Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 23. November 2012 wird zurückgewiesen.

Kosten sind keine zu erstatten.

Tatbestand

1

Umstritten ist die Überprüfung von Bescheiden nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II).

2

Die im Jahr 1973 geborene Klägerin, ihr im Jahr 1970 geborener Ehemann und ihr im Jahr 1998 geborener Sohn bilden eine Bedarfsgemeinschaft und beziehen seit Januar 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Mit undatiertem, beim beklagten Jobcenter am 3.2.2011 eingegangenem Schreiben beantragte sie die "Überprüfung sämtlicher bestandskräftiger Bescheide über Grundsicherung seit dem 01.01.2006 inklusive aller Aufhebungs- und Erstattungsbescheide". Nachdem die Klägerin trotz einer Bitte des Beklagten die zu überprüfenden Bescheide nicht näher benannt hatte, lehnte dieser eine "Prüfung der Bescheide" ab, da mangels Vortrags nicht ersichtlich sei, was für deren Unrichtigkeit spreche (Bescheid vom 1.3.2011). Der durch Stempelaufdruck auf diesem Bescheid erhobene, nicht näher begründete Widerspruch wurde zurückgewiesen (Widerspruchsbescheid vom 9.5.2011).

3

Im Laufe des Klageverfahrens vor dem Sozialgericht (SG) hat die Klägerin mit Schreiben vom 29.8.2011 mitgeteilt, dass sie die Überprüfung begehre der Bescheide vom 8.2.2006, 18.7.2006, 29.1.2007, 22.8.2007, 21.1.2008, 28.7.2008, 26.1.2009, 18.2.2010, 12.8.2010 inklusive aller Änderungsbescheide, des Sanktionsbescheides vom 22.8.2007, der Aufhebungs- und Erstattungsbescheide vom 3.1.2007, 10.1.2008, 7.2.2008, 17.10.2008, 26.7.2010, 3.9.2010. Der Beklagte hat das Schreiben vom 29.8.2011 als neuen Überprüfungsantrag gewertet und mit weiteren Bescheiden "festgestellt", dass die vor dem 1.1.2010 wirksam gewesenen Bescheide vom 8.2.2006, 18.7.2006, 29.1.2007 (vom Beklagten angeführt wird das Datum 28.1.2007), 22.8.2007, 21.1.2008, 28.7.2008, 26.1.2009 - jeweils inklusive aller Änderungsbescheide - und der Sanktionsbescheid vom 22.8.2007 einer Überprüfung wegen Verfristung nicht zugänglich seien (Bescheide vom 27.10.2011, Widerspruchsbescheide vom 1.3.2012).

4

Das SG hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 9.11.2011). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 23.11.2012) und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: (1) Die aufgrund des Schreibens vom 29.8.2011 ergangenen Überprüfungsbescheide vom 27.10.2011 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 1.3.2012 seien nicht Gegenstand des Klageverfahrens geworden, weil diese den angefochtenen Bescheid vom 1.3.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9.5.2011 nicht gemäß § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) geändert oder ersetzt hätten. Letzterer setze voraus, dass die Regelungsgegenstände des früheren und des neuen Bescheides identisch seien; ein bloßer Sachzusammenhang genüge nicht. Ein Überprüfungsbescheid nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) werde nicht Gegenstand des Klageverfahrens gegen den ursprünglichen Bescheid(Hinweis auf Bundessozialgericht vom 30.9.2009 - B 9 SB 19/09 B). Werde ein erster Überprüfungsantrag im Hinblick auf eine mangelnde Konkretisierung der zu überprüfenden Bescheide und ein zweiter Überprüfungsantrag wegen Verfristung nach § 40 Abs 1 Satz 2, § 77 Abs 13 SGB II abgelehnt, handele es sich ebenfalls um verschiedene Regelungsgegenstände. (2) Der angefochtene Bescheid vom 1.3.2011 sei nicht rechtswidrig gewesen und im Rahmen des Vorverfahrens durch den Widerspruchsbescheid vom 9.5.2011 zu Recht bestätigt worden. Der Beklagte habe sich auf die Bindungswirkung seiner früheren Bescheide berufen und es mangels Vortrags der Klägerin ablehnen dürfen, deren Rechtmäßigkeit zu überprüfen. Denn § 44 SGB X erfordere für das Eintreten in eine umfassende Sachprüfung, dass gewisse Mindestanforderungen erfüllt seien. Die Tatsache, dass die Klägerin im Klageverfahren eine Konkretisierung ihres Überprüfungsantrags nachgeschoben habe, führe nicht dazu, dass nun im Gerichtsverfahren die inhaltliche Überprüfung der bestandskräftigen Bescheide vorzunehmen sei. Das Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 29.8.2011 sei vielmehr als neuer Überprüfungsantrag zu werten.

5

Mit der - vom BSG zugelassenen - Revision rügt die Klägerin die Verletzung des § 44 SGB X durch das LSG. Insbesondere habe das LSG die Rechtmäßigkeit der von ihr im Laufe des SG-Verfahrens konkret benannten Bescheide überprüfen müssen. Dass nach heutiger Rechtslage der zu überprüfende Bescheid nicht angegeben werden müsse, folge auch aus den Überlegungen einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Rechtsvereinfachung im SGB II, die ua eine Gesetzesänderung beinhalte, nach der die zu überprüfenden Bescheide zu benennen und die Beschwer zu bezeichnen seien. Nachdem das Urteil des 4. Senats des BSG vom 13.2.2014 (- B 4 AS 22/13 R - vorgesehen für BSGE und SozR 4-1300 § 44 Nr 28) ergangen ist, ist die Revision aufrechterhalten worden, weil die zu überprüfenden Sachverhalte im Antrag vom 3.2.2011 angegeben worden seien und die Benennung der Bescheide nach ihrem Datum nicht erforderlich sei.

6

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 23. November 2012 und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Cottbus vom 9. November 2011 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 1. März 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Mai 2011 zu verpflichten, die Bescheide vom 8. Februar 2006, 18. Juli 2006, 29. Januar 2007, 22. August 2007, 21. Januar 2008, 28. Juli 2008, 26. Januar 2009, 18. Februar 2010, 12. August 2010, jeweils inklusive aller Änderungsbescheide, zu ändern und höhere Leistungen nach dem SGB II zu gewähren, sowie den Sanktionsbescheid vom 22. August 2007 und die Aufhebungs- und Erstattungsbescheide vom 3. Januar 2007, 10. Januar 2008, 7. Februar 2008, 17. Oktober 2008, 26. Juli 2010, 3. September 2010 aufzuheben.

7

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Beide Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG). Das LSG hat in seinem angefochtenen Urteil vom 23.11.2012 zu Recht ihre Berufung gegen den Gerichtsbescheid des SG vom 9.11.2011 zurückgewiesen, in dem dieses die Klage auf Aufhebung des Bescheides des Beklagten vom 1.3.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9.5.2011 und die Überprüfung der im Klageverfahren von der Klägerin bezeichneten Bescheide abgewiesen hat.

10

1. Streitgegenstand des Revisionsverfahrens sind nur die genannten vorinstanzlichen Entscheidungen und der genannte Bescheid des Beklagten sowie das Überprüfungsbegehren der Klägerin, nicht aber - wie das LSG zu Recht erkannt hat - die Bescheide des Beklagten vom 27.10.2011 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 1.3.2012. Denn letztere haben den Bescheid vom 1.3.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9.5.2011 nicht gemäß § 96 Abs 1 SGG geändert oder ersetzt.

11

Voraussetzung für die Anwendung des § 96 Abs 1 SGG ist ua eine zumindest teilweise Identität der Regelungsgegenstände beider Verwaltungsakte, die ähnlich wie der Streitgegenstand durch einen Vergleich beider Verfügungssätze sowie des zugrunde liegenden Sachverhaltes zu ermitteln sind; ein bloßer Sachzusammenhang genügt nicht (BSG vom 30.9.2009 - B 9 SB 19/09 B zu einem Ausgangs- und einem Überprüfungsbescheid; BSG vom 17.10.2012 - B 6 KA 40/11 R - SozR 4-2500 § 95 Nr 27 RdNr 21 mwN; BSG vom 15.11.2012 - B 8 SO 22/10 R - FEVS 64, 486, RdNr 14). Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt, weil in den Bescheiden vom 27.10.2011 nicht auf den früheren Bescheid vom 1.3.2011 Bezug genommen wird und in ihrer Begründung für die Ablehnung der Überprüfung der ursprünglichen Bescheide nicht auf deren mangelnde Konkretisierung abgehoben wurde, sondern auf die Verfristung des Überprüfungsantrags vom 29.8.2011 nach § 40 Abs 1 Satz 2, § 77 Abs 13 SGB II idF der Neubekanntmachung vom 13.5.2011 (BGBl I 850). Dem Bescheid vom 1.3.2011 und den Bescheiden vom 27.10.2011 liegen unterschiedliche Anträge gegenüber dem Beklagten hinsichtlich ihrer Zeitpunkte sowie Inhalte und damit unterschiedliche Sachverhalte zugrunde.

12

2. Prozessuale Hindernisse stehen einer Sachentscheidung des Senats nicht entgegen. Aufgrund der Einverständnisse der Beteiligten konnte nach § 124 Abs 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden werden. Aus den Bescheiden des Beklagten vom 27.10.2011 folgt aufgrund der unterschiedlichen Regelungsgegenstände gegenüber dem hier angefochtenen Bescheid vom 1.3.2011 nichts für das vorliegende Verfahren.

13

3. Die Revision der Klägerin ist unbegründet, weil - wie das LSG zutreffend entschieden hat - der Beklagte in dem angefochtenen Bescheid vom 1.3.2011 zu Recht die von der Klägerin im Verwaltungsverfahren beantragte "Überprüfung sämtlicher bestandskräftiger Bescheide über Grundsicherung seit dem 01.01.2006 inklusive aller Aufhebungs- und Erstattungsbescheide" abgelehnt hat, auch wenn eine Benennung von Bescheiden im Laufe des anschließenden Gerichtsverfahrens erfolgt ist.

14

Als Rechtsgrundlage für das Begehren der Klägerin kommt nur § 40 Abs 1 Satz 1 SGB II iVm § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X in Betracht, nach dem ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind.

15

a) Zu den Voraussetzungen für einen Überprüfungsantrag eines Leistungsberechtigten nach § 44 SGB X hat der 4. Senat in seinem Urteil vom 13.2.2014 (- B 4 AS 22/13 R - vorgesehen für BSGE und SozR 4-1300 § 44 Nr 28 mwN), dem sich der erkennende Senat angeschlossen hat (Beschluss vom 4.6.2014 - B 14 AS 335/13 B), ausgeführt: Erfolgt die Überprüfung aufgrund eines Antrags des Leistungsberechtigten, löst dieser Antrag zwar grundsätzlich eine Prüfpflicht des Leistungsträgers aus, deren Umfang aber von dem Antrag und dessen Begründung abhängig ist. Eine solche Prüfung erfordert, dass der Antrag konkretisierbar ist und entweder aus dem Antrag selbst - ggf nach Auslegung - oder aus einer Antwort des Antragstellers auf eine Nachfrage des Leistungsträgers der Umfang der Prüfpflicht für die Verwaltung bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens erkennbar ist. Andernfalls ist der Leistungsträger berechtigt, von einer inhaltlichen Prüfung des Antrags abzusehen. Dies folgt aus dem Wortlaut des § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X, nach dem "im Einzelfall" beim Vorliegen der Voraussetzungen die Rücknahme eines Verwaltungsaktes erfolgen soll, was in der Konsequenz bedeutet, dass der Überprüfungsantrag des Leistungsberechtigten einen oder ggf mehrere zu überprüfende Verwaltungsakte konkret aufführen muss. Dies ist nur dann entbehrlich, wenn bei objektiver Betrachtung aus dem Vorbringen des Antragstellers der zu überprüfende Verwaltungsakt ohne Weiteres zu ermitteln ist. Dafür streitet auch der Sinn und Zweck des § 44 SGB X, der die Konfliktsituation zwischen der Bindungswirkung eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes und der materiellen Gerechtigkeit zugunsten letzterer auflösen will, was jedoch nur möglich ist, wenn der Verwaltung der zu lösende Konflikt bekannt ist. Aus den von der Klägerin angeführten Überlegungen einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe über Gesetzesänderungen kann mangels näherer Begründungen nichts Abweichendes hergeleitet werden.

16

Nach diesen Voraussetzungen hat die Klägerin mit dem am 3.2.2011 beim Beklagten eingegangenen Schreiben keinen Überprüfungsantrag gestellt, der zu einer inhaltlichen Überprüfung einzelner Verwaltungsakte führen musste. Vielmehr ist dieser Antrag zu Recht von dem Beklagten mangels Bestimmbarkeit der zu überprüfenden Verwaltungsakte abgelehnt worden. Denn die Klägerin hat die "Überprüfung sämtlicher bestandskräftiger Bescheide über Grundsicherung seit dem 01.01.2006 inklusive aller Aufhebungs- und Erstattungsbescheide" beantragt und keinen zu überprüfenden Bescheid genau benannt. Entgegen dem Vorbringen der Klägerin im Revisionsverfahren kann ihrem Antrag aufgrund der in ihm angeführten, zu überprüfenden Umstände keine Konkretisierung entnommen werden. Die von ihr angegebenen Prüfungspunkte "Kosten der Unterkunft und Heizung" sowie "Einkommensanrechnung", insbesondere hinsichtlich des Kindergeldes, der Freibeträge und des Werbungskostenabzugs, sind nicht derart prägnant, dass aus ihnen konkrete Prüfungspunkte hinsichtlich bestimmter, einzelner Verwaltungsakte abgeleitet werden können. Sie stellen sich vielmehr in jedem Bescheid über Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II, in dem diese Bedarfe anfallen oder entsprechende Einnahmen zu berücksichtigen sind.

17

Dass dem nicht weiter eingeengten Antrag vom 3.2.2011 kein konkreter zu überprüfender Verwaltungsakt oder ggf bestimmte mehrere entnommen werden konnten, zeigt auch der später im Gerichts- und nun im Revisionsverfahren von der Klägerin gestellte Antrag mit der Benennung zahlreicher Bescheide, der aber immer noch unvollständig ist, wenn zB die Überprüfung des Bescheides vom 8.2.2006 "inklusive aller Änderungsbescheide" begehrt wird, weil letztere nicht konkret benannt sind und auch kein Umstand aufgeführt wird, auf den sich die Überprüfung beziehen soll.

18

b) Durch diese Benennung von Bescheiden, auf die sich der am 3.2.2011 gestellte Überprüfungsantrag beziehen soll, im Schreiben vom 29.8.2011 im Laufe des Verfahrens vor dem SG wird - in Übereinstimmung mit dem Urteil des 4. Senats vom 13.2.2014 (- B 4 AS 22/13 R - vorgesehen für BSGE und SozR 4-1300 § 44 Nr 28, RdNr 16) - der Bescheid des Beklagten vom 1.3.2011 nicht rechtswidrig.

19

Der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist anhand des materiellen Rechts zu ermitteln und neben der jeweiligen Klageart vor allem von dem materiell-rechtlichen Begehren des Antragstellers oder Klägers abhängig (vgl das vom 4. Senat angeführte Urteil des 5. Senats vom 25.1.2011 - B 5 R 47/10 R - RdNr 12 mwN, das eine Änderung der Rechtslage betraf; Böttiger in Breitkreuz/Fichte, SGG Kommentar, 2. Aufl 2014, § 54 RdNr 67, 98; Keller, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG Kommentar, 11. Aufl 2014, § 54 RdNr 32 ff). Von der bekannten Faustformel "Bei reinen Anfechtungsklagen ist der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung maßgeblich, bei Verpflichtungs- und Leistungsklagen der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung." gibt es zahlreiche Ausnahmen (BSG vom 13.3.1997 - 11 RAr 51/96 - SozR 3-4100 § 152 Nr 7, Juris-RdNr 21 ff; BSG vom 2.5.2012 - B 11 AL 18/11 R - SozR 4-4300 § 144 Nr 24 RdNr 26; Böttiger in Breitkreuz/Fichte, SGG, aaO, § 54 RdNr 67 f, 98, 132; Castendiek in SGG Handkommentar, 4. Aufl 2012, § 54 RdNr 55 ff, 76 ff, 101, 131; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, aaO, § 54 RdNr 33a, 34 ff; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, VII, RdNr 97 ff; Ulmer in Hennig, SGG Kommentar mit Nebenrecht, Stand der Einzelkommentierung 2/2009, § 54 RdNr 134 ff; vgl zum verwaltungsgerichtlichen Verfahren nur: Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl 2013, § 113 RdNr 29 ff, 217 ff).

20

Zumindest in Rechtsstreitigkeiten über die Beurteilung, ob ein hinreichend konkretisierter Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X vorliegt, ist auf den Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung über diesen Überprüfungsantrag abzustellen. Andernfalls würden die oben dargestellten Ziele des § 44 SGB X leerlaufen und die inhaltliche Überprüfung des bestandskräftigen Verwaltungsaktes, einschließlich möglicher Ermittlungen, von der Verwaltung auf das Gericht verlagert. Zudem erschöpft sich der Verwaltungsakt über die Ablehnung der Überprüfung in dieser - einmaligen - Regelung und hat keinerlei Wirkungen für die Zukunft, in der bei einer späteren Änderung der Sachlage eine andere Beurteilung der einmal getroffenen Entscheidung gerechtfertigt sein kann. Der Betroffene kann vielmehr, so wie es die Klägerin auch durch den Überprüfungsantrag vom 29.8.2011 gemacht hat, einen erneuten Antrag stellen, über den dann aufgrund der durch diesen Antrag neuen Sachlage zu entscheiden ist.

21

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

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(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

(1) Für das Verfahren nach diesem Buch gilt das Zehnte Buch. Abweichend von Satz 1 gilt § 44 des Zehnten Buches mit der Maßgabe, dass

1.
rechtswidrige nicht begünstigende Verwaltungsakte nach den Absätzen 1 und 2 nicht später als vier Jahre nach Ablauf des Jahres, in dem der Verwaltungsakt bekanntgegeben wurde, zurückzunehmen sind; ausreichend ist, wenn die Rücknahme innerhalb dieses Zeitraums beantragt wird,
2.
anstelle des Zeitraums von vier Jahren nach Absatz 4 Satz 1 ein Zeitraum von einem Jahr tritt.
Abweichend von Satz 1 gelten die §§ 45, 47 und 48 des Zehnten Buches mit der Maßgabe, dass ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit nicht aufzuheben ist, wenn sich ausschließlich Erstattungsforderungen nach § 50 Absatz 1 des Zehnten Buches von insgesamt weniger als 50 Euro für die Gesamtheit der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft ergäben. Bei der Prüfung der Aufhebung nach Satz 3 sind Umstände, die bereits Gegenstand einer vorherigen Prüfung nach Satz 3 waren, nicht zu berücksichtigen. Die Sätze 3 und 4 gelten in den Fällen des § 50 Absatz 2 des Zehnten Buches entsprechend.

(2) Entsprechend anwendbar sind die Vorschriften des Dritten Buches über

1.
(weggefallen)
2.
(weggefallen)
3.
die Aufhebung von Verwaltungsakten (§ 330 Absatz 2, 3 Satz 1 und 4);
4.
die vorläufige Zahlungseinstellung nach § 331 mit der Maßgabe, dass die Träger auch zur teilweisen Zahlungseinstellung berechtigt sind, wenn sie von Tatsachen Kenntnis erhalten, die zu einem geringeren Leistungsanspruch führen;
5.
die Erstattung von Beiträgen zur Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung (§ 335 Absatz 1, 2 und 5); § 335 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 5 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 ist nicht anwendbar, wenn in einem Kalendermonat für mindestens einen Tag rechtmäßig Bürgergeld nach § 19 Absatz 1 Satz 1 gewährt wurde; in den Fällen des § 335 Absatz 1 Satz 2 und Absatz 5 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 2 besteht kein Beitragserstattungsanspruch.

(3) Liegen die in § 44 Absatz 1 Satz 1 des Zehnten Buches genannten Voraussetzungen für die Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes vor, weil dieser auf einer Rechtsnorm beruht, die nach Erlass des Verwaltungsaktes

1.
durch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts für nichtig oder für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt worden ist oder
2.
in ständiger Rechtsprechung anders als durch den für die jeweilige Leistungsart zuständigen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende ausgelegt worden ist,
so ist der Verwaltungsakt, wenn er unanfechtbar geworden ist, nur mit Wirkung für die Zeit nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts oder ab dem Bestehen der ständigen Rechtsprechung zurückzunehmen. Bei der Unwirksamkeit einer Satzung oder einer anderen im Rang unter einem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschrift, die nach § 22a Absatz 1 und dem dazu ergangenen Landesgesetz erlassen worden ist, ist abweichend von Satz 1 auf die Zeit nach der Entscheidung durch das Landessozialgericht abzustellen.

(4) Der Verwaltungsakt, mit dem über die Gewährung von Leistungen nach diesem Buch abschließend entschieden wurde, ist mit Wirkung für die Zukunft ganz aufzuheben, wenn in den tatsächlichen Verhältnissen der leistungsberechtigten Person Änderungen eintreten, aufgrund derer nach Maßgabe des § 41a vorläufig zu entscheiden wäre.

(5) Verstirbt eine leistungsberechtigte Person oder eine Person, die mit der leistungsberechtigten Person in häuslicher Gemeinschaft lebt, bleiben im Sterbemonat allein die dadurch eintretenden Änderungen in den bereits bewilligten Leistungsansprüchen der leistungsberechtigten Person und der mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen unberücksichtigt; die §§ 48 und 50 Absatz 2 des Zehnten Buches sind insoweit nicht anzuwenden. § 118 Absatz 3 bis 4a des Sechsten Buches findet mit der Maßgabe entsprechend Anwendung, dass Geldleistungen, die für die Zeit nach dem Monat des Todes der leistungsberechtigten Person überwiesen wurden, als unter Vorbehalt erbracht gelten.

(6) § 50 Absatz 1 des Zehnten Buches ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass Gutscheine in Geld zu erstatten sind. Die leistungsberechtigte Person kann die Erstattungsforderung auch durch Rückgabe des Gutscheins erfüllen, soweit dieser nicht in Anspruch genommen wurde. Eine Erstattung der Leistungen nach § 28 erfolgt nicht, soweit eine Aufhebungsentscheidung allein wegen dieser Leistungen zu treffen wäre. Satz 3 gilt nicht im Fall des Widerrufs einer Bewilligungsentscheidung nach § 29 Absatz 5 Satz 2.

(7) § 28 des Zehnten Buches gilt mit der Maßgabe, dass der Antrag unverzüglich nach Ablauf des Monats, in dem die Ablehnung oder Erstattung der anderen Leistung bindend geworden ist, nachzuholen ist.

(8) Für die Vollstreckung von Ansprüchen der in gemeinsamen Einrichtungen zusammenwirkenden Träger nach diesem Buch gilt das Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz des Bundes; im Übrigen gilt § 66 des Zehnten Buches.

(9) § 1629a des Bürgerlichen Gesetzbuchs gilt mit der Maßgabe, dass sich die Haftung eines Kindes auf das Vermögen beschränkt, das bei Eintritt der Volljährigkeit den Betrag von 15 000 Euro übersteigt.

(10) Erstattungsansprüche nach § 50 des Zehnten Buches, die auf die Aufnahme einer bedarfsdeckenden sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung zurückzuführen sind, sind in monatlichen Raten in Höhe von 10 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs zu tilgen. Dies gilt nicht, wenn vor Tilgung der gesamten Summe erneute Hilfebedürftigkeit eintritt.

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 26. März 2013 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander auch für das Revisionsverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist die Überprüfung und Rücknahme aller Bescheide über die Gewährung, Aufhebung und Erstattung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende für den Zeitraum seit Januar 2006.

2

Der 1973 geborene Kläger bezog seit Januar 2005 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Auf den Antrag des anwaltlich vertretenen Klägers vom 28.7.2010, sämtliche bestandskräftige Bescheide seit dem 1.1.2006 "auf ihre Rechtmäßigkeit" zu überprüfen, forderte der Beklagte ihn unter Fristsetzung bis zum 15.8.2010 auf, eine detaillierte Aufstellung der angefochtenen Bescheide vorzulegen. Eine Überprüfung des Sachverhaltes werde ansonsten nicht vorgenommen. Nachdem keine Reaktion erfolgt war, lehnte der Beklagte eine Prüfung der Bescheide ab (Bescheid vom 16.8.2010; Widerspruchsbescheid vom 11.10.2010).

3

Im sozialgerichtlichen Verfahren hat der Kläger vorgetragen, in den Bewilligungsbescheiden vom 23.11.2005, 12.6.2006, 14.12.2006, 29.5.2007, 26.11.2007, 2.6.2008 und 24.11.2008 seien die Kosten für Unterkunft und Heizung falsch ermittelt, der Beklagte habe den Abzug der Kosten für die Warmwasseraufbereitung unrichtig vorgenommen. Im August 2006 müsse eine Nachforderung aus einer Betriebskostenabrechnung in Höhe von 108,36 Euro berücksichtigt werden. Gleiches gelte für die Betriebskostenabrechnungen für das Jahr 2006 (Bescheid vom 22.6.2007) und für das Jahr 2007 (Bescheid vom 8.5.2008). Der Beklagte habe jeweils einen zu geringen Betrag berücksichtigt.

4

Das SG hat die Klage teilweise als unzulässig zurückgewiesen, im Übrigen als unbegründet abgewiesen (Urteil vom 15.3.2011). Soweit die Klagebegründung einen erneuten Überprüfungsantrag beinhalte, fehle es an einem ordnungsgemäßen Vorverfahren. Im Übrigen handele es sich bei der in § 44 SGB X vorgesehenen Korrekturmöglichkeit um eine Einzelfallprüfung. Ein "globaler" Überprüfungsantrag werde von der Norm nicht erfasst.

5

Das LSG hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteil vom 26.3.2013). Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf eine schranken- und voraussetzungslose Sach- und Rechtsprüfung der seit Januar 2006 erlassenen Bescheide. Aus dem Wortlaut und der Systematik ergebe sich, dass jeweils nur ein Anspruch auf Überprüfung einzelner Verwaltungsentscheidungen, nicht auf ein ggf umfangreiches Verwaltungshandeln über einen mehrjährigen Zeitraum bestehe. Für den Bereich des SGB II habe der Gesetzgeber die Bedeutung der Rechtssicherheit mit Wirkung zum 1.4.2011 weiter hervorgehoben und durch eine Ergänzung in § 40 Abs 1 S 2 SGB II die Rückwirkung auf ein Jahr begrenzt. Zudem werde das Leistungsverhältnis Bürger - Behörde im Bereich des SGB II schon materiell-rechtlich, dh aufgrund des Gegenstandes und des Normprogramms, durch Veränderungen in der Lebenswirklichkeit der Betreffenden ungleich mehr als im Sozialrecht sonst üblich geprägt. Im Interesse einer funktionsfähigen Verwaltung erfahre § 44 SGB X daher im SGB II eine Einschränkung. Unter Beachtung dieser Grundsätze folge aus dem Antrag des Klägers keine Pflicht zur Überprüfung von Bescheiden in der Sache, weil er diese bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens nicht benannt habe. Soweit er mit seiner Klagebegründung die zu überprüfenden Bescheide des Beklagten und Gründe für die aus seiner Sicht rechtswidrigen Regelungen benannt habe, sei zwar bei der Beurteilung von Bescheiden im Überprüfungsverfahren bei einer zulässigen Anfechtungs- und Verpflichtungsklage der für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgebliche Zeitpunkt derjenige der letzten mündlichen Verhandlung der Tatsacheninstanz. Hänge das Überprüfungsbegehren aber von Mitwirkungsobliegenheiten im Verwaltungsverfahren ab, seien Gerichte nicht verpflichtet, auf die Nachholung der schon bestehenden Mitwirkungsobliegenheit die nunmehr konkret benannten Bescheide erstmals zu überprüfen.

6

Mit seiner Revision macht der Kläger geltend, es sei kein plausibler Grund dafür ersichtlich, warum eine Überprüfung "sämtlicher" erlassener Bescheide des Beklagten nur dann möglich sein solle, wenn der Antragsteller diese nochmals aufliste. Da der Überprüfungsantrag ausschließlich auf eine fehlerhafte Rechtsanwendung gestützt worden sei, bedürfe es keiner weiteren Darlegungen.

7

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 26. März 2013 aufzuheben, das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 15. März 2011 abzuändern und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 16. August 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Oktober 2010 zu verpflichten, die Bescheide vom 23. November 2005, 12. Juni 2006, 14. Dezember 2006, 29. Mai 2007, 22. Juni 2007, 26. November 2007, 8. Mai 2008, 2. Juni 2008 und 24. November 2008 teilweise zurückzunehmen und dem Kläger für die in den Bescheiden geregelten Bewilligungszeiträume höhere Leistungen nach dem SGB II zu gewähren.

8

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Er bezieht sich auf das angefochtene Urteil.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision ist zulässig, jedoch unbegründet.

11

1. Streitgegenstand ist die Gewährung höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts im Zeitraum vom 1.1.2006 bis 30.6.2009, als dies durch die im Antrag bezeichneten Bescheide des Beklagten geschehen ist. Richtige Klageart ist hier eine kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage (zuletzt BSG Urteil vom 12.12.2013 - B 4 AS 17/13 R - SozR 4-1500 § 192 Nr 2 RdNr 4; BSG Urteil vom 28.2.2013 - B 8 SO 4/12 R - RdNr 9; vgl auch Baumeister in juris-PK SGB X, § 44 RdNr 154, Stand 4/2013; Steinwedel in Kasseler Kommentar, § 44 SGB X RdNr 30, Stand 09/2013 mwN; Waschull in LPK-SGB X, 3. Aufl 2011, § 44 RdNr 59; aA in einem obiter dictum: BSGE 97, 54 = SozR 4-2700 § 8 Nr 18, jeweils RdNr 9; wohl auch Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, Kap IV RdNr 76). Der Kläger begehrt mit der Anfechtungsklage die Aufhebung des - die Überprüfung der zuvor benannten Bescheide ablehnenden - Verwaltungsakts vom 16.8.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.10.2010. Die Verpflichtungsklage ist auf die Erteilung eines Bescheids durch den Beklagen gerichtet, mit dem dieser die begehrte Änderung der bezeichneten Bewilligungsbescheide bewirkt. Mit der Leistungsklage beantragt er die Erbringung höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts im streitigen Zeitraum.

12

2. Der Beklagte hat es hier rechtlich zutreffend abgelehnt, eine inhaltliche Überprüfung der benannten Verwaltungsakte nach § 44 SGB X vorzunehmen. Es mangelt bereits an einem hinreichend objektiv konkretisierbaren Antrag im Sinne dieser Vorschrift.

13

a) Nach § 40 Abs 1 S 1 SGB II iVm § 44 Abs 1 S 1 SGB X ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Erfolgt die Überprüfung aufgrund eines Antrags des Leistungsberechtigten, löst dieser Antrag zwar grundsätzlich eine Prüfpflicht des Leistungsträgers aus. Der Antrag bestimmt jedoch zugleich auch den Umfang des Prüfauftrags der Verwaltung im Hinblick darauf, ob bei Erlass des Verwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt oder von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen worden ist. Aufgrund oder aus Anlass des Antrags muss sich der Verwaltung im Einzelfall objektiv erschließen, aus welchem Grund - Rechtsfehler und/oder falsche Sachverhaltsgrundlage - nach Auffassung des Leistungsberechtigten eine Überprüfung erfolgen soll. Dazu muss der Antrag konkretisierbar sein, dh entweder aus dem Antrag selbst - ggf nach Auslegung - oder aus einer Antwort des Leistungsberechtigten aufgrund konkreter Nachfrage des Sozialleistungsträgers muss der Umfang des Prüfauftrags für die Verwaltung bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens erkennbar werden. Ist dies nicht der Fall, ist der Sozialleistungsträger berechtigt, von einer inhaltlichen Prüfung dieses Antrags abzusehen. Diese Begrenzung des Prüfauftrags der Verwaltung wird durch den Wortlaut, die Gesetzesbegründung sowie den Sinn und Zweck des § 44 SGB X gestützt.

14

b) Nach dem Wortlaut von § 44 Abs 1 S 1 SGB X soll "im Einzelfall" eine Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes - sei es ein rechtswidriger belastender Verwaltungsakt, mit dem Leistungen ganz oder teilweise abgelehnt worden sind, sei es ein Rückforderungsbescheid(vgl Voelzke/Hahn, SGb 2012, 685, mwN) - erfolgen. Hieraus hat der erkennende Senat geschlossen, dass dann, wenn nicht ein einzelner oder mehrere konkrete, ihrer Zahl nach bestimmbare Verfügungssätze von Verwaltungsakten, sondern das Verwaltungshandeln - ohne jede Differenzierung - insgesamt zur Überprüfung durch die Verwaltung gestellt wird, keine Prüfung im Einzelfall begehrt wird. Trotz des Vorliegen eines "Antrags" löst ein solches Begehren bereits nach dem Wortlaut der Vorschrift noch keine inhaltliche Prüfpflicht des Sozialleistungsträgers aus (BSG Beschluss vom 14.3.2012 - B 4 AS 239/11 B - juris-RdNr 6).

15

c) Eine Entbindung von der inhaltlichen Prüfung setzt allerdings voraus, dass der Sozialleistungsträger "den Einzelfall", also die konkreten Inhalte eines bestimmten Bescheides, die zur Überprüfung gestellt werden sollen, bei objektiver Betrachtung nicht ermitteln kann. Ein Prüfanliegen "im Einzelfall" ist daher zu bejahen, wenn entweder eine bestimmte Fragestellung tatsächlicher oder rechtlicher Natur oder eine konkrete Verwaltungsentscheidung benannt wird. Auch bei einem Antrag nach § 44 SGB X hat die Verwaltung den Untersuchungsgrundsatz des § 20 SGB X zu beachten. Insofern kann es - je nach den konkreten Umständen der Antragstellung - erforderlich sein, dass der Träger auf eine Konkretisierung des Überprüfungsbegehrens durch den Leistungsberechtigten iS des § 21 Abs 2 S 1 SGB X hinwirkt. In welchem Umfang der Leistungsträger seiner Amtsermittlungspflicht nachzukommen hat, beurteilt sich jedoch nach Lage des Einzelfalls. Als Kriterium für den Umfang der Amtsermittlungspflicht des SGB II-Trägers ist beispielsweise zu berücksichtigen, ob der Leistungsberechtigte (mit juristischem Sachverstand) vertreten oder unvertreten ist oder ob sich aus vorangegangenen Kontakten zwischen ihm und der Verwaltung Anhaltspunkte für das Begehren des Antragstellers ergeben. Auch kann von Bedeutung sein, in welchem Gesamtkontext ein Überprüfungsantrag gestellt wird. Wenn - jedoch wie im vorliegenden Fall - auch auf Nachfrage des SGB II-Trägers bei dem Rechtsanwalt der Antragstellerin keine Angaben gemacht werden, die eine Konkretisierung für den Einzelfall ermöglichen, sondern weiter pauschal auf die Überprüfung sämtlicher Bescheide verwiesen wird, ist der Sozialleistungsträger objektiv nicht in der Lage, seinen Prüfauftrag zu bestimmen. In diesem Sinne wird auch in dem Entwurf zur Begründung des § 42 SGB X (heute § 44 SGB X) darauf hingewiesen, Voraussetzung für die Rücknahme solle sein, dass der Behörde im Einzelfall die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes bekannt werde(BT-Drucks 8/2034, S 34). Der Sozialleistungsträger muss also zumindest in die Lage versetzt werden, bestimmen zu können, welcher Verwaltungsakt rechtswidrig sein könnte. Dies war hier bis zur Erteilung des Widerspruchsbescheides nicht der Fall.

16

d) Es genügt nicht, wenn der Leistungsberechtigte - wie hier - eine Nachbesserung des bis dahin unbestimmten und nicht objektiv konkretisierbaren Antrags erst im Klageverfahren vornimmt. Für die Beurteilung, ob die formellen Erfordernisse eines solchen Antrags vorliegen, der überhaupt erst eine Prüfpflicht des Leistungsträgers auslöst, ist auf die zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung zu diesem Überprüfungsantrag vorgetragenen tatsächlichen und/oder rechtlichen Anhaltspunkte abzustellen.

17

Soweit das LSG mit Hinweis auf eine Entscheidung des 5. Senats des BSG (Urteil vom 25.1.2011 - B 5 R 47/10 R - RdNr 12) für die Bestimmung des maßgeblichen Zeitpunkts zur Beurteilung der Sach- und Rechtslage im Überprüfungsverfahren im Ansatz davon ausgegangen ist, dass dies derjenige der letzten mündlichen Verhandlung sei, handelte es sich bei der Entscheidung des 5. Senats um eine andere Ausgangslage. In dem dortigen Verfahren war umstritten, ob konkrete "Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden" sind. Ob diese neben der Antragsstellung zu beachtende (weitere) Rücknahmevoraussetzung erfüllt ist, kann sich nach der materiellen Rechtslage richten, die im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Überprüfungsentscheidung gilt. Insofern ist neues Recht und auch erstmaliges Vorbringen der Beteiligten im Klageverfahren hierzu nach der Entscheidung des 5. Senats des BSG zu berücksichtigen, wenn das neue Recht das streitige Rechtsverhältnis nach seinem Geltungswillen "mit Rückwirkung" erfassen soll. Vorliegend fehlt es jedoch bereits an der vorrangig zu prüfenden verfahrensrechtlichen Voraussetzung für ein (Wieder)Aufleben ("Ingangbringen") der Prüfverpflichtung des Sozialleistungsträgers nach § 44 SGB X.

18

e) Ohne Bedeutung für die hier behandelte Fallgestaltung des nicht einzelfallbezogenen Antrags ist es, dass nach der Rechtsprechung des 4. Senats des BSG eine Einschränkung im Verfahren nach § 44 SGB X unter Rückgriff auf § 51 Abs 1 VwVfG vorgenommen werden darf mit der Folge einer gestuften Prüfungsverpflichtung bei einem "unrichtigen Sachverhalt"(BSGE 88, 75 = SozR 3-2200 § 1265 Nr 20). Nicht einschlägig ist hier auch die Rechtsprechung des 9. Senats des BSG, der eine Prüfpflicht nur dann annehmen will, wenn Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit des der früheren Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalts vorhanden sind (BSGE 63, 33 = SozR 1300 § 44 Nr 33). Wird das Verwaltungshandeln umfassend zur Überprüfung gestellt, mangelt es bereits an einem konkreten Anlass zum Eintritt in die zuvor aufgezeigten "Prüfstadien". Bereits auf der davor liegenden Stufe fehlt es an Hinweisen, wie sich der Prüfumfang bestimmen soll, wenn - wie hier - auch auf Nachfrage bei dem Leistungsberechtigten keine weiteren Angaben gemacht werden. Gleiches gilt, wenn sich die Rechtswidrigkeit aus einer unrichtigen Anwendung des Rechts ergeben soll. Nach Auffassung des 2. Senats des BSG soll zwar im Zugunstenverfahren nach § 44 SGB X auch ohne neues Vorbringen des Antragstellers immer eine Prüfverpflichtung bestehen, ob bei Erlass des bindend gewordenen Verwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt wurde(BSGE 97, 54 = SozR 4-2700 § 8 Nr 18, RdNr 12). Dies setzt jedoch voraus, dass die Verwaltung überhaupt "einzelfallbezogen" erkennen kann, welcher Bescheid zu überprüfen ist. Ansonsten kann sie bereits den Gegenstand der Prüfung nicht bestimmen und nicht dem Sinn und Zweck des § 44 SGB X entsprechend handeln.

19

f) Ziel des § 44 SGB X ist es, die Konfliktsituation zwischen der Bindungswirkung eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes und der materiellen Gerechtigkeit zu Gunsten letzterer aufzulösen(BSG SozR 3-1300 § 44 Nr 24, juris-RdNr 16; Merten in Hauck/Noftz, SGB X, K § 44 RdNr 2, Stand XII/12; Schütze in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2013, § 44 RdNr 2, vor 44-49, RdNr 1; Steinwedel in Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, § 44 SGB X RdNr 2, Stand IX/2013; Waschull in LPK-SGB X, 3. Aufl 2011, vor §§ 44-51 RdNr 13; vgl auch Voelzke/Hahn, SGb 2012, 685). Eine Konfliktlösung in diesem Sinne ist der Verwaltung jedoch nur möglich, wenn ihr "der Konflikt" bekannt ist. Insoweit besteht kein Unterschied zwischen der Situation der Einleitung eines Überprüfungsverfahrens durch einen Antrag des Leistungsberechtigten oder der Verpflichtung der Verwaltung zur Überprüfung von Amts wegen (§ 44 Abs 3 S 2 und 3 SGB X). Der Maßstab zur Bestimmung des Prüfumfangs ist gleich. Im Rahmen der Überprüfung von Amts wegen ist die Verwaltung nach ständiger Rechtsprechung des BSG nicht verpflichtet, die Akten von sich aus auf Rücknahmemöglichkeiten durchzuarbeiten. Es müssen sich vielmehr konkret in der Bearbeitung eines Falles Anhaltspunkte für eine Aufhebung ergeben (vgl BSG Urteil vom 2.10.2008 - B 9 VH 1/07 R - juris-RdNr 48; BSG SozR 3-4100 § 119 Nr 23, juris-RdNr 24 f; s auch Baumeister in jurisPK-SGB X, § 44 SGB X, RdNr 133, Stand 4/2013; Schütze in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2013, § 44 RdNr 39; Steinwedel in Kasseler Kommentar, § 44 SGB X, RdNr 24, Stand IX/2013). Anderenfalls würde der Verwaltung die Verpflichtung auferlegt, ihr bindend gewordenes Verwaltungshandeln "ins Blaue hinein" zu überprüfen. Auch bei einer Überprüfung auf Antrag ist die Verwaltung daher nicht gehalten, die Akten von Amts wegen durchzuarbeiten, um eine mögliche Rechtswidrigkeit aufzudecken. Sie kann sich vielmehr - in einer Situation wie der vorliegenden - unter dem Hinweis auf fehlende Anhaltspunkte für eine Rechtswidrigkeit nicht näher bezeichneter Ausgangsbescheide darauf stützen, es sei nicht erkennbar, dass das Recht unrichtig angewandt oder von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen worden sei und die erneute inhaltliche Prüfung ablehnen. Damit wird sowohl der materiellen Gerechtigkeit als auch der Bindungswirkung Rechnung getragen, ohne die materielle Gerechtigkeit durch eine Zugunstenentscheidung für den Leistungsberechtigten im Einzelfall hinter die Bindungswirkung zurücktreten zu lassen.

20

g) Unerheblich für die Bestimmung des Umfangs der Prüfpflicht des Leistungsträgers ist hingegen, dass es sich hier um einen Antrag auf Überprüfung eines Bescheides aus dem Leistungsbereich des SGB II handelt. Die den dortigen Leistungsvoraussetzungen geschuldete Häufigkeit der Änderungen der Leistungshöhe und der damit verbundenen erneuten Bescheiderteilung bilden keinen Anlass von anderen Sozialleistungsbereichen abweichende Maßstäbe für die Voraussetzungen der Überprüfung einer Verwaltungsentscheidung nach § 44 SGB X aufzustellen. § 40 Abs 1 SGB II enthält nur eine Begrenzung hinsichtlich der rückwirkenden Erbringung von SGB II-Leistungen nach § 44 Abs 4 SGB X, nicht jedoch abweichende Grundsätze für die vorangehenden Prüfungsschritte des § 44 SGB X(vgl in diesem Zusammenhang auch BSGE 106, 155 = SozR 4-4200 § 22 Nr 36).

21

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

(1) Ist die Revision unbegründet, so weist das Bundessozialgericht die Revision zurück. Ergeben die Entscheidungsgründe zwar eine Gesetzesverletzung, stellt sich die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen als richtig dar, so ist die Revision ebenfalls zurückzuweisen.

(2) Ist die Revision begründet, so hat das Bundessozialgericht in der Sache selbst zu entscheiden. Sofern dies untunlich ist, kann es das angefochtene Urteil mit den ihm zugrunde liegenden Feststellungen aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Gericht zurückverweisen, welches das angefochtene Urteil erlassen hat.

(3) Die Entscheidung über die Revision braucht nicht begründet zu werden, soweit das Bundessozialgericht Rügen von Verfahrensmängeln nicht für durchgreifend erachtet. Dies gilt nicht für Rügen nach § 202 in Verbindung mit § 547 der Zivilprozeßordnung und, wenn mit der Revision ausschließlich Verfahrensmängel geltend gemacht werden, für Rügen, auf denen die Zulassung der Revision beruht.

(4) Verweist das Bundessozialgericht die Sache bei der Sprungrevision nach § 161 zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurück, so kann es nach seinem Ermessen auch an das Landessozialgericht zurückverweisen, das für die Berufung zuständig gewesen wäre. Für das Verfahren vor dem Landessozialgericht gelten dann die gleichen Grundsätze, wie wenn der Rechtsstreit auf eine ordnungsgemäß eingelegte Berufung beim Landessozialgericht anhängig geworden wäre.

(5) Das Gericht, an das die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen ist, hat seiner Entscheidung die rechtliche Beurteilung des Revisionsgerichts zugrunde zu legen.

(1) Nach Klageerhebung wird ein neuer Verwaltungsakt nur dann Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt.

(2) Eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts ist dem Gericht mitzuteilen, bei dem das Verfahren anhängig ist.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts für das Saarland vom 1. Oktober 2010 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Revisionsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 6. bis 10.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen die Sonderbedarfszulassung des Beigeladenen zu 1.

2

Die klagende Gemeinschaftspraxis (seit dem 1.1.2007: Berufsausübungsgemeinschaft) bestand zum Zeitpunkt der Klageerhebung aus zwei Fachärzten für Innere Medizin mit dem Schwerpunkt Nephrologie sowie einer praktischen Ärztin. Sie betreibt in S. ein Dialysezentrum und eine Diabetologische Schwerpunktpraxis. Zum 1.6.2009 trat eine weitere Vertragsärztin, Frau Dr. R., in die Berufsausübungsgemeinschaft ein.

3

Der Zulassungsausschuss erteilte mit Beschluss vom 28.8.2002 dem Beigeladenen zu 1., Facharzt für Innere Medizin, mit Wirkung zum 1.9.2002 eine Sonderbedarfszulassung zur ausschließlichen Erbringung von Leistungen im Bereich Nephrologie in der Gemeinschaftspraxis Dres. H. Den Beigeladenen zu 1. bis 3. wurde durch weiteren Beschluss vom selben Tag die Genehmigung zur gemeinsamen Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit erteilt.

4

Gegen die Zulassung legte die Klägerin am 18.5.2006 Widerspruch ein. Es bestehe kein nephrologischer Versorgungsbedarf, der nicht schon durch die bestehenden Zulassungen gedeckt sei. Der beklagte Berufungsausschuss wies mit Beschluss vom 29.8.2006 den Widerspruch der Klägerin zurück, weil er unzulässig sei. Ein Vertragsarzt könne nicht im Wege einer Konkurrentenklage die Zulassung eines anderes Vertragsarztes anfechten.

5

Das dagegen angerufene SG hat auch die Klage als unzulässig angesehen (Urteil vom 18.4. 2007). Die Klägerin sei nicht berechtigt, gegen die erteilte Sonderbedarfszulassung im Wege der Konkurrentenklage vorzugehen.

6

Während des Verfahrens wurde die mittlerweile aus den Beigeladenen zu 1. bis 4. bestehende Berufsausübungsgemeinschaft aufgelöst. Sie gründeten zusammen mit Frau Doc. G. das "Medizinische Versorgungszentrum J. Straße in S. GmbH", das mit Beschluss vom 21.3.2007 zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen wurde. Zum ärztlichen Leiter wurde der Beigeladene zu 3. bestimmt. Die Beigeladenen zu 2. und 3. sowie Frau Doc. G. verzichteten auf ihre Zulassung gemäß § 103 Abs 4a Satz 1 SGB V, um ab dem 1.4.2007 als Angestellte des Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) tätig zu werden. Der Zulassungsausschuss widerrief die den Beigeladenen zu 1. bis 4. erteilte Genehmigung zur gemeinsamen Ausübung der vertragsärztlichen Praxis zum 31.3.2007. Mit Beschluss vom selben Tage stellte der Zulassungsausschuss fest, dass die dem Beigeladenen zu 1. erteilte Sonderbedarfszulassung zum 31.3.2007 ende. Dem MVZ wurde mit weiterem Beschluss vom 21.3.2007 gemäß Nr 38b iVm Nr 24 Buchst e Bedarfsplanungs-Richtlinie (BedarfsplRL) aF die Genehmigung erteilt, den Beigeladenen zu 1. ganztags als angestellten Arzt zu beschäftigen. Die KÄV hatte zuvor mitgeteilt, dass sie bereit sei, die bestehenden Versorgungsaufträge auf das MVZ zu übertragen.

7

Das LSG hat mit Urteil vom 1.10.2010 die Berufung der Klägerin als unzulässig verworfen. Ihr Rechtsschutzbedürfnis sei entfallen, weil sie nach der Beendigung der Zulassung des Beigeladenen zu 1. kein rechtlich schützenswertes Interesse zur Anfechtung des Beschlusses vom 29.8.2006 mehr habe. Eine Aufhebung des Beschlusses über die Sonderbedarfszulassung des Beigeladenen zu 1. würde nichts an der Rechtsstellung des MVZ und der bei ihm beschäftigten angestellten Ärzte ändern. Es bedürfte daher in jedem Fall einer Anfechtung der mit Beschluss vom 21.3.2007 erfolgten Zulassung des MVZ und der damit verbundenen Anstellungsgenehmigung. Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse bestehe nicht, weil die Klägerin das von ihr verfolgte Klageziel auch dadurch verfolgen könne, dass sie die dem MVZ erteilte Genehmigung und die Übertragung der Versorgungsaufträge auf das MVZ mit Rechtsmitteln angreife.

8

Mit Beschluss vom 8.12.2010 stellte der Zulassungsausschuss im Hinblick auf das Ausscheiden von Frau Dr. R. das Ende der Genehmigung der gemeinsamen Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit der klägerischen Berufsausübungsgemeinschaft zum 31.12.2010 und die Fortführung der vertragsärztlichen Tätigkeit der verbliebenen Ärzte in Einzelpraxis fest. Die Widersprüche von Dr. D. und Frau S. gegen diese Entscheidung hat der Berufungsausschuss mit Beschluss vom 22.3.2011 zurückgewiesen. Hiergegen ist noch das Verfahren L 3 KA 1/12 beim LSG anhängig. Der Zulassungsausschuss hat mit Wirkung vom 1.4.2011 eine Berufsausübungsgemeinschaft zwischen Dr. D. und Frau S. genehmigt, die in der Folgezeit um weitere Ärzte erweitert wurde.

9

Die Klägerin hat die vom Senat zugelassene Revision eingelegt und zur Begründung vorgetragen, die Umwandlung der Sonderbedarfszulassung des Beigeladenen zu 1. in eine Genehmigung zur Anstellung bewirke eine gesetzliche Klageänderung iS von § 96 Abs 1 SGG. Die Regelungsgehalte der Sonderbedarfszulassung und der Anstellungsgenehmigung seien inhaltlich weitgehend identisch. Materiell beträfen beide Verwaltungsakte den Beigeladenen zu 1. Würde man hier keine Klageänderung annehmen, wäre kein effektiver Rechtsschutz gewährleistet. In der Sache rügt die Klägerin, der Berufungsausschuss habe sich zu Unrecht an die Zusicherung des Versorgungsauftrags durch die Beigeladene zu 5. gebunden gefühlt. Er hätte selbst prüfen müssen, ob ein Sonderbedarf vorliege. Ein solcher Bedarf habe tatsächlich nicht bestanden. Entgegen der Auffassung des LSG habe sie ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse. Zum einen bestehe Wiederholungsgefahr, zum anderen werde sie einen Amtshaftungsanspruch geltend machen.

10

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts für das Saarland vom 1.10.2010 und das Urteil des Sozialgerichts für das Saarland vom 18.4.2007 sowie den Bescheid des Beklagten vom 29.8.2006 aufzuheben.

11

Der Beklagte sowie die Beigeladenen zu 1. bis 5. beantragen,
die Revision zurückzuweisen.

12

Der Beklagte ist der Auffassung, er sei an den von der KÄV erteilten Versorgungsauftrag gebunden. Dieser müsse im Wege der Konkurrentenklage in erster Linie angegriffen werden.

13

Die Beigeladenen zu 1. bis 4. weisen darauf hin, dass das SG die Klage gegen die von der KÄV dem MVZ für Dres. S. erteilten Versorgungsaufträge abgewiesen hat. Das Berufungsverfahren wird unter dem Aktenzeichen L 3 KA 8/11 geführt und ist noch nicht abgeschlossen.

Entscheidungsgründe

14

Die Revision der Klägerin hat keinen Erfolg. Ihr steht zwar grundsätzlich die Berechtigung zur (Dritt-)Anfechtung der Sonderbedarfszulassung an den Beigeladenen zu 1. zu. Der Zulassungsbescheid ist jedoch von der Klägerin nicht fristgerecht angefochten worden.

15

1. Die Revision der Klägerin ist zulässig.

16

Ihre Beteiligtenfähigkeit iS des § 70 Nr 1 SGG ist nicht weggefallen. Dabei kann hier offen bleiben, ob im Rahmen eines Konkurrentenstreitverfahrens eine aufgelöste Gemeinschaftspraxis (seit dem Inkrafttreten des Vertragsarztrechtsänderungsgesetzes - BGBl I 2006, 3439 - zum 1.1.2007: Berufsausübungsgemeinschaft) weiterhin Beteiligte sein kann. Der Senat hat in der Vergangenheit für nachgehende Rechte und Pflichten einer Gemeinschaftspraxis regelmäßig in Anwendung von § 730 Abs 2 Satz 1 BGB deren Beteiligtenfähigkeit auch noch nach ihrer Auflösung angenommen(vgl BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 66 RdNr 13; BSGE 108, 35 = SozR 4-2500 § 115b Nr 3, RdNr 33; BSGE 98, 89 = SozR 4-2500 § 85 Nr 31, RdNr 11). Allerdings betraf diese Rechtsprechung ausschließlich Fälle, in denen Geldforderungen umstritten waren. Da ein Zulassungsverfahren und damit auch ein Konkurrentenstreitverfahren stets zukunftsorientiert ist, mag eine Übertragung dieser Rechtsprechung des Senats auf eine solche Konstellation zweifelhaft oder jedenfalls besonders begründungsbedürftig sein. Hier hat die klägerische Berufsausübungsgemeinschaft aber ununterbrochen fortbestanden, sodass ihre Beteiligtenfähigkeit nicht in Frage steht.

17

Zwar hat der Zulassungsausschuss mit Beschluss vom 8.12.2010 die Genehmigung zur gemeinsamen Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit "beendet", weil ein Mitglied die zuvor von vier Personen betriebene Praxis verlassen hatte. Unabhängig von den gesellschaftsrechtlichen Konsequenzen eines solchen Personenwechsels, enthält der Beschluss des Zulassungsausschusses eine vertragsarztrechtliche Statusentscheidung. Die Entscheidung über das Bestehen einer Berufsausübungsgemeinschaft betrifft den Status, in dem die vertragsärztliche Tätigkeit im Rechtsverhältnis zu den Versicherten und den vertragsarztrechtlichen Institutionen ausgeübt wird (vgl BSGE 110, 43 = SozR 4-2500 § 103 Nr 9, RdNr 17; BSGE 106, 222 = SozR 4-5520 § 32 Nr 4, RdNr 26 für den Ausnahmefall der sachlich-rechnerischen Richtigstellung im Rechtsverhältnis von KÄV und Mitglied). Gegen diese Entscheidung haben aber Dr. D. und Frau S. Widerspruch eingelegt, der gemäß § 96 Abs 4 Satz 2 SGB V und § 86a Abs 1 SGG aufschiebende Wirkung hatte. Diese Widersprüche hat der Berufungsausschuss mit Beschluss vom 22.3.2011 zurückgewiesen, der noch gerichtlich angefochten ist. Bereits wegen der aufschiebenden Wirkung der Rechtsmittel ist von einem Fortbestehen einer Berufsausübungsgemeinschaft zwischen den verbliebenen Mitgliedern der Gemeinschaft auszugehen.

18

Ungeachtet dessen ist auch noch vor dem Ablauf der Rechtsmittelfrist für diesen Beschluss vom Zulassungsausschuss erneut eine Berufsausübungsgemeinschaft zwischen Dr. D. und Frau S. genehmigt worden. Damit wurde zwar formal die zuvor bestehende Berufsausübungsgemeinschaft nicht fortgeführt. Die neue Berufsausübungsgemeinschaft bestand aber aus zwei der verbliebenen Mitglieder der früheren Berufsausübungsgemeinschaft und übte fortlaufend ihre Tätigkeit in den ursprünglichen Praxisräumen aus. Sie hat damit nahtlos die Tätigkeit der zuvor bestehenden Gemeinschaftspraxis fortgesetzt. Ein Beteiligtenwechsel, der als Klageänderung iS des § 99 Abs 1 SGG zu werten wäre, ist damit nicht eingetreten. Eine derartige Konstellation, in der tatsächlich eine personelle Kontinuität gewährleistet ist, steht vielmehr der Situation gleich, in der lediglich ein Mitgliederwechsel innerhalb der bestehenden Berufsausübungsgemeinschaft stattfindet. Auch das Ausscheiden eines Mitglieds aus einer mehr als zweigliedrigen Berufsausübungsgemeinschaft ändert nichts an deren Fortbestand, sondern führt lediglich zur Anpassung des Rubrums (vgl BSG SozR 4-1500 § 141 Nr 1 RdNr 17; vgl auch zum Fortbestand der GbR BGHZ 187, 344 RdNr 13; BGH NJW 2011, 1449 RdNr 16 ff), wie sie hier auch schon vorgenommen worden ist. In die Berufsausübungsgemeinschaft sind mittlerweile Prof. Dr. M. und Dr. G. eingetreten, die hier in das Rubrum aufgenommen worden sind. Soweit das LSG mit dem Verhältnis der personellen Besetzung zum Umfang des etwaigen Konkurrentenschutzes argumentiert, betrifft dies nicht den Bestand einer Berufsausübungsgemeinschaft, sondern eine materielle Frage des Drittschutzes.

19

2. Die Revision der Klägerin ist jedoch unbegründet. Zwar hat das LSG die Berufung zu Unrecht als unzulässig verworfen. Entgegen der Auffassung des LSG lagen die allgemeinen und besonderen Prozessvoraussetzungen der Berufung vor. Es fehlte insbesondere nicht am erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis. Die Entscheidung des Rechtsstreits durch Prozessurteil anstelle eines Sachurteils hindert den Senat aber nicht an einer abschließenden Sachentscheidung (vgl BSGE 73, 195, 196 = SozR 3-4100 § 249e Nr 3 S 25).

20

a) Die Klägerin hat ihr Begehren im Wege einer Fortsetzungsfeststellungsklage verfolgen können. Das Anfechtungsbegehren der Klägerin hat sich iS des § 131 Abs 1 Satz 3 SGG erledigt durch den Beschluss des Zulassungsausschusses, mit dem die Beendigung der von ihr angefochtenen Sonderbedarfszulassung zum 31.3.2007 festgestellt wurde.

21

aa) Entgegen der Auffassung der Klägerin hat die Beendigung der angefochtenen Zulassung nicht zu einer Klageänderung kraft Gesetzes im Rahmen der Anfechtungsklage nach § 96 Abs 1 SGG geführt. Die dem MVZ erteilte Genehmigung der Beschäftigung des Beigeladenen zu 1. hat die Sonderbedarfszulassung nicht im Sinne dieser Vorschrift ersetzt. Hierfür reicht der von der Klägerin dargelegte Sachzusammenhang nicht aus. Erforderlich ist vielmehr, dass der Regelungsgegenstand des neuen Verwaltungsaktes mit dem des früheren identisch ist (vgl BSG SozR 4-1500 § 86 Nr 2 RdNr 10; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 96 RdNr 4a). Daran fehlt es hier. Berechtigter und als solcher Adressat der Anstellungsgenehmigung nach § 95 Abs 2 Satz 7 SGB V ist das MVZ und nicht der Beigeladene zu 1. Während die Sonderbedarfszulassung die eigenständige Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung ermöglicht, berechtigt die Anstellungsgenehmigung das MVZ, das als solches über eine Zulassung verfügt, zur Anstellung eines Arztes in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis. Zwar wird der Arzt, sofern er mindestens halbtags beschäftigt wird, gemäß § 95 Abs 3 Satz 2 iVm § 77 Abs 3 Satz 2 SGB V Mitglied der KÄV und unterliegt damit ihrer Disziplinargewalt. Das vermittelt indes keinen einer Zulassung vollständig gleichstehenden Status innerhalb der vertragsärztlichen Versorgung. Der Status des angestellten Arztes im MVZ ist vielmehr stets abgeleitet von dem MVZ, bei dem dieser Arzt angestellt ist. Die Umwandlung einer genehmigten Anstellung in eine Zulassung ist dementsprechend nach § 95 Abs 2 Satz 8 iVm Abs 9b SGB V von einem Antrag des MVZ abhängig. Auch der Umstand, dass die Anstellung des Beigeladenen zu 1. gemäß Nr 38b (seit dem 1.4.2007 § 40) BedarfsplRL zur Deckung eines Sonderbedarfs erfolgte, führt nicht dazu, dass die Genehmigung der Anstellung iS des § 96 Abs 1 SGG an die Stelle der Sonderbedarfszulassung des Beigeladenen zu 1. tritt. Der insofern bestehende enge Sachzusammenhang begründet nicht die erforderliche Identität des Streitgegenstandes. Der Rechtsschutz der Klägerin wird dadurch nicht verkürzt, weil sie die Möglichkeit hat, die Genehmigung der Anstellung gesondert anzufechten.

22

bb) Die Klägerin ist aber nicht gehindert gewesen, von der ursprünglich erhobenen Anfechtungsklage auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage überzugehen. Das LSG hat zu Unrecht das erforderliche Feststellungsinteresse iS des § 131 Abs 1 Satz 3 SGG verneint. Es kann offen bleiben, ob nach den Entscheidungen des Senats zur Anfechtung von Sonderbedarfszulassungen vom 17.6.2009 (- B 6 KA 38/08 R - SozR 4-2500 § 101 Nr 5 und - B 6 KA 25/08 R - BSGE 103, 269 = SozR 4-1500 § 54 Nr 16) generell noch eine Wiederholungsgefahr angenommen werden kann. Das erforderliche Feststellungsinteresse ist jedenfalls unter dem Gesichtspunkt der Präjudizialität gegeben, weil ein Schadensersatzprozess mit gewisser Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist (vgl BSG SozR 4-2500 § 103 Nr 6 RdNr 14; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO, § 131 RdNr 10e). Zwar hat die Klägerin nur gegenüber der KÄV bislang schriftlich Amtshaftungsansprüche geltend gemacht. Auch gegenüber dem Beklagten hat sie aber wiederholt im Verfahren mit hinreichender Deutlichkeit Amtshaftungsansprüche angemeldet.

23

b) Die Revision ist aber in der Sache zurückzuweisen, weil die Frist für die Einlegung des Widerspruchs nicht gewahrt war. Die Klägerin legte am 18.5.2006 gegen den Beschluss des Zulassungsausschusses vom 28.8.2002, mit dem der Beigeladene zu 1. zum 1.9.2002 zugelassen worden war, Widerspruch ein. Damit war nicht nur die in § 84 Abs 1 Satz 1 SGG festgelegte Frist von einem Monat ab Bekanntgabe des Verwaltungsaktes verstrichen, sondern auch die - hier maßgebliche - Jahresfrist des § 84 Abs 2 Satz 3 iVm § 66 Abs 2 SGG. Zwar ist die Entscheidung zugunsten des Beigeladenen zu 1. der Klägerin nicht bekanntgegeben worden, weil die Zulassungsgremien sie nicht am Verfahren beteiligt haben. Daraus folgt aber nicht, dass es keine zeitliche Grenze für die Anfechtung der Entscheidung gibt. Im Interesse der Planungssicherheit für den von der Zulassung begünstigten Arzt und nicht zuletzt im Interesse der Funktionsfähigkeit der vertragsärztlichen Versorgung muss vielmehr ausgeschlossen werden, dass der Status eines Vertragsarztes noch Jahre nach seiner Begründung durch Rechtsbehelfe von Konkurrenten in Frage gestellt werden kann.

24

Das Gesetz enthält als möglichen zeitlichen Anknüpfungspunkt für eine Begrenzung in § 66 Abs 2 SGG die Jahresfrist für den Fall, dass keine oder eine unrichtige Rechtsbehelfsbelehrung erteilt wurde. Innerhalb eines Jahres soll eine Anfechtung auch dann noch möglich sein, wenn der Betroffene nicht ordnungsgemäß über seine Verfahrensrechte informiert wurde. Im Interesse der Rechtssicherheit ist aber nach dem Ablauf eines Jahres nach Bekanntgabe eines Verwaltungsaktes eine Anfechtung grundsätzlich ausgeschlossen. In Anlehnung an diesen Grundsatz, dem eine gesetzgeberische Bewertung des Rechtsschutzinteresses einerseits und der Rechtssicherheit andererseits zu entnehmen ist, kann auch ein Drittwiderspruch gegen eine Sonderbedarfszulassung zulässig nur binnen einer Jahresfrist eingelegt werden. Diese Zeitdauer ist im Vertragsarztrecht für die Anfechtung von Sonderbedarfszulassungen auch dann angemessen, wenn die Zulassungsentscheidung dem Konkurrenten überhaupt nicht iS des § 84 Abs 1 Satz 1 SGG bekannt gemacht worden ist.

25

Die Anfechtungsberechtigung eines bereits zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Arztes setzt ua voraus, dass er und der Konkurrent im selben räumlichen Bereich die gleichen Leistungen anbieten (vgl zuletzt BSG SozR 4-1500 § 54 Nr 26 RdNr 18 mwN). Letztlich geht es darum, ob der bereits niedergelassene Arzt durch die Tätigkeit des Konkurrenten im räumlichen Einzugsbereich seiner Praxis wegen der Überschneidung der ärztlichen Tätigkeit wirtschaftlich beeinträchtigt wird. Dass für den niedergelassenen Arzt eine solche Konkurrenz binnen eines Jahres erkennbar wird, kann unwiderleglich vermutet werden. Den Fristbeginn markiert in diesen Fällen die tatsächliche Aufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit, die in aller Regel mit dem dafür in der Zulassung genannten Datum übereinstimmen wird. Allein die Statusverleihung muss nicht notwendig zur Kenntnis der bereits niedergelassenen Vertragsärzte gelangen, wenngleich Neuzulassungen - wie im Saarland - häufig in Publikationen der KÄV bekannt gegeben werden. Es kann aber jedenfalls davon ausgegangen werden, dass die tatsächliche Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit, soweit sie Auswirkungen in einer Konkurrenzsituation hat, nicht unbemerkt bleibt. Insofern liegt eine ähnliche Situation vor wie in baurechtlichen Nachbarschaftsstreitigkeiten. Das Bundesverwaltungsgericht wendet nicht nur im unmittelbaren Grenznachbarschaftsverhältnis die Jahresfrist des § 58 Abs 2 VwGO an, wenn der Nachbar von einer Baugenehmigung Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen müssen(vgl BVerwGE 78, 85, 89 f). Dabei betont das Bundesverwaltungsgericht eine Verpflichtung des Nachbarn, nach Erkennen der Beeinträchtigung ungesäumt seine Einwendungen geltend zu machen. Für die Zulassungen in der vertragsärztlichen Versorgung gilt der hierin zum Ausdruck kommende Gedanke des Interessenausgleichs in besonderem Maße.

26

Mit der Jahresfrist werden die Interessen der Beteiligten jeweils angemessen berücksichtigt. Der Arzt, dem eine Sonderbedarfszulassung erteilt und im Anschluss daran die Durchführung eines nephrologischen Versorgungsauftrages genehmigt wird, hat ein berechtigtes Interesse an Rechtssicherheit in einem überschaubaren Zeitraum. Er stellt seine gesamte berufliche Tätigkeit hierauf ab. Gerade in dem hier betroffenen Bereich der Dialyseversorgung müssen uU erhebliche Investitionen getätigt und finanzielle Verpflichtungen eingegangen werden. Gleichzeitig wird eine Versorgungsstruktur für die von dem Versorgungsauftrag umfassten Patientengruppen aufgebaut und von den Versicherten auch in Anspruch genommen. Die Einbindung in die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung erfordert sowohl für Statusentscheidungen als auch für andere Entscheidungen, die ausnahmsweise von Dritten unter Konkurrenzgesichtspunkten angegriffen werden können, ein besonderes Maß an Verlässlichkeit. Gegen dieses Interesse des von der (Neu)Zulassung Begünstigten ist abzuwägen der Anspruch des Drittbetroffenen auf Rechtsschutz, der eine verfahrensrechtliche Absicherung seines Grundrechtsschutzes darstellt (vgl BVerfG SozR 4-1500 § 54 Nr 4 RdNr 26). Dieses Recht des Drittbetroffenen wird durch die Anwendung der Ausschlussfrist von einem Jahr ab der tatsächlichen Aufnahme der Tätigkeit nicht unverhältnismäßig eingeschränkt. Sind die Folgen eines Konkurrenzverhältnisses binnen eines Jahres nach Aufnahme der Tätigkeit nicht spürbar, ist von keiner ernsthaften Beeinträchtigung der durch die vertragsärztliche Tätigkeit eröffneten Erwerbschancen auszugehen. Das gilt erst recht, wenn - wie hier - knapp vier Jahre zwischen dem Erlass des Verwaltungsaktes und der Widerspruchseinlegung liegen.

27

c) Die Fristversäumnis ist hier auch nicht dadurch geheilt, dass der Beklagte in dem angefochtenen Beschluss hierauf nicht eingegangen ist. Zum einen hat der Beklagte den Widerspruch im Ergebnis zu Recht als unzulässig angesehen. Zum anderen hätte der Beklagte auch nicht zu Lasten des Beigeladenen zu 1. über den verspäteten Widerspruch der Klägerin in der Sache entscheiden und damit den Rechtsweg eröffnen dürfen; bei Verwaltungsakten mit Drittwirkung ist kein Raum für eine Wiedereröffnung des Rechtswegs durch behördliche Sachentscheidung (vgl BVerwGE 65, 313, 318; Leitherer in Meyer/Ladewig/Keller/Leitherer, aaO, § 84 RdNr 7a).

28

d) Die Geltung der Jahresfrist mindert nicht die Pflicht der KÄV und der Zulassungsgremien, im Verfahren gemäß § 12 Abs 2 SGB X diejenigen zu beteiligen und zu informieren, zu deren Gunsten Drittschutz besteht. Die zeitliche Eingrenzung der Anfechtungsberechtigung dient der Rechtssicherheit und entlastet die zuständigen Behörde nicht von ihren verfahrensrechtlichen Pflichten. Verstöße gegen diese Pflicht führen indes nicht zur Verlängerung der Jahresfrist, sondern können allenfalls Amtshaftungsansprüche des Arztes auslösen, der nicht am Verfahren beteiligt worden ist, obwohl seine Betroffenheit aus der Sicht der Zulassungsgremien oder der KÄV auf der Hand lag.

29

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung von § 154 Abs 2, § 162 Abs 3 VwGO. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten Beigeladener ist nur hinsichtlich der Beigeladenen zu 1. bis 5. veranlasst; nur diese haben im Revisionsverfahren Anträge gestellt (vgl BSGE 96, 257 = SozR 4-1300 § 63 Nr 3, RdNr 16).

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 24. Juni 2009 aufgehoben, soweit es die Beschaffung einer Wohnung und die Zusicherung der Kostenübernahme für eine andere Unterkunft betrifft, und die Sache insoweit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Im Streit sind die Zahlung zusätzlicher 56,58 Euro an Kosten der Unterkunft und Heizung für den Monat November 2007 wegen einer Betriebskostennachforderung in gleicher Höhe für das Jahr 2006 (Betriebs- und Heizkostenabrechnung vom 31.10.2007), 19 Euro monatlich höherer Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (Grundsicherungsleistungen) nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) für die Zeit vom 1.2.2007 bis 30.6.2008 sowie die Beschaffung einer anderen Unterkunft durch die Beklagte bzw die Zusicherung, die Kosten für einen solchen Wohnraum zu übernehmen.

2

Die Beklagte bewilligte dem 1959 geborenen, seit 21.8.2012 unter Betreuung stehenden Kläger nach Ablauf eines Bewilligungszeitraums (ergänzend) Grundsicherungsleistungen einschließlich der Kosten für Unterkunft und Heizung für den Zeitraum vom 1.2.2007 bis 30.6.2008 (Bescheid vom 2.1.2007; Widerspruchsbescheid vom 22.3.2007). Die hiergegen beim Sozialgericht (SG) Mannheim erhobene Klage, die unter dem Aktenzeichen S 5 SO 1205/07 geführt wurde, ist erfolglos geblieben (rechtskräftiger Gerichtsbescheid vom 22.1.2008). Während des Klageverfahrens änderte die Beklagte die Leistungsbewilligung für die Zeit von Juni 2007 bis 30.6.2008 (Bescheid vom 15.6.2007; Widerspruchsbescheid vom 6.7.2007). Die hiergegen erhobene Klage - S 5 SO 2647/07 - ruht (Ruhensbeschluss des SG vom 16.8.2007).

3

Den Antrag des Klägers auf Übernahme einer Betriebskostennachzahlung in Höhe von 56,58 Euro sowie auf Übernahme höherer Kosten der Unterkunft ab 1.2.2007 (19 Euro monatlich) lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 3.12.2007; Widerspruchsbescheid vom 27.12.2007). Die dagegen erhobene Klage, mit der der Kläger zudem das Ziel verfolgte, die Beklagte zur Beschaffung eines für ihn geeigneten Übergangswohnraums bzw zur Zusicherung der Übernahme der Kosten für einen solchen Wohnraum zu verurteilen, blieb ohne Erfolg (Gerichtsbescheid des SG vom 17.6.2008; Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 24.6.2009). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, die Übernahme der Nebenkostennachforderung scheitere an der Unangemessenheit der Heizkostenhöhe; die für die Abrechnungsperiode 2006 festgestellten Werte seien mehr als doppelt so hoch wie der durchschnittliche Flächenheizbedarf der gesamten Wohnanlage. Mangels Anspruchsgrundlage bestehe auch kein Anspruch auf Bereitstellung eines Übergangswohnraums. Da die Wohnung des Klägers keine derart gravierenden Mängel aufweise, dass ein dortiges Verbleiben unzumutbar wäre, scheitere schließlich ein Anspruch auf Zusicherung der Kostenübernahme für einen anderen Wohnraum.

4

Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 29 Abs 3 SGB XII, wonach Leistungen für Heizung in tatsächlicher Höhe zu erbringen seien. Eine Pauschalierung oder die Festlegung eines abstrakten Wertes angemessener Heizkosten pro qm sei nicht zulässig. Zudem beruhe das Urteil des LSG auf Verfahrensfehlern.

5

Der Kläger beantragt,
das Urteil des LSG und den Gerichtsbescheid des SG sowie den Bescheid der Beklagten vom 3.12.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.12.2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 1.2.2007 höhere Kosten der Unterkunft zu zahlen und einen geeigneten Übergangswohnraum zu beschaffen, bzw hilfsweise zuzusichern, dass die Kosten für einen solchen Wohnraum übernommen werden.

6

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7

Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend.

8

In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat die Beklagte eine Beratung oder Unterstützung des Klägers bei seiner Suche nach einer anderen Unterkunft ausdrücklich abgelehnt.

Entscheidungsgründe

9

Soweit es die Beschaffung einer Wohnung und die Zusicherung der Kostenübernahme für eine andere Unterkunft betrifft, ist die Revision des Klägers im Sinne der Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz); im Übrigen ist sie nicht begründet (§ 170 Abs 1 Satz 2 SGG).

10

Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 3.12.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.12.2007, mit dem die Beklagte eine um 56,58 Euro höhere Leistung - beschränkt auf Kosten für Unterkunft und Heizung - für den Monat November 2007 sowie höhere Kosten der Unterkunft (19 Euro monatlich) ab 1.2.2007 bis 30.6.2008 unter Abänderung der Bescheide vom 2.1.2007 und vom 15.6.2007 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 22.3.2007 und vom 6.7.2007 abgelehnt hat. Gegen diesen Bescheid wendet sich der Kläger mit der kombinierten Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 und 4 iVm § 56 SGG), weil sich das Klagebegehren an § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X), ggf auch an § 44 SGB X misst(vgl: BSG SozR 4-3500 § 30 Nr 4 RdNr 12; SozR 4-3500 § 44 Nr 2 RdNr 10). Gegenstand des Verfahrens ist daneben eine Leistungsklage nach § 54 Abs 5 SGG, soweit die Verurteilung zur Beschaffung eines geeigneten Übergangswohnraums betroffen ist bzw (hilfsweise) eine Verpflichtungsklage(§ 54 Abs 1 Satz 1 SGG), gerichtet auf eine Zusicherung (Zusage), einen Verwaltungsakt mit dem Inhalt zu erlassen, die Kosten für einen (anderen) angemessenen Wohnraum zu übernehmen.

11

Das LSG hat, soweit es höhere Leistungen betrifft, die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des SG im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen. Allerdings war die Klage insoweit bereits (insgesamt) unzulässig. Die Zulässigkeit der Klage ist als Prozessvoraussetzung auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu prüfen. Bei einer zulässigen Revision ist, bevor über die sachlich-rechtlichen Voraussetzungen der streitigen Ansprüche entschieden wird, zu prüfen, ob die Voraussetzungen erfüllt sind, von denen die Rechtswirksamkeit des Verfahrens als Ganzes abhängt. Insbesondere sind solche Mängel zu berücksichtigen, die sich aus dem Fehlen unverzichtbarer Prozessvoraussetzungen ergeben, gleichgültig ob der Mangel nur das Revisionsverfahren oder - wie hier - schon das Klage- und Berufungsverfahren betrifft, da andernfalls das Revisionsverfahren einer entscheidenden Grundlage entbehrt (BSG SozR 4-1300 § 84 Nr 1 RdNr 22 mwN).

12

Die Klage gegen den Bescheid vom 3.12.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.12.2007 war zunächst wegen anderweitiger Rechtshängigkeit (§ 94 SGG)unzulässig. Die Beklagte hatte mit Bescheid vom 2.1.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.3.2007 Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung einschließlich der Kosten für Unterkunft und Heizung für den Zeitraum von Februar 2007 bis 30.6.2008 bewilligt. Hiergegen hat der Kläger Klage vor dem SG erhoben, die unter dem Aktenzeichen S 5 SO 1205/07 geführt wurde und rechtskräftig mit einem die Klage abweisenden Gerichtsbescheid vom 22.1.2008 endete. Der hier streitgegenständliche Bescheid vom 3.12.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.12.2007 betrifft die als eigenen Streitgegenstand abtrennbaren (vgl BSG SozR 4-3500 § 44 Nr 2 RdNr 12 mwN) Kosten der Unterkunft und Heizung für den Monat November 2007 sowie um 19 Euro monatlich höhere Leistungen in Abänderung der durch die Bescheide vom 2.1.2007 und vom 15.6.2007 bewilligten Leistungen ab 1.2.2007 bis zum Ende des Bewilligungsabschnitts am 30.6.2008 (BSGE 99, 131 ff RdNr 10 mwN = SozR 4-3500 § 28 Nr 1). Dieser (ablehnende) Bescheid erging während des laufenden Klageverfahrens mit dem Aktenzeichen S 5 SO 1205/07. Als ein die Voraussetzungen von § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB X, ggf auch von § 44 SGB X, ablehnender, vor dem 31.3.2008 ergangener Verwaltungsakt wurde er in erweiternder Anwendung des § 96 SGG aF - bis 31.3.2008 - Gegenstand dieses bereits anhängigen und noch nicht abgeschlossenen Klageverfahrens (vgl zum alten, fortgeltenden Rechtszustand nur BSG, Beschluss vom 30.9.2009 - B 9 SB 19/09 B). Nach § 202 SGG iVm § 17 Abs 1 Gerichtsverfassungsgesetz kann während der Rechtshängigkeit die Sache von keiner Partei anderweitig anhängig gemacht werden. Diese prozessuale Sperrwirkung führt zur Unzulässigkeit der zweiten Klage. Hieran ändert auch nichts der rechtskräftige Abschluss des Verfahrens S 5 SO 1205/07 durch Gerichtsbescheid.

13

Die Sperrwirkung endet zwar mit Abschluss des ersten Verfahrens (Eintreten der formellen Rechtskraft des Gerichtsbescheids vom 22.1.2008; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 94 RdNr 4), sodass eine zunächst wegen anderweitiger Rechtshängigkeit unzulässige Klage noch zulässig werden kann (Leitherer, aaO, RdNr 7b); sie bleibt aber unzulässig, soweit sie denselben Streitgegenstand (höhere Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung im Zeitraum vom 1.2. bis 31.5.2007) zwischen denselben Beteiligten betrifft. Eine neue Klage über denselben Streitgegenstand ist nicht zulässig (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO, § 141 RdNr 6a); dies resultiert aus der Rechtskraft der Entscheidung (§ 105 Abs 1 Satz 3 iVm § 141 SGG).

14

Ob dies auch für die Zeit ab 1.6.2007 zutrifft, kann dahinstehen. Denn insoweit war die Klage in jedem Fall aus anderen Gründen unzulässig. Die Beklagte hat mit Änderungsbescheid vom 15.6.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6.7.2007 Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung einschließlich der Kosten für Unterkunft und Heizung für den Zeitraum von Juni 2007 bis 30.6.2008 bewilligt. Auch gegen diesen Bescheid, der seinerseits gemäß § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens S 5 SO 1205/07 geworden war und ebenfalls keine Berücksichtigung durch das SG gefunden hat, ist der Kläger gesondert im Klagewege(S 5 SO 2647/07) vorgegangen. Selbst wenn man eine Ausnahme von der Rechtskraftwirkung zulässt, wenn und weil das SG im Verfahren S 5 SO 1205/07 nicht über die Folgebescheide vom 15.6.2007 und 3.12.2007 entschieden hat (vgl dazu BSG SozR 4100 § 136 Nr 4 S 15),wäre der Bescheid vom 3.12.2007 in Anwendung des § 96 SGG für die Zeit ab 1.6.2007 zuvor schon Gegenstand des Verfahrens S 5 SO 2647/07 geworden. Das SG hat dieses Verfahren zum Ruhen gebracht, ohne dass es materiellrechtlich und prozessual beendet worden wäre. Dies hat zur Folge, dass sich jedenfalls für die Zeit ab 1.6.2007 weiterhin eine Sperrwirkung für das vorliegende Verfahren ergibt.

15

Eine etwa (während des gesamten Verfahrens) bestehende Prozessunfähigkeit des Klägers, die der Senat im Hinblick auf die vom Amtsgericht während des Revisionsverfahrens angeordnete Betreuung nicht ausschließen kann, rechtfertigt keine andere Entscheidung in der Sache, insbesondere keine Zurückverweisung an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung wegen fehlender ordnungsgemäßer Vertretung; dabei kann dahinstehen, ob im Hinblick auf die Unzulässigkeit der dritten Klage für die Zeit vom 1.2. bis 31.5.2007 wegen offensichtlicher Haltlosigkeit der Rechtsverfolgung von der Bestellung eines besonderen Vertreters nach § 72 SGG ausnahmsweise abgesehen werden durfte(vgl dazu: BSGE 5, 176, 178 f; Senatsurteil vom 15.11.2012 - B 8 SO 23/11 R). Denn selbst wenn die Klage insoweit nicht "offensichtlich" unzulässig war und die Bestellung eines besonderen Vertreters verfahrensfehlerhaft unterblieben wäre, bedurfte es keiner Aufhebung der Entscheidung des LSG und der Zurückverweisung der Sache an dieses Gericht.

16

Zwar führt eine nicht ordnungsgemäße Vertretung zum Vorliegen eines absoluten Revisionsgrundes nach § 202 SGG iVm § 547 Nr 4 Zivilprozessordnung, der grundsätzlich keine Bestätigung des angefochtenen Urteils zulässt(Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 170 RdNr 5a mwN). Von diesem Grundsatz ist aber dann eine Ausnahme zu machen, wenn trotz des Verfahrensverstoßes ein Erfolg in der Sache ausgeschlossen ist, weil auch unter Einbeziehung des Revisionsvorbringens die Klage unter keinem denkbaren Gesichtspunkt Erfolg haben kann (BSGE 75, 74, 77 mwN = SozR 3-2500 § 33 Nr 12 S 45; BSGE 76, 59, 67 = SozR 3-5520 § 20 Nr 1 S 10; BSG, Urteil vom 16.12.2009 - B 7 AL 13/08 R; Leitherer, aaO). So liegt der Fall hier, weil die Klage nach oben Gesagtem in jedem Fall unzulässig ist. Ohnedies hat der Kläger bei Fortführung des ruhenden Verfahrens - S 5 SO 2647/07 - auch die prozessuale Möglichkeit, sein materiellrechtliches Begehren für die Zeit ab 1.6.2007 in gleicher Weise wie im vorliegenden Verfahren zu verfolgen, wenn im vorliegenden Verfahren die Klage zulässig wäre. Für die Zeit, die von den Folgebescheiden erfasst wird, bleibt ihm also die Rechtsschutzmöglichkeit erhalten. Für die Zeit vor dem 1.6.2007 hat er sie durch das rechtskräftige Urteil darüber verloren. Da eine Zurückverweisung an das LSG ausnahmsweise ausscheidet, bedarf es keiner Entscheidung darüber, ob die von dem Kläger gerügten weiteren Verfahrensmängel vorliegen.

17

Soweit es die Beschaffung einer Übergangs- oder anderen Wohnung und die Zusicherung der Kostenübernahme für eine andere Unterkunft betrifft, kann der Senat mangels tatsächlicher Feststellungen des LSG (§ 163 SGG)nicht abschließend entscheiden, sodass es auch insoweit nicht auf die erhobenen Verfahrensrügen ankommt. Denkbare Anspruchsgrundlage nach dem SGB XII ist § 67 Satz 1 SGB XII. Danach sind Personen, bei denen besondere Lebensverhältnisse mit sozialen Schwierigkeiten verbunden sind, Leistungen zur Überwindung dieser Schwierigkeiten zu erbringen, wenn sie aus eigener Kraft hierzu nicht fähig sind. Zu den in § 68 Abs 1 Satz 1 SGB XII aufgeführten Maßnahmen gehört auch die Beschaffung einer Wohnung(vgl Trenk-Hinterberger in Berlit/Conradis/Sartorius, Existenzsicherungsrecht, 2. Aufl 2013, Kap 38 RdNr 32 mwN).

18

Die Klage ist insoweit nicht schon unzulässig. Zwar ist die echte Leistungsklage gemäß § 54 Abs 5 SGG unzulässig, wenn zunächst ein Verwaltungsverfahren durchzuführen und mit einem Verwaltungsakt abzuschließen ist, gegen den im Ablehnungsfalle zunächst Widerspruch eingelegt werden kann(BSG, Urteil vom 24.4.1980 - 1 RJ 2/79; BSG SozR 4-1300 § 84 Nr 1; zur kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage BSG SozR 4-1500 § 55 Nr 4 RdNr 9). Die mit der Wohnungs- bzw Unterkunftssuche in Zusammenhang stehenden Leistungen nach dem SGB XII erfordern allerdings nicht unabhängig von den zu ergreifenden Maßnahmen, also in jedem Fall, die Durchführung eines auf den Erlass eines Verwaltungsakts gerichteten Verwaltungsverfahrens, sondern können nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 68 Abs 1 Satz 1 SGB XII iVm § 4 Abs 1 der Verordnung zur Durchführung der Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten(DVO-SGB XII § 68) vom 24.1.2001 (BGBl I 179) auch in der bloßen Beratung oder tatsächlichen Unterstützung durch persönliche Betreuung bestehen, die sich nicht in Form eines Verwaltungsakts niederschlagen (Hohm in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 18. Aufl 2010, § 11 SGB XII RdNr 7). Insoweit konkretisiert und erweitert § 68 Abs 1 Satz 1 SGB XII iVm § 4 Abs 1 DVO-SGB XII § 68 die Regelung des § 11 Abs 1 und 3 SGB XII. Tatsächliche Feststellungen des LSG zu den Leistungsvoraussetzungen für etwaige Hilfen fehlen jedoch. Der Senat kann deshalb nicht prüfen, ob der Kläger ggf einen Rechtsanspruch auf eine entsprechende Unterstützung außerhalb eines auf Erlass eines Verwaltungsakts gerichteten Verwaltungsverfahrens hat. Das LSG wird die erforderlichen Feststellungen nachzuholen haben.

19

Die Erteilung einer Zusicherung auf Übernahme künftiger (angemessener) Unterkunftskosten ist ein der späteren Bewilligung von Kosten für Unterkunft und Heizung vorgeschalteter Verwaltungsakt iS von §§ 31, 34 SGB X. Dieses Begehren setzt zwar - anders als die Beratung und tatsächliche Unterstützung - zunächst eine Entscheidung im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens durch Verwaltungsakt voraus. Da der Kläger den Antrag auf Zustimmung aber nur hilfsweise gestellt hat, ist eine Entscheidung hierüber auch nur zu treffen, wenn der Hauptantrag erfolglos bleibt. Ggf wird das LSG dann zu prüfen haben, ob die Behörde nicht im Rahmen des Klageverfahrens eine ablehnende Entscheidung getroffen hat, gegen die sich der Kläger rechtzeitig mit einem (konkludenten) Widerspruch gewehrt hat; in diesem Fall wäre der Erlass eines Widerspruchsbescheids abzuwarten (vgl nur Leitherer, aaO, § 78 RdNr 3).

20

Das LSG wird ggf auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

(1) Für das Verfahren nach diesem Buch gilt das Zehnte Buch. Abweichend von Satz 1 gilt § 44 des Zehnten Buches mit der Maßgabe, dass

1.
rechtswidrige nicht begünstigende Verwaltungsakte nach den Absätzen 1 und 2 nicht später als vier Jahre nach Ablauf des Jahres, in dem der Verwaltungsakt bekanntgegeben wurde, zurückzunehmen sind; ausreichend ist, wenn die Rücknahme innerhalb dieses Zeitraums beantragt wird,
2.
anstelle des Zeitraums von vier Jahren nach Absatz 4 Satz 1 ein Zeitraum von einem Jahr tritt.
Abweichend von Satz 1 gelten die §§ 45, 47 und 48 des Zehnten Buches mit der Maßgabe, dass ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit nicht aufzuheben ist, wenn sich ausschließlich Erstattungsforderungen nach § 50 Absatz 1 des Zehnten Buches von insgesamt weniger als 50 Euro für die Gesamtheit der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft ergäben. Bei der Prüfung der Aufhebung nach Satz 3 sind Umstände, die bereits Gegenstand einer vorherigen Prüfung nach Satz 3 waren, nicht zu berücksichtigen. Die Sätze 3 und 4 gelten in den Fällen des § 50 Absatz 2 des Zehnten Buches entsprechend.

(2) Entsprechend anwendbar sind die Vorschriften des Dritten Buches über

1.
(weggefallen)
2.
(weggefallen)
3.
die Aufhebung von Verwaltungsakten (§ 330 Absatz 2, 3 Satz 1 und 4);
4.
die vorläufige Zahlungseinstellung nach § 331 mit der Maßgabe, dass die Träger auch zur teilweisen Zahlungseinstellung berechtigt sind, wenn sie von Tatsachen Kenntnis erhalten, die zu einem geringeren Leistungsanspruch führen;
5.
die Erstattung von Beiträgen zur Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung (§ 335 Absatz 1, 2 und 5); § 335 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 5 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 ist nicht anwendbar, wenn in einem Kalendermonat für mindestens einen Tag rechtmäßig Bürgergeld nach § 19 Absatz 1 Satz 1 gewährt wurde; in den Fällen des § 335 Absatz 1 Satz 2 und Absatz 5 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 2 besteht kein Beitragserstattungsanspruch.

(3) Liegen die in § 44 Absatz 1 Satz 1 des Zehnten Buches genannten Voraussetzungen für die Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes vor, weil dieser auf einer Rechtsnorm beruht, die nach Erlass des Verwaltungsaktes

1.
durch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts für nichtig oder für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt worden ist oder
2.
in ständiger Rechtsprechung anders als durch den für die jeweilige Leistungsart zuständigen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende ausgelegt worden ist,
so ist der Verwaltungsakt, wenn er unanfechtbar geworden ist, nur mit Wirkung für die Zeit nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts oder ab dem Bestehen der ständigen Rechtsprechung zurückzunehmen. Bei der Unwirksamkeit einer Satzung oder einer anderen im Rang unter einem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschrift, die nach § 22a Absatz 1 und dem dazu ergangenen Landesgesetz erlassen worden ist, ist abweichend von Satz 1 auf die Zeit nach der Entscheidung durch das Landessozialgericht abzustellen.

(4) Der Verwaltungsakt, mit dem über die Gewährung von Leistungen nach diesem Buch abschließend entschieden wurde, ist mit Wirkung für die Zukunft ganz aufzuheben, wenn in den tatsächlichen Verhältnissen der leistungsberechtigten Person Änderungen eintreten, aufgrund derer nach Maßgabe des § 41a vorläufig zu entscheiden wäre.

(5) Verstirbt eine leistungsberechtigte Person oder eine Person, die mit der leistungsberechtigten Person in häuslicher Gemeinschaft lebt, bleiben im Sterbemonat allein die dadurch eintretenden Änderungen in den bereits bewilligten Leistungsansprüchen der leistungsberechtigten Person und der mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen unberücksichtigt; die §§ 48 und 50 Absatz 2 des Zehnten Buches sind insoweit nicht anzuwenden. § 118 Absatz 3 bis 4a des Sechsten Buches findet mit der Maßgabe entsprechend Anwendung, dass Geldleistungen, die für die Zeit nach dem Monat des Todes der leistungsberechtigten Person überwiesen wurden, als unter Vorbehalt erbracht gelten.

(6) § 50 Absatz 1 des Zehnten Buches ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass Gutscheine in Geld zu erstatten sind. Die leistungsberechtigte Person kann die Erstattungsforderung auch durch Rückgabe des Gutscheins erfüllen, soweit dieser nicht in Anspruch genommen wurde. Eine Erstattung der Leistungen nach § 28 erfolgt nicht, soweit eine Aufhebungsentscheidung allein wegen dieser Leistungen zu treffen wäre. Satz 3 gilt nicht im Fall des Widerrufs einer Bewilligungsentscheidung nach § 29 Absatz 5 Satz 2.

(7) § 28 des Zehnten Buches gilt mit der Maßgabe, dass der Antrag unverzüglich nach Ablauf des Monats, in dem die Ablehnung oder Erstattung der anderen Leistung bindend geworden ist, nachzuholen ist.

(8) Für die Vollstreckung von Ansprüchen der in gemeinsamen Einrichtungen zusammenwirkenden Träger nach diesem Buch gilt das Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz des Bundes; im Übrigen gilt § 66 des Zehnten Buches.

(9) § 1629a des Bürgerlichen Gesetzbuchs gilt mit der Maßgabe, dass sich die Haftung eines Kindes auf das Vermögen beschränkt, das bei Eintritt der Volljährigkeit den Betrag von 15 000 Euro übersteigt.

(10) Erstattungsansprüche nach § 50 des Zehnten Buches, die auf die Aufnahme einer bedarfsdeckenden sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung zurückzuführen sind, sind in monatlichen Raten in Höhe von 10 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs zu tilgen. Dies gilt nicht, wenn vor Tilgung der gesamten Summe erneute Hilfebedürftigkeit eintritt.

(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden.

(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(1) Für das Verfahren nach diesem Buch gilt das Zehnte Buch. Abweichend von Satz 1 gilt § 44 des Zehnten Buches mit der Maßgabe, dass

1.
rechtswidrige nicht begünstigende Verwaltungsakte nach den Absätzen 1 und 2 nicht später als vier Jahre nach Ablauf des Jahres, in dem der Verwaltungsakt bekanntgegeben wurde, zurückzunehmen sind; ausreichend ist, wenn die Rücknahme innerhalb dieses Zeitraums beantragt wird,
2.
anstelle des Zeitraums von vier Jahren nach Absatz 4 Satz 1 ein Zeitraum von einem Jahr tritt.
Abweichend von Satz 1 gelten die §§ 45, 47 und 48 des Zehnten Buches mit der Maßgabe, dass ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit nicht aufzuheben ist, wenn sich ausschließlich Erstattungsforderungen nach § 50 Absatz 1 des Zehnten Buches von insgesamt weniger als 50 Euro für die Gesamtheit der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft ergäben. Bei der Prüfung der Aufhebung nach Satz 3 sind Umstände, die bereits Gegenstand einer vorherigen Prüfung nach Satz 3 waren, nicht zu berücksichtigen. Die Sätze 3 und 4 gelten in den Fällen des § 50 Absatz 2 des Zehnten Buches entsprechend.

(2) Entsprechend anwendbar sind die Vorschriften des Dritten Buches über

1.
(weggefallen)
2.
(weggefallen)
3.
die Aufhebung von Verwaltungsakten (§ 330 Absatz 2, 3 Satz 1 und 4);
4.
die vorläufige Zahlungseinstellung nach § 331 mit der Maßgabe, dass die Träger auch zur teilweisen Zahlungseinstellung berechtigt sind, wenn sie von Tatsachen Kenntnis erhalten, die zu einem geringeren Leistungsanspruch führen;
5.
die Erstattung von Beiträgen zur Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung (§ 335 Absatz 1, 2 und 5); § 335 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 5 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 ist nicht anwendbar, wenn in einem Kalendermonat für mindestens einen Tag rechtmäßig Bürgergeld nach § 19 Absatz 1 Satz 1 gewährt wurde; in den Fällen des § 335 Absatz 1 Satz 2 und Absatz 5 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 2 besteht kein Beitragserstattungsanspruch.

(3) Liegen die in § 44 Absatz 1 Satz 1 des Zehnten Buches genannten Voraussetzungen für die Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes vor, weil dieser auf einer Rechtsnorm beruht, die nach Erlass des Verwaltungsaktes

1.
durch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts für nichtig oder für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt worden ist oder
2.
in ständiger Rechtsprechung anders als durch den für die jeweilige Leistungsart zuständigen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende ausgelegt worden ist,
so ist der Verwaltungsakt, wenn er unanfechtbar geworden ist, nur mit Wirkung für die Zeit nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts oder ab dem Bestehen der ständigen Rechtsprechung zurückzunehmen. Bei der Unwirksamkeit einer Satzung oder einer anderen im Rang unter einem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschrift, die nach § 22a Absatz 1 und dem dazu ergangenen Landesgesetz erlassen worden ist, ist abweichend von Satz 1 auf die Zeit nach der Entscheidung durch das Landessozialgericht abzustellen.

(4) Der Verwaltungsakt, mit dem über die Gewährung von Leistungen nach diesem Buch abschließend entschieden wurde, ist mit Wirkung für die Zukunft ganz aufzuheben, wenn in den tatsächlichen Verhältnissen der leistungsberechtigten Person Änderungen eintreten, aufgrund derer nach Maßgabe des § 41a vorläufig zu entscheiden wäre.

(5) Verstirbt eine leistungsberechtigte Person oder eine Person, die mit der leistungsberechtigten Person in häuslicher Gemeinschaft lebt, bleiben im Sterbemonat allein die dadurch eintretenden Änderungen in den bereits bewilligten Leistungsansprüchen der leistungsberechtigten Person und der mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen unberücksichtigt; die §§ 48 und 50 Absatz 2 des Zehnten Buches sind insoweit nicht anzuwenden. § 118 Absatz 3 bis 4a des Sechsten Buches findet mit der Maßgabe entsprechend Anwendung, dass Geldleistungen, die für die Zeit nach dem Monat des Todes der leistungsberechtigten Person überwiesen wurden, als unter Vorbehalt erbracht gelten.

(6) § 50 Absatz 1 des Zehnten Buches ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass Gutscheine in Geld zu erstatten sind. Die leistungsberechtigte Person kann die Erstattungsforderung auch durch Rückgabe des Gutscheins erfüllen, soweit dieser nicht in Anspruch genommen wurde. Eine Erstattung der Leistungen nach § 28 erfolgt nicht, soweit eine Aufhebungsentscheidung allein wegen dieser Leistungen zu treffen wäre. Satz 3 gilt nicht im Fall des Widerrufs einer Bewilligungsentscheidung nach § 29 Absatz 5 Satz 2.

(7) § 28 des Zehnten Buches gilt mit der Maßgabe, dass der Antrag unverzüglich nach Ablauf des Monats, in dem die Ablehnung oder Erstattung der anderen Leistung bindend geworden ist, nachzuholen ist.

(8) Für die Vollstreckung von Ansprüchen der in gemeinsamen Einrichtungen zusammenwirkenden Träger nach diesem Buch gilt das Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz des Bundes; im Übrigen gilt § 66 des Zehnten Buches.

(9) § 1629a des Bürgerlichen Gesetzbuchs gilt mit der Maßgabe, dass sich die Haftung eines Kindes auf das Vermögen beschränkt, das bei Eintritt der Volljährigkeit den Betrag von 15 000 Euro übersteigt.

(10) Erstattungsansprüche nach § 50 des Zehnten Buches, die auf die Aufnahme einer bedarfsdeckenden sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung zurückzuführen sind, sind in monatlichen Raten in Höhe von 10 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs zu tilgen. Dies gilt nicht, wenn vor Tilgung der gesamten Summe erneute Hilfebedürftigkeit eintritt.

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 26. März 2013 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander auch für das Revisionsverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist die Überprüfung und Rücknahme aller Bescheide über die Gewährung, Aufhebung und Erstattung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende für den Zeitraum seit Januar 2006.

2

Der 1973 geborene Kläger bezog seit Januar 2005 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Auf den Antrag des anwaltlich vertretenen Klägers vom 28.7.2010, sämtliche bestandskräftige Bescheide seit dem 1.1.2006 "auf ihre Rechtmäßigkeit" zu überprüfen, forderte der Beklagte ihn unter Fristsetzung bis zum 15.8.2010 auf, eine detaillierte Aufstellung der angefochtenen Bescheide vorzulegen. Eine Überprüfung des Sachverhaltes werde ansonsten nicht vorgenommen. Nachdem keine Reaktion erfolgt war, lehnte der Beklagte eine Prüfung der Bescheide ab (Bescheid vom 16.8.2010; Widerspruchsbescheid vom 11.10.2010).

3

Im sozialgerichtlichen Verfahren hat der Kläger vorgetragen, in den Bewilligungsbescheiden vom 23.11.2005, 12.6.2006, 14.12.2006, 29.5.2007, 26.11.2007, 2.6.2008 und 24.11.2008 seien die Kosten für Unterkunft und Heizung falsch ermittelt, der Beklagte habe den Abzug der Kosten für die Warmwasseraufbereitung unrichtig vorgenommen. Im August 2006 müsse eine Nachforderung aus einer Betriebskostenabrechnung in Höhe von 108,36 Euro berücksichtigt werden. Gleiches gelte für die Betriebskostenabrechnungen für das Jahr 2006 (Bescheid vom 22.6.2007) und für das Jahr 2007 (Bescheid vom 8.5.2008). Der Beklagte habe jeweils einen zu geringen Betrag berücksichtigt.

4

Das SG hat die Klage teilweise als unzulässig zurückgewiesen, im Übrigen als unbegründet abgewiesen (Urteil vom 15.3.2011). Soweit die Klagebegründung einen erneuten Überprüfungsantrag beinhalte, fehle es an einem ordnungsgemäßen Vorverfahren. Im Übrigen handele es sich bei der in § 44 SGB X vorgesehenen Korrekturmöglichkeit um eine Einzelfallprüfung. Ein "globaler" Überprüfungsantrag werde von der Norm nicht erfasst.

5

Das LSG hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteil vom 26.3.2013). Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf eine schranken- und voraussetzungslose Sach- und Rechtsprüfung der seit Januar 2006 erlassenen Bescheide. Aus dem Wortlaut und der Systematik ergebe sich, dass jeweils nur ein Anspruch auf Überprüfung einzelner Verwaltungsentscheidungen, nicht auf ein ggf umfangreiches Verwaltungshandeln über einen mehrjährigen Zeitraum bestehe. Für den Bereich des SGB II habe der Gesetzgeber die Bedeutung der Rechtssicherheit mit Wirkung zum 1.4.2011 weiter hervorgehoben und durch eine Ergänzung in § 40 Abs 1 S 2 SGB II die Rückwirkung auf ein Jahr begrenzt. Zudem werde das Leistungsverhältnis Bürger - Behörde im Bereich des SGB II schon materiell-rechtlich, dh aufgrund des Gegenstandes und des Normprogramms, durch Veränderungen in der Lebenswirklichkeit der Betreffenden ungleich mehr als im Sozialrecht sonst üblich geprägt. Im Interesse einer funktionsfähigen Verwaltung erfahre § 44 SGB X daher im SGB II eine Einschränkung. Unter Beachtung dieser Grundsätze folge aus dem Antrag des Klägers keine Pflicht zur Überprüfung von Bescheiden in der Sache, weil er diese bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens nicht benannt habe. Soweit er mit seiner Klagebegründung die zu überprüfenden Bescheide des Beklagten und Gründe für die aus seiner Sicht rechtswidrigen Regelungen benannt habe, sei zwar bei der Beurteilung von Bescheiden im Überprüfungsverfahren bei einer zulässigen Anfechtungs- und Verpflichtungsklage der für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgebliche Zeitpunkt derjenige der letzten mündlichen Verhandlung der Tatsacheninstanz. Hänge das Überprüfungsbegehren aber von Mitwirkungsobliegenheiten im Verwaltungsverfahren ab, seien Gerichte nicht verpflichtet, auf die Nachholung der schon bestehenden Mitwirkungsobliegenheit die nunmehr konkret benannten Bescheide erstmals zu überprüfen.

6

Mit seiner Revision macht der Kläger geltend, es sei kein plausibler Grund dafür ersichtlich, warum eine Überprüfung "sämtlicher" erlassener Bescheide des Beklagten nur dann möglich sein solle, wenn der Antragsteller diese nochmals aufliste. Da der Überprüfungsantrag ausschließlich auf eine fehlerhafte Rechtsanwendung gestützt worden sei, bedürfe es keiner weiteren Darlegungen.

7

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 26. März 2013 aufzuheben, das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 15. März 2011 abzuändern und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 16. August 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Oktober 2010 zu verpflichten, die Bescheide vom 23. November 2005, 12. Juni 2006, 14. Dezember 2006, 29. Mai 2007, 22. Juni 2007, 26. November 2007, 8. Mai 2008, 2. Juni 2008 und 24. November 2008 teilweise zurückzunehmen und dem Kläger für die in den Bescheiden geregelten Bewilligungszeiträume höhere Leistungen nach dem SGB II zu gewähren.

8

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Er bezieht sich auf das angefochtene Urteil.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision ist zulässig, jedoch unbegründet.

11

1. Streitgegenstand ist die Gewährung höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts im Zeitraum vom 1.1.2006 bis 30.6.2009, als dies durch die im Antrag bezeichneten Bescheide des Beklagten geschehen ist. Richtige Klageart ist hier eine kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage (zuletzt BSG Urteil vom 12.12.2013 - B 4 AS 17/13 R - SozR 4-1500 § 192 Nr 2 RdNr 4; BSG Urteil vom 28.2.2013 - B 8 SO 4/12 R - RdNr 9; vgl auch Baumeister in juris-PK SGB X, § 44 RdNr 154, Stand 4/2013; Steinwedel in Kasseler Kommentar, § 44 SGB X RdNr 30, Stand 09/2013 mwN; Waschull in LPK-SGB X, 3. Aufl 2011, § 44 RdNr 59; aA in einem obiter dictum: BSGE 97, 54 = SozR 4-2700 § 8 Nr 18, jeweils RdNr 9; wohl auch Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, Kap IV RdNr 76). Der Kläger begehrt mit der Anfechtungsklage die Aufhebung des - die Überprüfung der zuvor benannten Bescheide ablehnenden - Verwaltungsakts vom 16.8.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.10.2010. Die Verpflichtungsklage ist auf die Erteilung eines Bescheids durch den Beklagen gerichtet, mit dem dieser die begehrte Änderung der bezeichneten Bewilligungsbescheide bewirkt. Mit der Leistungsklage beantragt er die Erbringung höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts im streitigen Zeitraum.

12

2. Der Beklagte hat es hier rechtlich zutreffend abgelehnt, eine inhaltliche Überprüfung der benannten Verwaltungsakte nach § 44 SGB X vorzunehmen. Es mangelt bereits an einem hinreichend objektiv konkretisierbaren Antrag im Sinne dieser Vorschrift.

13

a) Nach § 40 Abs 1 S 1 SGB II iVm § 44 Abs 1 S 1 SGB X ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Erfolgt die Überprüfung aufgrund eines Antrags des Leistungsberechtigten, löst dieser Antrag zwar grundsätzlich eine Prüfpflicht des Leistungsträgers aus. Der Antrag bestimmt jedoch zugleich auch den Umfang des Prüfauftrags der Verwaltung im Hinblick darauf, ob bei Erlass des Verwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt oder von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen worden ist. Aufgrund oder aus Anlass des Antrags muss sich der Verwaltung im Einzelfall objektiv erschließen, aus welchem Grund - Rechtsfehler und/oder falsche Sachverhaltsgrundlage - nach Auffassung des Leistungsberechtigten eine Überprüfung erfolgen soll. Dazu muss der Antrag konkretisierbar sein, dh entweder aus dem Antrag selbst - ggf nach Auslegung - oder aus einer Antwort des Leistungsberechtigten aufgrund konkreter Nachfrage des Sozialleistungsträgers muss der Umfang des Prüfauftrags für die Verwaltung bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens erkennbar werden. Ist dies nicht der Fall, ist der Sozialleistungsträger berechtigt, von einer inhaltlichen Prüfung dieses Antrags abzusehen. Diese Begrenzung des Prüfauftrags der Verwaltung wird durch den Wortlaut, die Gesetzesbegründung sowie den Sinn und Zweck des § 44 SGB X gestützt.

14

b) Nach dem Wortlaut von § 44 Abs 1 S 1 SGB X soll "im Einzelfall" eine Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes - sei es ein rechtswidriger belastender Verwaltungsakt, mit dem Leistungen ganz oder teilweise abgelehnt worden sind, sei es ein Rückforderungsbescheid(vgl Voelzke/Hahn, SGb 2012, 685, mwN) - erfolgen. Hieraus hat der erkennende Senat geschlossen, dass dann, wenn nicht ein einzelner oder mehrere konkrete, ihrer Zahl nach bestimmbare Verfügungssätze von Verwaltungsakten, sondern das Verwaltungshandeln - ohne jede Differenzierung - insgesamt zur Überprüfung durch die Verwaltung gestellt wird, keine Prüfung im Einzelfall begehrt wird. Trotz des Vorliegen eines "Antrags" löst ein solches Begehren bereits nach dem Wortlaut der Vorschrift noch keine inhaltliche Prüfpflicht des Sozialleistungsträgers aus (BSG Beschluss vom 14.3.2012 - B 4 AS 239/11 B - juris-RdNr 6).

15

c) Eine Entbindung von der inhaltlichen Prüfung setzt allerdings voraus, dass der Sozialleistungsträger "den Einzelfall", also die konkreten Inhalte eines bestimmten Bescheides, die zur Überprüfung gestellt werden sollen, bei objektiver Betrachtung nicht ermitteln kann. Ein Prüfanliegen "im Einzelfall" ist daher zu bejahen, wenn entweder eine bestimmte Fragestellung tatsächlicher oder rechtlicher Natur oder eine konkrete Verwaltungsentscheidung benannt wird. Auch bei einem Antrag nach § 44 SGB X hat die Verwaltung den Untersuchungsgrundsatz des § 20 SGB X zu beachten. Insofern kann es - je nach den konkreten Umständen der Antragstellung - erforderlich sein, dass der Träger auf eine Konkretisierung des Überprüfungsbegehrens durch den Leistungsberechtigten iS des § 21 Abs 2 S 1 SGB X hinwirkt. In welchem Umfang der Leistungsträger seiner Amtsermittlungspflicht nachzukommen hat, beurteilt sich jedoch nach Lage des Einzelfalls. Als Kriterium für den Umfang der Amtsermittlungspflicht des SGB II-Trägers ist beispielsweise zu berücksichtigen, ob der Leistungsberechtigte (mit juristischem Sachverstand) vertreten oder unvertreten ist oder ob sich aus vorangegangenen Kontakten zwischen ihm und der Verwaltung Anhaltspunkte für das Begehren des Antragstellers ergeben. Auch kann von Bedeutung sein, in welchem Gesamtkontext ein Überprüfungsantrag gestellt wird. Wenn - jedoch wie im vorliegenden Fall - auch auf Nachfrage des SGB II-Trägers bei dem Rechtsanwalt der Antragstellerin keine Angaben gemacht werden, die eine Konkretisierung für den Einzelfall ermöglichen, sondern weiter pauschal auf die Überprüfung sämtlicher Bescheide verwiesen wird, ist der Sozialleistungsträger objektiv nicht in der Lage, seinen Prüfauftrag zu bestimmen. In diesem Sinne wird auch in dem Entwurf zur Begründung des § 42 SGB X (heute § 44 SGB X) darauf hingewiesen, Voraussetzung für die Rücknahme solle sein, dass der Behörde im Einzelfall die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes bekannt werde(BT-Drucks 8/2034, S 34). Der Sozialleistungsträger muss also zumindest in die Lage versetzt werden, bestimmen zu können, welcher Verwaltungsakt rechtswidrig sein könnte. Dies war hier bis zur Erteilung des Widerspruchsbescheides nicht der Fall.

16

d) Es genügt nicht, wenn der Leistungsberechtigte - wie hier - eine Nachbesserung des bis dahin unbestimmten und nicht objektiv konkretisierbaren Antrags erst im Klageverfahren vornimmt. Für die Beurteilung, ob die formellen Erfordernisse eines solchen Antrags vorliegen, der überhaupt erst eine Prüfpflicht des Leistungsträgers auslöst, ist auf die zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung zu diesem Überprüfungsantrag vorgetragenen tatsächlichen und/oder rechtlichen Anhaltspunkte abzustellen.

17

Soweit das LSG mit Hinweis auf eine Entscheidung des 5. Senats des BSG (Urteil vom 25.1.2011 - B 5 R 47/10 R - RdNr 12) für die Bestimmung des maßgeblichen Zeitpunkts zur Beurteilung der Sach- und Rechtslage im Überprüfungsverfahren im Ansatz davon ausgegangen ist, dass dies derjenige der letzten mündlichen Verhandlung sei, handelte es sich bei der Entscheidung des 5. Senats um eine andere Ausgangslage. In dem dortigen Verfahren war umstritten, ob konkrete "Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden" sind. Ob diese neben der Antragsstellung zu beachtende (weitere) Rücknahmevoraussetzung erfüllt ist, kann sich nach der materiellen Rechtslage richten, die im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Überprüfungsentscheidung gilt. Insofern ist neues Recht und auch erstmaliges Vorbringen der Beteiligten im Klageverfahren hierzu nach der Entscheidung des 5. Senats des BSG zu berücksichtigen, wenn das neue Recht das streitige Rechtsverhältnis nach seinem Geltungswillen "mit Rückwirkung" erfassen soll. Vorliegend fehlt es jedoch bereits an der vorrangig zu prüfenden verfahrensrechtlichen Voraussetzung für ein (Wieder)Aufleben ("Ingangbringen") der Prüfverpflichtung des Sozialleistungsträgers nach § 44 SGB X.

18

e) Ohne Bedeutung für die hier behandelte Fallgestaltung des nicht einzelfallbezogenen Antrags ist es, dass nach der Rechtsprechung des 4. Senats des BSG eine Einschränkung im Verfahren nach § 44 SGB X unter Rückgriff auf § 51 Abs 1 VwVfG vorgenommen werden darf mit der Folge einer gestuften Prüfungsverpflichtung bei einem "unrichtigen Sachverhalt"(BSGE 88, 75 = SozR 3-2200 § 1265 Nr 20). Nicht einschlägig ist hier auch die Rechtsprechung des 9. Senats des BSG, der eine Prüfpflicht nur dann annehmen will, wenn Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit des der früheren Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalts vorhanden sind (BSGE 63, 33 = SozR 1300 § 44 Nr 33). Wird das Verwaltungshandeln umfassend zur Überprüfung gestellt, mangelt es bereits an einem konkreten Anlass zum Eintritt in die zuvor aufgezeigten "Prüfstadien". Bereits auf der davor liegenden Stufe fehlt es an Hinweisen, wie sich der Prüfumfang bestimmen soll, wenn - wie hier - auch auf Nachfrage bei dem Leistungsberechtigten keine weiteren Angaben gemacht werden. Gleiches gilt, wenn sich die Rechtswidrigkeit aus einer unrichtigen Anwendung des Rechts ergeben soll. Nach Auffassung des 2. Senats des BSG soll zwar im Zugunstenverfahren nach § 44 SGB X auch ohne neues Vorbringen des Antragstellers immer eine Prüfverpflichtung bestehen, ob bei Erlass des bindend gewordenen Verwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt wurde(BSGE 97, 54 = SozR 4-2700 § 8 Nr 18, RdNr 12). Dies setzt jedoch voraus, dass die Verwaltung überhaupt "einzelfallbezogen" erkennen kann, welcher Bescheid zu überprüfen ist. Ansonsten kann sie bereits den Gegenstand der Prüfung nicht bestimmen und nicht dem Sinn und Zweck des § 44 SGB X entsprechend handeln.

19

f) Ziel des § 44 SGB X ist es, die Konfliktsituation zwischen der Bindungswirkung eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes und der materiellen Gerechtigkeit zu Gunsten letzterer aufzulösen(BSG SozR 3-1300 § 44 Nr 24, juris-RdNr 16; Merten in Hauck/Noftz, SGB X, K § 44 RdNr 2, Stand XII/12; Schütze in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2013, § 44 RdNr 2, vor 44-49, RdNr 1; Steinwedel in Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, § 44 SGB X RdNr 2, Stand IX/2013; Waschull in LPK-SGB X, 3. Aufl 2011, vor §§ 44-51 RdNr 13; vgl auch Voelzke/Hahn, SGb 2012, 685). Eine Konfliktlösung in diesem Sinne ist der Verwaltung jedoch nur möglich, wenn ihr "der Konflikt" bekannt ist. Insoweit besteht kein Unterschied zwischen der Situation der Einleitung eines Überprüfungsverfahrens durch einen Antrag des Leistungsberechtigten oder der Verpflichtung der Verwaltung zur Überprüfung von Amts wegen (§ 44 Abs 3 S 2 und 3 SGB X). Der Maßstab zur Bestimmung des Prüfumfangs ist gleich. Im Rahmen der Überprüfung von Amts wegen ist die Verwaltung nach ständiger Rechtsprechung des BSG nicht verpflichtet, die Akten von sich aus auf Rücknahmemöglichkeiten durchzuarbeiten. Es müssen sich vielmehr konkret in der Bearbeitung eines Falles Anhaltspunkte für eine Aufhebung ergeben (vgl BSG Urteil vom 2.10.2008 - B 9 VH 1/07 R - juris-RdNr 48; BSG SozR 3-4100 § 119 Nr 23, juris-RdNr 24 f; s auch Baumeister in jurisPK-SGB X, § 44 SGB X, RdNr 133, Stand 4/2013; Schütze in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2013, § 44 RdNr 39; Steinwedel in Kasseler Kommentar, § 44 SGB X, RdNr 24, Stand IX/2013). Anderenfalls würde der Verwaltung die Verpflichtung auferlegt, ihr bindend gewordenes Verwaltungshandeln "ins Blaue hinein" zu überprüfen. Auch bei einer Überprüfung auf Antrag ist die Verwaltung daher nicht gehalten, die Akten von Amts wegen durchzuarbeiten, um eine mögliche Rechtswidrigkeit aufzudecken. Sie kann sich vielmehr - in einer Situation wie der vorliegenden - unter dem Hinweis auf fehlende Anhaltspunkte für eine Rechtswidrigkeit nicht näher bezeichneter Ausgangsbescheide darauf stützen, es sei nicht erkennbar, dass das Recht unrichtig angewandt oder von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen worden sei und die erneute inhaltliche Prüfung ablehnen. Damit wird sowohl der materiellen Gerechtigkeit als auch der Bindungswirkung Rechnung getragen, ohne die materielle Gerechtigkeit durch eine Zugunstenentscheidung für den Leistungsberechtigten im Einzelfall hinter die Bindungswirkung zurücktreten zu lassen.

20

g) Unerheblich für die Bestimmung des Umfangs der Prüfpflicht des Leistungsträgers ist hingegen, dass es sich hier um einen Antrag auf Überprüfung eines Bescheides aus dem Leistungsbereich des SGB II handelt. Die den dortigen Leistungsvoraussetzungen geschuldete Häufigkeit der Änderungen der Leistungshöhe und der damit verbundenen erneuten Bescheiderteilung bilden keinen Anlass von anderen Sozialleistungsbereichen abweichende Maßstäbe für die Voraussetzungen der Überprüfung einer Verwaltungsentscheidung nach § 44 SGB X aufzustellen. § 40 Abs 1 SGB II enthält nur eine Begrenzung hinsichtlich der rückwirkenden Erbringung von SGB II-Leistungen nach § 44 Abs 4 SGB X, nicht jedoch abweichende Grundsätze für die vorangehenden Prüfungsschritte des § 44 SGB X(vgl in diesem Zusammenhang auch BSGE 106, 155 = SozR 4-4200 § 22 Nr 36).

21

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 17. Juni 2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

I. Umstritten ist die Überprüfung von Bescheiden nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Der seit dem 1.1.2005 im laufenden Leistungsbezug des beklagten Jobcenters stehende Kläger beantragte am 22.10.2010 die "Überprüfung sämtlicher bestandskräftiger Bescheide über Grundsicherung", ohne dies näher zu begründen. Der Beklagte lehnte den Antrag ohne Sachprüfung ab (Bescheid vom 28.10.2010, Widerspruchsbescheid vom 27.1.2011). Das Sozialgericht (SG) wies die Klage ab (Gerichtsbescheid vom 13.6.2012), Berufung wurde keine eingelegt. Den während des Laufs dieses Gerichtsverfahrens am 2.5.2011 gestellten, nicht begründeten Antrag des Klägers auf Überprüfung des Aufhebungs- und Erstattungsbescheides vom 27.12.2006 lehnte der Beklagte ab, weil eine Überprüfung nur für einen Zeitraum bis zu einem Jahr vor der Rücknahme erfolgen könne (Bescheid vom 9.5.2011, Widerspruchsbescheid vom 22.6.2011). Das SG hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 31.8.2012), das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 17.6.2013), weil die Ablehnung einer Sachprüfung durch den Beklagten im Ergebnis nicht zu beanstanden sei.

2

In der gegen die Nichtzulassung der Revision in der Entscheidung des LSG gerichteten Beschwerde rügt der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache aufgrund der Rechtsfrage:

"Sind Verwaltung und Gerichte im Rahmen eines Überprüfungsantrages nach § 44 SGB X verpflichtet, auch ohne neues tatsächliches Vorbringen der Beteiligten, die Rechtmäßigkeit des zur Überprüfung gestellten Bescheides anhand der zwischenzeitlich ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung zu überprüfen?"

Zur Begründung hat der Kläger ua auf die zu dieser Rechtsfrage schon anhängigen Revisionsverfahren vor dem Bundessozialgericht (BSG) verwiesen.

3

Nachdem der 4. Senat durch Urteil vom 13.2.2014 - B 4 AS 22/13 R -, in dem dieselbe Rechtsfrage gestellt, derselbe Beklagte und auf Klägerseite derselbe Prozessbevollmächtigte beteiligt waren, die Revision des dortigen Klägers zurückgewiesen hatte und in dem hiesigen Verfahren angefragt worden ist, ob die Nichtzulassungsbeschwerde aufrechterhalten bleibe, hat der Kläger mitgeteilt, dass an der Nichtzulassungsbeschwerde festgehalten werde, da die Rechtsauffassung des zuständigen 14. Senats noch nicht bekannt sei.

4

II. Die gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des LSG gerichtete Beschwerde des Klägers ist zurückzuweisen, weil sie unbegründet ist. Die Voraussetzungen des vom Kläger allein geltend gemachten Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nach § 160 Abs 2 Nr 1 SGG sind nicht erfüllt.

5

Voraussetzungen für die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtsfrage sind über die Formulierung einer bestimmten abstrakten Rechtsfrage hinaus deren über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung, deren Klärungsbedürftigkeit sowie Klärungsfähigkeit und Entscheidungserheblichkeit im konkreten Rechtsstreit (vgl Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, IX, RdNr 60 ff).

6

Die Klärungsbedürftigkeit ist zu verneinen, wenn die Rechtsfrage bereits höchstrichterlich beantwortet ist. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der zuvor aufgezeigten Voraussetzungen ist der Zeitpunkt der Entscheidung des BSG über die Nichtzulassungsbeschwerde. Dies bedeutet, dass die Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage, die zum Zeitpunkt der Einlegung der Beschwerde gegeben war, durch zwischenzeitliche Entscheidungen des BSG über diese Rechtsfrage bis zur Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde wegfallen kann (BSG SozR 1500 § 160 Nr 25; BSG SozR 1500 § 160a Nr 65; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, IX, RdNr 71).

7

Die vom Kläger formulierte Rechtsfrage ist aufgrund des genannten Urteils des 4. Senats vom 13.2.2014 - B 4 AS 22/13 R - nicht mehr klärungsbedürftig. In diesem Urteil hat der 4. Senat in RdNr 13 ausgeführt und den folgenden RdNr näher begründet:

"Nach § 40 Abs 1 S 1 SGB II iVm § 44 Abs 1 S 1 SGB X ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Erfolgt die Überprüfung aufgrund eines Antrags des Leistungsberechtigten, löst dieser Antrag zwar grundsätzlich eine Prüfpflicht des Leistungsträgers aus. Der Antrag bestimmt jedoch zugleich auch den Umfang des Prüfauftrags der Verwaltung im Hinblick darauf, ob bei Erlass des Verwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt oder von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen worden ist. Aufgrund oder aus Anlass des Antrags muss sich der Verwaltung im Einzelfall objektiv erschließen, aus welchem Grund - Rechtsfehler und/oder falsche Sachverhaltsgrundlage - nach Auffassung des Leistungsberechtigten eine Überprüfung erfolgen soll. Dazu muss der Antrag konkretisierbar sein, dh entweder aus dem Antrag selbst - ggf nach Auslegung - oder aus einer Antwort des Leistungsberechtigten aufgrund konkreter Nachfrage des Sozialleistungsträgers muss der Umfang des Prüfauftrags für die Verwaltung bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens erkennbar werden. Ist dies nicht der Fall, ist der Sozialleistungsträger berechtigt, von einer inhaltlichen Prüfung dieses Antrags abzusehen. Diese Begrenzung des Prüfauftrags der Verwaltung wird durch den Wortlaut, die Gesetzesbegründung sowie den Sinn und Zweck des § 44 SGB X gestützt."

8

Dem schließt sich der 14. Senat an. Angesichts dessen ist kein Grund zu erkennen oder vom Kläger vorgebracht worden, wieso noch eine Entscheidung des erkennenden Senats im Rahmen eines Revisionsverfahrens über die vom Kläger formulierte Frage notwendig ist.

9

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 SGG.

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 26. März 2013 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander auch für das Revisionsverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist die Überprüfung und Rücknahme aller Bescheide über die Gewährung, Aufhebung und Erstattung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende für den Zeitraum seit Januar 2006.

2

Der 1973 geborene Kläger bezog seit Januar 2005 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Auf den Antrag des anwaltlich vertretenen Klägers vom 28.7.2010, sämtliche bestandskräftige Bescheide seit dem 1.1.2006 "auf ihre Rechtmäßigkeit" zu überprüfen, forderte der Beklagte ihn unter Fristsetzung bis zum 15.8.2010 auf, eine detaillierte Aufstellung der angefochtenen Bescheide vorzulegen. Eine Überprüfung des Sachverhaltes werde ansonsten nicht vorgenommen. Nachdem keine Reaktion erfolgt war, lehnte der Beklagte eine Prüfung der Bescheide ab (Bescheid vom 16.8.2010; Widerspruchsbescheid vom 11.10.2010).

3

Im sozialgerichtlichen Verfahren hat der Kläger vorgetragen, in den Bewilligungsbescheiden vom 23.11.2005, 12.6.2006, 14.12.2006, 29.5.2007, 26.11.2007, 2.6.2008 und 24.11.2008 seien die Kosten für Unterkunft und Heizung falsch ermittelt, der Beklagte habe den Abzug der Kosten für die Warmwasseraufbereitung unrichtig vorgenommen. Im August 2006 müsse eine Nachforderung aus einer Betriebskostenabrechnung in Höhe von 108,36 Euro berücksichtigt werden. Gleiches gelte für die Betriebskostenabrechnungen für das Jahr 2006 (Bescheid vom 22.6.2007) und für das Jahr 2007 (Bescheid vom 8.5.2008). Der Beklagte habe jeweils einen zu geringen Betrag berücksichtigt.

4

Das SG hat die Klage teilweise als unzulässig zurückgewiesen, im Übrigen als unbegründet abgewiesen (Urteil vom 15.3.2011). Soweit die Klagebegründung einen erneuten Überprüfungsantrag beinhalte, fehle es an einem ordnungsgemäßen Vorverfahren. Im Übrigen handele es sich bei der in § 44 SGB X vorgesehenen Korrekturmöglichkeit um eine Einzelfallprüfung. Ein "globaler" Überprüfungsantrag werde von der Norm nicht erfasst.

5

Das LSG hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteil vom 26.3.2013). Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf eine schranken- und voraussetzungslose Sach- und Rechtsprüfung der seit Januar 2006 erlassenen Bescheide. Aus dem Wortlaut und der Systematik ergebe sich, dass jeweils nur ein Anspruch auf Überprüfung einzelner Verwaltungsentscheidungen, nicht auf ein ggf umfangreiches Verwaltungshandeln über einen mehrjährigen Zeitraum bestehe. Für den Bereich des SGB II habe der Gesetzgeber die Bedeutung der Rechtssicherheit mit Wirkung zum 1.4.2011 weiter hervorgehoben und durch eine Ergänzung in § 40 Abs 1 S 2 SGB II die Rückwirkung auf ein Jahr begrenzt. Zudem werde das Leistungsverhältnis Bürger - Behörde im Bereich des SGB II schon materiell-rechtlich, dh aufgrund des Gegenstandes und des Normprogramms, durch Veränderungen in der Lebenswirklichkeit der Betreffenden ungleich mehr als im Sozialrecht sonst üblich geprägt. Im Interesse einer funktionsfähigen Verwaltung erfahre § 44 SGB X daher im SGB II eine Einschränkung. Unter Beachtung dieser Grundsätze folge aus dem Antrag des Klägers keine Pflicht zur Überprüfung von Bescheiden in der Sache, weil er diese bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens nicht benannt habe. Soweit er mit seiner Klagebegründung die zu überprüfenden Bescheide des Beklagten und Gründe für die aus seiner Sicht rechtswidrigen Regelungen benannt habe, sei zwar bei der Beurteilung von Bescheiden im Überprüfungsverfahren bei einer zulässigen Anfechtungs- und Verpflichtungsklage der für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgebliche Zeitpunkt derjenige der letzten mündlichen Verhandlung der Tatsacheninstanz. Hänge das Überprüfungsbegehren aber von Mitwirkungsobliegenheiten im Verwaltungsverfahren ab, seien Gerichte nicht verpflichtet, auf die Nachholung der schon bestehenden Mitwirkungsobliegenheit die nunmehr konkret benannten Bescheide erstmals zu überprüfen.

6

Mit seiner Revision macht der Kläger geltend, es sei kein plausibler Grund dafür ersichtlich, warum eine Überprüfung "sämtlicher" erlassener Bescheide des Beklagten nur dann möglich sein solle, wenn der Antragsteller diese nochmals aufliste. Da der Überprüfungsantrag ausschließlich auf eine fehlerhafte Rechtsanwendung gestützt worden sei, bedürfe es keiner weiteren Darlegungen.

7

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 26. März 2013 aufzuheben, das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 15. März 2011 abzuändern und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 16. August 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Oktober 2010 zu verpflichten, die Bescheide vom 23. November 2005, 12. Juni 2006, 14. Dezember 2006, 29. Mai 2007, 22. Juni 2007, 26. November 2007, 8. Mai 2008, 2. Juni 2008 und 24. November 2008 teilweise zurückzunehmen und dem Kläger für die in den Bescheiden geregelten Bewilligungszeiträume höhere Leistungen nach dem SGB II zu gewähren.

8

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Er bezieht sich auf das angefochtene Urteil.

Entscheidungsgründe

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Die Revision ist zulässig, jedoch unbegründet.

11

1. Streitgegenstand ist die Gewährung höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts im Zeitraum vom 1.1.2006 bis 30.6.2009, als dies durch die im Antrag bezeichneten Bescheide des Beklagten geschehen ist. Richtige Klageart ist hier eine kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage (zuletzt BSG Urteil vom 12.12.2013 - B 4 AS 17/13 R - SozR 4-1500 § 192 Nr 2 RdNr 4; BSG Urteil vom 28.2.2013 - B 8 SO 4/12 R - RdNr 9; vgl auch Baumeister in juris-PK SGB X, § 44 RdNr 154, Stand 4/2013; Steinwedel in Kasseler Kommentar, § 44 SGB X RdNr 30, Stand 09/2013 mwN; Waschull in LPK-SGB X, 3. Aufl 2011, § 44 RdNr 59; aA in einem obiter dictum: BSGE 97, 54 = SozR 4-2700 § 8 Nr 18, jeweils RdNr 9; wohl auch Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, Kap IV RdNr 76). Der Kläger begehrt mit der Anfechtungsklage die Aufhebung des - die Überprüfung der zuvor benannten Bescheide ablehnenden - Verwaltungsakts vom 16.8.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.10.2010. Die Verpflichtungsklage ist auf die Erteilung eines Bescheids durch den Beklagen gerichtet, mit dem dieser die begehrte Änderung der bezeichneten Bewilligungsbescheide bewirkt. Mit der Leistungsklage beantragt er die Erbringung höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts im streitigen Zeitraum.

12

2. Der Beklagte hat es hier rechtlich zutreffend abgelehnt, eine inhaltliche Überprüfung der benannten Verwaltungsakte nach § 44 SGB X vorzunehmen. Es mangelt bereits an einem hinreichend objektiv konkretisierbaren Antrag im Sinne dieser Vorschrift.

13

a) Nach § 40 Abs 1 S 1 SGB II iVm § 44 Abs 1 S 1 SGB X ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Erfolgt die Überprüfung aufgrund eines Antrags des Leistungsberechtigten, löst dieser Antrag zwar grundsätzlich eine Prüfpflicht des Leistungsträgers aus. Der Antrag bestimmt jedoch zugleich auch den Umfang des Prüfauftrags der Verwaltung im Hinblick darauf, ob bei Erlass des Verwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt oder von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen worden ist. Aufgrund oder aus Anlass des Antrags muss sich der Verwaltung im Einzelfall objektiv erschließen, aus welchem Grund - Rechtsfehler und/oder falsche Sachverhaltsgrundlage - nach Auffassung des Leistungsberechtigten eine Überprüfung erfolgen soll. Dazu muss der Antrag konkretisierbar sein, dh entweder aus dem Antrag selbst - ggf nach Auslegung - oder aus einer Antwort des Leistungsberechtigten aufgrund konkreter Nachfrage des Sozialleistungsträgers muss der Umfang des Prüfauftrags für die Verwaltung bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens erkennbar werden. Ist dies nicht der Fall, ist der Sozialleistungsträger berechtigt, von einer inhaltlichen Prüfung dieses Antrags abzusehen. Diese Begrenzung des Prüfauftrags der Verwaltung wird durch den Wortlaut, die Gesetzesbegründung sowie den Sinn und Zweck des § 44 SGB X gestützt.

14

b) Nach dem Wortlaut von § 44 Abs 1 S 1 SGB X soll "im Einzelfall" eine Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes - sei es ein rechtswidriger belastender Verwaltungsakt, mit dem Leistungen ganz oder teilweise abgelehnt worden sind, sei es ein Rückforderungsbescheid(vgl Voelzke/Hahn, SGb 2012, 685, mwN) - erfolgen. Hieraus hat der erkennende Senat geschlossen, dass dann, wenn nicht ein einzelner oder mehrere konkrete, ihrer Zahl nach bestimmbare Verfügungssätze von Verwaltungsakten, sondern das Verwaltungshandeln - ohne jede Differenzierung - insgesamt zur Überprüfung durch die Verwaltung gestellt wird, keine Prüfung im Einzelfall begehrt wird. Trotz des Vorliegen eines "Antrags" löst ein solches Begehren bereits nach dem Wortlaut der Vorschrift noch keine inhaltliche Prüfpflicht des Sozialleistungsträgers aus (BSG Beschluss vom 14.3.2012 - B 4 AS 239/11 B - juris-RdNr 6).

15

c) Eine Entbindung von der inhaltlichen Prüfung setzt allerdings voraus, dass der Sozialleistungsträger "den Einzelfall", also die konkreten Inhalte eines bestimmten Bescheides, die zur Überprüfung gestellt werden sollen, bei objektiver Betrachtung nicht ermitteln kann. Ein Prüfanliegen "im Einzelfall" ist daher zu bejahen, wenn entweder eine bestimmte Fragestellung tatsächlicher oder rechtlicher Natur oder eine konkrete Verwaltungsentscheidung benannt wird. Auch bei einem Antrag nach § 44 SGB X hat die Verwaltung den Untersuchungsgrundsatz des § 20 SGB X zu beachten. Insofern kann es - je nach den konkreten Umständen der Antragstellung - erforderlich sein, dass der Träger auf eine Konkretisierung des Überprüfungsbegehrens durch den Leistungsberechtigten iS des § 21 Abs 2 S 1 SGB X hinwirkt. In welchem Umfang der Leistungsträger seiner Amtsermittlungspflicht nachzukommen hat, beurteilt sich jedoch nach Lage des Einzelfalls. Als Kriterium für den Umfang der Amtsermittlungspflicht des SGB II-Trägers ist beispielsweise zu berücksichtigen, ob der Leistungsberechtigte (mit juristischem Sachverstand) vertreten oder unvertreten ist oder ob sich aus vorangegangenen Kontakten zwischen ihm und der Verwaltung Anhaltspunkte für das Begehren des Antragstellers ergeben. Auch kann von Bedeutung sein, in welchem Gesamtkontext ein Überprüfungsantrag gestellt wird. Wenn - jedoch wie im vorliegenden Fall - auch auf Nachfrage des SGB II-Trägers bei dem Rechtsanwalt der Antragstellerin keine Angaben gemacht werden, die eine Konkretisierung für den Einzelfall ermöglichen, sondern weiter pauschal auf die Überprüfung sämtlicher Bescheide verwiesen wird, ist der Sozialleistungsträger objektiv nicht in der Lage, seinen Prüfauftrag zu bestimmen. In diesem Sinne wird auch in dem Entwurf zur Begründung des § 42 SGB X (heute § 44 SGB X) darauf hingewiesen, Voraussetzung für die Rücknahme solle sein, dass der Behörde im Einzelfall die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes bekannt werde(BT-Drucks 8/2034, S 34). Der Sozialleistungsträger muss also zumindest in die Lage versetzt werden, bestimmen zu können, welcher Verwaltungsakt rechtswidrig sein könnte. Dies war hier bis zur Erteilung des Widerspruchsbescheides nicht der Fall.

16

d) Es genügt nicht, wenn der Leistungsberechtigte - wie hier - eine Nachbesserung des bis dahin unbestimmten und nicht objektiv konkretisierbaren Antrags erst im Klageverfahren vornimmt. Für die Beurteilung, ob die formellen Erfordernisse eines solchen Antrags vorliegen, der überhaupt erst eine Prüfpflicht des Leistungsträgers auslöst, ist auf die zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung zu diesem Überprüfungsantrag vorgetragenen tatsächlichen und/oder rechtlichen Anhaltspunkte abzustellen.

17

Soweit das LSG mit Hinweis auf eine Entscheidung des 5. Senats des BSG (Urteil vom 25.1.2011 - B 5 R 47/10 R - RdNr 12) für die Bestimmung des maßgeblichen Zeitpunkts zur Beurteilung der Sach- und Rechtslage im Überprüfungsverfahren im Ansatz davon ausgegangen ist, dass dies derjenige der letzten mündlichen Verhandlung sei, handelte es sich bei der Entscheidung des 5. Senats um eine andere Ausgangslage. In dem dortigen Verfahren war umstritten, ob konkrete "Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden" sind. Ob diese neben der Antragsstellung zu beachtende (weitere) Rücknahmevoraussetzung erfüllt ist, kann sich nach der materiellen Rechtslage richten, die im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Überprüfungsentscheidung gilt. Insofern ist neues Recht und auch erstmaliges Vorbringen der Beteiligten im Klageverfahren hierzu nach der Entscheidung des 5. Senats des BSG zu berücksichtigen, wenn das neue Recht das streitige Rechtsverhältnis nach seinem Geltungswillen "mit Rückwirkung" erfassen soll. Vorliegend fehlt es jedoch bereits an der vorrangig zu prüfenden verfahrensrechtlichen Voraussetzung für ein (Wieder)Aufleben ("Ingangbringen") der Prüfverpflichtung des Sozialleistungsträgers nach § 44 SGB X.

18

e) Ohne Bedeutung für die hier behandelte Fallgestaltung des nicht einzelfallbezogenen Antrags ist es, dass nach der Rechtsprechung des 4. Senats des BSG eine Einschränkung im Verfahren nach § 44 SGB X unter Rückgriff auf § 51 Abs 1 VwVfG vorgenommen werden darf mit der Folge einer gestuften Prüfungsverpflichtung bei einem "unrichtigen Sachverhalt"(BSGE 88, 75 = SozR 3-2200 § 1265 Nr 20). Nicht einschlägig ist hier auch die Rechtsprechung des 9. Senats des BSG, der eine Prüfpflicht nur dann annehmen will, wenn Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit des der früheren Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalts vorhanden sind (BSGE 63, 33 = SozR 1300 § 44 Nr 33). Wird das Verwaltungshandeln umfassend zur Überprüfung gestellt, mangelt es bereits an einem konkreten Anlass zum Eintritt in die zuvor aufgezeigten "Prüfstadien". Bereits auf der davor liegenden Stufe fehlt es an Hinweisen, wie sich der Prüfumfang bestimmen soll, wenn - wie hier - auch auf Nachfrage bei dem Leistungsberechtigten keine weiteren Angaben gemacht werden. Gleiches gilt, wenn sich die Rechtswidrigkeit aus einer unrichtigen Anwendung des Rechts ergeben soll. Nach Auffassung des 2. Senats des BSG soll zwar im Zugunstenverfahren nach § 44 SGB X auch ohne neues Vorbringen des Antragstellers immer eine Prüfverpflichtung bestehen, ob bei Erlass des bindend gewordenen Verwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt wurde(BSGE 97, 54 = SozR 4-2700 § 8 Nr 18, RdNr 12). Dies setzt jedoch voraus, dass die Verwaltung überhaupt "einzelfallbezogen" erkennen kann, welcher Bescheid zu überprüfen ist. Ansonsten kann sie bereits den Gegenstand der Prüfung nicht bestimmen und nicht dem Sinn und Zweck des § 44 SGB X entsprechend handeln.

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f) Ziel des § 44 SGB X ist es, die Konfliktsituation zwischen der Bindungswirkung eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes und der materiellen Gerechtigkeit zu Gunsten letzterer aufzulösen(BSG SozR 3-1300 § 44 Nr 24, juris-RdNr 16; Merten in Hauck/Noftz, SGB X, K § 44 RdNr 2, Stand XII/12; Schütze in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2013, § 44 RdNr 2, vor 44-49, RdNr 1; Steinwedel in Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, § 44 SGB X RdNr 2, Stand IX/2013; Waschull in LPK-SGB X, 3. Aufl 2011, vor §§ 44-51 RdNr 13; vgl auch Voelzke/Hahn, SGb 2012, 685). Eine Konfliktlösung in diesem Sinne ist der Verwaltung jedoch nur möglich, wenn ihr "der Konflikt" bekannt ist. Insoweit besteht kein Unterschied zwischen der Situation der Einleitung eines Überprüfungsverfahrens durch einen Antrag des Leistungsberechtigten oder der Verpflichtung der Verwaltung zur Überprüfung von Amts wegen (§ 44 Abs 3 S 2 und 3 SGB X). Der Maßstab zur Bestimmung des Prüfumfangs ist gleich. Im Rahmen der Überprüfung von Amts wegen ist die Verwaltung nach ständiger Rechtsprechung des BSG nicht verpflichtet, die Akten von sich aus auf Rücknahmemöglichkeiten durchzuarbeiten. Es müssen sich vielmehr konkret in der Bearbeitung eines Falles Anhaltspunkte für eine Aufhebung ergeben (vgl BSG Urteil vom 2.10.2008 - B 9 VH 1/07 R - juris-RdNr 48; BSG SozR 3-4100 § 119 Nr 23, juris-RdNr 24 f; s auch Baumeister in jurisPK-SGB X, § 44 SGB X, RdNr 133, Stand 4/2013; Schütze in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2013, § 44 RdNr 39; Steinwedel in Kasseler Kommentar, § 44 SGB X, RdNr 24, Stand IX/2013). Anderenfalls würde der Verwaltung die Verpflichtung auferlegt, ihr bindend gewordenes Verwaltungshandeln "ins Blaue hinein" zu überprüfen. Auch bei einer Überprüfung auf Antrag ist die Verwaltung daher nicht gehalten, die Akten von Amts wegen durchzuarbeiten, um eine mögliche Rechtswidrigkeit aufzudecken. Sie kann sich vielmehr - in einer Situation wie der vorliegenden - unter dem Hinweis auf fehlende Anhaltspunkte für eine Rechtswidrigkeit nicht näher bezeichneter Ausgangsbescheide darauf stützen, es sei nicht erkennbar, dass das Recht unrichtig angewandt oder von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen worden sei und die erneute inhaltliche Prüfung ablehnen. Damit wird sowohl der materiellen Gerechtigkeit als auch der Bindungswirkung Rechnung getragen, ohne die materielle Gerechtigkeit durch eine Zugunstenentscheidung für den Leistungsberechtigten im Einzelfall hinter die Bindungswirkung zurücktreten zu lassen.

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g) Unerheblich für die Bestimmung des Umfangs der Prüfpflicht des Leistungsträgers ist hingegen, dass es sich hier um einen Antrag auf Überprüfung eines Bescheides aus dem Leistungsbereich des SGB II handelt. Die den dortigen Leistungsvoraussetzungen geschuldete Häufigkeit der Änderungen der Leistungshöhe und der damit verbundenen erneuten Bescheiderteilung bilden keinen Anlass von anderen Sozialleistungsbereichen abweichende Maßstäbe für die Voraussetzungen der Überprüfung einer Verwaltungsentscheidung nach § 44 SGB X aufzustellen. § 40 Abs 1 SGB II enthält nur eine Begrenzung hinsichtlich der rückwirkenden Erbringung von SGB II-Leistungen nach § 44 Abs 4 SGB X, nicht jedoch abweichende Grundsätze für die vorangehenden Prüfungsschritte des § 44 SGB X(vgl in diesem Zusammenhang auch BSGE 106, 155 = SozR 4-4200 § 22 Nr 36).

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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 29. August 2005 aufgehoben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 10. Mai 2004 zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin im ersten Rechtszug.

Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Zahlung einer Witwenrente im Zugunstenverfahren.

2

Die im August 1947 in der ehemaligen UdSSR geborene Klägerin war mit dem im September 1940 geborenen und am 7.11.1996 verstorbenen A. R. (nachfolgend: Versicherter) verheiratet. Nach dem Tod des Versicherten übersiedelte die Klägerin am 22.8.2000 in die Bundesrepublik Deutschland. Sie ist als Spätaussiedlerin anerkannt.

3

Mit Bescheid vom 22.5.2001 bewilligte die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) der Klägerin ab dem 1.11.2000 eine bis zum 28.2.2002 befristete Rente wegen Erwerbsunfähigkeit aus eigener Versicherung nach dem FRG, die im Anschluss daran verlängert wurde. Die ermittelten Entgeltpunkte (EP) begrenzte die BfA dabei auf den Höchstwert von 25. Mit Bescheid vom 12.7.2001 gewährte die Beklagte der Klägerin eine große Witwenrente für die Zeit vom 22.8.2000 bis 31.10.2000. Mit weiterem Bescheid vom 17.7.2001 lehnte sie die Auszahlung der Witwenrente für die Zeit ab 1.11.2000 ab. Da der Versichertenrente wegen Erwerbsunfähigkeit bereits 25 EP für Zeiten nach dem FRG zu Grunde lägen, komme eine Auszahlung gemäß § 22b Abs 1 FRG nicht in Betracht.

4

Im Dezember 2001 beantragte die Klägerin eine Überprüfung des Ablehnungsbescheids hinsichtlich der Anwendung von § 22b Abs 1 Satz 1 FRG. Die Beklagte lehnte eine Neufestsetzung der großen Witwenrente ab (Bescheid vom 24.7.2002 und Widerspruchsbescheid vom 30.9.2002). Die hiergegen gerichtete Klage hat das SG Speyer abgewiesen (Urteil vom 10.5.2004).

5

Auf die Berufung der Klägerin hat das LSG Rheinland-Pfalz mit Urteil vom 29.8.2005 das Urteil des SG Speyer aufgehoben und die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verurteilt, die Bescheide vom 12.7.2001 und 17.7.2001 teilweise zurückzunehmen sowie Witwenrente ohne die Begrenzung auf 25 EP nach § 22b Abs 1 FRG zu zahlen. Die Beklagte sei verpflichtet, der Klägerin Hinterbliebenenrente ohne Kürzung der EP gemäß § 22b Abs 1 FRG zu gewähren. Aus § 300 Abs 3 SGB VI ergebe sich, dass die Änderung des § 22b Abs 1 Satz 1 FRG durch das Gesetz zur Sicherung der nachhaltigen Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung(RV-Nachhaltigkeitsgesetz - RVNG) vom 21.7.2004 (BGBl I 1791 - nachfolgend: nF), die eine Begrenzung der EP auf 25 beim Zusammentreffen einer Rente aus eigener Versicherung und wegen Todes eines Berechtigten festlege, keine Anwendung finde. Im Rahmen der Überprüfung gemäß § 44 SGB X sei vielmehr auf die zuvor geltende Fassung(des Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetzes vom 25.9.1996 - BGBl I 1461 - nachfolgend: aF) abzustellen. Die durch § 22b Abs 1 Satz 1 FRG aF vorgesehene Begrenzung der anrechenbaren Zeiten nach dem FRG auf 25 EP habe nach der übereinstimmenden Rechtsprechung des 4., 8. und 13. Senats des BSG nicht für den Fall des Zusammentreffens einer Rente aus eigener Versicherung mit einer Hinterbliebenenrente gegolten. Dem schließe sich der erkennende Senat an.

6

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte ua eine Verletzung des § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X. § 22b Abs 1 Satz 1 FRG nF bestimme ausdrücklich, dass die Höchstgrenze von 25 EP für anrechenbare Zeiten nach dem FRG auch im Fall des Zusammentreffens einer Rente aus eigener Versicherung und einer Rente wegen Todes eines Berechtigten gelte. Diese Regelung sei gemäß Art 15 Abs 3 RVNG mit Wirkung vom 7.5.1996 in Kraft getreten. Bei Anwendung des § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X im Falle einer nach Erlass eines Verwaltungsaktes erfolgenden und auf den Erlasszeitpunkt zurückwirkenden Änderung der Rechtslage sei für die Beantwortung der Frage, ob bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt worden sei, auf die Rechtslage im Zeitpunkt der Rücknahmeentscheidung abzustellen. Die Klägerin erstrebe im vorliegenden Rechtsstreit eine Verurteilung der Beklagten zum Erlass eines sie begünstigenden Verwaltungsaktes. Ihre Klage stelle daher eine Verpflichtungsklage dar. Der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Begründetheit einer derartigen Klage sei der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung. Das angefochtene Urteil sei am 29.8.2005 ergangen. Zu diesem Zeitpunkt sei jedoch die Frage, ob bei Erlass der Bescheide vom 12.7.2001 und vom 17.7.2001 das Recht unrichtig angewandt worden sei, jedenfalls auf Grund der rückwirkenden Änderung des § 22b Abs 1 Satz 1 FRG durch Art 9 Nr 2 und Art 15 Abs 3 RVNG zweifelsfrei zu verneinen. Aus § 300 Abs 3 SGB VI ergebe sich keine andere Sichtweise. Die Anwendung dieser Regelung habe nämlich gerade zur Voraussetzung, "dass" eine bereits vorher geleistete Rente neu festzustellen sei und dabei die persönlichen EP neu zu ermitteln seien. Die Antwort auf die hier maßgebliche Frage, "ob" eine Rente neu festzustellen sei und hierbei die persönlichen EP neu zu ermitteln seien, könne daher nach allgemeinen methodischen Grundsätzen nicht aus der Regelung des § 300 Abs 3 SGB VI selbst hergeleitet werden.

7

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 29. August 2005 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 10. Mai 2004 zurückzuweisen.

8

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision der Beklagten ist begründet. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist der Bescheid vom 24.7.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.9.2002 rechtmäßig. Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, den bestandskräftigen Rentenbescheid vom 17.7.2001 hinsichtlich der Rentenhöhe zurückzunehmen und der Klägerin große Witwenrente zu zahlen.

11

Der geltend gemachte Rücknahmeanspruch richtet sich nach § 44 SGB X. Nach dessen Abs 1 Satz 1 ist ein bindend gewordener Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Diese Voraussetzungen für die Rücknahme des Rentenbescheids vom 17.7.2001 sind hinsichtlich der Rentenhöhe nicht erfüllt. Dabei kann offen bleiben, ob die Beklagte bei Erlass (Bekanntgabe iS von § 39 Abs 1 Satz 1 SGB X) dieses Bescheids das Recht richtig angewendet hat. Denn sie hat jedenfalls die große Witwenrente zu Recht nicht ausgezahlt (dazu 1.), ohne damit Bundesrecht (dazu 2.) oder Verfassungsrecht (dazu 3.) verletzt zu haben.

12

1. Selbst wenn die Beklagte bei Erlass des Bescheids vom 17.7.2001 das Recht fehlerhaft angewandt hätte, würde dies keinen Rücknahmeanspruch begründen. Denn es fehlt die weitere Voraussetzung des § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X, dass wegen der unrichtigen Rechtsanwendung Sozialleistungen zu Unrecht vorenthalten worden sind. Ob diese (weitere) Voraussetzung erfüllt ist, richtet sich nach der materiellen Rechtslage, die im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Überprüfungsentscheidung besteht (vgl Senatsurteile vom 5.10.2005 - B 5 RJ 57/03 R - Juris RdNr 14 und vom 13.9.1994 - 5 RJ 30/93 - HVBG-INFO 1995, 424 sowie BSG vom Urteile 25.10.1984 - 11 RAz 3/83 - BSGE 57, 209, 210 = SozR 1300 § 44 Nr 13 S 21 f mwN zum Fall nachträglicher Änderung der Rechtsprechung). Maßgeblicher Zeitpunkt ist daher grundsätzlich die letzte mündliche Verhandlung. Hat sich das Recht während des anhängigen Rechtsstreits geändert, so ist das neue Recht auch im Revisionsverfahren zu beachten, wenn es das streitige Rechtsverhältnis nach seinem zeitlichen Geltungswillen erfasst (stRspr; vgl BSG Urteil vom 14.7.1993 - 6 RKa 71/91 - BSGE 73, 25, 27 = SozR 3-2500 § 116 Nr 4 S 26; Vorlagebeschluss vom 28.5.1997 - 8 RKn 27/95 - SozR 3-2600 § 93 Nr 3 S 27 f; Urteile vom 2.7.1997 - 9 RVs 9/96 - Juris und vom 26.2.2003 - B 8 KN 11/02 R - SozR 4-2600 § 93 Nr 4 RdNr 7; Beschluss vom 18.8.2004 - B 8 KN 18/03 B - Juris).

13

Dieser Fall ist hier gegeben. § 22b Abs 1 Satz 1 FRG aF ist während des anhängigen Verfahrens zunächst mit Art 9 Nr 2 iVm Art 15 Abs 3 RVNG rückwirkend zum 7.5.1996 durch eine Neufassung (§ 22b Abs 1 Satz 1 FRG nF) ersetzt worden, wonach für anrechenbare Zeiten nach dem FRG für Renten aus eigener Versicherung und wegen Todes eines Berechtigten insgesamt höchstens 25 EP der Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten zu Grunde gelegt werden. Sodann sind mit Wirkung zum 1.1.2005 die Worte "Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten" durch die Worte "allgemeine Rentenversicherung" ersetzt worden (Art 45 Nr 2 des Gesetzes zur Organisationsreform in der gesetzlichen Rentenversicherung vom 9.12.2004, BGBl I 3242). Schließlich sind nach § 22b Abs 3 FRG, der nachträglich durch Art 12 Nr 2 RRG 1999 vom 16.12.1997 (BGBl I 2998) mit (Rück-)Wirkung zum 7.5.1996 (Art 33 Abs 7 RRG 1999) angefügt wurde, EP aus der Rente mit einem höheren Rentenartfaktor vorrangig zu berücksichtigen. Hieran gemessen hat die Klägerin kein Recht auf eine der Höhe nach bestimmte Rente. EP aus ihrer Erwerbsunfähigkeitsrente sind gemäß § 22b Abs 3 FRG vorrangig zu berücksichtigen. Denn der Rentenartfaktor für persönliche EP bei dieser Rentenart (§ 33 Abs 3 Nr 5 SGB VI) ist mit 1,0 höher (§ 67 Nr 3 SGB VI in der bis 31.12.2000 geltenden Fassung iVm § 302b Abs 1 Satz 1 und 2 SGB VI) als die Rentenartfaktoren bei großen Witwenrenten nach Ablauf des sog Sterbevierteljahres für persönliche EP in der allgemeinen Rentenversicherung gemäß § 67 Nr 6 SGB VI in Höhe von 0,6 (ab 1.1.2002: 0,55) und in der knappschaftlichen Rentenversicherung gemäß § 82 Nr 7 SGB VI in Höhe von 0,8 (ab 1.1.2002: 0,7333). Da bei der Erwerbsunfähigkeitsrente der Klägerin bereits 25 EP für anrechenbare Zeiten nach dem FRG zu berücksichtigen waren, war damit schon die Höchstpunktzahl erreicht, die § 22b Abs 1 Satz 1 FRG nF für ein Zusammentreffen von Renten aus eigener Versicherung und wegen Todes höchstens zulässt. Folglich war für die große Witwenrente kein "Monatsbetrag der Rente" (§ 64 SGB VI) festzustellen. Im Ergebnis ist die Klägerin damit lediglich Inhaberin eines "leeren Rechts" auf Witwenrente und bleibt auf den Wert ihrer eigenen Rente und die hieraus monatlich erwachsenden Einzelansprüche beschränkt.

14

2. Übergangsrechtlich schließen weder § 300 SGB VI, der gemäß § 14 FRG auch für Änderungen des FRG gilt(vgl BSG Urteil vom 19.5.2004 - B 13 RJ 46/03 R - BSGE 93, 15 = SozR 4-5050 Nr 3, RdNr 13), noch Art 6 § 4 Abs 4a des Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetzes (FANG) vom 25.2.1960 (BGBl I 93) idF des Gesetzes zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20.12.2000 (BGBl I 1827) die Anwendbarkeit des § 22b Abs 1 Satz 1 FRG nF aus(vgl Senatsurteil vom 5.10.2005 - B 5 RJ 39/04 R - Juris RdNr 13 f sowie BSG Urteile vom 21.6.2005 - B 8 KN 1/05 R - BSGE 95, 29 = SozR 4-5050 § 22b Nr 4; - B 8 KN 9/04 R - SozR 4-1300 § 44 Nr 5; - B 8 KN 7/04 R - Juris RdNr 14 f). Nach dem Grundsatz des § 300 Abs 1 SGB VI sind die Vorschriften dieses Gesetzbuchs von dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens an auf einen Anspruch oder einen Sachverhalt auch dann anzuwenden, wenn bereits vor diesem Zeitpunkt der Sachverhalt oder Anspruch bestanden hat. Als Ausnahme von diesem Grundsatz schreibt § 300 Abs 2 SGB VI vor, dass aufgehobene Vorschriften dieses Gesetzbuchs und durch dieses Gesetzbuch ersetzte Vorschriften auch nach dem Zeitpunkt ihrer Aufhebung noch auf den bis dahin bestehenden Anspruch anzuwenden sind, wenn der Anspruch bis zum Ablauf von drei Kalendermonaten nach der Aufhebung geltend gemacht wird.

15

Die Neufassung des § 22b Abs 1 Satz 1 FRG ist gemäß Art 9 Nr 2 iVm Art 15 Abs 3 RVNG am 7.5.1996 in Kraft getreten und nach der Grundregel des § 300 Abs 1 SGB VI auch auf einen Sachverhalt anzuwenden, der bereits vor diesem Zeitpunkt abgeschlossen war. Die gleichzeitig aufgehobene Altfassung des § 22b Abs 1 Satz 1 FRG gilt nicht nach § 300 Abs 2 SGB VI ausnahmsweise fort. Denn die Klägerin hatte am 7.5.1996 (noch) keinen durchsetzbaren Anspruch (§ 194 Abs 1 BGB) auf Witwenrente (vgl zum Begriff des Anspruchs: BSG SozR 3-2600 § 301 Nr 1). Ihr Witwenrentenanspruch ist nämlich erst mit ihrem Zuzug im August 2000 entstanden. Dass das RVNG erst im Juli 2004 verkündet worden ist, ändert an diesem Ergebnis nichts. Denn der Begriff "Aufhebung" in § 300 Abs 2 SGB VI bezeichnet nicht die bloße Existenz des Änderungsgesetzes auf Grund seiner Verkündung(Art 82 Abs 1 Satz 1 GG), sondern den Zeitpunkt für das Außerkrafttreten des alten Rechts, der sich aus den entsprechenden Anordnungen des in Kraft getretenen (Art 82 Abs 2 GG) Änderungsgesetzes ergibt (Senatsurteil vom 5.10.2005 - B 5 RJ 57/03 R - Juris RdNr 16 und BSG Urteile vom 21.6.2005 - B 8 KN 1/05 R - BSGE 95, 29 = SozR 4-5050 § 22b Nr 4; - B 8 KN 9/04 R - SozR 4-1300 § 4 Nr 5; - B 8 KN 7/04 R - Juris RdNr 15 sowie vom 19.5.2004 - B 13 RJ 46/03 R - BSGE 93, 15 RdNr 19).

16

Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ergibt sich aus § 300 Abs 3 SGB VI nichts anderes. Danach gilt Folgendes: Ist eine bereits vorher geleistete Rente neu festzustellen und sind dabei die persönlichen EP neu zu ermitteln, sind die Vorschriften maßgebend, die bei erstmaliger Feststellung der Rente anzuwenden waren. Diese allgemeine Übergangsnorm wird durch den spezielleren Art 6 § 4 Abs 4a FANG verdrängt(vgl dazu auch Zweng/Scheerer/Buschmann/Dörr, Handbuch der Rentenversicherung, Band 3, Stand 9/10, § 300 RdNr 33e), der seit dem 1.1.2001 in Kraft ist und speziell für das FRG - im Wesentlichen wortgleich - das Folgende regelt: Ist eine bereits vorher geleistete Rente neu festzustellen und sind dabei die persönlichen EP neu zu ermitteln, sind die Vorschriften des FRG maßgebend, die bei erstmaliger Feststellung der Rente anzuwenden waren, soweit § 317 Abs 2a SGB VI nichts anderes bestimmt. Die Tatbestandsvoraussetzungen dieser vorrangigen Spezialnorm sind offensichtlich nicht erfüllt. Am 7.5.1996 hatte die Klägerin bereits dem Grunde nach kein Recht auf eine große Witwenrente. Erst recht wurde eine derartige Rente daher vor Inkrafttreten des anzuwendenden Rechts weder geleistet noch waren aus diesem Grund EP "neu" zu ermitteln.

17

3. Art 15 Abs 3 RVNG, der § 22b Abs 1 Satz 1 FRG nF rückwirkend zum 7.5.1996 in Kraft setzte, verletzt keine verfassungsmäßigen Rechte der Klägerin, wie das BVerfG mit Beschluss vom 21.7.2010 (1 BvR 2530/05 ua - SozR 4-5050 § 22b Nr 9) entschieden hat.

18

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 11. Februar 2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über eine zwölfwöchige Sperrzeit und deren Rechtsfolgen.

2

Die 1961 geborene Klägerin bezog ab 1.8.2001 bis zur Erschöpfung des Anspruchs Arbeitslosengeld (Alg). Danach bewilligte ihr die Beklagte Arbeitslosenhilfe (Alhi) vom 27.7.2002 bis 26.7.2003 (Bescheid vom 15.8.2002).

3

Zum 24.10.2002 erhielt sie von der Beklagten ein Stellenangebot als Produktionshelferin bei der H. GmbH (im Folgenden: Arbeitgeber); der Stundenlohn sollte hiernach 5,37 Euro betragen. Beim Vorstellungsgespräch erklärte sie, dass sie sich statt des angebotenen Stundenlohns 8 bis 9 Euro pro Stunde vorstelle und noch das Ergebnis zweier weiterer Bewerbungen abwarten wolle, weshalb sie sich erst ab dem 18.11.2002 zu einer Arbeitsaufnahme imstande sehe. Daraufhin stellte die Beklagte den Eintritt einer zwölfwöchigen Sperrzeit mit der Folge des Ruhens des Alhi-Anspruchs vom 25.10.2002 bis 16.1.2003 fest, minderte die Anspruchsdauer um 84 Tage, hob die Leistungsbewilligung rückwirkend ab 25.10.2002 auf und forderte zu Unrecht erbrachte Leistungen für den Zeitraum vom 25.10.2002 bis 30.11.2002 in Höhe von insgesamt 825,45 Euro (Alhi in Höhe von 712,99 Euro; Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 112,46 Euro) zurück (Bescheid vom 12.12.2002; Widerspruchsbescheid vom 15.1.2003).

4

Das Sozialgericht (SG) hat den angefochtenen Bescheid dahingehend geändert, dass die Sperrzeit nur drei Wochen betrage und den Erstattungsbetrag entsprechend (auf 468,05 Euro) herabgesetzt; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen (Urteil vom 13.12.2006). Das Landessozialgericht (LSG) hat auf die Berufung der Beklagten das Urteil des SG geändert, die Klage in vollem Umfang abgewiesen und die Anschlussberufung der Klägerin zurückgewiesen. Die Klägerin habe die Arbeitsaufnahme ohne wichtigen Grund abgelehnt; deswegen habe die Beklagte noch unter der Geltung alten Rechts zu Recht eine zwölfwöchige Sperrzeit festgestellt mit der Folge, dass sich der Anspruch der Klägerin auf Alhi um 84 Tage mindere und nach § 48 Abs 1 S 2 Nr 4 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) iVm § 330 Abs 3 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) die Bewilligung von Alhi zurückzunehmen gewesen sei. Auch die Rückforderung erbrachter Alhi-Leistungen zuzüglich gezahlter Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung für die Zeit vom 25.10.2002 bis 16.1.2003 sei rechtmäßig.

5

Die Klägerin hat die vom Senat zugelassene Revision eingelegt und zu deren Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die Voraussetzungen für die Feststellungen einer Sperrzeit (auch) von drei Wochen lägen nicht vor. Das Arbeits- und Vermittlungsangebot der Beklagten habe nicht den Grundsätzen einer sachgerechten Arbeitsvermittlung entsprochen; denn das Lohnangebot von 5,37 bzw 6 Euro brutto pro Stunde bei einer tariflichen 35-Stunden-Woche hätte monatlich nur 814 bzw 910 Euro betragen, sodass bei möglicherweise wechselnden Einsatzorten mit entsprechendem Fahrkostenaufwand der Klägerin das erzielbare monatliche Nettoeinkommen nicht höher gewesen wäre als ihr Anspruch auf Alhi. Selbst wenn aber eine Sperrzeit eingetreten sei, dürfe diese statt 12 nur drei Wochen betragen, weil sonst ein gleichheitswidriger Zustand gegenüber solchen Versicherten bestünde, die den Sperrzeittatbestand (erst) ab 1.1.2003 verwirklichten. Zumindest biete die vorliegende Fallgestaltung ausreichend Argumente für eine von Amts wegen vorzunehmende Prüfung einer besonderen Härte. Als Verfahrensmangel hat die Klägerin außerdem geltend gemacht, das Gericht sei nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen; die Entscheidung durch den bestellten Berichterstatter sei ermessens- und verfahrensfehlerhaft erfolgt.

6

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Hessischen LSG vom 11.2.2011 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG Frankfurt am Main vom 13.12.2006 zurückzuweisen sowie auf ihre Anschlussberufung das Urteil des SG Frankfurt am Main vom 13.12.2006 abzuändern und den Bescheid der Beklagten vom 12.12.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.1.2003 aufzuheben.

7

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 2.5.2012 hat sie den angefochtenen Bescheid dahingehend geändert, dass die darin verfügte Minderung der Dauer des Anspruchs auf Alhi um 84 Tage aufgehoben wird.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der Klägerin ist nicht begründet (§ 170 Abs 1 S 1 Sozialgerichtsgesetz). Das LSG ist zutreffend von der Zulässigkeit der Berufung der Beklagten ausgegangen (zu 1), der gerügte Verfahrensfehler liegt nicht vor (zu 2) und das LSG hat ohne Rechtsfehler erkannt, dass der angefochtene Bescheid der Beklagten rechtmäßig ist (zu 3).

10

1. Gegenstand der erhobenen Anfechtungsklage ist der Bescheid der Beklagten vom 12.12.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.1.2003, mit dem die Beklagte den Eintritt einer Sperrzeit von 12 Wochen, beginnend ab 25.10.2002, festgestellt, Leistungen in Höhe von 825,45 Euro zurückgefordert und die rückwirkende Aufhebung der Leistungsbewilligung durch den Bescheid vom 15.8.2002 verfügt hat. Mit dem Berufungsbegehren der Beklagten, keine Leistungen für weitere neun Wochen erbringen zu müssen, wird der Wert des Beschwerdegegenstands nach § 144 Abs 1 S 1 Nr 1 SGG in der bis zum 31.3.2008 gültigen Fassung (alte Fassung - aF) iHv 500 Euro (12 Wochen - 3 Wochen = 9 Wochen x 7 Tage x 19,27 Euro täglich = 1214,01 Euro) überschritten.

11

2. Entgegen der Rüge der Klägerin konnte das LSG durch den Berichterstatter entscheiden. Die formellen Voraussetzungen des § 155 Abs 3 und 4 SGG für eine Entscheidung durch den Berichterstatter anstelle des Senats sind erfüllt.

12

Zwar entscheidet das LSG gemäß § 33 S 1 SGG regelmäßig in der Besetzung mit einem Vorsitzenden, zwei weiteren Berufsrichtern und zwei ehrenamtlichen Richtern und die Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter an der Entscheidung zählt zu den tragenden Grundsätzen des sozialgerichtlichen Verfahrens(BSGE 7, 230, 234 = SozR Nr 1 zu § 108 SGG; BSGE 99, 189 = SozR 4-1500 § 155 Nr 2, RdNr 14). Gemäß § 155 Abs 3 SGG(in Kraft seit 1.3.1993) kann der Vorsitzende im Einverständnis der Beteiligten anstelle des Senats entscheiden; ist ein Berichterstatter bestellt, so entscheidet nach Abs 4 der Vorschrift dieser anstelle des Vorsitzenden.

13

Durch die jeweiligen Verfügungen des Vorsitzenden vom 25.6.2007, 2.5.2008, 9.3.2010 und 1.7.2010 war für das Berufungsverfahren ein Berichterstatter bestellt. Mit dessen Entscheidung haben sich die Beteiligten durch schriftliche Erklärungen vom 1. bzw 4.2.2011 ausdrücklich einverstanden erklärt.

14

Das LSG war auch aus materiell-rechtlichen Gründen nicht gehindert, durch den Berichterstatter zu entscheiden. Zwar ist eine Entscheidung durch den konsentierten Einzelrichter nach § 155 Abs 3, 4 SGG in der Weise begrenzt, als es sich um eine Sache ohne besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art handeln muss. Selbst wenn der Einzelrichter die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zulässt, ist aber ein Verfahrensfehler nicht anzunehmen, wenn er der Sache keine nennenswerte Breitenwirkung beimisst und die Beteiligten ihr Einverständnis mit einer Einzelrichterentscheidung auch für den Fall der Zulassung der Revision erklärt haben (vgl Senatsurteil vom 3.12.2009 - B 11 AL 38/08 R - SozR 4-4300 § 53 Nr 4 RdNr 14; GS SozR 4-1200 § 52 Nr 4 RdNr 7). Erst recht ist die Verlagerung der Entscheidungskompetenz vom Kollegium auf den Berichterstatter jedenfalls in den Fällen zulässig, in denen keine Zulassung der Revision veranlasst ist, weil einer ständigen Rechtsprechung gefolgt werden soll (BSGE 99, 189 = SozR 4-1500 § 155 Nr 2, RdNr 22; BSG SozR 4-1500 § 105 Nr 1 RdNr 15 ff), oder wenn sich das Urteil des LSG auf eine vorhandene, verfahrensfehlerfrei in vollständiger Senatsbesetzung getroffene Leitentscheidung oder bereits beim Bundessozialgericht (BSG) anhängige Parallelfälle bezieht (vgl BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 24 RdNr 11 f).

15

So aber liegt der Fall hier. Das LSG verweist in seiner Urteilsbegründung nicht nur auf die Rechtsprechung des erkennenden Senats im Urteil vom 6.5.2009 (B 11 AL 10/08 R - SozR 4-4300 § 144 Nr 19), wonach die Anwendung des neuen, ab 1.1.2003 geltenden Rechts, allein vom Eintritt des sperrzeitbegründenden Ereignisses abhängt. Es führt vielmehr zusätzlich aus, dass es seine frühere gegenteilige Rechtsansicht aufgegeben habe, und bezieht sich hierzu auf das eigene Senatsurteil vom 28.1.2011 (L 7 AL 75/09 - Revision anhängig zum Az: B 11 AL 8/11 R). Damit verweist es einerseits auf eine - nunmehr - gefestigte Rechtsprechung des eigenen Senats zur Frage der Sperrzeitdauer in den Fällen vorliegender Art; andererseits bezieht es sich auf eine vorhandene, verfahrensfehlerfrei in vollständiger Senatsbesetzung getroffene Leitentscheidung.

16

3. Das LSG hat auch rechtsfehlerfrei entschieden, dass der Bescheid der Beklagten vom 12.12.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.1.2003 in vollem Umfang rechtmäßig ist. Es hat deshalb zu Recht die Anschlussberufung der Klägerin als unbegründet zurückgewiesen.

17

a) Nach § 144 Abs 1 Nr 2 SGB III idF des Gesetzes zur Reform der arbeitsmarktpolitischen Instrumente (Job-AQTIV-Gesetz) vom 10.12.2001 (BGBl I 3443) tritt eine Sperrzeit von zwölf Wochen ein, wenn der Arbeitslose trotz Belehrung über die Rechtsfolgen eine vom Arbeitsamt unter Benennung des Arbeitgebers und der Art der Tätigkeit angebotene Beschäftigung nicht angenommen oder nicht angetreten hat oder die Anbahnung eines solchen Beschäftigungsverhältnisses, insbesondere das Zustandekommen eines Vorstellungsgesprächs, durch sein Verhalten verhindert (Sperrzeit wegen Arbeitsablehnung), ohne für sein Verhalten einen wichtigen Grund zu haben.

18

Nach den den Senat bindenden (§ 163 SGG)Feststellungen des LSG hat die schon längerfristig arbeitslose Klägerin von der Beklagten am 10.10.2002 ein Stellenangebot als Produktionshelferin an ihrem Wohnort O. erhalten und ist über die Rechtsfolgen bei Nichtannahme der angebotenen Beschäftigung ohne wichtigen Grund oder Verhinderung der Anbahnung eines Beschäftigungsverhältnisses durch ihr Verhalten belehrt worden. Nach den weiteren - von der Klägerin unwidersprochenen - Feststellungen des LSG hat sie während ihres Vorstellungsgesprächs am 24.10.2002 angegeben, sie wolle erst noch den Ausgang anderer Bewerbungsgespräche abwarten und stehe daher nicht vor dem 18.11.2002 und damit erst mehr als drei Wochen nach dem Bewerbungsgespräch zur Verfügung. Während der angebotene Stundenbruttolohn 5,37 Euro bzw 6 Euro betragen hat, hat sie Lohnvorstellungen in Höhe von 8 bis 9 Euro pro Stunde geäußert.

19

Es spricht vieles dafür, dass die Klägerin durch ihr Verhalten im Vorstellungsgespräch am 24.10.2002 die angebotene Beschäftigung konkludent abgelehnt hat; zumindest aber hat sie durch ihr Verhalten die Anbahnung eines zumutbaren Beschäftigungsverhältnisses verhindert, ohne für ihr Verhalten einen wichtigen Grund zu haben.

20

Einem Arbeitslosen sind grundsätzlich alle seiner Arbeitsfähigkeit entsprechenden Beschäftigungen zumutbar, soweit allgemeine oder personenbezogene Gründe der Zumutbarkeit nicht entgegenstehen; aus allgemeinen Gründen ist eine Beschäftigung insbesondere nicht zumutbar, wenn die Beschäftigung (ua) gegen gesetzliche oder tarifliche Bestimmungen über Arbeitsbedingungen verstößt (§ 121 Abs 1 und 2 SGB III; vgl Senatsurteil vom 8.11.2001 - B 11 AL 31/01 R - SozR 3-4300 § 144 Nr 7 S 8 f zur Leiharbeit). Nach § 121 Abs 3 S 3 SGB III aF iVm § 198 S 4 SGB III in der bis zum 31.12.2004 geltenden Fassung ist einem Arbeitslosen vom siebten Monat der Arbeitslosigkeit an eine Beschäftigung aus personenbezogenen Gründen nur dann nicht zumutbar, wenn das daraus erzielbare Nettoeinkommen unter Berücksichtigung der mit der Beschäftigung zusammenhängenden Aufwendungen niedriger ist als die Alhi. Allgemein darf das erzielbare Entgelt nicht sittenwidrig sein (vgl Estelmann in Eicher/Schlegel, SGB III, § 121 RdNr 24, 72, 82, Stand Einzelkommentierung Juni 2004). Letzteres ergibt sich auch aus § 36 Abs 1 SGB III, wonach die Agentur für Arbeit nicht in ein Arbeitsverhältnis vermitteln darf, das gegen ein Gesetz oder die guten Sitten verstößt(vgl hierzu Rixen in Eicher/Schlegel, SGB III, § 36, RdNr 38, RdNr 53 ff, Stand Einzelkommentierung Februar 2007 bzw November 2009, mwN). Eine arbeitsvertragliche Entgeltvereinbarung verstößt nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ( BAGE 110, 79 = AP Nr 59 zu § 138 BGB) aber erst dann gegen die guten Sitten iS von § 138 Bürgerliches Gesetzbuch, wenn ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vorliegt(vgl Rixen, aaO, RdNr 54). Anhaltspunkte dafür, dass der angebotene Stundenlohn von 5,37 Euro im Jahr 2002 zu dem Wert der hier in Frage stehenden Tätigkeit einer Produktionshelferin in einem auffälligen Missverhältnis stand, liegen nicht vor; dies behauptet auch die Klägerin nicht. Für das Verhältnis unerheblich ist die im streitigen Zeitraum maßgebliche sozialhilferechtliche Bedarfsbemessung (vgl Rixen, aaO, RdNr 54 mwN).

21

Das aus der angebotenen Beschäftigung erzielbare Nettoeinkommen überstieg auch die von der Klägerin bezogene Alhi (zur Maßgeblichkeit der gezahlten bzw bezogenen Alhi, vgl ua Estelmann in Eicher/Schlegel, SGB III, § 121 RdNr 72, Stand Einzelkommentierung Juni 2004; Valgolio in Hauck/Noftz, K SGB III, § 121 RdNr 44, 46, Stand Januar 2004). Unerheblich ist dabei, ob der schriftlich angebotene Stundenlohn von 5,37 Euro oder aber ein angeblich mündlich angebotener Stundenlohn von 6 Euro zugrunde gelegt wird. Jedenfalls hätte die Klägerin nach ihrer eigenen, auch vom LSG seiner Entscheidung zugrunde gelegten und rechnerisch nachvollziehbaren Berechnung (berechnet über http://www.steuerlinks.de/lohngehalt/ ; Abruf am 17.4.2012) bei Berücksichtigung der tariflichen Wochenarbeitszeit von 35 Stunden und einem Stundenlohn von 5,37 Euro einen monatlichen Nettolohn von 645,76 Euro bzw (bei einem Stundenlohn von 6 Euro) iHv 712,72 Euro erzielt. Es bedarf hier keiner abschließenden Entscheidung, ob für den Einkommensvergleich auf die von der Klägerin tatsächlich bezogene Alhi oder auf die ihr dem Grunde nach zustehende Alhi abzustellen ist. Denn selbst wenn nicht auf die tatsächlich gezahlte Alhi iHv 578,10 Euro (30 x 19,27 Euro) abzustellen wäre, sondern auf den Anspruch der Klägerin ohne Partnereinkommen, ergäbe sich kein für sie günstigeres Ergebnis. Auch ausgehend von dem ohne Partnereinkommen zustehenden Betrag der monatlichen Alhi iHv 606,87 Euro (578,10 Euro + 28,77 Euro) ist das erzielbare Nettoeinkommen der Klägerin höher als die Alhi. Der Bescheid über die Bewilligung von Alhi vom 15.8.2002 weist lediglich einen Anrechnungsbetrag aus dem Einkommen des Lebenspartners der Klägerin iHv 6,69 Euro wöchentlich (= im Monat: 6,69 Euro x 4,3 = 28,77 Euro) aus.

22

Etwas anderes ergibt sich nicht daraus, dass nach § 121 Abs 3 S 3 SGB III die mit der Beschäftigung zusammenhängenden Aufwendungen abzusetzen sind. Absetzbare Fahrkosten wären der Klägerin bei Annahme der angebotenen Beschäftigung nach den Feststellungen des LSG nicht erwachsen, weil sie von ihrem Wohnort aus den Sitz des Arbeitgebers zu Fuß hätte erreichen können und ihr für Fahrten zu auswärtigen Einsatzorten wegen des Bestehens eines Fahrdienstes ebenfalls keine Fahrkosten entstanden wären. Mit der Beschäftigung "zusammenhängende" Aufwendungen sind aber nur solche, die der Klägerin tatsächlich erwachsen wären, weil insoweit auf das Einkommensteuerrecht zurückzugreifen ist (vgl BSGE 63, 237 = SozR 4100 § 138 Nr 19 und zur Definition des Begriffs der Werbungskosten iS des § 138 Abs 2 AFG anhand der Definition des § 9 Abs 1 S 1 EStG: BSGE 45, 60 = SozR 4100 § 138 Nr 2; zu Berechnungsfragen vgl Steinmeyer in Gagel, SGB II/SGB III, § 121 RdNr 76, Stand Einzelkommentierung Januar 2005). Soweit die Klägerin in der Revisionsbegründung angibt, vom Nettolohn wären Fahrkosten zu den entsprechenden, möglicherweise wechselnden Einsatzorten in Abzug zu bringen, handelt es sich nicht um gegen die tatsächlichen Feststellungen des LSG gerichtete "begründete Revisionsgründe" iS des § 163 SGG, sondern um nicht näher substanziierte Behauptungen, die die auf Angaben des potentiellen Arbeitgebers beruhenden Feststellungen des LSG negieren.

23

Da es sich bei der angebotenen Tätigkeit als Produktionshelferin bei dem Arbeitgeber um ein zumutbares Beschäftigungsverhältnis gehandelt hat, stand der Klägerin für ihr Verhalten beim Vorstellungsgespräch vom 24.10.2002 kein wichtiger Grund zur Seite (vgl Niesel, SGB III, 2. Aufl 2002, § 144 RdNr 55 und 5. Aufl 2010, § 144 RdNr 64). Damit hat die Klägerin die Voraussetzungen für eine Sperrzeit wegen Arbeitsablehnung nach § 144 Abs 1 Nr 2 SGB III aF erfüllt.

24

b) Das LSG hat auch ohne Rechtsfehler entschieden, dass die Beklagte zu Recht eine Sperrzeit von zwölf Wochen festgestellt hat. Denn nach dem vorliegend noch anwendbaren § 144 Abs 1 Nr 2 SGB III aF tritt in den Fällen der Arbeitsablehnung eine Sperrzeit von zwölf Wochen ein, während § 144 SGB III in der am 1.1.2003 in Kraft getretenen Fassung des Ersten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2002 (BGBl I 4607) in Abs 4 Nr 1 Buchst c im Falle der erstmaligen Ablehnung einer Arbeit eine Sperrzeitdauer von nur (noch) drei Wochen vorsieht.

25

Zutreffend hat das LSG hinsichtlich der Geltung des § 144 Abs 1 Nr 2 SGB III idF des Job-AQTIV-Gesetzes vom 10.12.2001 (BGBl I 3443) auf die Grundsätze des intertemporalen Rechts verwiesen. Danach ist ein Rechtssatz grundsätzlich nur auf solche Sachverhalte anwendbar, die nach seinem Inkrafttreten verwirklicht werden. Dementsprechend hat das BSG - worauf der Senat bereits in seinem Urteil vom 27.8.2008 (B 11 AL 11/07 R - SozR 4-4300 § 335 Nr 1 RdNr 13 mit zahlreichen Nachweisen)hingewiesen hat - in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass sich die Entstehung und der Fortbestand sozialrechtlicher Ansprüche bzw Rechtsverhältnisse nach dem Recht beurteilen, das zur Zeit der anspruchsbegründenden Ereignisse oder Umstände gegolten hat, soweit nicht später in Kraft getretenes Recht etwas anderes bestimmt. Offengelassen hat der Senat in der Entscheidung vom 27.8.2008, inwieweit dieser Grundsatz im Recht des SGB III durch den Grundsatz abgelöst worden ist, dass neues Recht immer schon, aber auch noch den Sachverhalt erfasst, wenn die maßgeblichen Rechtsfolgen in den zeitlichen Geltungsbereich des neuen Rechts fallen (Geltungszeitraumprinzip - s hierzu Senatsurteil vom 6.5.2009 - B 11 AL 10/08 R - SozR 4-4300 § 144 Nr 19 RdNr 14; BSG Urteil vom 16.12.2009 - B 7 AL 39/08 R - info also 2010, 171; BSG SozR 3-4300 § 144 Nr 12; SozR 4-4100 § 119 Nr 1 RdNr 7 und SozR 4-4300 § 434j Nr 2; Eicher in Eicher/Schlegel, SGB III, vor § 422 RdNr 2 ff, Stand: Einzelkommentierung März 2010; Leitherer in Eicher/Schlegel, SGB III, § 335 Nr 37). Denn auch unter Berücksichtigung des Geltungszeitraumprinzips werden bereits vor einer Rechtsänderung eingetretene Rechtswirkungen nicht mehr erfasst; auf bereits eingetretene Rechtsfolgen wirkt das neue Recht nicht zurück (BSG Urteil vom 16.12.2009 - B 7 AL 39/08 R - info also 2010, 171; Eicher in Eicher/Schlegel, SGB III, vor § 422 RdNr 3). Daher entfaltet die Änderung des § 144 SGB III zum 1.1.2003 auch in Anwendung des Geltungszeitraumprinzips keine Wirkung auf den vorliegend zu beurteilenden Sachverhalt.

26

Unerheblich ist, dass es sich bei der Klage um eine reine Anfechtungsklage handelt, bei der für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Verwaltungsakts grundsätzlich auf die Sach- und Rechtslage bei Erlass des Bescheids bzw des Widerspruchsbescheids maßgeblich ist. Dies bedeutet jedoch nicht, dass allein wegen des Erlasses des Widerspruchsbescheids erst im Jahr 2003 (am 15.1.2003) das am 1.1.2003 in Kraft getretene Recht anwendbar wäre. Denn der Rückgriff auf die Klageart zur Bestimmung des anzuwendenden Rechts entspricht nach der Rechtsprechung des BSG lediglich einer Faustregel mit praktisch einleuchtenden Ergebnissen bei Verwaltungsakten mit Dauerwirkung, ist im Übrigen aber nicht Ausdruck eines abschließenden Rechtssatzes (vgl Senatsurteile vom 13.3.1997 - 11 RAr 51/96 - SozR 3-4100 § 152 Nr 7 und vom 27.8.2008 - B 11 AL 11/07 R - SozR 4-4300 § 335 Nr 1 RdNr 12 mwN). Die Maßgeblichkeit des Zeitpunkts für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist vielmehr eine Frage des materiellen, nicht des Prozessrechts (BVerwG Buchholz 310 § 113 VwGO Nr 218; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 54 RdNr 32).

27

Wie der Senat bereits im Urteil vom 6.5.2009 (B 11 AL 10/08 R - SozR 4-4300 § 144 Nr 19 RdNr 16)ausgeführt hat, ist materiell-rechtlich durch § 144 Abs 2 S 1 SGB III - sowohl aF als auch in der ab 1.1.2003 geltenden Fassung - geregelt, dass die Sperrzeit grundsätzlich mit dem Tag nach dem Ereignis beginnt, das die Sperrzeit begründet. Sperrzeitbegründendes Ereignis für die nach den getroffenen Feststellungen allein in Betracht kommende Sperrzeit wegen Arbeitsablehnung (§ 144 Abs 1 Nr 2 SGB III) ist aber das als Arbeitsablehnung zu wertende Verhalten der Klägerin anlässlich ihres Vorstellungsgesprächs vom 24.10.2002 (vgl zur Bestimmung des sperrzeitbegründenden Ereignisses BSGE 97, 73, 79 = SozR 4-4300 § 144 Nr 15, RdNr 23). Die Beklagte und ihr folgend auch die Vorinstanzen sind somit zu Recht davon ausgegangen, dass eine Sperrzeit - gleich welcher Dauer - am 25.10.2002 begonnen hat.

28

Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG tritt eine Sperrzeit kraft Gesetzes ein und läuft unabhängig vom Bestehen eines Leistungsanspruchs kalendermäßig ab (ua BSGE 84, 225, 229 = SozR 3-4100 § 119 Nr 17; Voelzke in Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, 2003, § 12 RdNr 376; Henke in Eicher/Schlegel, SGB III, § 144 RdNr 88, Stand Einzelkommentierung November 2006; Coseriu in Eicher/Schlegel, SGB III, § 144 RdNr 577, Stand Einzelkommentierung Juni 2010). Eine Sperrzeit von zwölf Wochen nach § 144 Abs 1 SGB III aF fällt also kalendermäßig in die Zeit vom 25.10.2002 bis zum 16.1.2003. Damit sind die Rechtsfolgen des sperrzeitbegründenden Verhaltens der Klägerin bereits im Jahre 2002 eingetreten; alle Voraussetzungen für den Eintritt der Sperrzeit mit seinen Folgen lagen bereits im Jahre 2002 vor. Deshalb ist auch für die Beurteilung der Wirkungen und der Folgen der Sperrzeit - wobei hier aufgrund der im Termin vom 2.5.2012 erfolgten Änderung des angefochtenen Bescheids eine Minderung der Anspruchsdauer unterbleibt - allein die Rechtslage maßgeblich, die beim Eintritt des sperrzeitbegründenden Ereignisses gegolten hat.

29

Gegen die Anwendung der die Klägerin im Vergleich zu der ab 1.1.2003 geltenden Fassung des § 144 Abs 1 SGB III schlechter stellenden aF sprechen - wie bereits im Senatsurteil vom 6.5.2009 (B 11 AL 10/08 R - SozR 4-4300 § 144 Nr 19 RdNr 21)ausgeführt - auch keine Gründe des Vertrauensschutzes oder sonstige verfassungsrechtliche Erwägungen. Da es Sinn und Zweck der Sperrzeit ist, die Versichertengemeinschaft typisierend gegen Risikofälle zu schützen, deren Eintritt der Versicherte selbst zu vertreten hat (ua BSGE 67, 26, 29 = SozR 3-4100 § 119 Nr 3, S 11; SozR 4-4300 § 144 Nr 7 RdNr 12), ist es auch für den hier zu entscheiden Fall, dass ein Teil der zwölfwöchigen Sperrzeit noch in das Jahr 2003 fällt, nicht unverhältnismäßig oder unangemessen, den Versicherten nach dem Recht zu behandeln, das zur Zeit des den Risikofall herbeiführenden Verhaltens gilt. Eine entsprechende Rechtsfolgenbelehrung hat die Klägerin erhalten. Die Anwendung des § 144 Abs 1 SGB III aF auf den 2002 eingetretenen Sperrzeittatbestand führt - entgegen der Ansicht der Klägerin - für sie ab 1.1.2003 auch nicht zu einem gleichheitswidrigen Zustand, weil die bereits ab 25.10.2002 bestehende Sperrzeit im Jahre 2003 noch annähernd drei Wochen andauerte, während bei Eintritt des die Sperrzeit begründenden Ereignisses erst im Jahre 2003 nur eine Sperrzeit von insgesamt drei Wochen eingetreten wäre. Art 3 Abs 1 Grundgesetz ist schon deshalb nicht tangiert, weil es sich bei Sperrzeitereignissen im Jahr 2002 und im Jahr 2003 um nicht vergleichbare Sachverhaltsgestaltungen handelt.

30

Soweit die Klägerin davon ausgeht, es "dürften ausreichende Argumente dafür vorhanden sein, von einer besonderen Härte auszugehen", trifft dies ebenfalls nicht zu. Zwar halbiert sich die Sperrzeit nach § 144 Abs 3 S 1 SGB III aF im Fall einer solchen Härte auf sechs Wochen. Die gesetzliche Regelung entzieht sich aber einer generalisierenden Betrachtung; vielmehr ist insoweit eine Bewertung der Gesamtumstände des Einzelfalls vorzunehmen (BSG SozR 3-4300 § 144 Nr 12, S 38), wobei unverschuldete Rechtsirrtümer zu berücksichtigen sind (vgl BSG SozR 3-4100 § 119 Nr 11, S 51; BSG SozR 3-1500 § 144 Nr 12, S 27 f). Es ist aber weder ersichtlich, dass in der Person der Klägerin besondere Umstände vorliegen, die es rechtfertigten, die sie treffenden gesetzlichen Folgen einer Arbeitsablehnung, über die sie entsprechend belehrt worden ist, als besondere Härte anzusehen, noch dass sie einem unverschuldeten Rechtsirrtum über die Rechtsfolgen unterlegen ist. Dies gilt umso mehr, als an die Entschuldbarkeit des Irrtums hohe Anforderungen gestellt werden, die nur erfüllt sind, wenn sich der Arbeitnehmer die Rechtsansicht aufgrund einer (objektiv) sorgfältigen Prüfung - ggf nach Rückfrage bei einer Dienststelle der Beklagten - der Rechtslage gebildet hat.

31

c) Die Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 12.12.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.1.2003 misst sich an § 48 Abs 1 S 2 Nr 4 SGB X iVm § 330 Abs 3 SGB III. Nach § 48 Abs 1 S 1 und S 2 Nr 4 SGB X iVm § 330 Abs 3 SGB III ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung vom Zeitpunkt einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse an aufzuheben, soweit der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.

32

Der Bescheid der Beklagten vom 12.12.2002 war ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung; er hatte die Bewilligung von Alhi vom 27.7.2002 bis 26.7.2003 zum Gegenstand. Wesentlich iS des § 48 Abs 1 S 1 SGB X ist jede tatsächliche oder rechtliche Änderung, die sich auf Grund oder Höhe der bewilligten Leistung auswirkt(vgl nur BSGE 97, 73 = SozR 4-4300 § 144 Nr 15 RdNr 15). Hier ist wegen des Eintritts einer Sperrzeit ein Ruhen des Leistungsanspruchs nach § 144 Abs 1 Nr 2, Abs 2 SGB III aF eingetreten. Schließlich sind auch die subjektiven Voraussetzungen des § 48 Abs 1 S 2 Nr 4 SGB X gegeben. Das LSG hat dabei entsprechend der ständigen Rechtsprechung des BSG bei der Beurteilung der groben Fahrlässigkeit einen subjektiven Maßstab angelegt (vgl BSGE 97, 73 = SozR 4-4300 § 144 Nr 15, RdNr 24 mwN). Das Revisionsgericht prüft insoweit lediglich, ob das LSG den Begriff der groben Fahrlässigkeit als solchen verkannt hat sowie, ob es beachtet hat, dass sich die Bösgläubigkeit grundsätzlich auf den zurückzunehmenden Teil des Verwaltungsakts erstrecken muss (vgl ua Senatsurteil vom 25.8.2011 - B 11 AL 30/10 R RdNr 13, zur Veröffentlichung vorgesehen; BSG SozR 4-4300 § 122 Nr 5 RdNr 14 mwN). Insofern ist die Entscheidung des LSG nicht zu beanstanden und entzieht sich die Würdigung der tatsächlichen Feststellungen durch das LSG der revisionsrechtlichen Überprüfung, wenn sie nicht mit zulässigen Verfahrensrügen (zB Verstoß gegen Denkgesetze) angegriffen wird (vgl § 163 SGG), was hier nicht der Fall ist.

33

Aufgrund der Aufhebung der Leistungsbewilligung war die Beklagte zur Rückforderung der für die Zeit vom 25.10.2002 bis 16.1.2003 geleisteten Alhi verpflichtet. Nach § 50 Abs 1 S 1 SGB X sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten, soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist. Die rechtmäßige Leistungsaufhebung betraf den vorbezeichneten Zwölf-Wochen-Zeitraum. Die in dieser Zeit erbrachten Leistungen hat die Beklagte zutreffend mit 825,45 Euro beziffert.

34

Der Rückforderungsbetrag betrifft die bewilligte Alhi in Höhe von 712,99 Euro sowie die während des Zwölf-Wochen-Zeitraums erbrachten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung. Rechtsgrundlage für die Erstattung von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen in Höhe von 112,46 Euro ist § 335 Abs 1, 5 SGB III in der bei Aufhebung der Bewilligung von Alhi gültigen Fassung bis 31.12.2004 (aF), wonach Bezieher von Alhi der Beklagten die von ihr gezahlten Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung und zur sozialen Pflegeversicherung zu ersetzen haben, soweit die Entscheidung über die Leistung rückwirkend aufgehoben und die Leistung zurückgefordert worden ist. Die Beklagte hat für die Klägerin Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge in Höhe von 112,46 Euro entrichtet; Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Berechnung und/oder Abführung dieser Beiträge bestehen nicht. Die Klägerin hat sich nach den bindenden Feststellungen des LSG auch hinsichtlich dieser Leistungen pflichtwidrig verhalten (vgl BSGE 104, 285 = SozR 4-4300 § 335 Nr 2, RdNr 31 mwN).

35

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG.

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

Das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch kostenfrei, soweit sie in dieser jeweiligen Eigenschaft als Kläger oder Beklagte beteiligt sind. Nimmt ein sonstiger Rechtsnachfolger das Verfahren auf, bleibt das Verfahren in dem Rechtszug kostenfrei. Den in Satz 1 und 2 genannten Personen steht gleich, wer im Falle des Obsiegens zu diesen Personen gehören würde. Leistungsempfängern nach Satz 1 stehen Antragsteller nach § 55a Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative gleich. § 93 Satz 3, § 109 Abs. 1 Satz 2, § 120 Absatz 1 Satz 2 und § 192 bleiben unberührt. Die Kostenfreiheit nach dieser Vorschrift gilt nicht in einem Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2).

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.