheiden (vgl. BSG, Urteil vom 03.02.1988, Az.: 9/9a RV 18/86).

a. Rechtliche Präklusion bei verspätetem Vortrag von Tatsachen oder Beweismitteln erst nach Abschluss des Widerspruchsverfahrens im Gerichtsverfahren Der vom Beklagten zutreffend nach § 133 BGB als Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X ausgelegte Antrag des Klägers vom 24.07.2015 wurde im Verwaltungsverfahren kaum begründet. Es liegt lediglich eine Stellungnahme des Klägers vom 17.08.2015 vor. Im Widerspruchsverfahren wurde der Kläger anwaltlich vertreten; doch trotz gewährter Akteneinsicht erfolgte keine weitere Begründung des Widerspruchs. Weitere Tatsachen wurden dagegen erst im Gerichtsverfahren vorgelegt.

§ 44 Abs. 1 S. 1 SGB X sieht eine Überprüfung nur „im Einzelfall“ vor. Dementsprechend wird in der Rechtsprechung eine inhaltliche Prüfpflicht der Behörde verneint, wenn nicht ein einzelner oder mehrere konkrete, bestimmbare Verfügungssätze von Verwaltungsakten, sondern das Verwaltungshandeln insgesamt zur Überprüfung durch die Verwaltung gestellt wird (vgl. etwa BSG Beschluss vom 14.3.2012 - B 4 AS 239/11 B). Ein Prüfanliegen „im Einzelfall“ ist daher erst dann zu bejahen, wenn entweder eine bestimmte Fragestellung tatsächlicher oder rechtlicher Natur oder eine konkrete Verwaltungsentscheidung benannt wird (vgl. BSG, Urteil vom 13. Februar 2014 - B 4 AS 22/13 R). Dies ist vorliegend zwar grundsätzlich - jedenfalls nach Auslegung (§ 133 BGB) des Antrags des Klägers vom 24.07.2015 - zu bejahen, weil klar war, dass der Kläger sich gegen den Bescheid vom 10.07.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.08.2006 wandte.

In welchem Umfang eine Behörde ihrer Amtsermittlungspflicht nachzukommen hat, beurteilt sich jedoch nach Lage des Einzelfalls: Als Kriterium für den Umfang der Amtsermittlungspflicht ist beispielsweise zu berücksichtigen, ob der Leistungsberechtigte (mit juristischem Sachverstand) vertreten oder unvertreten ist oder ob sich aus vorangegangenen Kontakten zwischen ihm und der Verwaltung Anhaltspunkte für das Begehren des Antragstellers ergeben; auch kann von Bedeutung sein, in welchem Gesamtkontext ein Überprüfungsantrag gestellt wird (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 13. Februar 2014 - B 4 AS 22/13 R; ebenso BSG, Urteil vom 28. Oktober 2014 - B 14 AS 39/13 R). Demzufolge genügt es nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nicht, wenn der Leistungsberechtigte eine Nachbesserung des bis dahin unbestimmten und nicht objektiv konkretisierbaren Antrags erst im Klageverfahren vornimmt. Für die Beurteilung, ob die formellen Erfordernisse eines solchen Antrags vorliegen, der überhaupt erst eine Prüfpflicht des Leistungsträgers auslöst, ist auf die zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung zu diesem Überprüfungsantrag vorgetragenen tatsächlichen und/oder rechtlichen Anhaltspunkte abzustellen (BSG, Urteil vom 13. Februar 2014 - B 4 AS 22/13 R; Urteil vom 28. Oktober 2014 - B 14 AS 39/13 R).

Unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung geht das Gericht vorliegend davon aus, dass ein für den Kläger „negativer“ Überprüfungsbescheid nach § 44 SGB X nicht erfolgreich durch die Anführung von Tatsachen oder Beweismitteln angegriffen werden kann, die dem Betroffenen im Zeitpunkt des Verwaltungs- und Widerspruchsverfahrens bereits vorlagen, die aber der Behörde bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens nicht bekannt gegeben wurden. Denn nur bei tatsächlich vorgebrachten Tatsachen oder Beweismitteln kann eine Behörde darüber entscheiden, ob sie in eine neuerliche Sachprüfung einsteigen muss oder nicht; Ermittlungen „ins Blaue hinein“ sind der Behörde nicht zumutbar. Dies ist gleichzeitig auch der Prüfungsmaßstab für ein Gericht, das (zunächst) zu prüfen hat, ob sich die Behörde zu Recht auf eine bestandskräftigte Entscheidung beruft, ohne eine erneute Sachprüfung vorzunehmen. Inwieweit dies auch gilt, wenn Tatsachen oder Beweismittel überhaupt erst nach Abschluss des Widerspruchsverfahrens bekannt werden, kann vorliegend dahinstehen.

b. Schreiben der B-Firma

Nach den unter Ziffer II. 2. a. dargestellten Grundsätzen hätte der Kläger das Schreiben bereits während des Verwaltungs- und Widerspruchsverfahrens zu seinem Überprüfungsantrag vorlegen können. Eine Vorlage erfolgte erst im Gerichtsverfahren. Damit ist nach den obigen Ausführungen das Schreiben bereits formal nicht geeignet, die Entscheidung des Beklagten (Absehen von einer weiteren inhaltlichen Sachprüfung) in Frage zu stellen.

Unabhängig davon stellt das Schreiben der B-Firma vom 13.01.2009 weder eine neue Tatsache noch ein neues Beweismittel dar. Insbesondere wird damit kein Impfschadensfall bestätigt, sondern - ganz im Gegenteil - ausgeführt, dass Hirnblutungen nach Gabe von BCG-Impfstoffen nicht bekannt und nicht beschrieben seien und dass am ehesten die diagnostizierten Blutgerinnungsstörungen zu der Hirnblutung beigetragen hätten. Auch erhielt der Kläger das Schreiben noch während des ersten Gerichtsverfahrens S 3 VJ 4/06 (die Klagerücknahme wurde erst am 06.10.2009 erklärt).

c. Vorlage der Packungsbeilage der A-Firma aus dem Jahr 1984

Die Packungsbeilage war dem Schreiben der B-Firma vom 13.01.2009 beigefügt. Dementsprechend gilt hier dasselbe wie unter Ziffer II. 2. a. und b. ausgeführt.

Unabhängig davon ist die Erkrankung des Klägers in der überlassenen Gebrauchsinformation der damaligen A-Firma überhaupt nicht erwähnt, so dass bereits aus diesem Grund kein neuer Sachvortrag im Sinne des § 44 SGB X vorliegt.

Auch die Auskunft des Paul-Ehrlich-Instituts vom 10.03.2017 zeigt, dass die Erkrankungen des Klägers nicht zu den bekannten Nebenwirkungen des BCG-Impfstoffs gehören.

Unabhängig davon führt die Anführung einer Erkrankung unter den „Nebenwirkungen“ in Medizinprodukte-Informationen (Beipackzettel) eines Impfstoffs nicht dazu, dass dadurch automatisch ein Kausalzusammenhang nachgewiesen wäre (Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 15.6.2012 - L 13 VJ 59/11).

d. Zeitpunkt des erstmaligen Auftretens von Krampfanfällen

Der Umstand, dass zum Zeitpunkt des erstmaligen Auftretens der Krampfanfälle unterschiedliche ärztliche Berichte vorliegen, ist keine neue Tatsache. Dies war bereits im Ausgangsverfahren bekannt und aktenkundig (vgl. Bl. 76 ff. der Versorgungsakte).

Zudem beschäftigten sich auch die Sachverständigen mit dieser Frage, insbesondere der gerichtliche Sachverständige Dr. J. im ersten sozialgerichtlichen Verfahren S 3 VJ 4/06.

Auch wenn sicher viel für die Einschätzung des Klägers spricht, liegt ein sicherer Nachweis nicht vor. Angesichts der medizinischen Rahmenbedingungen würde aber selbst ein Nachweis der klägerischen Ansicht vorliegend nicht zu einer abweichenden versorgungsmedizinischen Beurteilung führen (vgl. oben Ziffer 1. a.).

e. Entzündungserkrankung der Mutter während der Schwangerschaft mit Penicillin-Behandlung

Medizinische Nachweise von Folgen für den Kläger einer Entzündungserkrankung der Mutter während der Schwangerschaft mit Penicillin-Behandlung liegen nicht vor (dokumentiert ist im Bericht des Krankenhauses W. vom 27.09.1985 lediglich eine mit Penicillin behandelte Mandelentzündung der Mutter während der Schwangerschaft, so dass dies ebenfalls keine neue Tatsache ist).

Nicht dokumentiert sind Folgen hiervon für den Kläger. Auf rein spekulativer Grundlage aber kann eine Anerkennung nach dem IfSG nicht erfolgen, zumal auch in diesem Falle (bereits theoretisch) unklar bleibt, inwiefern die Verabreichung des Impfstoffs eine wesentliche Ursache für die Entstehung oder Verschlimmerung der Gesundheitsstörungen des Klägers sein kann. 3. Keine weitere Beweisaufnahme Hat eine Behörde unter zutreffender Anwendung des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X eine erneute Sachprüfung und Sachentscheidung abgelehnt, kann sich das Gericht über diese Entscheidung nicht hinwegsetzen und den gesamten Sachverhalt einer wiederholten Sachprüfung unterziehen. Denn § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X gibt nur der Verwaltung selbst, nicht aber dem Gericht die Möglichkeit, sich über eine frühere negative Entscheidung zu Gunsten des Antragstellers hinwegzusetzen (vgl. BSG, Beschluss vom 09.08.1995, Az.: 9 BVG 5/95; Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteil vom 11.04.2004, Az.: L 8 U 115/02; ständige Rspr. des Senats, vgl. z.B. Urteil vom 18.02.2014, Az.: L 15 VK 3/12). Eine erneute Begutachtung durch Einholung von Sachverständigengutachten scheidet dann aus (sowohl nach § 106 SGG als auch nach § 109 SGG), vgl. BayLSG, Urteile vom 18.03.2013 - L 15 VK 11/11, vom 08.04.2014 - L 15 VK 2/11 und vom 07.05.2014 - L 15 VK 10/13.

III.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Sozialgericht Regensburg Entscheidung, 04. Juli 2018 - S 13 VJ 2/16

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Sozialgericht Regensburg Entscheidung, 04. Juli 2018 - S 13 VJ 2/16 zitiert 14 §§.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 133 Auslegung einer Willenserklärung


Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

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(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 44 Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes


(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbrach

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 109


(1) Auf Antrag des Versicherten, des behinderten Menschen, des Versorgungsberechtigten oder Hinterbliebenen muß ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Die Anhörung kann davon abhängig gemacht werden, daß der Antragsteller die Kosten vorschieß

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(1) Das Gericht kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten sind vorher zu hören. Die

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 77


Wird der gegen einen Verwaltungsakt gegebene Rechtsbehelf nicht oder erfolglos eingelegt, so ist der Verwaltungsakt für die Beteiligten in der Sache bindend, soweit durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist.

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(1) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende Angaben tatsächlicher Art ergänzt sowie alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlich

Infektionsschutzgesetz - IfSG | § 60 Versorgung bei Impfschaden und bei Gesundheitsschäden durch andere Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe


(1) Wer durch eine Schutzimpfung oder durch eine andere Maßnahme der spezifischen Prophylaxe, die1.von einer zuständigen Landesbehörde öffentlich empfohlen und in ihrem Bereich vorgenommen wurde,1a.gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 aufgrund einer Rech

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Zur Anerkennung eines Gesundheitsschadens als Folge einer Schädigung im Sinne des § 60 Abs. 1 Satz 1 genügt die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs. Wenn diese Wahrscheinlichkeit nur deshalb nicht gegeben ist, weil über die Ursache des

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Sozialgericht Regensburg Entscheidung, 04. Juli 2018 - S 13 VJ 2/16 zitiert oder wird zitiert von 5 Urteil(en).

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Bundessozialgericht Urteil, 28. Okt. 2014 - B 14 AS 39/13 R

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Bundessozialgericht Urteil, 13. Feb. 2014 - B 4 AS 22/13 R

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Tenor Die Beschwerde der Kläger gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 29. September 2011 wird als unzulässig verworfen.

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(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

(1) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende Angaben tatsächlicher Art ergänzt sowie alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.

(2) Der Vorsitzende hat bereits vor der mündlichen Verhandlung alle Maßnahmen zu treffen, die notwendig sind, um den Rechtsstreit möglichst in einer mündlichen Verhandlung zu erledigen.

(3) Zu diesem Zweck kann er insbesondere

1.
um Mitteilung von Urkunden sowie um Übermittlung elektronischer Dokumente ersuchen,
2.
Krankenpapiere, Aufzeichnungen, Krankengeschichten, Sektions- und Untersuchungsbefunde sowie Röntgenbilder beiziehen,
3.
Auskünfte jeder Art einholen,
4.
Zeugen und Sachverständige in geeigneten Fällen vernehmen oder, auch eidlich, durch den ersuchten Richter vernehmen lassen,
5.
die Einnahme des Augenscheins sowie die Begutachtung durch Sachverständige anordnen und ausführen,
6.
andere beiladen,
7.
einen Termin anberaumen, das persönliche Erscheinen der Beteiligten hierzu anordnen und den Sachverhalt mit diesen erörtern.

(4) Für die Beweisaufnahme gelten die §§ 116, 118 und 119 entsprechend.

(1) Auf Antrag des Versicherten, des behinderten Menschen, des Versorgungsberechtigten oder Hinterbliebenen muß ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Die Anhörung kann davon abhängig gemacht werden, daß der Antragsteller die Kosten vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts endgültig trägt.

(2) Das Gericht kann einen Antrag ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist.

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

(1) Das Gericht kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten sind vorher zu hören. Die Vorschriften über Urteile gelten entsprechend.

(2) Die Beteiligten können innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheids das Rechtsmittel einlegen, das zulässig wäre, wenn das Gericht durch Urteil entschieden hätte. Ist die Berufung nicht gegeben, kann mündliche Verhandlung beantragt werden. Wird sowohl ein Rechtsmittel eingelegt als auch mündliche Verhandlung beantragt, findet mündliche Verhandlung statt.

(3) Der Gerichtsbescheid wirkt als Urteil; wird rechtzeitig mündliche Verhandlung beantragt, gilt er als nicht ergangen.

(4) Wird mündliche Verhandlung beantragt, kann das Gericht in dem Urteil von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Gerichtsbescheids folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.

(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.

(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.

(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.

(1) Wer durch eine Schutzimpfung oder durch eine andere Maßnahme der spezifischen Prophylaxe, die

1.
von einer zuständigen Landesbehörde öffentlich empfohlen und in ihrem Bereich vorgenommen wurde,
1a.
gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 aufgrund einer Rechtsverordnung nach § 20i Absatz 3 Satz 2 Nummer 1 Buchstabe a, auch in Verbindung mit Nummer 2, des Fünften Buches Sozialgesetzbuch vorgenommen wurde,
2.
auf Grund dieses Gesetzes angeordnet wurde,
3.
gesetzlich vorgeschrieben war oder
4.
auf Grund der Verordnungen zur Ausführung der Internationalen Gesundheitsvorschriften durchgeführt worden ist,
eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, erhält nach der Schutzimpfung wegen des Impfschadens im Sinne des § 2 Nr. 11 oder in dessen entsprechender Anwendung bei einer anderen Maßnahme wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Schädigung auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes, soweit dieses Gesetz nichts Abweichendes bestimmt. Satz 1 Nr. 4 gilt nur für Personen, die zum Zwecke der Wiedereinreise in den Geltungsbereich dieses Gesetzes geimpft wurden und die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in diesem Gebiet haben oder nur vorübergehend aus beruflichen Gründen oder zum Zwecke der Ausbildung aufgegeben haben, sowie deren Angehörige, die mit ihnen in häuslicher Gemeinschaft leben. Als Angehörige gelten die in § 10 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch genannten Personen.

(2) Versorgung im Sinne des Absatzes 1 erhält auch, wer als Deutscher außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes einen Impfschaden durch eine Impfung erlitten hat, zu der er auf Grund des Impfgesetzes vom 8. April 1874 in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 2126-5, veröffentlichten bereinigten Fassung, bei einem Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzes verpflichtet gewesen wäre. Die Versorgung wird nur gewährt, wenn der Geschädigte

1.
nicht im Geltungsbereich dieses Gesetzes geimpft werden konnte,
2.
von einem Arzt geimpft worden ist und
3.
zur Zeit der Impfung in häuslicher Gemeinschaft mit einem Elternteil oder einem Sorgeberechtigten gelebt hat, der sich zur Zeit der Impfung aus beruflichen Gründen oder zur Ausbildung nicht nur vorübergehend außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes aufgehalten hat.

(3) Versorgung im Sinne des Absatzes 1 erhält auch, wer außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes einen Impfschaden erlitten hat infolge einer Pockenimpfung auf Grund des Impfgesetzes oder infolge einer Pockenimpfung, die in den in § 1 Abs. 2 Nr. 3 des Bundesvertriebenengesetzes bezeichneten Gebieten, in der Deutschen Demokratischen Republik oder in Berlin (Ost) gesetzlich vorgeschrieben oder auf Grund eines Gesetzes angeordnet worden ist oder war, soweit nicht auf Grund anderer gesetzlicher Vorschriften Entschädigung gewährt wird. Ansprüche nach Satz 1 kann nur geltend machen, wer

1.
als Deutscher bis zum 8. Mai 1945,
2.
als Berechtigter nach den §§ 1 bis 4 des Bundesvertriebenengesetzes oder des § 1 des Flüchtlingshilfegesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. Mai 1971 (BGBl. I S. 681), das zuletzt durch Artikel 24 des Gesetzes vom 26. Mai 1994 (BGBl. I S. 1014) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung,
3.
als Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers im Sinne des § 7 Abs. 2 des Bundesvertriebenengesetzes oder
4.
im Wege der Familienzusammenführung gemäß § 94 des Bundesvertriebenengesetzes in der vor dem 1. Januar 1993 geltenden Fassung
seinen ständigen Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzes genommen hat oder nimmt.

(4) Die Hinterbliebenen eines Geschädigten im Sinne der Absätze 1 bis 3 erhalten auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes. Partner einer eheähnlichen Gemeinschaft erhalten Leistungen in entsprechender Anwendung der §§ 40, 40a und 41 des Bundesversorgungsgesetzes, sofern ein Partner an den Schädigungsfolgen verstorben ist und der andere unter Verzicht auf eine Erwerbstätigkeit die Betreuung eines gemeinschaftlichen Kindes ausübt; dieser Anspruch ist auf die ersten drei Lebensjahre des Kindes beschränkt. Satz 2 gilt entsprechend, wenn ein Partner in der Zeit zwischen dem 1. November 1994 und dem 23. Juni 2006 an den Schädigungsfolgen verstorben ist.

(5) Als Impfschaden im Sinne des § 2 Nr. 11 gelten auch die Folgen einer gesundheitlichen Schädigung, die durch einen Unfall unter den Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 Buchstabe e oder f oder des § 8a des Bundesversorgungsgesetzes herbeigeführt worden sind. Einem Impfschaden im Sinne des Satzes 1 steht die Beschädigung eines am Körper getragenen Hilfsmittels, einer Brille, von Kontaktlinsen oder von Zahnersatz infolge eines Impfschadens im Sinne des Absatzes 1 oder eines Unfalls im Sinne des Satzes 1 gleich.

(6) Im Rahmen der Versorgung nach Absatz 1 bis 5 finden die Vorschriften des zweiten Kapitels des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch über den Schutz der Sozialdaten Anwendung.

Zur Anerkennung eines Gesundheitsschadens als Folge einer Schädigung im Sinne des § 60 Abs. 1 Satz 1 genügt die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs. Wenn diese Wahrscheinlichkeit nur deshalb nicht gegeben ist, weil über die Ursache des festgestellten Leidens in der medizinischen Wissenschaft Ungewissheit besteht, kann mit Zustimmung der für die Kriegsopferversorgung zuständigen obersten Landesbehörde der Gesundheitsschaden als Folge einer Schädigung im Sinne des § 60 Abs. 1 Satz 1 anerkannt werden. Die Zustimmung kann allgemein erteilt werden.

(1) Wer durch eine Schutzimpfung oder durch eine andere Maßnahme der spezifischen Prophylaxe, die

1.
von einer zuständigen Landesbehörde öffentlich empfohlen und in ihrem Bereich vorgenommen wurde,
1a.
gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 aufgrund einer Rechtsverordnung nach § 20i Absatz 3 Satz 2 Nummer 1 Buchstabe a, auch in Verbindung mit Nummer 2, des Fünften Buches Sozialgesetzbuch vorgenommen wurde,
2.
auf Grund dieses Gesetzes angeordnet wurde,
3.
gesetzlich vorgeschrieben war oder
4.
auf Grund der Verordnungen zur Ausführung der Internationalen Gesundheitsvorschriften durchgeführt worden ist,
eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, erhält nach der Schutzimpfung wegen des Impfschadens im Sinne des § 2 Nr. 11 oder in dessen entsprechender Anwendung bei einer anderen Maßnahme wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Schädigung auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes, soweit dieses Gesetz nichts Abweichendes bestimmt. Satz 1 Nr. 4 gilt nur für Personen, die zum Zwecke der Wiedereinreise in den Geltungsbereich dieses Gesetzes geimpft wurden und die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in diesem Gebiet haben oder nur vorübergehend aus beruflichen Gründen oder zum Zwecke der Ausbildung aufgegeben haben, sowie deren Angehörige, die mit ihnen in häuslicher Gemeinschaft leben. Als Angehörige gelten die in § 10 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch genannten Personen.

(2) Versorgung im Sinne des Absatzes 1 erhält auch, wer als Deutscher außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes einen Impfschaden durch eine Impfung erlitten hat, zu der er auf Grund des Impfgesetzes vom 8. April 1874 in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 2126-5, veröffentlichten bereinigten Fassung, bei einem Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzes verpflichtet gewesen wäre. Die Versorgung wird nur gewährt, wenn der Geschädigte

1.
nicht im Geltungsbereich dieses Gesetzes geimpft werden konnte,
2.
von einem Arzt geimpft worden ist und
3.
zur Zeit der Impfung in häuslicher Gemeinschaft mit einem Elternteil oder einem Sorgeberechtigten gelebt hat, der sich zur Zeit der Impfung aus beruflichen Gründen oder zur Ausbildung nicht nur vorübergehend außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes aufgehalten hat.

(3) Versorgung im Sinne des Absatzes 1 erhält auch, wer außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes einen Impfschaden erlitten hat infolge einer Pockenimpfung auf Grund des Impfgesetzes oder infolge einer Pockenimpfung, die in den in § 1 Abs. 2 Nr. 3 des Bundesvertriebenengesetzes bezeichneten Gebieten, in der Deutschen Demokratischen Republik oder in Berlin (Ost) gesetzlich vorgeschrieben oder auf Grund eines Gesetzes angeordnet worden ist oder war, soweit nicht auf Grund anderer gesetzlicher Vorschriften Entschädigung gewährt wird. Ansprüche nach Satz 1 kann nur geltend machen, wer

1.
als Deutscher bis zum 8. Mai 1945,
2.
als Berechtigter nach den §§ 1 bis 4 des Bundesvertriebenengesetzes oder des § 1 des Flüchtlingshilfegesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. Mai 1971 (BGBl. I S. 681), das zuletzt durch Artikel 24 des Gesetzes vom 26. Mai 1994 (BGBl. I S. 1014) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung,
3.
als Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers im Sinne des § 7 Abs. 2 des Bundesvertriebenengesetzes oder
4.
im Wege der Familienzusammenführung gemäß § 94 des Bundesvertriebenengesetzes in der vor dem 1. Januar 1993 geltenden Fassung
seinen ständigen Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzes genommen hat oder nimmt.

(4) Die Hinterbliebenen eines Geschädigten im Sinne der Absätze 1 bis 3 erhalten auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes. Partner einer eheähnlichen Gemeinschaft erhalten Leistungen in entsprechender Anwendung der §§ 40, 40a und 41 des Bundesversorgungsgesetzes, sofern ein Partner an den Schädigungsfolgen verstorben ist und der andere unter Verzicht auf eine Erwerbstätigkeit die Betreuung eines gemeinschaftlichen Kindes ausübt; dieser Anspruch ist auf die ersten drei Lebensjahre des Kindes beschränkt. Satz 2 gilt entsprechend, wenn ein Partner in der Zeit zwischen dem 1. November 1994 und dem 23. Juni 2006 an den Schädigungsfolgen verstorben ist.

(5) Als Impfschaden im Sinne des § 2 Nr. 11 gelten auch die Folgen einer gesundheitlichen Schädigung, die durch einen Unfall unter den Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 Buchstabe e oder f oder des § 8a des Bundesversorgungsgesetzes herbeigeführt worden sind. Einem Impfschaden im Sinne des Satzes 1 steht die Beschädigung eines am Körper getragenen Hilfsmittels, einer Brille, von Kontaktlinsen oder von Zahnersatz infolge eines Impfschadens im Sinne des Absatzes 1 oder eines Unfalls im Sinne des Satzes 1 gleich.

(6) Im Rahmen der Versorgung nach Absatz 1 bis 5 finden die Vorschriften des zweiten Kapitels des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch über den Schutz der Sozialdaten Anwendung.

Zur Anerkennung eines Gesundheitsschadens als Folge einer Schädigung im Sinne des § 60 Abs. 1 Satz 1 genügt die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs. Wenn diese Wahrscheinlichkeit nur deshalb nicht gegeben ist, weil über die Ursache des festgestellten Leidens in der medizinischen Wissenschaft Ungewissheit besteht, kann mit Zustimmung der für die Kriegsopferversorgung zuständigen obersten Landesbehörde der Gesundheitsschaden als Folge einer Schädigung im Sinne des § 60 Abs. 1 Satz 1 anerkannt werden. Die Zustimmung kann allgemein erteilt werden.

(1) Wer durch eine Schutzimpfung oder durch eine andere Maßnahme der spezifischen Prophylaxe, die

1.
von einer zuständigen Landesbehörde öffentlich empfohlen und in ihrem Bereich vorgenommen wurde,
1a.
gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 aufgrund einer Rechtsverordnung nach § 20i Absatz 3 Satz 2 Nummer 1 Buchstabe a, auch in Verbindung mit Nummer 2, des Fünften Buches Sozialgesetzbuch vorgenommen wurde,
2.
auf Grund dieses Gesetzes angeordnet wurde,
3.
gesetzlich vorgeschrieben war oder
4.
auf Grund der Verordnungen zur Ausführung der Internationalen Gesundheitsvorschriften durchgeführt worden ist,
eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, erhält nach der Schutzimpfung wegen des Impfschadens im Sinne des § 2 Nr. 11 oder in dessen entsprechender Anwendung bei einer anderen Maßnahme wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Schädigung auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes, soweit dieses Gesetz nichts Abweichendes bestimmt. Satz 1 Nr. 4 gilt nur für Personen, die zum Zwecke der Wiedereinreise in den Geltungsbereich dieses Gesetzes geimpft wurden und die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in diesem Gebiet haben oder nur vorübergehend aus beruflichen Gründen oder zum Zwecke der Ausbildung aufgegeben haben, sowie deren Angehörige, die mit ihnen in häuslicher Gemeinschaft leben. Als Angehörige gelten die in § 10 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch genannten Personen.

(2) Versorgung im Sinne des Absatzes 1 erhält auch, wer als Deutscher außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes einen Impfschaden durch eine Impfung erlitten hat, zu der er auf Grund des Impfgesetzes vom 8. April 1874 in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 2126-5, veröffentlichten bereinigten Fassung, bei einem Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzes verpflichtet gewesen wäre. Die Versorgung wird nur gewährt, wenn der Geschädigte

1.
nicht im Geltungsbereich dieses Gesetzes geimpft werden konnte,
2.
von einem Arzt geimpft worden ist und
3.
zur Zeit der Impfung in häuslicher Gemeinschaft mit einem Elternteil oder einem Sorgeberechtigten gelebt hat, der sich zur Zeit der Impfung aus beruflichen Gründen oder zur Ausbildung nicht nur vorübergehend außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes aufgehalten hat.

(3) Versorgung im Sinne des Absatzes 1 erhält auch, wer außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes einen Impfschaden erlitten hat infolge einer Pockenimpfung auf Grund des Impfgesetzes oder infolge einer Pockenimpfung, die in den in § 1 Abs. 2 Nr. 3 des Bundesvertriebenengesetzes bezeichneten Gebieten, in der Deutschen Demokratischen Republik oder in Berlin (Ost) gesetzlich vorgeschrieben oder auf Grund eines Gesetzes angeordnet worden ist oder war, soweit nicht auf Grund anderer gesetzlicher Vorschriften Entschädigung gewährt wird. Ansprüche nach Satz 1 kann nur geltend machen, wer

1.
als Deutscher bis zum 8. Mai 1945,
2.
als Berechtigter nach den §§ 1 bis 4 des Bundesvertriebenengesetzes oder des § 1 des Flüchtlingshilfegesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. Mai 1971 (BGBl. I S. 681), das zuletzt durch Artikel 24 des Gesetzes vom 26. Mai 1994 (BGBl. I S. 1014) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung,
3.
als Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers im Sinne des § 7 Abs. 2 des Bundesvertriebenengesetzes oder
4.
im Wege der Familienzusammenführung gemäß § 94 des Bundesvertriebenengesetzes in der vor dem 1. Januar 1993 geltenden Fassung
seinen ständigen Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzes genommen hat oder nimmt.

(4) Die Hinterbliebenen eines Geschädigten im Sinne der Absätze 1 bis 3 erhalten auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes. Partner einer eheähnlichen Gemeinschaft erhalten Leistungen in entsprechender Anwendung der §§ 40, 40a und 41 des Bundesversorgungsgesetzes, sofern ein Partner an den Schädigungsfolgen verstorben ist und der andere unter Verzicht auf eine Erwerbstätigkeit die Betreuung eines gemeinschaftlichen Kindes ausübt; dieser Anspruch ist auf die ersten drei Lebensjahre des Kindes beschränkt. Satz 2 gilt entsprechend, wenn ein Partner in der Zeit zwischen dem 1. November 1994 und dem 23. Juni 2006 an den Schädigungsfolgen verstorben ist.

(5) Als Impfschaden im Sinne des § 2 Nr. 11 gelten auch die Folgen einer gesundheitlichen Schädigung, die durch einen Unfall unter den Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 Buchstabe e oder f oder des § 8a des Bundesversorgungsgesetzes herbeigeführt worden sind. Einem Impfschaden im Sinne des Satzes 1 steht die Beschädigung eines am Körper getragenen Hilfsmittels, einer Brille, von Kontaktlinsen oder von Zahnersatz infolge eines Impfschadens im Sinne des Absatzes 1 oder eines Unfalls im Sinne des Satzes 1 gleich.

(6) Im Rahmen der Versorgung nach Absatz 1 bis 5 finden die Vorschriften des zweiten Kapitels des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch über den Schutz der Sozialdaten Anwendung.

Tatbestand

Streitig ist, ob der Beklagte der Gewährung von Versorgung eine besondere berufliche Betroffenheit des Klägers im Sinn von § 30 Abs. 2 Bundesversorgungsgesetz (BVG) zugrunde zu legen hat und ob Berufsschadensausgleich im Sinn des § 30 Abs. 3 ff. BVG zu gewähren ist.

Der Kläger ist im Jahre 1928 geboren. Im Zweiten Weltkrieg wurde er als Luftwaffenhelfer eingezogen. Am 24. oder 25.01.1944 befand er sich unter der Mündung einer Flugabwehrkanone, als diese das Feuer eröffnete. Anschließend hörte er nach eigener Angabe auf dem rechten Ohr nicht mehr richtig und hatte einige Tage Ausfluss. Zudem wurde er am 25.01.1945 durch einen Granatsplitterdurchschuss und einen Steckschuss am linken Oberarm verwundet.

Nach dem Krieg schloss er im März 1947 seine schulische Ausbildung mit dem Abitur an einer Oberrealschule ab. Anschließend studierte er vom Sommersemester 1947 bis zum Sommersemester 1949 an der Hochschule A-Stadt Jura und Volkswirtschaft. Neben dem Studium arbeitete er bereits. Im Sommersemester 1949 war er aus beruflichen Gründen beurlaubt. Anschließend war er als selbstständiger Kaufmann im Groß- und Einzelhandel tätig; auch heute hat er noch ein Geschäft.

Im Jahr 1991 wurde beim Kläger eine Kehlkopfteilresektion wegen eines Kehlkopfkarzinoms mit der Folge einer Verschlechterung der Sprechfähigkeit durchgeführt.

Am 16.05.1994 beantragte er die Bewilligung einer Beschädigtenrente unter Zugrundelegung einer besonderen beruflichen Betroffenheit und Berufsschadensausgleich. Dies begründete er damit, dass sich seine Schwerhörigkeit während der beruflichen Tätigkeit oft nachteilig ausgewirkt habe. Es sei schwierig gewesen, neue Geschäftsverbindungen mit diesem Handicap zu knüpfen. Es sei manchmal zu Missverständnissen gekommen, die zu finanziellen Verlusten geführt hätten. Tatsächlich habe er beabsichtigt, in den höheren Forstdienst einzutreten. Wegen seines Gehörschadens habe er aber einen negativen Bescheid erhalten.

Der Kläger legte Bestätigungen ehemaliger Schulkollegen vor, wonach er die höhere Forstlaufbahn einschlagen habe wollen, damals schlecht, besonders auf dem rechten Ohr, gehört habe und sich zum Jurastudium entschlossen habe, weil es wegen des schlechten Hörvermögens mit dem Forstdienst nichts geworden sei.

Mit Schreiben vom 17.08.1994 gab der Kläger an, dass er sich im Sommer 1946 beim B. Forstamt wegen seines Berufziels Förster vorgestellt habe. Dort sei ihm gesagt worden, dass er sich als Schwerhöriger überhaupt gar nicht bewerben brauche. Er habe daher dieses Berufsziel aufgegeben. Er habe sich dann an der Hochschule A-Stadt für Volkswirtschaft und Jura eingeschrieben und vier Semester absolviert. Dieses Studium habe er aber selber in Frage gestellt und zwar wiederum wegen seiner Schwerhörigkeit. Es sei ihm gleich aufgefallen, dass er Richter, Staatsanwälte, Rechtsanwälte und Parteien bei Verhandlungen schlecht verstanden habe. Er habe sich sehr anstrengen müssen, dem Gesprochenen zu folgen. Es habe ihm damals schon keinen Spaß gemacht, nicht alles zu verstehen, was gesagt werde. Er habe nach dem vierten Semester das Studium an den Nagel gehängt und sei selbstständiger Gewerbetreibender geworden.

Auf Anfrage des Beklagten teilte die Bayerische Oberforstdirektion B-Stadt mit Schreiben vom 23.08.1994 mit, dass eine Taubheit auf einem Ohr der Laufbahn im höheren Forstdienst nach dem Krieg wie heute auch entgegen gestanden habe.

Am 20.12.1994 wurde der Kläger versorgungsärztlich von der HNO-Ärztin Dr. S. begutachtet. Bei der Begutachtung gab der Kläger an, er habe eigentlich Förster werden wollen, habe dann aber vier Semester Jura studiert und das Studium aufgegeben, weil es ihm nicht gefallen habe. Unabhängig von den geltend gemachten Schädigungsfolgen sei er im Dezember 1991 am Kehlkopf operiert worden und habe seitdem eine schlechte Stimme. Die Sachverständige empfahl eine Anerkennung von Schädigungsfolgen nicht, da sich ein Zusammenhang der Hörschädigung mit dem Kriegsereignis nicht mit der erforderlichen Sicherheit nachweisen lasse.

Bei einer chirurgischen Zusatzbegutachtung am selben Tag wurde ein metalldichter Fremdkörper im mittleren Oberarmdrittel links festgestellt, der - so der Sachverständige -eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) in Höhe von 0 v. H. bewirke. Eine weitere Zusatzbegutachtung auf nervenärztlichem Fachgebiet vom selben Tag ergab eine geringe Teillähmung des linken Speichennerven nach Granatsplitterverletzung am Oberarm, die mit einer MdE in Höhe von 10 v. H. bewertet wurde.

Mit Bescheid vom 20.03.1995 wurden als Schädigungsfolgen eine geringe Teillähmung des linken Speichennerven sowie ein metalldichter Fremdkörper im mittleren Oberarmdrittel mit einer MdE in Höhe von unter 25 v. H. anerkannt. Abgelehnt wurde es, einen Defektzustand beider Mittelohren bei Zustand nach Explosionstrauma als Schädigungsfolge anzuerkennen. Eine besondere berufliche Betroffenheit liege nicht vor. Ein Anspruch auf Berufsschadensausgleich bestehe nicht, da keine MdE rentenberechtigenden Grads gegeben sei.

Im Rahmen des anschließenden Widerspruchsverfahrens sprach der Kläger am 15.11.1995 beim Beklagten vor. Bei der über vierstündigen Vorsprache machte er folgende Angaben, deren Richtigkeit er durch seine Unterschrift an Eides statt versicherte: Sein Jurastudium habe er aus Verlegenheit begonnen; damals habe man Lebensmittelmarken erhalten, wenn man berufstätig gewesen sei oder studiert habe. Gemocht habe er dieses Studium nicht; ursprünglich habe er auf die Forstakademie gewollt. Nach der Währungsreform im Jahr 1948 habe er gearbeitet (Kellner bei den Amerikanern, Verkäufer von Pepsi-Cola und Geschenkartikeln). Hierbei habe er - so der Kläger - sehr gut Geld verdienen können. Auf diesem Weg sei er in den Kaufmannsberuf geschlittert. Das Jurastudium, das er sowieso nicht gemocht und nur aus Verlegenheit begonnen habe, habe er später aufgegeben. Er habe damals an den Amerikanern recht gut verdienen können. 1952 bis 1956 habe er einen Großhandel aufgemacht. Danach habe er sich auf die Produktion von Bekleidungswaren verlegt. Insbesondere habe er zunächst bestickte Jacken hergestellt, die sehr gut gelaufen seien. Dann habe er bis etwa 1971 Jeans und anschließend vorwiegend Badebekleidung produziert. Er habe Geschäfte in A-Stadt, B-Stadt, C-Stadt und D-Stadt aufgebaut. Diese bestünden noch immer, seien aber zum Teil bereits im Besitz seiner Kinder. Lediglich das Geschäft in D-Stadt betreibe er noch selbst. Eine Rente bekomme er nicht; abgesichert habe er sich nur über eine Lebensversicherung, die bereits voll ausgezahlt worden sei.

Gegen den ablehnenden Widerspruchsbescheid erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Bayreuth.

Mit Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 11.02.1998, Az.: S 5 V 62/96, wurde dem Begehren des Klägers nur insofern Rechnung getragen, als eine sensorineurale Schwerhörigkeit links und eine kombinierte Schwerhörigkeit rechts als weitere Schädigungsfolgen anerkannt wurden. Es wurde nach wie vor von einer MdE von unter 25 v. H. (für die Hörschädigung im Bereich von 10 bis 20, wie dies auch der gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) benannte Sachverständige Prof. Dr. E. im Gutachten vom 10.04.10997 angenommen hatte) ausgegangen. Eine besondere berufliche Betroffenheit sah das Sozialgericht nicht, da der angestrebte Beruf nicht sozial höherwertig gewesen wäre und er zudem die Möglichkeit gehabt habe, die Hörminderung mit Hörgeräten auszugleichen oder zu mindern.

Mit weiterem Urteil vom 11.02.1998, Az.: S 5 V 50/97, wies das Sozialgericht die auf die Gewährung von Berufsschadensausgleich gerichtete Klage zurück, weil bereits keine Rentenberechtigung vorliege.

Die Berufung zum Bayer. Landessozialgericht (Az.: L 18 V 12/98) gegen das Urteil wegen der Anerkennung weiterer Schädigungsfolgen und Gewährung von Versorgungsrente samt besonderer beruflicher Betroffenheit nahm der Kläger nach der Einholung von Gutachten zurück. Hintergrund der Rücknahme war der Hinweis der damaligen Vorsitzenden des Senats, dass bei Rechtskraft des Urteils des Sozialgerichts eine MdE in Höhe von 20 v. H. für die schädigungsbedingte Schwerhörigkeit des Klägers angenommen werden müsse und sich zusammen mit der handchirurgischen Einschätzung letztlich eine MdE in Höhe von 25 v. H. ergebe.

Entsprechend den gerichtlichen Hinweisen hat der Beklagte mit Bescheid vom 23.07.2002 eine „sensorineurale Schwerhörigkeit links, kombinierte Schwerhörigkeit rechts“ als weitere Schädigungsfolgen anerkannt und eine MdE in Höhe von 25 v. H. ab dem 01.02.1994 festgestellt.

Am 23.09.2002 stellte der Kläger den Antrag, eine besondere berufliche Betroffenheit gemäß § 30 Abs. 2 BVG rückwirkend ab Antragstellung (Februar 1994) festzustellen sowie Berufsschadensausgleich zu gewähren.

Mit Bescheid vom 26.03.2003 lehnte der Beklagte den Antrag auf Berufsschadensausgleich sowie auf Höherbewertung der MdE wegen besonderer beruflicher Betroffenheit ab. Ein Einkommensverlust wegen der Schädigungsfolgen sei im Vergleich mit dem angestrebten Beruf eines Oberforstrats nicht erkennbar. Vielmehr könne davon ausgegangen werden, dass der Kläger aus seinen Geschäften mindestens ein so hohes Einkommen erzielt habe wie das eines Oberforstrats. Ein Berufsschadensausgleich sei daher abzulehnen. Zur besonderen beruflichen Betroffenheit wies der Beklagte darauf hin, dass eine solche bereits mit Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 11.02.1998 abgelehnt worden sei. Die zwischenzeitliche Erhöhung der MdE auf 25 v. H. bewirke keine Änderung hinsichtlich der im Urteil genannten Gründe für die Ablehnung der Anwendung des § 30 Abs. 2 BVG im Fall des Klägers. An den Ausführungen in diesem Urteil werde weiterhin festgehalten.

Den ohne Begründung abgegebenen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 06.04.2005 zurück.

Am 06.05.2005 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Bayreuth erhoben. Er hat die Klage mit Scheiben vom 11.06.2005 wie folgt begründet: Die MdE sei höher zu bewerten, da er durch die Art der Beschädigungen in seinem Berufsleben besonders betroffen sei. Besonders betroffen sei er deshalb, weil er den nachweislich angestrebten Beruf eines höheren Forstbeamten oder eines sozial gleichwertigen Berufs, nämlich den eines Rechtsanwalts, nicht ausüben habe können. Wenn der Beklagte ihm entgegen halte, dass er selbst daran schuld sei, keine ausreichende Altersversorgung geschaffen zu haben, sei diese Behauptung oberflächlich und nicht haltbar. Wegen der MdE von 25 v. H. sei er nicht in der Lage gewesen, einen aufgezwungenen Beruf mit ganzer Kraft auszuüben, eben nicht mit 100%, sondern nur zu 75%. Ein in seiner Schaffenskraft um 25% Geschädigter verfüge nicht über die Leistungsfähigkeit eines gesunden Menschen. Die gesundheitliche Verfassung habe es nicht zugelassen, entsprechende Rücklagen für das Rentenalter zu bilden. Er genieße in seinem tatsächlich ausgeübten Beruf ein erheblich geringeres gesellschaftliches Ansehen als im angestrebten Beruf.

Mit Gerichtsbescheid vom „01.02.2010“ (Anmerkung des Senats: Die Jahreszahl müsste richtigerweise 2011 lauten) ist die Klage abgewiesen worden. Das Sozialgericht hat dies wie folgt begründet: Unzulässig sei die Klage auf Anerkennung einer besonderen beruflichen Betroffenheit. Ihr fehle es am allgemeinen Rechtsschutzbedürfnis, da dieser Anspruch mit Urteil vom 11.02.1998 (Az.: S 5 V 62/96) rechtskräftig abgelehnt worden sei, wie der angefochtene Bescheid vom 26.03.2003 zutreffend festgestellt habe. Eine Veränderung der maßgeblichen Entscheidungsgrundlagen habe der Kläger nicht geltend gemacht. Die Klage auf Berufsschadensausgleich sei zulässig, aber unbegründet. Weder liege der erforderliche Einkommensverlust noch der erforderliche ursächliche Zusammenhang im Sinn der wesentlichen Bedingung mit den anerkannten Schädigungsfolgen vor.

Am 28.02.2011 hat der Kläger gegen den ihm am 05.02.2011 zugestellten Gerichtsbescheid Berufung eingelegt. Die Berufung begründet er wie folgt: Durch die Nichtanerkennung einer besonderen beruflichen Betroffenheit sei ihm ein Einkommensverlust entstanden. Das Sozialgericht lasse es außer Betracht, dass er die höhere Forstlaufbahn einschlagen habe wollen. Auch das angefangene und abgebrochene Jurastudium beweise die besondere Betroffenheit durch die Gehörschädigung. Einen Beruf in einem Gerichtssaal auszuüben, sei bei ihm sinnlos. Auch die Bewertung des Ansehens eines selbstständigen Kaufmanns im Vergleich zu einem höheren Beamten sei falsch. Ein Beamter sei einem Vater sicher lieber als Schwiegersohn als ein selbstständiger Kaufmann. Das Sozialgericht habe nicht die Fürsorgepflicht des Staates für seine Soldaten berücksichtigt.

Der Kläger beantragt, den Gerichtsbescheid vom 01.02.2010 und den Bescheid vom 26.03.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.04.2005 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, bei der Bemessung des Grads der Schädigung eine besondere berufliche Betroffenheit anzuerkennen und Berufsschadensausgleich zu gewähren.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat die Akten des Beklagten und des Sozialgerichts Bayreuth beigezogen. Weiter sind beigezogen worden die Akten der abgeschlossenen Verfahren des Sozialgerichts Bayreuth mit den Aktenzeichen S 5 V 62/96 und S 5 V 50/97 und des Bayer. Landessozialgerichts mit dem Aktenzeichen L 18 V 12/98. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Berufungsakte und der beigezogenen Akten Bezug genommen.

Gründe

Der Senat war nicht gehindert, trotz Ausbleibens des Klägers mündlich zu verhandeln und durch Urteil zu entscheiden. In der ordnungsgemäßen Ladung war ein korrekter Hinweis auf die Folgen seines Fernbleibens enthalten. Der Kläger hat den Senat mit Schreiben vom 28.03.2014 darüber informiert, dass er aus gesundheitlichen Gründen zur mündlichen Verhandlung nicht kommen werde; einen Antrag auf Vertagung hat er nicht gestellt.

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Die Entscheidung des Sozialgerichts ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.

1. Besondere berufliche Betroffenheit

Der Grad der Schädigungsfolgen (GdS) ist nicht wegen einer besonderen beruflichen Betroffenheit höher zu bewerten.

Das Sozialgericht hätte die Klage insofern nicht als unzulässig - wegen entgegenstehender Rechtskraft -, sondern als unbegründet zurückweisen müssen. Denn tatsächlich hat der Beklagte über die Feststellung einer besonderen beruflichen Betroffenheit entschieden. Im Rahmen eines Überprüfungsantrags gemäß § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) hat sich der Beklagte auf die Bestandskraft der früheren rechtskräftig gewordenen Ablehnung (Bescheid vom 20.03.1995 in der Form des Urteils vom 11.02.1998) gestützt und aus diesem Grund eine erneute Sachprüfung abgelehnt. Damit hat der Beklagte eine Entscheidung getroffen, die Widerspruch und Klage zugängig war.

Die insofern erhobene Klage ist daher zulässig gewesen, aber in der Sache unbegründet. Denn der Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, im Wege einer Überprüfungsentscheidung gemäß § 44 SGB X die bestandskräftige Entscheidung zur Frage der besonderen beruflichen Betroffenheit, wie sie der Bescheid vom 20.03.1995 in der Form des Urteils vom 11.02.1998 beinhaltet, aufzuheben und in der Sache erneut über die Frage der besonderen beruflichen Betroffenheit zu entscheiden.

1.1. Allgemeines zum Prüfungsrahmen des § 44 SGB X

Bei der gesetzlichen Regelung des § 44 SGB X und dem dabei zu beachtenden Prüfungsrahmen ist Folgendes zu berücksichtigen:

Ausgangspunkt ist die gesetzliche Regelung des § 77 SGG, wonach ein Verwaltungsakt für die Beteiligten in der Sache bindend wird, wenn ein Rechtsbehelf nicht oder erfolglos eingelegt wird. Diese Bestandskraft (Unanfechtbarkeit) ist ein wesentliches Prinzip der Rechtsordnung. Mit der Bestandskraft wird Rechtssicherheit geschaffen, weil die Beteiligten wissen, woran sie sind, nämlich dass die Regelung des Verwaltungsakts sie bindet, und Rechtsfrieden garantiert, weil weiterer Streit über den Verwaltungsakt ausgeschlossen ist. Für den Adressaten des Verwaltungsakts ist damit keine unangemessene Benachteiligung verbunden, hat er doch die Möglichkeit, sich im Rahmen der zur Verfügung stehenden Rechtsmittel gegen einen Bescheid zu wehren und dessen Rechtmäßigkeit überprüfen zu lassen. Schöpft er diese Mittel nicht aus oder akzeptiert er den Verwaltungsakt, weil er selbst keinen überzeugenden Zweifel an der Rechtmäßigkeit hat, müssen die Beteiligten die getroffene Regelung in der Zukunft für und gegen sich gelten lassen.

Die Regelung des § 44 SGB X ermöglicht unter bestimmten Voraussetzungen eine ausnahmsweise Abweichung von der Bindungswirkung (Bestandskraft) unanfechtbarer und damit für die Beteiligten bindend gewordener sozialrechtlicher Verwaltungsakte, um damit materielle Rechtmäßigkeit herzustellen. § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X eröffnet dazu zwei Alternativen. Entweder muss bei der bestandskräftig gewordenen Entscheidung das Recht unrichtig angewandt worden (erste Alternative) oder die Behörde muss beim Erlass des bestandskräftig gewordenen Verwaltungsakts von einem Sachverhalt ausgegangen sein, der sich nachträglich aufgrund des Bekanntwerdens neuer Tatsachen als unrichtig erwiesen hat (zweite Alternative).

Nicht Sinn und Zweck des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist es, Fristenregelungen im Zusammenhang mit der Frage der Bestandskraft von Entscheidungen der Verwaltung oder auch der Gerichte auszuhebeln und die mit der Bestandskraft bezweckte Rechtssicherheit und den Rechtsfrieden in das Belieben der Beteiligten zu stellen. § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X kann kein Mittel sein, um durch wiederholte Anträge bei der Behörde diese immer wieder zu Sachentscheidungen (deren Ergebnis wegen der bereits getroffenen Entscheidung absehbar ist) zu zwingen, die dann wiederum gerichtlich in der Sache überprüfbar wären. Würde man dies zulassen, hätte eine Behörde keinerlei Möglichkeit, sich vor wiederholenden Anträgen mit dem sich daraus ergebenden möglicherweise massiven Verwaltungsaufwand, der nicht nur Personal bindet, sondern auch Kosten verursacht, zu schützen.

Bei der oben genannten ersten Alternative handelt es sich um eine rein rechtliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit der bestandskräftig gewordenen Entscheidung, bei der es auf den Vortrag neuer Tatsachen nicht ankommt und die von Amts wegen zu erfolgen hat (vgl. Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 05.09.2006, Az.: B 2 U 24/05 R). Eine derartige Überprüfung bedeutet jedoch nicht, dass eine vollständige Überprüfung des Sachverhalts mittels neuer Ermittlung des Sachverhalts und neu einzuholender Gutachten durchzuführen wäre. Vielmehr ist lediglich aus rein rechtlicher Sicht zu würdigen, ob der der bestandskräftig gewordenen Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt rechtlich zutreffend beurteilt und rechtlich in nicht zu beanstandender Weise bewertet worden ist.

Weitergehende Sachermittlungen sind im Rahmen der ersten Alternative nicht geboten. Dies ergibt sich eindeutig aus der Systematik der gesetzlichen Regelung in § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Denn mit der Differenzierung zwischen den aufgezeigten zwei Alternativen (unrichtige Rechtsanwendung einerseits und ursprünglich unrichtig zugrunde gelegter Sachverhalt andererseits) hat der Gesetzgeber deutlich gemacht, dass nicht in jedem Fall eine völlige Überprüfung unter allen in Betracht kommenden Gesichtspunkten zu erfolgen hat. Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass die Verwaltung nicht durch aussichtslose Überprüfungsanträge, die beliebig oft wiederholt werden können, immer wieder zu einer neuen Sachprüfung gezwungen werden soll (vgl. BSG, Urteil vom 06.03.1991, Az.: 9b RAr 7/90). Würde hingegen bereits im Rahmen der ersten Alternative eine umfassende Sachprüfung, d. h. mit einer umfassenden Neuermittlung des zugrunde liegenden Sachverhalts, vorausgesetzt, so stünde dies im Widerspruch zu den gesetzlichen Anforderungen für die zweite Alternative, für die die Benennung neuer Tatsachen und Beweismittel vorausgesetzt wird. Im Rahmen der ersten Alternative sind daher die tatsächlichen Feststellungen, wie sie dem bestandskräftigen Bescheid zugrunde gelegen haben, auch im Überprüfungsverfahren zu beachten und lediglich zu prüfen, ob auf diesen Tatsachen aufbauend, unabhängig von ihrer Richtigkeit, die rechtlichen Schlussfolgerungen zutreffend sind. In dem Verfahren erfolgt eine rein rechtliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit, zu der von Seiten des Klägers zwar Gesichtspunkte beigesteuert werden können, die aber letztlich umfassend von Amts wegen erfolgen muss.

Für die zweite Alternative kommt es auf die Benennung neuer Tatsachen und Beweismittel im Rahmen eines abgestuften Verfahrens an (vgl. BSG, Urteil vom 03.02.1988, Az.: 9/9a RV 18/86, das auch im Urteil des BSG vom 05.09.2006, Az.: B 2 U 24/05 R nicht infrage gestellt worden ist). Die Prüfung bei dieser zweiten Alternative hat sich an den rechtlichen Vorgaben zu orientieren, wie sie auch im Rahmen eines gerichtlichen Wiederaufnahmeverfahrens zu beachten sind. Es liegt daher der zweiten Alternative ein Verfahren zugrunde, bei der es auf die Benennung neuer Tatsachen und Beweismittel ankommt (vgl. BSG, Urteil vom 05.09.2006, Az.: B 2 U 24/05 R).

Ergibt sich bei diesem Verfahren nichts Neues, was für die Unrichtigkeit der Vorentscheidung sprechen könnte, darf sich die Verwaltung ohne jede Sachprüfung auf die Bindungswirkung der bestandskräftigen Entscheidung berufen. Werden zwar neue Tatsachen oder Erkenntnisse vorgetragen und neue Beweismittel benannt, ergibt aber die Prüfung, dass die vorgebrachten Gesichtspunkte nicht tatsächlich vorliegen oder für die frühere Entscheidung nicht erheblich waren, darf sich die Behörde ebenfalls auf die Bindungswirkung stützen.

Eine Behörde ist daher nur dann, wenn die Prüfung zu dem Ergebnis führt, dass ursprünglich nicht bekannte Tatsachen oder Erkenntnisse vorliegen, die für die Entscheidung wesentlich sind, oder wenn sich herausstellt, dass das Recht unrichtig angewandt worden ist, dazu verpflichtet, ohne Rücksicht auf die Bindungswirkung erneut zu entscheiden (vgl. BSG, Urteil vom 03.02.1988, Az.: 9/9a RV 18/86).

Hat eine Behörde unter zutreffender Anwendung des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X eine erneute Sachprüfung und Sachentscheidung abgelehnt, kann sich das Gericht über diese Entscheidung nicht hinwegsetzen und den gesamten Sachverhalt einer wiederholten Sachprüfung unterziehen. Denn § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X gibt nur der Verwaltung selbst, nicht aber dem Gericht die Möglichkeit, sich über eine frühere negative Entscheidung zugunsten des Antragstellers hinwegzusetzen (ständige Rspr., vgl. z. B. Urteil des Senats vom 18.02.2014, Az.: L 15 VK 3/12; Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht - LSG -, Urteil vom 11.04.2004, Az.: L 8 U 115/02).

Diesen vom Senat in ständiger Rspr. (vgl. z. B. Urteil vom 18.02.2014, Az.: L 15 VK 3/12) zugrunde gelegten Prüfungsmaßstab, den der Senat beispielsweise im Urteil vom 18.03.2013, Az.: L 15 VK 11/11, ausführlich dargestellt hat, hat das BSG, dessen Rechtsprechung zu § 44 SGB X nicht immer einheitlich ist (vgl. vorgenanntes Urteil des Senats vom 18.03.2013, dort Ziff. 3.3.1. der Gründe), ausdrücklich bestätigt, wenn es im Anschluss an das Urteil des Senats mit Beschluss vom 31.07.2013, Az.: B 9 V 31/13 B, Folgendes ausgeführt hat:

„... Zulassung nach § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG scheidet ebenfalls aus... Abweichung (Divergenz) ist gegeben, wenn das angefochtene Urteil auf einer bestimmten Rechtsauffassung beruht, die zu der in einer Entscheidung des BSG ... zugrunde gelegten Rechtsansicht in Widerspruch steht. Davon kann hier nicht ausgegangen werden. Die Vorinstanz hat sich an der Rechtsprechung des BSG orientiert.“

1.2. Prüfung im hier zu entscheidenden Fall

Der Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, im Rahmen einer Entscheidung gemäß § 44 SGB X eine besondere berufliche Betroffenheit im Sinn des § 30 Abs. 2 BVG anzunehmen und den der Gewährung von Versorgung zugrunde liegenden GdS (früher: MdE) höher zu bewerten.

1.2.1. § 44 Abs. 1 Satz 1, 1. Alternative SGB X - unrichtige Rechtsanwendung

Der bestandskräftigen Entscheidung zur Frage der besonderen beruflichen Betroffenheit, wie sie der Bescheid vom 20.03.1995 in der Form des Urteils vom 11.02.1998 beinhaltet, liegt keine unrichtige Rechtsanwendung zugrunde.

Unter Zugrundelegung der damaligen Erkenntnisse ist die Ablehnung einer besonderen beruflichen Betroffenheit nicht zu beanstanden. Die Hörstörung, auf der das Urteil vom 11.02.1998 basiert, ist identisch mit der Hörstörung, wie sie dem Überprüfungsantrag zugrunde liegt; dies ergibt sich auch zweifelsfrei aus den Hinweisen, die die Vorsitzende des 18. Senats des Bayer. Landessozialgerichts in der mündlichen Verhandlung vom 06.02.2002 gegeben hat und die für den Kläger der Anlass gewesen sind, seine damalige Berufung zurückzunehmen. Lediglich die Ermittlung des Gesamt-GdS wurde damals noch anders als später vorgenommen, ohne dass dies Einfluss auf die Auswirkungen der Schädigungsfolgen für die berufliche Tätigkeit haben könnte. Denn entscheidend sind allein die vorliegenden als Schädigungsfolgen anerkannten funktionellen Beeinträchtigungen, nicht deren zahlenmäßige Bewertung. Unter Zugrundelegung der Tatsachen, wie sie für den bestandkräftigen Bescheid zutreffend angenommen worden waren, lässt sich eine besondere berufliche Betroffenheit nicht begründen, wie sich auch den Gründen des Urteils vom 11.02.1998 entnehmen lässt.

1.2.2. § 44 Abs. 1 Satz 1, 2. Alternative SGB X - neue Tatsachen

Der Beklagte hat zu Recht mangels Vortrags neuer Tatsachen auf die Bindungswirkung der bestandskräftigen Entscheidung zur Frage der besonderen beruflichen Betroffenheit, wie sie der Bescheid vom 20.03.1995 in der Form des Urteils vom 11.02.1998 beinhaltet, verwiesen und es abgelehnt, in der Sache erneut zu entscheiden.

Der wiederholte Antrag auf Feststellung einer besonderen beruflichen Betroffenheit ist identisch wie der erste Antrag begründet worden. Neue Tatsachen hat der Kläger zu keinem Zeitpunkt im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren vorgetragen. Es ist auch in der Sache nichts ersichtlich, was eine andere Einschätzung rechtfertigen könnte.

1.3. Ergebnis

Da der der bestandskräftig gewordenen Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt rechtlich zutreffend beurteilt worden ist, der Kläger neue Tatsachen und Beweismittel nicht benannt hat, geschweige denn dass solche neuen Tatsachen und Beweismittel bewiesen seien, hat sich der Beklagte zu Recht auf die Bestandskraft der Entscheidung zur Frage der besonderen beruflichen Betroffenheit, wie sie der Bescheid vom 20.03.1995 in der Form des Urteils vom 11.02.1998 beinhaltet, berufen. Eine weitergehende Prüfung in der Sache ist den Gerichten daher nicht gestattet.

1.4. Weitergehende Erläuterungen für den Kläger zum besseren Verständnis ohne Entscheidungsrelevanz

Da sich der Beklagte zu Recht auf die Bindungswirkung der bestandskräftigen Entscheidung zur Frage der besonderen beruflichen Betroffenheit (Bescheid vom 20.03.1995 in der Form des Urteils vom 11.02.1998) gestützt und es daher abgelehnt hat, in der Sache erneut zu entscheiden, ist auch dem Senat eine weitergehende Prüfung in der Sache verwehrt.

Gleichwohl erlaubt sich der Senat, um beim Kläger dem Eindruck entgegen zu wirken, er habe allein aus einem formalen Grund sein Recht nicht bekommen, folgende weitergehende Hinweise, wobei der Senat nochmals ausdrücklich darauf hinweist, dass es sich dabei lediglich um eine Serviceleistung des Gerichts ohne Entscheidungsrelevanz handelt:

Von einer besonderen beruflichen Betroffenheit im Sinn des § 30 Abs. 2 BVG könnte im vorliegenden Fall nur dann ausgegangen werden, wenn aufgrund der Schädigung ein sozial gleichwertiger Beruf nicht ausgeübt hätte werden können. Dass bei einem Vergleich vom Beruf eines Försters im höheren Dienst und einer selbstständigen Tätigkeit, wie sie der Kläger ausgeübt hat bzw. noch ausübt, nicht von einer fehlenden sozialen Gleichwertigkeit ausgegangen werden könnte, ist im Verfahren S 5 V 62/96 und nochmals im aktuellen sozialgerichtlichen Verfahren (vgl. die Aufstellung der Kriterien im Schreiben des Beklagten vom 15.02.2006) ausführlich erläutert worden. Zudem darf nicht übersehen werden, dass der Kläger einen - auch seiner Ansicht nach - zum Förster im höheren Dienst gleichwertigen Beruf, nämlich den des Juristen, ergreifen hätte können. Den entsprechenden Studiengang hatte er auch eingeschlagen. Dass es nicht zu einem Studienabschluss gekommen ist, ist nach der Überzeugung des Senats nicht durch Schädigungsfolgen zu begründen, sondern mit einem mangelnden Interesse des Klägers an dieser Studienrichtung und der Tatsache, dass er während des Studiums offenbar die Gelegenheit ergriffen hat, gut Geld zu verdienen, und deshalb das Studium aufgegeben hat. Dies entspricht Angaben des Klägers anlässlich seiner Vorsprache beim Beklagten am 15.11.1995. Diese Vorsprache hat über vier Stunden gedauert; der Kläger hat sich dabei äußerst umfangreich und detailliert geäußert.

Der Senat weist den dortigen Angaben des Klägers am 15.11.1995, die dieser mit seiner Unterschrift und an Eides statt als richtig bestätigt hat, den größten Beweiswert zu. Zwar hat der Kläger zuvor im Rahmen seines Antrags die Aufgabe des Jurastudiums mit der Hörminderung begründet. Diese Angabe hält der Senat aber nicht für glaubhaft.

Zum einen gibt es keinen Grundsatz, dass die ersten Angaben einen erhöhten Beweiswert hätten (vgl. Bayer. LSG, Urteil vom 27.07.2004, Az.: L 17 U 293/03). Dies hat das BSG ausdrücklich im Urteil vom 11.11.2013, Az.: B 2 U 41/02 R, wie folgt begründet:

„Denn weder das SGG noch die Zivilprozessordnung (ZPO) kennen eine Beweisregel in dem Sinne, dass frühere Aussagen oder Angaben grundsätzlich einen höheren Beweiswert besitzen als spätere. Im Rahmen der freien Beweiswürdigung (§ 128 Abs. 1 Satz 1 SGG, § 286 ZPO) sind vielmehr alle Aussagen, Angaben usw zu würdigen. Denn der objektive Beweiswert einer Erklärung kann nicht allein nach dem zeitlichen Abstand von dem Ereignis, auf das sie sich bezieht, bestimmt werden (BSG vom 14. März 1958 - 2 RU 126/56 -). Vielmehr sind alle Umstände des Einzelfalles und vor allem auch die Glaubwürdigkeit der die Erklärung abgebenden Personen zu würdigen (vgl. Bender/Nack, Tatsachenfeststellung vor Gericht, 2. Aufl, 1995). Im Rahmen dieser Gesamtwürdigung kann das Gericht den zeitlich früheren Aussagen aufgrund des Gesichtspunktes, dass sie von irgendwelchen versicherungsrechtlichen Überlegungen ggf. noch unbeeinflusst waren, einen höheren Beweiswert als den späteren Aussagen zumessen, muss es aber nicht.“

Zum anderen gibt es diverse Gesichtspunkte, die für die Richtigkeit der Angaben am 15.11.1995 sprechen. Gerade die Tatsache, dass der Kläger bei der Vorsprache am 15.11.1995 bereits über die rechtlichen Anforderungen für die angestrebten Leistungen informiert gewesen sein muss, er aber gleichwohl Angaben gemacht hat, die für diese Ziel nicht unbedingt hilfreich sind, belegt, dass er am 15.11.1995 wahrheitsgemäße Angaben gemacht hat. Demgegenüber geht der Senat davon aus, dass die zunächst schriftlich gemachte Angabe, er habe wegen der Hörstörung das Jurastudium aufgegeben, im Wesentlichen zweckgerichtet gewesen sind und nicht der Wahrheit entspricht. Für die Richtigkeit der Angaben am 15.11.1995, die der Kläger später weitgehend bestätigt hat, und damit gegen den Wahrheitsgehalt anderslautender Angaben spricht neben der unbefangenen Angabe anlässlich der Begutachtung durch die HNO-Ärztin Dr. S. am 20.12.1994 („er hat das Studium aufgegeben, weil es ihm nicht gefallen hat“) auch der große Detailreichtum der Angaben vom 15.11.1995; eine solche Detailfülle fehlt bei anderslautenden Angaben des Klägers. Gegen den Vortrag des Klägers, er habe das Jurastudium wegen der Hörminderung abgebrochen, spricht im Übrigen auch, dass bei dem vor dem SG im zugrunde liegenden erstinstanzlichen Verfahren am 20.07.2010 durchgeführten Erörterungstermin für den Vorsitzenden keinerlei Verständigungsschwierigkeiten ersichtlich waren. Vielmehr war - so der Hinweis in den Gründen des angefochtenen Gerichtsbescheids - eine normale Verständigung mit dem Kläger möglich. Dass eine solche Verständigung während der Studienzeiten nicht möglich gewesen wäre, im Jahr 2010 jedoch schon, hält der Senat angesichts der Tatsache, dass sich auch nach den sachverständigen Ausführungen das Hörvermögen des Klägers im Alter verschlechtert hat, für ausgeschlossen. Ende der 40er Jahre muss das Hörvermögen und damit die Verständigung noch besser als aktuell gewesen sein. Schließlich spricht für die Richtigkeit der Angaben am 15.11.1995 auch, dass der Kläger ausdrücklich, nämlich handschriftlich, „die Richtigkeit der ... Angaben ... an Eides statt“ versichert hat.

Der Kläger müsste sich auch entgegen halten lassen, dass er keine Hörgeräte zur Minderung etwaiger Einschränkungen im Studium und Alltag in Anspruch genommen hat. Eine hörgeräteakustische Versorgung durch Taschengeräte wäre bereits zur Studienzeit des Klägers möglich gewesen, wie sich auch aus den allgemein gehaltenen Hinweisen des im Verfahren L 18 V 1/99 des Bayer. LSG gehörten Sachverständigen und den Gründen des Urteils des Bayer. LSG vom 23.10.2002, Az.: L 18 V 1/99, ergibt. Angesichts der damals beim Kläger nur einseitig nachgewiesenen Hörminderung - eine leichte Hörminderung auch auf dem anderen, dem linken Ohr ist erstmals 1991 belegt - und der vom Kläger nicht in Anspruch genommenen Möglichkeit zur Hörgeräteversorgung würde sich ein rechtlich wesentlicher Kausalzusammenhang zwischen Schädigungsfolgen und Aufgabe des Jurastudiums schon wegen Verstoßes gegen die Schadensminderungspflicht nicht herstellen lassen. Von einer besonderen beruflichen Betroffenheit könnte daher nach der Überzeugung des Senats auch nicht nach erneuter inhaltlicher Prüfung ausgegangen werden.

Lediglich der Vollständigkeit halber macht der Senat darauf aufmerksam, dass der Kläger zu keinem Zeitpunkt behauptet hat, dass er auch das von ihm aufgenommene Volkswirtschaftsstudium wegen Schädigungsfolgen aufgegeben habe. Dies belegt, dass der Kläger im Wesentlichen wegen der damaligen guten Verdienstmöglichkeiten das Studium (von Jura und Volkswirtschaft) abgebrochen hat, ohne dass dabei Schädigungsfolgen einen rechtlich wesentlichen Beitrag gespielt hätten.

2. Berufsschadensausgleich

Der Senat hat sich nicht die Überzeugung davon verschaffen können, dass durch die mit Wirkung ab 1994 anerkannten Schädigungsfolgen der Kläger in seiner beruflichen Laufbahn und seinen Einkommensverhältnissen spürbar beeinträchtigt gewesen wäre.

Die vom Beklagten getroffene Entscheidung über den Berufsschadensausgleich stellt - wie auch die Entscheidung über die besondere berufliche Betroffenheit eine Überprüfungsentscheidung gemäß § 44 SGB X dar. Im Unterschied zum erstgenannten Regelungsgehalt hat sich der Beklagte hier aber nicht auf die Bestandskraft der früher getroffenen Entscheidung berufen, sondern in der Sache erneut entschieden.

Auch wenn dies die Formulierung des § 30 Abs. 3 BVG („nach Anwendung des Absatzes 2“) nahelegen könnte, scheidet ein Anspruch auf Berufsschadensausgleich nicht schon dann aus, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2, d. h. eine besondere berufliche Betroffenheit nicht gegeben sind (vgl. BSG, Urteile vom 06.07.1971, Az.: 9 RV 514/68, und vom 08.07.1980, Az.: 9 RV 20/79). Der Hinweis in § 30 Abs. 3 BVG ist vielmehr dahingehend zu verstehen, dass zeitlich vorhergehend die besondere berufliche Betroffenheit zu prüfen ist (vgl. Dau, in: Knickrehm, Gesamtes Soziales Entschädigungsrecht, 1. Aufl. 2012, § 30 BVG, Rdnr. 24).

Maßgeblich ist der Zeitraum ab Antragstellung (vgl. BSG, Urteil vom 06.07.1972, Az.: 9 RV 668/71). Im vorliegenden Fall einer Überprüfungsentscheidung gemäß § 44 SGB X ist dies wegen § 44 Abs. 4 Satz 3 SGB X die Zeit ab dem 01.01.1998.

Bei der Frage des Berufsschadensausgleichs ist von den bestandskräftig anerkannten Schädigungsfolgen auszugehen, auch wenn der Senat große Zweifel daran hat, dass diese Gesundheitsstörungen tatsächlich auch in diesem Umfang auf die Verletzung im Krieg zurückzuführen sind. Diese Zweifel werden bestätigt durch die Hinweise im Protokoll zur mündlichen Verhandlung vom 06.02.2002. Es liegt sehr nahe, dass es zur anschließenden Feststellung eines versorgungsberechtigenden GdS nur deswegen gekommen ist, weil im zuvor ergangenen Urteil des Sozialgericht eine zu weit gehende Anerkennung von Schädigungsfolgen ausgesprochen worden ist, wie es sich auch aus dem im Berufungsverfahren eingeholten hno-ärztlichen Gutachten ergibt, und der Beklagte dagegen, möglicherweise in Verkennung der Auswirkungen der Tenorierung, nicht in Berufung gegangen ist. Für die jetzt zu treffende Entscheidung ist dieser mögliche Fehler aber ohne Bedeutung. Auszugehen ist von den anerkannten Schädigungsfolgen.

2.1. Kein Zusammenhang zwischen einem potentiellen Einkommensverlust und Schädigungsfolgen

Ob der Kläger im maßgeblichen Zeitraum tatsächlich einen Einkommensverlust erlitten hat, kann dahingestellt bleiben. Denn nach der Überzeugung des Senats lässt sich ein rechtlich wesentlicher Kausalzusammenhang zwischen Schädigungsfolgen und einem potentiellen Einkommensverlust nicht feststellen.

2.1.1. Anforderungen an den Kausalzusammenhang

Die Beurteilung des Zusammenhangs folgt, wie ansonsten im Versorgungsrecht auch, der Theorie der wesentlichen Bedingung (ständige Rspr. des BSG, vgl. z. B. Urteile vom 23.11.1977, Az.: 9 RV 12/77, vom 08.05.1981, Az.: 9 RV 24/80, vom 20.07.2005, Az.: B 9a V 1/05 R, und vom 18.05.2006, Az.: B 9a V 6/05 R). Rechtlich wesentlich ist eine Ursache dann, wenn sie wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg bei dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt hat. Haben mehrere Umstände zu einem Erfolg beigetragen, so sind sie nach der versorgungsrechtlichen Rechtsprechung des BSG (vgl. Urteil vom 08.08.1974, Az.: 10 RV 209/73) rechtlich nur dann nebeneinander stehende Mitursachen, wenn sie in ihrer Bedeutung und Tragweite für den Eintritt des Erfolges „annähernd gleichwertig“ sind. Was unter dem Begriff der „annähenden Gleichwertigkeit“ zu verstehen ist, ist in der angeführten Entscheidung und auch in anderen neueren Entscheidungen des BSG nicht näher präzisiert. Die ständige unfallversicherungsrechtliche Rechtsprechung (vgl. z. B. BSG, Urteil vom 09.05.2006, Az.: B 2 U 1/05 R) hält demgegenüber den Begriff der „annähernden Gleichwertigkeit“ für nicht geeignet zur Abgrenzung, da er einen objektiven Maßstab vermissen lasse und missverständlich sei, und sieht eine versicherte Ursache dann als rechtlich wesentlich an, wenn nicht eine alternative unversicherte Ursache von „überragender Bedeutung“ ist. Letzteres entspricht im Ergebnis auch der versorgungsrechtlichen Rechtsprechung des BSG, das, wie z. B. dem Urteil vom 14.07.1955, Az.: 8 RV 177/54, zu entnehmen ist, von einer „annähernd gleichwertigen“ Bedeutung einer von mehreren Ursachen solange ausgeht, als nicht einer Ursache eine „überragende Bedeutung“ zukommt. Eine Abweichung von unfallversicherungsrechtlicher und versorgungsrechtlicher Rechtsprechung zum Kausalitätsbegriff, wie sie sich aufgrund der Differenzen zum Begriff der „annähernden Gleichwertigkeit“ aufdrängen könnte, besteht daher nicht. Der Senat geht daher in Übereinstimmung mit der versorgungs- und unfallversicherungsrechtlichen Rechtsprechung davon aus, dass eine vom Schutzbereich des BVG umfasste Ursache immer dann rechtlich wesentlich ist, wenn nicht die andere(n), nicht dem Schutzbereich des BVG unterfallende(n) Ursache(n) eine überragende Bedeutung hat (haben) (ständige Rspr. des Senats, vgl. z. B. zum Bereich der Soldatenversorgung nach dem Soldatenversorgungsgesetz: Urteil vom 19.07.2011, Az.: L 15 VS 7/10) und die vom versorgungsrechtlichen Schutzbereich umfasste Ursache nicht völlig in den Hintergrund drängt (drängen) (vgl. Urteile des Senats vom 02.07.2013, Az.: L 15 VS 9/10, und vom 13.12.2013, Az.: L 15 VS 26/12).

Die der Zusammenhangsbeurteilung zugrunde liegenden Tatsachen müssen im Vollbeweis nachgewiesen sein, für den Zusammenhang reicht es aus, wenn er wahrscheinlich ist; Wahrscheinlichkeit wiederum bedeutet, dass mehr für als gegen den Zusammenhang spricht (vgl. BSG, Beschluss vom 08.08.2001, Az.: B 9 V 23/01 B).

Unter Kausalitätsgesichtspunkten zu berücksichtigen ist auch eine etwaige Schadensminderungspflicht des Beschädigten. Der Rechtsgedanke der in der Zivilrechtsprechung und zivilrechtlichen Literatur zum Schadensersatzrecht aus § 254 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch abgeleiteten Schadensminderungspflicht gilt im gesamten Sozialrecht und insbesondere auch im Recht der Kriegsopferversorgung (vgl. BSG, Urteil vom 18.12.1985, Az.: 9a RV 18/84). Danach obliegt es jedem Anspruchsberechtigten, einen Schaden durch eigenes Handeln möglichst gering zu halten (vgl. BSG, Urteil vom 08.07.1980, Az.: 9 RV 20/79). Dieser Grundsatz gilt auch beim Anspruch auf Berufsschadensausgleich (vgl. BSG, Urteil vom 08.07.1980, Az.: 9 RV 20/79). Ist ein unverständiges Verhalten des Beschädigten die Ursache für einen Einkommensverlust, durchbricht dies die rechtliche wesentliche Kausalität (vgl. für den vergleichbaren Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung: LSG Berlin, Urteil vom 10.02.2005, Az.: L 3 U 39/04) und stellt einen versorgungsfremden Nachschaden dar (vgl. BSG, Urteil vom 08.07.1980, Az.: 9 RV 20/79). Der Beschädigte muss es sich als eigenes Risiko zurechnen lassen, wenn in seiner Person liegende schädigungsfremde Gründe zu einer Minderversorgung geführt haben (vgl. BSG, Urteil vom 18.12.1985, Az.: 9a RV 18/84). Denn nach dem in § 1 Abs. 1 BVG normierten Entschädigungsprinzip sind nur die gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Schädigung auszugleichen, nicht aber davon unabhängig eingetretene Nachteile.

Der Rechtsgedanke, dass Einkommensminderungen ohne verständigen Grund zulasten des Verursachers gehen, durchzieht das Recht der Kriegsopferversorgung (vgl. BSG, Urteil vom 16.03.1979, Az.: 9 RV 51/78). Dieses Prinzip wird in gleicher Weise im Recht der gesetzlichen Rentenversicherung (vgl. BSG, Urteil vom 24.05.1978, Az.: 4 RJ 79/77) respektiert. In der gesamten Rechtsordnung obliegt es jedem Anspruchsberechtigten, einen Schaden durch zumutbares Handeln gering zu halten (vgl. BSG, Urteil vom 24.05.1978, Az.: 4 RJ 79/77). Die Versorgungsberechtigten haben nach Kräften bei der Minderung der finanziellen Last durch die Folgen der Schädigung mitzuwirken und deren Ausdehnung möglichst zu vermeiden (vgl. BSG, Urteil vom 08.07.1980, Az.: 9 RV 20/79).

2.1.2. Zur Situation des Klägers

2.1.2.1. Nichtaufnahme des Studiums der Forstwissenschaften

Der Senat geht mit dem Kläger davon aus, dass die Nichtaufnahme des Studiums der Forstwissenschaften durch die Schädigungsfolge des eingeschränkten Hörvermögens bedingt war. Dies allein kann aber noch keinen Anspruch auf Berufsschadensausgleich begründen. Denn der Kläger hat anschließend mit dem Studium der Rechtswissenschaften und der Volkswirtschaft ein Studium eingeschlagen, das gleichwertige Verdienstaussichten eröffnet hat. Dies hat er auch selbst zugestanden.

2.1.2.2. Abbruch des Studiums der Rechtswissenschaften und der Volkswirtschaft

Der Senat ist der Überzeugung, dass der Kläger dieses Studium nicht wegen Schädigungsfolgen, sondern allein wesentlich aus schädigungsfremden Gründen abgebrochen hat.

Wie bereits oben (vgl. Ziff. 1.4.) erläutert, ist der Studienabbruch wesentlich durch schädigungsfremde Gründe (Nichtgefallen, sich eröffnende gute Verdienstmöglichkeiten im Handel) bedingt. Eine rechtlich relevante Mitursächlichkeit der Hörminderung ist für den Senat nicht nachgewiesen; diese wird, wenn sie überhaupt einen Beitrag im damaligen Entscheidungsprozess des Klägers gespielt haben sollte, durch die anderen Gründe völlig in den Hintergrund gedrängt und ist daher im Sinn der Theorie der wesentlichen Bedingung nicht wesentlich.

Die fehlende Kausalität zwischen Schädigungsfolgen und Studiumsaufgabe hat zur Folge, dass ein etwaiger Einkommensverlust in der anschließend ausgeübten Tätigkeit jedenfalls dann nicht über einen Berufsschadensausgleich zu berücksichtigen ist, wenn es sich bei der nach dem Studiumabbruch ausgeübten Tätigkeit um eine solche handelt, die - allgemein betrachtet - geringere Erwerbschancen eröffnet, als diese bei Abschluss des Studiums gegeben gewesen wären. Denn der Entschluss zu der niedriger entlohnten Tätigkeit ist nicht wesentlich auf die Schädigungsfolgen zurückzuführen, sondern auf einen davon unbeeinflussten Entschluss des Klägers. Es handelt sich um einen von der Schädigung unabhängigen Nachteil, der von dem in § 1 Abs. 1 BVG normierten Entschädigungsprinzip nicht erfasst wird. Zudem ist zu berücksichtigen, dass der Beschädigte auch unter dem Gesichtspunkt der ihm obliegenden Schadensminderungspflicht gehalten war, eine ihm zumutbare Berufslaufbahn einzuschlagen, die die Entstehung wirtschaftlicher Nachteile im Berufsleben soweit als zumutbar verhindert. Ein Einkommensverlust schon dadurch, dass ein Beschädigter trotz Eröffnung höherwertiger Berufsaussichten den Weg in eine Tätigkeit wählt, die nur geringere Einkommensaussichten bietet, kann nicht zulasten des Staats als Träger der Versorgungsverwaltung und damit der Allgemeinheit gehen.

2.1.2.3. Tätigkeit des Klägers als selbstständiger Kaufmann

Ein Zusammenhang zwischen einem möglichen Mindereinkommen bei der Tätigkeit als selbstständiger Kaufmann und Schädigungsfolgen lässt sich jedenfalls nicht hinreichend wahrscheinlich machen.

Aus Kausalitätsüberlegungen heraus hält es der Senat nicht für fernliegend, von einer endgültigen Unterbrechung der Kausalkette auszugehen, wenn sich ein Beschädigter aus schädigungsfremden Gründen zu einer beruflichen Tätigkeit entschließt, die zu geringeren Einkünften führt, als sie bei dem ursprünglich angestrebten Berufsziel im Rahmen des vom Gesetzgeber vorgegebenen pauschalierenden Systems zu erwarten wären (vgl. Geschwinder, Der Nachschaden im Berufsschadensausgleich, ZfS 1981, S. 67, 69). Dies würde bedeuten, dass etwaige schädigungsbedingte Einkommensminderungen im späteren Berufsleben - und damit hier im Berufsleben als selbstständiger Kaufmann - rechtlich bedeutungslos würden, unabhängig davon, auf welchem Grund sie beruhen.

Gegen eine solche strenge Auslegungen sprechen aber die Gedanken des BSG zur Risikoverteilung im Urteil vom 27.10.1982, Az.: 9a RV 5/82, wenn es dort ausgeführt hat,

„dass der Gesetzgeber das Risiko der ungewollten Arbeitslosigkeit und die Zufälligkeiten der Konjunktur und der Arbeitsmarktlage der öffentlichen Hand zurechnen wollte. Mithin sind im allgemeinen nur solche nachträglichen und schädigungsunabhängigen Einkommenseinbußen als Nachschaden iS des § 30 Abs. 5 BVG anzusehen, die durch das Hinzutreten einer schädigungsunabhängigen Gesundheitsstörung oder durch das unverständige Verhalten des Beschädigten herbeigeführt sind (vgl. dazu Geschwinder in Zfs 1981 S 67, 69, 70). Zu diesen Ereignissen zählt jedenfalls die Aufnahme minderbezahlter Beschäftigung nach Arbeitslosigkeit nicht, und zwar selbst dann nicht, wenn man den Kreis dieser Ereignisse weiterziehen wollte als vorher beschrieben.“

Diese Überlegungen deuten darauf hin, dass nach der Rechtsprechung des BSG ein Berufsschadensausgleich jedenfalls dann nicht ausgeschlossen sein soll, wenn sich in dem aus schädigungsfremden Gründen gewählten Beruf Nachteile wegen der Schädigungsfolgen einstellen.

Letztlich kann aber dahingestellt bleiben, welcher Auslegung zu folgen ist, denn auch bei der für den Kläger wohlwollenden Auslegung ergibt sich kein Anspruch auf Berufsschadensausgleich. Denn ein rechtlich wesentlicher Kausalzusammenhang zwischen den anerkannten Schädigungsfolgen und den weiteren Entwicklungen im Berufsleben des Klägers sowie den von ihm behaupteten Einkommensverlusten lässt sich nicht feststellen.

Der Senat hat sich nicht die Überzeugung davon verschaffen können, dass ein rechtlich wesentlicher Kausalzusammenhang zwischen den anerkannten Schädigungsfolgen und potentiellen Einkommensverlusten in dem nach dem nicht schädigungsbedingten Abbruch des Studiums ausgeübten Beruf besteht. Eine hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Zusammenhangs kann er nicht erkennen. Dabei stützt er sich auf folgende Überlegungen:

* Allein die Tatsache, dass der Kläger im Groß- und Einzelhandel tätig (gewesen) ist, macht eine schädigungsbedingte Einkommenseinbuße noch nicht wahrscheinlich. Wie bereits erläutert, kann diese Berufswahl nicht als schädigungsbedingt angesehen werden, sondern ist auf eine freie und durch die Schädigungsfolgen nicht wesentlich mitbestimmte Entscheidung des Klägers zurückzuführen.

* Dass der Kläger in dem von ihm frei gewählten Beruf als selbstständiger Kaufmann im Groß- und Einzelhandel wegen Schädigungsfolgen Einkommensverluste erlitten hätte oder erleiden würde, ist nicht hinreichend wahrscheinlich gemacht. Zwar hat der Kläger vorgetragen, dass er wegen Verständigungsproblemen Schwierigkeiten im Geschäftsleben gehabt habe, die mit finanziellen Einbußen verbunden gewesen seien. Dies ist angesichts des gutachtlich von Prof. Dr. S. festgestellten und dann als schädigungsbedingt anerkannten Umfangs der Hörstörung aber nicht wahrscheinlich. Zwar liegt rechts eine deutliche Hörminderung, links aber nur eine geringgradige Einschränkung des Sprachverstehens vor. Dies weckt schon Zweifel an den vom Kläger behaupteten Schwierigkeiten im Geschäftsleben.

Weiter muss sich der Kläger entgegen halten lassen, dass eine erhebliche Besserung des Hörvermögens und damit der von ihm behaupteten beeinträchtigten Verständigungsfähigkeit durch die Verwendung von Hörgeräten möglich gewesen wäre. Nicht nur in der hier maßgeblichen Zeit, sondern auch schon früher wäre eine Hörgeräteversorgung ohne Zweifel in einem Umfang möglich gewesen, die das Hörvermögen so weit gebessert hätte, dass die vom Kläger behaupteten Schwierigkeiten, wenn sie denn überhaupt vorgelegen haben, was der Senat bezweifelt, mit großer Sicherheit weitgehend vermieden worden wären. Dass der Kläger eine derartige Versorgung, die ihm - anders als nicht duldungspflichtige operative Eingriffe - auch zumutbar gewesen wäre, nicht vornehmen hat lassen, könnte ihm keine versorgungsrechtlichen Vorteile verschaffen. Denn er hat gegen seine Schadensminderungspflicht verstoßen.

* Auch wenn die Hörminderung mit gewissen Schwierigkeiten im Berufsleben verbunden gewesen wäre, wovon der Senat nicht ausgeht, wäre zudem zu berücksichtigen, dass der Kläger im Jahr 1991 eine teilweise Kehlkopfresektion durchgemacht hat, die mit einer Einschränkung der Sprechfähigkeit verbunden ist. Es liegt nahe, dass diese Einschränkung im Berufsleben weitaus hinderlicher ist als eine Reduzierung des Hörvermögens, wie sie beim Kläger vorliegt und die zudem durch ein Hörgerät weitgehend zu eliminieren (gewesen) wäre.

* Zudem ist es ein allgemeiner Erfahrungssatz, dass die berufliche Leistungsfähigkeit im Alter nachlässt. So muss es auch beim Kläger sein. Zu Beginn des maßgeblichen Zeitraums im Jahr 1998 war er bereits 69 Jahre alt. Dass in diesem Alter, in dem der ganz überwiegende Anteil der Bevölkerung schon seit Jahren aus dem Erwerbsleben ausgeschieden ist, die berufliche Leistungsfähigkeit und damit auch das erzielbare Einkommen nachgelassen haben, liegt auf der Hand. (Potentielle) Einkommensverluste sind damit wesentlich durch das Alter des Klägers zu erklären, nicht aber durch ein eingeschränktes Hörvermögen.

* Beim Kläger kommt noch hinzu, dass er deshalb weniger Einkommen als früher bezieht, weil er nach eigenen Angaben einen Großteil seiner früher vier (so seine an Eides statt gemachte Angabe bei der Vorsprache beim Beklagten am 15.11.1995) Geschäfte an seine Kinder abgegeben hat. Auch dies hat mit Schädigungsfolgen nichts zu tun. Diese Konstellation ist nicht anders zu beurteilen als eine Berufsaufgabe, die aufgrund einer schädigungsunabhängigen Erkrankung oder ohne verständigen Grund erfolgt ist; auch in derartigen Fällen besteht ein Anspruch auf Berufsschadensausgleich nicht (vgl. Geschwinder, Der Nachschaden im Berufsschadensausgleich, ZfS 1981, S. 67, 69). Im Übrigen müsste dem Kläger auch hier eine Verletzung der Schadendminderungspflicht entgegen gehalten werden. Er kann sich nicht einerseits seiner Verdienstmöglichkeiten teilweise dadurch berauben, dass er seine Geschäfte an seine Kinder abgibt, und andererseits eine Kompensation für dieses Handeln durch Leistungen der Versorgungsverwaltung verlangen. Eine Geschäftsübergabe verlangen auch innerfamiliäre Pflichten nicht.

* Der Kläger kann sich auch nicht auf eine schädigungsbedingt unzureichende Altersvorsorge berufen. Wenn er behauptet, ihm sei keine entsprechende Altersvorsorge möglich gewesen, da sein berufliches Leistungsvermögen und seine beruflichen Einkünfte bereits früher durch Schädigungsfolgen stark eingeschränkt gewesen seien, kann sich der Senat nicht von der Richtigkeit dieser Behauptungen überzeugen. Ganz offensichtlich hat es der Kläger nämlich sehr wohl geschafft, eine Altersversorgung aufzubauen. So hat er selbst im Verwaltungsverfahren angegeben, dass er eine Lebensversicherung für das Alter erworben hat, die in einem Betrag ausgezahlt worden ist. Es ist also für den Senat erwiesen, dass der Kläger in der Lage war, sich eine Altersversorgung aufzubauen. Wenn er dies nicht in ausreichender Höhe - darüber liegen keine Erkenntnisse vor - oder wenn er dies in der Form gemacht hat, dass der Betrag der Lebensversicherung einmalig ausgezahlt wird, kann dies nicht dazu führen, dass der Kläger wegen nicht ausreichender laufender Einkünfte einen Berufsschadensausgleich geltend machen kann. Im Übrigen kann der Senat auch keine Hinweise darauf erkennen, dass der Kläger in seinem früheren Berufsleben schädigungsbedingte Einkommensverluste gehabt hätte, die ihn von einer ausreichenden Vorsorge für das Alter abgehalten hätten. Insofern verweist der Senat auf seine oben gemachten Ausführungen, auch zur besonderen beruflichen Betroffenheit. Auch den eigenen Angaben des Klägers am 15.11.1995 ist es zu entnehmen, dass er in seiner selbstständigen Tätigkeit durchaus erfolgreich war.

2.1.3. Kein Rentenberufsschadensaugleich

Ein Rentenberufsschadensausgleich gemäß § 30 Abs. 4 Sätze 3 und 4 BVG kommt schon deswegen nicht in Betracht, da der Kläger nicht in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert war.

2.2. Ergebnis

Ein rechtlich wesentlicher Kausalzusammenhang zwischen Schädigungsfolgen und einer (potentiellen) Einkommenseinbuße lässt sich unter allen denkbaren Gesichtspunkten nicht herstellen. Sollten die anerkannten Schädigungsfolgen überhaupt einen Beitrag zu einem potentiellen Einkommensverlust geliefert haben, würde dieser Beitrag durch die anderen vorrangigen Gründe völlig in den Hintergrund gedrängt und wäre damit rechtlich unwesentlich.

Wenn der Kläger demgegenüber damit argumentiert, dass er einen GdS von 25 habe und daher auch nur 75% im Berufsleben leisten habe können, was zwangsläufig eine entsprechende Einkommenseinbuße nach sich ziehe, irrt er. Denn dies hätte zur Folge, dass bei jedem versorgungsberechtigenden GdS automatisch auch ein Berufsschadensausgleich zu leisten wäre. Einen derartigen Automatismus kennen die gesetzlichen Regelungen nicht. Vielmehr ist konkret der rechtlich wesentliche Zusammenhang zwischen Schädigungsfolgen und Einkommensverlust festzustellen.

Der Kläger kann sich auch nicht auf einen allgemeinen Grundsatz einer „Fürsorgepflicht des Staates gegenüber ehemaligen Soldaten“ berufen. Eine über die Regelungen des BVG hinausgehende Fürsorgepflicht des Staates hat der Gesetzgeber nicht vorgesehen; diese Pflicht findet ihre Grenze in den Bestimmungen des BVG.

Die Berufung kann daher keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).

Tenor

I.

Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 29. Mai 2013 wird zurückgewiesen.

II.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Streitig sind die nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) festzustellenden Schädigungsfolgen und eine Grundrente.

Der Kläger ist 1926 geboren. Er war Soldat der Wehrmacht. Im März 1945 war er im sogenannten H. eingesetzt. Er erlitt dabei eine Granatsplitterverletzung am linken Unterschenkel.

Erstmals stellte der Kläger am 21.12.1987 beim Beklagten einen Antrag auf Beschädigtenversorgung nach dem BVG. Er gab an, kriegsbedingt unter Erfrierungen im Bereich der Zehen und einer Granatsplitterverletzung zu leiden. Zudem habe er Rheuma.

Im versorgungsärztlichen Gutachten vom 04.01.1989 kam der Sozialmediziner Dr. L. zu der Einschätzung, dass als Schädigungsfolgen lediglich Haut- und Weichteilnarben am linken Unterschenkel nach Granatsplitterverletzungen festzustellen seien. Diese würden eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von unter 10 v. H. bedingen. Erfrierungsfolgen oder rheumatische Veränderungen lägen nicht vor.

Mit Bescheid vom 17.04.1989 erkannte der Beklagte Haut- und Weichteilnarben am linken Unterschenkel nach Granatsplitterverletzung als Schädigungsfolgen nach dem BVG an. Abgelehnt wurde die Anerkennung von Durchblutungsstörungen an den Beinen sowie von Erfrierungsfolgen, wie sie der Kläger geltend gemachte habe, da solche Schädigungsfolgen nicht nachzuweisen seien.

Den dagegen erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23.10.1989 zurück.

Im anschließend beim Sozialgericht Augsburg unter dem Aktenzeichen S 11 V 227/89 durchgeführten Verfahren erstellte der Orthopäde Dr. D. am 05.02.1991 ein Gutachten. Dieser sah als Schädigungsfolgen lediglich Haut- und Weichteilnarben nach Granatsplitterverletzung am linken Unterschenkel. Erfrierungsfolgen oder rheumatische Veränderungen stellte er nicht fest. Daraufhin nahm der Kläger die Klage zurück.

Bei einer persönlichen Vorsprache beim Beklagten am 08.06.2011 stellte der Kläger einen Verschlimmerungsantrag. Er habe - so der Kläger im Schreiben vom 28.09.2011 - überall rheumatische Beschwerden. Das Immunsystem sei durch die Erfrierungen bzw. das Rheuma verändert. Es bestünden Erfrierungen am linken Ohr und beiden Füßen; alle Zehen seien erfroren. Eventuell leide er auch an einem Kriegstrauma.

Nach Einholung von Befundberichten bei den behandelnden Ärzten äußerte sich am 22.12.2011 der Internist Dr. S. in einer versorgungsärztlichen Stellungnahme wie folgt: Erfrierungsfolgen am linken Ohr und an den Zehen seien ausweislich der Vorbegutachtungen nicht nachgewiesen. Die Stauungsdermatose bei primärer Varikosis und der Pilzbefall der Füße und Zehennägel seien schädigungsfremd. Eine Erkrankung aus dem rheumatischen Formenkreis liege nicht vor. Die Kniegelenksarthrose links sei als alterstypische degenerative Veränderung zu werten.

Mit Bescheid vom 10.01.2012 lehnte der Beklagte den Neufestzustellungsantrag ab.

Am 14.06.2012 stellte der Kläger einen Überprüfungsantrag, weil er - so im Telefonat vom 28.06.2012 - die Widerspruchsfrist gegen den Bescheid vom 10.01.2012 versäumt habe. Er bat um Abklärung einer etwaigen psychischen Traumatisierung.

Im Rahmen eines beim Sozialgericht Augsburg unter dem Aktenzeichen S 5 VK 6/12 ER geführten Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes machte der Kläger bei einem Erörterungstermin am 26.11.2012 Erfrierungen an Ohren und Zehen, Schüttelfrost, Rheuma bzw. Arthritis, eine Arthrose sowie ein seit 11/2 Jahren bestehendes Kriegstrauma geltend. Er habe während seines Wehrdienstes die Hölle durchlebt. Insbesondere erinnere er sich zurück, wie die Russen mit Panzern eingefallen seien. Um ihn herum seien viele Leute gestorben. In nervenärztlicher Behandlung sei er bislang nicht gewesen. Das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes wurde mit einem Vergleich beendet, in dem sich der Beklagte bereit erklärte, nach Durchführung einer versorgungsmedizinischen Untersuchung zeitnah durch Bescheid zu entscheiden.

In Ausführung des Vergleichs beauftragte der Beklagte den Psychiater und Neurologen Dr. H. als Sachverständigen. Im Gutachten vom 22.01.2013 führte dieser aus, dass beim Kläger zwar kognitive Leistungseinbußen vorlägen, wie sie dem Lebensalter von 87 Jahren immanent seien. Hinweise auf ein relevantes depressives Syndrom oder gar auf eine posttraumatische Belastungsstörung ergäben sich aber nicht. Eine psychiatrische Diagnose, welche im Zusammenhang mit dem Wehrdienst stünde, könne nicht festgestellt werden.

Mit Bescheid vom 06.02.2013 lehnte es der Beklagte ab, den Versorgungsanspruch neu festzustellen; Schädigungsfolgen auf psychiatrischem Fachgebiet lägen nicht vor; der Grad der Schädigungsfolgen (GdS) betrage nach wie vor unter 10. An den bisherigen bindenden Ablehnungen für die Gesundheitsstörungen Durchblutungsstörungen an beiden Beinen, Osteomyelitis, Stauungsdermatose bei primärer Varikosis, Pilzbefall der Füße und Zehenägel sowie Kniearthrose werde festgehalten, ebenso daran, dass Erfrierungsfolgen und rheumatische Gelenkveränderungen nicht vorgelegen hätten und auch insoweit keine Anerkennung möglich sei.

Den dagegen erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 08.03.2013 zurück.

Am 04.04.2013 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Augsburg erhoben. Bei ihm sei - so der Kläger - eine schwere Fehldiagnose gestellt worden.

Mit Gerichtsbescheid vom 29.05.2013 ist die Klage abgewiesen worden. Über die Haut- und Weichteilnarben am linken Unterschenkel hinaus, die nur einen GdS von unter 10 bedingen, hat das Sozialgericht keine weiteren Schädigungsfolgen gesehen.

Der Kläger hat Berufung eingelegt. Seine gesundheitlichen Einschränkungen - so der Kläger - seien sehr stark; ihm stehe eine weitergehende Beschädigtenversorgung und eine Grundrente zu.

Im Rahmen eines Erörterungstermins am 23.04.2014 ist der Rechtsstreit mit den Beteiligten ausführlich besprochen worden. Der Kläger sieht sich als Kriegsopfer ungerecht behandelt und weist auf seine finanziell sehr beengte Situation hin.

Der Kläger möchte - so in der mündlichen Verhandlung vom 07.05.2014 - eine Entschädigung und beantragt damit sinngemäß,

den Gerichtsbescheid vom 29.05.2013 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 06.02.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.03.2013 zu verurteilen, ihm eine Grundrente nach dem BVG unter Anerkennung weiterer Schädigungsfolgen zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat die Akten des Beklagten und des Sozialgerichts Augsburg, auch zu den weiteren Verfahren mit den Aktenzeichen S 11 V 227/89 und S 5 VK 6/12 ER, beigezogen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Berufungsakte und der beigezogenen Akten Bezug genommen, die allesamt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Gründe

Mit Beschluss gemäß § 153 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) vom 28.04.2014 ist die Berufung dem Berichterstatter übertragen worden, so dass dieser zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern zu entscheiden hat.

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.

Das Sozialgericht hat die Klage gegen den Bescheid vom 06.02.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.03.2013 zu Recht abgewiesen.

1. Streitgegenstand

Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 06.02.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.03.2013. Darin enthalten sind zwei Regelungsgegenstände. Zum einen hat der Beklagte die Neufeststellung von Schädigungsfolgen gemäß § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) wegen einer Verschlimmerung abgelehnt, da keine wesentliche Änderung eingetreten sei. Zum anderen hat der Beklagte eine für den Kläger negative Überprüfungsentscheidung gemäß § 44 SGB X getroffen, da er es abgelehnt hat, die in der Vergangenheit getroffene und bestandskräftig gewordene Feststellung von Schädigungsfolgen insofern aufzuheben, als die Anerkennung weiterer, im Bescheid vom 06.02.2013 näher bezeichneter Gesundheitsstörungen als Schädigungsfolgen in der Vergangenheit bestandskräftig abgelehnt worden war. In der Sache geprüft im Rahmen des § 44 SGB X hat der Beklagte demgegenüber die Frage einer kriegsbedingten psychischen Erkrankung und dies abschlägig verbeschieden.

2. Zur Entscheidung gemäß § 48 SGB X

Der Beklagte hat es zutreffend abgelehnt, wegen einer Verschlimmerung im Sinn des § 48 SGB X weitere Schädigungsfolgen anzuerkennen.

Eine Verschlimmerung im Sinn des § 48 SGB X liegt nicht vor. Denn es haben sich weder die anerkannten Schädigungsfolgen verschlechtert noch sind nach dem letzten bestandskräftigen Bescheid (vom 10.01.2012) neue Schädigungsfolgen aufgetreten.

Der Kläger hätte über § 48 SGB X nur dann einen Anspruch auf Anerkennung weiterer Schädigungsfolgen bzw. Höherbewertung bereits anerkannter Schädigungsfolgen, wenn sich eine wesentliche Änderung im Sinne einer Verschlechterung ergeben hätte. In Betracht dafür kommt neben einer Verschlimmerung der als Schädigungsfolgen bereits anerkannten Gesundheitsstörungen das Auftreten weiterer noch als Schädigungsfolgen anzuerkennender Gesundheitsstörungen nach dem letzten bestandskräftigen Bescheid (ständige Rspr. des Senats, vgl. z. B. Urteil vom 18.03.2013, Az.: L 15 VK 11/11, vom BSG bestätigt mit Beschluss vom 31.07.2013, Az.: B 9 V 31/13 B).

Nichts davon ist vorliegend der Fall.

2.1. Keine wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse unter dem Gesichtspunkt einer Verschlimmerung der anerkannten Schädigungsfolgen

Eine Verschlimmerung liegt nicht vor.

Anerkannt als Schädigungsfolgen sind Haut- und Weichteilnarben am linken Unterschenkel nach Granatsplitterverletzung. Dass sich insofern eine Verschlimmerung ergeben hätte, hat nicht einmal der Kläger selbst behauptet.

Wenn er eine Verschlimmerung seines Gesundheitszustand vorträgt, betrifft dies nur Gesundheitsstörungen, die entweder bereits als Schädigungsfolgen abgelehnt worden sind oder die bereits vor dem bestandskräftigen Bescheid vom 10.01.2012 aufgetreten sind. Letzteres betrifft die vom Kläger behauptete psychische Kriegsfolge, die er erstmals im Schreiben vom 28.09.2011 geltend gemacht hat. Derartige Gesundheitsstörungen können aber keine Berücksichtigung im Rahmen des § 48 SGB X, sondern allenfalls über § 44 SGB X finden.

2.2. Keine wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse unter dem Gesichtspunkt des Auftretens weiterer als Schädigungsfolgen anzuerkennender Gesundheitsstörungen

Neue, d. h. seit dem bestandskräftigen Bescheid vom 10.01.2012 aufgetretene Schädigungsfolgen hat weder der Kläger vorgetragen noch sind solche auch nur ansatzweise ersichtlich.

Eine Berücksichtigung der vom Kläger als weitere Schädigungsfolge geltend gemachten psychischen Störung im Rahmen eines Antrags gemäß § 48 SGB X scheidet schon deshalb aus, weil - folgt man den Angaben des Klägers im Schreiben vom 28.09.2011 - diese Gesundheitsstörung bereits vor dem bestandskräftigen Bescheid vom 10.01.2012 vorgelegen hat.

3. Zur Entscheidung gemäß § 44 SGB X

Der Beklagte hat es zutreffend abgelehnt, im Weg einer Überprüfungsentscheidung gemäß § 44 SGB X die bestandskräftig gewordenen Bescheide, zuletzt vom 10.01.2012, abzuändern und weitere Schädigungsfolgen anzuerkennen.

3.1. Allgemeines zum Prüfungsrahmen des § 44 SGB X

Bei der gesetzlichen Regelung des § 44 SGB X und dem dabei zu beachtenden Prüfungsrahmen ist Folgendes zu berücksichtigen:

Ausgangspunkt ist die gesetzliche Regelung des § 77 SGG, wonach ein Verwaltungsakt für die Beteiligten in der Sache bindend wird, wenn ein Rechtsbehelf nicht oder erfolglos eingelegt wird. Diese Bestandskraft (Unanfechtbarkeit) ist ein wesentliches Prinzip der Rechtsordnung. Mit der Bestandskraft wird Rechtssicherheit geschaffen, weil die Beteiligten wissen, woran sie sind, nämlich dass die Regelung des Verwaltungsakts sie bindet, und Rechtsfrieden garantiert, weil weiterer Streit über den Verwaltungsakt ausgeschlossen ist. Für den Adressaten des Verwaltungsakts ist damit keine unangemessene Benachteiligung verbunden, hat er doch die Möglichkeit, sich im Rahmen der zur Verfügung stehenden Rechtsmittel gegen einen Bescheid zu wehren und dessen Rechtmäßigkeit überprüfen zu lassen. Schöpft er diese Mittel nicht aus oder akzeptiert er den Verwaltungsakt, weil er selbst keinen überzeugenden Zweifel an der Rechtmäßigkeit hat, müssen die Beteiligten die getroffene Regelung in der Zukunft für und gegen sich gelten lassen.

Die Regelung des § 44 SGB X ermöglicht unter bestimmten Voraussetzungen eine ausnahmsweise Abweichung von der Bindungswirkung (Bestandskraft) unanfechtbarer und damit für die Beteiligten bindend gewordener sozialrechtlicher Verwaltungsakte, um damit materielle Rechtmäßigkeit herzustellen. § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X eröffnet dazu zwei Alternativen. Entweder muss bei der bestandskräftig gewordenen Entscheidung das Recht unrichtig angewandt worden (erste Alternative) oder die Behörde muss beim Erlass des bestandskräftig gewordenen Verwaltungsakts von einem Sachverhalt ausgegangen sein, der sich nachträglich aufgrund des Bekanntwerdens neuer Tatsachen als unrichtig erwiesen hat (zweite Alternative).

Nicht Sinn und Zweck des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist es, Fristenregelungen im Zusammenhang mit der Frage der Bestandskraft von Entscheidungen der Verwaltung oder auch der Gerichte auszuhebeln und die mit der Bestandskraft bezweckte Rechtssicherheit und den Rechtsfrieden in das Belieben der Beteiligten zu stellen. § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X kann kein Mittel sein, um durch wiederholte Anträge bei der Behörde diese immer wieder zu Sachentscheidungen (deren Ergebnis wegen der bereits getroffenen Entscheidung absehbar ist) zu zwingen, die dann wiederum gerichtlich in der Sache überprüfbar wären. Würde man dies zulassen, hätte eine Behörde keinerlei Möglichkeit, sich vor wiederholenden Anträgen mit dem sich daraus ergebenden möglicherweise massiven Verwaltungsaufwand, der nicht nur Personal bindet, sondern auch Kosten verursacht, zu schützen.

Bei der oben genannten ersten Alternative handelt es sich um eine rein rechtliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit der bestandskräftig gewordenen Entscheidung, bei der es auf den Vortrag neuer Tatsachen nicht ankommt und die von Amts wegen zu erfolgen hat (vgl. BSG, Urteil vom 05.09.2006, Az.: B 2 U 24/05 R). Eine derartige Überprüfung bedeutet jedoch nicht, dass eine vollständige Überprüfung des Sachverhalts mittels neuer Ermittlung des Sachverhalts und neu einzuholender Gutachten durchzuführen wäre. Vielmehr ist lediglich aus rein rechtlicher Sicht zu würdigen, ob der der bestandskräftig gewordenen Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt rechtlich zutreffend beurteilt und rechtlich in nicht zu beanstandender Weise bewertet worden ist.

Weitergehende Sachermittlungen sind im Rahmen der ersten Alternative nicht geboten. Dies ergibt sich eindeutig aus der Systematik der gesetzlichen Regelung in § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Denn mit der Differenzierung zwischen den aufgezeigten zwei Alternativen (unrichtige Rechtsanwendung einerseits und ursprünglich unrichtig zugrunde gelegter Sachverhalt andererseits) hat der Gesetzgeber deutlich gemacht, dass nicht in jedem Fall eine völlige Überprüfung unter allen in Betracht kommenden Gesichtspunkten zu erfolgen hat. Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass die Verwaltung nicht durch aussichtslose Überprüfungsanträge, die beliebig oft wiederholt werden können, immer wieder zu einer neuen Sachprüfung gezwungen werden soll (vgl. BSG, Urteil vom 06.03.1991, Az.: 9b RAr 7/90). Würde hingegen bereits im Rahmen der ersten Alternative eine umfassende Sachprüfung, d. h. mit einer umfassenden Neuermittlung des zugrunde liegenden Sachverhalts, vorausgesetzt, so stünde dies im Widerspruch zu den gesetzlichen Anforderungen für die zweite Alternative, für die die Benennung neuer Tatsachen und Beweismittel vorausgesetzt wird. Im Rahmen der ersten Alternative sind daher die tatsächlichen Feststellungen, wie sie dem bestandskräftigen Bescheid zugrunde gelegen haben, auch im Überprüfungsverfahren zu beachten und lediglich zu prüfen, ob auf diesen Tatsachen aufbauend, unabhängig von ihrer Richtigkeit, die rechtlichen Schlussfolgerungen zutreffend sind. In dem Verfahren erfolgt eine rein rechtliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit, zu der von Seiten des Klägers zwar Gesichtspunkte beigesteuert werden können, die aber letztlich umfassend von Amts wegen erfolgen muss.

Für die zweite Alternative kommt es auf die Benennung neuer Tatsachen und Beweismittel im Rahmen eines abgestuften Verfahrens an (vgl. BSG, Urteil vom 03.02.1988, Az.: 9/9a RV 18/86, das auch im Urteil des BSG vom 05.09.2006, Az.: B 2 U 24/05 R nicht infrage gestellt worden ist). Die Prüfung bei dieser zweiten Alternative hat sich an den rechtlichen Vorgaben zu orientieren, wie sie auch im Rahmen eines gerichtlichen Wiederaufnahmeverfahrens zu beachten sind. Es liegt daher der zweiten Alternative ein Verfahren zugrunde, bei der es auf die Benennung neuer Tatsachen und Beweismittel ankommt (vgl. BSG, Urteil vom 05.09.2006, Az.: B 2 U 24/05 R).

Ergibt sich bei diesem Verfahren nichts Neues, was für die Unrichtigkeit der Vorentscheidung sprechen könnte, darf sich die Verwaltung ohne jede Sachprüfung auf die Bindungswirkung der bestandskräftigen Entscheidung berufen. Werden zwar neue Tatsachen oder Erkenntnisse vorgetragen und neue Beweismittel benannt, ergibt aber die Prüfung, dass die vorgebrachten Gesichtspunkte nicht tatsächlich vorliegen oder für die frühere Entscheidung nicht erheblich waren, darf sich die Behörde ebenfalls auf die Bindungswirkung stützen.

Eine Behörde ist daher nur dann, wenn die Prüfung zu dem Ergebnis führt, dass ursprünglich nicht bekannte Tatsachen oder Erkenntnisse vorliegen, die für die Entscheidung wesentlich sind, oder wenn sich herausstellt, dass das Recht unrichtig angewandt worden ist, dazu verpflichtet, ohne Rücksicht auf die Bindungswirkung erneut zu entscheiden (vgl. BSG, Urteil vom 03.02.1988, Az.: 9/9a RV 18/86).

Hat eine Behörde unter zutreffender Anwendung des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X eine erneute Sachprüfung und Sachentscheidung abgelehnt, kann sich das Gericht über diese Entscheidung nicht hinwegsetzen und den gesamten Sachverhalt einer wiederholten Sachprüfung unterziehen. Denn § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X gibt nur der Verwaltung selbst, nicht aber dem Gericht die Möglichkeit, sich über eine frühere negative Entscheidung zugunsten des Antragstellers hinwegzusetzen (vgl. BSG, Beschluss vom 09.08.1995, Az.: 9 BVg 5/95; Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteil vom 11.04.2004, Az.: L 8 U 115/02; ständige Rspr. des Senats, vgl. z. B. Urteil vom 18.02.2014, Az.: L 15 VK 3/12).

Diesen Prüfungsmaßstab, den der Senat beispielsweise im Urteil vom 18.03.2013, Az.: L 15 VK 11/11, ausführlich dargestellt hat, hat das BSG, dessen Rechtsprechung zu § 44 SGB X nicht immer einheitlich ist (vgl. vorgenanntes Urteil des Senats vom 18.03.2013, dort Ziff. 3.3.1. der Gründe), ausdrücklich bestätigt, wenn es im Anschluss an das vorgenannte Urteil des Senats mit Beschluss vom 31.07.2013, Az.: B 9 V 31/13 B, Folgendes ausgeführt hat:

„... Zulassung nach § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG scheidet ebenfalls aus. ... Abweichung (Divergenz) ist gegeben, wenn das angefochtene Urteil auf einer bestimmten Rechtsauffassung beruht, die zu der in einer Entscheidung des BSG ... zugrunde gelegten Rechtsansicht in Widerspruch steht. Davon kann hier nicht ausgegangen werden. Die Vorinstanz hat sich an der Rechtsprechung des BSG orientiert.“

3.2. Prüfung im hier zu entscheidenden Fall

Was die Ablehnung der Anerkennung weiterer Schädigungsfolgen mit Ausnahme einer potentiellen psychischen Erkrankung angeht, hat sich der Beklagte zu Recht auf die bestandskräftigen Bescheide, zuletzt vom 10.01.2012, berufen und es daher in nicht zu beanstandender Weise abgelehnt, im Rahmen einer Entscheidung gemäß § 44 SGB X weitere Schädigungsfolgen anzuerkennen und eine Versorgung zu gewähren (vgl. unten Ziff. 3.2.1.).

Sofern die Frage der Anerkennung einer psychischen Erkrankung betroffen ist, hat es der Beklagte unabhängig von der Bestandskraft früherer Entscheidungen nach erneuter Prüfung in der Sache zutreffend abgelehnt, eine solche Erkrankung als weitere Schädigungsfolge anzuerkennen. Denn eine psychische Erkrankung, die auf Ereignisse im Krieg zurückzuführen wäre, liegt nicht vor (vgl. unten Ziff. 3.2.2.).

3.2.1. Zu der mit Hinweis auf die Bestandskraft früherer Entscheidungen erfolgten Ablehnung

Der Beklagte hat zu Recht auf die Bestandskraft früherer Entscheidungen verwiesen und daher die Anerkennung weiterer Schädigungsfolgen abgelehnt. Weitergehende Ermittlungen und eine erneute Prüfung des konkreten Zusammenhangs zwischen Kriegereignis und als Schädigungsfolgen geltend gemachter Gesundheitsstörungen sind den Gerichten daher verwehrt.

3.2.1.1. § 44 Abs. 1 Satz 1, 1. Alternative SGB X - unrichtige Rechtsanwendung

Den bestandskräftigen Bescheiden, mit denen in der Vergangenheit die Anerkennung weiterer Schädigungsfolgen abgelehnt worden sind, liegt keine unrichtige Rechtsanwendung zugrunde.

Unter Zugrundelegung der früheren versorgungsärztlichen und auch gerichtssachverständigen, im Verfahren mit dem Aktenzeichen S 11 V 227/89 gewonnenen Erkenntnisse, die gut und nachvollziehbar begründet sind, sind die früher erfolgten Ablehnungen nicht zu beanstanden. Unter zutreffender Beweiswürdigung und richtiger Anwendung der einschlägigen gesetzlichen Normen, insbesondere den Vorgaben zum hinreichend wahrscheinlichen Zusammenhang gemäß § 1 Abs. 3 BVG, ist die Anerkennung weiterer Schädigungsfolgen abgelehnt worden.

3.2.1.2. § 44 Abs. 1 Satz 1, 2. Alternative SGB X - neue Tatsachen

Der Beklagte hat zu Recht mangels Vortrags neuer Tatsachen auf die Bindungswirkung der bestandskräftigen Bescheide, zuletzt vom 10.01.2012, verwiesen und es abgelehnt, in der Sache erneut zu entscheiden.

Neue Tatsachen hat der Kläger zu keinem Zeitpunkt im Verwaltungsverfahren angegeben. Er hat lediglich bereits früher vorgetragene Erkrankungen wiederholt und seine ebenfalls bereits früher zum Ausdruck gebrachte Meinung, es bestehe ein Zusammenhang mit Geschehnissen im Krieg, erneut geäußert.

3.2.2. Zu der nach Prüfung in der Sache erfolgten Ablehnung der Anerkennung einer psychischen Erkrankung als Schädigungsfolge

Der Beklagte hat es zutreffend abgelehnt, eine psychische Erkrankung als weitere Schädigungsfolge anzuerkennen, da sich ein psychisches Kriegstrauma nicht nachweisen lässt.

3.2.2.1. Prüfungsrahmen des Gerichts

Der Beklagte hat bezüglich der geltend gemachten psychischen Erkrankung nicht auf die Bestandskraft früherer Entscheidungen verwiesen, sondern in der Sache geprüft. Dies hat zur Konsequenz, dass auch das Gericht in der Sache voll zu prüfen hat (vgl. BSG, Beschluss vom 09.08.1995, Az.: 9 BVg 5/95), obwohl in der Vergangenheit bereits eine bestandskräftige Ablehnung erfolgt ist.

3.2.2.2. Voraussetzungen für eine Anerkennung

Für die Anerkennung einer psychischen Erkrankung - mit den Worten des Klägers eines „psychischen Kriegstraumas“ - als Schädigungsfolgen wäre eine im Vollbeweis nachgewiesene (psychische) Gesundheitsstörung erforderlich, die gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 BVG in einem wahrscheinlichen Zusammenhang mit Ereignissen im Krieg stehen müsste.

Vollbeweis im vorgenannten Sinn bedeutet, dass eine Tatsache mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen sein muss (vgl. BSG, Urteil vom 15.12.1999, Az.: B 9 VS 2/98 R). Für diesen Beweisgrad ist es zwar nicht notwendig, dass die erforderlichen Tatsachen mit absoluter Gewissheit feststehen. Ausreichend, aber auch erforderlich ist indessen ein so hoher Grad der Wahrscheinlichkeit, dass bei Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens kein vernünftiger, den Sachverhalt überschauender Mensch mehr am Vorliegen der Tatsachen zweifelt (vgl. BSG, Urteil vom 28.06.2000, Az.: B 9 VG 3/99 R), d. h. dass die Wahrscheinlichkeit an Sicherheit grenzt (vgl. BSG, Urteil vom 05.05.1993, Az.: 9/9a RV 1/92). Die bloße Wahrscheinlichkeit und erst recht nur die Möglichkeit reichen nicht aus.

Wahrscheinlichkeit im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 1 BVG bedeutet, dass nach der geltenden medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang spricht. Eine bloße - abstrakte oder konkrete - Möglichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs reicht nicht aus (vgl. BSG, Urteil vom 26.11.1968, Az.: 9 RV 610/66; für den vergleichbaren Rechtsbereich der gesetzlichen Unfallversicherung: BSG, Urteil vom 22.06.2004, Az.: B 2 U 22/03 R).

3.2.2.3. Prüfung im vorliegenden Fall

Es fehlt bereits an einer im Vollbeweis nachgewiesenen psychischen Erkrankung, die eine Folge von Geschehnissen im Krieg sein könnte.

Bei dieser Einschätzung stützt sich der Senat auf das vom Beklagten eingeholte Gutachten des Dr. H. vom 22.01.2013. Auch wenn dieses Gutachten vom Beklagten in Auftrag gegeben worden ist, sieht der Senat kein Hindernis, dieses Gutachten zu seiner Entscheidungsgrundlage zu machen.

Das BSG weist in ständiger Rechtsprechung (vgl. z. B. Beschluss vom 26.05.2000, Az.: B 2 U 90/00 B) darauf hin, dass zwar nicht als gerichtliche Sachverständigengutachten erstellte ärztliche Gutachten grundsätzlich einen anderen Beweiswert und eine andere Beweiskraft und somit eine andere Aussagekraft besitzen als gerichtliche Gutachten Dies stellt aber kein Hindernis dar, das Verwaltungsgutachten im Wege des Urkundenbeweises gemäß § 118 SGG i. V. m. §§ 415 ff. Zivilprozessordnung zu verwerten und ihm im Rahmen der freien richterlichen Beweiswürdigung gemäß § 128 Abs. 1 SGG zu folgen. Dabei hat das BSG klar gestellt, dass es sich bei dem von einem Sozialleistungsträger gemäß §§ 20, 21 SGB X eingeholten Gutachten nicht um ein bloßes „Privatgutachten“ handelt, sondern um ein im Rahmen der Erfüllung öffentlich-rechtlicher Aufgaben erstelltes Sachverständigengutachten, das auch die Entscheidungsgrundlage für das Gericht sein kann (vgl. BSG, Beschluss vom 12.10.1993, Az.: 13 RJ 71/92). Dies gilt jedenfalls dann, wenn der vom Sozialleistungsträger beauftragte Sachverständige weder dem ärztlichen Dienst des Sozialleistungsträgers angehört noch die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigt (vgl. BSG, Beschluss vom 10.08.1993, Az.: 9/9a BV 185/92). Weitere Ermittlungen von Amts wegen können allenfalls dann angezeigt sein, wenn der andere Verfahrensbeteiligte gegen das durch den Sozialleistungsträger eingeholte Gutachten nicht unerhebliche Einwendungen vorbringt (vgl. BSG, Urteil vom 15.10.1986, Az.: 5b RJ 80/85).

Bei Berücksichtigung dieser Vorgaben steht einer Verwertung des Gutachtens des Dr. H. nichts entgegen. Dr. H. gehört nicht dem versorgungsärztlichen Dienst des Beklagten an, sondern ist ein niedergelassener Arzt. Es gibt nicht den geringsten Anlass, an seiner Unvereingenommenheit und Unparteilichkeit zu zweifeln. Irgendwelche Einwendungen hat der Kläger gegen dieses Gutachten nicht erhoben. Der äußerst erfahrene und gerichtsbekannte Sachverständige Dr. H. hat den Kläger ausführlich begutachtet und seine Einschätzung umfassend und nachvollziehbar begründet. Der Senat stützt sich auf dieses Gutachten und macht sich die Ausführungen des Dr. H. zu eigen.

Danach fehlt es bereits an einer psychischen Erkrankung. Zwar denkt der Kläger zeitweilig an seine Kriegserlebnisse. Diese Erinnerung hat aber keinen Krankheitswert im Sinn einer psychiatrischen Diagnose. Der Kläger hat bei der Untersuchung durch Dr. H. ohne wesentliche emotionale Beteiligung über die Geschehnisse im Krieg berichtet. Vegetative Reaktionen hat er dabei nicht gezeigt. Dies entspricht auch dem Verhalten des Klägers im Erörterungstermin vom 23.04.2014. Auch dort hat der Kläger über unzweifelhaft schreckliche und lebensbedrohliche Situationen im Kampf gegen den „Iwan“ berichtet, ohne aber dadurch besonders berührt zu wirken. Den gleichen Eindruck hat der Kläger schließlich in der mündlichen Verhandlung am 07.05.2014 vermittelt. Über Flashbacks hat er gegenüber Dr. H. nichts erzählt, vielmehr einen guten Schlaf angegeben. Dazu passt auch, dass der Kläger dem Sachverständigen gesagt hat „Ich habe keine Beschwerden“ und erst auf gezielte Nachfrage ein „Kriegstrauma“ behauptet hat. In der mündlichen Verhandlung am 07.05.2014 hat der Kläger zudem von einem „psychischen Kriegstrauma“ im Sinn einer psychischen Erkrankung nichts mehr wissen wollen. Auch hat nach seinen Angaben nie eine Behandlung wegen psychischer Beschwerden stattgefunden. Damit lässt sich eine psychiatrische Erkrankung, die für eine Anerkennung als Schädigungsfolge in Betracht kommen könnte, nicht nur nicht im Vollbeweis nachweisen, sondern dürfte sogar auszuschließen sein. Darauf, dass - wenn die früheren Behauptungen des Klägers zu einem „Kriegstrauma“ zutreffend wären - ein hinreichend wahrscheinlicher Zusammenhang auch wegen des Fehlens jeglicher Brückensymptome und einer symptomlosen Zeit von rund 65 (!) Jahren nicht hergestellt werden könnte, kommt es nicht weiter an.

Die Berufung kann daher unter keinem Gesichtspunkt Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).

Wird der gegen einen Verwaltungsakt gegebene Rechtsbehelf nicht oder erfolglos eingelegt, so ist der Verwaltungsakt für die Beteiligten in der Sache bindend, soweit durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist.

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

Tatbestand

Streitig ist, ob der Beklagte der Gewährung von Versorgung eine besondere berufliche Betroffenheit des Klägers im Sinn von § 30 Abs. 2 Bundesversorgungsgesetz (BVG) zugrunde zu legen hat und ob Berufsschadensausgleich im Sinn des § 30 Abs. 3 ff. BVG zu gewähren ist.

Der Kläger ist im Jahre 1928 geboren. Im Zweiten Weltkrieg wurde er als Luftwaffenhelfer eingezogen. Am 24. oder 25.01.1944 befand er sich unter der Mündung einer Flugabwehrkanone, als diese das Feuer eröffnete. Anschließend hörte er nach eigener Angabe auf dem rechten Ohr nicht mehr richtig und hatte einige Tage Ausfluss. Zudem wurde er am 25.01.1945 durch einen Granatsplitterdurchschuss und einen Steckschuss am linken Oberarm verwundet.

Nach dem Krieg schloss er im März 1947 seine schulische Ausbildung mit dem Abitur an einer Oberrealschule ab. Anschließend studierte er vom Sommersemester 1947 bis zum Sommersemester 1949 an der Hochschule A-Stadt Jura und Volkswirtschaft. Neben dem Studium arbeitete er bereits. Im Sommersemester 1949 war er aus beruflichen Gründen beurlaubt. Anschließend war er als selbstständiger Kaufmann im Groß- und Einzelhandel tätig; auch heute hat er noch ein Geschäft.

Im Jahr 1991 wurde beim Kläger eine Kehlkopfteilresektion wegen eines Kehlkopfkarzinoms mit der Folge einer Verschlechterung der Sprechfähigkeit durchgeführt.

Am 16.05.1994 beantragte er die Bewilligung einer Beschädigtenrente unter Zugrundelegung einer besonderen beruflichen Betroffenheit und Berufsschadensausgleich. Dies begründete er damit, dass sich seine Schwerhörigkeit während der beruflichen Tätigkeit oft nachteilig ausgewirkt habe. Es sei schwierig gewesen, neue Geschäftsverbindungen mit diesem Handicap zu knüpfen. Es sei manchmal zu Missverständnissen gekommen, die zu finanziellen Verlusten geführt hätten. Tatsächlich habe er beabsichtigt, in den höheren Forstdienst einzutreten. Wegen seines Gehörschadens habe er aber einen negativen Bescheid erhalten.

Der Kläger legte Bestätigungen ehemaliger Schulkollegen vor, wonach er die höhere Forstlaufbahn einschlagen habe wollen, damals schlecht, besonders auf dem rechten Ohr, gehört habe und sich zum Jurastudium entschlossen habe, weil es wegen des schlechten Hörvermögens mit dem Forstdienst nichts geworden sei.

Mit Schreiben vom 17.08.1994 gab der Kläger an, dass er sich im Sommer 1946 beim B. Forstamt wegen seines Berufziels Förster vorgestellt habe. Dort sei ihm gesagt worden, dass er sich als Schwerhöriger überhaupt gar nicht bewerben brauche. Er habe daher dieses Berufsziel aufgegeben. Er habe sich dann an der Hochschule A-Stadt für Volkswirtschaft und Jura eingeschrieben und vier Semester absolviert. Dieses Studium habe er aber selber in Frage gestellt und zwar wiederum wegen seiner Schwerhörigkeit. Es sei ihm gleich aufgefallen, dass er Richter, Staatsanwälte, Rechtsanwälte und Parteien bei Verhandlungen schlecht verstanden habe. Er habe sich sehr anstrengen müssen, dem Gesprochenen zu folgen. Es habe ihm damals schon keinen Spaß gemacht, nicht alles zu verstehen, was gesagt werde. Er habe nach dem vierten Semester das Studium an den Nagel gehängt und sei selbstständiger Gewerbetreibender geworden.

Auf Anfrage des Beklagten teilte die Bayerische Oberforstdirektion B-Stadt mit Schreiben vom 23.08.1994 mit, dass eine Taubheit auf einem Ohr der Laufbahn im höheren Forstdienst nach dem Krieg wie heute auch entgegen gestanden habe.

Am 20.12.1994 wurde der Kläger versorgungsärztlich von der HNO-Ärztin Dr. S. begutachtet. Bei der Begutachtung gab der Kläger an, er habe eigentlich Förster werden wollen, habe dann aber vier Semester Jura studiert und das Studium aufgegeben, weil es ihm nicht gefallen habe. Unabhängig von den geltend gemachten Schädigungsfolgen sei er im Dezember 1991 am Kehlkopf operiert worden und habe seitdem eine schlechte Stimme. Die Sachverständige empfahl eine Anerkennung von Schädigungsfolgen nicht, da sich ein Zusammenhang der Hörschädigung mit dem Kriegsereignis nicht mit der erforderlichen Sicherheit nachweisen lasse.

Bei einer chirurgischen Zusatzbegutachtung am selben Tag wurde ein metalldichter Fremdkörper im mittleren Oberarmdrittel links festgestellt, der - so der Sachverständige -eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) in Höhe von 0 v. H. bewirke. Eine weitere Zusatzbegutachtung auf nervenärztlichem Fachgebiet vom selben Tag ergab eine geringe Teillähmung des linken Speichennerven nach Granatsplitterverletzung am Oberarm, die mit einer MdE in Höhe von 10 v. H. bewertet wurde.

Mit Bescheid vom 20.03.1995 wurden als Schädigungsfolgen eine geringe Teillähmung des linken Speichennerven sowie ein metalldichter Fremdkörper im mittleren Oberarmdrittel mit einer MdE in Höhe von unter 25 v. H. anerkannt. Abgelehnt wurde es, einen Defektzustand beider Mittelohren bei Zustand nach Explosionstrauma als Schädigungsfolge anzuerkennen. Eine besondere berufliche Betroffenheit liege nicht vor. Ein Anspruch auf Berufsschadensausgleich bestehe nicht, da keine MdE rentenberechtigenden Grads gegeben sei.

Im Rahmen des anschließenden Widerspruchsverfahrens sprach der Kläger am 15.11.1995 beim Beklagten vor. Bei der über vierstündigen Vorsprache machte er folgende Angaben, deren Richtigkeit er durch seine Unterschrift an Eides statt versicherte: Sein Jurastudium habe er aus Verlegenheit begonnen; damals habe man Lebensmittelmarken erhalten, wenn man berufstätig gewesen sei oder studiert habe. Gemocht habe er dieses Studium nicht; ursprünglich habe er auf die Forstakademie gewollt. Nach der Währungsreform im Jahr 1948 habe er gearbeitet (Kellner bei den Amerikanern, Verkäufer von Pepsi-Cola und Geschenkartikeln). Hierbei habe er - so der Kläger - sehr gut Geld verdienen können. Auf diesem Weg sei er in den Kaufmannsberuf geschlittert. Das Jurastudium, das er sowieso nicht gemocht und nur aus Verlegenheit begonnen habe, habe er später aufgegeben. Er habe damals an den Amerikanern recht gut verdienen können. 1952 bis 1956 habe er einen Großhandel aufgemacht. Danach habe er sich auf die Produktion von Bekleidungswaren verlegt. Insbesondere habe er zunächst bestickte Jacken hergestellt, die sehr gut gelaufen seien. Dann habe er bis etwa 1971 Jeans und anschließend vorwiegend Badebekleidung produziert. Er habe Geschäfte in A-Stadt, B-Stadt, C-Stadt und D-Stadt aufgebaut. Diese bestünden noch immer, seien aber zum Teil bereits im Besitz seiner Kinder. Lediglich das Geschäft in D-Stadt betreibe er noch selbst. Eine Rente bekomme er nicht; abgesichert habe er sich nur über eine Lebensversicherung, die bereits voll ausgezahlt worden sei.

Gegen den ablehnenden Widerspruchsbescheid erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Bayreuth.

Mit Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 11.02.1998, Az.: S 5 V 62/96, wurde dem Begehren des Klägers nur insofern Rechnung getragen, als eine sensorineurale Schwerhörigkeit links und eine kombinierte Schwerhörigkeit rechts als weitere Schädigungsfolgen anerkannt wurden. Es wurde nach wie vor von einer MdE von unter 25 v. H. (für die Hörschädigung im Bereich von 10 bis 20, wie dies auch der gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) benannte Sachverständige Prof. Dr. E. im Gutachten vom 10.04.10997 angenommen hatte) ausgegangen. Eine besondere berufliche Betroffenheit sah das Sozialgericht nicht, da der angestrebte Beruf nicht sozial höherwertig gewesen wäre und er zudem die Möglichkeit gehabt habe, die Hörminderung mit Hörgeräten auszugleichen oder zu mindern.

Mit weiterem Urteil vom 11.02.1998, Az.: S 5 V 50/97, wies das Sozialgericht die auf die Gewährung von Berufsschadensausgleich gerichtete Klage zurück, weil bereits keine Rentenberechtigung vorliege.

Die Berufung zum Bayer. Landessozialgericht (Az.: L 18 V 12/98) gegen das Urteil wegen der Anerkennung weiterer Schädigungsfolgen und Gewährung von Versorgungsrente samt besonderer beruflicher Betroffenheit nahm der Kläger nach der Einholung von Gutachten zurück. Hintergrund der Rücknahme war der Hinweis der damaligen Vorsitzenden des Senats, dass bei Rechtskraft des Urteils des Sozialgerichts eine MdE in Höhe von 20 v. H. für die schädigungsbedingte Schwerhörigkeit des Klägers angenommen werden müsse und sich zusammen mit der handchirurgischen Einschätzung letztlich eine MdE in Höhe von 25 v. H. ergebe.

Entsprechend den gerichtlichen Hinweisen hat der Beklagte mit Bescheid vom 23.07.2002 eine „sensorineurale Schwerhörigkeit links, kombinierte Schwerhörigkeit rechts“ als weitere Schädigungsfolgen anerkannt und eine MdE in Höhe von 25 v. H. ab dem 01.02.1994 festgestellt.

Am 23.09.2002 stellte der Kläger den Antrag, eine besondere berufliche Betroffenheit gemäß § 30 Abs. 2 BVG rückwirkend ab Antragstellung (Februar 1994) festzustellen sowie Berufsschadensausgleich zu gewähren.

Mit Bescheid vom 26.03.2003 lehnte der Beklagte den Antrag auf Berufsschadensausgleich sowie auf Höherbewertung der MdE wegen besonderer beruflicher Betroffenheit ab. Ein Einkommensverlust wegen der Schädigungsfolgen sei im Vergleich mit dem angestrebten Beruf eines Oberforstrats nicht erkennbar. Vielmehr könne davon ausgegangen werden, dass der Kläger aus seinen Geschäften mindestens ein so hohes Einkommen erzielt habe wie das eines Oberforstrats. Ein Berufsschadensausgleich sei daher abzulehnen. Zur besonderen beruflichen Betroffenheit wies der Beklagte darauf hin, dass eine solche bereits mit Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 11.02.1998 abgelehnt worden sei. Die zwischenzeitliche Erhöhung der MdE auf 25 v. H. bewirke keine Änderung hinsichtlich der im Urteil genannten Gründe für die Ablehnung der Anwendung des § 30 Abs. 2 BVG im Fall des Klägers. An den Ausführungen in diesem Urteil werde weiterhin festgehalten.

Den ohne Begründung abgegebenen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 06.04.2005 zurück.

Am 06.05.2005 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Bayreuth erhoben. Er hat die Klage mit Scheiben vom 11.06.2005 wie folgt begründet: Die MdE sei höher zu bewerten, da er durch die Art der Beschädigungen in seinem Berufsleben besonders betroffen sei. Besonders betroffen sei er deshalb, weil er den nachweislich angestrebten Beruf eines höheren Forstbeamten oder eines sozial gleichwertigen Berufs, nämlich den eines Rechtsanwalts, nicht ausüben habe können. Wenn der Beklagte ihm entgegen halte, dass er selbst daran schuld sei, keine ausreichende Altersversorgung geschaffen zu haben, sei diese Behauptung oberflächlich und nicht haltbar. Wegen der MdE von 25 v. H. sei er nicht in der Lage gewesen, einen aufgezwungenen Beruf mit ganzer Kraft auszuüben, eben nicht mit 100%, sondern nur zu 75%. Ein in seiner Schaffenskraft um 25% Geschädigter verfüge nicht über die Leistungsfähigkeit eines gesunden Menschen. Die gesundheitliche Verfassung habe es nicht zugelassen, entsprechende Rücklagen für das Rentenalter zu bilden. Er genieße in seinem tatsächlich ausgeübten Beruf ein erheblich geringeres gesellschaftliches Ansehen als im angestrebten Beruf.

Mit Gerichtsbescheid vom „01.02.2010“ (Anmerkung des Senats: Die Jahreszahl müsste richtigerweise 2011 lauten) ist die Klage abgewiesen worden. Das Sozialgericht hat dies wie folgt begründet: Unzulässig sei die Klage auf Anerkennung einer besonderen beruflichen Betroffenheit. Ihr fehle es am allgemeinen Rechtsschutzbedürfnis, da dieser Anspruch mit Urteil vom 11.02.1998 (Az.: S 5 V 62/96) rechtskräftig abgelehnt worden sei, wie der angefochtene Bescheid vom 26.03.2003 zutreffend festgestellt habe. Eine Veränderung der maßgeblichen Entscheidungsgrundlagen habe der Kläger nicht geltend gemacht. Die Klage auf Berufsschadensausgleich sei zulässig, aber unbegründet. Weder liege der erforderliche Einkommensverlust noch der erforderliche ursächliche Zusammenhang im Sinn der wesentlichen Bedingung mit den anerkannten Schädigungsfolgen vor.

Am 28.02.2011 hat der Kläger gegen den ihm am 05.02.2011 zugestellten Gerichtsbescheid Berufung eingelegt. Die Berufung begründet er wie folgt: Durch die Nichtanerkennung einer besonderen beruflichen Betroffenheit sei ihm ein Einkommensverlust entstanden. Das Sozialgericht lasse es außer Betracht, dass er die höhere Forstlaufbahn einschlagen habe wollen. Auch das angefangene und abgebrochene Jurastudium beweise die besondere Betroffenheit durch die Gehörschädigung. Einen Beruf in einem Gerichtssaal auszuüben, sei bei ihm sinnlos. Auch die Bewertung des Ansehens eines selbstständigen Kaufmanns im Vergleich zu einem höheren Beamten sei falsch. Ein Beamter sei einem Vater sicher lieber als Schwiegersohn als ein selbstständiger Kaufmann. Das Sozialgericht habe nicht die Fürsorgepflicht des Staates für seine Soldaten berücksichtigt.

Der Kläger beantragt, den Gerichtsbescheid vom 01.02.2010 und den Bescheid vom 26.03.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.04.2005 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, bei der Bemessung des Grads der Schädigung eine besondere berufliche Betroffenheit anzuerkennen und Berufsschadensausgleich zu gewähren.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat die Akten des Beklagten und des Sozialgerichts Bayreuth beigezogen. Weiter sind beigezogen worden die Akten der abgeschlossenen Verfahren des Sozialgerichts Bayreuth mit den Aktenzeichen S 5 V 62/96 und S 5 V 50/97 und des Bayer. Landessozialgerichts mit dem Aktenzeichen L 18 V 12/98. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Berufungsakte und der beigezogenen Akten Bezug genommen.

Gründe

Der Senat war nicht gehindert, trotz Ausbleibens des Klägers mündlich zu verhandeln und durch Urteil zu entscheiden. In der ordnungsgemäßen Ladung war ein korrekter Hinweis auf die Folgen seines Fernbleibens enthalten. Der Kläger hat den Senat mit Schreiben vom 28.03.2014 darüber informiert, dass er aus gesundheitlichen Gründen zur mündlichen Verhandlung nicht kommen werde; einen Antrag auf Vertagung hat er nicht gestellt.

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Die Entscheidung des Sozialgerichts ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.

1. Besondere berufliche Betroffenheit

Der Grad der Schädigungsfolgen (GdS) ist nicht wegen einer besonderen beruflichen Betroffenheit höher zu bewerten.

Das Sozialgericht hätte die Klage insofern nicht als unzulässig - wegen entgegenstehender Rechtskraft -, sondern als unbegründet zurückweisen müssen. Denn tatsächlich hat der Beklagte über die Feststellung einer besonderen beruflichen Betroffenheit entschieden. Im Rahmen eines Überprüfungsantrags gemäß § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) hat sich der Beklagte auf die Bestandskraft der früheren rechtskräftig gewordenen Ablehnung (Bescheid vom 20.03.1995 in der Form des Urteils vom 11.02.1998) gestützt und aus diesem Grund eine erneute Sachprüfung abgelehnt. Damit hat der Beklagte eine Entscheidung getroffen, die Widerspruch und Klage zugängig war.

Die insofern erhobene Klage ist daher zulässig gewesen, aber in der Sache unbegründet. Denn der Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, im Wege einer Überprüfungsentscheidung gemäß § 44 SGB X die bestandskräftige Entscheidung zur Frage der besonderen beruflichen Betroffenheit, wie sie der Bescheid vom 20.03.1995 in der Form des Urteils vom 11.02.1998 beinhaltet, aufzuheben und in der Sache erneut über die Frage der besonderen beruflichen Betroffenheit zu entscheiden.

1.1. Allgemeines zum Prüfungsrahmen des § 44 SGB X

Bei der gesetzlichen Regelung des § 44 SGB X und dem dabei zu beachtenden Prüfungsrahmen ist Folgendes zu berücksichtigen:

Ausgangspunkt ist die gesetzliche Regelung des § 77 SGG, wonach ein Verwaltungsakt für die Beteiligten in der Sache bindend wird, wenn ein Rechtsbehelf nicht oder erfolglos eingelegt wird. Diese Bestandskraft (Unanfechtbarkeit) ist ein wesentliches Prinzip der Rechtsordnung. Mit der Bestandskraft wird Rechtssicherheit geschaffen, weil die Beteiligten wissen, woran sie sind, nämlich dass die Regelung des Verwaltungsakts sie bindet, und Rechtsfrieden garantiert, weil weiterer Streit über den Verwaltungsakt ausgeschlossen ist. Für den Adressaten des Verwaltungsakts ist damit keine unangemessene Benachteiligung verbunden, hat er doch die Möglichkeit, sich im Rahmen der zur Verfügung stehenden Rechtsmittel gegen einen Bescheid zu wehren und dessen Rechtmäßigkeit überprüfen zu lassen. Schöpft er diese Mittel nicht aus oder akzeptiert er den Verwaltungsakt, weil er selbst keinen überzeugenden Zweifel an der Rechtmäßigkeit hat, müssen die Beteiligten die getroffene Regelung in der Zukunft für und gegen sich gelten lassen.

Die Regelung des § 44 SGB X ermöglicht unter bestimmten Voraussetzungen eine ausnahmsweise Abweichung von der Bindungswirkung (Bestandskraft) unanfechtbarer und damit für die Beteiligten bindend gewordener sozialrechtlicher Verwaltungsakte, um damit materielle Rechtmäßigkeit herzustellen. § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X eröffnet dazu zwei Alternativen. Entweder muss bei der bestandskräftig gewordenen Entscheidung das Recht unrichtig angewandt worden (erste Alternative) oder die Behörde muss beim Erlass des bestandskräftig gewordenen Verwaltungsakts von einem Sachverhalt ausgegangen sein, der sich nachträglich aufgrund des Bekanntwerdens neuer Tatsachen als unrichtig erwiesen hat (zweite Alternative).

Nicht Sinn und Zweck des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist es, Fristenregelungen im Zusammenhang mit der Frage der Bestandskraft von Entscheidungen der Verwaltung oder auch der Gerichte auszuhebeln und die mit der Bestandskraft bezweckte Rechtssicherheit und den Rechtsfrieden in das Belieben der Beteiligten zu stellen. § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X kann kein Mittel sein, um durch wiederholte Anträge bei der Behörde diese immer wieder zu Sachentscheidungen (deren Ergebnis wegen der bereits getroffenen Entscheidung absehbar ist) zu zwingen, die dann wiederum gerichtlich in der Sache überprüfbar wären. Würde man dies zulassen, hätte eine Behörde keinerlei Möglichkeit, sich vor wiederholenden Anträgen mit dem sich daraus ergebenden möglicherweise massiven Verwaltungsaufwand, der nicht nur Personal bindet, sondern auch Kosten verursacht, zu schützen.

Bei der oben genannten ersten Alternative handelt es sich um eine rein rechtliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit der bestandskräftig gewordenen Entscheidung, bei der es auf den Vortrag neuer Tatsachen nicht ankommt und die von Amts wegen zu erfolgen hat (vgl. Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 05.09.2006, Az.: B 2 U 24/05 R). Eine derartige Überprüfung bedeutet jedoch nicht, dass eine vollständige Überprüfung des Sachverhalts mittels neuer Ermittlung des Sachverhalts und neu einzuholender Gutachten durchzuführen wäre. Vielmehr ist lediglich aus rein rechtlicher Sicht zu würdigen, ob der der bestandskräftig gewordenen Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt rechtlich zutreffend beurteilt und rechtlich in nicht zu beanstandender Weise bewertet worden ist.

Weitergehende Sachermittlungen sind im Rahmen der ersten Alternative nicht geboten. Dies ergibt sich eindeutig aus der Systematik der gesetzlichen Regelung in § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Denn mit der Differenzierung zwischen den aufgezeigten zwei Alternativen (unrichtige Rechtsanwendung einerseits und ursprünglich unrichtig zugrunde gelegter Sachverhalt andererseits) hat der Gesetzgeber deutlich gemacht, dass nicht in jedem Fall eine völlige Überprüfung unter allen in Betracht kommenden Gesichtspunkten zu erfolgen hat. Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass die Verwaltung nicht durch aussichtslose Überprüfungsanträge, die beliebig oft wiederholt werden können, immer wieder zu einer neuen Sachprüfung gezwungen werden soll (vgl. BSG, Urteil vom 06.03.1991, Az.: 9b RAr 7/90). Würde hingegen bereits im Rahmen der ersten Alternative eine umfassende Sachprüfung, d. h. mit einer umfassenden Neuermittlung des zugrunde liegenden Sachverhalts, vorausgesetzt, so stünde dies im Widerspruch zu den gesetzlichen Anforderungen für die zweite Alternative, für die die Benennung neuer Tatsachen und Beweismittel vorausgesetzt wird. Im Rahmen der ersten Alternative sind daher die tatsächlichen Feststellungen, wie sie dem bestandskräftigen Bescheid zugrunde gelegen haben, auch im Überprüfungsverfahren zu beachten und lediglich zu prüfen, ob auf diesen Tatsachen aufbauend, unabhängig von ihrer Richtigkeit, die rechtlichen Schlussfolgerungen zutreffend sind. In dem Verfahren erfolgt eine rein rechtliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit, zu der von Seiten des Klägers zwar Gesichtspunkte beigesteuert werden können, die aber letztlich umfassend von Amts wegen erfolgen muss.

Für die zweite Alternative kommt es auf die Benennung neuer Tatsachen und Beweismittel im Rahmen eines abgestuften Verfahrens an (vgl. BSG, Urteil vom 03.02.1988, Az.: 9/9a RV 18/86, das auch im Urteil des BSG vom 05.09.2006, Az.: B 2 U 24/05 R nicht infrage gestellt worden ist). Die Prüfung bei dieser zweiten Alternative hat sich an den rechtlichen Vorgaben zu orientieren, wie sie auch im Rahmen eines gerichtlichen Wiederaufnahmeverfahrens zu beachten sind. Es liegt daher der zweiten Alternative ein Verfahren zugrunde, bei der es auf die Benennung neuer Tatsachen und Beweismittel ankommt (vgl. BSG, Urteil vom 05.09.2006, Az.: B 2 U 24/05 R).

Ergibt sich bei diesem Verfahren nichts Neues, was für die Unrichtigkeit der Vorentscheidung sprechen könnte, darf sich die Verwaltung ohne jede Sachprüfung auf die Bindungswirkung der bestandskräftigen Entscheidung berufen. Werden zwar neue Tatsachen oder Erkenntnisse vorgetragen und neue Beweismittel benannt, ergibt aber die Prüfung, dass die vorgebrachten Gesichtspunkte nicht tatsächlich vorliegen oder für die frühere Entscheidung nicht erheblich waren, darf sich die Behörde ebenfalls auf die Bindungswirkung stützen.

Eine Behörde ist daher nur dann, wenn die Prüfung zu dem Ergebnis führt, dass ursprünglich nicht bekannte Tatsachen oder Erkenntnisse vorliegen, die für die Entscheidung wesentlich sind, oder wenn sich herausstellt, dass das Recht unrichtig angewandt worden ist, dazu verpflichtet, ohne Rücksicht auf die Bindungswirkung erneut zu entscheiden (vgl. BSG, Urteil vom 03.02.1988, Az.: 9/9a RV 18/86).

Hat eine Behörde unter zutreffender Anwendung des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X eine erneute Sachprüfung und Sachentscheidung abgelehnt, kann sich das Gericht über diese Entscheidung nicht hinwegsetzen und den gesamten Sachverhalt einer wiederholten Sachprüfung unterziehen. Denn § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X gibt nur der Verwaltung selbst, nicht aber dem Gericht die Möglichkeit, sich über eine frühere negative Entscheidung zugunsten des Antragstellers hinwegzusetzen (ständige Rspr., vgl. z. B. Urteil des Senats vom 18.02.2014, Az.: L 15 VK 3/12; Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht - LSG -, Urteil vom 11.04.2004, Az.: L 8 U 115/02).

Diesen vom Senat in ständiger Rspr. (vgl. z. B. Urteil vom 18.02.2014, Az.: L 15 VK 3/12) zugrunde gelegten Prüfungsmaßstab, den der Senat beispielsweise im Urteil vom 18.03.2013, Az.: L 15 VK 11/11, ausführlich dargestellt hat, hat das BSG, dessen Rechtsprechung zu § 44 SGB X nicht immer einheitlich ist (vgl. vorgenanntes Urteil des Senats vom 18.03.2013, dort Ziff. 3.3.1. der Gründe), ausdrücklich bestätigt, wenn es im Anschluss an das Urteil des Senats mit Beschluss vom 31.07.2013, Az.: B 9 V 31/13 B, Folgendes ausgeführt hat:

„... Zulassung nach § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG scheidet ebenfalls aus... Abweichung (Divergenz) ist gegeben, wenn das angefochtene Urteil auf einer bestimmten Rechtsauffassung beruht, die zu der in einer Entscheidung des BSG ... zugrunde gelegten Rechtsansicht in Widerspruch steht. Davon kann hier nicht ausgegangen werden. Die Vorinstanz hat sich an der Rechtsprechung des BSG orientiert.“

1.2. Prüfung im hier zu entscheidenden Fall

Der Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, im Rahmen einer Entscheidung gemäß § 44 SGB X eine besondere berufliche Betroffenheit im Sinn des § 30 Abs. 2 BVG anzunehmen und den der Gewährung von Versorgung zugrunde liegenden GdS (früher: MdE) höher zu bewerten.

1.2.1. § 44 Abs. 1 Satz 1, 1. Alternative SGB X - unrichtige Rechtsanwendung

Der bestandskräftigen Entscheidung zur Frage der besonderen beruflichen Betroffenheit, wie sie der Bescheid vom 20.03.1995 in der Form des Urteils vom 11.02.1998 beinhaltet, liegt keine unrichtige Rechtsanwendung zugrunde.

Unter Zugrundelegung der damaligen Erkenntnisse ist die Ablehnung einer besonderen beruflichen Betroffenheit nicht zu beanstanden. Die Hörstörung, auf der das Urteil vom 11.02.1998 basiert, ist identisch mit der Hörstörung, wie sie dem Überprüfungsantrag zugrunde liegt; dies ergibt sich auch zweifelsfrei aus den Hinweisen, die die Vorsitzende des 18. Senats des Bayer. Landessozialgerichts in der mündlichen Verhandlung vom 06.02.2002 gegeben hat und die für den Kläger der Anlass gewesen sind, seine damalige Berufung zurückzunehmen. Lediglich die Ermittlung des Gesamt-GdS wurde damals noch anders als später vorgenommen, ohne dass dies Einfluss auf die Auswirkungen der Schädigungsfolgen für die berufliche Tätigkeit haben könnte. Denn entscheidend sind allein die vorliegenden als Schädigungsfolgen anerkannten funktionellen Beeinträchtigungen, nicht deren zahlenmäßige Bewertung. Unter Zugrundelegung der Tatsachen, wie sie für den bestandkräftigen Bescheid zutreffend angenommen worden waren, lässt sich eine besondere berufliche Betroffenheit nicht begründen, wie sich auch den Gründen des Urteils vom 11.02.1998 entnehmen lässt.

1.2.2. § 44 Abs. 1 Satz 1, 2. Alternative SGB X - neue Tatsachen

Der Beklagte hat zu Recht mangels Vortrags neuer Tatsachen auf die Bindungswirkung der bestandskräftigen Entscheidung zur Frage der besonderen beruflichen Betroffenheit, wie sie der Bescheid vom 20.03.1995 in der Form des Urteils vom 11.02.1998 beinhaltet, verwiesen und es abgelehnt, in der Sache erneut zu entscheiden.

Der wiederholte Antrag auf Feststellung einer besonderen beruflichen Betroffenheit ist identisch wie der erste Antrag begründet worden. Neue Tatsachen hat der Kläger zu keinem Zeitpunkt im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren vorgetragen. Es ist auch in der Sache nichts ersichtlich, was eine andere Einschätzung rechtfertigen könnte.

1.3. Ergebnis

Da der der bestandskräftig gewordenen Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt rechtlich zutreffend beurteilt worden ist, der Kläger neue Tatsachen und Beweismittel nicht benannt hat, geschweige denn dass solche neuen Tatsachen und Beweismittel bewiesen seien, hat sich der Beklagte zu Recht auf die Bestandskraft der Entscheidung zur Frage der besonderen beruflichen Betroffenheit, wie sie der Bescheid vom 20.03.1995 in der Form des Urteils vom 11.02.1998 beinhaltet, berufen. Eine weitergehende Prüfung in der Sache ist den Gerichten daher nicht gestattet.

1.4. Weitergehende Erläuterungen für den Kläger zum besseren Verständnis ohne Entscheidungsrelevanz

Da sich der Beklagte zu Recht auf die Bindungswirkung der bestandskräftigen Entscheidung zur Frage der besonderen beruflichen Betroffenheit (Bescheid vom 20.03.1995 in der Form des Urteils vom 11.02.1998) gestützt und es daher abgelehnt hat, in der Sache erneut zu entscheiden, ist auch dem Senat eine weitergehende Prüfung in der Sache verwehrt.

Gleichwohl erlaubt sich der Senat, um beim Kläger dem Eindruck entgegen zu wirken, er habe allein aus einem formalen Grund sein Recht nicht bekommen, folgende weitergehende Hinweise, wobei der Senat nochmals ausdrücklich darauf hinweist, dass es sich dabei lediglich um eine Serviceleistung des Gerichts ohne Entscheidungsrelevanz handelt:

Von einer besonderen beruflichen Betroffenheit im Sinn des § 30 Abs. 2 BVG könnte im vorliegenden Fall nur dann ausgegangen werden, wenn aufgrund der Schädigung ein sozial gleichwertiger Beruf nicht ausgeübt hätte werden können. Dass bei einem Vergleich vom Beruf eines Försters im höheren Dienst und einer selbstständigen Tätigkeit, wie sie der Kläger ausgeübt hat bzw. noch ausübt, nicht von einer fehlenden sozialen Gleichwertigkeit ausgegangen werden könnte, ist im Verfahren S 5 V 62/96 und nochmals im aktuellen sozialgerichtlichen Verfahren (vgl. die Aufstellung der Kriterien im Schreiben des Beklagten vom 15.02.2006) ausführlich erläutert worden. Zudem darf nicht übersehen werden, dass der Kläger einen - auch seiner Ansicht nach - zum Förster im höheren Dienst gleichwertigen Beruf, nämlich den des Juristen, ergreifen hätte können. Den entsprechenden Studiengang hatte er auch eingeschlagen. Dass es nicht zu einem Studienabschluss gekommen ist, ist nach der Überzeugung des Senats nicht durch Schädigungsfolgen zu begründen, sondern mit einem mangelnden Interesse des Klägers an dieser Studienrichtung und der Tatsache, dass er während des Studiums offenbar die Gelegenheit ergriffen hat, gut Geld zu verdienen, und deshalb das Studium aufgegeben hat. Dies entspricht Angaben des Klägers anlässlich seiner Vorsprache beim Beklagten am 15.11.1995. Diese Vorsprache hat über vier Stunden gedauert; der Kläger hat sich dabei äußerst umfangreich und detailliert geäußert.

Der Senat weist den dortigen Angaben des Klägers am 15.11.1995, die dieser mit seiner Unterschrift und an Eides statt als richtig bestätigt hat, den größten Beweiswert zu. Zwar hat der Kläger zuvor im Rahmen seines Antrags die Aufgabe des Jurastudiums mit der Hörminderung begründet. Diese Angabe hält der Senat aber nicht für glaubhaft.

Zum einen gibt es keinen Grundsatz, dass die ersten Angaben einen erhöhten Beweiswert hätten (vgl. Bayer. LSG, Urteil vom 27.07.2004, Az.: L 17 U 293/03). Dies hat das BSG ausdrücklich im Urteil vom 11.11.2013, Az.: B 2 U 41/02 R, wie folgt begründet:

„Denn weder das SGG noch die Zivilprozessordnung (ZPO) kennen eine Beweisregel in dem Sinne, dass frühere Aussagen oder Angaben grundsätzlich einen höheren Beweiswert besitzen als spätere. Im Rahmen der freien Beweiswürdigung (§ 128 Abs. 1 Satz 1 SGG, § 286 ZPO) sind vielmehr alle Aussagen, Angaben usw zu würdigen. Denn der objektive Beweiswert einer Erklärung kann nicht allein nach dem zeitlichen Abstand von dem Ereignis, auf das sie sich bezieht, bestimmt werden (BSG vom 14. März 1958 - 2 RU 126/56 -). Vielmehr sind alle Umstände des Einzelfalles und vor allem auch die Glaubwürdigkeit der die Erklärung abgebenden Personen zu würdigen (vgl. Bender/Nack, Tatsachenfeststellung vor Gericht, 2. Aufl, 1995). Im Rahmen dieser Gesamtwürdigung kann das Gericht den zeitlich früheren Aussagen aufgrund des Gesichtspunktes, dass sie von irgendwelchen versicherungsrechtlichen Überlegungen ggf. noch unbeeinflusst waren, einen höheren Beweiswert als den späteren Aussagen zumessen, muss es aber nicht.“

Zum anderen gibt es diverse Gesichtspunkte, die für die Richtigkeit der Angaben am 15.11.1995 sprechen. Gerade die Tatsache, dass der Kläger bei der Vorsprache am 15.11.1995 bereits über die rechtlichen Anforderungen für die angestrebten Leistungen informiert gewesen sein muss, er aber gleichwohl Angaben gemacht hat, die für diese Ziel nicht unbedingt hilfreich sind, belegt, dass er am 15.11.1995 wahrheitsgemäße Angaben gemacht hat. Demgegenüber geht der Senat davon aus, dass die zunächst schriftlich gemachte Angabe, er habe wegen der Hörstörung das Jurastudium aufgegeben, im Wesentlichen zweckgerichtet gewesen sind und nicht der Wahrheit entspricht. Für die Richtigkeit der Angaben am 15.11.1995, die der Kläger später weitgehend bestätigt hat, und damit gegen den Wahrheitsgehalt anderslautender Angaben spricht neben der unbefangenen Angabe anlässlich der Begutachtung durch die HNO-Ärztin Dr. S. am 20.12.1994 („er hat das Studium aufgegeben, weil es ihm nicht gefallen hat“) auch der große Detailreichtum der Angaben vom 15.11.1995; eine solche Detailfülle fehlt bei anderslautenden Angaben des Klägers. Gegen den Vortrag des Klägers, er habe das Jurastudium wegen der Hörminderung abgebrochen, spricht im Übrigen auch, dass bei dem vor dem SG im zugrunde liegenden erstinstanzlichen Verfahren am 20.07.2010 durchgeführten Erörterungstermin für den Vorsitzenden keinerlei Verständigungsschwierigkeiten ersichtlich waren. Vielmehr war - so der Hinweis in den Gründen des angefochtenen Gerichtsbescheids - eine normale Verständigung mit dem Kläger möglich. Dass eine solche Verständigung während der Studienzeiten nicht möglich gewesen wäre, im Jahr 2010 jedoch schon, hält der Senat angesichts der Tatsache, dass sich auch nach den sachverständigen Ausführungen das Hörvermögen des Klägers im Alter verschlechtert hat, für ausgeschlossen. Ende der 40er Jahre muss das Hörvermögen und damit die Verständigung noch besser als aktuell gewesen sein. Schließlich spricht für die Richtigkeit der Angaben am 15.11.1995 auch, dass der Kläger ausdrücklich, nämlich handschriftlich, „die Richtigkeit der ... Angaben ... an Eides statt“ versichert hat.

Der Kläger müsste sich auch entgegen halten lassen, dass er keine Hörgeräte zur Minderung etwaiger Einschränkungen im Studium und Alltag in Anspruch genommen hat. Eine hörgeräteakustische Versorgung durch Taschengeräte wäre bereits zur Studienzeit des Klägers möglich gewesen, wie sich auch aus den allgemein gehaltenen Hinweisen des im Verfahren L 18 V 1/99 des Bayer. LSG gehörten Sachverständigen und den Gründen des Urteils des Bayer. LSG vom 23.10.2002, Az.: L 18 V 1/99, ergibt. Angesichts der damals beim Kläger nur einseitig nachgewiesenen Hörminderung - eine leichte Hörminderung auch auf dem anderen, dem linken Ohr ist erstmals 1991 belegt - und der vom Kläger nicht in Anspruch genommenen Möglichkeit zur Hörgeräteversorgung würde sich ein rechtlich wesentlicher Kausalzusammenhang zwischen Schädigungsfolgen und Aufgabe des Jurastudiums schon wegen Verstoßes gegen die Schadensminderungspflicht nicht herstellen lassen. Von einer besonderen beruflichen Betroffenheit könnte daher nach der Überzeugung des Senats auch nicht nach erneuter inhaltlicher Prüfung ausgegangen werden.

Lediglich der Vollständigkeit halber macht der Senat darauf aufmerksam, dass der Kläger zu keinem Zeitpunkt behauptet hat, dass er auch das von ihm aufgenommene Volkswirtschaftsstudium wegen Schädigungsfolgen aufgegeben habe. Dies belegt, dass der Kläger im Wesentlichen wegen der damaligen guten Verdienstmöglichkeiten das Studium (von Jura und Volkswirtschaft) abgebrochen hat, ohne dass dabei Schädigungsfolgen einen rechtlich wesentlichen Beitrag gespielt hätten.

2. Berufsschadensausgleich

Der Senat hat sich nicht die Überzeugung davon verschaffen können, dass durch die mit Wirkung ab 1994 anerkannten Schädigungsfolgen der Kläger in seiner beruflichen Laufbahn und seinen Einkommensverhältnissen spürbar beeinträchtigt gewesen wäre.

Die vom Beklagten getroffene Entscheidung über den Berufsschadensausgleich stellt - wie auch die Entscheidung über die besondere berufliche Betroffenheit eine Überprüfungsentscheidung gemäß § 44 SGB X dar. Im Unterschied zum erstgenannten Regelungsgehalt hat sich der Beklagte hier aber nicht auf die Bestandskraft der früher getroffenen Entscheidung berufen, sondern in der Sache erneut entschieden.

Auch wenn dies die Formulierung des § 30 Abs. 3 BVG („nach Anwendung des Absatzes 2“) nahelegen könnte, scheidet ein Anspruch auf Berufsschadensausgleich nicht schon dann aus, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2, d. h. eine besondere berufliche Betroffenheit nicht gegeben sind (vgl. BSG, Urteile vom 06.07.1971, Az.: 9 RV 514/68, und vom 08.07.1980, Az.: 9 RV 20/79). Der Hinweis in § 30 Abs. 3 BVG ist vielmehr dahingehend zu verstehen, dass zeitlich vorhergehend die besondere berufliche Betroffenheit zu prüfen ist (vgl. Dau, in: Knickrehm, Gesamtes Soziales Entschädigungsrecht, 1. Aufl. 2012, § 30 BVG, Rdnr. 24).

Maßgeblich ist der Zeitraum ab Antragstellung (vgl. BSG, Urteil vom 06.07.1972, Az.: 9 RV 668/71). Im vorliegenden Fall einer Überprüfungsentscheidung gemäß § 44 SGB X ist dies wegen § 44 Abs. 4 Satz 3 SGB X die Zeit ab dem 01.01.1998.

Bei der Frage des Berufsschadensausgleichs ist von den bestandskräftig anerkannten Schädigungsfolgen auszugehen, auch wenn der Senat große Zweifel daran hat, dass diese Gesundheitsstörungen tatsächlich auch in diesem Umfang auf die Verletzung im Krieg zurückzuführen sind. Diese Zweifel werden bestätigt durch die Hinweise im Protokoll zur mündlichen Verhandlung vom 06.02.2002. Es liegt sehr nahe, dass es zur anschließenden Feststellung eines versorgungsberechtigenden GdS nur deswegen gekommen ist, weil im zuvor ergangenen Urteil des Sozialgericht eine zu weit gehende Anerkennung von Schädigungsfolgen ausgesprochen worden ist, wie es sich auch aus dem im Berufungsverfahren eingeholten hno-ärztlichen Gutachten ergibt, und der Beklagte dagegen, möglicherweise in Verkennung der Auswirkungen der Tenorierung, nicht in Berufung gegangen ist. Für die jetzt zu treffende Entscheidung ist dieser mögliche Fehler aber ohne Bedeutung. Auszugehen ist von den anerkannten Schädigungsfolgen.

2.1. Kein Zusammenhang zwischen einem potentiellen Einkommensverlust und Schädigungsfolgen

Ob der Kläger im maßgeblichen Zeitraum tatsächlich einen Einkommensverlust erlitten hat, kann dahingestellt bleiben. Denn nach der Überzeugung des Senats lässt sich ein rechtlich wesentlicher Kausalzusammenhang zwischen Schädigungsfolgen und einem potentiellen Einkommensverlust nicht feststellen.

2.1.1. Anforderungen an den Kausalzusammenhang

Die Beurteilung des Zusammenhangs folgt, wie ansonsten im Versorgungsrecht auch, der Theorie der wesentlichen Bedingung (ständige Rspr. des BSG, vgl. z. B. Urteile vom 23.11.1977, Az.: 9 RV 12/77, vom 08.05.1981, Az.: 9 RV 24/80, vom 20.07.2005, Az.: B 9a V 1/05 R, und vom 18.05.2006, Az.: B 9a V 6/05 R). Rechtlich wesentlich ist eine Ursache dann, wenn sie wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg bei dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt hat. Haben mehrere Umstände zu einem Erfolg beigetragen, so sind sie nach der versorgungsrechtlichen Rechtsprechung des BSG (vgl. Urteil vom 08.08.1974, Az.: 10 RV 209/73) rechtlich nur dann nebeneinander stehende Mitursachen, wenn sie in ihrer Bedeutung und Tragweite für den Eintritt des Erfolges „annähernd gleichwertig“ sind. Was unter dem Begriff der „annähenden Gleichwertigkeit“ zu verstehen ist, ist in der angeführten Entscheidung und auch in anderen neueren Entscheidungen des BSG nicht näher präzisiert. Die ständige unfallversicherungsrechtliche Rechtsprechung (vgl. z. B. BSG, Urteil vom 09.05.2006, Az.: B 2 U 1/05 R) hält demgegenüber den Begriff der „annähernden Gleichwertigkeit“ für nicht geeignet zur Abgrenzung, da er einen objektiven Maßstab vermissen lasse und missverständlich sei, und sieht eine versicherte Ursache dann als rechtlich wesentlich an, wenn nicht eine alternative unversicherte Ursache von „überragender Bedeutung“ ist. Letzteres entspricht im Ergebnis auch der versorgungsrechtlichen Rechtsprechung des BSG, das, wie z. B. dem Urteil vom 14.07.1955, Az.: 8 RV 177/54, zu entnehmen ist, von einer „annähernd gleichwertigen“ Bedeutung einer von mehreren Ursachen solange ausgeht, als nicht einer Ursache eine „überragende Bedeutung“ zukommt. Eine Abweichung von unfallversicherungsrechtlicher und versorgungsrechtlicher Rechtsprechung zum Kausalitätsbegriff, wie sie sich aufgrund der Differenzen zum Begriff der „annähernden Gleichwertigkeit“ aufdrängen könnte, besteht daher nicht. Der Senat geht daher in Übereinstimmung mit der versorgungs- und unfallversicherungsrechtlichen Rechtsprechung davon aus, dass eine vom Schutzbereich des BVG umfasste Ursache immer dann rechtlich wesentlich ist, wenn nicht die andere(n), nicht dem Schutzbereich des BVG unterfallende(n) Ursache(n) eine überragende Bedeutung hat (haben) (ständige Rspr. des Senats, vgl. z. B. zum Bereich der Soldatenversorgung nach dem Soldatenversorgungsgesetz: Urteil vom 19.07.2011, Az.: L 15 VS 7/10) und die vom versorgungsrechtlichen Schutzbereich umfasste Ursache nicht völlig in den Hintergrund drängt (drängen) (vgl. Urteile des Senats vom 02.07.2013, Az.: L 15 VS 9/10, und vom 13.12.2013, Az.: L 15 VS 26/12).

Die der Zusammenhangsbeurteilung zugrunde liegenden Tatsachen müssen im Vollbeweis nachgewiesen sein, für den Zusammenhang reicht es aus, wenn er wahrscheinlich ist; Wahrscheinlichkeit wiederum bedeutet, dass mehr für als gegen den Zusammenhang spricht (vgl. BSG, Beschluss vom 08.08.2001, Az.: B 9 V 23/01 B).

Unter Kausalitätsgesichtspunkten zu berücksichtigen ist auch eine etwaige Schadensminderungspflicht des Beschädigten. Der Rechtsgedanke der in der Zivilrechtsprechung und zivilrechtlichen Literatur zum Schadensersatzrecht aus § 254 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch abgeleiteten Schadensminderungspflicht gilt im gesamten Sozialrecht und insbesondere auch im Recht der Kriegsopferversorgung (vgl. BSG, Urteil vom 18.12.1985, Az.: 9a RV 18/84). Danach obliegt es jedem Anspruchsberechtigten, einen Schaden durch eigenes Handeln möglichst gering zu halten (vgl. BSG, Urteil vom 08.07.1980, Az.: 9 RV 20/79). Dieser Grundsatz gilt auch beim Anspruch auf Berufsschadensausgleich (vgl. BSG, Urteil vom 08.07.1980, Az.: 9 RV 20/79). Ist ein unverständiges Verhalten des Beschädigten die Ursache für einen Einkommensverlust, durchbricht dies die rechtliche wesentliche Kausalität (vgl. für den vergleichbaren Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung: LSG Berlin, Urteil vom 10.02.2005, Az.: L 3 U 39/04) und stellt einen versorgungsfremden Nachschaden dar (vgl. BSG, Urteil vom 08.07.1980, Az.: 9 RV 20/79). Der Beschädigte muss es sich als eigenes Risiko zurechnen lassen, wenn in seiner Person liegende schädigungsfremde Gründe zu einer Minderversorgung geführt haben (vgl. BSG, Urteil vom 18.12.1985, Az.: 9a RV 18/84). Denn nach dem in § 1 Abs. 1 BVG normierten Entschädigungsprinzip sind nur die gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Schädigung auszugleichen, nicht aber davon unabhängig eingetretene Nachteile.

Der Rechtsgedanke, dass Einkommensminderungen ohne verständigen Grund zulasten des Verursachers gehen, durchzieht das Recht der Kriegsopferversorgung (vgl. BSG, Urteil vom 16.03.1979, Az.: 9 RV 51/78). Dieses Prinzip wird in gleicher Weise im Recht der gesetzlichen Rentenversicherung (vgl. BSG, Urteil vom 24.05.1978, Az.: 4 RJ 79/77) respektiert. In der gesamten Rechtsordnung obliegt es jedem Anspruchsberechtigten, einen Schaden durch zumutbares Handeln gering zu halten (vgl. BSG, Urteil vom 24.05.1978, Az.: 4 RJ 79/77). Die Versorgungsberechtigten haben nach Kräften bei der Minderung der finanziellen Last durch die Folgen der Schädigung mitzuwirken und deren Ausdehnung möglichst zu vermeiden (vgl. BSG, Urteil vom 08.07.1980, Az.: 9 RV 20/79).

2.1.2. Zur Situation des Klägers

2.1.2.1. Nichtaufnahme des Studiums der Forstwissenschaften

Der Senat geht mit dem Kläger davon aus, dass die Nichtaufnahme des Studiums der Forstwissenschaften durch die Schädigungsfolge des eingeschränkten Hörvermögens bedingt war. Dies allein kann aber noch keinen Anspruch auf Berufsschadensausgleich begründen. Denn der Kläger hat anschließend mit dem Studium der Rechtswissenschaften und der Volkswirtschaft ein Studium eingeschlagen, das gleichwertige Verdienstaussichten eröffnet hat. Dies hat er auch selbst zugestanden.

2.1.2.2. Abbruch des Studiums der Rechtswissenschaften und der Volkswirtschaft

Der Senat ist der Überzeugung, dass der Kläger dieses Studium nicht wegen Schädigungsfolgen, sondern allein wesentlich aus schädigungsfremden Gründen abgebrochen hat.

Wie bereits oben (vgl. Ziff. 1.4.) erläutert, ist der Studienabbruch wesentlich durch schädigungsfremde Gründe (Nichtgefallen, sich eröffnende gute Verdienstmöglichkeiten im Handel) bedingt. Eine rechtlich relevante Mitursächlichkeit der Hörminderung ist für den Senat nicht nachgewiesen; diese wird, wenn sie überhaupt einen Beitrag im damaligen Entscheidungsprozess des Klägers gespielt haben sollte, durch die anderen Gründe völlig in den Hintergrund gedrängt und ist daher im Sinn der Theorie der wesentlichen Bedingung nicht wesentlich.

Die fehlende Kausalität zwischen Schädigungsfolgen und Studiumsaufgabe hat zur Folge, dass ein etwaiger Einkommensverlust in der anschließend ausgeübten Tätigkeit jedenfalls dann nicht über einen Berufsschadensausgleich zu berücksichtigen ist, wenn es sich bei der nach dem Studiumabbruch ausgeübten Tätigkeit um eine solche handelt, die - allgemein betrachtet - geringere Erwerbschancen eröffnet, als diese bei Abschluss des Studiums gegeben gewesen wären. Denn der Entschluss zu der niedriger entlohnten Tätigkeit ist nicht wesentlich auf die Schädigungsfolgen zurückzuführen, sondern auf einen davon unbeeinflussten Entschluss des Klägers. Es handelt sich um einen von der Schädigung unabhängigen Nachteil, der von dem in § 1 Abs. 1 BVG normierten Entschädigungsprinzip nicht erfasst wird. Zudem ist zu berücksichtigen, dass der Beschädigte auch unter dem Gesichtspunkt der ihm obliegenden Schadensminderungspflicht gehalten war, eine ihm zumutbare Berufslaufbahn einzuschlagen, die die Entstehung wirtschaftlicher Nachteile im Berufsleben soweit als zumutbar verhindert. Ein Einkommensverlust schon dadurch, dass ein Beschädigter trotz Eröffnung höherwertiger Berufsaussichten den Weg in eine Tätigkeit wählt, die nur geringere Einkommensaussichten bietet, kann nicht zulasten des Staats als Träger der Versorgungsverwaltung und damit der Allgemeinheit gehen.

2.1.2.3. Tätigkeit des Klägers als selbstständiger Kaufmann

Ein Zusammenhang zwischen einem möglichen Mindereinkommen bei der Tätigkeit als selbstständiger Kaufmann und Schädigungsfolgen lässt sich jedenfalls nicht hinreichend wahrscheinlich machen.

Aus Kausalitätsüberlegungen heraus hält es der Senat nicht für fernliegend, von einer endgültigen Unterbrechung der Kausalkette auszugehen, wenn sich ein Beschädigter aus schädigungsfremden Gründen zu einer beruflichen Tätigkeit entschließt, die zu geringeren Einkünften führt, als sie bei dem ursprünglich angestrebten Berufsziel im Rahmen des vom Gesetzgeber vorgegebenen pauschalierenden Systems zu erwarten wären (vgl. Geschwinder, Der Nachschaden im Berufsschadensausgleich, ZfS 1981, S. 67, 69). Dies würde bedeuten, dass etwaige schädigungsbedingte Einkommensminderungen im späteren Berufsleben - und damit hier im Berufsleben als selbstständiger Kaufmann - rechtlich bedeutungslos würden, unabhängig davon, auf welchem Grund sie beruhen.

Gegen eine solche strenge Auslegungen sprechen aber die Gedanken des BSG zur Risikoverteilung im Urteil vom 27.10.1982, Az.: 9a RV 5/82, wenn es dort ausgeführt hat,

„dass der Gesetzgeber das Risiko der ungewollten Arbeitslosigkeit und die Zufälligkeiten der Konjunktur und der Arbeitsmarktlage der öffentlichen Hand zurechnen wollte. Mithin sind im allgemeinen nur solche nachträglichen und schädigungsunabhängigen Einkommenseinbußen als Nachschaden iS des § 30 Abs. 5 BVG anzusehen, die durch das Hinzutreten einer schädigungsunabhängigen Gesundheitsstörung oder durch das unverständige Verhalten des Beschädigten herbeigeführt sind (vgl. dazu Geschwinder in Zfs 1981 S 67, 69, 70). Zu diesen Ereignissen zählt jedenfalls die Aufnahme minderbezahlter Beschäftigung nach Arbeitslosigkeit nicht, und zwar selbst dann nicht, wenn man den Kreis dieser Ereignisse weiterziehen wollte als vorher beschrieben.“

Diese Überlegungen deuten darauf hin, dass nach der Rechtsprechung des BSG ein Berufsschadensausgleich jedenfalls dann nicht ausgeschlossen sein soll, wenn sich in dem aus schädigungsfremden Gründen gewählten Beruf Nachteile wegen der Schädigungsfolgen einstellen.

Letztlich kann aber dahingestellt bleiben, welcher Auslegung zu folgen ist, denn auch bei der für den Kläger wohlwollenden Auslegung ergibt sich kein Anspruch auf Berufsschadensausgleich. Denn ein rechtlich wesentlicher Kausalzusammenhang zwischen den anerkannten Schädigungsfolgen und den weiteren Entwicklungen im Berufsleben des Klägers sowie den von ihm behaupteten Einkommensverlusten lässt sich nicht feststellen.

Der Senat hat sich nicht die Überzeugung davon verschaffen können, dass ein rechtlich wesentlicher Kausalzusammenhang zwischen den anerkannten Schädigungsfolgen und potentiellen Einkommensverlusten in dem nach dem nicht schädigungsbedingten Abbruch des Studiums ausgeübten Beruf besteht. Eine hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Zusammenhangs kann er nicht erkennen. Dabei stützt er sich auf folgende Überlegungen:

* Allein die Tatsache, dass der Kläger im Groß- und Einzelhandel tätig (gewesen) ist, macht eine schädigungsbedingte Einkommenseinbuße noch nicht wahrscheinlich. Wie bereits erläutert, kann diese Berufswahl nicht als schädigungsbedingt angesehen werden, sondern ist auf eine freie und durch die Schädigungsfolgen nicht wesentlich mitbestimmte Entscheidung des Klägers zurückzuführen.

* Dass der Kläger in dem von ihm frei gewählten Beruf als selbstständiger Kaufmann im Groß- und Einzelhandel wegen Schädigungsfolgen Einkommensverluste erlitten hätte oder erleiden würde, ist nicht hinreichend wahrscheinlich gemacht. Zwar hat der Kläger vorgetragen, dass er wegen Verständigungsproblemen Schwierigkeiten im Geschäftsleben gehabt habe, die mit finanziellen Einbußen verbunden gewesen seien. Dies ist angesichts des gutachtlich von Prof. Dr. S. festgestellten und dann als schädigungsbedingt anerkannten Umfangs der Hörstörung aber nicht wahrscheinlich. Zwar liegt rechts eine deutliche Hörminderung, links aber nur eine geringgradige Einschränkung des Sprachverstehens vor. Dies weckt schon Zweifel an den vom Kläger behaupteten Schwierigkeiten im Geschäftsleben.

Weiter muss sich der Kläger entgegen halten lassen, dass eine erhebliche Besserung des Hörvermögens und damit der von ihm behaupteten beeinträchtigten Verständigungsfähigkeit durch die Verwendung von Hörgeräten möglich gewesen wäre. Nicht nur in der hier maßgeblichen Zeit, sondern auch schon früher wäre eine Hörgeräteversorgung ohne Zweifel in einem Umfang möglich gewesen, die das Hörvermögen so weit gebessert hätte, dass die vom Kläger behaupteten Schwierigkeiten, wenn sie denn überhaupt vorgelegen haben, was der Senat bezweifelt, mit großer Sicherheit weitgehend vermieden worden wären. Dass der Kläger eine derartige Versorgung, die ihm - anders als nicht duldungspflichtige operative Eingriffe - auch zumutbar gewesen wäre, nicht vornehmen hat lassen, könnte ihm keine versorgungsrechtlichen Vorteile verschaffen. Denn er hat gegen seine Schadensminderungspflicht verstoßen.

* Auch wenn die Hörminderung mit gewissen Schwierigkeiten im Berufsleben verbunden gewesen wäre, wovon der Senat nicht ausgeht, wäre zudem zu berücksichtigen, dass der Kläger im Jahr 1991 eine teilweise Kehlkopfresektion durchgemacht hat, die mit einer Einschränkung der Sprechfähigkeit verbunden ist. Es liegt nahe, dass diese Einschränkung im Berufsleben weitaus hinderlicher ist als eine Reduzierung des Hörvermögens, wie sie beim Kläger vorliegt und die zudem durch ein Hörgerät weitgehend zu eliminieren (gewesen) wäre.

* Zudem ist es ein allgemeiner Erfahrungssatz, dass die berufliche Leistungsfähigkeit im Alter nachlässt. So muss es auch beim Kläger sein. Zu Beginn des maßgeblichen Zeitraums im Jahr 1998 war er bereits 69 Jahre alt. Dass in diesem Alter, in dem der ganz überwiegende Anteil der Bevölkerung schon seit Jahren aus dem Erwerbsleben ausgeschieden ist, die berufliche Leistungsfähigkeit und damit auch das erzielbare Einkommen nachgelassen haben, liegt auf der Hand. (Potentielle) Einkommensverluste sind damit wesentlich durch das Alter des Klägers zu erklären, nicht aber durch ein eingeschränktes Hörvermögen.

* Beim Kläger kommt noch hinzu, dass er deshalb weniger Einkommen als früher bezieht, weil er nach eigenen Angaben einen Großteil seiner früher vier (so seine an Eides statt gemachte Angabe bei der Vorsprache beim Beklagten am 15.11.1995) Geschäfte an seine Kinder abgegeben hat. Auch dies hat mit Schädigungsfolgen nichts zu tun. Diese Konstellation ist nicht anders zu beurteilen als eine Berufsaufgabe, die aufgrund einer schädigungsunabhängigen Erkrankung oder ohne verständigen Grund erfolgt ist; auch in derartigen Fällen besteht ein Anspruch auf Berufsschadensausgleich nicht (vgl. Geschwinder, Der Nachschaden im Berufsschadensausgleich, ZfS 1981, S. 67, 69). Im Übrigen müsste dem Kläger auch hier eine Verletzung der Schadendminderungspflicht entgegen gehalten werden. Er kann sich nicht einerseits seiner Verdienstmöglichkeiten teilweise dadurch berauben, dass er seine Geschäfte an seine Kinder abgibt, und andererseits eine Kompensation für dieses Handeln durch Leistungen der Versorgungsverwaltung verlangen. Eine Geschäftsübergabe verlangen auch innerfamiliäre Pflichten nicht.

* Der Kläger kann sich auch nicht auf eine schädigungsbedingt unzureichende Altersvorsorge berufen. Wenn er behauptet, ihm sei keine entsprechende Altersvorsorge möglich gewesen, da sein berufliches Leistungsvermögen und seine beruflichen Einkünfte bereits früher durch Schädigungsfolgen stark eingeschränkt gewesen seien, kann sich der Senat nicht von der Richtigkeit dieser Behauptungen überzeugen. Ganz offensichtlich hat es der Kläger nämlich sehr wohl geschafft, eine Altersversorgung aufzubauen. So hat er selbst im Verwaltungsverfahren angegeben, dass er eine Lebensversicherung für das Alter erworben hat, die in einem Betrag ausgezahlt worden ist. Es ist also für den Senat erwiesen, dass der Kläger in der Lage war, sich eine Altersversorgung aufzubauen. Wenn er dies nicht in ausreichender Höhe - darüber liegen keine Erkenntnisse vor - oder wenn er dies in der Form gemacht hat, dass der Betrag der Lebensversicherung einmalig ausgezahlt wird, kann dies nicht dazu führen, dass der Kläger wegen nicht ausreichender laufender Einkünfte einen Berufsschadensausgleich geltend machen kann. Im Übrigen kann der Senat auch keine Hinweise darauf erkennen, dass der Kläger in seinem früheren Berufsleben schädigungsbedingte Einkommensverluste gehabt hätte, die ihn von einer ausreichenden Vorsorge für das Alter abgehalten hätten. Insofern verweist der Senat auf seine oben gemachten Ausführungen, auch zur besonderen beruflichen Betroffenheit. Auch den eigenen Angaben des Klägers am 15.11.1995 ist es zu entnehmen, dass er in seiner selbstständigen Tätigkeit durchaus erfolgreich war.

2.1.3. Kein Rentenberufsschadensaugleich

Ein Rentenberufsschadensausgleich gemäß § 30 Abs. 4 Sätze 3 und 4 BVG kommt schon deswegen nicht in Betracht, da der Kläger nicht in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert war.

2.2. Ergebnis

Ein rechtlich wesentlicher Kausalzusammenhang zwischen Schädigungsfolgen und einer (potentiellen) Einkommenseinbuße lässt sich unter allen denkbaren Gesichtspunkten nicht herstellen. Sollten die anerkannten Schädigungsfolgen überhaupt einen Beitrag zu einem potentiellen Einkommensverlust geliefert haben, würde dieser Beitrag durch die anderen vorrangigen Gründe völlig in den Hintergrund gedrängt und wäre damit rechtlich unwesentlich.

Wenn der Kläger demgegenüber damit argumentiert, dass er einen GdS von 25 habe und daher auch nur 75% im Berufsleben leisten habe können, was zwangsläufig eine entsprechende Einkommenseinbuße nach sich ziehe, irrt er. Denn dies hätte zur Folge, dass bei jedem versorgungsberechtigenden GdS automatisch auch ein Berufsschadensausgleich zu leisten wäre. Einen derartigen Automatismus kennen die gesetzlichen Regelungen nicht. Vielmehr ist konkret der rechtlich wesentliche Zusammenhang zwischen Schädigungsfolgen und Einkommensverlust festzustellen.

Der Kläger kann sich auch nicht auf einen allgemeinen Grundsatz einer „Fürsorgepflicht des Staates gegenüber ehemaligen Soldaten“ berufen. Eine über die Regelungen des BVG hinausgehende Fürsorgepflicht des Staates hat der Gesetzgeber nicht vorgesehen; diese Pflicht findet ihre Grenze in den Bestimmungen des BVG.

Die Berufung kann daher keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).

Tenor

I.

Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 29. Mai 2013 wird zurückgewiesen.

II.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Streitig sind die nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) festzustellenden Schädigungsfolgen und eine Grundrente.

Der Kläger ist 1926 geboren. Er war Soldat der Wehrmacht. Im März 1945 war er im sogenannten H. eingesetzt. Er erlitt dabei eine Granatsplitterverletzung am linken Unterschenkel.

Erstmals stellte der Kläger am 21.12.1987 beim Beklagten einen Antrag auf Beschädigtenversorgung nach dem BVG. Er gab an, kriegsbedingt unter Erfrierungen im Bereich der Zehen und einer Granatsplitterverletzung zu leiden. Zudem habe er Rheuma.

Im versorgungsärztlichen Gutachten vom 04.01.1989 kam der Sozialmediziner Dr. L. zu der Einschätzung, dass als Schädigungsfolgen lediglich Haut- und Weichteilnarben am linken Unterschenkel nach Granatsplitterverletzungen festzustellen seien. Diese würden eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von unter 10 v. H. bedingen. Erfrierungsfolgen oder rheumatische Veränderungen lägen nicht vor.

Mit Bescheid vom 17.04.1989 erkannte der Beklagte Haut- und Weichteilnarben am linken Unterschenkel nach Granatsplitterverletzung als Schädigungsfolgen nach dem BVG an. Abgelehnt wurde die Anerkennung von Durchblutungsstörungen an den Beinen sowie von Erfrierungsfolgen, wie sie der Kläger geltend gemachte habe, da solche Schädigungsfolgen nicht nachzuweisen seien.

Den dagegen erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23.10.1989 zurück.

Im anschließend beim Sozialgericht Augsburg unter dem Aktenzeichen S 11 V 227/89 durchgeführten Verfahren erstellte der Orthopäde Dr. D. am 05.02.1991 ein Gutachten. Dieser sah als Schädigungsfolgen lediglich Haut- und Weichteilnarben nach Granatsplitterverletzung am linken Unterschenkel. Erfrierungsfolgen oder rheumatische Veränderungen stellte er nicht fest. Daraufhin nahm der Kläger die Klage zurück.

Bei einer persönlichen Vorsprache beim Beklagten am 08.06.2011 stellte der Kläger einen Verschlimmerungsantrag. Er habe - so der Kläger im Schreiben vom 28.09.2011 - überall rheumatische Beschwerden. Das Immunsystem sei durch die Erfrierungen bzw. das Rheuma verändert. Es bestünden Erfrierungen am linken Ohr und beiden Füßen; alle Zehen seien erfroren. Eventuell leide er auch an einem Kriegstrauma.

Nach Einholung von Befundberichten bei den behandelnden Ärzten äußerte sich am 22.12.2011 der Internist Dr. S. in einer versorgungsärztlichen Stellungnahme wie folgt: Erfrierungsfolgen am linken Ohr und an den Zehen seien ausweislich der Vorbegutachtungen nicht nachgewiesen. Die Stauungsdermatose bei primärer Varikosis und der Pilzbefall der Füße und Zehennägel seien schädigungsfremd. Eine Erkrankung aus dem rheumatischen Formenkreis liege nicht vor. Die Kniegelenksarthrose links sei als alterstypische degenerative Veränderung zu werten.

Mit Bescheid vom 10.01.2012 lehnte der Beklagte den Neufestzustellungsantrag ab.

Am 14.06.2012 stellte der Kläger einen Überprüfungsantrag, weil er - so im Telefonat vom 28.06.2012 - die Widerspruchsfrist gegen den Bescheid vom 10.01.2012 versäumt habe. Er bat um Abklärung einer etwaigen psychischen Traumatisierung.

Im Rahmen eines beim Sozialgericht Augsburg unter dem Aktenzeichen S 5 VK 6/12 ER geführten Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes machte der Kläger bei einem Erörterungstermin am 26.11.2012 Erfrierungen an Ohren und Zehen, Schüttelfrost, Rheuma bzw. Arthritis, eine Arthrose sowie ein seit 11/2 Jahren bestehendes Kriegstrauma geltend. Er habe während seines Wehrdienstes die Hölle durchlebt. Insbesondere erinnere er sich zurück, wie die Russen mit Panzern eingefallen seien. Um ihn herum seien viele Leute gestorben. In nervenärztlicher Behandlung sei er bislang nicht gewesen. Das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes wurde mit einem Vergleich beendet, in dem sich der Beklagte bereit erklärte, nach Durchführung einer versorgungsmedizinischen Untersuchung zeitnah durch Bescheid zu entscheiden.

In Ausführung des Vergleichs beauftragte der Beklagte den Psychiater und Neurologen Dr. H. als Sachverständigen. Im Gutachten vom 22.01.2013 führte dieser aus, dass beim Kläger zwar kognitive Leistungseinbußen vorlägen, wie sie dem Lebensalter von 87 Jahren immanent seien. Hinweise auf ein relevantes depressives Syndrom oder gar auf eine posttraumatische Belastungsstörung ergäben sich aber nicht. Eine psychiatrische Diagnose, welche im Zusammenhang mit dem Wehrdienst stünde, könne nicht festgestellt werden.

Mit Bescheid vom 06.02.2013 lehnte es der Beklagte ab, den Versorgungsanspruch neu festzustellen; Schädigungsfolgen auf psychiatrischem Fachgebiet lägen nicht vor; der Grad der Schädigungsfolgen (GdS) betrage nach wie vor unter 10. An den bisherigen bindenden Ablehnungen für die Gesundheitsstörungen Durchblutungsstörungen an beiden Beinen, Osteomyelitis, Stauungsdermatose bei primärer Varikosis, Pilzbefall der Füße und Zehenägel sowie Kniearthrose werde festgehalten, ebenso daran, dass Erfrierungsfolgen und rheumatische Gelenkveränderungen nicht vorgelegen hätten und auch insoweit keine Anerkennung möglich sei.

Den dagegen erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 08.03.2013 zurück.

Am 04.04.2013 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Augsburg erhoben. Bei ihm sei - so der Kläger - eine schwere Fehldiagnose gestellt worden.

Mit Gerichtsbescheid vom 29.05.2013 ist die Klage abgewiesen worden. Über die Haut- und Weichteilnarben am linken Unterschenkel hinaus, die nur einen GdS von unter 10 bedingen, hat das Sozialgericht keine weiteren Schädigungsfolgen gesehen.

Der Kläger hat Berufung eingelegt. Seine gesundheitlichen Einschränkungen - so der Kläger - seien sehr stark; ihm stehe eine weitergehende Beschädigtenversorgung und eine Grundrente zu.

Im Rahmen eines Erörterungstermins am 23.04.2014 ist der Rechtsstreit mit den Beteiligten ausführlich besprochen worden. Der Kläger sieht sich als Kriegsopfer ungerecht behandelt und weist auf seine finanziell sehr beengte Situation hin.

Der Kläger möchte - so in der mündlichen Verhandlung vom 07.05.2014 - eine Entschädigung und beantragt damit sinngemäß,

den Gerichtsbescheid vom 29.05.2013 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 06.02.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.03.2013 zu verurteilen, ihm eine Grundrente nach dem BVG unter Anerkennung weiterer Schädigungsfolgen zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat die Akten des Beklagten und des Sozialgerichts Augsburg, auch zu den weiteren Verfahren mit den Aktenzeichen S 11 V 227/89 und S 5 VK 6/12 ER, beigezogen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Berufungsakte und der beigezogenen Akten Bezug genommen, die allesamt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Gründe

Mit Beschluss gemäß § 153 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) vom 28.04.2014 ist die Berufung dem Berichterstatter übertragen worden, so dass dieser zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern zu entscheiden hat.

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.

Das Sozialgericht hat die Klage gegen den Bescheid vom 06.02.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.03.2013 zu Recht abgewiesen.

1. Streitgegenstand

Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 06.02.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.03.2013. Darin enthalten sind zwei Regelungsgegenstände. Zum einen hat der Beklagte die Neufeststellung von Schädigungsfolgen gemäß § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) wegen einer Verschlimmerung abgelehnt, da keine wesentliche Änderung eingetreten sei. Zum anderen hat der Beklagte eine für den Kläger negative Überprüfungsentscheidung gemäß § 44 SGB X getroffen, da er es abgelehnt hat, die in der Vergangenheit getroffene und bestandskräftig gewordene Feststellung von Schädigungsfolgen insofern aufzuheben, als die Anerkennung weiterer, im Bescheid vom 06.02.2013 näher bezeichneter Gesundheitsstörungen als Schädigungsfolgen in der Vergangenheit bestandskräftig abgelehnt worden war. In der Sache geprüft im Rahmen des § 44 SGB X hat der Beklagte demgegenüber die Frage einer kriegsbedingten psychischen Erkrankung und dies abschlägig verbeschieden.

2. Zur Entscheidung gemäß § 48 SGB X

Der Beklagte hat es zutreffend abgelehnt, wegen einer Verschlimmerung im Sinn des § 48 SGB X weitere Schädigungsfolgen anzuerkennen.

Eine Verschlimmerung im Sinn des § 48 SGB X liegt nicht vor. Denn es haben sich weder die anerkannten Schädigungsfolgen verschlechtert noch sind nach dem letzten bestandskräftigen Bescheid (vom 10.01.2012) neue Schädigungsfolgen aufgetreten.

Der Kläger hätte über § 48 SGB X nur dann einen Anspruch auf Anerkennung weiterer Schädigungsfolgen bzw. Höherbewertung bereits anerkannter Schädigungsfolgen, wenn sich eine wesentliche Änderung im Sinne einer Verschlechterung ergeben hätte. In Betracht dafür kommt neben einer Verschlimmerung der als Schädigungsfolgen bereits anerkannten Gesundheitsstörungen das Auftreten weiterer noch als Schädigungsfolgen anzuerkennender Gesundheitsstörungen nach dem letzten bestandskräftigen Bescheid (ständige Rspr. des Senats, vgl. z. B. Urteil vom 18.03.2013, Az.: L 15 VK 11/11, vom BSG bestätigt mit Beschluss vom 31.07.2013, Az.: B 9 V 31/13 B).

Nichts davon ist vorliegend der Fall.

2.1. Keine wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse unter dem Gesichtspunkt einer Verschlimmerung der anerkannten Schädigungsfolgen

Eine Verschlimmerung liegt nicht vor.

Anerkannt als Schädigungsfolgen sind Haut- und Weichteilnarben am linken Unterschenkel nach Granatsplitterverletzung. Dass sich insofern eine Verschlimmerung ergeben hätte, hat nicht einmal der Kläger selbst behauptet.

Wenn er eine Verschlimmerung seines Gesundheitszustand vorträgt, betrifft dies nur Gesundheitsstörungen, die entweder bereits als Schädigungsfolgen abgelehnt worden sind oder die bereits vor dem bestandskräftigen Bescheid vom 10.01.2012 aufgetreten sind. Letzteres betrifft die vom Kläger behauptete psychische Kriegsfolge, die er erstmals im Schreiben vom 28.09.2011 geltend gemacht hat. Derartige Gesundheitsstörungen können aber keine Berücksichtigung im Rahmen des § 48 SGB X, sondern allenfalls über § 44 SGB X finden.

2.2. Keine wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse unter dem Gesichtspunkt des Auftretens weiterer als Schädigungsfolgen anzuerkennender Gesundheitsstörungen

Neue, d. h. seit dem bestandskräftigen Bescheid vom 10.01.2012 aufgetretene Schädigungsfolgen hat weder der Kläger vorgetragen noch sind solche auch nur ansatzweise ersichtlich.

Eine Berücksichtigung der vom Kläger als weitere Schädigungsfolge geltend gemachten psychischen Störung im Rahmen eines Antrags gemäß § 48 SGB X scheidet schon deshalb aus, weil - folgt man den Angaben des Klägers im Schreiben vom 28.09.2011 - diese Gesundheitsstörung bereits vor dem bestandskräftigen Bescheid vom 10.01.2012 vorgelegen hat.

3. Zur Entscheidung gemäß § 44 SGB X

Der Beklagte hat es zutreffend abgelehnt, im Weg einer Überprüfungsentscheidung gemäß § 44 SGB X die bestandskräftig gewordenen Bescheide, zuletzt vom 10.01.2012, abzuändern und weitere Schädigungsfolgen anzuerkennen.

3.1. Allgemeines zum Prüfungsrahmen des § 44 SGB X

Bei der gesetzlichen Regelung des § 44 SGB X und dem dabei zu beachtenden Prüfungsrahmen ist Folgendes zu berücksichtigen:

Ausgangspunkt ist die gesetzliche Regelung des § 77 SGG, wonach ein Verwaltungsakt für die Beteiligten in der Sache bindend wird, wenn ein Rechtsbehelf nicht oder erfolglos eingelegt wird. Diese Bestandskraft (Unanfechtbarkeit) ist ein wesentliches Prinzip der Rechtsordnung. Mit der Bestandskraft wird Rechtssicherheit geschaffen, weil die Beteiligten wissen, woran sie sind, nämlich dass die Regelung des Verwaltungsakts sie bindet, und Rechtsfrieden garantiert, weil weiterer Streit über den Verwaltungsakt ausgeschlossen ist. Für den Adressaten des Verwaltungsakts ist damit keine unangemessene Benachteiligung verbunden, hat er doch die Möglichkeit, sich im Rahmen der zur Verfügung stehenden Rechtsmittel gegen einen Bescheid zu wehren und dessen Rechtmäßigkeit überprüfen zu lassen. Schöpft er diese Mittel nicht aus oder akzeptiert er den Verwaltungsakt, weil er selbst keinen überzeugenden Zweifel an der Rechtmäßigkeit hat, müssen die Beteiligten die getroffene Regelung in der Zukunft für und gegen sich gelten lassen.

Die Regelung des § 44 SGB X ermöglicht unter bestimmten Voraussetzungen eine ausnahmsweise Abweichung von der Bindungswirkung (Bestandskraft) unanfechtbarer und damit für die Beteiligten bindend gewordener sozialrechtlicher Verwaltungsakte, um damit materielle Rechtmäßigkeit herzustellen. § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X eröffnet dazu zwei Alternativen. Entweder muss bei der bestandskräftig gewordenen Entscheidung das Recht unrichtig angewandt worden (erste Alternative) oder die Behörde muss beim Erlass des bestandskräftig gewordenen Verwaltungsakts von einem Sachverhalt ausgegangen sein, der sich nachträglich aufgrund des Bekanntwerdens neuer Tatsachen als unrichtig erwiesen hat (zweite Alternative).

Nicht Sinn und Zweck des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist es, Fristenregelungen im Zusammenhang mit der Frage der Bestandskraft von Entscheidungen der Verwaltung oder auch der Gerichte auszuhebeln und die mit der Bestandskraft bezweckte Rechtssicherheit und den Rechtsfrieden in das Belieben der Beteiligten zu stellen. § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X kann kein Mittel sein, um durch wiederholte Anträge bei der Behörde diese immer wieder zu Sachentscheidungen (deren Ergebnis wegen der bereits getroffenen Entscheidung absehbar ist) zu zwingen, die dann wiederum gerichtlich in der Sache überprüfbar wären. Würde man dies zulassen, hätte eine Behörde keinerlei Möglichkeit, sich vor wiederholenden Anträgen mit dem sich daraus ergebenden möglicherweise massiven Verwaltungsaufwand, der nicht nur Personal bindet, sondern auch Kosten verursacht, zu schützen.

Bei der oben genannten ersten Alternative handelt es sich um eine rein rechtliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit der bestandskräftig gewordenen Entscheidung, bei der es auf den Vortrag neuer Tatsachen nicht ankommt und die von Amts wegen zu erfolgen hat (vgl. BSG, Urteil vom 05.09.2006, Az.: B 2 U 24/05 R). Eine derartige Überprüfung bedeutet jedoch nicht, dass eine vollständige Überprüfung des Sachverhalts mittels neuer Ermittlung des Sachverhalts und neu einzuholender Gutachten durchzuführen wäre. Vielmehr ist lediglich aus rein rechtlicher Sicht zu würdigen, ob der der bestandskräftig gewordenen Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt rechtlich zutreffend beurteilt und rechtlich in nicht zu beanstandender Weise bewertet worden ist.

Weitergehende Sachermittlungen sind im Rahmen der ersten Alternative nicht geboten. Dies ergibt sich eindeutig aus der Systematik der gesetzlichen Regelung in § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Denn mit der Differenzierung zwischen den aufgezeigten zwei Alternativen (unrichtige Rechtsanwendung einerseits und ursprünglich unrichtig zugrunde gelegter Sachverhalt andererseits) hat der Gesetzgeber deutlich gemacht, dass nicht in jedem Fall eine völlige Überprüfung unter allen in Betracht kommenden Gesichtspunkten zu erfolgen hat. Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass die Verwaltung nicht durch aussichtslose Überprüfungsanträge, die beliebig oft wiederholt werden können, immer wieder zu einer neuen Sachprüfung gezwungen werden soll (vgl. BSG, Urteil vom 06.03.1991, Az.: 9b RAr 7/90). Würde hingegen bereits im Rahmen der ersten Alternative eine umfassende Sachprüfung, d. h. mit einer umfassenden Neuermittlung des zugrunde liegenden Sachverhalts, vorausgesetzt, so stünde dies im Widerspruch zu den gesetzlichen Anforderungen für die zweite Alternative, für die die Benennung neuer Tatsachen und Beweismittel vorausgesetzt wird. Im Rahmen der ersten Alternative sind daher die tatsächlichen Feststellungen, wie sie dem bestandskräftigen Bescheid zugrunde gelegen haben, auch im Überprüfungsverfahren zu beachten und lediglich zu prüfen, ob auf diesen Tatsachen aufbauend, unabhängig von ihrer Richtigkeit, die rechtlichen Schlussfolgerungen zutreffend sind. In dem Verfahren erfolgt eine rein rechtliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit, zu der von Seiten des Klägers zwar Gesichtspunkte beigesteuert werden können, die aber letztlich umfassend von Amts wegen erfolgen muss.

Für die zweite Alternative kommt es auf die Benennung neuer Tatsachen und Beweismittel im Rahmen eines abgestuften Verfahrens an (vgl. BSG, Urteil vom 03.02.1988, Az.: 9/9a RV 18/86, das auch im Urteil des BSG vom 05.09.2006, Az.: B 2 U 24/05 R nicht infrage gestellt worden ist). Die Prüfung bei dieser zweiten Alternative hat sich an den rechtlichen Vorgaben zu orientieren, wie sie auch im Rahmen eines gerichtlichen Wiederaufnahmeverfahrens zu beachten sind. Es liegt daher der zweiten Alternative ein Verfahren zugrunde, bei der es auf die Benennung neuer Tatsachen und Beweismittel ankommt (vgl. BSG, Urteil vom 05.09.2006, Az.: B 2 U 24/05 R).

Ergibt sich bei diesem Verfahren nichts Neues, was für die Unrichtigkeit der Vorentscheidung sprechen könnte, darf sich die Verwaltung ohne jede Sachprüfung auf die Bindungswirkung der bestandskräftigen Entscheidung berufen. Werden zwar neue Tatsachen oder Erkenntnisse vorgetragen und neue Beweismittel benannt, ergibt aber die Prüfung, dass die vorgebrachten Gesichtspunkte nicht tatsächlich vorliegen oder für die frühere Entscheidung nicht erheblich waren, darf sich die Behörde ebenfalls auf die Bindungswirkung stützen.

Eine Behörde ist daher nur dann, wenn die Prüfung zu dem Ergebnis führt, dass ursprünglich nicht bekannte Tatsachen oder Erkenntnisse vorliegen, die für die Entscheidung wesentlich sind, oder wenn sich herausstellt, dass das Recht unrichtig angewandt worden ist, dazu verpflichtet, ohne Rücksicht auf die Bindungswirkung erneut zu entscheiden (vgl. BSG, Urteil vom 03.02.1988, Az.: 9/9a RV 18/86).

Hat eine Behörde unter zutreffender Anwendung des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X eine erneute Sachprüfung und Sachentscheidung abgelehnt, kann sich das Gericht über diese Entscheidung nicht hinwegsetzen und den gesamten Sachverhalt einer wiederholten Sachprüfung unterziehen. Denn § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X gibt nur der Verwaltung selbst, nicht aber dem Gericht die Möglichkeit, sich über eine frühere negative Entscheidung zugunsten des Antragstellers hinwegzusetzen (vgl. BSG, Beschluss vom 09.08.1995, Az.: 9 BVg 5/95; Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteil vom 11.04.2004, Az.: L 8 U 115/02; ständige Rspr. des Senats, vgl. z. B. Urteil vom 18.02.2014, Az.: L 15 VK 3/12).

Diesen Prüfungsmaßstab, den der Senat beispielsweise im Urteil vom 18.03.2013, Az.: L 15 VK 11/11, ausführlich dargestellt hat, hat das BSG, dessen Rechtsprechung zu § 44 SGB X nicht immer einheitlich ist (vgl. vorgenanntes Urteil des Senats vom 18.03.2013, dort Ziff. 3.3.1. der Gründe), ausdrücklich bestätigt, wenn es im Anschluss an das vorgenannte Urteil des Senats mit Beschluss vom 31.07.2013, Az.: B 9 V 31/13 B, Folgendes ausgeführt hat:

„... Zulassung nach § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG scheidet ebenfalls aus. ... Abweichung (Divergenz) ist gegeben, wenn das angefochtene Urteil auf einer bestimmten Rechtsauffassung beruht, die zu der in einer Entscheidung des BSG ... zugrunde gelegten Rechtsansicht in Widerspruch steht. Davon kann hier nicht ausgegangen werden. Die Vorinstanz hat sich an der Rechtsprechung des BSG orientiert.“

3.2. Prüfung im hier zu entscheidenden Fall

Was die Ablehnung der Anerkennung weiterer Schädigungsfolgen mit Ausnahme einer potentiellen psychischen Erkrankung angeht, hat sich der Beklagte zu Recht auf die bestandskräftigen Bescheide, zuletzt vom 10.01.2012, berufen und es daher in nicht zu beanstandender Weise abgelehnt, im Rahmen einer Entscheidung gemäß § 44 SGB X weitere Schädigungsfolgen anzuerkennen und eine Versorgung zu gewähren (vgl. unten Ziff. 3.2.1.).

Sofern die Frage der Anerkennung einer psychischen Erkrankung betroffen ist, hat es der Beklagte unabhängig von der Bestandskraft früherer Entscheidungen nach erneuter Prüfung in der Sache zutreffend abgelehnt, eine solche Erkrankung als weitere Schädigungsfolge anzuerkennen. Denn eine psychische Erkrankung, die auf Ereignisse im Krieg zurückzuführen wäre, liegt nicht vor (vgl. unten Ziff. 3.2.2.).

3.2.1. Zu der mit Hinweis auf die Bestandskraft früherer Entscheidungen erfolgten Ablehnung

Der Beklagte hat zu Recht auf die Bestandskraft früherer Entscheidungen verwiesen und daher die Anerkennung weiterer Schädigungsfolgen abgelehnt. Weitergehende Ermittlungen und eine erneute Prüfung des konkreten Zusammenhangs zwischen Kriegereignis und als Schädigungsfolgen geltend gemachter Gesundheitsstörungen sind den Gerichten daher verwehrt.

3.2.1.1. § 44 Abs. 1 Satz 1, 1. Alternative SGB X - unrichtige Rechtsanwendung

Den bestandskräftigen Bescheiden, mit denen in der Vergangenheit die Anerkennung weiterer Schädigungsfolgen abgelehnt worden sind, liegt keine unrichtige Rechtsanwendung zugrunde.

Unter Zugrundelegung der früheren versorgungsärztlichen und auch gerichtssachverständigen, im Verfahren mit dem Aktenzeichen S 11 V 227/89 gewonnenen Erkenntnisse, die gut und nachvollziehbar begründet sind, sind die früher erfolgten Ablehnungen nicht zu beanstanden. Unter zutreffender Beweiswürdigung und richtiger Anwendung der einschlägigen gesetzlichen Normen, insbesondere den Vorgaben zum hinreichend wahrscheinlichen Zusammenhang gemäß § 1 Abs. 3 BVG, ist die Anerkennung weiterer Schädigungsfolgen abgelehnt worden.

3.2.1.2. § 44 Abs. 1 Satz 1, 2. Alternative SGB X - neue Tatsachen

Der Beklagte hat zu Recht mangels Vortrags neuer Tatsachen auf die Bindungswirkung der bestandskräftigen Bescheide, zuletzt vom 10.01.2012, verwiesen und es abgelehnt, in der Sache erneut zu entscheiden.

Neue Tatsachen hat der Kläger zu keinem Zeitpunkt im Verwaltungsverfahren angegeben. Er hat lediglich bereits früher vorgetragene Erkrankungen wiederholt und seine ebenfalls bereits früher zum Ausdruck gebrachte Meinung, es bestehe ein Zusammenhang mit Geschehnissen im Krieg, erneut geäußert.

3.2.2. Zu der nach Prüfung in der Sache erfolgten Ablehnung der Anerkennung einer psychischen Erkrankung als Schädigungsfolge

Der Beklagte hat es zutreffend abgelehnt, eine psychische Erkrankung als weitere Schädigungsfolge anzuerkennen, da sich ein psychisches Kriegstrauma nicht nachweisen lässt.

3.2.2.1. Prüfungsrahmen des Gerichts

Der Beklagte hat bezüglich der geltend gemachten psychischen Erkrankung nicht auf die Bestandskraft früherer Entscheidungen verwiesen, sondern in der Sache geprüft. Dies hat zur Konsequenz, dass auch das Gericht in der Sache voll zu prüfen hat (vgl. BSG, Beschluss vom 09.08.1995, Az.: 9 BVg 5/95), obwohl in der Vergangenheit bereits eine bestandskräftige Ablehnung erfolgt ist.

3.2.2.2. Voraussetzungen für eine Anerkennung

Für die Anerkennung einer psychischen Erkrankung - mit den Worten des Klägers eines „psychischen Kriegstraumas“ - als Schädigungsfolgen wäre eine im Vollbeweis nachgewiesene (psychische) Gesundheitsstörung erforderlich, die gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 BVG in einem wahrscheinlichen Zusammenhang mit Ereignissen im Krieg stehen müsste.

Vollbeweis im vorgenannten Sinn bedeutet, dass eine Tatsache mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen sein muss (vgl. BSG, Urteil vom 15.12.1999, Az.: B 9 VS 2/98 R). Für diesen Beweisgrad ist es zwar nicht notwendig, dass die erforderlichen Tatsachen mit absoluter Gewissheit feststehen. Ausreichend, aber auch erforderlich ist indessen ein so hoher Grad der Wahrscheinlichkeit, dass bei Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens kein vernünftiger, den Sachverhalt überschauender Mensch mehr am Vorliegen der Tatsachen zweifelt (vgl. BSG, Urteil vom 28.06.2000, Az.: B 9 VG 3/99 R), d. h. dass die Wahrscheinlichkeit an Sicherheit grenzt (vgl. BSG, Urteil vom 05.05.1993, Az.: 9/9a RV 1/92). Die bloße Wahrscheinlichkeit und erst recht nur die Möglichkeit reichen nicht aus.

Wahrscheinlichkeit im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 1 BVG bedeutet, dass nach der geltenden medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang spricht. Eine bloße - abstrakte oder konkrete - Möglichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs reicht nicht aus (vgl. BSG, Urteil vom 26.11.1968, Az.: 9 RV 610/66; für den vergleichbaren Rechtsbereich der gesetzlichen Unfallversicherung: BSG, Urteil vom 22.06.2004, Az.: B 2 U 22/03 R).

3.2.2.3. Prüfung im vorliegenden Fall

Es fehlt bereits an einer im Vollbeweis nachgewiesenen psychischen Erkrankung, die eine Folge von Geschehnissen im Krieg sein könnte.

Bei dieser Einschätzung stützt sich der Senat auf das vom Beklagten eingeholte Gutachten des Dr. H. vom 22.01.2013. Auch wenn dieses Gutachten vom Beklagten in Auftrag gegeben worden ist, sieht der Senat kein Hindernis, dieses Gutachten zu seiner Entscheidungsgrundlage zu machen.

Das BSG weist in ständiger Rechtsprechung (vgl. z. B. Beschluss vom 26.05.2000, Az.: B 2 U 90/00 B) darauf hin, dass zwar nicht als gerichtliche Sachverständigengutachten erstellte ärztliche Gutachten grundsätzlich einen anderen Beweiswert und eine andere Beweiskraft und somit eine andere Aussagekraft besitzen als gerichtliche Gutachten Dies stellt aber kein Hindernis dar, das Verwaltungsgutachten im Wege des Urkundenbeweises gemäß § 118 SGG i. V. m. §§ 415 ff. Zivilprozessordnung zu verwerten und ihm im Rahmen der freien richterlichen Beweiswürdigung gemäß § 128 Abs. 1 SGG zu folgen. Dabei hat das BSG klar gestellt, dass es sich bei dem von einem Sozialleistungsträger gemäß §§ 20, 21 SGB X eingeholten Gutachten nicht um ein bloßes „Privatgutachten“ handelt, sondern um ein im Rahmen der Erfüllung öffentlich-rechtlicher Aufgaben erstelltes Sachverständigengutachten, das auch die Entscheidungsgrundlage für das Gericht sein kann (vgl. BSG, Beschluss vom 12.10.1993, Az.: 13 RJ 71/92). Dies gilt jedenfalls dann, wenn der vom Sozialleistungsträger beauftragte Sachverständige weder dem ärztlichen Dienst des Sozialleistungsträgers angehört noch die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigt (vgl. BSG, Beschluss vom 10.08.1993, Az.: 9/9a BV 185/92). Weitere Ermittlungen von Amts wegen können allenfalls dann angezeigt sein, wenn der andere Verfahrensbeteiligte gegen das durch den Sozialleistungsträger eingeholte Gutachten nicht unerhebliche Einwendungen vorbringt (vgl. BSG, Urteil vom 15.10.1986, Az.: 5b RJ 80/85).

Bei Berücksichtigung dieser Vorgaben steht einer Verwertung des Gutachtens des Dr. H. nichts entgegen. Dr. H. gehört nicht dem versorgungsärztlichen Dienst des Beklagten an, sondern ist ein niedergelassener Arzt. Es gibt nicht den geringsten Anlass, an seiner Unvereingenommenheit und Unparteilichkeit zu zweifeln. Irgendwelche Einwendungen hat der Kläger gegen dieses Gutachten nicht erhoben. Der äußerst erfahrene und gerichtsbekannte Sachverständige Dr. H. hat den Kläger ausführlich begutachtet und seine Einschätzung umfassend und nachvollziehbar begründet. Der Senat stützt sich auf dieses Gutachten und macht sich die Ausführungen des Dr. H. zu eigen.

Danach fehlt es bereits an einer psychischen Erkrankung. Zwar denkt der Kläger zeitweilig an seine Kriegserlebnisse. Diese Erinnerung hat aber keinen Krankheitswert im Sinn einer psychiatrischen Diagnose. Der Kläger hat bei der Untersuchung durch Dr. H. ohne wesentliche emotionale Beteiligung über die Geschehnisse im Krieg berichtet. Vegetative Reaktionen hat er dabei nicht gezeigt. Dies entspricht auch dem Verhalten des Klägers im Erörterungstermin vom 23.04.2014. Auch dort hat der Kläger über unzweifelhaft schreckliche und lebensbedrohliche Situationen im Kampf gegen den „Iwan“ berichtet, ohne aber dadurch besonders berührt zu wirken. Den gleichen Eindruck hat der Kläger schließlich in der mündlichen Verhandlung am 07.05.2014 vermittelt. Über Flashbacks hat er gegenüber Dr. H. nichts erzählt, vielmehr einen guten Schlaf angegeben. Dazu passt auch, dass der Kläger dem Sachverständigen gesagt hat „Ich habe keine Beschwerden“ und erst auf gezielte Nachfrage ein „Kriegstrauma“ behauptet hat. In der mündlichen Verhandlung am 07.05.2014 hat der Kläger zudem von einem „psychischen Kriegstrauma“ im Sinn einer psychischen Erkrankung nichts mehr wissen wollen. Auch hat nach seinen Angaben nie eine Behandlung wegen psychischer Beschwerden stattgefunden. Damit lässt sich eine psychiatrische Erkrankung, die für eine Anerkennung als Schädigungsfolge in Betracht kommen könnte, nicht nur nicht im Vollbeweis nachweisen, sondern dürfte sogar auszuschließen sein. Darauf, dass - wenn die früheren Behauptungen des Klägers zu einem „Kriegstrauma“ zutreffend wären - ein hinreichend wahrscheinlicher Zusammenhang auch wegen des Fehlens jeglicher Brückensymptome und einer symptomlosen Zeit von rund 65 (!) Jahren nicht hergestellt werden könnte, kommt es nicht weiter an.

Die Berufung kann daher unter keinem Gesichtspunkt Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

Tenor

Die Beschwerde der Kläger gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 29. September 2011 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

I. Der Kläger zu 1 und die Klägerin zu 2 beantragten durch ihren Prozessbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 6.9.2010 bei dem Beklagten "die Überprüfung sämtlicher bestandskräftiger Bescheide über Grundsicherung nach dem SGB II seit dem 1.1.2006 auf ihre Rechtmäßigkeit". Insbesondere wurde um Überprüfung sämtlicher Sanktions-, Aufhebungs- und Erstattungsbescheide gebeten. Trotz Aufforderung des Beklagten benannten die Kläger das Datum der Bescheide und den Sachgrund für das Überprüfungsbegehren nicht. Daraufhin lehnte der Beklagte den Antrag der Kläger mit Bescheid vom 10.9.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.11.2010 ab, weil nicht einmal die Minimalanforderungen an die Einleitung eines Überprüfungsverfahrens erfüllt seien.

2

Das SG hat die Klagen abgewiesen (Urteil vom 15.3.2011). Das LSG hat die Berufung des Klägers zu 1 zurückgewiesen (Urteil vom 29.9.2011): Im Berufungsverfahren seien nur noch Ansprüche des Klägers zu 1 im Streit. Nur in dessen Namen habe der Prozessbevollmächtigte gegen das Urteil des SG Berufung eingelegt. Die Berufung sei insoweit unzulässig, als der Kläger zu 1 nunmehr erstmalig im Berufungsverfahren direkt im Wege der sogenannten Anfechtungs-/Leistungsklage die Verurteilung des Beklagten zu einer rückwirkend höheren Sozialleistung ohne Rücknahme der bestandskräftigen Bescheide begehre. Soweit der Kläger zu 1 mit seiner Berufung weiterhin die erstinstanzliche Entscheidung und letztlich den Überprüfungsbescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides überprüfen lassen möchte, sei die Berufung unbegründet. Der Beklagte habe sich zu Recht ohne jede Sachprüfung auf die Bindungswirkung seiner bestandskräftigen Bescheide berufen, weil der Kläger zu 1 nicht vorgebracht habe, was für die Unrichtigkeit der Vorentscheidung sprechen könne.

3

Gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG wenden sich die Kläger mit ihren Beschwerden.

4

II. Die Beschwerden sind unzulässig. Dies gilt für die Beschwerde der Klägerin zu 2 schon deshalb, weil eine sie belastende Vorentscheidung des LSG nicht vorliegt, denn sie hat gegen das Urteil des SG keine Berufung eingelegt. Die Beschwerde des Klägers zu 1 erfüllt nicht die gesetzlichen Begründungserfordernisse, denn der Kläger zu 1 hat die von ihm geltend gemachten Zulassungsgründe nicht formgerecht dargelegt (§ 160a Abs 2 S 3 SGG).

5

1. Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache lässt sich nur darlegen, indem die Beschwerdebegründung ausführt, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 60 und 65; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 16 mwN - stRspr; BVerwG NJW 1999, 304; vgl auch: BVerfG SozR 3-1500 § 160a Nr 7). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und gegebenenfalls des Schrifttums nicht ohne Weiteres zu beantworten ist und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtslage im Allgemeininteresse vornehmen soll (BSG SozR 1500 § 160a Nr 31). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.

6

Der Kläger zu 1 hält insoweit die Frage für klärungsbedürftig und klärungsfähig, ob die Behörde die sachliche Entscheidung eines Antrags nach § 44 SGB X unter Berufung auf die Bindungswirkung des Bescheides ablehnen dürfe, wenn der Antragsteller nicht darlege, dass und ggf warum die angegriffene Entscheidung rechtsfehlerhaft sei. Es kann dahinstehen, ob eine in dieser Allgemeinheit aufgeworfene Frage angesichts der bereits vorliegenden Rechtsprechung des 9. Senats (BSGE 63, 33 = SozR 1300 § 44 Nr 33), des 4. Senats (BSGE 88, 75 = SozR 3-2200 § 1265 Nr 20) und des 2. Senats (Urteil vom 11.11.2003 - B 2 U 32/02 R) tatsächlich noch klärungsbedürftig sein könnte. Jedenfalls ist die aufgeworfene Frage im konkreten Verfahren nicht klärungsfähig, denn mit seinem ursprünglich gestellten Überprüfungsantrag begehrt der Kläger zu 1 entgegen der konkreten Fragestellung nicht die Überprüfung "des Bescheides", sondern er macht die vollständige Nachprüfung des Verwaltungshandelns der gesamten Leistungszeiträume seit Januar 2006 geltend. Damit hat er nicht mehr die Überprüfung der Verfügungssätze "des Bescheides" oder jedenfalls einer ohne Weiteres bestimmbaren Zahl von Verfügungssätzen von Verwaltungsakten zur Überprüfung des Beklagten gestellt.

7

Es kann - unabhängig von den Begründungserfordernissen des § 160 Abs 2 S 3 SGG - im übrigen Vorliegen nicht zweifelhaft sein, dass ein derart weitreichendes Überprüfungsbegehren mit entsprechenden Mitwirkungserfordernissen beim Berechtigten korrespondiert.

8

2. Um eine Abweichung iS des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG zu bezeichnen, hat die Beschwerdebegründung einen Widerspruch im Grundsätzlichen oder ein Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze in der Entscheidung des LSG einerseits und in einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG andererseits aufzuzeigen(BSG SozR 1500 § 160a Nr 67)und die in Bezug genommene Entscheidung so zu kennzeichnen, dass sie ohne Weiteres aufzufinden ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 14). Dabei muss die Beschwerdebegründung deutlich machen, dass in der angefochtenen Entscheidung eine sie tragende Rechtsansicht entwickelt und nicht etwa nur ungenaue oder unzutreffende Rechtsausführungen oder Rechtsirrtum im Einzelfall für die Entscheidung bestimmen (BSG SozR 1500 § 160a Nr 67; BSG 27. Juni 2002 - B 11 AL 87/02 B -). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.

9

In der Beschwerdebegründung wird die behauptete Divergenz zur Entscheidung des 2. Senats des BSG (Urteil vom 11.11.2003 - B 2 U 32/02 R) nicht in der erforderlichen Weise bezeichnet. Das LSG hat in den Urteilsgründen auf Seite 12 des Umdrucks ausdrücklich ausgeführt und begründet, warum die ablehnende Entscheidung auch rechtmäßig sei, wenn zu Gunsten des Klägers der Rechtsprechung des 2. Senats gefolgt würde. Eine Auseinandersetzung mit den Ausführungen des LSG ist in der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde vollständig unterblieben.

10

3. Schließlich wird auch ein Verfahrensmangel des LSG nicht in der gebotenen Form gerügt. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass Verfahrensmängel vorliegen, auf denen die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG), so müssen bei der Bezeichnung der Verfahrensmängel zunächst die diese (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 24, 34, 36). Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 36).

11

In der Beschwerdebegründung wird eine Verletzung des § 106 SGG behauptet, weil kein Hinweis auf das Erfordernis der Aufhebung der bestandskräftigen Verwaltungsakte gegeben worden sei. Dieses Vorbringen ist schon insofern unschlüssig, als der Kläger zu 1 ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 29.9.2011 ausdrücklich darauf hingewiesen worden ist, dass der von ihm gestellte Antrag nicht sachdienlich bzw problematisch sei.

12

Die nicht formgerecht begründete Beschwerde war daher nach § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter als unzulässig zu verwerfen.

13

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 26. März 2013 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander auch für das Revisionsverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist die Überprüfung und Rücknahme aller Bescheide über die Gewährung, Aufhebung und Erstattung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende für den Zeitraum seit Januar 2006.

2

Der 1973 geborene Kläger bezog seit Januar 2005 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Auf den Antrag des anwaltlich vertretenen Klägers vom 28.7.2010, sämtliche bestandskräftige Bescheide seit dem 1.1.2006 "auf ihre Rechtmäßigkeit" zu überprüfen, forderte der Beklagte ihn unter Fristsetzung bis zum 15.8.2010 auf, eine detaillierte Aufstellung der angefochtenen Bescheide vorzulegen. Eine Überprüfung des Sachverhaltes werde ansonsten nicht vorgenommen. Nachdem keine Reaktion erfolgt war, lehnte der Beklagte eine Prüfung der Bescheide ab (Bescheid vom 16.8.2010; Widerspruchsbescheid vom 11.10.2010).

3

Im sozialgerichtlichen Verfahren hat der Kläger vorgetragen, in den Bewilligungsbescheiden vom 23.11.2005, 12.6.2006, 14.12.2006, 29.5.2007, 26.11.2007, 2.6.2008 und 24.11.2008 seien die Kosten für Unterkunft und Heizung falsch ermittelt, der Beklagte habe den Abzug der Kosten für die Warmwasseraufbereitung unrichtig vorgenommen. Im August 2006 müsse eine Nachforderung aus einer Betriebskostenabrechnung in Höhe von 108,36 Euro berücksichtigt werden. Gleiches gelte für die Betriebskostenabrechnungen für das Jahr 2006 (Bescheid vom 22.6.2007) und für das Jahr 2007 (Bescheid vom 8.5.2008). Der Beklagte habe jeweils einen zu geringen Betrag berücksichtigt.

4

Das SG hat die Klage teilweise als unzulässig zurückgewiesen, im Übrigen als unbegründet abgewiesen (Urteil vom 15.3.2011). Soweit die Klagebegründung einen erneuten Überprüfungsantrag beinhalte, fehle es an einem ordnungsgemäßen Vorverfahren. Im Übrigen handele es sich bei der in § 44 SGB X vorgesehenen Korrekturmöglichkeit um eine Einzelfallprüfung. Ein "globaler" Überprüfungsantrag werde von der Norm nicht erfasst.

5

Das LSG hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteil vom 26.3.2013). Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf eine schranken- und voraussetzungslose Sach- und Rechtsprüfung der seit Januar 2006 erlassenen Bescheide. Aus dem Wortlaut und der Systematik ergebe sich, dass jeweils nur ein Anspruch auf Überprüfung einzelner Verwaltungsentscheidungen, nicht auf ein ggf umfangreiches Verwaltungshandeln über einen mehrjährigen Zeitraum bestehe. Für den Bereich des SGB II habe der Gesetzgeber die Bedeutung der Rechtssicherheit mit Wirkung zum 1.4.2011 weiter hervorgehoben und durch eine Ergänzung in § 40 Abs 1 S 2 SGB II die Rückwirkung auf ein Jahr begrenzt. Zudem werde das Leistungsverhältnis Bürger - Behörde im Bereich des SGB II schon materiell-rechtlich, dh aufgrund des Gegenstandes und des Normprogramms, durch Veränderungen in der Lebenswirklichkeit der Betreffenden ungleich mehr als im Sozialrecht sonst üblich geprägt. Im Interesse einer funktionsfähigen Verwaltung erfahre § 44 SGB X daher im SGB II eine Einschränkung. Unter Beachtung dieser Grundsätze folge aus dem Antrag des Klägers keine Pflicht zur Überprüfung von Bescheiden in der Sache, weil er diese bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens nicht benannt habe. Soweit er mit seiner Klagebegründung die zu überprüfenden Bescheide des Beklagten und Gründe für die aus seiner Sicht rechtswidrigen Regelungen benannt habe, sei zwar bei der Beurteilung von Bescheiden im Überprüfungsverfahren bei einer zulässigen Anfechtungs- und Verpflichtungsklage der für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgebliche Zeitpunkt derjenige der letzten mündlichen Verhandlung der Tatsacheninstanz. Hänge das Überprüfungsbegehren aber von Mitwirkungsobliegenheiten im Verwaltungsverfahren ab, seien Gerichte nicht verpflichtet, auf die Nachholung der schon bestehenden Mitwirkungsobliegenheit die nunmehr konkret benannten Bescheide erstmals zu überprüfen.

6

Mit seiner Revision macht der Kläger geltend, es sei kein plausibler Grund dafür ersichtlich, warum eine Überprüfung "sämtlicher" erlassener Bescheide des Beklagten nur dann möglich sein solle, wenn der Antragsteller diese nochmals aufliste. Da der Überprüfungsantrag ausschließlich auf eine fehlerhafte Rechtsanwendung gestützt worden sei, bedürfe es keiner weiteren Darlegungen.

7

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 26. März 2013 aufzuheben, das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 15. März 2011 abzuändern und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 16. August 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Oktober 2010 zu verpflichten, die Bescheide vom 23. November 2005, 12. Juni 2006, 14. Dezember 2006, 29. Mai 2007, 22. Juni 2007, 26. November 2007, 8. Mai 2008, 2. Juni 2008 und 24. November 2008 teilweise zurückzunehmen und dem Kläger für die in den Bescheiden geregelten Bewilligungszeiträume höhere Leistungen nach dem SGB II zu gewähren.

8

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Er bezieht sich auf das angefochtene Urteil.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision ist zulässig, jedoch unbegründet.

11

1. Streitgegenstand ist die Gewährung höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts im Zeitraum vom 1.1.2006 bis 30.6.2009, als dies durch die im Antrag bezeichneten Bescheide des Beklagten geschehen ist. Richtige Klageart ist hier eine kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage (zuletzt BSG Urteil vom 12.12.2013 - B 4 AS 17/13 R - SozR 4-1500 § 192 Nr 2 RdNr 4; BSG Urteil vom 28.2.2013 - B 8 SO 4/12 R - RdNr 9; vgl auch Baumeister in juris-PK SGB X, § 44 RdNr 154, Stand 4/2013; Steinwedel in Kasseler Kommentar, § 44 SGB X RdNr 30, Stand 09/2013 mwN; Waschull in LPK-SGB X, 3. Aufl 2011, § 44 RdNr 59; aA in einem obiter dictum: BSGE 97, 54 = SozR 4-2700 § 8 Nr 18, jeweils RdNr 9; wohl auch Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, Kap IV RdNr 76). Der Kläger begehrt mit der Anfechtungsklage die Aufhebung des - die Überprüfung der zuvor benannten Bescheide ablehnenden - Verwaltungsakts vom 16.8.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.10.2010. Die Verpflichtungsklage ist auf die Erteilung eines Bescheids durch den Beklagen gerichtet, mit dem dieser die begehrte Änderung der bezeichneten Bewilligungsbescheide bewirkt. Mit der Leistungsklage beantragt er die Erbringung höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts im streitigen Zeitraum.

12

2. Der Beklagte hat es hier rechtlich zutreffend abgelehnt, eine inhaltliche Überprüfung der benannten Verwaltungsakte nach § 44 SGB X vorzunehmen. Es mangelt bereits an einem hinreichend objektiv konkretisierbaren Antrag im Sinne dieser Vorschrift.

13

a) Nach § 40 Abs 1 S 1 SGB II iVm § 44 Abs 1 S 1 SGB X ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Erfolgt die Überprüfung aufgrund eines Antrags des Leistungsberechtigten, löst dieser Antrag zwar grundsätzlich eine Prüfpflicht des Leistungsträgers aus. Der Antrag bestimmt jedoch zugleich auch den Umfang des Prüfauftrags der Verwaltung im Hinblick darauf, ob bei Erlass des Verwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt oder von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen worden ist. Aufgrund oder aus Anlass des Antrags muss sich der Verwaltung im Einzelfall objektiv erschließen, aus welchem Grund - Rechtsfehler und/oder falsche Sachverhaltsgrundlage - nach Auffassung des Leistungsberechtigten eine Überprüfung erfolgen soll. Dazu muss der Antrag konkretisierbar sein, dh entweder aus dem Antrag selbst - ggf nach Auslegung - oder aus einer Antwort des Leistungsberechtigten aufgrund konkreter Nachfrage des Sozialleistungsträgers muss der Umfang des Prüfauftrags für die Verwaltung bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens erkennbar werden. Ist dies nicht der Fall, ist der Sozialleistungsträger berechtigt, von einer inhaltlichen Prüfung dieses Antrags abzusehen. Diese Begrenzung des Prüfauftrags der Verwaltung wird durch den Wortlaut, die Gesetzesbegründung sowie den Sinn und Zweck des § 44 SGB X gestützt.

14

b) Nach dem Wortlaut von § 44 Abs 1 S 1 SGB X soll "im Einzelfall" eine Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes - sei es ein rechtswidriger belastender Verwaltungsakt, mit dem Leistungen ganz oder teilweise abgelehnt worden sind, sei es ein Rückforderungsbescheid(vgl Voelzke/Hahn, SGb 2012, 685, mwN) - erfolgen. Hieraus hat der erkennende Senat geschlossen, dass dann, wenn nicht ein einzelner oder mehrere konkrete, ihrer Zahl nach bestimmbare Verfügungssätze von Verwaltungsakten, sondern das Verwaltungshandeln - ohne jede Differenzierung - insgesamt zur Überprüfung durch die Verwaltung gestellt wird, keine Prüfung im Einzelfall begehrt wird. Trotz des Vorliegen eines "Antrags" löst ein solches Begehren bereits nach dem Wortlaut der Vorschrift noch keine inhaltliche Prüfpflicht des Sozialleistungsträgers aus (BSG Beschluss vom 14.3.2012 - B 4 AS 239/11 B - juris-RdNr 6).

15

c) Eine Entbindung von der inhaltlichen Prüfung setzt allerdings voraus, dass der Sozialleistungsträger "den Einzelfall", also die konkreten Inhalte eines bestimmten Bescheides, die zur Überprüfung gestellt werden sollen, bei objektiver Betrachtung nicht ermitteln kann. Ein Prüfanliegen "im Einzelfall" ist daher zu bejahen, wenn entweder eine bestimmte Fragestellung tatsächlicher oder rechtlicher Natur oder eine konkrete Verwaltungsentscheidung benannt wird. Auch bei einem Antrag nach § 44 SGB X hat die Verwaltung den Untersuchungsgrundsatz des § 20 SGB X zu beachten. Insofern kann es - je nach den konkreten Umständen der Antragstellung - erforderlich sein, dass der Träger auf eine Konkretisierung des Überprüfungsbegehrens durch den Leistungsberechtigten iS des § 21 Abs 2 S 1 SGB X hinwirkt. In welchem Umfang der Leistungsträger seiner Amtsermittlungspflicht nachzukommen hat, beurteilt sich jedoch nach Lage des Einzelfalls. Als Kriterium für den Umfang der Amtsermittlungspflicht des SGB II-Trägers ist beispielsweise zu berücksichtigen, ob der Leistungsberechtigte (mit juristischem Sachverstand) vertreten oder unvertreten ist oder ob sich aus vorangegangenen Kontakten zwischen ihm und der Verwaltung Anhaltspunkte für das Begehren des Antragstellers ergeben. Auch kann von Bedeutung sein, in welchem Gesamtkontext ein Überprüfungsantrag gestellt wird. Wenn - jedoch wie im vorliegenden Fall - auch auf Nachfrage des SGB II-Trägers bei dem Rechtsanwalt der Antragstellerin keine Angaben gemacht werden, die eine Konkretisierung für den Einzelfall ermöglichen, sondern weiter pauschal auf die Überprüfung sämtlicher Bescheide verwiesen wird, ist der Sozialleistungsträger objektiv nicht in der Lage, seinen Prüfauftrag zu bestimmen. In diesem Sinne wird auch in dem Entwurf zur Begründung des § 42 SGB X (heute § 44 SGB X) darauf hingewiesen, Voraussetzung für die Rücknahme solle sein, dass der Behörde im Einzelfall die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes bekannt werde(BT-Drucks 8/2034, S 34). Der Sozialleistungsträger muss also zumindest in die Lage versetzt werden, bestimmen zu können, welcher Verwaltungsakt rechtswidrig sein könnte. Dies war hier bis zur Erteilung des Widerspruchsbescheides nicht der Fall.

16

d) Es genügt nicht, wenn der Leistungsberechtigte - wie hier - eine Nachbesserung des bis dahin unbestimmten und nicht objektiv konkretisierbaren Antrags erst im Klageverfahren vornimmt. Für die Beurteilung, ob die formellen Erfordernisse eines solchen Antrags vorliegen, der überhaupt erst eine Prüfpflicht des Leistungsträgers auslöst, ist auf die zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung zu diesem Überprüfungsantrag vorgetragenen tatsächlichen und/oder rechtlichen Anhaltspunkte abzustellen.

17

Soweit das LSG mit Hinweis auf eine Entscheidung des 5. Senats des BSG (Urteil vom 25.1.2011 - B 5 R 47/10 R - RdNr 12) für die Bestimmung des maßgeblichen Zeitpunkts zur Beurteilung der Sach- und Rechtslage im Überprüfungsverfahren im Ansatz davon ausgegangen ist, dass dies derjenige der letzten mündlichen Verhandlung sei, handelte es sich bei der Entscheidung des 5. Senats um eine andere Ausgangslage. In dem dortigen Verfahren war umstritten, ob konkrete "Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden" sind. Ob diese neben der Antragsstellung zu beachtende (weitere) Rücknahmevoraussetzung erfüllt ist, kann sich nach der materiellen Rechtslage richten, die im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Überprüfungsentscheidung gilt. Insofern ist neues Recht und auch erstmaliges Vorbringen der Beteiligten im Klageverfahren hierzu nach der Entscheidung des 5. Senats des BSG zu berücksichtigen, wenn das neue Recht das streitige Rechtsverhältnis nach seinem Geltungswillen "mit Rückwirkung" erfassen soll. Vorliegend fehlt es jedoch bereits an der vorrangig zu prüfenden verfahrensrechtlichen Voraussetzung für ein (Wieder)Aufleben ("Ingangbringen") der Prüfverpflichtung des Sozialleistungsträgers nach § 44 SGB X.

18

e) Ohne Bedeutung für die hier behandelte Fallgestaltung des nicht einzelfallbezogenen Antrags ist es, dass nach der Rechtsprechung des 4. Senats des BSG eine Einschränkung im Verfahren nach § 44 SGB X unter Rückgriff auf § 51 Abs 1 VwVfG vorgenommen werden darf mit der Folge einer gestuften Prüfungsverpflichtung bei einem "unrichtigen Sachverhalt"(BSGE 88, 75 = SozR 3-2200 § 1265 Nr 20). Nicht einschlägig ist hier auch die Rechtsprechung des 9. Senats des BSG, der eine Prüfpflicht nur dann annehmen will, wenn Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit des der früheren Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalts vorhanden sind (BSGE 63, 33 = SozR 1300 § 44 Nr 33). Wird das Verwaltungshandeln umfassend zur Überprüfung gestellt, mangelt es bereits an einem konkreten Anlass zum Eintritt in die zuvor aufgezeigten "Prüfstadien". Bereits auf der davor liegenden Stufe fehlt es an Hinweisen, wie sich der Prüfumfang bestimmen soll, wenn - wie hier - auch auf Nachfrage bei dem Leistungsberechtigten keine weiteren Angaben gemacht werden. Gleiches gilt, wenn sich die Rechtswidrigkeit aus einer unrichtigen Anwendung des Rechts ergeben soll. Nach Auffassung des 2. Senats des BSG soll zwar im Zugunstenverfahren nach § 44 SGB X auch ohne neues Vorbringen des Antragstellers immer eine Prüfverpflichtung bestehen, ob bei Erlass des bindend gewordenen Verwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt wurde(BSGE 97, 54 = SozR 4-2700 § 8 Nr 18, RdNr 12). Dies setzt jedoch voraus, dass die Verwaltung überhaupt "einzelfallbezogen" erkennen kann, welcher Bescheid zu überprüfen ist. Ansonsten kann sie bereits den Gegenstand der Prüfung nicht bestimmen und nicht dem Sinn und Zweck des § 44 SGB X entsprechend handeln.

19

f) Ziel des § 44 SGB X ist es, die Konfliktsituation zwischen der Bindungswirkung eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes und der materiellen Gerechtigkeit zu Gunsten letzterer aufzulösen(BSG SozR 3-1300 § 44 Nr 24, juris-RdNr 16; Merten in Hauck/Noftz, SGB X, K § 44 RdNr 2, Stand XII/12; Schütze in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2013, § 44 RdNr 2, vor 44-49, RdNr 1; Steinwedel in Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, § 44 SGB X RdNr 2, Stand IX/2013; Waschull in LPK-SGB X, 3. Aufl 2011, vor §§ 44-51 RdNr 13; vgl auch Voelzke/Hahn, SGb 2012, 685). Eine Konfliktlösung in diesem Sinne ist der Verwaltung jedoch nur möglich, wenn ihr "der Konflikt" bekannt ist. Insoweit besteht kein Unterschied zwischen der Situation der Einleitung eines Überprüfungsverfahrens durch einen Antrag des Leistungsberechtigten oder der Verpflichtung der Verwaltung zur Überprüfung von Amts wegen (§ 44 Abs 3 S 2 und 3 SGB X). Der Maßstab zur Bestimmung des Prüfumfangs ist gleich. Im Rahmen der Überprüfung von Amts wegen ist die Verwaltung nach ständiger Rechtsprechung des BSG nicht verpflichtet, die Akten von sich aus auf Rücknahmemöglichkeiten durchzuarbeiten. Es müssen sich vielmehr konkret in der Bearbeitung eines Falles Anhaltspunkte für eine Aufhebung ergeben (vgl BSG Urteil vom 2.10.2008 - B 9 VH 1/07 R - juris-RdNr 48; BSG SozR 3-4100 § 119 Nr 23, juris-RdNr 24 f; s auch Baumeister in jurisPK-SGB X, § 44 SGB X, RdNr 133, Stand 4/2013; Schütze in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2013, § 44 RdNr 39; Steinwedel in Kasseler Kommentar, § 44 SGB X, RdNr 24, Stand IX/2013). Anderenfalls würde der Verwaltung die Verpflichtung auferlegt, ihr bindend gewordenes Verwaltungshandeln "ins Blaue hinein" zu überprüfen. Auch bei einer Überprüfung auf Antrag ist die Verwaltung daher nicht gehalten, die Akten von Amts wegen durchzuarbeiten, um eine mögliche Rechtswidrigkeit aufzudecken. Sie kann sich vielmehr - in einer Situation wie der vorliegenden - unter dem Hinweis auf fehlende Anhaltspunkte für eine Rechtswidrigkeit nicht näher bezeichneter Ausgangsbescheide darauf stützen, es sei nicht erkennbar, dass das Recht unrichtig angewandt oder von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen worden sei und die erneute inhaltliche Prüfung ablehnen. Damit wird sowohl der materiellen Gerechtigkeit als auch der Bindungswirkung Rechnung getragen, ohne die materielle Gerechtigkeit durch eine Zugunstenentscheidung für den Leistungsberechtigten im Einzelfall hinter die Bindungswirkung zurücktreten zu lassen.

20

g) Unerheblich für die Bestimmung des Umfangs der Prüfpflicht des Leistungsträgers ist hingegen, dass es sich hier um einen Antrag auf Überprüfung eines Bescheides aus dem Leistungsbereich des SGB II handelt. Die den dortigen Leistungsvoraussetzungen geschuldete Häufigkeit der Änderungen der Leistungshöhe und der damit verbundenen erneuten Bescheiderteilung bilden keinen Anlass von anderen Sozialleistungsbereichen abweichende Maßstäbe für die Voraussetzungen der Überprüfung einer Verwaltungsentscheidung nach § 44 SGB X aufzustellen. § 40 Abs 1 SGB II enthält nur eine Begrenzung hinsichtlich der rückwirkenden Erbringung von SGB II-Leistungen nach § 44 Abs 4 SGB X, nicht jedoch abweichende Grundsätze für die vorangehenden Prüfungsschritte des § 44 SGB X(vgl in diesem Zusammenhang auch BSGE 106, 155 = SozR 4-4200 § 22 Nr 36).

21

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 26. März 2013 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander auch für das Revisionsverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist die Überprüfung und Rücknahme aller Bescheide über die Gewährung, Aufhebung und Erstattung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende für den Zeitraum seit Januar 2006.

2

Der 1973 geborene Kläger bezog seit Januar 2005 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Auf den Antrag des anwaltlich vertretenen Klägers vom 28.7.2010, sämtliche bestandskräftige Bescheide seit dem 1.1.2006 "auf ihre Rechtmäßigkeit" zu überprüfen, forderte der Beklagte ihn unter Fristsetzung bis zum 15.8.2010 auf, eine detaillierte Aufstellung der angefochtenen Bescheide vorzulegen. Eine Überprüfung des Sachverhaltes werde ansonsten nicht vorgenommen. Nachdem keine Reaktion erfolgt war, lehnte der Beklagte eine Prüfung der Bescheide ab (Bescheid vom 16.8.2010; Widerspruchsbescheid vom 11.10.2010).

3

Im sozialgerichtlichen Verfahren hat der Kläger vorgetragen, in den Bewilligungsbescheiden vom 23.11.2005, 12.6.2006, 14.12.2006, 29.5.2007, 26.11.2007, 2.6.2008 und 24.11.2008 seien die Kosten für Unterkunft und Heizung falsch ermittelt, der Beklagte habe den Abzug der Kosten für die Warmwasseraufbereitung unrichtig vorgenommen. Im August 2006 müsse eine Nachforderung aus einer Betriebskostenabrechnung in Höhe von 108,36 Euro berücksichtigt werden. Gleiches gelte für die Betriebskostenabrechnungen für das Jahr 2006 (Bescheid vom 22.6.2007) und für das Jahr 2007 (Bescheid vom 8.5.2008). Der Beklagte habe jeweils einen zu geringen Betrag berücksichtigt.

4

Das SG hat die Klage teilweise als unzulässig zurückgewiesen, im Übrigen als unbegründet abgewiesen (Urteil vom 15.3.2011). Soweit die Klagebegründung einen erneuten Überprüfungsantrag beinhalte, fehle es an einem ordnungsgemäßen Vorverfahren. Im Übrigen handele es sich bei der in § 44 SGB X vorgesehenen Korrekturmöglichkeit um eine Einzelfallprüfung. Ein "globaler" Überprüfungsantrag werde von der Norm nicht erfasst.

5

Das LSG hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteil vom 26.3.2013). Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf eine schranken- und voraussetzungslose Sach- und Rechtsprüfung der seit Januar 2006 erlassenen Bescheide. Aus dem Wortlaut und der Systematik ergebe sich, dass jeweils nur ein Anspruch auf Überprüfung einzelner Verwaltungsentscheidungen, nicht auf ein ggf umfangreiches Verwaltungshandeln über einen mehrjährigen Zeitraum bestehe. Für den Bereich des SGB II habe der Gesetzgeber die Bedeutung der Rechtssicherheit mit Wirkung zum 1.4.2011 weiter hervorgehoben und durch eine Ergänzung in § 40 Abs 1 S 2 SGB II die Rückwirkung auf ein Jahr begrenzt. Zudem werde das Leistungsverhältnis Bürger - Behörde im Bereich des SGB II schon materiell-rechtlich, dh aufgrund des Gegenstandes und des Normprogramms, durch Veränderungen in der Lebenswirklichkeit der Betreffenden ungleich mehr als im Sozialrecht sonst üblich geprägt. Im Interesse einer funktionsfähigen Verwaltung erfahre § 44 SGB X daher im SGB II eine Einschränkung. Unter Beachtung dieser Grundsätze folge aus dem Antrag des Klägers keine Pflicht zur Überprüfung von Bescheiden in der Sache, weil er diese bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens nicht benannt habe. Soweit er mit seiner Klagebegründung die zu überprüfenden Bescheide des Beklagten und Gründe für die aus seiner Sicht rechtswidrigen Regelungen benannt habe, sei zwar bei der Beurteilung von Bescheiden im Überprüfungsverfahren bei einer zulässigen Anfechtungs- und Verpflichtungsklage der für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgebliche Zeitpunkt derjenige der letzten mündlichen Verhandlung der Tatsacheninstanz. Hänge das Überprüfungsbegehren aber von Mitwirkungsobliegenheiten im Verwaltungsverfahren ab, seien Gerichte nicht verpflichtet, auf die Nachholung der schon bestehenden Mitwirkungsobliegenheit die nunmehr konkret benannten Bescheide erstmals zu überprüfen.

6

Mit seiner Revision macht der Kläger geltend, es sei kein plausibler Grund dafür ersichtlich, warum eine Überprüfung "sämtlicher" erlassener Bescheide des Beklagten nur dann möglich sein solle, wenn der Antragsteller diese nochmals aufliste. Da der Überprüfungsantrag ausschließlich auf eine fehlerhafte Rechtsanwendung gestützt worden sei, bedürfe es keiner weiteren Darlegungen.

7

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 26. März 2013 aufzuheben, das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 15. März 2011 abzuändern und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 16. August 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Oktober 2010 zu verpflichten, die Bescheide vom 23. November 2005, 12. Juni 2006, 14. Dezember 2006, 29. Mai 2007, 22. Juni 2007, 26. November 2007, 8. Mai 2008, 2. Juni 2008 und 24. November 2008 teilweise zurückzunehmen und dem Kläger für die in den Bescheiden geregelten Bewilligungszeiträume höhere Leistungen nach dem SGB II zu gewähren.

8

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Er bezieht sich auf das angefochtene Urteil.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision ist zulässig, jedoch unbegründet.

11

1. Streitgegenstand ist die Gewährung höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts im Zeitraum vom 1.1.2006 bis 30.6.2009, als dies durch die im Antrag bezeichneten Bescheide des Beklagten geschehen ist. Richtige Klageart ist hier eine kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage (zuletzt BSG Urteil vom 12.12.2013 - B 4 AS 17/13 R - SozR 4-1500 § 192 Nr 2 RdNr 4; BSG Urteil vom 28.2.2013 - B 8 SO 4/12 R - RdNr 9; vgl auch Baumeister in juris-PK SGB X, § 44 RdNr 154, Stand 4/2013; Steinwedel in Kasseler Kommentar, § 44 SGB X RdNr 30, Stand 09/2013 mwN; Waschull in LPK-SGB X, 3. Aufl 2011, § 44 RdNr 59; aA in einem obiter dictum: BSGE 97, 54 = SozR 4-2700 § 8 Nr 18, jeweils RdNr 9; wohl auch Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, Kap IV RdNr 76). Der Kläger begehrt mit der Anfechtungsklage die Aufhebung des - die Überprüfung der zuvor benannten Bescheide ablehnenden - Verwaltungsakts vom 16.8.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.10.2010. Die Verpflichtungsklage ist auf die Erteilung eines Bescheids durch den Beklagen gerichtet, mit dem dieser die begehrte Änderung der bezeichneten Bewilligungsbescheide bewirkt. Mit der Leistungsklage beantragt er die Erbringung höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts im streitigen Zeitraum.

12

2. Der Beklagte hat es hier rechtlich zutreffend abgelehnt, eine inhaltliche Überprüfung der benannten Verwaltungsakte nach § 44 SGB X vorzunehmen. Es mangelt bereits an einem hinreichend objektiv konkretisierbaren Antrag im Sinne dieser Vorschrift.

13

a) Nach § 40 Abs 1 S 1 SGB II iVm § 44 Abs 1 S 1 SGB X ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Erfolgt die Überprüfung aufgrund eines Antrags des Leistungsberechtigten, löst dieser Antrag zwar grundsätzlich eine Prüfpflicht des Leistungsträgers aus. Der Antrag bestimmt jedoch zugleich auch den Umfang des Prüfauftrags der Verwaltung im Hinblick darauf, ob bei Erlass des Verwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt oder von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen worden ist. Aufgrund oder aus Anlass des Antrags muss sich der Verwaltung im Einzelfall objektiv erschließen, aus welchem Grund - Rechtsfehler und/oder falsche Sachverhaltsgrundlage - nach Auffassung des Leistungsberechtigten eine Überprüfung erfolgen soll. Dazu muss der Antrag konkretisierbar sein, dh entweder aus dem Antrag selbst - ggf nach Auslegung - oder aus einer Antwort des Leistungsberechtigten aufgrund konkreter Nachfrage des Sozialleistungsträgers muss der Umfang des Prüfauftrags für die Verwaltung bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens erkennbar werden. Ist dies nicht der Fall, ist der Sozialleistungsträger berechtigt, von einer inhaltlichen Prüfung dieses Antrags abzusehen. Diese Begrenzung des Prüfauftrags der Verwaltung wird durch den Wortlaut, die Gesetzesbegründung sowie den Sinn und Zweck des § 44 SGB X gestützt.

14

b) Nach dem Wortlaut von § 44 Abs 1 S 1 SGB X soll "im Einzelfall" eine Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes - sei es ein rechtswidriger belastender Verwaltungsakt, mit dem Leistungen ganz oder teilweise abgelehnt worden sind, sei es ein Rückforderungsbescheid(vgl Voelzke/Hahn, SGb 2012, 685, mwN) - erfolgen. Hieraus hat der erkennende Senat geschlossen, dass dann, wenn nicht ein einzelner oder mehrere konkrete, ihrer Zahl nach bestimmbare Verfügungssätze von Verwaltungsakten, sondern das Verwaltungshandeln - ohne jede Differenzierung - insgesamt zur Überprüfung durch die Verwaltung gestellt wird, keine Prüfung im Einzelfall begehrt wird. Trotz des Vorliegen eines "Antrags" löst ein solches Begehren bereits nach dem Wortlaut der Vorschrift noch keine inhaltliche Prüfpflicht des Sozialleistungsträgers aus (BSG Beschluss vom 14.3.2012 - B 4 AS 239/11 B - juris-RdNr 6).

15

c) Eine Entbindung von der inhaltlichen Prüfung setzt allerdings voraus, dass der Sozialleistungsträger "den Einzelfall", also die konkreten Inhalte eines bestimmten Bescheides, die zur Überprüfung gestellt werden sollen, bei objektiver Betrachtung nicht ermitteln kann. Ein Prüfanliegen "im Einzelfall" ist daher zu bejahen, wenn entweder eine bestimmte Fragestellung tatsächlicher oder rechtlicher Natur oder eine konkrete Verwaltungsentscheidung benannt wird. Auch bei einem Antrag nach § 44 SGB X hat die Verwaltung den Untersuchungsgrundsatz des § 20 SGB X zu beachten. Insofern kann es - je nach den konkreten Umständen der Antragstellung - erforderlich sein, dass der Träger auf eine Konkretisierung des Überprüfungsbegehrens durch den Leistungsberechtigten iS des § 21 Abs 2 S 1 SGB X hinwirkt. In welchem Umfang der Leistungsträger seiner Amtsermittlungspflicht nachzukommen hat, beurteilt sich jedoch nach Lage des Einzelfalls. Als Kriterium für den Umfang der Amtsermittlungspflicht des SGB II-Trägers ist beispielsweise zu berücksichtigen, ob der Leistungsberechtigte (mit juristischem Sachverstand) vertreten oder unvertreten ist oder ob sich aus vorangegangenen Kontakten zwischen ihm und der Verwaltung Anhaltspunkte für das Begehren des Antragstellers ergeben. Auch kann von Bedeutung sein, in welchem Gesamtkontext ein Überprüfungsantrag gestellt wird. Wenn - jedoch wie im vorliegenden Fall - auch auf Nachfrage des SGB II-Trägers bei dem Rechtsanwalt der Antragstellerin keine Angaben gemacht werden, die eine Konkretisierung für den Einzelfall ermöglichen, sondern weiter pauschal auf die Überprüfung sämtlicher Bescheide verwiesen wird, ist der Sozialleistungsträger objektiv nicht in der Lage, seinen Prüfauftrag zu bestimmen. In diesem Sinne wird auch in dem Entwurf zur Begründung des § 42 SGB X (heute § 44 SGB X) darauf hingewiesen, Voraussetzung für die Rücknahme solle sein, dass der Behörde im Einzelfall die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes bekannt werde(BT-Drucks 8/2034, S 34). Der Sozialleistungsträger muss also zumindest in die Lage versetzt werden, bestimmen zu können, welcher Verwaltungsakt rechtswidrig sein könnte. Dies war hier bis zur Erteilung des Widerspruchsbescheides nicht der Fall.

16

d) Es genügt nicht, wenn der Leistungsberechtigte - wie hier - eine Nachbesserung des bis dahin unbestimmten und nicht objektiv konkretisierbaren Antrags erst im Klageverfahren vornimmt. Für die Beurteilung, ob die formellen Erfordernisse eines solchen Antrags vorliegen, der überhaupt erst eine Prüfpflicht des Leistungsträgers auslöst, ist auf die zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung zu diesem Überprüfungsantrag vorgetragenen tatsächlichen und/oder rechtlichen Anhaltspunkte abzustellen.

17

Soweit das LSG mit Hinweis auf eine Entscheidung des 5. Senats des BSG (Urteil vom 25.1.2011 - B 5 R 47/10 R - RdNr 12) für die Bestimmung des maßgeblichen Zeitpunkts zur Beurteilung der Sach- und Rechtslage im Überprüfungsverfahren im Ansatz davon ausgegangen ist, dass dies derjenige der letzten mündlichen Verhandlung sei, handelte es sich bei der Entscheidung des 5. Senats um eine andere Ausgangslage. In dem dortigen Verfahren war umstritten, ob konkrete "Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden" sind. Ob diese neben der Antragsstellung zu beachtende (weitere) Rücknahmevoraussetzung erfüllt ist, kann sich nach der materiellen Rechtslage richten, die im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Überprüfungsentscheidung gilt. Insofern ist neues Recht und auch erstmaliges Vorbringen der Beteiligten im Klageverfahren hierzu nach der Entscheidung des 5. Senats des BSG zu berücksichtigen, wenn das neue Recht das streitige Rechtsverhältnis nach seinem Geltungswillen "mit Rückwirkung" erfassen soll. Vorliegend fehlt es jedoch bereits an der vorrangig zu prüfenden verfahrensrechtlichen Voraussetzung für ein (Wieder)Aufleben ("Ingangbringen") der Prüfverpflichtung des Sozialleistungsträgers nach § 44 SGB X.

18

e) Ohne Bedeutung für die hier behandelte Fallgestaltung des nicht einzelfallbezogenen Antrags ist es, dass nach der Rechtsprechung des 4. Senats des BSG eine Einschränkung im Verfahren nach § 44 SGB X unter Rückgriff auf § 51 Abs 1 VwVfG vorgenommen werden darf mit der Folge einer gestuften Prüfungsverpflichtung bei einem "unrichtigen Sachverhalt"(BSGE 88, 75 = SozR 3-2200 § 1265 Nr 20). Nicht einschlägig ist hier auch die Rechtsprechung des 9. Senats des BSG, der eine Prüfpflicht nur dann annehmen will, wenn Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit des der früheren Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalts vorhanden sind (BSGE 63, 33 = SozR 1300 § 44 Nr 33). Wird das Verwaltungshandeln umfassend zur Überprüfung gestellt, mangelt es bereits an einem konkreten Anlass zum Eintritt in die zuvor aufgezeigten "Prüfstadien". Bereits auf der davor liegenden Stufe fehlt es an Hinweisen, wie sich der Prüfumfang bestimmen soll, wenn - wie hier - auch auf Nachfrage bei dem Leistungsberechtigten keine weiteren Angaben gemacht werden. Gleiches gilt, wenn sich die Rechtswidrigkeit aus einer unrichtigen Anwendung des Rechts ergeben soll. Nach Auffassung des 2. Senats des BSG soll zwar im Zugunstenverfahren nach § 44 SGB X auch ohne neues Vorbringen des Antragstellers immer eine Prüfverpflichtung bestehen, ob bei Erlass des bindend gewordenen Verwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt wurde(BSGE 97, 54 = SozR 4-2700 § 8 Nr 18, RdNr 12). Dies setzt jedoch voraus, dass die Verwaltung überhaupt "einzelfallbezogen" erkennen kann, welcher Bescheid zu überprüfen ist. Ansonsten kann sie bereits den Gegenstand der Prüfung nicht bestimmen und nicht dem Sinn und Zweck des § 44 SGB X entsprechend handeln.

19

f) Ziel des § 44 SGB X ist es, die Konfliktsituation zwischen der Bindungswirkung eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes und der materiellen Gerechtigkeit zu Gunsten letzterer aufzulösen(BSG SozR 3-1300 § 44 Nr 24, juris-RdNr 16; Merten in Hauck/Noftz, SGB X, K § 44 RdNr 2, Stand XII/12; Schütze in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2013, § 44 RdNr 2, vor 44-49, RdNr 1; Steinwedel in Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, § 44 SGB X RdNr 2, Stand IX/2013; Waschull in LPK-SGB X, 3. Aufl 2011, vor §§ 44-51 RdNr 13; vgl auch Voelzke/Hahn, SGb 2012, 685). Eine Konfliktlösung in diesem Sinne ist der Verwaltung jedoch nur möglich, wenn ihr "der Konflikt" bekannt ist. Insoweit besteht kein Unterschied zwischen der Situation der Einleitung eines Überprüfungsverfahrens durch einen Antrag des Leistungsberechtigten oder der Verpflichtung der Verwaltung zur Überprüfung von Amts wegen (§ 44 Abs 3 S 2 und 3 SGB X). Der Maßstab zur Bestimmung des Prüfumfangs ist gleich. Im Rahmen der Überprüfung von Amts wegen ist die Verwaltung nach ständiger Rechtsprechung des BSG nicht verpflichtet, die Akten von sich aus auf Rücknahmemöglichkeiten durchzuarbeiten. Es müssen sich vielmehr konkret in der Bearbeitung eines Falles Anhaltspunkte für eine Aufhebung ergeben (vgl BSG Urteil vom 2.10.2008 - B 9 VH 1/07 R - juris-RdNr 48; BSG SozR 3-4100 § 119 Nr 23, juris-RdNr 24 f; s auch Baumeister in jurisPK-SGB X, § 44 SGB X, RdNr 133, Stand 4/2013; Schütze in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2013, § 44 RdNr 39; Steinwedel in Kasseler Kommentar, § 44 SGB X, RdNr 24, Stand IX/2013). Anderenfalls würde der Verwaltung die Verpflichtung auferlegt, ihr bindend gewordenes Verwaltungshandeln "ins Blaue hinein" zu überprüfen. Auch bei einer Überprüfung auf Antrag ist die Verwaltung daher nicht gehalten, die Akten von Amts wegen durchzuarbeiten, um eine mögliche Rechtswidrigkeit aufzudecken. Sie kann sich vielmehr - in einer Situation wie der vorliegenden - unter dem Hinweis auf fehlende Anhaltspunkte für eine Rechtswidrigkeit nicht näher bezeichneter Ausgangsbescheide darauf stützen, es sei nicht erkennbar, dass das Recht unrichtig angewandt oder von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen worden sei und die erneute inhaltliche Prüfung ablehnen. Damit wird sowohl der materiellen Gerechtigkeit als auch der Bindungswirkung Rechnung getragen, ohne die materielle Gerechtigkeit durch eine Zugunstenentscheidung für den Leistungsberechtigten im Einzelfall hinter die Bindungswirkung zurücktreten zu lassen.

20

g) Unerheblich für die Bestimmung des Umfangs der Prüfpflicht des Leistungsträgers ist hingegen, dass es sich hier um einen Antrag auf Überprüfung eines Bescheides aus dem Leistungsbereich des SGB II handelt. Die den dortigen Leistungsvoraussetzungen geschuldete Häufigkeit der Änderungen der Leistungshöhe und der damit verbundenen erneuten Bescheiderteilung bilden keinen Anlass von anderen Sozialleistungsbereichen abweichende Maßstäbe für die Voraussetzungen der Überprüfung einer Verwaltungsentscheidung nach § 44 SGB X aufzustellen. § 40 Abs 1 SGB II enthält nur eine Begrenzung hinsichtlich der rückwirkenden Erbringung von SGB II-Leistungen nach § 44 Abs 4 SGB X, nicht jedoch abweichende Grundsätze für die vorangehenden Prüfungsschritte des § 44 SGB X(vgl in diesem Zusammenhang auch BSGE 106, 155 = SozR 4-4200 § 22 Nr 36).

21

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 23. November 2012 wird zurückgewiesen.

Kosten sind keine zu erstatten.

Tatbestand

1

Umstritten ist die Überprüfung von Bescheiden nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II).

2

Die im Jahr 1973 geborene Klägerin, ihr im Jahr 1970 geborener Ehemann und ihr im Jahr 1998 geborener Sohn bilden eine Bedarfsgemeinschaft und beziehen seit Januar 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Mit undatiertem, beim beklagten Jobcenter am 3.2.2011 eingegangenem Schreiben beantragte sie die "Überprüfung sämtlicher bestandskräftiger Bescheide über Grundsicherung seit dem 01.01.2006 inklusive aller Aufhebungs- und Erstattungsbescheide". Nachdem die Klägerin trotz einer Bitte des Beklagten die zu überprüfenden Bescheide nicht näher benannt hatte, lehnte dieser eine "Prüfung der Bescheide" ab, da mangels Vortrags nicht ersichtlich sei, was für deren Unrichtigkeit spreche (Bescheid vom 1.3.2011). Der durch Stempelaufdruck auf diesem Bescheid erhobene, nicht näher begründete Widerspruch wurde zurückgewiesen (Widerspruchsbescheid vom 9.5.2011).

3

Im Laufe des Klageverfahrens vor dem Sozialgericht (SG) hat die Klägerin mit Schreiben vom 29.8.2011 mitgeteilt, dass sie die Überprüfung begehre der Bescheide vom 8.2.2006, 18.7.2006, 29.1.2007, 22.8.2007, 21.1.2008, 28.7.2008, 26.1.2009, 18.2.2010, 12.8.2010 inklusive aller Änderungsbescheide, des Sanktionsbescheides vom 22.8.2007, der Aufhebungs- und Erstattungsbescheide vom 3.1.2007, 10.1.2008, 7.2.2008, 17.10.2008, 26.7.2010, 3.9.2010. Der Beklagte hat das Schreiben vom 29.8.2011 als neuen Überprüfungsantrag gewertet und mit weiteren Bescheiden "festgestellt", dass die vor dem 1.1.2010 wirksam gewesenen Bescheide vom 8.2.2006, 18.7.2006, 29.1.2007 (vom Beklagten angeführt wird das Datum 28.1.2007), 22.8.2007, 21.1.2008, 28.7.2008, 26.1.2009 - jeweils inklusive aller Änderungsbescheide - und der Sanktionsbescheid vom 22.8.2007 einer Überprüfung wegen Verfristung nicht zugänglich seien (Bescheide vom 27.10.2011, Widerspruchsbescheide vom 1.3.2012).

4

Das SG hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 9.11.2011). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 23.11.2012) und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: (1) Die aufgrund des Schreibens vom 29.8.2011 ergangenen Überprüfungsbescheide vom 27.10.2011 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 1.3.2012 seien nicht Gegenstand des Klageverfahrens geworden, weil diese den angefochtenen Bescheid vom 1.3.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9.5.2011 nicht gemäß § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) geändert oder ersetzt hätten. Letzterer setze voraus, dass die Regelungsgegenstände des früheren und des neuen Bescheides identisch seien; ein bloßer Sachzusammenhang genüge nicht. Ein Überprüfungsbescheid nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) werde nicht Gegenstand des Klageverfahrens gegen den ursprünglichen Bescheid(Hinweis auf Bundessozialgericht vom 30.9.2009 - B 9 SB 19/09 B). Werde ein erster Überprüfungsantrag im Hinblick auf eine mangelnde Konkretisierung der zu überprüfenden Bescheide und ein zweiter Überprüfungsantrag wegen Verfristung nach § 40 Abs 1 Satz 2, § 77 Abs 13 SGB II abgelehnt, handele es sich ebenfalls um verschiedene Regelungsgegenstände. (2) Der angefochtene Bescheid vom 1.3.2011 sei nicht rechtswidrig gewesen und im Rahmen des Vorverfahrens durch den Widerspruchsbescheid vom 9.5.2011 zu Recht bestätigt worden. Der Beklagte habe sich auf die Bindungswirkung seiner früheren Bescheide berufen und es mangels Vortrags der Klägerin ablehnen dürfen, deren Rechtmäßigkeit zu überprüfen. Denn § 44 SGB X erfordere für das Eintreten in eine umfassende Sachprüfung, dass gewisse Mindestanforderungen erfüllt seien. Die Tatsache, dass die Klägerin im Klageverfahren eine Konkretisierung ihres Überprüfungsantrags nachgeschoben habe, führe nicht dazu, dass nun im Gerichtsverfahren die inhaltliche Überprüfung der bestandskräftigen Bescheide vorzunehmen sei. Das Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 29.8.2011 sei vielmehr als neuer Überprüfungsantrag zu werten.

5

Mit der - vom BSG zugelassenen - Revision rügt die Klägerin die Verletzung des § 44 SGB X durch das LSG. Insbesondere habe das LSG die Rechtmäßigkeit der von ihr im Laufe des SG-Verfahrens konkret benannten Bescheide überprüfen müssen. Dass nach heutiger Rechtslage der zu überprüfende Bescheid nicht angegeben werden müsse, folge auch aus den Überlegungen einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Rechtsvereinfachung im SGB II, die ua eine Gesetzesänderung beinhalte, nach der die zu überprüfenden Bescheide zu benennen und die Beschwer zu bezeichnen seien. Nachdem das Urteil des 4. Senats des BSG vom 13.2.2014 (- B 4 AS 22/13 R - vorgesehen für BSGE und SozR 4-1300 § 44 Nr 28) ergangen ist, ist die Revision aufrechterhalten worden, weil die zu überprüfenden Sachverhalte im Antrag vom 3.2.2011 angegeben worden seien und die Benennung der Bescheide nach ihrem Datum nicht erforderlich sei.

6

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 23. November 2012 und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Cottbus vom 9. November 2011 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 1. März 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Mai 2011 zu verpflichten, die Bescheide vom 8. Februar 2006, 18. Juli 2006, 29. Januar 2007, 22. August 2007, 21. Januar 2008, 28. Juli 2008, 26. Januar 2009, 18. Februar 2010, 12. August 2010, jeweils inklusive aller Änderungsbescheide, zu ändern und höhere Leistungen nach dem SGB II zu gewähren, sowie den Sanktionsbescheid vom 22. August 2007 und die Aufhebungs- und Erstattungsbescheide vom 3. Januar 2007, 10. Januar 2008, 7. Februar 2008, 17. Oktober 2008, 26. Juli 2010, 3. September 2010 aufzuheben.

7

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Beide Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG). Das LSG hat in seinem angefochtenen Urteil vom 23.11.2012 zu Recht ihre Berufung gegen den Gerichtsbescheid des SG vom 9.11.2011 zurückgewiesen, in dem dieses die Klage auf Aufhebung des Bescheides des Beklagten vom 1.3.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9.5.2011 und die Überprüfung der im Klageverfahren von der Klägerin bezeichneten Bescheide abgewiesen hat.

10

1. Streitgegenstand des Revisionsverfahrens sind nur die genannten vorinstanzlichen Entscheidungen und der genannte Bescheid des Beklagten sowie das Überprüfungsbegehren der Klägerin, nicht aber - wie das LSG zu Recht erkannt hat - die Bescheide des Beklagten vom 27.10.2011 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 1.3.2012. Denn letztere haben den Bescheid vom 1.3.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9.5.2011 nicht gemäß § 96 Abs 1 SGG geändert oder ersetzt.

11

Voraussetzung für die Anwendung des § 96 Abs 1 SGG ist ua eine zumindest teilweise Identität der Regelungsgegenstände beider Verwaltungsakte, die ähnlich wie der Streitgegenstand durch einen Vergleich beider Verfügungssätze sowie des zugrunde liegenden Sachverhaltes zu ermitteln sind; ein bloßer Sachzusammenhang genügt nicht (BSG vom 30.9.2009 - B 9 SB 19/09 B zu einem Ausgangs- und einem Überprüfungsbescheid; BSG vom 17.10.2012 - B 6 KA 40/11 R - SozR 4-2500 § 95 Nr 27 RdNr 21 mwN; BSG vom 15.11.2012 - B 8 SO 22/10 R - FEVS 64, 486, RdNr 14). Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt, weil in den Bescheiden vom 27.10.2011 nicht auf den früheren Bescheid vom 1.3.2011 Bezug genommen wird und in ihrer Begründung für die Ablehnung der Überprüfung der ursprünglichen Bescheide nicht auf deren mangelnde Konkretisierung abgehoben wurde, sondern auf die Verfristung des Überprüfungsantrags vom 29.8.2011 nach § 40 Abs 1 Satz 2, § 77 Abs 13 SGB II idF der Neubekanntmachung vom 13.5.2011 (BGBl I 850). Dem Bescheid vom 1.3.2011 und den Bescheiden vom 27.10.2011 liegen unterschiedliche Anträge gegenüber dem Beklagten hinsichtlich ihrer Zeitpunkte sowie Inhalte und damit unterschiedliche Sachverhalte zugrunde.

12

2. Prozessuale Hindernisse stehen einer Sachentscheidung des Senats nicht entgegen. Aufgrund der Einverständnisse der Beteiligten konnte nach § 124 Abs 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden werden. Aus den Bescheiden des Beklagten vom 27.10.2011 folgt aufgrund der unterschiedlichen Regelungsgegenstände gegenüber dem hier angefochtenen Bescheid vom 1.3.2011 nichts für das vorliegende Verfahren.

13

3. Die Revision der Klägerin ist unbegründet, weil - wie das LSG zutreffend entschieden hat - der Beklagte in dem angefochtenen Bescheid vom 1.3.2011 zu Recht die von der Klägerin im Verwaltungsverfahren beantragte "Überprüfung sämtlicher bestandskräftiger Bescheide über Grundsicherung seit dem 01.01.2006 inklusive aller Aufhebungs- und Erstattungsbescheide" abgelehnt hat, auch wenn eine Benennung von Bescheiden im Laufe des anschließenden Gerichtsverfahrens erfolgt ist.

14

Als Rechtsgrundlage für das Begehren der Klägerin kommt nur § 40 Abs 1 Satz 1 SGB II iVm § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X in Betracht, nach dem ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind.

15

a) Zu den Voraussetzungen für einen Überprüfungsantrag eines Leistungsberechtigten nach § 44 SGB X hat der 4. Senat in seinem Urteil vom 13.2.2014 (- B 4 AS 22/13 R - vorgesehen für BSGE und SozR 4-1300 § 44 Nr 28 mwN), dem sich der erkennende Senat angeschlossen hat (Beschluss vom 4.6.2014 - B 14 AS 335/13 B), ausgeführt: Erfolgt die Überprüfung aufgrund eines Antrags des Leistungsberechtigten, löst dieser Antrag zwar grundsätzlich eine Prüfpflicht des Leistungsträgers aus, deren Umfang aber von dem Antrag und dessen Begründung abhängig ist. Eine solche Prüfung erfordert, dass der Antrag konkretisierbar ist und entweder aus dem Antrag selbst - ggf nach Auslegung - oder aus einer Antwort des Antragstellers auf eine Nachfrage des Leistungsträgers der Umfang der Prüfpflicht für die Verwaltung bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens erkennbar ist. Andernfalls ist der Leistungsträger berechtigt, von einer inhaltlichen Prüfung des Antrags abzusehen. Dies folgt aus dem Wortlaut des § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X, nach dem "im Einzelfall" beim Vorliegen der Voraussetzungen die Rücknahme eines Verwaltungsaktes erfolgen soll, was in der Konsequenz bedeutet, dass der Überprüfungsantrag des Leistungsberechtigten einen oder ggf mehrere zu überprüfende Verwaltungsakte konkret aufführen muss. Dies ist nur dann entbehrlich, wenn bei objektiver Betrachtung aus dem Vorbringen des Antragstellers der zu überprüfende Verwaltungsakt ohne Weiteres zu ermitteln ist. Dafür streitet auch der Sinn und Zweck des § 44 SGB X, der die Konfliktsituation zwischen der Bindungswirkung eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes und der materiellen Gerechtigkeit zugunsten letzterer auflösen will, was jedoch nur möglich ist, wenn der Verwaltung der zu lösende Konflikt bekannt ist. Aus den von der Klägerin angeführten Überlegungen einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe über Gesetzesänderungen kann mangels näherer Begründungen nichts Abweichendes hergeleitet werden.

16

Nach diesen Voraussetzungen hat die Klägerin mit dem am 3.2.2011 beim Beklagten eingegangenen Schreiben keinen Überprüfungsantrag gestellt, der zu einer inhaltlichen Überprüfung einzelner Verwaltungsakte führen musste. Vielmehr ist dieser Antrag zu Recht von dem Beklagten mangels Bestimmbarkeit der zu überprüfenden Verwaltungsakte abgelehnt worden. Denn die Klägerin hat die "Überprüfung sämtlicher bestandskräftiger Bescheide über Grundsicherung seit dem 01.01.2006 inklusive aller Aufhebungs- und Erstattungsbescheide" beantragt und keinen zu überprüfenden Bescheid genau benannt. Entgegen dem Vorbringen der Klägerin im Revisionsverfahren kann ihrem Antrag aufgrund der in ihm angeführten, zu überprüfenden Umstände keine Konkretisierung entnommen werden. Die von ihr angegebenen Prüfungspunkte "Kosten der Unterkunft und Heizung" sowie "Einkommensanrechnung", insbesondere hinsichtlich des Kindergeldes, der Freibeträge und des Werbungskostenabzugs, sind nicht derart prägnant, dass aus ihnen konkrete Prüfungspunkte hinsichtlich bestimmter, einzelner Verwaltungsakte abgeleitet werden können. Sie stellen sich vielmehr in jedem Bescheid über Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II, in dem diese Bedarfe anfallen oder entsprechende Einnahmen zu berücksichtigen sind.

17

Dass dem nicht weiter eingeengten Antrag vom 3.2.2011 kein konkreter zu überprüfender Verwaltungsakt oder ggf bestimmte mehrere entnommen werden konnten, zeigt auch der später im Gerichts- und nun im Revisionsverfahren von der Klägerin gestellte Antrag mit der Benennung zahlreicher Bescheide, der aber immer noch unvollständig ist, wenn zB die Überprüfung des Bescheides vom 8.2.2006 "inklusive aller Änderungsbescheide" begehrt wird, weil letztere nicht konkret benannt sind und auch kein Umstand aufgeführt wird, auf den sich die Überprüfung beziehen soll.

18

b) Durch diese Benennung von Bescheiden, auf die sich der am 3.2.2011 gestellte Überprüfungsantrag beziehen soll, im Schreiben vom 29.8.2011 im Laufe des Verfahrens vor dem SG wird - in Übereinstimmung mit dem Urteil des 4. Senats vom 13.2.2014 (- B 4 AS 22/13 R - vorgesehen für BSGE und SozR 4-1300 § 44 Nr 28, RdNr 16) - der Bescheid des Beklagten vom 1.3.2011 nicht rechtswidrig.

19

Der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist anhand des materiellen Rechts zu ermitteln und neben der jeweiligen Klageart vor allem von dem materiell-rechtlichen Begehren des Antragstellers oder Klägers abhängig (vgl das vom 4. Senat angeführte Urteil des 5. Senats vom 25.1.2011 - B 5 R 47/10 R - RdNr 12 mwN, das eine Änderung der Rechtslage betraf; Böttiger in Breitkreuz/Fichte, SGG Kommentar, 2. Aufl 2014, § 54 RdNr 67, 98; Keller, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG Kommentar, 11. Aufl 2014, § 54 RdNr 32 ff). Von der bekannten Faustformel "Bei reinen Anfechtungsklagen ist der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung maßgeblich, bei Verpflichtungs- und Leistungsklagen der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung." gibt es zahlreiche Ausnahmen (BSG vom 13.3.1997 - 11 RAr 51/96 - SozR 3-4100 § 152 Nr 7, Juris-RdNr 21 ff; BSG vom 2.5.2012 - B 11 AL 18/11 R - SozR 4-4300 § 144 Nr 24 RdNr 26; Böttiger in Breitkreuz/Fichte, SGG, aaO, § 54 RdNr 67 f, 98, 132; Castendiek in SGG Handkommentar, 4. Aufl 2012, § 54 RdNr 55 ff, 76 ff, 101, 131; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, aaO, § 54 RdNr 33a, 34 ff; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, VII, RdNr 97 ff; Ulmer in Hennig, SGG Kommentar mit Nebenrecht, Stand der Einzelkommentierung 2/2009, § 54 RdNr 134 ff; vgl zum verwaltungsgerichtlichen Verfahren nur: Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl 2013, § 113 RdNr 29 ff, 217 ff).

20

Zumindest in Rechtsstreitigkeiten über die Beurteilung, ob ein hinreichend konkretisierter Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X vorliegt, ist auf den Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung über diesen Überprüfungsantrag abzustellen. Andernfalls würden die oben dargestellten Ziele des § 44 SGB X leerlaufen und die inhaltliche Überprüfung des bestandskräftigen Verwaltungsaktes, einschließlich möglicher Ermittlungen, von der Verwaltung auf das Gericht verlagert. Zudem erschöpft sich der Verwaltungsakt über die Ablehnung der Überprüfung in dieser - einmaligen - Regelung und hat keinerlei Wirkungen für die Zukunft, in der bei einer späteren Änderung der Sachlage eine andere Beurteilung der einmal getroffenen Entscheidung gerechtfertigt sein kann. Der Betroffene kann vielmehr, so wie es die Klägerin auch durch den Überprüfungsantrag vom 29.8.2011 gemacht hat, einen erneuten Antrag stellen, über den dann aufgrund der durch diesen Antrag neuen Sachlage zu entscheiden ist.

21

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 26. März 2013 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander auch für das Revisionsverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist die Überprüfung und Rücknahme aller Bescheide über die Gewährung, Aufhebung und Erstattung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende für den Zeitraum seit Januar 2006.

2

Der 1973 geborene Kläger bezog seit Januar 2005 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Auf den Antrag des anwaltlich vertretenen Klägers vom 28.7.2010, sämtliche bestandskräftige Bescheide seit dem 1.1.2006 "auf ihre Rechtmäßigkeit" zu überprüfen, forderte der Beklagte ihn unter Fristsetzung bis zum 15.8.2010 auf, eine detaillierte Aufstellung der angefochtenen Bescheide vorzulegen. Eine Überprüfung des Sachverhaltes werde ansonsten nicht vorgenommen. Nachdem keine Reaktion erfolgt war, lehnte der Beklagte eine Prüfung der Bescheide ab (Bescheid vom 16.8.2010; Widerspruchsbescheid vom 11.10.2010).

3

Im sozialgerichtlichen Verfahren hat der Kläger vorgetragen, in den Bewilligungsbescheiden vom 23.11.2005, 12.6.2006, 14.12.2006, 29.5.2007, 26.11.2007, 2.6.2008 und 24.11.2008 seien die Kosten für Unterkunft und Heizung falsch ermittelt, der Beklagte habe den Abzug der Kosten für die Warmwasseraufbereitung unrichtig vorgenommen. Im August 2006 müsse eine Nachforderung aus einer Betriebskostenabrechnung in Höhe von 108,36 Euro berücksichtigt werden. Gleiches gelte für die Betriebskostenabrechnungen für das Jahr 2006 (Bescheid vom 22.6.2007) und für das Jahr 2007 (Bescheid vom 8.5.2008). Der Beklagte habe jeweils einen zu geringen Betrag berücksichtigt.

4

Das SG hat die Klage teilweise als unzulässig zurückgewiesen, im Übrigen als unbegründet abgewiesen (Urteil vom 15.3.2011). Soweit die Klagebegründung einen erneuten Überprüfungsantrag beinhalte, fehle es an einem ordnungsgemäßen Vorverfahren. Im Übrigen handele es sich bei der in § 44 SGB X vorgesehenen Korrekturmöglichkeit um eine Einzelfallprüfung. Ein "globaler" Überprüfungsantrag werde von der Norm nicht erfasst.

5

Das LSG hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteil vom 26.3.2013). Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf eine schranken- und voraussetzungslose Sach- und Rechtsprüfung der seit Januar 2006 erlassenen Bescheide. Aus dem Wortlaut und der Systematik ergebe sich, dass jeweils nur ein Anspruch auf Überprüfung einzelner Verwaltungsentscheidungen, nicht auf ein ggf umfangreiches Verwaltungshandeln über einen mehrjährigen Zeitraum bestehe. Für den Bereich des SGB II habe der Gesetzgeber die Bedeutung der Rechtssicherheit mit Wirkung zum 1.4.2011 weiter hervorgehoben und durch eine Ergänzung in § 40 Abs 1 S 2 SGB II die Rückwirkung auf ein Jahr begrenzt. Zudem werde das Leistungsverhältnis Bürger - Behörde im Bereich des SGB II schon materiell-rechtlich, dh aufgrund des Gegenstandes und des Normprogramms, durch Veränderungen in der Lebenswirklichkeit der Betreffenden ungleich mehr als im Sozialrecht sonst üblich geprägt. Im Interesse einer funktionsfähigen Verwaltung erfahre § 44 SGB X daher im SGB II eine Einschränkung. Unter Beachtung dieser Grundsätze folge aus dem Antrag des Klägers keine Pflicht zur Überprüfung von Bescheiden in der Sache, weil er diese bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens nicht benannt habe. Soweit er mit seiner Klagebegründung die zu überprüfenden Bescheide des Beklagten und Gründe für die aus seiner Sicht rechtswidrigen Regelungen benannt habe, sei zwar bei der Beurteilung von Bescheiden im Überprüfungsverfahren bei einer zulässigen Anfechtungs- und Verpflichtungsklage der für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgebliche Zeitpunkt derjenige der letzten mündlichen Verhandlung der Tatsacheninstanz. Hänge das Überprüfungsbegehren aber von Mitwirkungsobliegenheiten im Verwaltungsverfahren ab, seien Gerichte nicht verpflichtet, auf die Nachholung der schon bestehenden Mitwirkungsobliegenheit die nunmehr konkret benannten Bescheide erstmals zu überprüfen.

6

Mit seiner Revision macht der Kläger geltend, es sei kein plausibler Grund dafür ersichtlich, warum eine Überprüfung "sämtlicher" erlassener Bescheide des Beklagten nur dann möglich sein solle, wenn der Antragsteller diese nochmals aufliste. Da der Überprüfungsantrag ausschließlich auf eine fehlerhafte Rechtsanwendung gestützt worden sei, bedürfe es keiner weiteren Darlegungen.

7

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 26. März 2013 aufzuheben, das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 15. März 2011 abzuändern und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 16. August 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Oktober 2010 zu verpflichten, die Bescheide vom 23. November 2005, 12. Juni 2006, 14. Dezember 2006, 29. Mai 2007, 22. Juni 2007, 26. November 2007, 8. Mai 2008, 2. Juni 2008 und 24. November 2008 teilweise zurückzunehmen und dem Kläger für die in den Bescheiden geregelten Bewilligungszeiträume höhere Leistungen nach dem SGB II zu gewähren.

8

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Er bezieht sich auf das angefochtene Urteil.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision ist zulässig, jedoch unbegründet.

11

1. Streitgegenstand ist die Gewährung höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts im Zeitraum vom 1.1.2006 bis 30.6.2009, als dies durch die im Antrag bezeichneten Bescheide des Beklagten geschehen ist. Richtige Klageart ist hier eine kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage (zuletzt BSG Urteil vom 12.12.2013 - B 4 AS 17/13 R - SozR 4-1500 § 192 Nr 2 RdNr 4; BSG Urteil vom 28.2.2013 - B 8 SO 4/12 R - RdNr 9; vgl auch Baumeister in juris-PK SGB X, § 44 RdNr 154, Stand 4/2013; Steinwedel in Kasseler Kommentar, § 44 SGB X RdNr 30, Stand 09/2013 mwN; Waschull in LPK-SGB X, 3. Aufl 2011, § 44 RdNr 59; aA in einem obiter dictum: BSGE 97, 54 = SozR 4-2700 § 8 Nr 18, jeweils RdNr 9; wohl auch Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, Kap IV RdNr 76). Der Kläger begehrt mit der Anfechtungsklage die Aufhebung des - die Überprüfung der zuvor benannten Bescheide ablehnenden - Verwaltungsakts vom 16.8.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.10.2010. Die Verpflichtungsklage ist auf die Erteilung eines Bescheids durch den Beklagen gerichtet, mit dem dieser die begehrte Änderung der bezeichneten Bewilligungsbescheide bewirkt. Mit der Leistungsklage beantragt er die Erbringung höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts im streitigen Zeitraum.

12

2. Der Beklagte hat es hier rechtlich zutreffend abgelehnt, eine inhaltliche Überprüfung der benannten Verwaltungsakte nach § 44 SGB X vorzunehmen. Es mangelt bereits an einem hinreichend objektiv konkretisierbaren Antrag im Sinne dieser Vorschrift.

13

a) Nach § 40 Abs 1 S 1 SGB II iVm § 44 Abs 1 S 1 SGB X ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Erfolgt die Überprüfung aufgrund eines Antrags des Leistungsberechtigten, löst dieser Antrag zwar grundsätzlich eine Prüfpflicht des Leistungsträgers aus. Der Antrag bestimmt jedoch zugleich auch den Umfang des Prüfauftrags der Verwaltung im Hinblick darauf, ob bei Erlass des Verwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt oder von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen worden ist. Aufgrund oder aus Anlass des Antrags muss sich der Verwaltung im Einzelfall objektiv erschließen, aus welchem Grund - Rechtsfehler und/oder falsche Sachverhaltsgrundlage - nach Auffassung des Leistungsberechtigten eine Überprüfung erfolgen soll. Dazu muss der Antrag konkretisierbar sein, dh entweder aus dem Antrag selbst - ggf nach Auslegung - oder aus einer Antwort des Leistungsberechtigten aufgrund konkreter Nachfrage des Sozialleistungsträgers muss der Umfang des Prüfauftrags für die Verwaltung bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens erkennbar werden. Ist dies nicht der Fall, ist der Sozialleistungsträger berechtigt, von einer inhaltlichen Prüfung dieses Antrags abzusehen. Diese Begrenzung des Prüfauftrags der Verwaltung wird durch den Wortlaut, die Gesetzesbegründung sowie den Sinn und Zweck des § 44 SGB X gestützt.

14

b) Nach dem Wortlaut von § 44 Abs 1 S 1 SGB X soll "im Einzelfall" eine Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes - sei es ein rechtswidriger belastender Verwaltungsakt, mit dem Leistungen ganz oder teilweise abgelehnt worden sind, sei es ein Rückforderungsbescheid(vgl Voelzke/Hahn, SGb 2012, 685, mwN) - erfolgen. Hieraus hat der erkennende Senat geschlossen, dass dann, wenn nicht ein einzelner oder mehrere konkrete, ihrer Zahl nach bestimmbare Verfügungssätze von Verwaltungsakten, sondern das Verwaltungshandeln - ohne jede Differenzierung - insgesamt zur Überprüfung durch die Verwaltung gestellt wird, keine Prüfung im Einzelfall begehrt wird. Trotz des Vorliegen eines "Antrags" löst ein solches Begehren bereits nach dem Wortlaut der Vorschrift noch keine inhaltliche Prüfpflicht des Sozialleistungsträgers aus (BSG Beschluss vom 14.3.2012 - B 4 AS 239/11 B - juris-RdNr 6).

15

c) Eine Entbindung von der inhaltlichen Prüfung setzt allerdings voraus, dass der Sozialleistungsträger "den Einzelfall", also die konkreten Inhalte eines bestimmten Bescheides, die zur Überprüfung gestellt werden sollen, bei objektiver Betrachtung nicht ermitteln kann. Ein Prüfanliegen "im Einzelfall" ist daher zu bejahen, wenn entweder eine bestimmte Fragestellung tatsächlicher oder rechtlicher Natur oder eine konkrete Verwaltungsentscheidung benannt wird. Auch bei einem Antrag nach § 44 SGB X hat die Verwaltung den Untersuchungsgrundsatz des § 20 SGB X zu beachten. Insofern kann es - je nach den konkreten Umständen der Antragstellung - erforderlich sein, dass der Träger auf eine Konkretisierung des Überprüfungsbegehrens durch den Leistungsberechtigten iS des § 21 Abs 2 S 1 SGB X hinwirkt. In welchem Umfang der Leistungsträger seiner Amtsermittlungspflicht nachzukommen hat, beurteilt sich jedoch nach Lage des Einzelfalls. Als Kriterium für den Umfang der Amtsermittlungspflicht des SGB II-Trägers ist beispielsweise zu berücksichtigen, ob der Leistungsberechtigte (mit juristischem Sachverstand) vertreten oder unvertreten ist oder ob sich aus vorangegangenen Kontakten zwischen ihm und der Verwaltung Anhaltspunkte für das Begehren des Antragstellers ergeben. Auch kann von Bedeutung sein, in welchem Gesamtkontext ein Überprüfungsantrag gestellt wird. Wenn - jedoch wie im vorliegenden Fall - auch auf Nachfrage des SGB II-Trägers bei dem Rechtsanwalt der Antragstellerin keine Angaben gemacht werden, die eine Konkretisierung für den Einzelfall ermöglichen, sondern weiter pauschal auf die Überprüfung sämtlicher Bescheide verwiesen wird, ist der Sozialleistungsträger objektiv nicht in der Lage, seinen Prüfauftrag zu bestimmen. In diesem Sinne wird auch in dem Entwurf zur Begründung des § 42 SGB X (heute § 44 SGB X) darauf hingewiesen, Voraussetzung für die Rücknahme solle sein, dass der Behörde im Einzelfall die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes bekannt werde(BT-Drucks 8/2034, S 34). Der Sozialleistungsträger muss also zumindest in die Lage versetzt werden, bestimmen zu können, welcher Verwaltungsakt rechtswidrig sein könnte. Dies war hier bis zur Erteilung des Widerspruchsbescheides nicht der Fall.

16

d) Es genügt nicht, wenn der Leistungsberechtigte - wie hier - eine Nachbesserung des bis dahin unbestimmten und nicht objektiv konkretisierbaren Antrags erst im Klageverfahren vornimmt. Für die Beurteilung, ob die formellen Erfordernisse eines solchen Antrags vorliegen, der überhaupt erst eine Prüfpflicht des Leistungsträgers auslöst, ist auf die zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung zu diesem Überprüfungsantrag vorgetragenen tatsächlichen und/oder rechtlichen Anhaltspunkte abzustellen.

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Soweit das LSG mit Hinweis auf eine Entscheidung des 5. Senats des BSG (Urteil vom 25.1.2011 - B 5 R 47/10 R - RdNr 12) für die Bestimmung des maßgeblichen Zeitpunkts zur Beurteilung der Sach- und Rechtslage im Überprüfungsverfahren im Ansatz davon ausgegangen ist, dass dies derjenige der letzten mündlichen Verhandlung sei, handelte es sich bei der Entscheidung des 5. Senats um eine andere Ausgangslage. In dem dortigen Verfahren war umstritten, ob konkrete "Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden" sind. Ob diese neben der Antragsstellung zu beachtende (weitere) Rücknahmevoraussetzung erfüllt ist, kann sich nach der materiellen Rechtslage richten, die im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Überprüfungsentscheidung gilt. Insofern ist neues Recht und auch erstmaliges Vorbringen der Beteiligten im Klageverfahren hierzu nach der Entscheidung des 5. Senats des BSG zu berücksichtigen, wenn das neue Recht das streitige Rechtsverhältnis nach seinem Geltungswillen "mit Rückwirkung" erfassen soll. Vorliegend fehlt es jedoch bereits an der vorrangig zu prüfenden verfahrensrechtlichen Voraussetzung für ein (Wieder)Aufleben ("Ingangbringen") der Prüfverpflichtung des Sozialleistungsträgers nach § 44 SGB X.

18

e) Ohne Bedeutung für die hier behandelte Fallgestaltung des nicht einzelfallbezogenen Antrags ist es, dass nach der Rechtsprechung des 4. Senats des BSG eine Einschränkung im Verfahren nach § 44 SGB X unter Rückgriff auf § 51 Abs 1 VwVfG vorgenommen werden darf mit der Folge einer gestuften Prüfungsverpflichtung bei einem "unrichtigen Sachverhalt"(BSGE 88, 75 = SozR 3-2200 § 1265 Nr 20). Nicht einschlägig ist hier auch die Rechtsprechung des 9. Senats des BSG, der eine Prüfpflicht nur dann annehmen will, wenn Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit des der früheren Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalts vorhanden sind (BSGE 63, 33 = SozR 1300 § 44 Nr 33). Wird das Verwaltungshandeln umfassend zur Überprüfung gestellt, mangelt es bereits an einem konkreten Anlass zum Eintritt in die zuvor aufgezeigten "Prüfstadien". Bereits auf der davor liegenden Stufe fehlt es an Hinweisen, wie sich der Prüfumfang bestimmen soll, wenn - wie hier - auch auf Nachfrage bei dem Leistungsberechtigten keine weiteren Angaben gemacht werden. Gleiches gilt, wenn sich die Rechtswidrigkeit aus einer unrichtigen Anwendung des Rechts ergeben soll. Nach Auffassung des 2. Senats des BSG soll zwar im Zugunstenverfahren nach § 44 SGB X auch ohne neues Vorbringen des Antragstellers immer eine Prüfverpflichtung bestehen, ob bei Erlass des bindend gewordenen Verwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt wurde(BSGE 97, 54 = SozR 4-2700 § 8 Nr 18, RdNr 12). Dies setzt jedoch voraus, dass die Verwaltung überhaupt "einzelfallbezogen" erkennen kann, welcher Bescheid zu überprüfen ist. Ansonsten kann sie bereits den Gegenstand der Prüfung nicht bestimmen und nicht dem Sinn und Zweck des § 44 SGB X entsprechend handeln.

19

f) Ziel des § 44 SGB X ist es, die Konfliktsituation zwischen der Bindungswirkung eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes und der materiellen Gerechtigkeit zu Gunsten letzterer aufzulösen(BSG SozR 3-1300 § 44 Nr 24, juris-RdNr 16; Merten in Hauck/Noftz, SGB X, K § 44 RdNr 2, Stand XII/12; Schütze in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2013, § 44 RdNr 2, vor 44-49, RdNr 1; Steinwedel in Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, § 44 SGB X RdNr 2, Stand IX/2013; Waschull in LPK-SGB X, 3. Aufl 2011, vor §§ 44-51 RdNr 13; vgl auch Voelzke/Hahn, SGb 2012, 685). Eine Konfliktlösung in diesem Sinne ist der Verwaltung jedoch nur möglich, wenn ihr "der Konflikt" bekannt ist. Insoweit besteht kein Unterschied zwischen der Situation der Einleitung eines Überprüfungsverfahrens durch einen Antrag des Leistungsberechtigten oder der Verpflichtung der Verwaltung zur Überprüfung von Amts wegen (§ 44 Abs 3 S 2 und 3 SGB X). Der Maßstab zur Bestimmung des Prüfumfangs ist gleich. Im Rahmen der Überprüfung von Amts wegen ist die Verwaltung nach ständiger Rechtsprechung des BSG nicht verpflichtet, die Akten von sich aus auf Rücknahmemöglichkeiten durchzuarbeiten. Es müssen sich vielmehr konkret in der Bearbeitung eines Falles Anhaltspunkte für eine Aufhebung ergeben (vgl BSG Urteil vom 2.10.2008 - B 9 VH 1/07 R - juris-RdNr 48; BSG SozR 3-4100 § 119 Nr 23, juris-RdNr 24 f; s auch Baumeister in jurisPK-SGB X, § 44 SGB X, RdNr 133, Stand 4/2013; Schütze in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2013, § 44 RdNr 39; Steinwedel in Kasseler Kommentar, § 44 SGB X, RdNr 24, Stand IX/2013). Anderenfalls würde der Verwaltung die Verpflichtung auferlegt, ihr bindend gewordenes Verwaltungshandeln "ins Blaue hinein" zu überprüfen. Auch bei einer Überprüfung auf Antrag ist die Verwaltung daher nicht gehalten, die Akten von Amts wegen durchzuarbeiten, um eine mögliche Rechtswidrigkeit aufzudecken. Sie kann sich vielmehr - in einer Situation wie der vorliegenden - unter dem Hinweis auf fehlende Anhaltspunkte für eine Rechtswidrigkeit nicht näher bezeichneter Ausgangsbescheide darauf stützen, es sei nicht erkennbar, dass das Recht unrichtig angewandt oder von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen worden sei und die erneute inhaltliche Prüfung ablehnen. Damit wird sowohl der materiellen Gerechtigkeit als auch der Bindungswirkung Rechnung getragen, ohne die materielle Gerechtigkeit durch eine Zugunstenentscheidung für den Leistungsberechtigten im Einzelfall hinter die Bindungswirkung zurücktreten zu lassen.

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g) Unerheblich für die Bestimmung des Umfangs der Prüfpflicht des Leistungsträgers ist hingegen, dass es sich hier um einen Antrag auf Überprüfung eines Bescheides aus dem Leistungsbereich des SGB II handelt. Die den dortigen Leistungsvoraussetzungen geschuldete Häufigkeit der Änderungen der Leistungshöhe und der damit verbundenen erneuten Bescheiderteilung bilden keinen Anlass von anderen Sozialleistungsbereichen abweichende Maßstäbe für die Voraussetzungen der Überprüfung einer Verwaltungsentscheidung nach § 44 SGB X aufzustellen. § 40 Abs 1 SGB II enthält nur eine Begrenzung hinsichtlich der rückwirkenden Erbringung von SGB II-Leistungen nach § 44 Abs 4 SGB X, nicht jedoch abweichende Grundsätze für die vorangehenden Prüfungsschritte des § 44 SGB X(vgl in diesem Zusammenhang auch BSGE 106, 155 = SozR 4-4200 § 22 Nr 36).

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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 23. November 2012 wird zurückgewiesen.

Kosten sind keine zu erstatten.

Tatbestand

1

Umstritten ist die Überprüfung von Bescheiden nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II).

2

Die im Jahr 1973 geborene Klägerin, ihr im Jahr 1970 geborener Ehemann und ihr im Jahr 1998 geborener Sohn bilden eine Bedarfsgemeinschaft und beziehen seit Januar 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Mit undatiertem, beim beklagten Jobcenter am 3.2.2011 eingegangenem Schreiben beantragte sie die "Überprüfung sämtlicher bestandskräftiger Bescheide über Grundsicherung seit dem 01.01.2006 inklusive aller Aufhebungs- und Erstattungsbescheide". Nachdem die Klägerin trotz einer Bitte des Beklagten die zu überprüfenden Bescheide nicht näher benannt hatte, lehnte dieser eine "Prüfung der Bescheide" ab, da mangels Vortrags nicht ersichtlich sei, was für deren Unrichtigkeit spreche (Bescheid vom 1.3.2011). Der durch Stempelaufdruck auf diesem Bescheid erhobene, nicht näher begründete Widerspruch wurde zurückgewiesen (Widerspruchsbescheid vom 9.5.2011).

3

Im Laufe des Klageverfahrens vor dem Sozialgericht (SG) hat die Klägerin mit Schreiben vom 29.8.2011 mitgeteilt, dass sie die Überprüfung begehre der Bescheide vom 8.2.2006, 18.7.2006, 29.1.2007, 22.8.2007, 21.1.2008, 28.7.2008, 26.1.2009, 18.2.2010, 12.8.2010 inklusive aller Änderungsbescheide, des Sanktionsbescheides vom 22.8.2007, der Aufhebungs- und Erstattungsbescheide vom 3.1.2007, 10.1.2008, 7.2.2008, 17.10.2008, 26.7.2010, 3.9.2010. Der Beklagte hat das Schreiben vom 29.8.2011 als neuen Überprüfungsantrag gewertet und mit weiteren Bescheiden "festgestellt", dass die vor dem 1.1.2010 wirksam gewesenen Bescheide vom 8.2.2006, 18.7.2006, 29.1.2007 (vom Beklagten angeführt wird das Datum 28.1.2007), 22.8.2007, 21.1.2008, 28.7.2008, 26.1.2009 - jeweils inklusive aller Änderungsbescheide - und der Sanktionsbescheid vom 22.8.2007 einer Überprüfung wegen Verfristung nicht zugänglich seien (Bescheide vom 27.10.2011, Widerspruchsbescheide vom 1.3.2012).

4

Das SG hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 9.11.2011). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 23.11.2012) und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: (1) Die aufgrund des Schreibens vom 29.8.2011 ergangenen Überprüfungsbescheide vom 27.10.2011 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 1.3.2012 seien nicht Gegenstand des Klageverfahrens geworden, weil diese den angefochtenen Bescheid vom 1.3.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9.5.2011 nicht gemäß § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) geändert oder ersetzt hätten. Letzterer setze voraus, dass die Regelungsgegenstände des früheren und des neuen Bescheides identisch seien; ein bloßer Sachzusammenhang genüge nicht. Ein Überprüfungsbescheid nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) werde nicht Gegenstand des Klageverfahrens gegen den ursprünglichen Bescheid(Hinweis auf Bundessozialgericht vom 30.9.2009 - B 9 SB 19/09 B). Werde ein erster Überprüfungsantrag im Hinblick auf eine mangelnde Konkretisierung der zu überprüfenden Bescheide und ein zweiter Überprüfungsantrag wegen Verfristung nach § 40 Abs 1 Satz 2, § 77 Abs 13 SGB II abgelehnt, handele es sich ebenfalls um verschiedene Regelungsgegenstände. (2) Der angefochtene Bescheid vom 1.3.2011 sei nicht rechtswidrig gewesen und im Rahmen des Vorverfahrens durch den Widerspruchsbescheid vom 9.5.2011 zu Recht bestätigt worden. Der Beklagte habe sich auf die Bindungswirkung seiner früheren Bescheide berufen und es mangels Vortrags der Klägerin ablehnen dürfen, deren Rechtmäßigkeit zu überprüfen. Denn § 44 SGB X erfordere für das Eintreten in eine umfassende Sachprüfung, dass gewisse Mindestanforderungen erfüllt seien. Die Tatsache, dass die Klägerin im Klageverfahren eine Konkretisierung ihres Überprüfungsantrags nachgeschoben habe, führe nicht dazu, dass nun im Gerichtsverfahren die inhaltliche Überprüfung der bestandskräftigen Bescheide vorzunehmen sei. Das Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 29.8.2011 sei vielmehr als neuer Überprüfungsantrag zu werten.

5

Mit der - vom BSG zugelassenen - Revision rügt die Klägerin die Verletzung des § 44 SGB X durch das LSG. Insbesondere habe das LSG die Rechtmäßigkeit der von ihr im Laufe des SG-Verfahrens konkret benannten Bescheide überprüfen müssen. Dass nach heutiger Rechtslage der zu überprüfende Bescheid nicht angegeben werden müsse, folge auch aus den Überlegungen einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Rechtsvereinfachung im SGB II, die ua eine Gesetzesänderung beinhalte, nach der die zu überprüfenden Bescheide zu benennen und die Beschwer zu bezeichnen seien. Nachdem das Urteil des 4. Senats des BSG vom 13.2.2014 (- B 4 AS 22/13 R - vorgesehen für BSGE und SozR 4-1300 § 44 Nr 28) ergangen ist, ist die Revision aufrechterhalten worden, weil die zu überprüfenden Sachverhalte im Antrag vom 3.2.2011 angegeben worden seien und die Benennung der Bescheide nach ihrem Datum nicht erforderlich sei.

6

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 23. November 2012 und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Cottbus vom 9. November 2011 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 1. März 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Mai 2011 zu verpflichten, die Bescheide vom 8. Februar 2006, 18. Juli 2006, 29. Januar 2007, 22. August 2007, 21. Januar 2008, 28. Juli 2008, 26. Januar 2009, 18. Februar 2010, 12. August 2010, jeweils inklusive aller Änderungsbescheide, zu ändern und höhere Leistungen nach dem SGB II zu gewähren, sowie den Sanktionsbescheid vom 22. August 2007 und die Aufhebungs- und Erstattungsbescheide vom 3. Januar 2007, 10. Januar 2008, 7. Februar 2008, 17. Oktober 2008, 26. Juli 2010, 3. September 2010 aufzuheben.

7

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Beide Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG). Das LSG hat in seinem angefochtenen Urteil vom 23.11.2012 zu Recht ihre Berufung gegen den Gerichtsbescheid des SG vom 9.11.2011 zurückgewiesen, in dem dieses die Klage auf Aufhebung des Bescheides des Beklagten vom 1.3.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9.5.2011 und die Überprüfung der im Klageverfahren von der Klägerin bezeichneten Bescheide abgewiesen hat.

10

1. Streitgegenstand des Revisionsverfahrens sind nur die genannten vorinstanzlichen Entscheidungen und der genannte Bescheid des Beklagten sowie das Überprüfungsbegehren der Klägerin, nicht aber - wie das LSG zu Recht erkannt hat - die Bescheide des Beklagten vom 27.10.2011 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 1.3.2012. Denn letztere haben den Bescheid vom 1.3.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9.5.2011 nicht gemäß § 96 Abs 1 SGG geändert oder ersetzt.

11

Voraussetzung für die Anwendung des § 96 Abs 1 SGG ist ua eine zumindest teilweise Identität der Regelungsgegenstände beider Verwaltungsakte, die ähnlich wie der Streitgegenstand durch einen Vergleich beider Verfügungssätze sowie des zugrunde liegenden Sachverhaltes zu ermitteln sind; ein bloßer Sachzusammenhang genügt nicht (BSG vom 30.9.2009 - B 9 SB 19/09 B zu einem Ausgangs- und einem Überprüfungsbescheid; BSG vom 17.10.2012 - B 6 KA 40/11 R - SozR 4-2500 § 95 Nr 27 RdNr 21 mwN; BSG vom 15.11.2012 - B 8 SO 22/10 R - FEVS 64, 486, RdNr 14). Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt, weil in den Bescheiden vom 27.10.2011 nicht auf den früheren Bescheid vom 1.3.2011 Bezug genommen wird und in ihrer Begründung für die Ablehnung der Überprüfung der ursprünglichen Bescheide nicht auf deren mangelnde Konkretisierung abgehoben wurde, sondern auf die Verfristung des Überprüfungsantrags vom 29.8.2011 nach § 40 Abs 1 Satz 2, § 77 Abs 13 SGB II idF der Neubekanntmachung vom 13.5.2011 (BGBl I 850). Dem Bescheid vom 1.3.2011 und den Bescheiden vom 27.10.2011 liegen unterschiedliche Anträge gegenüber dem Beklagten hinsichtlich ihrer Zeitpunkte sowie Inhalte und damit unterschiedliche Sachverhalte zugrunde.

12

2. Prozessuale Hindernisse stehen einer Sachentscheidung des Senats nicht entgegen. Aufgrund der Einverständnisse der Beteiligten konnte nach § 124 Abs 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden werden. Aus den Bescheiden des Beklagten vom 27.10.2011 folgt aufgrund der unterschiedlichen Regelungsgegenstände gegenüber dem hier angefochtenen Bescheid vom 1.3.2011 nichts für das vorliegende Verfahren.

13

3. Die Revision der Klägerin ist unbegründet, weil - wie das LSG zutreffend entschieden hat - der Beklagte in dem angefochtenen Bescheid vom 1.3.2011 zu Recht die von der Klägerin im Verwaltungsverfahren beantragte "Überprüfung sämtlicher bestandskräftiger Bescheide über Grundsicherung seit dem 01.01.2006 inklusive aller Aufhebungs- und Erstattungsbescheide" abgelehnt hat, auch wenn eine Benennung von Bescheiden im Laufe des anschließenden Gerichtsverfahrens erfolgt ist.

14

Als Rechtsgrundlage für das Begehren der Klägerin kommt nur § 40 Abs 1 Satz 1 SGB II iVm § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X in Betracht, nach dem ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind.

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a) Zu den Voraussetzungen für einen Überprüfungsantrag eines Leistungsberechtigten nach § 44 SGB X hat der 4. Senat in seinem Urteil vom 13.2.2014 (- B 4 AS 22/13 R - vorgesehen für BSGE und SozR 4-1300 § 44 Nr 28 mwN), dem sich der erkennende Senat angeschlossen hat (Beschluss vom 4.6.2014 - B 14 AS 335/13 B), ausgeführt: Erfolgt die Überprüfung aufgrund eines Antrags des Leistungsberechtigten, löst dieser Antrag zwar grundsätzlich eine Prüfpflicht des Leistungsträgers aus, deren Umfang aber von dem Antrag und dessen Begründung abhängig ist. Eine solche Prüfung erfordert, dass der Antrag konkretisierbar ist und entweder aus dem Antrag selbst - ggf nach Auslegung - oder aus einer Antwort des Antragstellers auf eine Nachfrage des Leistungsträgers der Umfang der Prüfpflicht für die Verwaltung bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens erkennbar ist. Andernfalls ist der Leistungsträger berechtigt, von einer inhaltlichen Prüfung des Antrags abzusehen. Dies folgt aus dem Wortlaut des § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X, nach dem "im Einzelfall" beim Vorliegen der Voraussetzungen die Rücknahme eines Verwaltungsaktes erfolgen soll, was in der Konsequenz bedeutet, dass der Überprüfungsantrag des Leistungsberechtigten einen oder ggf mehrere zu überprüfende Verwaltungsakte konkret aufführen muss. Dies ist nur dann entbehrlich, wenn bei objektiver Betrachtung aus dem Vorbringen des Antragstellers der zu überprüfende Verwaltungsakt ohne Weiteres zu ermitteln ist. Dafür streitet auch der Sinn und Zweck des § 44 SGB X, der die Konfliktsituation zwischen der Bindungswirkung eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes und der materiellen Gerechtigkeit zugunsten letzterer auflösen will, was jedoch nur möglich ist, wenn der Verwaltung der zu lösende Konflikt bekannt ist. Aus den von der Klägerin angeführten Überlegungen einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe über Gesetzesänderungen kann mangels näherer Begründungen nichts Abweichendes hergeleitet werden.

16

Nach diesen Voraussetzungen hat die Klägerin mit dem am 3.2.2011 beim Beklagten eingegangenen Schreiben keinen Überprüfungsantrag gestellt, der zu einer inhaltlichen Überprüfung einzelner Verwaltungsakte führen musste. Vielmehr ist dieser Antrag zu Recht von dem Beklagten mangels Bestimmbarkeit der zu überprüfenden Verwaltungsakte abgelehnt worden. Denn die Klägerin hat die "Überprüfung sämtlicher bestandskräftiger Bescheide über Grundsicherung seit dem 01.01.2006 inklusive aller Aufhebungs- und Erstattungsbescheide" beantragt und keinen zu überprüfenden Bescheid genau benannt. Entgegen dem Vorbringen der Klägerin im Revisionsverfahren kann ihrem Antrag aufgrund der in ihm angeführten, zu überprüfenden Umstände keine Konkretisierung entnommen werden. Die von ihr angegebenen Prüfungspunkte "Kosten der Unterkunft und Heizung" sowie "Einkommensanrechnung", insbesondere hinsichtlich des Kindergeldes, der Freibeträge und des Werbungskostenabzugs, sind nicht derart prägnant, dass aus ihnen konkrete Prüfungspunkte hinsichtlich bestimmter, einzelner Verwaltungsakte abgeleitet werden können. Sie stellen sich vielmehr in jedem Bescheid über Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II, in dem diese Bedarfe anfallen oder entsprechende Einnahmen zu berücksichtigen sind.

17

Dass dem nicht weiter eingeengten Antrag vom 3.2.2011 kein konkreter zu überprüfender Verwaltungsakt oder ggf bestimmte mehrere entnommen werden konnten, zeigt auch der später im Gerichts- und nun im Revisionsverfahren von der Klägerin gestellte Antrag mit der Benennung zahlreicher Bescheide, der aber immer noch unvollständig ist, wenn zB die Überprüfung des Bescheides vom 8.2.2006 "inklusive aller Änderungsbescheide" begehrt wird, weil letztere nicht konkret benannt sind und auch kein Umstand aufgeführt wird, auf den sich die Überprüfung beziehen soll.

18

b) Durch diese Benennung von Bescheiden, auf die sich der am 3.2.2011 gestellte Überprüfungsantrag beziehen soll, im Schreiben vom 29.8.2011 im Laufe des Verfahrens vor dem SG wird - in Übereinstimmung mit dem Urteil des 4. Senats vom 13.2.2014 (- B 4 AS 22/13 R - vorgesehen für BSGE und SozR 4-1300 § 44 Nr 28, RdNr 16) - der Bescheid des Beklagten vom 1.3.2011 nicht rechtswidrig.

19

Der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist anhand des materiellen Rechts zu ermitteln und neben der jeweiligen Klageart vor allem von dem materiell-rechtlichen Begehren des Antragstellers oder Klägers abhängig (vgl das vom 4. Senat angeführte Urteil des 5. Senats vom 25.1.2011 - B 5 R 47/10 R - RdNr 12 mwN, das eine Änderung der Rechtslage betraf; Böttiger in Breitkreuz/Fichte, SGG Kommentar, 2. Aufl 2014, § 54 RdNr 67, 98; Keller, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG Kommentar, 11. Aufl 2014, § 54 RdNr 32 ff). Von der bekannten Faustformel "Bei reinen Anfechtungsklagen ist der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung maßgeblich, bei Verpflichtungs- und Leistungsklagen der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung." gibt es zahlreiche Ausnahmen (BSG vom 13.3.1997 - 11 RAr 51/96 - SozR 3-4100 § 152 Nr 7, Juris-RdNr 21 ff; BSG vom 2.5.2012 - B 11 AL 18/11 R - SozR 4-4300 § 144 Nr 24 RdNr 26; Böttiger in Breitkreuz/Fichte, SGG, aaO, § 54 RdNr 67 f, 98, 132; Castendiek in SGG Handkommentar, 4. Aufl 2012, § 54 RdNr 55 ff, 76 ff, 101, 131; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, aaO, § 54 RdNr 33a, 34 ff; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, VII, RdNr 97 ff; Ulmer in Hennig, SGG Kommentar mit Nebenrecht, Stand der Einzelkommentierung 2/2009, § 54 RdNr 134 ff; vgl zum verwaltungsgerichtlichen Verfahren nur: Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl 2013, § 113 RdNr 29 ff, 217 ff).

20

Zumindest in Rechtsstreitigkeiten über die Beurteilung, ob ein hinreichend konkretisierter Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X vorliegt, ist auf den Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung über diesen Überprüfungsantrag abzustellen. Andernfalls würden die oben dargestellten Ziele des § 44 SGB X leerlaufen und die inhaltliche Überprüfung des bestandskräftigen Verwaltungsaktes, einschließlich möglicher Ermittlungen, von der Verwaltung auf das Gericht verlagert. Zudem erschöpft sich der Verwaltungsakt über die Ablehnung der Überprüfung in dieser - einmaligen - Regelung und hat keinerlei Wirkungen für die Zukunft, in der bei einer späteren Änderung der Sachlage eine andere Beurteilung der einmal getroffenen Entscheidung gerechtfertigt sein kann. Der Betroffene kann vielmehr, so wie es die Klägerin auch durch den Überprüfungsantrag vom 29.8.2011 gemacht hat, einen erneuten Antrag stellen, über den dann aufgrund der durch diesen Antrag neuen Sachlage zu entscheiden ist.

21

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

(1) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende Angaben tatsächlicher Art ergänzt sowie alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.

(2) Der Vorsitzende hat bereits vor der mündlichen Verhandlung alle Maßnahmen zu treffen, die notwendig sind, um den Rechtsstreit möglichst in einer mündlichen Verhandlung zu erledigen.

(3) Zu diesem Zweck kann er insbesondere

1.
um Mitteilung von Urkunden sowie um Übermittlung elektronischer Dokumente ersuchen,
2.
Krankenpapiere, Aufzeichnungen, Krankengeschichten, Sektions- und Untersuchungsbefunde sowie Röntgenbilder beiziehen,
3.
Auskünfte jeder Art einholen,
4.
Zeugen und Sachverständige in geeigneten Fällen vernehmen oder, auch eidlich, durch den ersuchten Richter vernehmen lassen,
5.
die Einnahme des Augenscheins sowie die Begutachtung durch Sachverständige anordnen und ausführen,
6.
andere beiladen,
7.
einen Termin anberaumen, das persönliche Erscheinen der Beteiligten hierzu anordnen und den Sachverhalt mit diesen erörtern.

(4) Für die Beweisaufnahme gelten die §§ 116, 118 und 119 entsprechend.

(1) Auf Antrag des Versicherten, des behinderten Menschen, des Versorgungsberechtigten oder Hinterbliebenen muß ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Die Anhörung kann davon abhängig gemacht werden, daß der Antragsteller die Kosten vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts endgültig trägt.

(2) Das Gericht kann einen Antrag ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist.

Tatbestand

Streitig ist, ob der Beklagte der Gewährung von Versorgung eine besondere berufliche Betroffenheit des Klägers im Sinn von § 30 Abs. 2 Bundesversorgungsgesetz (BVG) zugrunde zu legen hat und ob Berufsschadensausgleich im Sinn des § 30 Abs. 3 ff. BVG zu gewähren ist.

Der Kläger ist im Jahre 1928 geboren. Im Zweiten Weltkrieg wurde er als Luftwaffenhelfer eingezogen. Am 24. oder 25.01.1944 befand er sich unter der Mündung einer Flugabwehrkanone, als diese das Feuer eröffnete. Anschließend hörte er nach eigener Angabe auf dem rechten Ohr nicht mehr richtig und hatte einige Tage Ausfluss. Zudem wurde er am 25.01.1945 durch einen Granatsplitterdurchschuss und einen Steckschuss am linken Oberarm verwundet.

Nach dem Krieg schloss er im März 1947 seine schulische Ausbildung mit dem Abitur an einer Oberrealschule ab. Anschließend studierte er vom Sommersemester 1947 bis zum Sommersemester 1949 an der Hochschule A-Stadt Jura und Volkswirtschaft. Neben dem Studium arbeitete er bereits. Im Sommersemester 1949 war er aus beruflichen Gründen beurlaubt. Anschließend war er als selbstständiger Kaufmann im Groß- und Einzelhandel tätig; auch heute hat er noch ein Geschäft.

Im Jahr 1991 wurde beim Kläger eine Kehlkopfteilresektion wegen eines Kehlkopfkarzinoms mit der Folge einer Verschlechterung der Sprechfähigkeit durchgeführt.

Am 16.05.1994 beantragte er die Bewilligung einer Beschädigtenrente unter Zugrundelegung einer besonderen beruflichen Betroffenheit und Berufsschadensausgleich. Dies begründete er damit, dass sich seine Schwerhörigkeit während der beruflichen Tätigkeit oft nachteilig ausgewirkt habe. Es sei schwierig gewesen, neue Geschäftsverbindungen mit diesem Handicap zu knüpfen. Es sei manchmal zu Missverständnissen gekommen, die zu finanziellen Verlusten geführt hätten. Tatsächlich habe er beabsichtigt, in den höheren Forstdienst einzutreten. Wegen seines Gehörschadens habe er aber einen negativen Bescheid erhalten.

Der Kläger legte Bestätigungen ehemaliger Schulkollegen vor, wonach er die höhere Forstlaufbahn einschlagen habe wollen, damals schlecht, besonders auf dem rechten Ohr, gehört habe und sich zum Jurastudium entschlossen habe, weil es wegen des schlechten Hörvermögens mit dem Forstdienst nichts geworden sei.

Mit Schreiben vom 17.08.1994 gab der Kläger an, dass er sich im Sommer 1946 beim B. Forstamt wegen seines Berufziels Förster vorgestellt habe. Dort sei ihm gesagt worden, dass er sich als Schwerhöriger überhaupt gar nicht bewerben brauche. Er habe daher dieses Berufsziel aufgegeben. Er habe sich dann an der Hochschule A-Stadt für Volkswirtschaft und Jura eingeschrieben und vier Semester absolviert. Dieses Studium habe er aber selber in Frage gestellt und zwar wiederum wegen seiner Schwerhörigkeit. Es sei ihm gleich aufgefallen, dass er Richter, Staatsanwälte, Rechtsanwälte und Parteien bei Verhandlungen schlecht verstanden habe. Er habe sich sehr anstrengen müssen, dem Gesprochenen zu folgen. Es habe ihm damals schon keinen Spaß gemacht, nicht alles zu verstehen, was gesagt werde. Er habe nach dem vierten Semester das Studium an den Nagel gehängt und sei selbstständiger Gewerbetreibender geworden.

Auf Anfrage des Beklagten teilte die Bayerische Oberforstdirektion B-Stadt mit Schreiben vom 23.08.1994 mit, dass eine Taubheit auf einem Ohr der Laufbahn im höheren Forstdienst nach dem Krieg wie heute auch entgegen gestanden habe.

Am 20.12.1994 wurde der Kläger versorgungsärztlich von der HNO-Ärztin Dr. S. begutachtet. Bei der Begutachtung gab der Kläger an, er habe eigentlich Förster werden wollen, habe dann aber vier Semester Jura studiert und das Studium aufgegeben, weil es ihm nicht gefallen habe. Unabhängig von den geltend gemachten Schädigungsfolgen sei er im Dezember 1991 am Kehlkopf operiert worden und habe seitdem eine schlechte Stimme. Die Sachverständige empfahl eine Anerkennung von Schädigungsfolgen nicht, da sich ein Zusammenhang der Hörschädigung mit dem Kriegsereignis nicht mit der erforderlichen Sicherheit nachweisen lasse.

Bei einer chirurgischen Zusatzbegutachtung am selben Tag wurde ein metalldichter Fremdkörper im mittleren Oberarmdrittel links festgestellt, der - so der Sachverständige -eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) in Höhe von 0 v. H. bewirke. Eine weitere Zusatzbegutachtung auf nervenärztlichem Fachgebiet vom selben Tag ergab eine geringe Teillähmung des linken Speichennerven nach Granatsplitterverletzung am Oberarm, die mit einer MdE in Höhe von 10 v. H. bewertet wurde.

Mit Bescheid vom 20.03.1995 wurden als Schädigungsfolgen eine geringe Teillähmung des linken Speichennerven sowie ein metalldichter Fremdkörper im mittleren Oberarmdrittel mit einer MdE in Höhe von unter 25 v. H. anerkannt. Abgelehnt wurde es, einen Defektzustand beider Mittelohren bei Zustand nach Explosionstrauma als Schädigungsfolge anzuerkennen. Eine besondere berufliche Betroffenheit liege nicht vor. Ein Anspruch auf Berufsschadensausgleich bestehe nicht, da keine MdE rentenberechtigenden Grads gegeben sei.

Im Rahmen des anschließenden Widerspruchsverfahrens sprach der Kläger am 15.11.1995 beim Beklagten vor. Bei der über vierstündigen Vorsprache machte er folgende Angaben, deren Richtigkeit er durch seine Unterschrift an Eides statt versicherte: Sein Jurastudium habe er aus Verlegenheit begonnen; damals habe man Lebensmittelmarken erhalten, wenn man berufstätig gewesen sei oder studiert habe. Gemocht habe er dieses Studium nicht; ursprünglich habe er auf die Forstakademie gewollt. Nach der Währungsreform im Jahr 1948 habe er gearbeitet (Kellner bei den Amerikanern, Verkäufer von Pepsi-Cola und Geschenkartikeln). Hierbei habe er - so der Kläger - sehr gut Geld verdienen können. Auf diesem Weg sei er in den Kaufmannsberuf geschlittert. Das Jurastudium, das er sowieso nicht gemocht und nur aus Verlegenheit begonnen habe, habe er später aufgegeben. Er habe damals an den Amerikanern recht gut verdienen können. 1952 bis 1956 habe er einen Großhandel aufgemacht. Danach habe er sich auf die Produktion von Bekleidungswaren verlegt. Insbesondere habe er zunächst bestickte Jacken hergestellt, die sehr gut gelaufen seien. Dann habe er bis etwa 1971 Jeans und anschließend vorwiegend Badebekleidung produziert. Er habe Geschäfte in A-Stadt, B-Stadt, C-Stadt und D-Stadt aufgebaut. Diese bestünden noch immer, seien aber zum Teil bereits im Besitz seiner Kinder. Lediglich das Geschäft in D-Stadt betreibe er noch selbst. Eine Rente bekomme er nicht; abgesichert habe er sich nur über eine Lebensversicherung, die bereits voll ausgezahlt worden sei.

Gegen den ablehnenden Widerspruchsbescheid erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Bayreuth.

Mit Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 11.02.1998, Az.: S 5 V 62/96, wurde dem Begehren des Klägers nur insofern Rechnung getragen, als eine sensorineurale Schwerhörigkeit links und eine kombinierte Schwerhörigkeit rechts als weitere Schädigungsfolgen anerkannt wurden. Es wurde nach wie vor von einer MdE von unter 25 v. H. (für die Hörschädigung im Bereich von 10 bis 20, wie dies auch der gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) benannte Sachverständige Prof. Dr. E. im Gutachten vom 10.04.10997 angenommen hatte) ausgegangen. Eine besondere berufliche Betroffenheit sah das Sozialgericht nicht, da der angestrebte Beruf nicht sozial höherwertig gewesen wäre und er zudem die Möglichkeit gehabt habe, die Hörminderung mit Hörgeräten auszugleichen oder zu mindern.

Mit weiterem Urteil vom 11.02.1998, Az.: S 5 V 50/97, wies das Sozialgericht die auf die Gewährung von Berufsschadensausgleich gerichtete Klage zurück, weil bereits keine Rentenberechtigung vorliege.

Die Berufung zum Bayer. Landessozialgericht (Az.: L 18 V 12/98) gegen das Urteil wegen der Anerkennung weiterer Schädigungsfolgen und Gewährung von Versorgungsrente samt besonderer beruflicher Betroffenheit nahm der Kläger nach der Einholung von Gutachten zurück. Hintergrund der Rücknahme war der Hinweis der damaligen Vorsitzenden des Senats, dass bei Rechtskraft des Urteils des Sozialgerichts eine MdE in Höhe von 20 v. H. für die schädigungsbedingte Schwerhörigkeit des Klägers angenommen werden müsse und sich zusammen mit der handchirurgischen Einschätzung letztlich eine MdE in Höhe von 25 v. H. ergebe.

Entsprechend den gerichtlichen Hinweisen hat der Beklagte mit Bescheid vom 23.07.2002 eine „sensorineurale Schwerhörigkeit links, kombinierte Schwerhörigkeit rechts“ als weitere Schädigungsfolgen anerkannt und eine MdE in Höhe von 25 v. H. ab dem 01.02.1994 festgestellt.

Am 23.09.2002 stellte der Kläger den Antrag, eine besondere berufliche Betroffenheit gemäß § 30 Abs. 2 BVG rückwirkend ab Antragstellung (Februar 1994) festzustellen sowie Berufsschadensausgleich zu gewähren.

Mit Bescheid vom 26.03.2003 lehnte der Beklagte den Antrag auf Berufsschadensausgleich sowie auf Höherbewertung der MdE wegen besonderer beruflicher Betroffenheit ab. Ein Einkommensverlust wegen der Schädigungsfolgen sei im Vergleich mit dem angestrebten Beruf eines Oberforstrats nicht erkennbar. Vielmehr könne davon ausgegangen werden, dass der Kläger aus seinen Geschäften mindestens ein so hohes Einkommen erzielt habe wie das eines Oberforstrats. Ein Berufsschadensausgleich sei daher abzulehnen. Zur besonderen beruflichen Betroffenheit wies der Beklagte darauf hin, dass eine solche bereits mit Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 11.02.1998 abgelehnt worden sei. Die zwischenzeitliche Erhöhung der MdE auf 25 v. H. bewirke keine Änderung hinsichtlich der im Urteil genannten Gründe für die Ablehnung der Anwendung des § 30 Abs. 2 BVG im Fall des Klägers. An den Ausführungen in diesem Urteil werde weiterhin festgehalten.

Den ohne Begründung abgegebenen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 06.04.2005 zurück.

Am 06.05.2005 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Bayreuth erhoben. Er hat die Klage mit Scheiben vom 11.06.2005 wie folgt begründet: Die MdE sei höher zu bewerten, da er durch die Art der Beschädigungen in seinem Berufsleben besonders betroffen sei. Besonders betroffen sei er deshalb, weil er den nachweislich angestrebten Beruf eines höheren Forstbeamten oder eines sozial gleichwertigen Berufs, nämlich den eines Rechtsanwalts, nicht ausüben habe können. Wenn der Beklagte ihm entgegen halte, dass er selbst daran schuld sei, keine ausreichende Altersversorgung geschaffen zu haben, sei diese Behauptung oberflächlich und nicht haltbar. Wegen der MdE von 25 v. H. sei er nicht in der Lage gewesen, einen aufgezwungenen Beruf mit ganzer Kraft auszuüben, eben nicht mit 100%, sondern nur zu 75%. Ein in seiner Schaffenskraft um 25% Geschädigter verfüge nicht über die Leistungsfähigkeit eines gesunden Menschen. Die gesundheitliche Verfassung habe es nicht zugelassen, entsprechende Rücklagen für das Rentenalter zu bilden. Er genieße in seinem tatsächlich ausgeübten Beruf ein erheblich geringeres gesellschaftliches Ansehen als im angestrebten Beruf.

Mit Gerichtsbescheid vom „01.02.2010“ (Anmerkung des Senats: Die Jahreszahl müsste richtigerweise 2011 lauten) ist die Klage abgewiesen worden. Das Sozialgericht hat dies wie folgt begründet: Unzulässig sei die Klage auf Anerkennung einer besonderen beruflichen Betroffenheit. Ihr fehle es am allgemeinen Rechtsschutzbedürfnis, da dieser Anspruch mit Urteil vom 11.02.1998 (Az.: S 5 V 62/96) rechtskräftig abgelehnt worden sei, wie der angefochtene Bescheid vom 26.03.2003 zutreffend festgestellt habe. Eine Veränderung der maßgeblichen Entscheidungsgrundlagen habe der Kläger nicht geltend gemacht. Die Klage auf Berufsschadensausgleich sei zulässig, aber unbegründet. Weder liege der erforderliche Einkommensverlust noch der erforderliche ursächliche Zusammenhang im Sinn der wesentlichen Bedingung mit den anerkannten Schädigungsfolgen vor.

Am 28.02.2011 hat der Kläger gegen den ihm am 05.02.2011 zugestellten Gerichtsbescheid Berufung eingelegt. Die Berufung begründet er wie folgt: Durch die Nichtanerkennung einer besonderen beruflichen Betroffenheit sei ihm ein Einkommensverlust entstanden. Das Sozialgericht lasse es außer Betracht, dass er die höhere Forstlaufbahn einschlagen habe wollen. Auch das angefangene und abgebrochene Jurastudium beweise die besondere Betroffenheit durch die Gehörschädigung. Einen Beruf in einem Gerichtssaal auszuüben, sei bei ihm sinnlos. Auch die Bewertung des Ansehens eines selbstständigen Kaufmanns im Vergleich zu einem höheren Beamten sei falsch. Ein Beamter sei einem Vater sicher lieber als Schwiegersohn als ein selbstständiger Kaufmann. Das Sozialgericht habe nicht die Fürsorgepflicht des Staates für seine Soldaten berücksichtigt.

Der Kläger beantragt, den Gerichtsbescheid vom 01.02.2010 und den Bescheid vom 26.03.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.04.2005 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, bei der Bemessung des Grads der Schädigung eine besondere berufliche Betroffenheit anzuerkennen und Berufsschadensausgleich zu gewähren.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat die Akten des Beklagten und des Sozialgerichts Bayreuth beigezogen. Weiter sind beigezogen worden die Akten der abgeschlossenen Verfahren des Sozialgerichts Bayreuth mit den Aktenzeichen S 5 V 62/96 und S 5 V 50/97 und des Bayer. Landessozialgerichts mit dem Aktenzeichen L 18 V 12/98. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Berufungsakte und der beigezogenen Akten Bezug genommen.

Gründe

Der Senat war nicht gehindert, trotz Ausbleibens des Klägers mündlich zu verhandeln und durch Urteil zu entscheiden. In der ordnungsgemäßen Ladung war ein korrekter Hinweis auf die Folgen seines Fernbleibens enthalten. Der Kläger hat den Senat mit Schreiben vom 28.03.2014 darüber informiert, dass er aus gesundheitlichen Gründen zur mündlichen Verhandlung nicht kommen werde; einen Antrag auf Vertagung hat er nicht gestellt.

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Die Entscheidung des Sozialgerichts ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.

1. Besondere berufliche Betroffenheit

Der Grad der Schädigungsfolgen (GdS) ist nicht wegen einer besonderen beruflichen Betroffenheit höher zu bewerten.

Das Sozialgericht hätte die Klage insofern nicht als unzulässig - wegen entgegenstehender Rechtskraft -, sondern als unbegründet zurückweisen müssen. Denn tatsächlich hat der Beklagte über die Feststellung einer besonderen beruflichen Betroffenheit entschieden. Im Rahmen eines Überprüfungsantrags gemäß § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) hat sich der Beklagte auf die Bestandskraft der früheren rechtskräftig gewordenen Ablehnung (Bescheid vom 20.03.1995 in der Form des Urteils vom 11.02.1998) gestützt und aus diesem Grund eine erneute Sachprüfung abgelehnt. Damit hat der Beklagte eine Entscheidung getroffen, die Widerspruch und Klage zugängig war.

Die insofern erhobene Klage ist daher zulässig gewesen, aber in der Sache unbegründet. Denn der Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, im Wege einer Überprüfungsentscheidung gemäß § 44 SGB X die bestandskräftige Entscheidung zur Frage der besonderen beruflichen Betroffenheit, wie sie der Bescheid vom 20.03.1995 in der Form des Urteils vom 11.02.1998 beinhaltet, aufzuheben und in der Sache erneut über die Frage der besonderen beruflichen Betroffenheit zu entscheiden.

1.1. Allgemeines zum Prüfungsrahmen des § 44 SGB X

Bei der gesetzlichen Regelung des § 44 SGB X und dem dabei zu beachtenden Prüfungsrahmen ist Folgendes zu berücksichtigen:

Ausgangspunkt ist die gesetzliche Regelung des § 77 SGG, wonach ein Verwaltungsakt für die Beteiligten in der Sache bindend wird, wenn ein Rechtsbehelf nicht oder erfolglos eingelegt wird. Diese Bestandskraft (Unanfechtbarkeit) ist ein wesentliches Prinzip der Rechtsordnung. Mit der Bestandskraft wird Rechtssicherheit geschaffen, weil die Beteiligten wissen, woran sie sind, nämlich dass die Regelung des Verwaltungsakts sie bindet, und Rechtsfrieden garantiert, weil weiterer Streit über den Verwaltungsakt ausgeschlossen ist. Für den Adressaten des Verwaltungsakts ist damit keine unangemessene Benachteiligung verbunden, hat er doch die Möglichkeit, sich im Rahmen der zur Verfügung stehenden Rechtsmittel gegen einen Bescheid zu wehren und dessen Rechtmäßigkeit überprüfen zu lassen. Schöpft er diese Mittel nicht aus oder akzeptiert er den Verwaltungsakt, weil er selbst keinen überzeugenden Zweifel an der Rechtmäßigkeit hat, müssen die Beteiligten die getroffene Regelung in der Zukunft für und gegen sich gelten lassen.

Die Regelung des § 44 SGB X ermöglicht unter bestimmten Voraussetzungen eine ausnahmsweise Abweichung von der Bindungswirkung (Bestandskraft) unanfechtbarer und damit für die Beteiligten bindend gewordener sozialrechtlicher Verwaltungsakte, um damit materielle Rechtmäßigkeit herzustellen. § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X eröffnet dazu zwei Alternativen. Entweder muss bei der bestandskräftig gewordenen Entscheidung das Recht unrichtig angewandt worden (erste Alternative) oder die Behörde muss beim Erlass des bestandskräftig gewordenen Verwaltungsakts von einem Sachverhalt ausgegangen sein, der sich nachträglich aufgrund des Bekanntwerdens neuer Tatsachen als unrichtig erwiesen hat (zweite Alternative).

Nicht Sinn und Zweck des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist es, Fristenregelungen im Zusammenhang mit der Frage der Bestandskraft von Entscheidungen der Verwaltung oder auch der Gerichte auszuhebeln und die mit der Bestandskraft bezweckte Rechtssicherheit und den Rechtsfrieden in das Belieben der Beteiligten zu stellen. § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X kann kein Mittel sein, um durch wiederholte Anträge bei der Behörde diese immer wieder zu Sachentscheidungen (deren Ergebnis wegen der bereits getroffenen Entscheidung absehbar ist) zu zwingen, die dann wiederum gerichtlich in der Sache überprüfbar wären. Würde man dies zulassen, hätte eine Behörde keinerlei Möglichkeit, sich vor wiederholenden Anträgen mit dem sich daraus ergebenden möglicherweise massiven Verwaltungsaufwand, der nicht nur Personal bindet, sondern auch Kosten verursacht, zu schützen.

Bei der oben genannten ersten Alternative handelt es sich um eine rein rechtliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit der bestandskräftig gewordenen Entscheidung, bei der es auf den Vortrag neuer Tatsachen nicht ankommt und die von Amts wegen zu erfolgen hat (vgl. Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 05.09.2006, Az.: B 2 U 24/05 R). Eine derartige Überprüfung bedeutet jedoch nicht, dass eine vollständige Überprüfung des Sachverhalts mittels neuer Ermittlung des Sachverhalts und neu einzuholender Gutachten durchzuführen wäre. Vielmehr ist lediglich aus rein rechtlicher Sicht zu würdigen, ob der der bestandskräftig gewordenen Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt rechtlich zutreffend beurteilt und rechtlich in nicht zu beanstandender Weise bewertet worden ist.

Weitergehende Sachermittlungen sind im Rahmen der ersten Alternative nicht geboten. Dies ergibt sich eindeutig aus der Systematik der gesetzlichen Regelung in § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Denn mit der Differenzierung zwischen den aufgezeigten zwei Alternativen (unrichtige Rechtsanwendung einerseits und ursprünglich unrichtig zugrunde gelegter Sachverhalt andererseits) hat der Gesetzgeber deutlich gemacht, dass nicht in jedem Fall eine völlige Überprüfung unter allen in Betracht kommenden Gesichtspunkten zu erfolgen hat. Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass die Verwaltung nicht durch aussichtslose Überprüfungsanträge, die beliebig oft wiederholt werden können, immer wieder zu einer neuen Sachprüfung gezwungen werden soll (vgl. BSG, Urteil vom 06.03.1991, Az.: 9b RAr 7/90). Würde hingegen bereits im Rahmen der ersten Alternative eine umfassende Sachprüfung, d. h. mit einer umfassenden Neuermittlung des zugrunde liegenden Sachverhalts, vorausgesetzt, so stünde dies im Widerspruch zu den gesetzlichen Anforderungen für die zweite Alternative, für die die Benennung neuer Tatsachen und Beweismittel vorausgesetzt wird. Im Rahmen der ersten Alternative sind daher die tatsächlichen Feststellungen, wie sie dem bestandskräftigen Bescheid zugrunde gelegen haben, auch im Überprüfungsverfahren zu beachten und lediglich zu prüfen, ob auf diesen Tatsachen aufbauend, unabhängig von ihrer Richtigkeit, die rechtlichen Schlussfolgerungen zutreffend sind. In dem Verfahren erfolgt eine rein rechtliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit, zu der von Seiten des Klägers zwar Gesichtspunkte beigesteuert werden können, die aber letztlich umfassend von Amts wegen erfolgen muss.

Für die zweite Alternative kommt es auf die Benennung neuer Tatsachen und Beweismittel im Rahmen eines abgestuften Verfahrens an (vgl. BSG, Urteil vom 03.02.1988, Az.: 9/9a RV 18/86, das auch im Urteil des BSG vom 05.09.2006, Az.: B 2 U 24/05 R nicht infrage gestellt worden ist). Die Prüfung bei dieser zweiten Alternative hat sich an den rechtlichen Vorgaben zu orientieren, wie sie auch im Rahmen eines gerichtlichen Wiederaufnahmeverfahrens zu beachten sind. Es liegt daher der zweiten Alternative ein Verfahren zugrunde, bei der es auf die Benennung neuer Tatsachen und Beweismittel ankommt (vgl. BSG, Urteil vom 05.09.2006, Az.: B 2 U 24/05 R).

Ergibt sich bei diesem Verfahren nichts Neues, was für die Unrichtigkeit der Vorentscheidung sprechen könnte, darf sich die Verwaltung ohne jede Sachprüfung auf die Bindungswirkung der bestandskräftigen Entscheidung berufen. Werden zwar neue Tatsachen oder Erkenntnisse vorgetragen und neue Beweismittel benannt, ergibt aber die Prüfung, dass die vorgebrachten Gesichtspunkte nicht tatsächlich vorliegen oder für die frühere Entscheidung nicht erheblich waren, darf sich die Behörde ebenfalls auf die Bindungswirkung stützen.

Eine Behörde ist daher nur dann, wenn die Prüfung zu dem Ergebnis führt, dass ursprünglich nicht bekannte Tatsachen oder Erkenntnisse vorliegen, die für die Entscheidung wesentlich sind, oder wenn sich herausstellt, dass das Recht unrichtig angewandt worden ist, dazu verpflichtet, ohne Rücksicht auf die Bindungswirkung erneut zu entscheiden (vgl. BSG, Urteil vom 03.02.1988, Az.: 9/9a RV 18/86).

Hat eine Behörde unter zutreffender Anwendung des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X eine erneute Sachprüfung und Sachentscheidung abgelehnt, kann sich das Gericht über diese Entscheidung nicht hinwegsetzen und den gesamten Sachverhalt einer wiederholten Sachprüfung unterziehen. Denn § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X gibt nur der Verwaltung selbst, nicht aber dem Gericht die Möglichkeit, sich über eine frühere negative Entscheidung zugunsten des Antragstellers hinwegzusetzen (ständige Rspr., vgl. z. B. Urteil des Senats vom 18.02.2014, Az.: L 15 VK 3/12; Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht - LSG -, Urteil vom 11.04.2004, Az.: L 8 U 115/02).

Diesen vom Senat in ständiger Rspr. (vgl. z. B. Urteil vom 18.02.2014, Az.: L 15 VK 3/12) zugrunde gelegten Prüfungsmaßstab, den der Senat beispielsweise im Urteil vom 18.03.2013, Az.: L 15 VK 11/11, ausführlich dargestellt hat, hat das BSG, dessen Rechtsprechung zu § 44 SGB X nicht immer einheitlich ist (vgl. vorgenanntes Urteil des Senats vom 18.03.2013, dort Ziff. 3.3.1. der Gründe), ausdrücklich bestätigt, wenn es im Anschluss an das Urteil des Senats mit Beschluss vom 31.07.2013, Az.: B 9 V 31/13 B, Folgendes ausgeführt hat:

„... Zulassung nach § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG scheidet ebenfalls aus... Abweichung (Divergenz) ist gegeben, wenn das angefochtene Urteil auf einer bestimmten Rechtsauffassung beruht, die zu der in einer Entscheidung des BSG ... zugrunde gelegten Rechtsansicht in Widerspruch steht. Davon kann hier nicht ausgegangen werden. Die Vorinstanz hat sich an der Rechtsprechung des BSG orientiert.“

1.2. Prüfung im hier zu entscheidenden Fall

Der Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, im Rahmen einer Entscheidung gemäß § 44 SGB X eine besondere berufliche Betroffenheit im Sinn des § 30 Abs. 2 BVG anzunehmen und den der Gewährung von Versorgung zugrunde liegenden GdS (früher: MdE) höher zu bewerten.

1.2.1. § 44 Abs. 1 Satz 1, 1. Alternative SGB X - unrichtige Rechtsanwendung

Der bestandskräftigen Entscheidung zur Frage der besonderen beruflichen Betroffenheit, wie sie der Bescheid vom 20.03.1995 in der Form des Urteils vom 11.02.1998 beinhaltet, liegt keine unrichtige Rechtsanwendung zugrunde.

Unter Zugrundelegung der damaligen Erkenntnisse ist die Ablehnung einer besonderen beruflichen Betroffenheit nicht zu beanstanden. Die Hörstörung, auf der das Urteil vom 11.02.1998 basiert, ist identisch mit der Hörstörung, wie sie dem Überprüfungsantrag zugrunde liegt; dies ergibt sich auch zweifelsfrei aus den Hinweisen, die die Vorsitzende des 18. Senats des Bayer. Landessozialgerichts in der mündlichen Verhandlung vom 06.02.2002 gegeben hat und die für den Kläger der Anlass gewesen sind, seine damalige Berufung zurückzunehmen. Lediglich die Ermittlung des Gesamt-GdS wurde damals noch anders als später vorgenommen, ohne dass dies Einfluss auf die Auswirkungen der Schädigungsfolgen für die berufliche Tätigkeit haben könnte. Denn entscheidend sind allein die vorliegenden als Schädigungsfolgen anerkannten funktionellen Beeinträchtigungen, nicht deren zahlenmäßige Bewertung. Unter Zugrundelegung der Tatsachen, wie sie für den bestandkräftigen Bescheid zutreffend angenommen worden waren, lässt sich eine besondere berufliche Betroffenheit nicht begründen, wie sich auch den Gründen des Urteils vom 11.02.1998 entnehmen lässt.

1.2.2. § 44 Abs. 1 Satz 1, 2. Alternative SGB X - neue Tatsachen

Der Beklagte hat zu Recht mangels Vortrags neuer Tatsachen auf die Bindungswirkung der bestandskräftigen Entscheidung zur Frage der besonderen beruflichen Betroffenheit, wie sie der Bescheid vom 20.03.1995 in der Form des Urteils vom 11.02.1998 beinhaltet, verwiesen und es abgelehnt, in der Sache erneut zu entscheiden.

Der wiederholte Antrag auf Feststellung einer besonderen beruflichen Betroffenheit ist identisch wie der erste Antrag begründet worden. Neue Tatsachen hat der Kläger zu keinem Zeitpunkt im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren vorgetragen. Es ist auch in der Sache nichts ersichtlich, was eine andere Einschätzung rechtfertigen könnte.

1.3. Ergebnis

Da der der bestandskräftig gewordenen Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt rechtlich zutreffend beurteilt worden ist, der Kläger neue Tatsachen und Beweismittel nicht benannt hat, geschweige denn dass solche neuen Tatsachen und Beweismittel bewiesen seien, hat sich der Beklagte zu Recht auf die Bestandskraft der Entscheidung zur Frage der besonderen beruflichen Betroffenheit, wie sie der Bescheid vom 20.03.1995 in der Form des Urteils vom 11.02.1998 beinhaltet, berufen. Eine weitergehende Prüfung in der Sache ist den Gerichten daher nicht gestattet.

1.4. Weitergehende Erläuterungen für den Kläger zum besseren Verständnis ohne Entscheidungsrelevanz

Da sich der Beklagte zu Recht auf die Bindungswirkung der bestandskräftigen Entscheidung zur Frage der besonderen beruflichen Betroffenheit (Bescheid vom 20.03.1995 in der Form des Urteils vom 11.02.1998) gestützt und es daher abgelehnt hat, in der Sache erneut zu entscheiden, ist auch dem Senat eine weitergehende Prüfung in der Sache verwehrt.

Gleichwohl erlaubt sich der Senat, um beim Kläger dem Eindruck entgegen zu wirken, er habe allein aus einem formalen Grund sein Recht nicht bekommen, folgende weitergehende Hinweise, wobei der Senat nochmals ausdrücklich darauf hinweist, dass es sich dabei lediglich um eine Serviceleistung des Gerichts ohne Entscheidungsrelevanz handelt:

Von einer besonderen beruflichen Betroffenheit im Sinn des § 30 Abs. 2 BVG könnte im vorliegenden Fall nur dann ausgegangen werden, wenn aufgrund der Schädigung ein sozial gleichwertiger Beruf nicht ausgeübt hätte werden können. Dass bei einem Vergleich vom Beruf eines Försters im höheren Dienst und einer selbstständigen Tätigkeit, wie sie der Kläger ausgeübt hat bzw. noch ausübt, nicht von einer fehlenden sozialen Gleichwertigkeit ausgegangen werden könnte, ist im Verfahren S 5 V 62/96 und nochmals im aktuellen sozialgerichtlichen Verfahren (vgl. die Aufstellung der Kriterien im Schreiben des Beklagten vom 15.02.2006) ausführlich erläutert worden. Zudem darf nicht übersehen werden, dass der Kläger einen - auch seiner Ansicht nach - zum Förster im höheren Dienst gleichwertigen Beruf, nämlich den des Juristen, ergreifen hätte können. Den entsprechenden Studiengang hatte er auch eingeschlagen. Dass es nicht zu einem Studienabschluss gekommen ist, ist nach der Überzeugung des Senats nicht durch Schädigungsfolgen zu begründen, sondern mit einem mangelnden Interesse des Klägers an dieser Studienrichtung und der Tatsache, dass er während des Studiums offenbar die Gelegenheit ergriffen hat, gut Geld zu verdienen, und deshalb das Studium aufgegeben hat. Dies entspricht Angaben des Klägers anlässlich seiner Vorsprache beim Beklagten am 15.11.1995. Diese Vorsprache hat über vier Stunden gedauert; der Kläger hat sich dabei äußerst umfangreich und detailliert geäußert.

Der Senat weist den dortigen Angaben des Klägers am 15.11.1995, die dieser mit seiner Unterschrift und an Eides statt als richtig bestätigt hat, den größten Beweiswert zu. Zwar hat der Kläger zuvor im Rahmen seines Antrags die Aufgabe des Jurastudiums mit der Hörminderung begründet. Diese Angabe hält der Senat aber nicht für glaubhaft.

Zum einen gibt es keinen Grundsatz, dass die ersten Angaben einen erhöhten Beweiswert hätten (vgl. Bayer. LSG, Urteil vom 27.07.2004, Az.: L 17 U 293/03). Dies hat das BSG ausdrücklich im Urteil vom 11.11.2013, Az.: B 2 U 41/02 R, wie folgt begründet:

„Denn weder das SGG noch die Zivilprozessordnung (ZPO) kennen eine Beweisregel in dem Sinne, dass frühere Aussagen oder Angaben grundsätzlich einen höheren Beweiswert besitzen als spätere. Im Rahmen der freien Beweiswürdigung (§ 128 Abs. 1 Satz 1 SGG, § 286 ZPO) sind vielmehr alle Aussagen, Angaben usw zu würdigen. Denn der objektive Beweiswert einer Erklärung kann nicht allein nach dem zeitlichen Abstand von dem Ereignis, auf das sie sich bezieht, bestimmt werden (BSG vom 14. März 1958 - 2 RU 126/56 -). Vielmehr sind alle Umstände des Einzelfalles und vor allem auch die Glaubwürdigkeit der die Erklärung abgebenden Personen zu würdigen (vgl. Bender/Nack, Tatsachenfeststellung vor Gericht, 2. Aufl, 1995). Im Rahmen dieser Gesamtwürdigung kann das Gericht den zeitlich früheren Aussagen aufgrund des Gesichtspunktes, dass sie von irgendwelchen versicherungsrechtlichen Überlegungen ggf. noch unbeeinflusst waren, einen höheren Beweiswert als den späteren Aussagen zumessen, muss es aber nicht.“

Zum anderen gibt es diverse Gesichtspunkte, die für die Richtigkeit der Angaben am 15.11.1995 sprechen. Gerade die Tatsache, dass der Kläger bei der Vorsprache am 15.11.1995 bereits über die rechtlichen Anforderungen für die angestrebten Leistungen informiert gewesen sein muss, er aber gleichwohl Angaben gemacht hat, die für diese Ziel nicht unbedingt hilfreich sind, belegt, dass er am 15.11.1995 wahrheitsgemäße Angaben gemacht hat. Demgegenüber geht der Senat davon aus, dass die zunächst schriftlich gemachte Angabe, er habe wegen der Hörstörung das Jurastudium aufgegeben, im Wesentlichen zweckgerichtet gewesen sind und nicht der Wahrheit entspricht. Für die Richtigkeit der Angaben am 15.11.1995, die der Kläger später weitgehend bestätigt hat, und damit gegen den Wahrheitsgehalt anderslautender Angaben spricht neben der unbefangenen Angabe anlässlich der Begutachtung durch die HNO-Ärztin Dr. S. am 20.12.1994 („er hat das Studium aufgegeben, weil es ihm nicht gefallen hat“) auch der große Detailreichtum der Angaben vom 15.11.1995; eine solche Detailfülle fehlt bei anderslautenden Angaben des Klägers. Gegen den Vortrag des Klägers, er habe das Jurastudium wegen der Hörminderung abgebrochen, spricht im Übrigen auch, dass bei dem vor dem SG im zugrunde liegenden erstinstanzlichen Verfahren am 20.07.2010 durchgeführten Erörterungstermin für den Vorsitzenden keinerlei Verständigungsschwierigkeiten ersichtlich waren. Vielmehr war - so der Hinweis in den Gründen des angefochtenen Gerichtsbescheids - eine normale Verständigung mit dem Kläger möglich. Dass eine solche Verständigung während der Studienzeiten nicht möglich gewesen wäre, im Jahr 2010 jedoch schon, hält der Senat angesichts der Tatsache, dass sich auch nach den sachverständigen Ausführungen das Hörvermögen des Klägers im Alter verschlechtert hat, für ausgeschlossen. Ende der 40er Jahre muss das Hörvermögen und damit die Verständigung noch besser als aktuell gewesen sein. Schließlich spricht für die Richtigkeit der Angaben am 15.11.1995 auch, dass der Kläger ausdrücklich, nämlich handschriftlich, „die Richtigkeit der ... Angaben ... an Eides statt“ versichert hat.

Der Kläger müsste sich auch entgegen halten lassen, dass er keine Hörgeräte zur Minderung etwaiger Einschränkungen im Studium und Alltag in Anspruch genommen hat. Eine hörgeräteakustische Versorgung durch Taschengeräte wäre bereits zur Studienzeit des Klägers möglich gewesen, wie sich auch aus den allgemein gehaltenen Hinweisen des im Verfahren L 18 V 1/99 des Bayer. LSG gehörten Sachverständigen und den Gründen des Urteils des Bayer. LSG vom 23.10.2002, Az.: L 18 V 1/99, ergibt. Angesichts der damals beim Kläger nur einseitig nachgewiesenen Hörminderung - eine leichte Hörminderung auch auf dem anderen, dem linken Ohr ist erstmals 1991 belegt - und der vom Kläger nicht in Anspruch genommenen Möglichkeit zur Hörgeräteversorgung würde sich ein rechtlich wesentlicher Kausalzusammenhang zwischen Schädigungsfolgen und Aufgabe des Jurastudiums schon wegen Verstoßes gegen die Schadensminderungspflicht nicht herstellen lassen. Von einer besonderen beruflichen Betroffenheit könnte daher nach der Überzeugung des Senats auch nicht nach erneuter inhaltlicher Prüfung ausgegangen werden.

Lediglich der Vollständigkeit halber macht der Senat darauf aufmerksam, dass der Kläger zu keinem Zeitpunkt behauptet hat, dass er auch das von ihm aufgenommene Volkswirtschaftsstudium wegen Schädigungsfolgen aufgegeben habe. Dies belegt, dass der Kläger im Wesentlichen wegen der damaligen guten Verdienstmöglichkeiten das Studium (von Jura und Volkswirtschaft) abgebrochen hat, ohne dass dabei Schädigungsfolgen einen rechtlich wesentlichen Beitrag gespielt hätten.

2. Berufsschadensausgleich

Der Senat hat sich nicht die Überzeugung davon verschaffen können, dass durch die mit Wirkung ab 1994 anerkannten Schädigungsfolgen der Kläger in seiner beruflichen Laufbahn und seinen Einkommensverhältnissen spürbar beeinträchtigt gewesen wäre.

Die vom Beklagten getroffene Entscheidung über den Berufsschadensausgleich stellt - wie auch die Entscheidung über die besondere berufliche Betroffenheit eine Überprüfungsentscheidung gemäß § 44 SGB X dar. Im Unterschied zum erstgenannten Regelungsgehalt hat sich der Beklagte hier aber nicht auf die Bestandskraft der früher getroffenen Entscheidung berufen, sondern in der Sache erneut entschieden.

Auch wenn dies die Formulierung des § 30 Abs. 3 BVG („nach Anwendung des Absatzes 2“) nahelegen könnte, scheidet ein Anspruch auf Berufsschadensausgleich nicht schon dann aus, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2, d. h. eine besondere berufliche Betroffenheit nicht gegeben sind (vgl. BSG, Urteile vom 06.07.1971, Az.: 9 RV 514/68, und vom 08.07.1980, Az.: 9 RV 20/79). Der Hinweis in § 30 Abs. 3 BVG ist vielmehr dahingehend zu verstehen, dass zeitlich vorhergehend die besondere berufliche Betroffenheit zu prüfen ist (vgl. Dau, in: Knickrehm, Gesamtes Soziales Entschädigungsrecht, 1. Aufl. 2012, § 30 BVG, Rdnr. 24).

Maßgeblich ist der Zeitraum ab Antragstellung (vgl. BSG, Urteil vom 06.07.1972, Az.: 9 RV 668/71). Im vorliegenden Fall einer Überprüfungsentscheidung gemäß § 44 SGB X ist dies wegen § 44 Abs. 4 Satz 3 SGB X die Zeit ab dem 01.01.1998.

Bei der Frage des Berufsschadensausgleichs ist von den bestandskräftig anerkannten Schädigungsfolgen auszugehen, auch wenn der Senat große Zweifel daran hat, dass diese Gesundheitsstörungen tatsächlich auch in diesem Umfang auf die Verletzung im Krieg zurückzuführen sind. Diese Zweifel werden bestätigt durch die Hinweise im Protokoll zur mündlichen Verhandlung vom 06.02.2002. Es liegt sehr nahe, dass es zur anschließenden Feststellung eines versorgungsberechtigenden GdS nur deswegen gekommen ist, weil im zuvor ergangenen Urteil des Sozialgericht eine zu weit gehende Anerkennung von Schädigungsfolgen ausgesprochen worden ist, wie es sich auch aus dem im Berufungsverfahren eingeholten hno-ärztlichen Gutachten ergibt, und der Beklagte dagegen, möglicherweise in Verkennung der Auswirkungen der Tenorierung, nicht in Berufung gegangen ist. Für die jetzt zu treffende Entscheidung ist dieser mögliche Fehler aber ohne Bedeutung. Auszugehen ist von den anerkannten Schädigungsfolgen.

2.1. Kein Zusammenhang zwischen einem potentiellen Einkommensverlust und Schädigungsfolgen

Ob der Kläger im maßgeblichen Zeitraum tatsächlich einen Einkommensverlust erlitten hat, kann dahingestellt bleiben. Denn nach der Überzeugung des Senats lässt sich ein rechtlich wesentlicher Kausalzusammenhang zwischen Schädigungsfolgen und einem potentiellen Einkommensverlust nicht feststellen.

2.1.1. Anforderungen an den Kausalzusammenhang

Die Beurteilung des Zusammenhangs folgt, wie ansonsten im Versorgungsrecht auch, der Theorie der wesentlichen Bedingung (ständige Rspr. des BSG, vgl. z. B. Urteile vom 23.11.1977, Az.: 9 RV 12/77, vom 08.05.1981, Az.: 9 RV 24/80, vom 20.07.2005, Az.: B 9a V 1/05 R, und vom 18.05.2006, Az.: B 9a V 6/05 R). Rechtlich wesentlich ist eine Ursache dann, wenn sie wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg bei dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt hat. Haben mehrere Umstände zu einem Erfolg beigetragen, so sind sie nach der versorgungsrechtlichen Rechtsprechung des BSG (vgl. Urteil vom 08.08.1974, Az.: 10 RV 209/73) rechtlich nur dann nebeneinander stehende Mitursachen, wenn sie in ihrer Bedeutung und Tragweite für den Eintritt des Erfolges „annähernd gleichwertig“ sind. Was unter dem Begriff der „annähenden Gleichwertigkeit“ zu verstehen ist, ist in der angeführten Entscheidung und auch in anderen neueren Entscheidungen des BSG nicht näher präzisiert. Die ständige unfallversicherungsrechtliche Rechtsprechung (vgl. z. B. BSG, Urteil vom 09.05.2006, Az.: B 2 U 1/05 R) hält demgegenüber den Begriff der „annähernden Gleichwertigkeit“ für nicht geeignet zur Abgrenzung, da er einen objektiven Maßstab vermissen lasse und missverständlich sei, und sieht eine versicherte Ursache dann als rechtlich wesentlich an, wenn nicht eine alternative unversicherte Ursache von „überragender Bedeutung“ ist. Letzteres entspricht im Ergebnis auch der versorgungsrechtlichen Rechtsprechung des BSG, das, wie z. B. dem Urteil vom 14.07.1955, Az.: 8 RV 177/54, zu entnehmen ist, von einer „annähernd gleichwertigen“ Bedeutung einer von mehreren Ursachen solange ausgeht, als nicht einer Ursache eine „überragende Bedeutung“ zukommt. Eine Abweichung von unfallversicherungsrechtlicher und versorgungsrechtlicher Rechtsprechung zum Kausalitätsbegriff, wie sie sich aufgrund der Differenzen zum Begriff der „annähernden Gleichwertigkeit“ aufdrängen könnte, besteht daher nicht. Der Senat geht daher in Übereinstimmung mit der versorgungs- und unfallversicherungsrechtlichen Rechtsprechung davon aus, dass eine vom Schutzbereich des BVG umfasste Ursache immer dann rechtlich wesentlich ist, wenn nicht die andere(n), nicht dem Schutzbereich des BVG unterfallende(n) Ursache(n) eine überragende Bedeutung hat (haben) (ständige Rspr. des Senats, vgl. z. B. zum Bereich der Soldatenversorgung nach dem Soldatenversorgungsgesetz: Urteil vom 19.07.2011, Az.: L 15 VS 7/10) und die vom versorgungsrechtlichen Schutzbereich umfasste Ursache nicht völlig in den Hintergrund drängt (drängen) (vgl. Urteile des Senats vom 02.07.2013, Az.: L 15 VS 9/10, und vom 13.12.2013, Az.: L 15 VS 26/12).

Die der Zusammenhangsbeurteilung zugrunde liegenden Tatsachen müssen im Vollbeweis nachgewiesen sein, für den Zusammenhang reicht es aus, wenn er wahrscheinlich ist; Wahrscheinlichkeit wiederum bedeutet, dass mehr für als gegen den Zusammenhang spricht (vgl. BSG, Beschluss vom 08.08.2001, Az.: B 9 V 23/01 B).

Unter Kausalitätsgesichtspunkten zu berücksichtigen ist auch eine etwaige Schadensminderungspflicht des Beschädigten. Der Rechtsgedanke der in der Zivilrechtsprechung und zivilrechtlichen Literatur zum Schadensersatzrecht aus § 254 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch abgeleiteten Schadensminderungspflicht gilt im gesamten Sozialrecht und insbesondere auch im Recht der Kriegsopferversorgung (vgl. BSG, Urteil vom 18.12.1985, Az.: 9a RV 18/84). Danach obliegt es jedem Anspruchsberechtigten, einen Schaden durch eigenes Handeln möglichst gering zu halten (vgl. BSG, Urteil vom 08.07.1980, Az.: 9 RV 20/79). Dieser Grundsatz gilt auch beim Anspruch auf Berufsschadensausgleich (vgl. BSG, Urteil vom 08.07.1980, Az.: 9 RV 20/79). Ist ein unverständiges Verhalten des Beschädigten die Ursache für einen Einkommensverlust, durchbricht dies die rechtliche wesentliche Kausalität (vgl. für den vergleichbaren Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung: LSG Berlin, Urteil vom 10.02.2005, Az.: L 3 U 39/04) und stellt einen versorgungsfremden Nachschaden dar (vgl. BSG, Urteil vom 08.07.1980, Az.: 9 RV 20/79). Der Beschädigte muss es sich als eigenes Risiko zurechnen lassen, wenn in seiner Person liegende schädigungsfremde Gründe zu einer Minderversorgung geführt haben (vgl. BSG, Urteil vom 18.12.1985, Az.: 9a RV 18/84). Denn nach dem in § 1 Abs. 1 BVG normierten Entschädigungsprinzip sind nur die gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Schädigung auszugleichen, nicht aber davon unabhängig eingetretene Nachteile.

Der Rechtsgedanke, dass Einkommensminderungen ohne verständigen Grund zulasten des Verursachers gehen, durchzieht das Recht der Kriegsopferversorgung (vgl. BSG, Urteil vom 16.03.1979, Az.: 9 RV 51/78). Dieses Prinzip wird in gleicher Weise im Recht der gesetzlichen Rentenversicherung (vgl. BSG, Urteil vom 24.05.1978, Az.: 4 RJ 79/77) respektiert. In der gesamten Rechtsordnung obliegt es jedem Anspruchsberechtigten, einen Schaden durch zumutbares Handeln gering zu halten (vgl. BSG, Urteil vom 24.05.1978, Az.: 4 RJ 79/77). Die Versorgungsberechtigten haben nach Kräften bei der Minderung der finanziellen Last durch die Folgen der Schädigung mitzuwirken und deren Ausdehnung möglichst zu vermeiden (vgl. BSG, Urteil vom 08.07.1980, Az.: 9 RV 20/79).

2.1.2. Zur Situation des Klägers

2.1.2.1. Nichtaufnahme des Studiums der Forstwissenschaften

Der Senat geht mit dem Kläger davon aus, dass die Nichtaufnahme des Studiums der Forstwissenschaften durch die Schädigungsfolge des eingeschränkten Hörvermögens bedingt war. Dies allein kann aber noch keinen Anspruch auf Berufsschadensausgleich begründen. Denn der Kläger hat anschließend mit dem Studium der Rechtswissenschaften und der Volkswirtschaft ein Studium eingeschlagen, das gleichwertige Verdienstaussichten eröffnet hat. Dies hat er auch selbst zugestanden.

2.1.2.2. Abbruch des Studiums der Rechtswissenschaften und der Volkswirtschaft

Der Senat ist der Überzeugung, dass der Kläger dieses Studium nicht wegen Schädigungsfolgen, sondern allein wesentlich aus schädigungsfremden Gründen abgebrochen hat.

Wie bereits oben (vgl. Ziff. 1.4.) erläutert, ist der Studienabbruch wesentlich durch schädigungsfremde Gründe (Nichtgefallen, sich eröffnende gute Verdienstmöglichkeiten im Handel) bedingt. Eine rechtlich relevante Mitursächlichkeit der Hörminderung ist für den Senat nicht nachgewiesen; diese wird, wenn sie überhaupt einen Beitrag im damaligen Entscheidungsprozess des Klägers gespielt haben sollte, durch die anderen Gründe völlig in den Hintergrund gedrängt und ist daher im Sinn der Theorie der wesentlichen Bedingung nicht wesentlich.

Die fehlende Kausalität zwischen Schädigungsfolgen und Studiumsaufgabe hat zur Folge, dass ein etwaiger Einkommensverlust in der anschließend ausgeübten Tätigkeit jedenfalls dann nicht über einen Berufsschadensausgleich zu berücksichtigen ist, wenn es sich bei der nach dem Studiumabbruch ausgeübten Tätigkeit um eine solche handelt, die - allgemein betrachtet - geringere Erwerbschancen eröffnet, als diese bei Abschluss des Studiums gegeben gewesen wären. Denn der Entschluss zu der niedriger entlohnten Tätigkeit ist nicht wesentlich auf die Schädigungsfolgen zurückzuführen, sondern auf einen davon unbeeinflussten Entschluss des Klägers. Es handelt sich um einen von der Schädigung unabhängigen Nachteil, der von dem in § 1 Abs. 1 BVG normierten Entschädigungsprinzip nicht erfasst wird. Zudem ist zu berücksichtigen, dass der Beschädigte auch unter dem Gesichtspunkt der ihm obliegenden Schadensminderungspflicht gehalten war, eine ihm zumutbare Berufslaufbahn einzuschlagen, die die Entstehung wirtschaftlicher Nachteile im Berufsleben soweit als zumutbar verhindert. Ein Einkommensverlust schon dadurch, dass ein Beschädigter trotz Eröffnung höherwertiger Berufsaussichten den Weg in eine Tätigkeit wählt, die nur geringere Einkommensaussichten bietet, kann nicht zulasten des Staats als Träger der Versorgungsverwaltung und damit der Allgemeinheit gehen.

2.1.2.3. Tätigkeit des Klägers als selbstständiger Kaufmann

Ein Zusammenhang zwischen einem möglichen Mindereinkommen bei der Tätigkeit als selbstständiger Kaufmann und Schädigungsfolgen lässt sich jedenfalls nicht hinreichend wahrscheinlich machen.

Aus Kausalitätsüberlegungen heraus hält es der Senat nicht für fernliegend, von einer endgültigen Unterbrechung der Kausalkette auszugehen, wenn sich ein Beschädigter aus schädigungsfremden Gründen zu einer beruflichen Tätigkeit entschließt, die zu geringeren Einkünften führt, als sie bei dem ursprünglich angestrebten Berufsziel im Rahmen des vom Gesetzgeber vorgegebenen pauschalierenden Systems zu erwarten wären (vgl. Geschwinder, Der Nachschaden im Berufsschadensausgleich, ZfS 1981, S. 67, 69). Dies würde bedeuten, dass etwaige schädigungsbedingte Einkommensminderungen im späteren Berufsleben - und damit hier im Berufsleben als selbstständiger Kaufmann - rechtlich bedeutungslos würden, unabhängig davon, auf welchem Grund sie beruhen.

Gegen eine solche strenge Auslegungen sprechen aber die Gedanken des BSG zur Risikoverteilung im Urteil vom 27.10.1982, Az.: 9a RV 5/82, wenn es dort ausgeführt hat,

„dass der Gesetzgeber das Risiko der ungewollten Arbeitslosigkeit und die Zufälligkeiten der Konjunktur und der Arbeitsmarktlage der öffentlichen Hand zurechnen wollte. Mithin sind im allgemeinen nur solche nachträglichen und schädigungsunabhängigen Einkommenseinbußen als Nachschaden iS des § 30 Abs. 5 BVG anzusehen, die durch das Hinzutreten einer schädigungsunabhängigen Gesundheitsstörung oder durch das unverständige Verhalten des Beschädigten herbeigeführt sind (vgl. dazu Geschwinder in Zfs 1981 S 67, 69, 70). Zu diesen Ereignissen zählt jedenfalls die Aufnahme minderbezahlter Beschäftigung nach Arbeitslosigkeit nicht, und zwar selbst dann nicht, wenn man den Kreis dieser Ereignisse weiterziehen wollte als vorher beschrieben.“

Diese Überlegungen deuten darauf hin, dass nach der Rechtsprechung des BSG ein Berufsschadensausgleich jedenfalls dann nicht ausgeschlossen sein soll, wenn sich in dem aus schädigungsfremden Gründen gewählten Beruf Nachteile wegen der Schädigungsfolgen einstellen.

Letztlich kann aber dahingestellt bleiben, welcher Auslegung zu folgen ist, denn auch bei der für den Kläger wohlwollenden Auslegung ergibt sich kein Anspruch auf Berufsschadensausgleich. Denn ein rechtlich wesentlicher Kausalzusammenhang zwischen den anerkannten Schädigungsfolgen und den weiteren Entwicklungen im Berufsleben des Klägers sowie den von ihm behaupteten Einkommensverlusten lässt sich nicht feststellen.

Der Senat hat sich nicht die Überzeugung davon verschaffen können, dass ein rechtlich wesentlicher Kausalzusammenhang zwischen den anerkannten Schädigungsfolgen und potentiellen Einkommensverlusten in dem nach dem nicht schädigungsbedingten Abbruch des Studiums ausgeübten Beruf besteht. Eine hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Zusammenhangs kann er nicht erkennen. Dabei stützt er sich auf folgende Überlegungen:

* Allein die Tatsache, dass der Kläger im Groß- und Einzelhandel tätig (gewesen) ist, macht eine schädigungsbedingte Einkommenseinbuße noch nicht wahrscheinlich. Wie bereits erläutert, kann diese Berufswahl nicht als schädigungsbedingt angesehen werden, sondern ist auf eine freie und durch die Schädigungsfolgen nicht wesentlich mitbestimmte Entscheidung des Klägers zurückzuführen.

* Dass der Kläger in dem von ihm frei gewählten Beruf als selbstständiger Kaufmann im Groß- und Einzelhandel wegen Schädigungsfolgen Einkommensverluste erlitten hätte oder erleiden würde, ist nicht hinreichend wahrscheinlich gemacht. Zwar hat der Kläger vorgetragen, dass er wegen Verständigungsproblemen Schwierigkeiten im Geschäftsleben gehabt habe, die mit finanziellen Einbußen verbunden gewesen seien. Dies ist angesichts des gutachtlich von Prof. Dr. S. festgestellten und dann als schädigungsbedingt anerkannten Umfangs der Hörstörung aber nicht wahrscheinlich. Zwar liegt rechts eine deutliche Hörminderung, links aber nur eine geringgradige Einschränkung des Sprachverstehens vor. Dies weckt schon Zweifel an den vom Kläger behaupteten Schwierigkeiten im Geschäftsleben.

Weiter muss sich der Kläger entgegen halten lassen, dass eine erhebliche Besserung des Hörvermögens und damit der von ihm behaupteten beeinträchtigten Verständigungsfähigkeit durch die Verwendung von Hörgeräten möglich gewesen wäre. Nicht nur in der hier maßgeblichen Zeit, sondern auch schon früher wäre eine Hörgeräteversorgung ohne Zweifel in einem Umfang möglich gewesen, die das Hörvermögen so weit gebessert hätte, dass die vom Kläger behaupteten Schwierigkeiten, wenn sie denn überhaupt vorgelegen haben, was der Senat bezweifelt, mit großer Sicherheit weitgehend vermieden worden wären. Dass der Kläger eine derartige Versorgung, die ihm - anders als nicht duldungspflichtige operative Eingriffe - auch zumutbar gewesen wäre, nicht vornehmen hat lassen, könnte ihm keine versorgungsrechtlichen Vorteile verschaffen. Denn er hat gegen seine Schadensminderungspflicht verstoßen.

* Auch wenn die Hörminderung mit gewissen Schwierigkeiten im Berufsleben verbunden gewesen wäre, wovon der Senat nicht ausgeht, wäre zudem zu berücksichtigen, dass der Kläger im Jahr 1991 eine teilweise Kehlkopfresektion durchgemacht hat, die mit einer Einschränkung der Sprechfähigkeit verbunden ist. Es liegt nahe, dass diese Einschränkung im Berufsleben weitaus hinderlicher ist als eine Reduzierung des Hörvermögens, wie sie beim Kläger vorliegt und die zudem durch ein Hörgerät weitgehend zu eliminieren (gewesen) wäre.

* Zudem ist es ein allgemeiner Erfahrungssatz, dass die berufliche Leistungsfähigkeit im Alter nachlässt. So muss es auch beim Kläger sein. Zu Beginn des maßgeblichen Zeitraums im Jahr 1998 war er bereits 69 Jahre alt. Dass in diesem Alter, in dem der ganz überwiegende Anteil der Bevölkerung schon seit Jahren aus dem Erwerbsleben ausgeschieden ist, die berufliche Leistungsfähigkeit und damit auch das erzielbare Einkommen nachgelassen haben, liegt auf der Hand. (Potentielle) Einkommensverluste sind damit wesentlich durch das Alter des Klägers zu erklären, nicht aber durch ein eingeschränktes Hörvermögen.

* Beim Kläger kommt noch hinzu, dass er deshalb weniger Einkommen als früher bezieht, weil er nach eigenen Angaben einen Großteil seiner früher vier (so seine an Eides statt gemachte Angabe bei der Vorsprache beim Beklagten am 15.11.1995) Geschäfte an seine Kinder abgegeben hat. Auch dies hat mit Schädigungsfolgen nichts zu tun. Diese Konstellation ist nicht anders zu beurteilen als eine Berufsaufgabe, die aufgrund einer schädigungsunabhängigen Erkrankung oder ohne verständigen Grund erfolgt ist; auch in derartigen Fällen besteht ein Anspruch auf Berufsschadensausgleich nicht (vgl. Geschwinder, Der Nachschaden im Berufsschadensausgleich, ZfS 1981, S. 67, 69). Im Übrigen müsste dem Kläger auch hier eine Verletzung der Schadendminderungspflicht entgegen gehalten werden. Er kann sich nicht einerseits seiner Verdienstmöglichkeiten teilweise dadurch berauben, dass er seine Geschäfte an seine Kinder abgibt, und andererseits eine Kompensation für dieses Handeln durch Leistungen der Versorgungsverwaltung verlangen. Eine Geschäftsübergabe verlangen auch innerfamiliäre Pflichten nicht.

* Der Kläger kann sich auch nicht auf eine schädigungsbedingt unzureichende Altersvorsorge berufen. Wenn er behauptet, ihm sei keine entsprechende Altersvorsorge möglich gewesen, da sein berufliches Leistungsvermögen und seine beruflichen Einkünfte bereits früher durch Schädigungsfolgen stark eingeschränkt gewesen seien, kann sich der Senat nicht von der Richtigkeit dieser Behauptungen überzeugen. Ganz offensichtlich hat es der Kläger nämlich sehr wohl geschafft, eine Altersversorgung aufzubauen. So hat er selbst im Verwaltungsverfahren angegeben, dass er eine Lebensversicherung für das Alter erworben hat, die in einem Betrag ausgezahlt worden ist. Es ist also für den Senat erwiesen, dass der Kläger in der Lage war, sich eine Altersversorgung aufzubauen. Wenn er dies nicht in ausreichender Höhe - darüber liegen keine Erkenntnisse vor - oder wenn er dies in der Form gemacht hat, dass der Betrag der Lebensversicherung einmalig ausgezahlt wird, kann dies nicht dazu führen, dass der Kläger wegen nicht ausreichender laufender Einkünfte einen Berufsschadensausgleich geltend machen kann. Im Übrigen kann der Senat auch keine Hinweise darauf erkennen, dass der Kläger in seinem früheren Berufsleben schädigungsbedingte Einkommensverluste gehabt hätte, die ihn von einer ausreichenden Vorsorge für das Alter abgehalten hätten. Insofern verweist der Senat auf seine oben gemachten Ausführungen, auch zur besonderen beruflichen Betroffenheit. Auch den eigenen Angaben des Klägers am 15.11.1995 ist es zu entnehmen, dass er in seiner selbstständigen Tätigkeit durchaus erfolgreich war.

2.1.3. Kein Rentenberufsschadensaugleich

Ein Rentenberufsschadensausgleich gemäß § 30 Abs. 4 Sätze 3 und 4 BVG kommt schon deswegen nicht in Betracht, da der Kläger nicht in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert war.

2.2. Ergebnis

Ein rechtlich wesentlicher Kausalzusammenhang zwischen Schädigungsfolgen und einer (potentiellen) Einkommenseinbuße lässt sich unter allen denkbaren Gesichtspunkten nicht herstellen. Sollten die anerkannten Schädigungsfolgen überhaupt einen Beitrag zu einem potentiellen Einkommensverlust geliefert haben, würde dieser Beitrag durch die anderen vorrangigen Gründe völlig in den Hintergrund gedrängt und wäre damit rechtlich unwesentlich.

Wenn der Kläger demgegenüber damit argumentiert, dass er einen GdS von 25 habe und daher auch nur 75% im Berufsleben leisten habe können, was zwangsläufig eine entsprechende Einkommenseinbuße nach sich ziehe, irrt er. Denn dies hätte zur Folge, dass bei jedem versorgungsberechtigenden GdS automatisch auch ein Berufsschadensausgleich zu leisten wäre. Einen derartigen Automatismus kennen die gesetzlichen Regelungen nicht. Vielmehr ist konkret der rechtlich wesentliche Zusammenhang zwischen Schädigungsfolgen und Einkommensverlust festzustellen.

Der Kläger kann sich auch nicht auf einen allgemeinen Grundsatz einer „Fürsorgepflicht des Staates gegenüber ehemaligen Soldaten“ berufen. Eine über die Regelungen des BVG hinausgehende Fürsorgepflicht des Staates hat der Gesetzgeber nicht vorgesehen; diese Pflicht findet ihre Grenze in den Bestimmungen des BVG.

Die Berufung kann daher keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).

Tenor

I.

Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 29. Mai 2013 wird zurückgewiesen.

II.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Streitig sind die nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) festzustellenden Schädigungsfolgen und eine Grundrente.

Der Kläger ist 1926 geboren. Er war Soldat der Wehrmacht. Im März 1945 war er im sogenannten H. eingesetzt. Er erlitt dabei eine Granatsplitterverletzung am linken Unterschenkel.

Erstmals stellte der Kläger am 21.12.1987 beim Beklagten einen Antrag auf Beschädigtenversorgung nach dem BVG. Er gab an, kriegsbedingt unter Erfrierungen im Bereich der Zehen und einer Granatsplitterverletzung zu leiden. Zudem habe er Rheuma.

Im versorgungsärztlichen Gutachten vom 04.01.1989 kam der Sozialmediziner Dr. L. zu der Einschätzung, dass als Schädigungsfolgen lediglich Haut- und Weichteilnarben am linken Unterschenkel nach Granatsplitterverletzungen festzustellen seien. Diese würden eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von unter 10 v. H. bedingen. Erfrierungsfolgen oder rheumatische Veränderungen lägen nicht vor.

Mit Bescheid vom 17.04.1989 erkannte der Beklagte Haut- und Weichteilnarben am linken Unterschenkel nach Granatsplitterverletzung als Schädigungsfolgen nach dem BVG an. Abgelehnt wurde die Anerkennung von Durchblutungsstörungen an den Beinen sowie von Erfrierungsfolgen, wie sie der Kläger geltend gemachte habe, da solche Schädigungsfolgen nicht nachzuweisen seien.

Den dagegen erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23.10.1989 zurück.

Im anschließend beim Sozialgericht Augsburg unter dem Aktenzeichen S 11 V 227/89 durchgeführten Verfahren erstellte der Orthopäde Dr. D. am 05.02.1991 ein Gutachten. Dieser sah als Schädigungsfolgen lediglich Haut- und Weichteilnarben nach Granatsplitterverletzung am linken Unterschenkel. Erfrierungsfolgen oder rheumatische Veränderungen stellte er nicht fest. Daraufhin nahm der Kläger die Klage zurück.

Bei einer persönlichen Vorsprache beim Beklagten am 08.06.2011 stellte der Kläger einen Verschlimmerungsantrag. Er habe - so der Kläger im Schreiben vom 28.09.2011 - überall rheumatische Beschwerden. Das Immunsystem sei durch die Erfrierungen bzw. das Rheuma verändert. Es bestünden Erfrierungen am linken Ohr und beiden Füßen; alle Zehen seien erfroren. Eventuell leide er auch an einem Kriegstrauma.

Nach Einholung von Befundberichten bei den behandelnden Ärzten äußerte sich am 22.12.2011 der Internist Dr. S. in einer versorgungsärztlichen Stellungnahme wie folgt: Erfrierungsfolgen am linken Ohr und an den Zehen seien ausweislich der Vorbegutachtungen nicht nachgewiesen. Die Stauungsdermatose bei primärer Varikosis und der Pilzbefall der Füße und Zehennägel seien schädigungsfremd. Eine Erkrankung aus dem rheumatischen Formenkreis liege nicht vor. Die Kniegelenksarthrose links sei als alterstypische degenerative Veränderung zu werten.

Mit Bescheid vom 10.01.2012 lehnte der Beklagte den Neufestzustellungsantrag ab.

Am 14.06.2012 stellte der Kläger einen Überprüfungsantrag, weil er - so im Telefonat vom 28.06.2012 - die Widerspruchsfrist gegen den Bescheid vom 10.01.2012 versäumt habe. Er bat um Abklärung einer etwaigen psychischen Traumatisierung.

Im Rahmen eines beim Sozialgericht Augsburg unter dem Aktenzeichen S 5 VK 6/12 ER geführten Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes machte der Kläger bei einem Erörterungstermin am 26.11.2012 Erfrierungen an Ohren und Zehen, Schüttelfrost, Rheuma bzw. Arthritis, eine Arthrose sowie ein seit 11/2 Jahren bestehendes Kriegstrauma geltend. Er habe während seines Wehrdienstes die Hölle durchlebt. Insbesondere erinnere er sich zurück, wie die Russen mit Panzern eingefallen seien. Um ihn herum seien viele Leute gestorben. In nervenärztlicher Behandlung sei er bislang nicht gewesen. Das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes wurde mit einem Vergleich beendet, in dem sich der Beklagte bereit erklärte, nach Durchführung einer versorgungsmedizinischen Untersuchung zeitnah durch Bescheid zu entscheiden.

In Ausführung des Vergleichs beauftragte der Beklagte den Psychiater und Neurologen Dr. H. als Sachverständigen. Im Gutachten vom 22.01.2013 führte dieser aus, dass beim Kläger zwar kognitive Leistungseinbußen vorlägen, wie sie dem Lebensalter von 87 Jahren immanent seien. Hinweise auf ein relevantes depressives Syndrom oder gar auf eine posttraumatische Belastungsstörung ergäben sich aber nicht. Eine psychiatrische Diagnose, welche im Zusammenhang mit dem Wehrdienst stünde, könne nicht festgestellt werden.

Mit Bescheid vom 06.02.2013 lehnte es der Beklagte ab, den Versorgungsanspruch neu festzustellen; Schädigungsfolgen auf psychiatrischem Fachgebiet lägen nicht vor; der Grad der Schädigungsfolgen (GdS) betrage nach wie vor unter 10. An den bisherigen bindenden Ablehnungen für die Gesundheitsstörungen Durchblutungsstörungen an beiden Beinen, Osteomyelitis, Stauungsdermatose bei primärer Varikosis, Pilzbefall der Füße und Zehenägel sowie Kniearthrose werde festgehalten, ebenso daran, dass Erfrierungsfolgen und rheumatische Gelenkveränderungen nicht vorgelegen hätten und auch insoweit keine Anerkennung möglich sei.

Den dagegen erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 08.03.2013 zurück.

Am 04.04.2013 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Augsburg erhoben. Bei ihm sei - so der Kläger - eine schwere Fehldiagnose gestellt worden.

Mit Gerichtsbescheid vom 29.05.2013 ist die Klage abgewiesen worden. Über die Haut- und Weichteilnarben am linken Unterschenkel hinaus, die nur einen GdS von unter 10 bedingen, hat das Sozialgericht keine weiteren Schädigungsfolgen gesehen.

Der Kläger hat Berufung eingelegt. Seine gesundheitlichen Einschränkungen - so der Kläger - seien sehr stark; ihm stehe eine weitergehende Beschädigtenversorgung und eine Grundrente zu.

Im Rahmen eines Erörterungstermins am 23.04.2014 ist der Rechtsstreit mit den Beteiligten ausführlich besprochen worden. Der Kläger sieht sich als Kriegsopfer ungerecht behandelt und weist auf seine finanziell sehr beengte Situation hin.

Der Kläger möchte - so in der mündlichen Verhandlung vom 07.05.2014 - eine Entschädigung und beantragt damit sinngemäß,

den Gerichtsbescheid vom 29.05.2013 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 06.02.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.03.2013 zu verurteilen, ihm eine Grundrente nach dem BVG unter Anerkennung weiterer Schädigungsfolgen zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat die Akten des Beklagten und des Sozialgerichts Augsburg, auch zu den weiteren Verfahren mit den Aktenzeichen S 11 V 227/89 und S 5 VK 6/12 ER, beigezogen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Berufungsakte und der beigezogenen Akten Bezug genommen, die allesamt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Gründe

Mit Beschluss gemäß § 153 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) vom 28.04.2014 ist die Berufung dem Berichterstatter übertragen worden, so dass dieser zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern zu entscheiden hat.

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.

Das Sozialgericht hat die Klage gegen den Bescheid vom 06.02.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.03.2013 zu Recht abgewiesen.

1. Streitgegenstand

Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 06.02.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.03.2013. Darin enthalten sind zwei Regelungsgegenstände. Zum einen hat der Beklagte die Neufeststellung von Schädigungsfolgen gemäß § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) wegen einer Verschlimmerung abgelehnt, da keine wesentliche Änderung eingetreten sei. Zum anderen hat der Beklagte eine für den Kläger negative Überprüfungsentscheidung gemäß § 44 SGB X getroffen, da er es abgelehnt hat, die in der Vergangenheit getroffene und bestandskräftig gewordene Feststellung von Schädigungsfolgen insofern aufzuheben, als die Anerkennung weiterer, im Bescheid vom 06.02.2013 näher bezeichneter Gesundheitsstörungen als Schädigungsfolgen in der Vergangenheit bestandskräftig abgelehnt worden war. In der Sache geprüft im Rahmen des § 44 SGB X hat der Beklagte demgegenüber die Frage einer kriegsbedingten psychischen Erkrankung und dies abschlägig verbeschieden.

2. Zur Entscheidung gemäß § 48 SGB X

Der Beklagte hat es zutreffend abgelehnt, wegen einer Verschlimmerung im Sinn des § 48 SGB X weitere Schädigungsfolgen anzuerkennen.

Eine Verschlimmerung im Sinn des § 48 SGB X liegt nicht vor. Denn es haben sich weder die anerkannten Schädigungsfolgen verschlechtert noch sind nach dem letzten bestandskräftigen Bescheid (vom 10.01.2012) neue Schädigungsfolgen aufgetreten.

Der Kläger hätte über § 48 SGB X nur dann einen Anspruch auf Anerkennung weiterer Schädigungsfolgen bzw. Höherbewertung bereits anerkannter Schädigungsfolgen, wenn sich eine wesentliche Änderung im Sinne einer Verschlechterung ergeben hätte. In Betracht dafür kommt neben einer Verschlimmerung der als Schädigungsfolgen bereits anerkannten Gesundheitsstörungen das Auftreten weiterer noch als Schädigungsfolgen anzuerkennender Gesundheitsstörungen nach dem letzten bestandskräftigen Bescheid (ständige Rspr. des Senats, vgl. z. B. Urteil vom 18.03.2013, Az.: L 15 VK 11/11, vom BSG bestätigt mit Beschluss vom 31.07.2013, Az.: B 9 V 31/13 B).

Nichts davon ist vorliegend der Fall.

2.1. Keine wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse unter dem Gesichtspunkt einer Verschlimmerung der anerkannten Schädigungsfolgen

Eine Verschlimmerung liegt nicht vor.

Anerkannt als Schädigungsfolgen sind Haut- und Weichteilnarben am linken Unterschenkel nach Granatsplitterverletzung. Dass sich insofern eine Verschlimmerung ergeben hätte, hat nicht einmal der Kläger selbst behauptet.

Wenn er eine Verschlimmerung seines Gesundheitszustand vorträgt, betrifft dies nur Gesundheitsstörungen, die entweder bereits als Schädigungsfolgen abgelehnt worden sind oder die bereits vor dem bestandskräftigen Bescheid vom 10.01.2012 aufgetreten sind. Letzteres betrifft die vom Kläger behauptete psychische Kriegsfolge, die er erstmals im Schreiben vom 28.09.2011 geltend gemacht hat. Derartige Gesundheitsstörungen können aber keine Berücksichtigung im Rahmen des § 48 SGB X, sondern allenfalls über § 44 SGB X finden.

2.2. Keine wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse unter dem Gesichtspunkt des Auftretens weiterer als Schädigungsfolgen anzuerkennender Gesundheitsstörungen

Neue, d. h. seit dem bestandskräftigen Bescheid vom 10.01.2012 aufgetretene Schädigungsfolgen hat weder der Kläger vorgetragen noch sind solche auch nur ansatzweise ersichtlich.

Eine Berücksichtigung der vom Kläger als weitere Schädigungsfolge geltend gemachten psychischen Störung im Rahmen eines Antrags gemäß § 48 SGB X scheidet schon deshalb aus, weil - folgt man den Angaben des Klägers im Schreiben vom 28.09.2011 - diese Gesundheitsstörung bereits vor dem bestandskräftigen Bescheid vom 10.01.2012 vorgelegen hat.

3. Zur Entscheidung gemäß § 44 SGB X

Der Beklagte hat es zutreffend abgelehnt, im Weg einer Überprüfungsentscheidung gemäß § 44 SGB X die bestandskräftig gewordenen Bescheide, zuletzt vom 10.01.2012, abzuändern und weitere Schädigungsfolgen anzuerkennen.

3.1. Allgemeines zum Prüfungsrahmen des § 44 SGB X

Bei der gesetzlichen Regelung des § 44 SGB X und dem dabei zu beachtenden Prüfungsrahmen ist Folgendes zu berücksichtigen:

Ausgangspunkt ist die gesetzliche Regelung des § 77 SGG, wonach ein Verwaltungsakt für die Beteiligten in der Sache bindend wird, wenn ein Rechtsbehelf nicht oder erfolglos eingelegt wird. Diese Bestandskraft (Unanfechtbarkeit) ist ein wesentliches Prinzip der Rechtsordnung. Mit der Bestandskraft wird Rechtssicherheit geschaffen, weil die Beteiligten wissen, woran sie sind, nämlich dass die Regelung des Verwaltungsakts sie bindet, und Rechtsfrieden garantiert, weil weiterer Streit über den Verwaltungsakt ausgeschlossen ist. Für den Adressaten des Verwaltungsakts ist damit keine unangemessene Benachteiligung verbunden, hat er doch die Möglichkeit, sich im Rahmen der zur Verfügung stehenden Rechtsmittel gegen einen Bescheid zu wehren und dessen Rechtmäßigkeit überprüfen zu lassen. Schöpft er diese Mittel nicht aus oder akzeptiert er den Verwaltungsakt, weil er selbst keinen überzeugenden Zweifel an der Rechtmäßigkeit hat, müssen die Beteiligten die getroffene Regelung in der Zukunft für und gegen sich gelten lassen.

Die Regelung des § 44 SGB X ermöglicht unter bestimmten Voraussetzungen eine ausnahmsweise Abweichung von der Bindungswirkung (Bestandskraft) unanfechtbarer und damit für die Beteiligten bindend gewordener sozialrechtlicher Verwaltungsakte, um damit materielle Rechtmäßigkeit herzustellen. § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X eröffnet dazu zwei Alternativen. Entweder muss bei der bestandskräftig gewordenen Entscheidung das Recht unrichtig angewandt worden (erste Alternative) oder die Behörde muss beim Erlass des bestandskräftig gewordenen Verwaltungsakts von einem Sachverhalt ausgegangen sein, der sich nachträglich aufgrund des Bekanntwerdens neuer Tatsachen als unrichtig erwiesen hat (zweite Alternative).

Nicht Sinn und Zweck des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist es, Fristenregelungen im Zusammenhang mit der Frage der Bestandskraft von Entscheidungen der Verwaltung oder auch der Gerichte auszuhebeln und die mit der Bestandskraft bezweckte Rechtssicherheit und den Rechtsfrieden in das Belieben der Beteiligten zu stellen. § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X kann kein Mittel sein, um durch wiederholte Anträge bei der Behörde diese immer wieder zu Sachentscheidungen (deren Ergebnis wegen der bereits getroffenen Entscheidung absehbar ist) zu zwingen, die dann wiederum gerichtlich in der Sache überprüfbar wären. Würde man dies zulassen, hätte eine Behörde keinerlei Möglichkeit, sich vor wiederholenden Anträgen mit dem sich daraus ergebenden möglicherweise massiven Verwaltungsaufwand, der nicht nur Personal bindet, sondern auch Kosten verursacht, zu schützen.

Bei der oben genannten ersten Alternative handelt es sich um eine rein rechtliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit der bestandskräftig gewordenen Entscheidung, bei der es auf den Vortrag neuer Tatsachen nicht ankommt und die von Amts wegen zu erfolgen hat (vgl. BSG, Urteil vom 05.09.2006, Az.: B 2 U 24/05 R). Eine derartige Überprüfung bedeutet jedoch nicht, dass eine vollständige Überprüfung des Sachverhalts mittels neuer Ermittlung des Sachverhalts und neu einzuholender Gutachten durchzuführen wäre. Vielmehr ist lediglich aus rein rechtlicher Sicht zu würdigen, ob der der bestandskräftig gewordenen Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt rechtlich zutreffend beurteilt und rechtlich in nicht zu beanstandender Weise bewertet worden ist.

Weitergehende Sachermittlungen sind im Rahmen der ersten Alternative nicht geboten. Dies ergibt sich eindeutig aus der Systematik der gesetzlichen Regelung in § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Denn mit der Differenzierung zwischen den aufgezeigten zwei Alternativen (unrichtige Rechtsanwendung einerseits und ursprünglich unrichtig zugrunde gelegter Sachverhalt andererseits) hat der Gesetzgeber deutlich gemacht, dass nicht in jedem Fall eine völlige Überprüfung unter allen in Betracht kommenden Gesichtspunkten zu erfolgen hat. Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass die Verwaltung nicht durch aussichtslose Überprüfungsanträge, die beliebig oft wiederholt werden können, immer wieder zu einer neuen Sachprüfung gezwungen werden soll (vgl. BSG, Urteil vom 06.03.1991, Az.: 9b RAr 7/90). Würde hingegen bereits im Rahmen der ersten Alternative eine umfassende Sachprüfung, d. h. mit einer umfassenden Neuermittlung des zugrunde liegenden Sachverhalts, vorausgesetzt, so stünde dies im Widerspruch zu den gesetzlichen Anforderungen für die zweite Alternative, für die die Benennung neuer Tatsachen und Beweismittel vorausgesetzt wird. Im Rahmen der ersten Alternative sind daher die tatsächlichen Feststellungen, wie sie dem bestandskräftigen Bescheid zugrunde gelegen haben, auch im Überprüfungsverfahren zu beachten und lediglich zu prüfen, ob auf diesen Tatsachen aufbauend, unabhängig von ihrer Richtigkeit, die rechtlichen Schlussfolgerungen zutreffend sind. In dem Verfahren erfolgt eine rein rechtliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit, zu der von Seiten des Klägers zwar Gesichtspunkte beigesteuert werden können, die aber letztlich umfassend von Amts wegen erfolgen muss.

Für die zweite Alternative kommt es auf die Benennung neuer Tatsachen und Beweismittel im Rahmen eines abgestuften Verfahrens an (vgl. BSG, Urteil vom 03.02.1988, Az.: 9/9a RV 18/86, das auch im Urteil des BSG vom 05.09.2006, Az.: B 2 U 24/05 R nicht infrage gestellt worden ist). Die Prüfung bei dieser zweiten Alternative hat sich an den rechtlichen Vorgaben zu orientieren, wie sie auch im Rahmen eines gerichtlichen Wiederaufnahmeverfahrens zu beachten sind. Es liegt daher der zweiten Alternative ein Verfahren zugrunde, bei der es auf die Benennung neuer Tatsachen und Beweismittel ankommt (vgl. BSG, Urteil vom 05.09.2006, Az.: B 2 U 24/05 R).

Ergibt sich bei diesem Verfahren nichts Neues, was für die Unrichtigkeit der Vorentscheidung sprechen könnte, darf sich die Verwaltung ohne jede Sachprüfung auf die Bindungswirkung der bestandskräftigen Entscheidung berufen. Werden zwar neue Tatsachen oder Erkenntnisse vorgetragen und neue Beweismittel benannt, ergibt aber die Prüfung, dass die vorgebrachten Gesichtspunkte nicht tatsächlich vorliegen oder für die frühere Entscheidung nicht erheblich waren, darf sich die Behörde ebenfalls auf die Bindungswirkung stützen.

Eine Behörde ist daher nur dann, wenn die Prüfung zu dem Ergebnis führt, dass ursprünglich nicht bekannte Tatsachen oder Erkenntnisse vorliegen, die für die Entscheidung wesentlich sind, oder wenn sich herausstellt, dass das Recht unrichtig angewandt worden ist, dazu verpflichtet, ohne Rücksicht auf die Bindungswirkung erneut zu entscheiden (vgl. BSG, Urteil vom 03.02.1988, Az.: 9/9a RV 18/86).

Hat eine Behörde unter zutreffender Anwendung des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X eine erneute Sachprüfung und Sachentscheidung abgelehnt, kann sich das Gericht über diese Entscheidung nicht hinwegsetzen und den gesamten Sachverhalt einer wiederholten Sachprüfung unterziehen. Denn § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X gibt nur der Verwaltung selbst, nicht aber dem Gericht die Möglichkeit, sich über eine frühere negative Entscheidung zugunsten des Antragstellers hinwegzusetzen (vgl. BSG, Beschluss vom 09.08.1995, Az.: 9 BVg 5/95; Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteil vom 11.04.2004, Az.: L 8 U 115/02; ständige Rspr. des Senats, vgl. z. B. Urteil vom 18.02.2014, Az.: L 15 VK 3/12).

Diesen Prüfungsmaßstab, den der Senat beispielsweise im Urteil vom 18.03.2013, Az.: L 15 VK 11/11, ausführlich dargestellt hat, hat das BSG, dessen Rechtsprechung zu § 44 SGB X nicht immer einheitlich ist (vgl. vorgenanntes Urteil des Senats vom 18.03.2013, dort Ziff. 3.3.1. der Gründe), ausdrücklich bestätigt, wenn es im Anschluss an das vorgenannte Urteil des Senats mit Beschluss vom 31.07.2013, Az.: B 9 V 31/13 B, Folgendes ausgeführt hat:

„... Zulassung nach § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG scheidet ebenfalls aus. ... Abweichung (Divergenz) ist gegeben, wenn das angefochtene Urteil auf einer bestimmten Rechtsauffassung beruht, die zu der in einer Entscheidung des BSG ... zugrunde gelegten Rechtsansicht in Widerspruch steht. Davon kann hier nicht ausgegangen werden. Die Vorinstanz hat sich an der Rechtsprechung des BSG orientiert.“

3.2. Prüfung im hier zu entscheidenden Fall

Was die Ablehnung der Anerkennung weiterer Schädigungsfolgen mit Ausnahme einer potentiellen psychischen Erkrankung angeht, hat sich der Beklagte zu Recht auf die bestandskräftigen Bescheide, zuletzt vom 10.01.2012, berufen und es daher in nicht zu beanstandender Weise abgelehnt, im Rahmen einer Entscheidung gemäß § 44 SGB X weitere Schädigungsfolgen anzuerkennen und eine Versorgung zu gewähren (vgl. unten Ziff. 3.2.1.).

Sofern die Frage der Anerkennung einer psychischen Erkrankung betroffen ist, hat es der Beklagte unabhängig von der Bestandskraft früherer Entscheidungen nach erneuter Prüfung in der Sache zutreffend abgelehnt, eine solche Erkrankung als weitere Schädigungsfolge anzuerkennen. Denn eine psychische Erkrankung, die auf Ereignisse im Krieg zurückzuführen wäre, liegt nicht vor (vgl. unten Ziff. 3.2.2.).

3.2.1. Zu der mit Hinweis auf die Bestandskraft früherer Entscheidungen erfolgten Ablehnung

Der Beklagte hat zu Recht auf die Bestandskraft früherer Entscheidungen verwiesen und daher die Anerkennung weiterer Schädigungsfolgen abgelehnt. Weitergehende Ermittlungen und eine erneute Prüfung des konkreten Zusammenhangs zwischen Kriegereignis und als Schädigungsfolgen geltend gemachter Gesundheitsstörungen sind den Gerichten daher verwehrt.

3.2.1.1. § 44 Abs. 1 Satz 1, 1. Alternative SGB X - unrichtige Rechtsanwendung

Den bestandskräftigen Bescheiden, mit denen in der Vergangenheit die Anerkennung weiterer Schädigungsfolgen abgelehnt worden sind, liegt keine unrichtige Rechtsanwendung zugrunde.

Unter Zugrundelegung der früheren versorgungsärztlichen und auch gerichtssachverständigen, im Verfahren mit dem Aktenzeichen S 11 V 227/89 gewonnenen Erkenntnisse, die gut und nachvollziehbar begründet sind, sind die früher erfolgten Ablehnungen nicht zu beanstanden. Unter zutreffender Beweiswürdigung und richtiger Anwendung der einschlägigen gesetzlichen Normen, insbesondere den Vorgaben zum hinreichend wahrscheinlichen Zusammenhang gemäß § 1 Abs. 3 BVG, ist die Anerkennung weiterer Schädigungsfolgen abgelehnt worden.

3.2.1.2. § 44 Abs. 1 Satz 1, 2. Alternative SGB X - neue Tatsachen

Der Beklagte hat zu Recht mangels Vortrags neuer Tatsachen auf die Bindungswirkung der bestandskräftigen Bescheide, zuletzt vom 10.01.2012, verwiesen und es abgelehnt, in der Sache erneut zu entscheiden.

Neue Tatsachen hat der Kläger zu keinem Zeitpunkt im Verwaltungsverfahren angegeben. Er hat lediglich bereits früher vorgetragene Erkrankungen wiederholt und seine ebenfalls bereits früher zum Ausdruck gebrachte Meinung, es bestehe ein Zusammenhang mit Geschehnissen im Krieg, erneut geäußert.

3.2.2. Zu der nach Prüfung in der Sache erfolgten Ablehnung der Anerkennung einer psychischen Erkrankung als Schädigungsfolge

Der Beklagte hat es zutreffend abgelehnt, eine psychische Erkrankung als weitere Schädigungsfolge anzuerkennen, da sich ein psychisches Kriegstrauma nicht nachweisen lässt.

3.2.2.1. Prüfungsrahmen des Gerichts

Der Beklagte hat bezüglich der geltend gemachten psychischen Erkrankung nicht auf die Bestandskraft früherer Entscheidungen verwiesen, sondern in der Sache geprüft. Dies hat zur Konsequenz, dass auch das Gericht in der Sache voll zu prüfen hat (vgl. BSG, Beschluss vom 09.08.1995, Az.: 9 BVg 5/95), obwohl in der Vergangenheit bereits eine bestandskräftige Ablehnung erfolgt ist.

3.2.2.2. Voraussetzungen für eine Anerkennung

Für die Anerkennung einer psychischen Erkrankung - mit den Worten des Klägers eines „psychischen Kriegstraumas“ - als Schädigungsfolgen wäre eine im Vollbeweis nachgewiesene (psychische) Gesundheitsstörung erforderlich, die gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 BVG in einem wahrscheinlichen Zusammenhang mit Ereignissen im Krieg stehen müsste.

Vollbeweis im vorgenannten Sinn bedeutet, dass eine Tatsache mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen sein muss (vgl. BSG, Urteil vom 15.12.1999, Az.: B 9 VS 2/98 R). Für diesen Beweisgrad ist es zwar nicht notwendig, dass die erforderlichen Tatsachen mit absoluter Gewissheit feststehen. Ausreichend, aber auch erforderlich ist indessen ein so hoher Grad der Wahrscheinlichkeit, dass bei Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens kein vernünftiger, den Sachverhalt überschauender Mensch mehr am Vorliegen der Tatsachen zweifelt (vgl. BSG, Urteil vom 28.06.2000, Az.: B 9 VG 3/99 R), d. h. dass die Wahrscheinlichkeit an Sicherheit grenzt (vgl. BSG, Urteil vom 05.05.1993, Az.: 9/9a RV 1/92). Die bloße Wahrscheinlichkeit und erst recht nur die Möglichkeit reichen nicht aus.

Wahrscheinlichkeit im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 1 BVG bedeutet, dass nach der geltenden medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang spricht. Eine bloße - abstrakte oder konkrete - Möglichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs reicht nicht aus (vgl. BSG, Urteil vom 26.11.1968, Az.: 9 RV 610/66; für den vergleichbaren Rechtsbereich der gesetzlichen Unfallversicherung: BSG, Urteil vom 22.06.2004, Az.: B 2 U 22/03 R).

3.2.2.3. Prüfung im vorliegenden Fall

Es fehlt bereits an einer im Vollbeweis nachgewiesenen psychischen Erkrankung, die eine Folge von Geschehnissen im Krieg sein könnte.

Bei dieser Einschätzung stützt sich der Senat auf das vom Beklagten eingeholte Gutachten des Dr. H. vom 22.01.2013. Auch wenn dieses Gutachten vom Beklagten in Auftrag gegeben worden ist, sieht der Senat kein Hindernis, dieses Gutachten zu seiner Entscheidungsgrundlage zu machen.

Das BSG weist in ständiger Rechtsprechung (vgl. z. B. Beschluss vom 26.05.2000, Az.: B 2 U 90/00 B) darauf hin, dass zwar nicht als gerichtliche Sachverständigengutachten erstellte ärztliche Gutachten grundsätzlich einen anderen Beweiswert und eine andere Beweiskraft und somit eine andere Aussagekraft besitzen als gerichtliche Gutachten Dies stellt aber kein Hindernis dar, das Verwaltungsgutachten im Wege des Urkundenbeweises gemäß § 118 SGG i. V. m. §§ 415 ff. Zivilprozessordnung zu verwerten und ihm im Rahmen der freien richterlichen Beweiswürdigung gemäß § 128 Abs. 1 SGG zu folgen. Dabei hat das BSG klar gestellt, dass es sich bei dem von einem Sozialleistungsträger gemäß §§ 20, 21 SGB X eingeholten Gutachten nicht um ein bloßes „Privatgutachten“ handelt, sondern um ein im Rahmen der Erfüllung öffentlich-rechtlicher Aufgaben erstelltes Sachverständigengutachten, das auch die Entscheidungsgrundlage für das Gericht sein kann (vgl. BSG, Beschluss vom 12.10.1993, Az.: 13 RJ 71/92). Dies gilt jedenfalls dann, wenn der vom Sozialleistungsträger beauftragte Sachverständige weder dem ärztlichen Dienst des Sozialleistungsträgers angehört noch die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigt (vgl. BSG, Beschluss vom 10.08.1993, Az.: 9/9a BV 185/92). Weitere Ermittlungen von Amts wegen können allenfalls dann angezeigt sein, wenn der andere Verfahrensbeteiligte gegen das durch den Sozialleistungsträger eingeholte Gutachten nicht unerhebliche Einwendungen vorbringt (vgl. BSG, Urteil vom 15.10.1986, Az.: 5b RJ 80/85).

Bei Berücksichtigung dieser Vorgaben steht einer Verwertung des Gutachtens des Dr. H. nichts entgegen. Dr. H. gehört nicht dem versorgungsärztlichen Dienst des Beklagten an, sondern ist ein niedergelassener Arzt. Es gibt nicht den geringsten Anlass, an seiner Unvereingenommenheit und Unparteilichkeit zu zweifeln. Irgendwelche Einwendungen hat der Kläger gegen dieses Gutachten nicht erhoben. Der äußerst erfahrene und gerichtsbekannte Sachverständige Dr. H. hat den Kläger ausführlich begutachtet und seine Einschätzung umfassend und nachvollziehbar begründet. Der Senat stützt sich auf dieses Gutachten und macht sich die Ausführungen des Dr. H. zu eigen.

Danach fehlt es bereits an einer psychischen Erkrankung. Zwar denkt der Kläger zeitweilig an seine Kriegserlebnisse. Diese Erinnerung hat aber keinen Krankheitswert im Sinn einer psychiatrischen Diagnose. Der Kläger hat bei der Untersuchung durch Dr. H. ohne wesentliche emotionale Beteiligung über die Geschehnisse im Krieg berichtet. Vegetative Reaktionen hat er dabei nicht gezeigt. Dies entspricht auch dem Verhalten des Klägers im Erörterungstermin vom 23.04.2014. Auch dort hat der Kläger über unzweifelhaft schreckliche und lebensbedrohliche Situationen im Kampf gegen den „Iwan“ berichtet, ohne aber dadurch besonders berührt zu wirken. Den gleichen Eindruck hat der Kläger schließlich in der mündlichen Verhandlung am 07.05.2014 vermittelt. Über Flashbacks hat er gegenüber Dr. H. nichts erzählt, vielmehr einen guten Schlaf angegeben. Dazu passt auch, dass der Kläger dem Sachverständigen gesagt hat „Ich habe keine Beschwerden“ und erst auf gezielte Nachfrage ein „Kriegstrauma“ behauptet hat. In der mündlichen Verhandlung am 07.05.2014 hat der Kläger zudem von einem „psychischen Kriegstrauma“ im Sinn einer psychischen Erkrankung nichts mehr wissen wollen. Auch hat nach seinen Angaben nie eine Behandlung wegen psychischer Beschwerden stattgefunden. Damit lässt sich eine psychiatrische Erkrankung, die für eine Anerkennung als Schädigungsfolge in Betracht kommen könnte, nicht nur nicht im Vollbeweis nachweisen, sondern dürfte sogar auszuschließen sein. Darauf, dass - wenn die früheren Behauptungen des Klägers zu einem „Kriegstrauma“ zutreffend wären - ein hinreichend wahrscheinlicher Zusammenhang auch wegen des Fehlens jeglicher Brückensymptome und einer symptomlosen Zeit von rund 65 (!) Jahren nicht hergestellt werden könnte, kommt es nicht weiter an.

Die Berufung kann daher unter keinem Gesichtspunkt Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.