Sozialgericht Nürnberg Urteil, 22. März 2018 - S 20 SO 107/16

bei uns veröffentlicht am22.03.2018

Gericht

Sozialgericht Nürnberg

Tenor

I. Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 11.01.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.04.2016 verurteilt, die Kosten für die Betreuung der Klägerin in der Kindertagesstätte "B." in A-Stadt ab dem 01.02.2015 montags bis freitags in einem Umfang von täglich 5 Stunden zu übernehmen bzw. zu erstatten.

II. Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin dem Grunde nach.

III. Gerichtskosten werden für das Verfahren nicht erhoben.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten im Rahmen der Eingliederungshilfe über die Kostenübernahme für die teilstationäre Betreuung der Klägerin in der Kindertagesstätte „B.“ in A-Stadt ab dem 01.02.2015

I.

Die 2012 geborene Klägerin ist schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 80 und den Merkzeichen „G“, „B“ und „H“ aufgrund eines multiplen Fehlbildungssyndroms und psychomotorischer Entwicklungsstörung.

Das C. ist Amtsvormund der Klägerin. Die Klägerin wird seit dem 01.11.2013 im Rahmen der Eingliederungshilfe in einem Wohnheim in A-Stadt vollstationär betreut in Kostenträgerschaft des Beklagten. Sie war vor stationärer Aufnahme in Hof wohnhaft.

Am 03.11.2014 beantragte die Klägerin über ihren Amtsvormund zusätzlich die Gewährung von Eingliederungshilfe in der integrativen Kindertagesstätte B. in A-Stadt ab dem 01.02.2015.

Für die Entwicklung der Klägerin sei es wichtig, nach Möglichkeit gemeinsam mit Kindern ohne Behinderung betreut und gefördert zu werden, um ihr eine gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen. Die Leistungen im Wohnheim, in dem die Klägerin lebe, würden nach ihrer Art, ihrem Umfang und Inhalt angesichts des Hilfebedarfs der Klägerin an die Stelle des Elternhauses treten und alters- und behindertengerechte heilpädagogische Erziehungs- und Förderangebote darstellen. Dies schließe aber gerade die Verwirklichung des Inklusionsanspruches der Klägerin, der durch den Besuch einer inklusiven Kindertagesstätte erfüllt werden könne, nicht aus. Vielmehr würden sich beide Leistungen ergänzen, wie sich auch elterliche Erziehung und Betreuung und diejenige der Kindertagesstätten und Schulen ergänzen würden. Die Förderung in der integrativen Kindertagesstätte solle die persönliche Entwicklung der Klägerin ganzheitlich fördern, um ihr eine möglichst selbständige und selbstbestimmte Lebensführung zu ermöglichen oder zu erleichtern. Nach Auffassung des Amtsvormunds würden keine Einschränkungen im Hinblick auf die Rechtsprechung zu den §§ 24 Abs. 2 und 22 SGB VIII in Verbindung mit dem BayKiBiG bestehen aufgrund des Umstandes, dass die Klägerin mit dem Wohnheim in einer stationären Einrichtung der Eingliederungshilfe lebe. Der Bedarf an und Anspruch auf frühkindliche Bildung zusammen mit nicht behinderten Kindern sei nicht durch das Wohnheim gedeckt. Eine „Vollversorgung“ durch die stationäre Einrichtung Wohnheim sei insofern nicht gegeben.

Für die Kosten des integrativen Kindertagesstättenplatzes sei die Diakonie in Vorleistung getreten.

Die B. verfügt über eine entsprechende Leistungs- und Vergütungsvereinbarung nach dem Art. 2 Abs. 2 BayKiBiG mit dem Bezirk Mittelfranken.

Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 11.01.2016 lehnte der Beklagte die Kostenübernahme für die integrative Kindertagesstätte ab.

Es bestehe keine Notwendigkeit, im Rahmen der Eingliederungshilfe neben der vollstationären Förderung im Wohnheim daneben auch noch eine Förderung in einer teilstationären Einrichtung zu gewähren. Der Leistungsvereinbarung zwischen dem Wohnheim und dem B. sei zu entnehmen, dass die behinderungsadäquate Betreuung, Förderung und Pflege bereits ab dem Säuglingsalter vollstationär umfassend sichergestellt werde. An dieser Zielgruppe würden sich auch die individuellen Ziele der Einrichtung orientieren, nämlich die Gewährleistung der Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft und die Ausrichtung der Förderung darauf, pflegerische Bedarfe so niedrig wie möglich zu halten. Der erklärten Zielsetzung werde seitens der Einrichtung dadurch Rechnung getragen, dass altersgemäße und behinderungsspezifische, heilpädagogische Einrichtungs- und Förderangebote, sowie Betreuung, Pflege und Beschäftigung durch fachlich und persönlich geeignete Mitarbeiter und Wohnmöglichkeiten angeboten würden. Das Wohnheim habe sich in seiner Leistungsvereinbarung verpflichtet, die Betreuungs- und Aufsichtspflicht in erforderlichem Umfang zu übernehmen. Durch die Maßnahme im Wohnheim werde der Eingliederungshilfebedarf der Klägerin in vollem Umfang abgedeckt. Einer zusätzlichen teilstationären Betreuung in einer integrativen Kindertagesstätte bedürfe es daher nicht. In gleicher Weise verfahre im Übrigen der Bezirk Mittelfranken.

II.

Die Klägerin erhob gegen den Bescheid am 04.02.2016 Widerspruch. Die Klägerin habe einen Anspruch auf Eingliederungshilfe. Nach § 24 SGB VIII bestehe für jedes Kind ein Grundanspruch auf Förderung, der je nach der Art der Behinderung auch bei zusätzlichem Bedarf gewährleistet werden müsse. Nach § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII würden Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII für junge Menschen, die körperlich oder geistig behindert seien, den Leistungen nach dem SGB VIII vorgehen. Voraussetzung hierfür sei nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG), dass sowohl ein Jugendhilfe- als auch Sozialhilfeanspruch gegeben seien, und beide Leistungen gleich, gleichartig, einander entsprechend kongruent, einander überschneidend oder deckungsgleich seien. Diese Voraussetzung sei vorliegend erfüllt, weil ein integrativer Kindergartenplatz sowohl nach Jugendhilfe als auch nach Eingliederungshilfe gewährt werden könne. Nach § 10 Abs. 4 Satz 3 SGB VIII in Verbindung mit Art. 64 Abs. 2 Bay AGSG sei zulässigerweise landesrechtlich bestimmt, dass Leistungen der Frühförderung für Kinder unabhängig von der Art der Behinderung von den Trägern der Sozialhilfe nach den Vorschriften des SGB XII gewährt würden.

Der Beklagte half dem Widerspruch nicht ab und legte ihn der Regierung von Oberfranken zur Entscheidung vor.

Mit Widerspruchsbescheid vom 25.04.2016 wies die Regierung von Oberfranken den Widerspruch zurück und schloss sich der Auffassung des Beklagten an.

III.

Die Klägerin hat ihr Begehren weiterverfolgt und mit Schriftsatz vom 25.05.2016 Klage zum Sozialgericht Bayreuth erhoben. Mit Beschluss vom 16.06.2016 hat das Sozialgericht Bayreuth sich für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Sozialgericht Nürnberg verwiesen.

Zur Begründung ihrer Klage hat die Klägerin unter Verweis auf ihre Ausführungen im Vorverfahren ergänzend ausgeführt, dass nach Art. 7 UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK), die innerstaatlich den Rang eines Bundesgesetzes habe, die Vertragsstaaten verpflichtet seien, alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um zu gewährleisten, dass Kinder mit Behinderungen gleichberechtigt mit anderen Kindern alle Menschenrechte und Grundfreiheiten genießen können, wobei das Kindeswohl vorrangig zu berücksichtigen sei. Art. 24 UN-BRK verpflichte die Vertragsstaaten, ein integratives Bildungssystem auf allen Ebenen und lebenslanges Lernen ohne Diskriminierung zu gewährleisten, wobei kein Ausschluss vom allgemeinen Bildungssystem allein aufgrund der Behinderung erfolgen dürfe. Dem entspreche auch Art. 3 Abs. 3 Satz 2 Grundgesetz, der eine Benachteiligung wegen einer Behinderung verbiete.

Beides sei bei Rechtssetzung und Rechtsanwendung zu beachten. Das Bundessozialgericht (BSG, 06.03.2012, Az.: B 1 KR 10/11 R) leite sogar aus Art. 5 Abs. 2 UN-BRK ein „unmittelbar anwendbares Diskriminierungsverbot“ etwa für Leistungsbestimmungen der Gesetzlichen Krankenversicherung ab.

Der Aktionsplan „Schwerpunkte der bayerischen Politik für Menschen mit Behinderung im Lichte der UN-Behindertenrechtskonvention“ stelle klar heraus, dass es das Ziel des Landesgesetzgebers sei, „jedem Kind mit Behinderung den Besuch einer wohnortnahen Kindertageseinrichtung zu ermöglichen.

In den „Bayerischen Leitlinien für die Bildung und Erziehung von Kindern von Geburt bis zum Ende der Grundschulzeit“ werde im Bereich der Partizipationsrechte eine entsprechende Herleitung vorgenommen von Art. 12 der UN-Kinderrechtskonvention über § 8 SGB VIII bis Art. 10 BayKiBiG.

Vor diesem Hintergrund sei die Begründung des Beklagten, der klägerische Eingliederungshilfebedarf sei durch die vollstationäre Eingliederungshilfe umfassend gedeckt, aus folgenden Gründen falsch: Durch Gerichte sei aus § 136 Abs. 3 SGB IX abgeleitet worden, dass in dieser Norm die gesetzgeberische Wertentscheidung enthalten sei, wonach den Betroffenen auch in räumlicher Hinsicht ein zweiter Lebensraum zu eröffnen und dadurch ihre Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu erweitern sei (SG Frankfurt/Oder, 04.03.2010, Az.: S 7 SO 29/05). Danach solle die Tagesförderung nach den Vorstellungen des Gesetzgebers grundsätzlich nicht in der Wohnstätte, sondern räumlich getrennt davon erfolgen. Auch Personen, die nicht werkstattfähig seien, werde so die Möglichkeit eingeräumt, einem den üblichen Gewohnheiten entsprechenden Tagesablauf nachzugehen (SG Potsdam, 18.07.2008, Az.: 11 K 2483/04). Das SG Frankfurt/Oder leite aus § 136 SGB IX insofern auch eine den Sozialhilfeträger verpflichtende Anspruchsnorm ab, deren Soll-Formulierung in der Regel zu einem „Muss“ werde (SG Frankfurt a.a.O., Sächsisches LSG, 27.08.2009, Az.: L 7 SO 25/09 B ER). Diese Grundannahme sei auf den Sachverhalt der Klägerin übertragbar. Die Eröffnung eines zweiten Lebensraumes dürfe nicht auf Kinder beschränkt werden, die in ihrem Elternhaus leben, sondern müsse auch für Kinder gelten, die an Stelle bei den Eltern in einem Wohnheim wohnen.

Dem würden auch die Vereinbarungen zwischen dem Leistungserbringer Diakonie und dem B. entsprechen. Sowohl die Vereinbarungen für das Wohnheim als auch für die integrative Kindertagesstätte würden den sog. Rahmenleistungsvereinbarungen auf Landesebene nach § 79 SGB XII entsprechen. Dabei biete das Wohnheim eben gerade Angebote für junge Menschen mit geistiger oder körperlicher Behinderung mit oder ohne Wahrnehmung tagesstrukturierender Angebote im Wohnheim. Das heiße, die Wahrnehmung tagesstrukturierender Angebote außerhalb des Wohnheims sei unabhängig vom Wohn- und Lebensraum, den das Wohnheim biete. Das Wohnheim trete im Prinzip an die Stelle des Elternhauses. Es schließe den Inklusionsanspruch der Klägerin nicht aus; vielmehr würden beide Maßnahmen sich ergänzen.

Die vertraglichen Vorgaben auf der Grundlage des SGB XII würden also ein Nebeneinander stationärer Eingliederungshilfe im Bereich Wohnen und teilstationärer Eingliederungshilfe im Bereich Kindertagesbetreuung gerade nicht ausschließen, sondern sogar voraussetzen.

Dem würden auch die §§ 24, 22a SGB VIII in Verbindung mit den Bestimmungen des SGB IX entsprechen, deren Sinn und Zweck gerade in der frühkindlichen Bildung zusammen mit anderen behinderten und nichtbehinderten Kindern außerhalb des häuslichen Umfeldes liege. Dies gelte gerade auch für Kinder, die in einer stationären Einrichtung der Eingliederungshilfe leben, die von vornherein für sich genommen, den entsprechenden Teilhabeanspruch, die gemeinsame Betreuung und Bildung mit anderen nichtbehinderten Kindern, nicht wie eine inklusive Tagesstätte erfüllen könne.

§ 22a SGB VIII vermittele einen Anspruch jedes Kindes auf den Besuch einer integrativen Kindertagesstätte, unabhängig davon, ob es in einer stationären Einrichtung der Eingliederungshilfe lebe. Auch §§ 4 Abs. 3, 19 Abs. 3 SGB IX vermittle einen entsprechenden Anspruch auf Förderung nach § 24 SGB VIII, wobei behinderungsbedingte Mehrkosten im Rahmen der Eingliederungshilfe nach §§ 54, 55 SGB XII zu übernehmen seien.

Die Klägerin habe nach § 24 Abs. 2 SGB VIII einen Rechtsanspruch auf frühkindliche Bildung in einer Tageseinrichtung oder in der Kindertagespflege.

Angemerkt sei, dass der Beklagte auch bei vollstationär untergebrachten Kindern die Kosten für eine schulvorbereitende Einrichtung bzw. einer Schule übernehme, und zwar ohne dass dort, wie vorliegend, mit einer Bedarfsdeckung durch die „Vollversorgung“ durch die stationäre Einrichtung argumentiert würde.

Der Einwand des Beklagten, dass das Wohnheim auch für Inklusion zu sorgen habe, gehe ins Leere: Selbstverständlich habe die Klägerin auch dann Anspruch auf Inklusion, wenn die integrative Kindertagesstätte geschlossen habe, oder die Klägerin krankheitsbedingt nicht dorthin gehen könne. Es sei aber verfehlt, aus dem daher notwendigen Inklusionsangebot des Wohnheims einen Anspruchsausschluss hinsichtlich der Tagesstätte ableiten zu wollen.

Das Gericht hat zur Beweiserhebung die Akten des Beklagten sowie die Schwerbehindertenakte des Zentrums Bayern Familie und Soziales (ZBFS) beigezogen und Befundberichte der die Klägerin behandelnden Ärzte und Kliniken eingeholt, ebenso Entwicklungsberichte des Wohnheims und der integrativen Kindertagesstätte.

Mit Beweisanordnung vom 04.05.2017 hat das Gericht gem. § 106 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Prof. Dr. J., mit der Erstellung eines Sachverständigengutachtens auf seinem Fachgebiet nach ambulanter Untersuchung der Klägerin und ggf. Hausbesuch / Hospitation beauftragt.

In seinem Kinder- und Jugendpsychiatrischem Gutachten vom 17.05.2017 hat Prof. Dr. J. festgestellt, dass die Klägerin umfassender Förderung bedürfe. Zwar sei auch die Förderung im Wohnheim an sich umfassend; erst aber durch die Eröffnung eines zweiten Lebensbereiches und die dortige Förderung finde eine adäquate Inklusion der Klägerin statt.

Die Klägerin sieht ihre bisherigen Ausführungen durch das Begutachtungsergebnis bestätigt.

Die Klägerin beantragt daher, den Bescheid des Beklagten vom 11.01.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.04.2016 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die Kosten für die Betreuung der Klägerin in der Kindertagesstätte B. in A-Stadt ab dem 01.02.2015 zu übernehmen bzw. zu erstatten.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat auf die angefochtenen Bescheide verwiesen und ergänzend darauf hingewiesen, dass die Klägerin an sich unstreitig die Voraussetzungen für den Besuch einer integrativen Kindertagesstätte erfülle. Durch die bereits gewährte vollstationäre Maßnahme im Wohnheim käme es kumulativ jedoch zu einer Doppelförderung bzw. bedarfsüberschreitenden Versorgung, die nicht geboten sei.

Im Übrigen sei ursprünglich in vergleichbarer Konstellation durch den Vor-Ort-Träger B. versucht worden, eine nicht gebotene Doppelförderung dadurch zu verhindern, dass bei Bewilligung eines integrativen Kindergartenplatzes die Förderung in der stationären Einrichtung angerechnet, also reduziert, werde; dies sei aber am Widerstand des Einrichtungsträgers gescheitert.

Hinsichtlich des Vergleichs der Klägerin mit schulvorbereitenden Einrichtungen oder der Schule selbst sei darauf hinzuweisen, dass diese im Verantwortungsbereich des Schulaufwandträgers liegen würden und nicht in dem des Beklagten. Die Argumentation der Beklagten sei daher nicht, wie von der Klägerin angenommen, widersprüchlich.

Im Übrigen sei die Klägerin -anders als beim Schulbesuchnicht zum Kindergartenbesuch verpflichtet.

Die Vollheimunterbringung schließe ihrer Konzeption nach die Partizipation am Leben in der Gemeinschaft unter Berücksichtigung der Aspekte der Inklusion ein. Der Bedarf der Klägerin sei daher gedeckt.

Sofern unter Umständen die Vollheimunterbringung ihre konzeptionelle Verpflichtung nicht ausreichend erfülle, führe dies nicht zu einer Verdoppelung des Bedarfes in der Weise, dass ein zusätzlicher Bedarf an Betreuung und Förderung in einer externen Kindertageseinrichtung generiert werde. Vielmehr bleibe der Bedarf derselbe, es obliege jedoch der stationären Einrichtung, Möglichkeiten zu schaffen, das fehlende Angebot an inklusiver Teilhabe zu kompensieren oder sich mit den bereits vorgehaltenen Pflegesatzanteilen eine derartige externe Hilfe zuzukaufen. Beides werde jedoch vom Wohnheim ohne nähere Angabe von Gründen abgelehnt. Hierzu habe sich die Klägerin bedauerlicherweise nicht positioniert.

Hinsichtlich des Gutachtens sei darauf zu verwiesen, dass auch dieses eine umfassende Förderung der Klägerin durch das Wohnheim bestätige. Dieses sei auch vertraglich dazu verpflichtet, seinen Bewohnern die individuell angepasste, besondere heilpädagogische Förderung angedeihen zu lassen, ferner den Kontakt zu Angehörigen, Freunden und gleichaltrigen Nichtbehinderten zu unterstützen. Sofern diese Aufgabe quasi ausgelagert werde, obliege es der Einrichtung, die ihr mit der Entgeltvereinbarung zur Verfügung gestellten Mittel auch sachgerecht zu verwenden. Andernfalls liege eben eine Doppelförderung vor.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogenen Akten sowie die gesamte Gerichtsakte Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage erweist sich in vollem Umfang als begründet.

I.

Die statthafte kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage ist form- und fristgerecht erhoben worden. Das Sozialgericht Nürnberg ist örtlich und sachlich zuständig.

II.

Der Bescheid vom 11.01.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.04.2016 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, weil der Beklagte darin zu Unrecht die Kostenübernahme für eine teilstationäre Betreuung der Klägerin in der Kindertagesstätte B. in N. abgelehnt hat (1.). Soweit der Leistungserbringer oder die Klägerin infolge der Ablehnung in Vorleistung gegangen sind, hat der Beklagte die entsprechenden Kosten zu erstatten (2.).

1. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, weil er zu Unrecht die von der Klägerin begehrte Kostenübernahme für die teilstationäre Betreuung der Klägerin in der Kindertagesstätte B. ab dem 01.02.2015 abgelehnt hat.

Gemäß § 53 Abs. 1 Satz 1 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) erhalten Personen, die durch Behinderung im Sinne des § Abs. 1 Satz 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, Leistungen der Eingliederungshilfe, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalles, insbesondere nach Art und Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Leistungen der Eingliederungshilfe sind nach § 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII u.a. Leistungen nach § 55 SGB IX (in der bis 31.12.2017 geltenden Fassung, „a.F.“; ab 01.01.2018 § 76 SGB IX n.F.). Diese Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft werden erbracht, um behinderten Menschen die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu sichern oder sie so weit wie möglich unabhängig von Pflege zu machen (§ 55 Abs. 1 SGB IX a.F. bzw. § 76 SGB IX n. F.). Leistungen in diesem Sinne sind insbesondere auch heilpädagogische Leistungen für Kinder, die noch nicht eingeschult sind (§§ 55 Abs. 2 Nr. 2, 56 SGB IX a.F. bzw. §§ 76 Abs. 2 Nr. 3, 79 SGB IX n.F.).

Die Klägerin gehört unstreitig zum Personenkreis der nach den §§ 53ff SGB XII i.V.m. § 2 SGB IX Leistungsberechtigten der Eingliederungshilfe.

Zur Überzeugung der Kammer steht dies Übrigens auch im Lichte des Gutachtens des Prof. Dr. J. fest.

Infolgedessen erbringt der Beklagte auch nach pflichtgemäßem Ermessen durch die Wohnheimunterbringung der Klägerin stationäre Leistungen der Eingliederungshilfe seit dem 01.11.2013.

Das bedeutet, dass die Klägerin einen Eingliederungshilfeanspruch dem Grunde nach hat.

Art und Maß der Leistungserbringung stehen jedoch im pflichtgemäßem Ermessen des Beklagten, soweit dieses nicht ausgeschlossen wird, vgl. § 17 Abs. 2 SGB XII. Zudem ist das Ermessen des Sozialhilfeträgers durch den Bedarfsdeckungsgrundsatz des § 9 Abs. 1 SGB XII weiter eingeschränkt: Der festgestellte Bedarf muss gedeckt werden (vgl. Grube in Grube / Warendorf SGB XII Sozialhilfe Kommentar, 4. A., § 17 SGB XII, RdNr. 31f m.w.N.).

Vor diesem Hintergrund ist die Kammer der Überzeugung, dass das prinzipielle Ermessen des Beklagten vorliegend auf Null reduziert ist dergestalt, dass im streitgegenständlichen Zeitraum die Klägerin neben der stationären Wohnheimunterbringung mit der dort stattfindenden Förderung darüber hinaus zur Deckung ihres Teilhabebedarfs zusätzlich der teilstationären Förderung in einer Kindertagesstätte von fünf Stunden täglich montags bis freitags ab dem 01.02.2015 bedarf.

Die Kammer folgt insofern im Ergebnis dem Gutachten des Prof. Dr. J. wie auch den rechtlichen Ausführungen der Klägerin.

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Kammer einen personenzentrierten Ansatz für den sozialhilfe- bzw. eingliederungshilferechtlich einzig zutreffenden hält. Dies folgt bereits aus dem Bedarfsdeckungsgrundsatz selbst, der seinerseits ja wiederum an der Person anknüpft, deren Bedarf zu decken ist.

Daher ist es generell angezeigt, einen einmal festgestellten Bedarf auch wieder in regelmäßigen Abständen zu überprüfen. Dies nicht zuletzt deswegen, weil sich durch veränderte Lebensumstände bzw. -situationen oder aber auch durch persönliche Entwicklung eines Menschen der Bedarf verändern kann. Es ist daher stets in einem ersten Schritt der (aktuelle bzw. zu einem bestimmten relevanten Zeitpunkt gegebene) Bedarf möglichst zutreffend zu ermitteln.

Hiervon ausgehend und unter Zugrundelegung dieses festgestellten Gesamtbedarfs ist dann in einem zweiten Schritt zu ermitteln, welche Maßnahmen zu dessen Deckung nötig sind. Innerhalb dieses Gesamtbedarfs bilden bedarfsdeckende Maßnahmen ein System gleichsam kommunizierender Röhren dergestalt, dass der im ersten Schritt ermittelte Gesamtbedarf die äußere Notwendigkeitsgrenze bedarfsdeckender Maßnahmen insgesamt bildet, wobei der jeweilige Anteil verschiedener geeigneter Maßnahmen an der Bedarfsdeckung variabel ist.

Insofern ist dem Beklagten absolut beizupflichten in dem Vortrag, dass auch die stationäre Förderung im Wohnheim einen Beitrag zur Deckung des gesamten Eingliederungshilfebedarfs der Klägerin leistet. Insofern stimmt die Kammer ausdrücklich der personenzentrierten und den Gesamtbedarf als Grenze variabler möglicher Deckungsmaßnahmen Betrachtungsweise des Beklagten zu (vgl. hierzu auch grundlegend die Kammerentscheidung vom 20.07.2017, Az.: S 20 SO 18/14, veröffentlicht in juris)

Allerdings folgt die Kammer nicht der Sicht des Beklagten hinsichtlich des Umfanges des Gesamtbedarfes, sondern der Gesamtbedarfsfeststellung des Prof. Dr. J.. Danach mag der ursprünglich (d.h. vor Beginn des Kindertagesstättenbesuchs) durch den Beklagten festgestellte Gesamtbedarf zutreffend gewesen sein wie auch der bewilligte Leistungsumfang.

Es erscheint der Kammer aber fehlerhaft, bei gravierend veränderten Umständen, nämlich dem Beginn des Kindergartens, weiterhin von diesem zuvor einmal festgestellten Gesamtbedarf auch weiterhin auszugehen, um diesen dann (insofern folgerichtig) auf die verschiedenen Deckungsmaßnahmen aufzuteilen.

In Kenntnis des Gutachtens ist die Kammer davon überzeugt, dass der Gesamtbedarf der Klägerin durch den Beginn des Kindergartens sich verändert hat, und zwar im Sinne einer Vergrößerung bzw. Veränderung des Bedarfs.

Insofern folgt die Kammer dem schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachten des Prof. Dr. J.:

In seinem Kinder- und Jugendpsychiatrischem Gutachten vom 17.05.2017 hat Prof. Dr. J. bei der Klägerin folgende Leiden diagnostiziert:

* Apert-Syndrom

* Kraniosynostose

* Gaumenspalte

* Leichte Intelligenzminderung.

Die Klägerin sei daher wesentlich körperlich und geistig behindert nach Einschätzung des Gutachters. Hieraus ergebe sich ein umfassender und ganzheitlicher Förderbedarf der Klägerin sowohl im häuslichen Umfeld, als auch im zweiten Lebensbereich der Kindertagesstätte. Hierbei sei die Wohnheimunterbringung notwendig und sinnvoll, um die Klägerin umfassend zu versorgen. Die zusätzliche Förderung in der „B.“ sei gerade durch das inklusive Angebot geeignet, erforderlich und notwendig, um zum einen die adäquate Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu gewährleisten und die Klägerin zum anderen in vollem Umfang zu fördern. Erforderlich sei ein Besuch von Montag bis Freitag von täglich fünf Stunden.

Da die Klägerin in allen Lebensbereichen auf intensive Unterstützung angewiesen sei, bedürfe sie umfassender Förderung und Betreuung. Gerade durch die Schaffung eines räumlich getrennten zweiten Lebensraumes in Form der Kindertagesstätte zur adäquaten Teilhabe am Leben in der Gesellschaft und Kontakten zu anderen Kindern und Jugendlichen könne in Form alltäglicher Inklusion dies bereits natürlich gefördert werden. Sie habe von der Förderung bereits in ihrer individuellen Entwicklung deutlich profitiert, wovon auch in Zukunft auszugehen sei. Das stationäre Angebot unterscheide sich von dem der Tagesstätte hinsichtlich der individuellen Förderung. Die Kindertagesstätte biete auch inklusiven Umgang mit nichtbehinderten Kindern.

Das vollstationäre Angebot der Wohneinrichtung biete eine umfassende pädagogische Struktur und Begleitung. Die Kindertagesstätte ergänze dies um inklusive Betreuung und Förderung durch zusätzliche Fachkräfte, die stundenweise mit der Klägerin arbeiten könnten.

Aus der Kombination beider Angebote würden adäquate Bedingungen für die psychosoziale Entwicklung der Klägerin geschaffen.

Bereits im Lichte des Gutachtens ist die Kammer der Überzeugung, dass die Klägerin zur individuellen und adäquaten Deckung ihres Inklusionsbedarfs neben der Wohnheimunterbringung zusätzlich des Besuches einer Kindertagesstätte bedarf. Insoweit ist das Ermessen des Beklagten auf Null reduziert, weil der Besuch der Kindertagesstätte zur Deckung des Teilhabeanspruchs laut Gutachten notwendig ist, § 9 Abs. 1 SGB XII.

Schon aus diesem Grunde ist die Ablehnung der Kostenübernahme für die teilstationäre Betreuung der Klägerin in der Kindertagesstätte rechtswidrig.

Demgegenüber kann jedoch nicht der Einwand erhoben worden, der Bedarf der Klägerin sei an sich durch die Wohnheimunterbringung gedeckt gewesen, und nur durch den nicht verpflichtenden Besuch des Kindergartens sei erst durch die Klägerin selbst eine Situation geschaffen worden, die den Bedarf gleichsam unnötigerweise vergrößert habe und deswegen unbeachtlich sei.

Hierzu ist folgendes anzumerken:

Erstens ergibt sich aus Sicht der Kammer aus dem Gutachten des Sachverständigen schlüssig und nachvollziehbar, dass die Klägerin neben der Förderung im Wohnheim der Eröffnung eines zweiten Lebensbereiches nebst dort notwendiger Förderung zur adäquaten Deckung ihres Teilhabebedarfs bedarf.

Die Kammer schließt sich ausdrücklich der Auffassung der von der Klägerin zitierten Gerichtsentscheidungen (SG Frankfurt/Oder, 04.03.2010, Az.: S 7 SO 29/05; SG Potsdam, 18.07.2008, Az.: 11 K 2483/04; Sächsisches LSG, 27.08.2009, Az.: L 7 SO 25/09 B ER) an, wonach § 136 Abs. 3 SGB IX (in der bis 31.12.2017 geltenden Fassung; „a.F.“; entsprechend ab dem 01.01.2018 § 219 Abs. 3 SGB IX n.F.) die gesetzgeberische Wertentscheidung enthalte, dass behinderten Menschen auch in räumlicher Hinsicht ein zweiter Lebensraum zu eröffnen und dadurch ihre Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu gewährleisten sei. Aus Sicht der Kammer zieht sich dieser Gedanke wie ein roter Faden durch das Teilhaberecht: Ausgehend von dem Grundsatz der Teilhabe, ein den Möglichkeiten des behinderten Menschen entsprechendes, weitest mögliches Gleichziehen mit den Lebensverhältnissen und der Teilhabe nicht behinderter Menschen zu ermöglichen, umfasst dies - soweit dies aufgrund der Behinderung irgend möglich ist - auch das Ziel, behinderte Menschen nicht nur in einer einzelnen Einrichtung zu betreuen und zu fördern, sondern zumindest einen zweiten Lebensbereich zu eröffnen, um die Lebensrealität eines behinderten Menschen weitgehend der eines nicht behinderten Menschen, zumindest soweit wie möglich, anzunähern; so steht es völlig außer Frage, dass behinderte Menschen einen Anspruch auf Beschäftigung in einer Werkstatt für behinderte Menschen haben, auch wenn keine Werkstattfähigkeit gegeben ist. Ziel ist für Werkstattfähige wie Nichtwerkstattfähige jeweils die Eröffnung eines zweiten Lebensbereiches, letztlich wie bei einem nicht behinderten Erwachsenen, der mit seiner Arbeitswelt neben dem häuslichen Umfeld regelmäßig (mindestens) einen zweiten Lebensbereich hat. Entsprechendes gilt für den Schul- und Ausbildungsbereich, der unstreitig nicht behinderten, aber auch und gerade nach ihren jeweiligen Möglichkeiten behinderten Menschen jeweils eröffnet ist. Gleiches gilt auch für den Vorschulbereich. §§ 22a und 24 SGB VIII vermitteln der Klägerin wie allen Kindern, einen Rechtsanspruch auf Förderung in einer Kindertagesstätte, ebenso nach Auffassung der Kammer Art. 7 UN-BRK.

Danach ist also festzuhalten, dass es in vielerlei Hinsicht im Zusammenhang mit der Inklusion behinderter Menschen, nicht zuletzt im Hinblick auf Art. 3 Abs. 3 Satz GG, Ziel des Gesetzgebers ist, behinderten Menschen, soweit ihre Behinderung dies zulässt, zumindest einen zweiten Lebensbereich neben dem persönlichen Umfeld zu eröffnen. Dies zählt zum Eingliederungshilfe- bzw. Teilhabebedarf der Klägerin.

Die Klägerin hat einen gesetzlich fixierten Anspruch auf einen Kindergartenbesuch bzw. als Behinderte zusätzlich einen entsprechenden, begleitenden Förderanspruch im Rahmen der Teilhabe im Rahmen der Eingliederungshilfe.

Diesen gilt es zu decken; das Ermessen des Beklagten ist insoweit auf Null reduziert, § 9 Abs. 1 SGB XII.

Dass eine teilstationäre Betreuung in einer integrativen Kindertagesstätte bei der Inklusion behinderter Kinder ein im Rahmen der Eingliederungshilfe grundsätzlich zu deckender Bedarf ist, erkennt der Beklagte unproblematisch regelmäßig an, sofern das Kind bei den Eltern wohnt.

Eine hiervon abweichende Betrachtungsweise rechtfertigt sich aber gerade im Lichte der obigen Ausführungen nicht in dem Umstand, dass das behinderte Kind anstelle in seinem Elternhaus in einem Wohnheim wohnt und betreut und gefördert wird.

Eine Differenzierung würde entweder bedeuten zu unterstellen, dass die Eltern (anders als eine stationäre Einrichtung) grundsätzlich nicht in der Lage seien, den Bedarf eines behinderten Kindes zu decken, denn nur dann würde sich, nach der Argumentation des Beklagten im vorliegenden Verfahren rechtfertigen, neben der Betreuung durch die Eltern den Besuch einer integrativen Tagesstätte zu bewilligen. Für eine derartige Sicht gibt es jedoch als generelle Annahme keinerlei Anhaltspunkte oder eine ernstzunehmende sachliche Grundlage. Andernfalls müsste jedes behinderte Kind, das keine Kindertagesstätte besucht, als Alternative in einer stationären Einrichtung betreut werden, was weder sachgemäß wäre, noch den gesetzgeberischen Vorgaben entsprechen würde.

Einzig zutreffende Rechtfertigung einer Kostenübernahme für eine teilstationäre Kindertagesstättenbetreuung im Rahmen der Eingliederungshilfe kann daher immer nur eine Bedarfsunterdeckung sein, entweder indem die Eltern den Förderbedarf nicht vollständig abzudecken in der Lage sind und deswegen bereits aus diesem Grunde ein Leistungsanspruch besteht oder eben gerade weil an sich der zweite Lebensbereich Teil eines stets zu deckenden Inklusionsbedarfs ist.

Gerade letzteres können aber weder die Eltern, noch eine ansonsten bedarfsdeckende stationäre Maßnahme leisten. Elternhaus und Wohnheim sind gleichsam der erste Lebensbereich. Die Eröffnung eines zweiten solchen zu leisten, sind sie nicht im Stande. Gerade hierauf hat der behinderte Mensch aber einen gesetzlichen Anspruch (s.o.).

Zweitens ist die Kammer der Überzeugung, dass selbst für den Fall einer durch die Klägerin gleichsam „freiwilligen Bedarfsschaffung oder -erweiterung“ durch den Kindergartenbesuch entgegen der Auffassung des Beklagten dies eine beachtliche und zu deckende Erweiterung des Gesamtbedarfs und nicht etwa mit dem Argument irrelevant wäre, dass eine Pflicht zum Kindergartenbesuch (anders als etwa bei der Schulpflicht) nicht gegeben sei, und ohne die freie, aber nicht notwendige Entscheidung der Klägerin zum Besuch einer Kindertagesstätte der bereits bewilligte Leistungsumfang im Wohnheim bedarfsdeckend wäre.

Entgegen der Auffassung des Beklagten handelt es sich hierbei nicht um einen selbst geschaffenen, an sich überflüssigen „Luxusbedarf“, weil die Klägerin hierzu zwar nicht gesetzlich verpflichtet ist, aber ihre gesetzlich eingeräumten Rechte zulässigerweise wahrnimmt (s.o.).

Würde man einem behinderten Menschen die zulässige Ausübung ihm und nichtbehinderten Menschen eingeräumter, elementarer, gesetzlicher Rechte verwehren mit dem Hinweis, die Wahrnehmung dieser Rechte sei nicht notwendig, weil es sich lediglich um Rechte handele, zu deren Ausübung ja keine gesetzliche Verpflichtung bestehe, würden diese gesetzlichen Rechte gerade für behinderte Menschen ausgehöhlt und würde dies zur vollen Überzeugung der Kammer einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot des Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG darstellen. Würde man also diesem Gedanken folgen, so wäre der Großteil der Maßnahmen zur Gleichstellung behinderter Menschen obsolet, etwa der Barrierefreiheit, immer mit dem Argument, eine Maßnahme diene nur der Ausübung von Rechten, nicht jedoch von Pflichten. So könnte man beispielsweise auf einen barrierefreien Zugang zu Wahllokalen dann mit derselben Argumentation verzichten, weil der Zugang hierzu ja nur der Ausübung von Rechten dienen würde, wohingegen eine Wahlpflicht nicht bestehe.

Selbst wenn man also den Ansatz verfolgt, dass sich durch die Entscheidung der Klägerin, eine integrative Kindertagesstätte zu besuchen, deren Bedarf vergrößert habe im Vergleich zum vorher vollständig gedeckten Bedarf im Wohnheim, so ist dies legitimerweise erfolgt und kann der Klägerin nicht als nicht notwendig entgegengehalten werden. Vielmehr ist die Eröffnung eines zweiten Lebensbereichs durch Inanspruchnahme eines vom Gesetzgeber eingeräumten Rechts eine zulässige Rechtsausübung (s.o.), deren Bedarfszugehörigkeit bzw. Bedarfsvergrößerung hinzunehmen und zu decken ist. Insoweit liegt auch keine Doppelförderung vor.

Drittens ist es aus Sicht der Kammer verfehlt, die Klägerin zur Vermeidung einer in Wahrheit nicht gegebenen Doppelförderung (s.o.) darauf zu verweisen, dass das Wohnheim laut Leistungsvereinbarung mit dem Vor-Ort-Träger zu einer umfassenden Deckung des Inklusionsbedarfs der Klägerin verpflichtet sei; dies betrifft lediglich das „Abrechnungsverhältnis“ bzw. die Leistungsvereinbarung zwischen Leistungserbringer und Kostenträger; dieses dient lediglich der Bedarfsdeckung und definiert den individuellen Bedarf nicht. Entscheidend und vorliegend streitgegenständlich ist der individuelle Teilhabebedarf der Klägerin, der den Leistungsanspruch gegen den Kostenträger und damit gegen den Beklagten definiert. Ließe sich dieser durch Leistungsvereinbarungen zwischen Kostenträger und Leistungserbringer gestalten und reduzieren, so würde es sich bei einer solchen Vereinbarung um einen nicht zulässigen Vertrag zu Lasten Dritter, nämlich der Klägerin, handeln. Nicht die Leistungsvereinbarung definiert den Teilhabeanspruch, sondern der individuelle Bedarf des wesentlich behinderten Menschen; die Leistungsvereinbarung dient lediglich der Erfüllung des Anspruches der Klägerin. Dieser richtet sich aber gegen den Kostenträger und nicht gegen den Leistungserbringer. Selbst wenn auf der Grundlage der Leistungsvereinbarung der Leistungserbringer zum Zukauf externer Leistungen (dem Kostenträger gegenüber) verpflichtet wäre, so hätte die Klägerin deswegen trotzdem keinen Anspruch gegen den Leistungsträger. Ihr Bedarfsdeckungsanspruch richtet sich gegen den Kostenträger.

Nach dem vorstehenden ist festzuhalten, dass die Klägerin einen Teilhabeanspruch im Rahmen der Eingliederungshilfe auf teilstationäre Betreuung in der integrativen Kindertagesstätte B. in einem zeitlichen Umfang von fünf Stunden täglich montags bis freitags ab dem 01.02.2015 bis auf weiteres hat. Der Beklagte hat die entsprechenden Kosten zu übernehmen. Das Ermessen ist insoweit auf Null reduziert.

Der Ablehnungsbescheid vom 11.01.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.04.2016 ist daher aufzuheben und der Beklagte zur entsprechenden Kostenübernahme zu verurteilen.

2. Der Beklagte hat die Kosten zu erstatten gemäß § 15 Abs. 1 Satz 4 SGB IX (i.d. bis 31.12.2017 geltenden Fassung, „a.F.“), die der Klägerin dadurch entstanden sind, dass die zu Unrecht abgelehnten Leistungen selbst beschafft worden sind bzw. der Leistungserbringer in Vorleistung gegangen ist. Hierbei ist es unerheblich, ob die Klägerin die Rechnungen bereits bezahlt hat. Entscheidend ist einzig, ob sie einer entsprechenden unbedingten Kostenforderung durch den Leistungserbringer ausgesetzt ist. Dies ist vorliegend der Fall. Bei noch nicht erfolgter Begleichung der Rechnung richtet sich der Anspruch auf Freistellung von Inanspruchnahme durch den Beklagten.

§ 15 Abs. 1 SGB IX a.F. lautet.

(1) Kann über den Antrag auf Leistungen zur Teilhabe nicht innerhalb der in § 14 Abs. 2 genannten Fristen entschieden werden, teilt der Rehabilitationsträger dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig mit. Erfolgt die Mitteilung nicht oder liegt ein zureichender Grund nicht vor, können Leistungsberechtigte dem Rehabilitationsträger eine angemessene Frist setzen und dabei erklären, dass sie sich nach Ablauf der Frist die erforderliche Leistung selbst beschaffen. Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist der zuständige Rehabilitationsträger unter Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zur Erstattung der Aufwendungen verpflichtet. Die Erstattungspflicht besteht auch, wenn der Rehabilitationsträger eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen kann oder er eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat. Die Sätze 1 bis 3 gelten nicht für die Träger der Sozialhilfe, der öffentlichen Jugendhilfe und der Kriegsopferfürsorge.

Die Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 Satz SGB IX a.F. sind vorliegend erfüllt, weil der Beklagte zu Unrecht Leistungen abgelehnt hat (s.o. II.1.).

Hinsichtlich des Maßstabes im Zusammenhang mit der Kostenerstattung gilt hinsichtlich des Ermessens im Übrigen ein noch strengerer Maßstab als bei der Frage nach der Kostenübernahme:

Art und Maß der Leistungserbringung stehen zwar im pflichtgemäßem Ermessen des Beklagten, soweit dieses nicht ausgeschlossen wird, vgl. § 17 Abs. 2 SGB XII. Dieses Ermessen des Beklagten ist hinsichtlich Art und Maß der Leistung bei einem Sekundäranspruch wie dem vorliegenden Kostenerstattungsverfahren deutlich eingeschränkt. Hierbei bildet lediglich die Notwendigkeit der Leistung eine Grenze, so dass für die notwendige, selbstbeschaffte Leistung die Kosten zu erstatten sind, nicht jedoch für nicht notwendige Leistungen (vgl. Grube in Grube / Warendorf SGB XII Sozialhilfe Kommentar, 4. A., § 17 SGB XII, RdNr. 30 m.w.N.).

Gerade im Hinblick auf die Kostenerstattung hat sich das Ermessen des Beklagten ohne jeden Zweifel auf Null reduziert. Die Leistung in der Kindertagesstätte war auch notwendig (s.o.)

§ 2 Abs. 1 SGB XII, wonach Sozialhilfe nicht erhält, wer sich selbst helfen kann oder die erforderliche Hilfe von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält, kann dem nicht entgegengehalten werden, insbesondere nicht die Vorleistung des Leistungserbringers oder der Klägerin selbst.

Zwar setzen Sozialhilfeleistungen vom Grundgedanken einen aktuellen Bedarf voraus; dies gilt allerdings aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz, GG) nicht bei einer rechtswidrigen Ablehnung der Hilfegewährung und zwischenzeitlicher Bedarfsdeckung im Wege der Selbsthilfe oder Hilfe Dritter, wenn der Hilfesuchende innerhalb der gesetzlichen Fristen einen Rechtsbehelf eingelegt hat und im Rechtsbehelfsverfahren die Hilfegewährung erst erstreiten muss (vgl. BSG, 22.03.2012, Az.: B 8 SO 30/10 R). § 15 Abs. 1 Satz 4 SGB IX a.F. ist insofern Ausdruck des allgemeinen Folgenbeseitigungsanspruchs rechtswidrigen Handelns, der letztlich aus dem Rechtsstaatsprinzip herrührt. Andernfalls könnten sich Sozialhilfeträger ihren gesetzlichen Leistungsverpflichtungen im Ergebnis durch rechtswidrige Leistungsablehnungen entziehen.

Gleiches gilt für die Zeit ab dem 01.01.2018 aufgrund § 18 Abs. 6 SGB IX n.F. entsprechend.

Die Vorschrift lautet:

(1) Kann über den Antrag auf Leistungen zur Teilhabe nicht innerhalb einer Frist von zwei Monaten ab Antragseingang bei dem leistenden Rehabilitationsträger entschieden werden, teilt er den Leistungsberechtigten vor Ablauf der Frist die Gründe hierfür schriftlich mit (begründete Mitteilung).

(2) 1In der begründeten Mitteilung ist auf den Tag genau zu bestimmen, bis wann über den Antrag entschieden wird. 2In der begründeten Mitteilung kann der leistende Rehabilitationsträger die Frist von zwei Monaten nach Absatz 1 nur in folgendem Umfang verlängern:

  • 1.um bis zu zwei Wochen zur Beauftragung eines Sachverständigen für die Begutachtung infolge einer nachweislich beschränkten Verfügbarkeit geeigneter Sachverständiger,

  • 2.um bis zu vier Wochen, soweit von dem Sachverständigen die Notwendigkeit für einen solchen Zeitraum der Begutachtung schriftlich bestätigt wurde und

  • 3.für die Dauer einer fehlenden Mitwirkung der Leistungsberechtigten, wenn und soweit den Leistungsberechtigten nach § 66 Absatz 3 des Ersten Buches schriftlich eine angemessene Frist zur Mitwirkung gesetzt wurde.

(3) 1Erfolgt keine begründete Mitteilung, gilt die beantragte Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt. 2Die beantragte Leistung gilt auch dann als genehmigt, wenn der in der Mitteilung bestimmte Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag ohne weitere begründete Mitteilung des Rehabilitationsträgers abgelaufen ist.

(4) 1Beschaffen sich Leistungsberechtigte eine als genehmigt geltende Leistung selbst, ist der leistende Rehabilitationsträger zur Erstattung der Aufwendungen für selbstbeschaffte Leistungen verpflichtet. 2Mit der Erstattung gilt der Anspruch der Leistungsberechtigten auf die Erbringung der selbstbeschafften Leistungen zur Teilhabe als erfüllt. 3Der Erstattungsanspruch umfasst auch die Zahlung von Abschlägen im Umfang fälliger Zahlungsverpflichtungen für selbstbeschaffte Leistungen.

(5) Die Erstattungspflicht besteht nicht,

  • 1.wenn und soweit kein Anspruch auf Bewilligung der selbstbeschafften Leistungen bestanden hätte und

  • 2.die Leistungsberechtigten dies wussten oder infolge grober Außerachtlassung der allgemeinen Sorgfalt nicht wussten.

(6) 1Konnte der Rehabilitationsträger eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat er eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Leistungsberechtigten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese vom Rehabilitationsträger in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. 2Der Anspruch auf Erstattung richtet sich gegen den Rehabilitationsträger, der zum Zeitpunkt der Selbstbeschaffung über den Antrag entschieden hat. 3Lag zum Zeitpunkt der Selbstbeschaffung noch keine Entscheidung vor, richtet sich der Anspruch gegen den leistenden Rehabilitationsträger.

(7) Die Absätze 1 bis 5 gelten nicht für die Träger der Eingliederungshilfe, der öffentlichen Jugendhilfe und der Kriegsopferfürsorge.

Der Beklagte hat der Klägerin daher die ab dem 01.02.2015 angefallenen Kosten für eine teilstationäre Betreuung der Klägerin in der integrativen Kindertagesstätte für täglich fünf Stunden montags bis freitags in der tatsächlich angefallenen Höhe zu erstatten.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 193, 183 SGG und § 64 SGB X.

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Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 3


(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. (2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. (3) Ni

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 183


Das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch kos

Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB 9 2018 | § 2 Begriffsbestimmungen


(1) Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft m

Sozialgesetzbuch (SGB) - Achtes Buch (VIII) - Kinder- und Jugendhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes v. 26. Juni 1990, BGBl. I S. 1163) - SGB 8 | § 24 Anspruch auf Förderung in Tageseinrichtungen und in Kindertagespflege


(1) Ein Kind, das das erste Lebensjahr noch nicht vollendet hat, ist in einer Einrichtung oder in Kindertagespflege zu fördern, wenn 1. diese Leistung für seine Entwicklung zu einer selbstbestimmten, eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Per

Sozialgesetzbuch (SGB) Zwölftes Buch (XII) - Sozialhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes vom 27. Dezember 2003, BGBl. I S. 3022) - SGB 12 | § 2 Nachrang der Sozialhilfe


(1) Sozialhilfe erhält nicht, wer sich vor allem durch Einsatz seiner Arbeitskraft, seines Einkommens und seines Vermögens selbst helfen kann oder wer die erforderliche Leistung von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozia

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(1) Ziel der Unterstützten Beschäftigung ist es, Leistungsberechtigten mit besonderem Unterstützungsbedarf eine angemessene, geeignete und sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu ermöglichen und zu erhalten. Unterstützte Beschäftigung umfasst

Sozialgesetzbuch (SGB) - Achtes Buch (VIII) - Kinder- und Jugendhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes v. 26. Juni 1990, BGBl. I S. 1163) - SGB 8 | § 10 Verhältnis zu anderen Leistungen und Verpflichtungen


(1) Verpflichtungen anderer, insbesondere der Träger anderer Sozialleistungen und der Schulen, werden durch dieses Buch nicht berührt. Auf Rechtsvorschriften beruhende Leistungen anderer dürfen nicht deshalb versagt werden, weil nach diesem Buch ents

Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB 9 2018 | § 15 Leistungsverantwortung bei Mehrheit von Rehabilitationsträgern


(1) Stellt der leistende Rehabilitationsträger fest, dass der Antrag neben den nach seinem Leistungsgesetz zu erbringenden Leistungen weitere Leistungen zur Teilhabe umfasst, für die er nicht Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 sein kann, leitet

Sozialgesetzbuch (SGB) Zwölftes Buch (XII) - Sozialhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes vom 27. Dezember 2003, BGBl. I S. 3022) - SGB 12 | § 9 Sozialhilfe nach der Besonderheit des Einzelfalles


(1) Die Leistungen richten sich nach der Besonderheit des Einzelfalles, insbesondere nach der Art des Bedarfs, den örtlichen Verhältnissen, den eigenen Kräften und Mitteln der Person oder des Haushalts bei der Hilfe zum Lebensunterhalt. (2) Wünschen

Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB 9 2018 | § 4 Leistungen zur Teilhabe


(1) Die Leistungen zur Teilhabe umfassen die notwendigen Sozialleistungen, um unabhängig von der Ursache der Behinderung 1. die Behinderung abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern,2. Einschr

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 64 Kostenfreiheit


(1) Für das Verfahren bei den Behörden nach diesem Gesetzbuch werden keine Gebühren und Auslagen erhoben. Abweichend von Satz 1 erhalten die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung für jede auf der Grundlage des § 74a Absatz 2 und 3 erteilte Ausku

Sozialgesetzbuch (SGB) Zwölftes Buch (XII) - Sozialhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes vom 27. Dezember 2003, BGBl. I S. 3022) - SGB 12 | § 17 Anspruch


(1) Auf Sozialhilfe besteht ein Anspruch, soweit bestimmt wird, dass die Leistung zu erbringen ist. Der Anspruch kann nicht übertragen, verpfändet oder gepfändet werden. (2) Über Art und Maß der Leistungserbringung ist nach pflichtmäßigem Ermessen z

Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB 9 2018 | § 136 Beitrag aus Einkommen zu den Aufwendungen


(1) Bei den Leistungen nach diesem Teil ist ein Beitrag zu den Aufwendungen aufzubringen, wenn das Einkommen im Sinne des § 135 der antragstellenden Person sowie bei minderjährigen Personen der im Haushalt lebenden Eltern oder des im Haushalt lebende

Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB 9 2018 | § 18 Erstattung selbstbeschaffter Leistungen


(1) Kann über den Antrag auf Leistungen zur Teilhabe nicht innerhalb einer Frist von zwei Monaten ab Antragseingang bei dem leistenden Rehabilitationsträger entschieden werden, teilt er den Leistungsberechtigten vor Ablauf der Frist die Gründe hierfü

Sozialgesetzbuch (SGB) Zwölftes Buch (XII) - Sozialhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes vom 27. Dezember 2003, BGBl. I S. 3022) - SGB 12 | § 79 Kürzung der Vergütung


(1) Hält ein Leistungserbringer seine gesetzlichen oder vertraglichen (vereinbarten) Verpflichtungen ganz oder teilweise nicht ein, ist die vereinbarte Vergütung für die Dauer der Pflichtverletzung entsprechend zu kürzen. Über die Höhe des Kürzungsbe

Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB 9 2018 | § 219 Begriff und Aufgaben der Werkstatt für behinderte Menschen


(1) Die Werkstatt für behinderte Menschen ist eine Einrichtung zur Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben im Sinne des Kapitels 10 des Teils 1 und zur Eingliederung in das Arbeitsleben. Sie hat denjenigen behinderten Menschen, die wegen Art od

Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB 9 2018 | § 76 Leistungen zur Sozialen Teilhabe


(1) Leistungen zur Sozialen Teilhabe werden erbracht, um eine gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern, soweit sie nicht nach den Kapiteln 9 bis 12 erbracht werden. Hierzu gehört, Leistungsberechtigte

Sozialgesetzbuch (SGB) - Achtes Buch (VIII) - Kinder- und Jugendhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes v. 26. Juni 1990, BGBl. I S. 1163) - SGB 8 | § 8 Beteiligung von Kindern und Jugendlichen


(1) Kinder und Jugendliche sind entsprechend ihrem Entwicklungsstand an allen sie betreffenden Entscheidungen der öffentlichen Jugendhilfe zu beteiligen. Sie sind in geeigneter Weise auf ihre Rechte im Verwaltungsverfahren sowie im Verfahren vor dem

Sozialgesetzbuch (SGB) - Achtes Buch (VIII) - Kinder- und Jugendhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes v. 26. Juni 1990, BGBl. I S. 1163) - SGB 8 | § 22a Förderung in Tageseinrichtungen


(1) Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe sollen die Qualität der Förderung in ihren Einrichtungen durch geeignete Maßnahmen sicherstellen und weiterentwickeln. Dazu gehören die Entwicklung und der Einsatz einer pädagogischen Konzeption als Grundla

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Tenor Die Revision des Klägers gegen den Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 11. November 2010 wird zurückgewiesen.

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(1) Ein Kind, das das erste Lebensjahr noch nicht vollendet hat, ist in einer Einrichtung oder in Kindertagespflege zu fördern, wenn

1.
diese Leistung für seine Entwicklung zu einer selbstbestimmten, eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit geboten ist oder
2.
die Erziehungsberechtigten
a)
einer Erwerbstätigkeit nachgehen, eine Erwerbstätigkeit aufnehmen oder Arbeit suchend sind,
b)
sich in einer beruflichen Bildungsmaßnahme, in der Schulausbildung oder Hochschulausbildung befinden oder
c)
Leistungen zur Eingliederung in Arbeit im Sinne des Zweiten Buches erhalten.
Lebt das Kind nur mit einem Erziehungsberechtigten zusammen, so tritt diese Person an die Stelle der Erziehungsberechtigten. Der Umfang der täglichen Förderung richtet sich nach dem individuellen Bedarf.

(2) Ein Kind, das das erste Lebensjahr vollendet hat, hat bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres Anspruch auf frühkindliche Förderung in einer Tageseinrichtung oder in Kindertagespflege. Absatz 1 Satz 3 gilt entsprechend.

(3) Ein Kind, das das dritte Lebensjahr vollendet hat, hat bis zum Schuleintritt Anspruch auf Förderung in einer Tageseinrichtung. Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe haben darauf hinzuwirken, dass für diese Altersgruppe ein bedarfsgerechtes Angebot an Ganztagsplätzen zur Verfügung steht. Das Kind kann bei besonderem Bedarf oder ergänzend auch in Kindertagespflege gefördert werden.

(4) Für Kinder im schulpflichtigen Alter ist ein bedarfsgerechtes Angebot in Tageseinrichtungen vorzuhalten. Absatz 1 Satz 3 und Absatz 3 Satz 3 gelten entsprechend.

(5) Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe oder die von ihnen beauftragten Stellen sind verpflichtet, Eltern oder Elternteile, die Leistungen nach den Absätzen 1 bis 4 in Anspruch nehmen wollen, über das Platzangebot im örtlichen Einzugsbereich und die pädagogische Konzeption der Einrichtungen zu informieren und sie bei der Auswahl zu beraten. Landesrecht kann bestimmen, dass die erziehungsberechtigten Personen den zuständigen Träger der öffentlichen Jugendhilfe oder die beauftragte Stelle innerhalb einer bestimmten Frist vor der beabsichtigten Inanspruchnahme der Leistung in Kenntnis setzen.

(6) Weitergehendes Landesrecht bleibt unberührt.

(1) Verpflichtungen anderer, insbesondere der Träger anderer Sozialleistungen und der Schulen, werden durch dieses Buch nicht berührt. Auf Rechtsvorschriften beruhende Leistungen anderer dürfen nicht deshalb versagt werden, weil nach diesem Buch entsprechende Leistungen vorgesehen sind.

(2) Unterhaltspflichtige Personen werden nach Maßgabe der §§ 90 bis 97b an den Kosten für Leistungen und vorläufige Maßnahmen nach diesem Buch beteiligt. Soweit die Zahlung des Kostenbeitrags die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen mindert oder der Bedarf des jungen Menschen durch Leistungen und vorläufige Maßnahmen nach diesem Buch gedeckt ist, ist dies bei der Berechnung des Unterhalts zu berücksichtigen.

(3) Die Leistungen nach diesem Buch gehen Leistungen nach dem Zweiten Buch vor. Abweichend von Satz 1 gehen Leistungen nach § 3 Absatz 2, den §§ 14 bis 16g, 16k, § 19 Absatz 2 in Verbindung mit § 28 Absatz 6 des Zweiten Buches sowie Leistungen nach § 6b Absatz 2 des Bundeskindergeldgesetzes in Verbindung mit § 28 Absatz 6 des Zweiten Buches den Leistungen nach diesem Buch vor.

(4) Die Leistungen nach diesem Buch gehen Leistungen nach dem Neunten und Zwölften Buch vor. Abweichend von Satz 1 gehen Leistungen nach § 27a Absatz 1 in Verbindung mit § 34 Absatz 6 des Zwölften Buches und Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem Neunten Buch für junge Menschen, die körperlich oder geistig behindert oder von einer solchen Behinderung bedroht sind, den Leistungen nach diesem Buch vor. Landesrecht kann regeln, dass Leistungen der Frühförderung für Kinder unabhängig von der Art der Behinderung vorrangig von anderen Leistungsträgern gewährt werden.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen den Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 11. November 2010 wird zurückgewiesen.

Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Versorgung mit dem Arzneimittel Cialis.

2

Der 1961 geborene, bei der beklagten Krankenkasse (KK) versicherte Kläger leidet ua an einer erektilen Dysfunktion als Folge einer chronisch progredienten Multiplen Sklerose. Er erwarb auf eigene Kosten das Arzneimittel Cialis mit dem Wirkstoff Tadalafil zur Behandlung der Dysfunktion und beantragte Kostenübernahme, wobei er für 2005 und 2006 einen Betrag von 1495,65 Euro errechnete (28.1.2007). Die Rechtsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden einheitlich: "Beklagte") lehnte den Antrag ab (Bescheid vom 13.2.2007; Widerspruchsbescheid vom 3.4.2008). Das SG hat die auf Erstattung der seit 13.2.2007 aufgewendeten Kosten sowie zukünftige Versorgung mit Cialis gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom 4.5.2010). Das LSG hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen: § 34 Abs 1 S 7 bis 9 SGB V iVm Anlage II zur Arzneimittel-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) schließe verfassungskonform Cialis als Arzneimittel zur Behandlung der erektilen Dysfunktion aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) aus, ohne gegen Art 25 S 3 Buchst a UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) zu verstoßen(Beschluss vom 11.11.2010).

3

Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 2a SGB V, des Art 3 Abs 3 S 2 GG und Art 3 Abs 1 GG sowie des Art 25 S 3 Buchst b UN-BRK. Die Versorgung mit Cialis sei eine speziell aufgrund seiner Behinderung erforderliche Gesundheitsleistung. In solchen Fällen sei der Leistungsausschluss nach § 34 Abs 1 S 7 und 8 SGB V unanwendbar. Er diskriminiere unzulässig mittelbar Menschen, die durch eine erektile Dysfunktion behindert seien.

4

Der Kläger beantragt,
den Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 11. November 2010, das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 4. Mai 2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 13. Februar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. April 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die dem Kläger seit Zugang des Bescheides vom 13. Februar 2007 für das Arzneimittel Cialis entstandenen Kosten zu erstatten sowie ihm künftig Cialis als Naturalleistung zu gewähren.

5

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

6

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben zutreffend entschieden, dass der Kläger von der beklagten Ersatzkasse weder Erstattung seiner seit Zugang des Bescheides vom 13.2.2007 für das Arzneimittel Cialis aufgewendeten Kosten noch künftige Versorgung hiermit als Naturalleistung beanspruchen kann. Die Voraussetzungen der Ansprüche sind nicht erfüllt. Denn die Behandlung der erektilen Dysfunktion mit Cialis unterfällt nicht dem Leistungskatalog der GKV, sondern ist hiervon ausgeschlossen (dazu 2.). Der Ausschluss kollidiert weder mit Art 25 UN-BRK (Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 13.12.2006 über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, Gesetz vom 21.12.2008, BGBl II 1419, für Deutschland in Kraft seit 26.3.2009, BGBl II 2009, 812; dazu 3.) noch verstößt er gegen das Diskriminierungsverbot (Art 5 Abs 2 UN-BRK) oder Verfassungsrecht (dazu 4.).

8

1. Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage statthaft (§ 54 Abs 4 SGG). Der Senat sieht davon ab, das Verfahren an das LSG zurückzuverweisen, obwohl der für die Vergangenheit geltend gemachte Kostenerstattungsanspruch unbeziffert ist und die Tatsacheninstanzen nicht auf die insoweit erforderliche Konkretisierung des Antrags und die Ergänzung des Tatsachenvortrags hingewirkt haben (§ 106 Abs 1, § 112 Abs 2 S 2, § 153 Abs 1 SGG; vgl zB BSGE 83, 254, 263 f = SozR 3-2500 § 37 Nr 1 S 10 f; BSG SozR 4-2500 § 31 Nr 15 RdNr 14). Der Anspruch auf Kostenerstattung scheitert bereits aus anderen Gründen.

9

2. Die Anspruchsvoraussetzungen sind nicht erfüllt, weil das Gesetz die geltend gemachten Ansprüche auf Versorgung mit Cialis und Kostenerstattung ausschließt. Als Rechtsgrundlage der Kostenerstattung kommt allein § 13 Abs 3 S 1 Alt 2 SGB V in Betracht(anzuwenden idF des Art 5 Nr 7 Buchst b SGB IX - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen vom 19.6.2001, BGBl I 1046). Die Rechtsnorm bestimmt: Hat die KK eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der KK in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Ein Anspruch auf Kostenerstattung besteht demnach nur, wenn zwischen dem die Haftung der KK begründenden Umstand (rechtswidrige Ablehnung) und dem Nachteil des Versicherten (Kostenlast) ein Ursachenzusammenhang besteht (stRspr, vgl zB BSGE 96, 161 = SozR 4-2500 § 13 Nr 8, RdNr 23; BSG SozR 4-2500 § 31 Nr 15 RdNr 15 mwN).

10

Daran fehlt es vorliegend entgegen der Rechtsauffassung des SG nicht. Zwar liegt der erforderliche Ursachenzusammenhang zwischen der Ablehnung der KK und der Kostenbelastung des Versicherten nicht vor, wenn die KK vor Inanspruchnahme einer vom Versicherten selbst beschafften Leistung mit dem Leistungsbegehren gar nicht befasst wurde, obwohl dies möglich gewesen wäre (stRspr, zB BSGE 98, 26 = SozR 4-2500 § 13 Nr 12, RdNr 10; BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 16 RdNr 13 mwN). Das gilt auch über den Zeitraum nach Erlass einer die Kostenübernahme ablehnenden Entscheidung hinaus, wenn es sich um eine aus medizinischen Gründen untrennbare, einheitliche Behandlung handelt (vgl zB BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 16 RdNr 17 mwN). Dafür besteht aber beim Einsatz von Cialis zur Behandlung der erektilen Dysfunktion kein Anhaltspunkt.

11

Der Kläger hat indes keinen Anspruch auf Versorgung mit Cialis als Naturalleistung, wie ihn nicht nur sein Begehren auf künftige Versorgung, sondern auch auf Erstattung voraussetzt. Denn der Kostenerstattungsanspruch reicht nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch; er setzt daher voraus, dass die selbst beschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die KK allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (stRspr, vgl zB BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 11 mwN - LITT; BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 18 RdNr 11). § 34 Abs 1 S 7 bis 9 SGB V(idF durch Art 1 Nr 22 Buchst a Doppelbuchst cc Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung - GKV-Modernisierungsgesetz vom 14.11.2003, BGBl I 2190, in Kraft seit 1.1.2004) schließt einen Anspruch auf Versorgung mit Cialis zur Behandlung der erektilen Dysfunktion aus.

12

Nach § 27 Abs 1 S 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst ua die Versorgung mit Arzneimitteln (§ 27 Abs 1 S 2 Nr 3 Fall 1 SGB V). Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln, soweit die Arzneimittel nicht nach § 34 SGB V oder durch Richtlinien nach § 92 Abs 1 S 2 Nr 6 SGB V ausgeschlossen sind(§ 31 Abs 1 S 1 SGB V). § 34 Abs 1 S 7 bis 9 SGB V bestimmt: "Von der Versorgung sind außerdem Arzneimittel ausgeschlossen, bei deren Anwendung eine Erhöhung der Lebensqualität im Vordergrund steht. Ausgeschlossen sind insbesondere Arzneimittel, die überwiegend zur Behandlung der erektilen Dysfunktion, der Anreizung sowie Steigerung der sexuellen Potenz, zur Raucherentwöhnung, zur Abmagerung oder zur Zügelung des Appetits, zur Regulierung des Körpergewichts oder zur Verbesserung des Haarwuchses dienen. Das Nähere regeln die Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6."

13

Die Richtlinie des GBA über die Verordnung von Arzneimitteln in der vertragsärztlichen Versorgung wiederholt in ihrem II. Teil unter Buchst F in § 14 Abs 1 S 1 und Abs 2 weitgehend den Text des § 34 Abs 1 S 7 und 8 SGB V(AM-RL idF vom 18.12.2008/22.1.2009, BAnz Nr 49a vom 31.3.2009, zuletzt geändert am 15.12.2011 mWv 20.1.2012, BAnz Nr 11 vom 19.1.2012, S 254). Nach § 14 Abs 3 AM-RL sind die nach Abs 2 ausgeschlossenen Fertigarzneimittel in einer Übersicht als Anlage II der AM-RL zusammengestellt. In dieser Übersicht ist das Fertigarzneimittel Cialis mit dem Wirkstoff Tadalafil aufgeführt. Dies entspricht auch der - soweit hier von Interesse - zuvor geltenden Anlage 8 der Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die Verordnung von Arzneimitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (AMRL idF vom 31.8.1993, BAnz Nr 246 vom 31.12.1993, S 11155, zuletzt geändert am 10.4.2008, BAnz Nr 101 vom 9.7.2008, S 2491; Anlage 8 abgedruckt in DÄ 2004, A 963, 965).

14

Entgegen der Ansicht des Klägers ist es im Rahmen des § 34 Abs 1 S 7 bis 9 SGB V nicht möglich, nach der Ursache der Erkrankung mit der Folge zu differenzieren, dass der Leistungsausschluss bei einer behinderungsbedingten erektilen Dysfunktion nicht greift. Der Anwendungsbereich dieses Leistungsausschlusses kann nach Wortlaut, Entstehungsgeschichte, Regelungssystem und -zweck nicht auf Fälle teleologisch reduziert werden, in denen Arzneimittel - etwa bei entsprechender Anspannung aller Willenskräfte - nicht erforderlich sind (BSG Urteil vom 18.7.2006 - B 1 KR 10/05 R - USK 2006-139 = juris RdNr 11 f - Caverject). Die gesetzliche Regelung will vielmehr den Ausschluss der aufgeführten Arzneimittel aus dem Leistungskatalog der GKV umfassend sicherstellen (BSG Urteil vom 18.7.2006 - B 1 KR 10/05 R - USK 2006-139 = juris RdNr 12). Art 1 Nr 22 Buchst a Doppelbuchst cc GMG zielt mit der Einfügung von S 7 bis 9 in § 34 Abs 1 SGB V darauf ab, sämtliche Arzneimittel, die ua überwiegend der Behandlung der erektilen Dysfunktion dienen, von der Verordnung zu Lasten der GKV auszuschließen(vgl BSGE 94, 302 = SozR 4-2500 § 34 Nr 2, RdNr 24 - Viagra).

15

Ein anderes Ergebnis folgt nicht aus § 2a SGB V. Nach dieser durch Art 1 Nr 1 GMG eingefügten Vorschrift ist den besonderen Belangen behinderter und chronisch kranker Menschen Rechnung zu tragen. Die Regelung dient als Auslegungshilfe, um das Benachteiligungsverbot aus Art 3 Abs 3 S 2 GG umzusetzen (vgl funktional ähnlich BSG Urteil vom 25.5.2011 - B 12 KR 8/09 R - RdNr 26 mwN, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen). § 2a SGB V vermag aber nicht, einen gesetzlichen Leistungsausschluss zu überwinden(vgl etwa BSG SozR 4-3500 § 54 Nr 6 RdNr 22).

16

3. Entgegen der Ansicht des Klägers führt Art 25 UN-BRK zu keinem Anspruch auf Versorgung mit Cialis zu Lasten der GKV. Hierbei ist lediglich Art 25 S 3 Buchst b iVm S 1 und 2 UN-BRK näher in den Blick zu nehmen. Der in § 34 Abs 1 S 7 bis 9 SGB V umfassend geregelte Leistungsausschluss widerspricht dagegen schon im Ansatz nicht dem in Art 25 S 3 Buchst a UN-BRK enthaltenen speziellen Diskriminierungsverbot.

17

Nach Art 25 S 3 Buchst a UN-BRK stellen die Vertragsparteien Menschen mit Behinderungen eine unentgeltliche oder erschwingliche Gesundheitsversorgung in derselben Bandbreite, von derselben Qualität und auf demselben Standard zur Verfügung wie anderen Menschen, einschließlich sexual- und fortpflanzungsmedizinischer Gesundheitsleistungen und der Gesamtbevölkerung zur Verfügung stehender Programme des öffentlichen Gesundheitswesens. Das SGB V stellt dem Kläger in diesem Sinne eine Gesundheitsversorgung genau in derselben Bandbreite, von derselben Qualität und auf demselben Standard zur Verfügung wie anderen Menschen. Art 25 S 3 Buchst a UN-BRK enthält dagegen nach Wortlaut, Regelungssystem und Zweck keinen Anspruch auf eine Behandlung aller "wesentlichen Erkrankungen" zu Lasten der GKV.

18

Im Ergebnis begründet auch Art 25 S 3 Buchst b iVm S 1 und 2 UN-BRK keine eigenständige Rechtsgrundlage, die den in § 34 Abs 1 S 7 bis 9 SGB V geregelten Leistungsausschluss für behinderte Menschen aufhebt. Art 25 S 1, 2 und 3 Buchst b UN-BRK hat in der - gemäß Art 50 UN-BRK nicht verbindlichen - deutschen Fassung folgenden Wortlaut:

"Die Vertragsstaaten anerkennen das Recht von Menschen mit Behinderungen auf das erreichbare Höchstmaß an Gesundheit ohne Diskriminierung aufgrund von Behinderung. Die Vertragsstaaten treffen alle geeigneten Maßnahmen, um zu gewährleisten, dass Menschen mit Behinderungen Zugang zu geschlechtsspezifischen Gesundheitsdiensten, einschließlich gesundheitlicher Rehabilitation, haben. Insbesondere…
b) bieten die Vertragsstaaten die Gesundheitsleistungen an, die von Menschen mit Behinderungen speziell wegen ihrer Behinderungen benötigt werden, soweit angebracht, einschließlich Früherkennung und Frühintervention, sowie Leistungen, durch die, auch bei Kindern und älteren Menschen, weitere Behinderungen möglichst gering gehalten oder vermieden werden sollen;
[...]"

19

Art 25 S 3 Buchst b UN-BRK verdrängt nicht als ranggleiches späteres Bundesrecht den 2004 in das SGB V eingefügten Leistungsausschluss des § 34 Abs 1 S 7 bis 9 SGB V nach den Grundsätzen der allgemeinen intertemporalen Kollisionsregeln(vgl hierzu BSG SozR 4-2500 § 275 Nr 4 RdNr 13 f; lex posterior derogat legi priori). Art 25 S 3 Buchst b UN-BRK gilt in Deutschland im Rang einfachen Bundesrechts. Das Vertragsgesetz zur UN-BRK ist gemäß dessen Art 2 Abs 1 am 1.1.2009 in Kraft getreten. Es erteilt innerstaatlich den Befehl zur Anwendung der UN-BRK und setzt diese in nationales Recht um (vgl allgemein BVerfG NJW 2007, 499, 501; BVerfGE 104, 151, 209; 90, 286, 364; 77, 170, 210). Völkerrechtliche Verbindlichkeit kommt der UN-BRK für Deutschland gemäß Art 45 Abs 2 UN-BRK ab 26.3.2009 zu (vgl auch Art 2 Abs 2 Vertragsgesetz zur UN-BRK iVm der Bekanntmachung über das Inkrafttreten der UN-BRK vom 5.6.2009, BGBl II 812). Ab diesem Zeitpunkt könnte Art 25 S 3 Buchst b UN-BRK entgegenstehendes älteres Bundesrecht obsolet werden lassen (vgl auch BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 25 RdNr 28; zur Abhängigkeit des Geltungsbeginns von der völkerrechtlichen Wirksamkeit des Vertrages BVerfGE 63, 343, 354; 1, 396, 411 f; RG JW 1932, 582; Kunig in Graf Vitzthum, Völkerrecht, 5. Aufl 2010, S 120 RdNr 112; aA Burghart DÖV 1993, 1038).

20

Innerhalb der deutschen Rechtsordnung stehen völkerrechtliche Verträge wie die UN-BRK, denen die Bundesrepublik Deutschland beigetreten ist, im Range eines Bundesgesetzes (vgl BVerfGE 111, 307, 317; 82, 106, 114; 74, 358, 370). Diese Rangzuweisung führt in Verbindung mit Art 20 Abs 3 GG dazu, dass deutsche Gerichte das anwendbare Völkervertragsrecht wie anderes Gesetzesrecht des Bundes im Rahmen methodisch vertretbarer Auslegung zu beachten und anzuwenden haben, hier also ggf unter Beachtung des intertemporalen Rechts (vgl BVerfGE 111, 307, 317; einem theoretisch denkbaren Vorrang von Völkervertragsrecht nach § 30 Abs 2 SGB I steht der Anwendungsvorrang des SGB V entgegen, vgl § 37 S 1 und 2 SGB I). Ein - weitergehender - Anwendungsvorrang besteht dagegen für eine völkerrechtliche Norm, wenn sie in den Rang des Gewohnheitsrechts erwachsen ist. In diesem Falle sind die Behörden und Gerichte der Bundesrepublik Deutschland gemäß Art 25 GG grundsätzlich daran gehindert, innerstaatliches Recht in einer die Norm verletzenden Weise auszulegen und anzuwenden (vgl BVerfGE 112, 1, 27; Masuch in Festschrift für Renate Jaeger, 2011, 245, 260).

21

Die Regelung des Art 25 S 3 Buchst b UN-BRK beinhaltet indes keine allgemeine Regel des Völkerrechts mit dem genannten Geltungsvorrang. Bei den allgemeinen Regeln des Völkerrechts handelt es sich um Regeln des universell geltenden Völkergewohnheitsrechts, ergänzt durch aus den nationalen Rechtsordnungen tradierte allgemeine Rechtsgrundsätze (BVerfGE 117, 141, 149; 109, 13, 27; 16, 27, 33; 15, 25, 32 ff). Das Bestehen von Völkergewohnheitsrecht setzt eine gefestigte Praxis zahlreicher Staaten voraus, die in der Überzeugung geübt wird, hierzu aus Gründen des Völkerrechts verpflichtet zu sein (BVerfGE 46, 342, 367 mwN). Daran fehlt es hier. Art 25 S 3 Buchst b UN-BRK gibt nämlich nicht eine gefestigte Praxis zahlreicher Staaten wieder, Menschen mit Behinderungen ein der Regelung vergleichbares Recht auf Gesundheit zu gewähren. Dies verdeutlicht bereits eine Betrachtung des europäischen Rechtsrahmens. Ein entsprechendes Recht ist etwa weder in der Europäischen Menschenrechtskonvention noch in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union enthalten (vgl hierzu Rothfritz, Die Konvention der Vereinten Nationen zum Schutz der Rechte von Menschen mit Behinderungen, 2010, S 333).

22

Kein Anwendungsvorrang des Art 25 UN-BRK folgt aus dem Umstand, dass die Europäische Gemeinschaft (EG; Rechtsnachfolgerin: Europäische Union , vgl Art 1 Abs 3 S 3 Vertrag über die Europäische Union und Schreiben an den UN-Generalsekretär, BGBl II 2010, 250) dem Übereinkommen gemäß Art 44 UN-BRK iVm Art 310 des Vertrags zur Gründung der EG ( idF des Vertrages von Nizza, BGBl II 2001, 1666; vgl jetzt Art 217 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union ) beigetreten ist. Dieser Beitritt wirkt nur im Umfang der Zuständigkeiten der EG. Die EG vermochte sich völkerrechtlich nur im Rahmen ihrer Zuständigkeit zu binden (vgl auch die Erklärung der EG zur UN-BRK, abrufbar unter http://treaties.un.org). Nur in diesem Rahmen kann eine Bindung der Mitgliedstaaten nach Art 300 Abs 7 EGV bzw nunmehr nach Art 216 Abs 2 AEUV eintreten, die den Bestimmungen der UN-BRK zu einer Stellung über dem Bundesrecht verhilft. Die Festlegung der Leistungskataloge der nationalen Krankenversicherungssysteme liegt indes außerhalb der Kompetenz der EU (Art 168 Abs 7 AEUV, zuvor Art 152 Abs 5 EGV; EuGHE I 2001, 5473 RdNr 87 - Smits und Peerbooms; EuGHE I 2003, 4509 RdNr 98 - Müller-Fauré und van Riet; vgl insgesamt auch Denkschrift der Bundesregierung zur UN-BRK, BT-Drucks 16/10808, S 45, 46).

23

Art 25 S 3 Buchst b UN-BRK, der in der deutschen Rechtsordnung wie dargelegt im Range eines einfachen Bundesgesetzes gilt, enthält - soweit hier von Interesse - keine Vorgaben, die unmittelbar für Ansprüche GKV-Versicherter auf Arzneimittel bei erektiler Dysfunktion relevant sind. Die Norm ist - jedenfalls in ihrem hier bedeutsamen Teil - nicht hinreichend bestimmt, um von den KKn unmittelbar angewendet zu werden; sie bedarf einer Ausführungsgesetzgebung und ist non-self-executing (vgl dazu Grzeszick, Rechte des Einzelnen im Völkerrecht, AVR 43, 2005, 312, 318).

24

Die unmittelbare Anwendbarkeit völkervertragsrechtlicher Bestimmungen (zum Unterschied zur Geltung vgl etwa BVerfG NJW 2011, 2113 RdNr 53 f; BVerfGK 9, 174 = NJW 2007, 499, RdNr 52 f; speziell zur UN-BRK Aichele AnwBl 2011, 727, 730) setzt voraus, dass die Bestimmung alle Eigenschaften besitzt, welche ein Gesetz nach innerstaatlichem Recht haben muss, um Einzelne berechtigen oder verpflichten zu können (vgl BVerfGE 29, 348, 360). Dafür muss ihre Auslegung ergeben, dass sie geeignet und hinreichend bestimmt ist, wie eine innerstaatliche Vorschrift rechtliche Wirkung zu entfalten, ohne dass es einer weiteren normativen Ausfüllung bedarf (BVerfG NJW 2007, 499, 501; BVerfGE 29, 348, 360; vgl auch BVerwG Beschluss vom 18.1.2010 - 6 B 52/09 - juris RdNr 4; BVerwGE 134, 1 RdNr 46; BVerwGE 125, 1 RdNr 12; BVerwGE 120, 206, 208 f; BVerwGE 92, 116, 118; BVerwGE 87, 11, 13). Ist eine Regelung - objektiv-rechtlich - unmittelbar anwendbar, muss sie zusätzlich auch ein subjektives Recht des Einzelnen vermitteln (Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht, 5. Aufl 2010, S 141, 159; Grzeszick, AVR 43, 2005, 312, 318). Gemäß Art 31 Abs 1 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge vom 23.5.1969 (BGBl II 1985, 926 und BGBl II 1987, 757) erfolgt die Auslegung eines völkerrechtlichen Vertrages nach Treu und Glauben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, seinen Bestimmungen in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung und im Lichte seines Ziels und Zwecks (vgl auch Graf Vitzthum in ders, Völkerrecht, 5. Aufl 2010, S 56 RdNr 123 mwN). Wortlaut, Regelungszusammenhang sowie Ziel und Zweck der Regelung des Art 25 S 3 Buchst b UN-BRK sprechen gegen seine unmittelbare Anwendbarkeit für Leistungsrechte GKV-Versicherter im dargelegten Sinne.

25

Nach seinem Wortlaut verpflichtet Art 25 S 3 Buchst b UN-BRK die Vertragsstaaten zu weiteren Maßnahmen, nämlich dazu, die genau benannten Gesundheitsleistungen "anzubieten". Die Terminologie der Verpflichtung von Vertragsstaaten, Leistungen "anzubieten" ("to provide"), indiziert keine unmittelbare Anwendbarkeit (vgl auch Ziff 33 des "General Comment No 14" vom 11.8.2000 zum Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte vom 19.12.1966, BGBl II 1973, 1569; im Folgenden: WiSoKuPakt; zur Bedeutung der "General Comments" im Völkerrecht vgl zB BVerwGE 134, 1 RdNr 48 mwN; englische Fassungen der General Comments im Internet abrufbar unter http://www.unhchr.ch/tbs/doc.nsf/, deutsche Übersetzung veröffentlicht in Deutsches Institut für Menschenrechte, Die "General Comments" zu den VN-Menschenrechtsverträgen. Deutsche Übersetzung und Kurzeinführungen, 2005; zur Typologie "to respect", "to protect" and "to fulfil" im Zusammenhang mit wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechten vgl Koch in Human Rights Law Review 5, 2005, 81). Die Formulierung unterscheidet sich zugleich wesentlich von anderen Vertragsbestimmungen, die bereits nach ihrem Wortlaut einen unmittelbaren Anspruch begründen, ohne dass es weiterer Umsetzungsakte bedarf (so zB Art 30 Abs 4 UN-BRK: "Menschen mit Behinderungen haben gleichberechtigt mit anderen Anspruch auf …").

26

Auch der Regelungszusammenhang mit Art 25 S 1 und 2 UN-BRK spricht gegen eine unmittelbare Anwendbarkeit von S 3 Buchst b der genannten Regelung. Weil die Vertragsstaaten das Recht von Menschen mit Behinderungen auf das erreichbare Höchstmaß an Gesundheit ohne Diskriminierung aufgrund von Behinderung anerkennen, treffen sie die in S 2 genannten geeigneten Maßnahmen, um dieses Recht zu gewährleisten. Art 25 S 3 Buchst b UN-BRK knüpft hieran an und spezifiziert beispielhaft ("Insbesondere") die in Art 25 S 1 und 2 UN-BRK ausdrücklich als Staatenverpflichtung konzipierte allgemeine Regelung.

27

Das Ineinandergreifen der Bestimmungen des Art 25 S 1, 2 und 3 Buchst b UN-BRK verdeutlicht zugleich die Zielsetzung und den Regelungszweck, das in Art 25 UN-BRK geschützte Menschenrecht im "erreichbaren Höchstmaß" zu verwirklichen. Die darin liegende Beschränkung spiegelt die Grenzen aufgrund der eingeschränkten finanziellen Leistungsfähigkeit der sozialen Sicherungssysteme wider: Nach Art 4 Abs 2 UN-BRK ist jeder Vertragsstaat hinsichtlich der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte verpflichtet, unter Ausschöpfung seiner verfügbaren Mittel und erforderlichenfalls im Rahmen der internationalen Zusammenarbeit Maßnahmen zu treffen, um nach und nach die volle Verwirklichung dieser Rechte zu erreichen (sog Progressionsvorbehalt).

28

Die Regelung des Art 4 Abs 2 UN-BRK gilt zwar unbeschadet derjenigen Verpflichtungen aus diesem Übereinkommen, die nach dem Völkerrecht sofort anwendbar sind. Dazu gehört Art 25 S 3 Buchst b UN-BRK wegen seines Umsetzungsbedarfs in nationales Recht aber nicht. Diese Rechtsnorm ist vielmehr mit Art 12 Abs 2 WiSoKuPakt vergleichbar. Er benennt beispielhaft Schritte, die die Vertragsstaaten zur vollen Verwirklichung des "erreichbaren Höchstmaßes" ("highest attainable standard") an Gesundheit einzuleiten haben (vgl zur Entwicklung der UN-BRK im völkerrechtlichen Kontext auch Masuch in Festschrift für Renate Jaeger, 2011, 245, 246; Aichele, APuZ 2010, 13, 15; siehe auch "General Comment 3" Ziff 5 vom 14.12.1990 - keine Erwähnung von Art 12 WiSoKuPakt; "General Comment No 14" vom 11.8.2000 Ziff 1 zum Diskriminierungsverbot und Ziff 43 - Kernbereich medizinischer Grundversorgung auf Minimalniveau <"minimum essential levels[…] including essential primary health care"> - hier nicht betroffen; vgl schließlich Denkschrift der Bundesregierung zur UN-BRK, BT-Drucks 16/10808, S 45, 58 f).

29

4. Letztlich verhelfen auch weder das Diskriminierungsverbot des Art 5 Abs 2 UN-BRK noch Verfassungsrecht dem Kläger zum Erfolg. Art 5 Abs 2 UN-BRK ist allerdings nach den aufgeführten Kriterien unmittelbar anwendbar, in diesem Sinne also self-executing (vgl BVerfG SozR 4-2600 § 77 Nr 9 RdNr 54; Denkschrift der Bundesregierung zur UN-BRK, BT-Drucks 16/10808, S 45, 48; Masuch in Festschrift für Renate Jaeger, 2011, 245, 246, 250). Nach dieser Regelung verbieten die Vertragsstaaten jede Diskriminierung aufgrund von Behinderung und garantieren Menschen mit Behinderungen gleichen und wirksamen rechtlichen Schutz vor Diskriminierung, gleichviel aus welchen Gründen.

30

Zu den Menschen mit Behinderungen zählen nach Art 1 Abs 2 UN-BRK Menschen, die langfristige körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, welche sie in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren an der vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft hindern können. Nach Art 2 UN-BRK bedeutet "Diskriminierung aufgrund von Behinderung" jede Unterscheidung, Ausschließung oder Beschränkung aufgrund von Behinderung, die zum Ziel oder zur Folge hat, dass das auf die Gleichberechtigung mit anderen gegründete Anerkennen, Genießen oder Ausüben aller Menschenrechte und Grundfreiheiten im politischen, wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen, bürgerlichen oder jedem anderen Bereich beeinträchtigt oder vereitelt wird. Sie umfasst alle Formen der Diskriminierung, einschließlich der Versagung angemessener Vorkehrungen. Im Sinne des Übereinkommens bedeutet gemäß Art 2 UN-BRK "angemessene Vorkehrungen" notwendige und geeignete Änderungen und Anpassungen, die keine unverhältnismäßige oder unbillige Belastung darstellen und die, wenn sie in einem bestimmten Fall erforderlich sind, vorgenommen werden, um zu gewährleisten, dass Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt mit anderen alle Menschenrechte und Grundfreiheiten genießen oder ausüben können. Nach Art 4 Abs 1 S 1 UN-BRK verpflichten sich die Vertragsstaaten, die volle Verwirklichung aller Menschenrechte und Grundfreiheiten für alle Menschen mit Behinderungen ohne jede Diskriminierung aufgrund von Behinderung zu gewährleisten und zu fördern. Zu diesem Zweck verpflichten sich die Vertragsstaaten zu den im Einzelnen in Art 4 Abs 1 S 2 UN-BRK genannten Maßnahmen.

31

Ausgehend von diesen Grundsätzen entspricht das unmittelbar anwendbare Diskriminierungsverbot des Art 5 Abs 2 UN-BRK für die Leistungsbestimmungen der GKV im Wesentlichen dem Regelungsgehalt des Art 3 Abs 3 S 2 GG. Danach darf niemand wegen seiner Behinderung benachteiligt werden. Das Benachteiligungsverbot des Art 3 Abs 3 S 2 GG erschöpft sich nicht in der Anordnung, behinderte und nichtbehinderte Menschen rechtlich gleich zu behandeln. Vielmehr kann eine Benachteiligung auch bei einem Ausschluss von Entfaltungs- und Betätigungsmöglichkeiten durch die öffentliche Gewalt gegeben sein, wenn dieser nicht durch eine auf die Behinderung bezogene Fördermaßnahme kompensiert wird (vgl BVerfGE 99, 341, 357; 96, 288, 303; BVerfGK 7, 269, 273). Besonders bedeutsam ist in diesem Zusammenhang, dass die UN-BRK generell als Auslegungshilfe für die Bestimmung von Inhalt und Reichweite der Grundrechte herangezogen werden kann (vgl BVerfG NJW 2011, 2113, RdNr 52; BVerfGE 111, 307, 317) und dies auch speziell für das Verständnis des Art 3 Abs 3 S 2 GG gilt (so im Ergebnis BVerfG SozR 4-2600 § 77 Nr 9 RdNr 54).

32

Der gesetzliche Leistungsausschluss nach § 34 Abs 1 S 7 bis 9 SGB V verstößt indes weder gegen das verfassungsrechtliche Benachteiligungs- noch gegen das konventionsrechtliche Diskriminierungsverbot. Der gesetzliche Leistungsausschluss knüpft nicht an eine Behinderung im verfassungsrechtlichen (vgl die allgemein auf die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben abstellende Regelung des § 2 Abs 1 S 1 SGB IX, an dessen Vorgängernorm - § 3 Abs 1 Schwerbehindertengesetz - sich der verfassungsändernde Gesetzgeber bei der Schaffung des Art 3 Abs 3 S 2 GG orientiert hat, s BVerfGE 96, 288, 301)und konventionsrechtlichen Sinne an, sondern erfasst weitergehend alle Fälle der Erkrankung (§ 27 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB V) oder - hier nicht betroffen - der Schwächung der Gesundheit, die in absehbarer Zeit voraussichtlich zu einer Krankheit führen würde (§ 23 Abs 1 Nr 1, Abs 3 SGB V). Die Ausschlussregelung setzt nicht den Eintritt einer Behinderung voraus, sondern lässt auch eine vorübergehende Krankheit oder Erscheinungsformen in deren Vorfeld ausreichen.

33

Auch soweit die Vorschrift zugleich behinderte Menschen iS des Art 3 Abs 3 S 2 GG oder des Art 1 Abs 2 UN-BRK trifft, ist sie wegen des Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers bei der Ausgestaltung des GKV-Leistungskatalogs noch gerechtfertigt. Wie das GG fordert auch die UN-BRK zur Achtung des Diskriminierungsverbots keine unverhältnismäßigen oder unbilligen Belastungen. Die sich daraus ergebenden Rechtfertigungsanforderungen sind nicht höher als die nach dem GG.

34

Nach der Rechtsprechung des BVerfG ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass die GKV den Versicherten Leistungen nach Maßgabe eines allgemeinen Leistungskatalogs (§ 11 SGB V) unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12 SGB V) zur Verfügung stellt, soweit diese Leistungen nicht der Eigenverantwortung der Versicherten zugerechnet werden (§ 2 Abs 1 S 1 SGB V). Es steht mit dem GG in Einklang, wenn der Gesetzgeber vorsieht, dass die Leistungen der GKV ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich zu sein haben und nicht das Maß des Notwendigen überschreiten dürfen (§ 2 Abs 1 S 1 SGB V). Der GKV-Leistungskatalog darf auch von finanzwirtschaftlichen Erwägungen mitbestimmt sein. Gerade im Gesundheitswesen hat der Kostenaspekt für gesetzgeberische Entscheidungen erhebliches Gewicht (vgl BVerfGE 103, 172, 184). Die gesetzlichen KKn sind nicht von Verfassungs wegen gehalten, alles zu leisten, was an Mitteln zur Erhaltung und Wiederherstellung der Gesundheit verfügbar ist (vgl BVerfGE 115, 25, 45 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5).

35

Auch aus dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten (vgl BVerfGE 89, 120, 130) folgt jedenfalls kein grundrechtlicher Anspruch gegen seine KK auf Bereitstellung oder Finanzierung bestimmter Gesundheitsleistungen (stRspr, vgl BVerfG NJW 1998, 1775; NJW 1997, 3085). Der Gesetzgeber verletzt seinen Gestaltungsspielraum weder im Hinblick auf das Sozialstaatsgebot noch auf das Benachteiligungsverbot behinderter Menschen, wenn er angesichts der beschränkten finanziellen Leistungsfähigkeit der GKV Leistungen aus dem Leistungskatalog ausschließt, die - wie hier - in erster Linie einer Steigerung der Lebensqualität jenseits lebensbedrohlicher Zustände dienen. Dies gilt erst recht, wenn es sich um Bereiche handelt, bei denen die Übergänge zwischen krankhaften und nicht krankhaften Zuständen auch maßgeblich vom subjektiven Empfinden des einzelnen Versicherten abhängen können (vgl auch BSGE 94, 302 = SozR 4-2500 § 34 Nr 2, RdNr 25 - Viagra). Schließlich darf der Gesetzgeber auch aus Gründen der Rechtssicherheit klare Grenzlinien ziehen (vgl hierzu Begründung des Entwurfs der Fraktionen SPD, CDU/CSU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zum GMG, BT-Drucks 15/1525, S 86 zu Art 1 Nr 22 Buchst a Doppelbuchst cc).

36

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Kinder und Jugendliche sind entsprechend ihrem Entwicklungsstand an allen sie betreffenden Entscheidungen der öffentlichen Jugendhilfe zu beteiligen. Sie sind in geeigneter Weise auf ihre Rechte im Verwaltungsverfahren sowie im Verfahren vor dem Familiengericht und dem Verwaltungsgericht hinzuweisen.

(2) Kinder und Jugendliche haben das Recht, sich in allen Angelegenheiten der Erziehung und Entwicklung an das Jugendamt zu wenden.

(3) Kinder und Jugendliche haben Anspruch auf Beratung ohne Kenntnis des Personensorgeberechtigten, solange durch die Mitteilung an den Personensorgeberechtigten der Beratungszweck vereitelt würde. § 36 des Ersten Buches bleibt unberührt. Die Beratung kann auch durch einen Träger der freien Jugendhilfe erbracht werden; § 36a Absatz 2 Satz 1 bis 3 gilt entsprechend.

(4) Beteiligung und Beratung von Kindern und Jugendlichen nach diesem Buch erfolgen in einer für sie verständlichen, nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Form.

(1) Bei den Leistungen nach diesem Teil ist ein Beitrag zu den Aufwendungen aufzubringen, wenn das Einkommen im Sinne des § 135 der antragstellenden Person sowie bei minderjährigen Personen der im Haushalt lebenden Eltern oder des im Haushalt lebenden Elternteils die Beträge nach Absatz 2 übersteigt.

(2) Ein Beitrag zu den Aufwendungen ist aufzubringen, wenn das Einkommen im Sinne des § 135 überwiegend

1.
aus einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit erzielt wird und 85 Prozent der jährlichen Bezugsgröße nach § 18 Absatz 1 des Vierten Buches übersteigt oder
2.
aus einer nicht sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung erzielt wird und 75 Prozent der jährlichen Bezugsgröße nach § 18 Absatz 1 des Vierten Buches übersteigt oder
3.
aus Renteneinkünften erzielt wird und 60 Prozent der jährlichen Bezugsgröße nach § 18 Absatz 1 des Vierten Buches übersteigt.
Wird das Einkommen im Sinne des § 135 überwiegend aus anderen Einkunftsarten erzielt, ist Satz 1 Nummer 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Die Beträge nach Absatz 2 erhöhen sich für den nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartner, den Partner einer eheähnlichen oder lebenspartnerschaftsähnlichen Gemeinschaft um 15 Prozent sowie für jedes unterhaltsberechtigte Kind im Haushalt um 10 Prozent der jährlichen Bezugsgröße nach § 18 Absatz 1 des Vierten Buches.

(4) Übersteigt das Einkommen im Sinne des § 135 einer in Absatz 3 erster Halbsatz genannten Person den Betrag, der sich nach Absatz 2 ergibt, findet Absatz 3 keine Anwendung. In diesem Fall erhöhen sich für jedes unterhaltsberechtigte Kind im Haushalt die Beträge nach Absatz 2 um 5 Prozent der jährlichen Bezugsgröße nach § 18 Absatz 1 des Vierten Buches.

(5) Ist der Leistungsberechtigte minderjährig und lebt im Haushalt der Eltern, erhöht sich der Betrag nach Absatz 2 um 75 Prozent der jährlichen Bezugsgröße nach § 18 Absatz 1 des Vierten Buches für jeden Leistungsberechtigten. Die Absätze 3 und 4 sind nicht anzuwenden.

(1) Hält ein Leistungserbringer seine gesetzlichen oder vertraglichen (vereinbarten) Verpflichtungen ganz oder teilweise nicht ein, ist die vereinbarte Vergütung für die Dauer der Pflichtverletzung entsprechend zu kürzen. Über die Höhe des Kürzungsbetrags ist zwischen den Vertragsparteien Einvernehmen herzustellen. Kommt eine Einigung nicht zustande, entscheidet auf Antrag einer Vertragspartei die Schiedsstelle. Für das Verfahren bei Entscheidungen durch die Schiedsstelle gilt § 77 Absatz 2 und 3 entsprechend.

(2) Der Kürzungsbetrag ist an den Träger der Sozialhilfe bis zu der Höhe zurückzuzahlen, in der die Leistung vom Träger der Sozialhilfe erbracht worden ist, und im Übrigen an den Leistungsberechtigten zurückzuzahlen.

(3) Der Kürzungsbetrag kann nicht über die Vergütungen refinanziert werden. Darüber hinaus besteht hinsichtlich des Kürzungsbetrags kein Anspruch auf Nachverhandlung gemäß § 77a Absatz 2.

(1) Ein Kind, das das erste Lebensjahr noch nicht vollendet hat, ist in einer Einrichtung oder in Kindertagespflege zu fördern, wenn

1.
diese Leistung für seine Entwicklung zu einer selbstbestimmten, eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit geboten ist oder
2.
die Erziehungsberechtigten
a)
einer Erwerbstätigkeit nachgehen, eine Erwerbstätigkeit aufnehmen oder Arbeit suchend sind,
b)
sich in einer beruflichen Bildungsmaßnahme, in der Schulausbildung oder Hochschulausbildung befinden oder
c)
Leistungen zur Eingliederung in Arbeit im Sinne des Zweiten Buches erhalten.
Lebt das Kind nur mit einem Erziehungsberechtigten zusammen, so tritt diese Person an die Stelle der Erziehungsberechtigten. Der Umfang der täglichen Förderung richtet sich nach dem individuellen Bedarf.

(2) Ein Kind, das das erste Lebensjahr vollendet hat, hat bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres Anspruch auf frühkindliche Förderung in einer Tageseinrichtung oder in Kindertagespflege. Absatz 1 Satz 3 gilt entsprechend.

(3) Ein Kind, das das dritte Lebensjahr vollendet hat, hat bis zum Schuleintritt Anspruch auf Förderung in einer Tageseinrichtung. Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe haben darauf hinzuwirken, dass für diese Altersgruppe ein bedarfsgerechtes Angebot an Ganztagsplätzen zur Verfügung steht. Das Kind kann bei besonderem Bedarf oder ergänzend auch in Kindertagespflege gefördert werden.

(4) Für Kinder im schulpflichtigen Alter ist ein bedarfsgerechtes Angebot in Tageseinrichtungen vorzuhalten. Absatz 1 Satz 3 und Absatz 3 Satz 3 gelten entsprechend.

(5) Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe oder die von ihnen beauftragten Stellen sind verpflichtet, Eltern oder Elternteile, die Leistungen nach den Absätzen 1 bis 4 in Anspruch nehmen wollen, über das Platzangebot im örtlichen Einzugsbereich und die pädagogische Konzeption der Einrichtungen zu informieren und sie bei der Auswahl zu beraten. Landesrecht kann bestimmen, dass die erziehungsberechtigten Personen den zuständigen Träger der öffentlichen Jugendhilfe oder die beauftragte Stelle innerhalb einer bestimmten Frist vor der beabsichtigten Inanspruchnahme der Leistung in Kenntnis setzen.

(6) Weitergehendes Landesrecht bleibt unberührt.

(1) Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe sollen die Qualität der Förderung in ihren Einrichtungen durch geeignete Maßnahmen sicherstellen und weiterentwickeln. Dazu gehören die Entwicklung und der Einsatz einer pädagogischen Konzeption als Grundlage für die Erfüllung des Förderungsauftrags sowie der Einsatz von Instrumenten und Verfahren zur Evaluation der Arbeit in den Einrichtungen.

(2) Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe sollen sicherstellen, dass die Fachkräfte in ihren Einrichtungen zusammenarbeiten

1.
mit den Erziehungsberechtigten und Kindertagespflegepersonen zum Wohl der Kinder und zur Sicherung der Kontinuität des Erziehungsprozesses,
2.
mit anderen kinder- und familienbezogenen Institutionen und Initiativen im Gemeinwesen, insbesondere solchen der Familienbildung und -beratung,
3.
mit den Schulen, um den Kindern einen guten Übergang in die Schule zu sichern und um die Arbeit mit Schulkindern in Horten und altersgemischten Gruppen zu unterstützen.
Die Erziehungsberechtigten sind an den Entscheidungen in wesentlichen Angelegenheiten der Erziehung, Bildung und Betreuung zu beteiligen.

(3) Das Angebot soll sich pädagogisch und organisatorisch an den Bedürfnissen der Kinder und ihrer Familien orientieren. Werden Einrichtungen in den Ferienzeiten geschlossen, so hat der Träger der öffentlichen Jugendhilfe für die Kinder, die nicht von den Erziehungsberechtigten betreut werden können, eine anderweitige Betreuungsmöglichkeit sicherzustellen.

(4) Kinder mit Behinderungen und Kinder ohne Behinderungen sollen gemeinsam gefördert werden. Die besonderen Bedürfnisse von Kindern mit Behinderungen und von Kindern, die von Behinderung bedroht sind, sind zu berücksichtigen.

(5) Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe sollen die Realisierung des Förderungsauftrags nach Maßgabe der Absätze 1 bis 4 in den Einrichtungen anderer Träger durch geeignete Maßnahmen sicherstellen.

(1) Die Leistungen zur Teilhabe umfassen die notwendigen Sozialleistungen, um unabhängig von der Ursache der Behinderung

1.
die Behinderung abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern,
2.
Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit oder Pflegebedürftigkeit zu vermeiden, zu überwinden, zu mindern oder eine Verschlimmerung zu verhüten sowie den vorzeitigen Bezug anderer Sozialleistungen zu vermeiden oder laufende Sozialleistungen zu mindern,
3.
die Teilhabe am Arbeitsleben entsprechend den Neigungen und Fähigkeiten dauerhaft zu sichern oder
4.
die persönliche Entwicklung ganzheitlich zu fördern und die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft sowie eine möglichst selbständige und selbstbestimmte Lebensführung zu ermöglichen oder zu erleichtern.

(2) Die Leistungen zur Teilhabe werden zur Erreichung der in Absatz 1 genannten Ziele nach Maßgabe dieses Buches und der für die zuständigen Leistungsträger geltenden besonderen Vorschriften neben anderen Sozialleistungen erbracht. Die Leistungsträger erbringen die Leistungen im Rahmen der für sie geltenden Rechtsvorschriften nach Lage des Einzelfalles so vollständig, umfassend und in gleicher Qualität, dass Leistungen eines anderen Trägers möglichst nicht erforderlich werden.

(3) Leistungen für Kinder mit Behinderungen oder von Behinderung bedrohte Kinder werden so geplant und gestaltet, dass nach Möglichkeit Kinder nicht von ihrem sozialen Umfeld getrennt und gemeinsam mit Kindern ohne Behinderungen betreut werden können. Dabei werden Kinder mit Behinderungen alters- und entwicklungsentsprechend an der Planung und Ausgestaltung der einzelnen Hilfen beteiligt und ihre Sorgeberechtigten intensiv in Planung und Gestaltung der Hilfen einbezogen.

(4) Leistungen für Mütter und Väter mit Behinderungen werden gewährt, um diese bei der Versorgung und Betreuung ihrer Kinder zu unterstützen.

(1) Ein Kind, das das erste Lebensjahr noch nicht vollendet hat, ist in einer Einrichtung oder in Kindertagespflege zu fördern, wenn

1.
diese Leistung für seine Entwicklung zu einer selbstbestimmten, eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit geboten ist oder
2.
die Erziehungsberechtigten
a)
einer Erwerbstätigkeit nachgehen, eine Erwerbstätigkeit aufnehmen oder Arbeit suchend sind,
b)
sich in einer beruflichen Bildungsmaßnahme, in der Schulausbildung oder Hochschulausbildung befinden oder
c)
Leistungen zur Eingliederung in Arbeit im Sinne des Zweiten Buches erhalten.
Lebt das Kind nur mit einem Erziehungsberechtigten zusammen, so tritt diese Person an die Stelle der Erziehungsberechtigten. Der Umfang der täglichen Förderung richtet sich nach dem individuellen Bedarf.

(2) Ein Kind, das das erste Lebensjahr vollendet hat, hat bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres Anspruch auf frühkindliche Förderung in einer Tageseinrichtung oder in Kindertagespflege. Absatz 1 Satz 3 gilt entsprechend.

(3) Ein Kind, das das dritte Lebensjahr vollendet hat, hat bis zum Schuleintritt Anspruch auf Förderung in einer Tageseinrichtung. Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe haben darauf hinzuwirken, dass für diese Altersgruppe ein bedarfsgerechtes Angebot an Ganztagsplätzen zur Verfügung steht. Das Kind kann bei besonderem Bedarf oder ergänzend auch in Kindertagespflege gefördert werden.

(4) Für Kinder im schulpflichtigen Alter ist ein bedarfsgerechtes Angebot in Tageseinrichtungen vorzuhalten. Absatz 1 Satz 3 und Absatz 3 Satz 3 gelten entsprechend.

(5) Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe oder die von ihnen beauftragten Stellen sind verpflichtet, Eltern oder Elternteile, die Leistungen nach den Absätzen 1 bis 4 in Anspruch nehmen wollen, über das Platzangebot im örtlichen Einzugsbereich und die pädagogische Konzeption der Einrichtungen zu informieren und sie bei der Auswahl zu beraten. Landesrecht kann bestimmen, dass die erziehungsberechtigten Personen den zuständigen Träger der öffentlichen Jugendhilfe oder die beauftragte Stelle innerhalb einer bestimmten Frist vor der beabsichtigten Inanspruchnahme der Leistung in Kenntnis setzen.

(6) Weitergehendes Landesrecht bleibt unberührt.

(1) Ziel der Unterstützten Beschäftigung ist es, Leistungsberechtigten mit besonderem Unterstützungsbedarf eine angemessene, geeignete und sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu ermöglichen und zu erhalten. Unterstützte Beschäftigung umfasst eine individuelle betriebliche Qualifizierung und bei Bedarf Berufsbegleitung.

(2) Leistungen zur individuellen betrieblichen Qualifizierung erhalten Menschen mit Behinderungen insbesondere, um sie für geeignete betriebliche Tätigkeiten zu erproben, auf ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vorzubereiten und bei der Einarbeitung und Qualifizierung auf einem betrieblichen Arbeitsplatz zu unterstützen. Die Leistungen umfassen auch die Vermittlung von berufsübergreifenden Lerninhalten und Schlüsselqualifikationen sowie die Weiterentwicklung der Persönlichkeit der Menschen mit Behinderungen. Die Leistungen werden vom zuständigen Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 für bis zu zwei Jahre erbracht, soweit sie wegen Art oder Schwere der Behinderung erforderlich sind. Sie können bis zu einer Dauer von weiteren zwölf Monaten verlängert werden, wenn auf Grund der Art oder Schwere der Behinderung der gewünschte nachhaltige Qualifizierungserfolg im Einzelfall nicht anders erreicht werden kann und hinreichend gewährleistet ist, dass eine weitere Qualifizierung zur Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung führt.

(3) Leistungen der Berufsbegleitung erhalten Menschen mit Behinderungen insbesondere, um nach Begründung eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses die zu dessen Stabilisierung erforderliche Unterstützung und Krisenintervention zu gewährleisten. Die Leistungen werden bei Zuständigkeit eines Rehabilitationsträgers nach § 6 Absatz 1 Nummer 3 oder 5 von diesem, im Übrigen von dem Integrationsamt im Rahmen seiner Zuständigkeit erbracht, solange und soweit sie wegen Art oder Schwere der Behinderung zur Sicherung des Beschäftigungsverhältnisses erforderlich sind.

(4) Stellt der Rehabilitationsträger während der individuellen betrieblichen Qualifizierung fest, dass voraussichtlich eine anschließende Berufsbegleitung erforderlich ist, für die ein anderer Leistungsträger zuständig ist, beteiligt er diesen frühzeitig.

(5) Die Unterstützte Beschäftigung kann von Integrationsfachdiensten oder anderen Trägern durchgeführt werden. Mit der Durchführung kann nur beauftragt werden, wer über die erforderliche Leistungsfähigkeit verfügt, um seine Aufgaben entsprechend den individuellen Bedürfnissen der Menschen mit Behinderungen erfüllen zu können. Insbesondere müssen die Beauftragten

1.
über Fachkräfte verfügen, die eine geeignete Berufsqualifikation, eine psychosoziale oder arbeitspädagogische Zusatzqualifikation und eine ausreichende Berufserfahrung besitzen,
2.
in der Lage sein, den Menschen mit Behinderungen geeignete individuelle betriebliche Qualifizierungsplätze zur Verfügung zu stellen und ihre berufliche Eingliederung zu unterstützen,
3.
über die erforderliche räumliche und sächliche Ausstattung verfügen sowie
4.
ein System des Qualitätsmanagements im Sinne des § 37 Absatz 2 Satz 1 anwenden.

(6) Zur Konkretisierung und Weiterentwicklung der in Absatz 5 genannten Qualitätsanforderungen vereinbaren die Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 sowie die Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen im Rahmen der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation eine gemeinsame Empfehlung. Die gemeinsame Empfehlung kann auch Ausführungen zu möglichen Leistungsinhalten und zur Zusammenarbeit enthalten. § 26 Absatz 4, 6 und 7 sowie § 27 gelten entsprechend.

(1) Leistungen zur Sozialen Teilhabe werden erbracht, um eine gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern, soweit sie nicht nach den Kapiteln 9 bis 12 erbracht werden. Hierzu gehört, Leistungsberechtigte zu einer möglichst selbstbestimmten und eigenverantwortlichen Lebensführung im eigenen Wohnraum sowie in ihrem Sozialraum zu befähigen oder sie hierbei zu unterstützen. Maßgeblich sind die Ermittlungen und Feststellungen nach den Kapiteln 3 und 4.

(2) Leistungen zur Sozialen Teilhabe sind insbesondere

1.
Leistungen für Wohnraum,
2.
Assistenzleistungen,
3.
heilpädagogische Leistungen,
4.
Leistungen zur Betreuung in einer Pflegefamilie,
5.
Leistungen zum Erwerb und Erhalt praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten,
6.
Leistungen zur Förderung der Verständigung,
7.
Leistungen zur Mobilität und
8.
Hilfsmittel.

(1) Ziel der Unterstützten Beschäftigung ist es, Leistungsberechtigten mit besonderem Unterstützungsbedarf eine angemessene, geeignete und sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu ermöglichen und zu erhalten. Unterstützte Beschäftigung umfasst eine individuelle betriebliche Qualifizierung und bei Bedarf Berufsbegleitung.

(2) Leistungen zur individuellen betrieblichen Qualifizierung erhalten Menschen mit Behinderungen insbesondere, um sie für geeignete betriebliche Tätigkeiten zu erproben, auf ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vorzubereiten und bei der Einarbeitung und Qualifizierung auf einem betrieblichen Arbeitsplatz zu unterstützen. Die Leistungen umfassen auch die Vermittlung von berufsübergreifenden Lerninhalten und Schlüsselqualifikationen sowie die Weiterentwicklung der Persönlichkeit der Menschen mit Behinderungen. Die Leistungen werden vom zuständigen Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 für bis zu zwei Jahre erbracht, soweit sie wegen Art oder Schwere der Behinderung erforderlich sind. Sie können bis zu einer Dauer von weiteren zwölf Monaten verlängert werden, wenn auf Grund der Art oder Schwere der Behinderung der gewünschte nachhaltige Qualifizierungserfolg im Einzelfall nicht anders erreicht werden kann und hinreichend gewährleistet ist, dass eine weitere Qualifizierung zur Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung führt.

(3) Leistungen der Berufsbegleitung erhalten Menschen mit Behinderungen insbesondere, um nach Begründung eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses die zu dessen Stabilisierung erforderliche Unterstützung und Krisenintervention zu gewährleisten. Die Leistungen werden bei Zuständigkeit eines Rehabilitationsträgers nach § 6 Absatz 1 Nummer 3 oder 5 von diesem, im Übrigen von dem Integrationsamt im Rahmen seiner Zuständigkeit erbracht, solange und soweit sie wegen Art oder Schwere der Behinderung zur Sicherung des Beschäftigungsverhältnisses erforderlich sind.

(4) Stellt der Rehabilitationsträger während der individuellen betrieblichen Qualifizierung fest, dass voraussichtlich eine anschließende Berufsbegleitung erforderlich ist, für die ein anderer Leistungsträger zuständig ist, beteiligt er diesen frühzeitig.

(5) Die Unterstützte Beschäftigung kann von Integrationsfachdiensten oder anderen Trägern durchgeführt werden. Mit der Durchführung kann nur beauftragt werden, wer über die erforderliche Leistungsfähigkeit verfügt, um seine Aufgaben entsprechend den individuellen Bedürfnissen der Menschen mit Behinderungen erfüllen zu können. Insbesondere müssen die Beauftragten

1.
über Fachkräfte verfügen, die eine geeignete Berufsqualifikation, eine psychosoziale oder arbeitspädagogische Zusatzqualifikation und eine ausreichende Berufserfahrung besitzen,
2.
in der Lage sein, den Menschen mit Behinderungen geeignete individuelle betriebliche Qualifizierungsplätze zur Verfügung zu stellen und ihre berufliche Eingliederung zu unterstützen,
3.
über die erforderliche räumliche und sächliche Ausstattung verfügen sowie
4.
ein System des Qualitätsmanagements im Sinne des § 37 Absatz 2 Satz 1 anwenden.

(6) Zur Konkretisierung und Weiterentwicklung der in Absatz 5 genannten Qualitätsanforderungen vereinbaren die Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 sowie die Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen im Rahmen der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation eine gemeinsame Empfehlung. Die gemeinsame Empfehlung kann auch Ausführungen zu möglichen Leistungsinhalten und zur Zusammenarbeit enthalten. § 26 Absatz 4, 6 und 7 sowie § 27 gelten entsprechend.

(1) Leistungen zur Sozialen Teilhabe werden erbracht, um eine gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern, soweit sie nicht nach den Kapiteln 9 bis 12 erbracht werden. Hierzu gehört, Leistungsberechtigte zu einer möglichst selbstbestimmten und eigenverantwortlichen Lebensführung im eigenen Wohnraum sowie in ihrem Sozialraum zu befähigen oder sie hierbei zu unterstützen. Maßgeblich sind die Ermittlungen und Feststellungen nach den Kapiteln 3 und 4.

(2) Leistungen zur Sozialen Teilhabe sind insbesondere

1.
Leistungen für Wohnraum,
2.
Assistenzleistungen,
3.
heilpädagogische Leistungen,
4.
Leistungen zur Betreuung in einer Pflegefamilie,
5.
Leistungen zum Erwerb und Erhalt praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten,
6.
Leistungen zur Förderung der Verständigung,
7.
Leistungen zur Mobilität und
8.
Hilfsmittel.

(1) Ziel der Unterstützten Beschäftigung ist es, Leistungsberechtigten mit besonderem Unterstützungsbedarf eine angemessene, geeignete und sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu ermöglichen und zu erhalten. Unterstützte Beschäftigung umfasst eine individuelle betriebliche Qualifizierung und bei Bedarf Berufsbegleitung.

(2) Leistungen zur individuellen betrieblichen Qualifizierung erhalten Menschen mit Behinderungen insbesondere, um sie für geeignete betriebliche Tätigkeiten zu erproben, auf ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vorzubereiten und bei der Einarbeitung und Qualifizierung auf einem betrieblichen Arbeitsplatz zu unterstützen. Die Leistungen umfassen auch die Vermittlung von berufsübergreifenden Lerninhalten und Schlüsselqualifikationen sowie die Weiterentwicklung der Persönlichkeit der Menschen mit Behinderungen. Die Leistungen werden vom zuständigen Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 für bis zu zwei Jahre erbracht, soweit sie wegen Art oder Schwere der Behinderung erforderlich sind. Sie können bis zu einer Dauer von weiteren zwölf Monaten verlängert werden, wenn auf Grund der Art oder Schwere der Behinderung der gewünschte nachhaltige Qualifizierungserfolg im Einzelfall nicht anders erreicht werden kann und hinreichend gewährleistet ist, dass eine weitere Qualifizierung zur Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung führt.

(3) Leistungen der Berufsbegleitung erhalten Menschen mit Behinderungen insbesondere, um nach Begründung eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses die zu dessen Stabilisierung erforderliche Unterstützung und Krisenintervention zu gewährleisten. Die Leistungen werden bei Zuständigkeit eines Rehabilitationsträgers nach § 6 Absatz 1 Nummer 3 oder 5 von diesem, im Übrigen von dem Integrationsamt im Rahmen seiner Zuständigkeit erbracht, solange und soweit sie wegen Art oder Schwere der Behinderung zur Sicherung des Beschäftigungsverhältnisses erforderlich sind.

(4) Stellt der Rehabilitationsträger während der individuellen betrieblichen Qualifizierung fest, dass voraussichtlich eine anschließende Berufsbegleitung erforderlich ist, für die ein anderer Leistungsträger zuständig ist, beteiligt er diesen frühzeitig.

(5) Die Unterstützte Beschäftigung kann von Integrationsfachdiensten oder anderen Trägern durchgeführt werden. Mit der Durchführung kann nur beauftragt werden, wer über die erforderliche Leistungsfähigkeit verfügt, um seine Aufgaben entsprechend den individuellen Bedürfnissen der Menschen mit Behinderungen erfüllen zu können. Insbesondere müssen die Beauftragten

1.
über Fachkräfte verfügen, die eine geeignete Berufsqualifikation, eine psychosoziale oder arbeitspädagogische Zusatzqualifikation und eine ausreichende Berufserfahrung besitzen,
2.
in der Lage sein, den Menschen mit Behinderungen geeignete individuelle betriebliche Qualifizierungsplätze zur Verfügung zu stellen und ihre berufliche Eingliederung zu unterstützen,
3.
über die erforderliche räumliche und sächliche Ausstattung verfügen sowie
4.
ein System des Qualitätsmanagements im Sinne des § 37 Absatz 2 Satz 1 anwenden.

(6) Zur Konkretisierung und Weiterentwicklung der in Absatz 5 genannten Qualitätsanforderungen vereinbaren die Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 sowie die Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen im Rahmen der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation eine gemeinsame Empfehlung. Die gemeinsame Empfehlung kann auch Ausführungen zu möglichen Leistungsinhalten und zur Zusammenarbeit enthalten. § 26 Absatz 4, 6 und 7 sowie § 27 gelten entsprechend.

(1) Leistungen zur Sozialen Teilhabe werden erbracht, um eine gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern, soweit sie nicht nach den Kapiteln 9 bis 12 erbracht werden. Hierzu gehört, Leistungsberechtigte zu einer möglichst selbstbestimmten und eigenverantwortlichen Lebensführung im eigenen Wohnraum sowie in ihrem Sozialraum zu befähigen oder sie hierbei zu unterstützen. Maßgeblich sind die Ermittlungen und Feststellungen nach den Kapiteln 3 und 4.

(2) Leistungen zur Sozialen Teilhabe sind insbesondere

1.
Leistungen für Wohnraum,
2.
Assistenzleistungen,
3.
heilpädagogische Leistungen,
4.
Leistungen zur Betreuung in einer Pflegefamilie,
5.
Leistungen zum Erwerb und Erhalt praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten,
6.
Leistungen zur Förderung der Verständigung,
7.
Leistungen zur Mobilität und
8.
Hilfsmittel.

(1) Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. Menschen sind von Behinderung bedroht, wenn eine Beeinträchtigung nach Satz 1 zu erwarten ist.

(2) Menschen sind im Sinne des Teils 3 schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben.

(3) Schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden sollen Menschen mit Behinderungen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 156 nicht erlangen oder nicht behalten können (gleichgestellte behinderte Menschen).

(1) Auf Sozialhilfe besteht ein Anspruch, soweit bestimmt wird, dass die Leistung zu erbringen ist. Der Anspruch kann nicht übertragen, verpfändet oder gepfändet werden.

(2) Über Art und Maß der Leistungserbringung ist nach pflichtmäßigem Ermessen zu entscheiden, soweit das Ermessen nicht ausgeschlossen wird. Werden Leistungen auf Grund von Ermessensentscheidungen erbracht, sind die Entscheidungen im Hinblick auf die sie tragenden Gründe und Ziele zu überprüfen und im Einzelfall gegebenenfalls abzuändern.

(1) Die Leistungen richten sich nach der Besonderheit des Einzelfalles, insbesondere nach der Art des Bedarfs, den örtlichen Verhältnissen, den eigenen Kräften und Mitteln der Person oder des Haushalts bei der Hilfe zum Lebensunterhalt.

(2) Wünschen der Leistungsberechtigten, die sich auf die Gestaltung der Leistung richten, soll entsprochen werden, soweit sie angemessen sind. Wünschen der Leistungsberechtigten, den Bedarf stationär oder teilstationär zu decken, soll nur entsprochen werden, wenn dies nach der Besonderheit des Einzelfalles erforderlich ist, weil anders der Bedarf nicht oder nicht ausreichend gedeckt werden kann und wenn mit der Einrichtung Vereinbarungen nach den Vorschriften des Zehnten Kapitels dieses Buches bestehen. Der Träger der Sozialhilfe soll in der Regel Wünschen nicht entsprechen, deren Erfüllung mit unverhältnismäßigen Mehrkosten verbunden wäre.

(3) Auf Wunsch der Leistungsberechtigten sollen sie in einer Einrichtung untergebracht werden, in der sie durch Geistliche ihres Bekenntnisses betreut werden können.

(1) Auf Sozialhilfe besteht ein Anspruch, soweit bestimmt wird, dass die Leistung zu erbringen ist. Der Anspruch kann nicht übertragen, verpfändet oder gepfändet werden.

(2) Über Art und Maß der Leistungserbringung ist nach pflichtmäßigem Ermessen zu entscheiden, soweit das Ermessen nicht ausgeschlossen wird. Werden Leistungen auf Grund von Ermessensentscheidungen erbracht, sind die Entscheidungen im Hinblick auf die sie tragenden Gründe und Ziele zu überprüfen und im Einzelfall gegebenenfalls abzuändern.

Tenor

I. Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 16.09.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.11.2013 verurteilt, der Beigeladenen im Zeitraum vom 01.09.2013 bis 31.08.2014 die Kosten für 60 statt bisher bewilligter 12 mobile bzw. ambulante Behandlungseinheiten zur interdisziplinären / heilpädagogischen Frühförderung in Höhe von € 2.060,51 zu erstatten und hierüber Bescheid zu erteilen.

II. Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten von Kläger und Beigeladener dem Grunde nach.

Tatbestand

Der Kläger begehrt im Rahmen einer Verbandsklage zuletzt Kostenerstattung von Leistungen zur heilpädagogischen Frühförderung durch die interdisziplinäre Frühförderstelle der L. F-Stadt im Umfang von 60 an Stelle von 12 Behandlungseinheiten im Zeitraum vom 01.09.2013 bis 31.08.2014 zu Gunsten der Beigeladenen in Höhe von € 2.060,51 durch den Beklagten im Rahmen der Eingliederungshilfe.

I.

Der Kläger ist ein Verband, der nach seiner Satzung behinderte Menschen auf Landesebene vertritt. Die gesetzlichen Vertreter der Beigeladenen haben ihr Einverständnis mit der Klageerhebung durch den Kläger gegeben.

Die Beigeladene ist 2011 geboren und leidet am Down-Syndrom und ist ab Geburt geistig behindert mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 80 und den Merkzeichen „G“, „B“ und „H“. Sie ist in erheblichem Maße entwicklungsverzögert und hatte Pflegestufe I.

Seit ihrem sechsten Lebensmonat erhielt sie Leistungen der interdisziplinären Frühförderung, darunter auch heilpädagogische Leistungen im Umfang von 60 Behandlungseinheiten pro Jahr.

Am 14.08.2013 beantragte die Beigeladene die Weitergewährung ambulanter Frühförderung und Frühberatung der L. ab dem 01.09.2013 im bislang erfolgten Umfang von 60 Behandlungseinheiten pro Jahr. Ab dem 01.09.2013 sei eine Einzelintegration in einen Kindergarten geplant. Nach dem Entwicklungsbericht der Frühförderung und Frühberatung der L. F-Stadt vom 20.07.2013 sei gleichwohl weiterhin eine pädagogische Frühförderung in vollem Umfang notwendig.

Nach Stellungnahme des sozialpädagogisch-medizinischen Dienstes bewilligte der Beklagte mit streitgegenständlichem Bescheid vom 16.09.2013 im Rahmen der Eingliederungshilfe für die Beigeladene die Kostenübernahme der Frühförderung für die Zeit vom 01.09.2013 bis 31.08.2014 (entsprechend der Dauer des Förderplans) 12 ambulante Behandlungseinheiten Heilpädagogik.

Der Förderschwerpunkt liege im Bereich der teilstationären Kindergartenbetreuung (integrativ). Daher sei die heilpädagogische Förderung mit dem bewilligten Umfang ausreichend sichergestellt.

Am 16.10.2013 legte die Beigeladene hiergegen Widerspruch ein. Im Förder- und Behandlungsplan des behandelnden Kinderarztes Dr. F. und der Frühförderstelle vom 19.07.2013 seien 60 Behandlungseinheiten für notwendig erachtet worden, wie seit dem sechsten Lebensmonat. Dieser Bedarf bestehe unverändert fort. Der Hinweis auf den veränderten Förderschwerpunkt sei nicht nachvollziehbar. Der Besuch eines Regelkindergartens sei etwas völlig anderes als die auf individuelle Bedürfnisse zugeschnittene Frühförderung, so dass sich der diesbezügliche Bedarf nicht verringert habe. Der Kindergarten habe zum ersten Mal ein behindertes Kind aufgenommen. Die gleichzeitig vom Beklagten hierfür bewilligten Fachdienststunden pro Jahr seien deshalb dringend erforderlich, um das Kindergartenpersonal über die Besonderheiten einer inklusiven Betreuung aufzuklären und die Beigeladene wie auch die Kindergartengruppe an die inklusive Betreuung heranzuführen. Dem Widerspruch beigeschlossen war eine entsprechende Bestätigung der Frühförderstelle vom 14.10.2013, wonach 60 Einheiten weiterhin erforderlich seien. In den Behandlungseinheiten, die in Anwesenheit der Eltern durchgeführt würden, würden die derzeit aktuellen Förderinhalte in den Bereichen Grobmotorik, Feinmotorik, Kognition, Perzeption und Sprachanbahnung modellhaft gezeigt und mit den Eltern besprochen, auf behinderungsbedingte Besonderheiten hingewiesen, und Möglichkeiten zur Umsetzung in das individuelle Lebensumfeld und den Alltag der Beigeladenen erörtert. Die Eltern hätten durch die behinderungsspezifischen Besonderheiten der Beigeladenen einen erhöhten Beratungsbedarf. Sie seien emotional stark belastet. Beide seien verunsichert und würden Rat und Anleitung benötigen, wie sie mit den Entwicklungsdefiziten der Beigeladenen und der damit verbundenen Unsicherheit umgehen könnten. Hierzu würden die Eltern eine regelmäßige und kontinuierliche Information, Anleitung und Begleitung benötigen.

Demgegenüber arbeite der Integrationsfachdienst im Kindergarten inhaltlich mit einer völlig anderen Zielsetzung, nämlich der gleichberechtigten Teilhabe der Beigeladenen am Leben in der Gemeinschaft des Kindergartens selbst, wobei die individuellen Ressourcen der Beigeladenen im Mittelpunkt stünden.

Laut ärztlicher Stellungnahme der Dr. S., F-Stadt, vom 10.10.2013 werde ebenfalls eine wöchentliche Frühförderung als notwendig gesehen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 28.11.2013 wies die Regierung von O. den Widerspruch als unbegründet zurück. Durch den für die Beigeladene erhöhten Gewichtungsfaktor sei es dem Kindergarten möglich, einen erhöhten Personalschlüssel vorzuhalten und somit in Kombination mit dem Fachdienst die Beigeladene zusätzlich individuell heilpädagogisch zu fördern. Daher sei aufgrund dieser Einzelintegration im Kindergarten und den damit verbundenen Förderangeboten die Frühförderung auf jährlich 12 Einheiten herabzusetzen. Damit bestehe gleichwohl die Möglichkeit der mobilen Elternberatung weiterhin fort. Auch könnten medizinische Maßnahmen, zum Beispiel Logopädie, ebenfalls fortgesetzt werden. Im übrigen sei die Aufteilung der Bedarfsdeckung auf Fachdiensteinheiten und Behandlungseinheiten im Vorfeld mit Kindergarten und Vater besprochen worden.

Zwischenzeitlich erhöhte der Beklagte die Fachdienststunden von zunächst 38 auf 50 Einheiten bei einem Gewichtungsfaktor von 5,5.

III.

Mit Schriftsatz vom 20.12.2013, eingegangen am selben Tage, hat der Kläger mit Einverständnis der Beigeladenen hiergegen Klage zum Sozialgericht Bayreuth erhoben (dortiges Az.: S 4 SO 143/13). Dieses hat sich mit Beschluss vom 21.01.2014 für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das aus seiner Sicht örtlich zuständige Sozialgericht Nürnberg verwiesen.

Zur Begründung hat die Klägerin unter Aufrechterhaltung ihres bisherigen Vorbringens weiter ausgeführt, dass die Beigeladene auf 60 Behandlungseinheiten mobile Frühförderung pro Jahr einen Anspruch habe. Zwar handele es sich hierbei um Ermessensleistungen des Beklagten, die Ermessensausübung sei jedoch fehlerhaft. Die Finanzierung der Aufnahme der Beigeladenen zum erhöhten Satz von 5,5 habe keine Auswirkungen auf die individuelle Förderung der Beigeladenen. Die zusätzlichen Mittel würden in erster Linie dazu dienen, kleinere Gruppen bilden zu können oder zusätzliches Personal einstellen zu können, wobei die mit kleineren Gruppen einhergehenden Ausfälle von Elternbeiträgen kompensiert würden. Ein Beitrag zur individuellen Förderung eines Kindes sei hierdurch weder möglich noch darin enthalten. Im Übrigen verfüge ein Regelkindergarten wie der von der Beigeladenen besuchte nicht über heilpädagogisch qualifiziertes Personal und müsse dies auch nicht, um eine individuelle Frühförderung zu gewährleisten. Es sei zudem nochmals darauf hinzuweisen, dass der Fachdienst und die Frühförderung völlig verschiedene Ansätze und Zielsetzungen hätten. Schwerpunkt der Frühförderung sei die unmittelbare Arbeit mit dem Kind im häuslichen Umfeld, mit dem Ziel, den Auswirkungen der Behinderung entgegenzuwirken. Der Schwerpunkt der Leistungen im Kindergarten durch den Integrationsfachdienst liege dagegen in der sozialen Integration des behinderten Kindes im Gruppenzusammenhang in der Lebenssituation Kindergarten. Hierbei sei auch zu berücksichtigen, dass der Besuch eines Kindergartens schon für ein normal entwickeltes Kind eine große Umstellung und Herausforderung darstelle. Bei einem entwicklungsverzögerten Kind wie der Beigeladenen löse die neue Situation einen erheblich erhöhten Förderbedarf aus. Dem Beklagten gehe es lediglich um eine sachwidrige Ausgabendeckelung, ohne dass der Beklagte jemals den individuellen Bedarf der Beigeladenen korrekt ermittelt habe. Die Behauptung des Beklagten, durch den Fachdienst im Kindergarten könne der gesamte Bereich der Frühförderung abgedeckt werden, insbesondere auch die individuelle Förderung im häuslichen Umfeld einschließlich Elternarbeit, entbehre jeder fachlichen Grundlage.

Mit Beschluss vom 13.03.2014 hat das Gericht die Beigeladene notwendig zum Verfahren beigeladen.

Das Gericht hat zur Sachaufklärung die Beklagtenakten und die Akten des Zentrums Bayern Familie und Soziales sowie Befundberichte und medizinische Unterlagen der die Beigeladene behandelnden Ärzte und Kliniken, der Kranken- und Pflegekasse sowie des MDK Bayern und Entwicklungsberichte beigezogen.

Mit Beweisanordnung vom 27.11.2015 hat das Gericht Prof. Dr. E., E-Stadt, mit der Erstellung eines Sachverständigengutachtens beauftragt.

In seinem psychologisch-pädagogischen Gutachten vom 27.05.2016 ist der Sachverständige zu dem Ergebnis gelangt, dass die Beigeladene neben dem Besuch des integrativen Kindergartens im bewilligten Umfang zusätzlich zur Deckung ihres Eingliederungshilfebedarfes jährlich noch 60 Behandlungseinheiten der ambulanten Frühförderung im häuslichen Umfeld benötige sowie zusätzlich Sprach-, Physio- und Ergotherapie.

Gegen die gutachterlichen Einschätzungen hat sich der Beklagte gewandt.

In der Gesamtschau sei der Bedarf durch den bewilligten Leistungsumfang gedeckt. Das Gutachten des Prof. Dr. E. vermöge hingegen nicht zu überzeugen. Der Beklagte verfolge einen personenzentrierten Ansatz, wobei sich der Bedarf nach der Person richte, ungeachtet der zu dessen Deckung nötigen Fördersysteme. Vorliegend sei jedoch der Förderbedarf durch den bewilligten Maßnahmeumfang gedeckt. Insbesondere reiche der Umfang von 12 Einheiten für die Elternarbeit aus. Der restliche Förderumfang werde durch den Fachdienst und den Kindergarten abgedeckt. Nicht nachvollziehbar schließlich sei, dass der genehmigte erhöhte Gewichtungsfaktor von 5,5 nicht der Einzelförderung der Beigeladenen zugute komme. Die Fachkraftquote dürfe nicht unterschritten werden. Mit den zusätzlichen Mitteln bzw. Personal könnten Kleingruppen gebildet werden, was auch der Beigeladenen zugute komme. Widersprochen werde auch der Darstellung im Gutachten, dass die Kindergartenkräfte bereits mit den anderen Kindern ausgelastet seien, so dass sie sich nicht in ausreichendem Umfang um die Beigeladene kümmern könnten.

Würde der Beklagte dem Gutachten folgen, so müsste die Förderung im Kindergarten sofort eingestellt werden. Auch träfe die Beigeladene kein Kostenrisiko. Der Kläger habe die 60 Behandlungseinheiten Frühförderung auf eigene Kosten erbracht.

Nach einer Stellungnahme des pädagogischen Dienstes vom 12.11.2014 sei ein Maßnahmeumfang von 5,5 Gewichtungsfaktor, 22 Behandlungseinheiten Frühförderung und 40 Fachdiensteinheiten bedarfsdeckend nebst je 5 Behandlungseinheiten ambulanter Physiotherapie und Logopädie.

Es handele sich insgesamt um eine sehr einseitige Darstellung, die durch den Fachdienst des Kindergartens untermauert werde. Hierbei handele es sich um eine Erzieherin, die auch die streitgegenständliche ambulante Frühförderung erbringe. Sie vertrete daher nachvollziehbar die Positionen ihres Arbeitgebers. Der Gutachter selbst sei Mitglied des Vorstands der Vereinigung interdisziplinärer Frühförderung, Landesverband Bayern. Diese stehe laut eigenem Internetauftritt in engem Kontakt zur Arbeitsstelle F. Bayern e.V., also dem Landesverband der L., also dem Kläger.

In zwei ergänzenden Stellungnahme vom 14. Und vom 21.03 2017 hat der Gutachter sich mit den Einwendungen des Beklagten nochmals auseinandergesetzt und an seiner Auffassung festgehalten.

Zudem treffe es zu, dass er Vorstandsmitglied der Vereinigung Interdisziplinäre Frühförderung, Landesverband Bayern sei; als solcher sei er auch ehrenamtlicher wissenschaftlicher Leiter der pädagogischen Abteilung der Arbeitsstelle Frühförderung Bayern e.V. Mitglied dieses Vereins seien nahezu alle Verbände der Behindertenhilfe, wie zum Beispiel Caritas, Diakonie, Arbeiterwohlfahrt, Wohlfahrtsverbände und der Kläger.

Sonstige Kontakte zum Kläger bestünden nicht.

Der Kläger sieht sich durch das Begutachtungsergebnis in seiner Auffassung bestätigt.

Der Beklagte verkenne, dass sich die Förderung im Kindergarten und zu Hause ergänzen würde. Zu Hause stehe die Einzelförderung im Vordergrund, im Kindergarten die Gruppenförderung.

Im Übrigen trage die Beigeladene entgegen der Auffassung des Beklagten sehr wohl ein Kostenrisiko: Über den Differenzbetrag seien der Beigeladenen Rechnungen gestellt worden, die jedoch bis zum Abschluss des Verfahrens gestundet worden seien. Die Zahlungspflicht bestehe unabhängig vom Ausgang des Verfahrens, und zwar gemäß vorgelegter unbedingter Rechnungen in Höhe von € 2.060,51.

Es sei absurd, dem Gutachter eine Nähe zum Kläger oder gar Voreingenommenheit unterstellen zu wollen.

Es sei naheliegend, dass der Gutachter als national und international renommierter Experte auf dem Gebiet der Frühförderung Vorstandsmitglied in einem sein Fachgebiet betreffenden Fachverband sei. Dieser könne als Fachgesellschaft aus seinen Reihen zwei Vertreter in ehrenamtlicher Funktion als wissenschaftlicher Leiter für die pädagogische und medizinische Abteilung der Arbeitsstelle F. Bayern bestimmen. Einer davon sei gegenwärtig der Gutachter. Verbunden hiermit sei ein Sitz im Vorstand der Arbeitsstelle. Letztere sei ein vom Bayerischen Sozialministerium finanziertes Institut, das insbesondere die fachliche Weiterentwicklung der Interdisziplinären Frühförderung zur Aufgabe habe. Der Kläger sei als Fachverband Mitglied des Trägervereins der Arbeitsstelle.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 16.09.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.11.2013 zu verpflichten, für die Beigeladene im Zeitraum vom 01.09.2013 bis 31.008.2014, Leistungen zur heilpädagogischen Frühförderung durch die interdisziplinäre Frühförderstelle der L. F-Stadt im Umfang von 60 Behandlungseinheiten in Höhe von € 2.060,51 zu erstatten und hierüber Bescheid zu erteilen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat unter Aufrechterhaltung seiner bisherigen Argumentation zur Begründung weiter ausgeführt, er habe bei der Beigeladenen den individuellen Hilfebedarf in einem Gesamtplanverfahren nach § 58 SGB XII ermittelt und festgestellt. Er prüfe den individuellen Förderbedarf insgesamt und lege sodann fest, durch welche Fördermaßnahmen und jeweils in welchem Umfang der festgestellte Förderbedarf gedeckt werde. Keinesfalls könnte hierbei die zu unterschiedlichen Zeitpunkten von den unterschiedlichen Leistungsanbietern angetragenen Betreuungs- und Förderangebote zu einer Erhöhung oder gar Vervielfachung des durch den Beklagten in der Gesamtschau festgestellten Gesamtförderbedarfs führen. Darin sei aber stets auch der Aspekt der individuellen Förderung mitenthalten, ebenso wie soziale Integration.

Zudem sei im Bayerischen Rahmenvertrag T-K-KITA zwingend die Bereithaltung von mindestens zwei Betreuungspersonalstunden je Kind je Woche gewährleistet. Auch sei bei Personalmehrungen nach diesem Rahmenvertrag die 50%ige Installation von Fachkräften einzuhalten. Es treffe daher nicht zu, dass der höhere Gewichtungsfaktor der Beigeladenen nicht zugute komme. Auf behinderte Kinder würden mehr Planstellen im Verhältnis entfallen als auf nichtbehinderte Kinder.

Bis zur Aufnahme in die Kindertageseinrichtung habe der Förderbedarf unstrittig bei zuletzt 60 Behandlungseinheiten Frühförderung gelegen. Dem stünden nunmehr 340 Stunden zusätzliche Betreuung im Gruppendienst mit 50% Fachkräfteanteil plus 50 Stunden Fachdiensteinheiten plus 12 Einheiten ambulante Frühförderung gegenüber.

Somit werde deutlich, dass sich der Hilfeumfang mit Aufnahme in der Kindertageseinrichtung nicht nur in fiskalischer, sondern auch in inhaltlicher Hinsicht erheblich erweitert habe. Mit Beginn der behinderungsspezifischen Förderung in einer Kindertagesstätte könne die ambulante Frühförderung regelmäßig entfallen, da diese durch die komplexere und umfangreiche teilstationäre Einrichtung sichergestellt werde.

Im Einzelfall werde hiervon aber kein Gebrauch gemacht, weil dies nicht im Rahmenvertrag Frühförderung vereinbart sei und ambulante Frühförderung eine Komplexleistung darstelle, die auch medizinische Frühförderung umfasse, wobei eine medizinische Verordnung bestimmter Leistungen außerhalb der Komplexleistung oft nicht möglich sei. Daher solle durch die Aufrechterhaltung der Frühförderung in geringerem Umfang den Eltern auch weiterhin medizinische Frühförderung ermöglicht werden.

Im übrigen sei darauf hinzuweisen, dass die Eltern der Beigeladenen den bislang bewilligten Umfang von 60 Behandlungseinheiten Frühförderung nur zu etwa der Hälfte tatsächlich in Anspruch genommen hätten bis zum Beginn des Kindergartens. Offenbar hätten diese den Förderbedarf der Beigeladenen geringer eingeschätzt als der Kläger ab Beginn des Kindergartens. Es stelle sich daher die Frage, ob sich der Eingliederungshilfebedarf mit Aufnahme in den Kindergarten erhöht habe. Dies erschließe sich dem Beklagten aber nicht.

Der Bedarf der Beigeladenen sei durch den bewilligten Umfang gedeckt.

Die Beigeladene beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 16.09.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.11.2013 zu verpflichten, für die Beigeladene im Zeitraum vom 01.09.2013 bis 31.008.2014, Leistungen zur heilpädagogischen Frühförderung durch die interdisziplinäre Frühförderstelle der L. F-Stadt im Umfang von 60 Behandlungseinheiten in Höhe von € 2.060,51 zu erstatten und hierüber Bescheid zu erteilen.

Zur Begründung hat sie sich inhaltlich dem Vorbringen des Klägers sowie dem Sachverständigen angeschlossen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Akten, die wechselseitigen Schriftsätze, die Niederschriften und die gesamte Gerichtsakte Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage erweist sich als begründet.

I.

Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist sie form- und fristgerecht erhoben worden. Das Sozialgericht Nürnberg ist örtlich und sachlich zuständig.

Die Voraussetzungen des § 63 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) sind zudem vorliegend gegeben. Der Kläger ist damit Prozessstandschafter der Beigeladenen.

II.

Die Klage ist zudem begründet, weil der angefochtene Bescheid vom 16.09.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.11.2013 rechtswidrig ist und die Beigeladene in ihren Rechten verletzt.

Zu Unrecht hat dieser der Beigeladenen nur 12 an Stelle von 60 Behandlungseinheiten ambulanter interdisziplinärer Frühförderung bewilligt. Die Beigeladene hat statt dessen zur Bedarfsdeckung neben dem Besuch des Kindergartens eine Anspruch auf die vorgenannten weiteren 60 Behandlungseinheiten. Das Ermessen ist aus Sicht der Kammer insoweit auf Null reduziert. Der Beklagte hat daher der Beigeladenen die Kosten der zu Unrecht abgelehnten und selbst beschafften Leistungen in Höhe von € 2.060,51 zu erstatten.

Im einzelnen:

1. Der Beklagte hat die Kosten zu erstatten gemäß § 15 Abs. 1 Satz 4 SGB IX, die der Beigeladenen dadurch entstanden sind, dass die zu Unrecht abgelehnten Leistungen selbst beschafft worden sind. Hierbei ist es unerheblich, ob die Beigeladene die Rechnungen bereits bezahlt hat. Entscheidend ist einzig, ob sie einer entsprechenden unbedingten Kostenforderung durch den Leistungserbringer ausgesetzt ist. Dies ist vorliegend der Fall. Bei noch nicht erfolgter Begleichung der Rechnung richtet sich der Anspruch auf Freistellung von Inanspruchnahme durch den Beklagten.

§ 15 Abs. 1 SGB IX lautet.

(1) Kann über den Antrag auf Leistungen zur Teilhabe nicht innerhalb der in § 14 Abs. 2 genannten Fristen entschieden werden, teilt der Rehabilitationsträger dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig mit. Erfolgt die Mitteilung nicht oder liegt ein zureichender Grund nicht vor, können Leistungsberechtigte dem Rehabilitationsträger eine angemessene Frist setzen und dabei erklären, dass sie sich nach Ablauf der Frist die erforderliche Leistung selbst beschaffen. Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist der zuständige Rehabilitationsträger unter Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zur Erstattung der Aufwendungen verpflichtet. Die Erstattungspflicht besteht auch, wenn der Rehabilitationsträger eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen kann oder er eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat. Die Sätze 1 bis 3 gelten nicht für die Träger der Sozialhilfe, der öffentlichen Jugendhilfe und der Kriegsopferfürsorge.

Die Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 Satz 4 SGB IX sind vorliegend erfüllt, weil der Beklagte zu Unrecht Leistungen abgelehnt hat.

a) Unstreitig gehört die Beigeladene zum Personenkreis des § 53 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII).

Die Vorschrift lautet:

(1) Personen, die durch eine Behinderung im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 des Neunten Buches wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, erhalten Leistungen der Eingliederungshilfe, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalles, insbesondere nach Art oder Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Personen mit einer anderen körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung können Leistungen der Eingliederungshilfe erhalten.

(2) Von einer Behinderung bedroht sind Personen, bei denen der Eintritt der Behinderung nach fachlicher Erkenntnis mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. Dies gilt für Personen, für die vorbeugende Gesundheitshilfe und Hilfe bei Krankheit nach den §§ 47 und 48 erforderlich ist, nur, wenn auch bei Durchführung dieser Leistungen eine Behinderung einzutreten droht.

(3) Besondere Aufgabe der Eingliederungshilfe ist es, eine drohende Behinderung zu verhüten oder eine Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern und die behinderten Menschen in die Gesellschaft einzugliedern. Hierzu gehört insbesondere, den behinderten Menschen die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern, ihnen die Ausübung eines angemessenen Berufs oder einer sonstigen angemessenen Tätigkeit zu ermöglichen oder sie so weit wie möglich unabhängig von Pflege zu machen.

(4) Für die Leistungen zur Teilhabe gelten die Vorschriften des Neunten Buches, soweit sich aus diesem Buch und den aufgrund dieses Buches erlassenen Rechtsverordnungen nichts Abweichendes ergibt. Die Zuständigkeit und die Voraussetzungen für die Leistungen zur Teilhabe richten sich nach diesem Buch.

§ 2 Abs. 1 SGB IX lautet:

(1) Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Sie sind von Behinderung bedroht, wenn die Beeinträchtigung zu erwarten ist.

Diese Voraussetzungen erfüllt die Beigeladene unstreitig und nochmals bestätigt durch das Gutachten des Prof. Dr. E.. Damit ist bei der Beigeladenen die sogenannte Personenkreiszugehörigkeit des § 53 SGB XII gegeben. Sie hat daher grundsätzlich einen Anspruch auf Eingliederungshilfe nach den §§ 53 und 54 SGB XII, vgl. § 17 Abs. 1 SGB XII. Solange und soweit bei der Beigeladenen ein entsprechender Bedarf besteht, hat die Beigeladene auch einen Anspruch dem Grunde nach auf interdisziplinäre Frühförderung als Komplexleistung nach §§ 53, 54 SGB XII i.V.m. § 26 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Nr. 2 SGB IX i.V.m. §§ 30 und 56 SGB IX.

b) Art und Maß der Leistungserbringung stehen jedoch im pflichtgemäßem Ermessen des Beklagten, soweit dieses nicht ausgeschlossen wird, vgl. § 17 Abs. 2 SGB XII. Dieses Ermessen des Beklagten ist hinsichtlich Art und Maß der Leistung bei einem Sekundäranspruch wie dem vorliegenden Kostenerstattungsverfahren deutlich eingeschränkt. Hierbei bildet lediglich die Notwendigkeit der Leistung eine Grenze, so dass für die notwendige, selbstbeschaffte Leistung die Kosten zu erstatten sind, nicht jedoch für nicht notwendige Leistungen (vgl. Grube in Grube / Warendorf SGB XII Sozialhilfe Kommentar, 4. A., § 17 SGB XII, RdNr. 30 m.w.N.). Zudem ist das Ermessen des Sozialhilfeträgers durch den Bedarfsdeckungsgrundsatz des § 9 Abs. 1 SGB XII weiter eingeschränkt: Der festgestellte Bedarf muss gedeckt werden (vgl. Grube a.a.O., RdNr. 31f m.w.N.).

Vor diesem Hintergrund ist die Kammer der Überzeugung, dass das prinzipielle Ermessen des Beklagten vorliegend auf Null reduziert ist dergestalt, dass im streitgegenständlichen Zeitraum die Beigeladene neben dem Besuch des Kindergartens mit der dort stattfindenden Förderung darüber hinaus zur Deckung ihres Bedarfes zusätzlich 60 Behandlungseinheiten mobiler Frühförderung bedarf und nicht wie bislang bewilligt nur deren 12.

Die Kammer folgt insofern im Ergebnis dem Gutachten des Prof. Dr. E..

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Kammer den personenzentrierten Ansatz des Beklagten für den sozialhilfebzw. eingliederungshilferechtlich einzig zutreffenden hält. Dies folgt bereits aus dem Bedarfsdeckungsgrundsatz selbst, der seinerseits ja wiederum an der Person anknüpft, deren Bedarf zu decken ist.

Daher ist es generell angezeigt, einen einmal festgestellten Bedarf auch wieder in regelmäßigen Abständen zu überprüfen. Dies nicht zuletzt deswegen, weil sich durch veränderte Lebensumstände bzw. -situationen oder aber auch durch persönliche Entwicklung eines Menschen der Bedarf verändern kann. Es ist daher stets in einem ersten Schritt der (aktuelle bzw. zu einem bestimmten relevanten Zeitpunkt gegebene) Bedarf möglichst zutreffend zu ermitteln.

Hiervon ausgehend und unter Zugrundelegung dieses festgestellten Gesamtbedarfs ist dann in einem zweiten Schritt zu ermitteln, welche Maßnahmen zu dessen Deckung nötig sind. Innerhalb dieses Gesamtbedarfs bilden bedarfsdeckende Maßnahmen ein System gleichsam kommunizierender Röhren dergestalt, dass der im ersten Schritt ermittelte Gesamtbedarf die äußere Notwendigkeitsgrenze bedarfsdeckender Maßnahmen bildet, wobei der jeweilige Anteil verschiedener geeigneter Maßnahmen an der Bedarfsdeckung variabel ist.

Insofern ist dem Beklagten absolut beizupflichten in dem Vortrag, dass auch die Förderung im Kindergarten und dessen Teilfinanzierung einen Beitrag zur Deckung des gesamten Eingliederungshilfebedarfs der Beigeladenen leistet neben den bewilligten 12 Frühfördereinheiten. Insofern stimmt die Kammer ausdrücklich der personenzentrierten und den Gesamtbedarf als Grenze variabler möglicher Deckungsmaßnahmen betrachtenden Sichtweise des Beklagten zu.

Allerdings folgt die Kammer nicht der Auffassung des Beklagten hinsichtlich des Umfanges des Gesamtbedarfes, sondern der Gesamtbedarfsfeststellung des Prof. Dr. E.. Danach mag der ursprünglich (d.h. vor Beginn des Kindergartens) durch den Beklagten festgestellte Gesamtbedarf zutreffend gewesen sein wie auch der bewilligte Leistungsumfang.

Es erscheint der Kammer aber fehlerhaft, bei gravierend veränderten Umständen, nämlich dem Beginn des Kindergartens, weiterhin von diesem einmal festgestellten Gesamtbedarf auch weiterhin auszugehen, um dann (folgerichtig) diesen auf die verschiedenen Deckungsmaßnahmen aufzuteilen.

In Kenntnis des Gutachtens ist die Kammer davon überzeugt, dass der Gesamtbedarf der Beigeladenen durch den Beginn des Kindergartens sich verändert hat, und zwar im Sinne einer Vergrößerung des Bedarfs.

Insofern folgt die Kammer dem schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachten des Prof. Dr. E.:

In seinem psychologisch-pädagogischen Gutachten vom 27.05.2016 stellte der Sachverständige bei der Beigeladenen folgende Diagnosen:

* Trisomie 21

Hiervon ausgehend habe die Beigeladene einen umfassenden Förderbedarf, der neben dem Besuch des integrativen Kindergartens im bewilligten Umfang daneben jährlich 60 Behandlungseinheiten ambulante Frühförderung im häuslichen Umfeld erfordere sowie zusätzlich Sprach-, Physio- und Ergotherapie. Hierbei sei die Interdisziplinäre Frühförderung in hohem Maße geeignet, erforderlich und dringend notwendig zur adäquaten Förderung der sprachlichen, emotionalen, sozialen und motorischen Kompetenzen der Beigeladenen mit dem Ziel der Förderung von deren persönlicher Entwicklung und Gesundheit sowie von deren gesellschaftlicher Teilhabe. Es treffe nicht zu, dass die Förderleistungen vom integrativen Kindergarten, vom Fachdienst und der Interdisziplinären Frühförderung gleichartig seien. Es handele sich vielmehr um drei verschiedene Fördersysteme mit unterschiedlichen Zielen, Aufgaben, Methoden und Kompetenzen. Die Interdisziplinäre Frühförderung zeichne sich durch eine Familienzentrierung aus.

Die Interdisziplinäre Frühförderung stelle per se einen zentralen Ansatz zur Integration von Kindern mit Behinderungen in die Lebens-, Spiel- und Lerngemeinschaften der Gesellschaft dar. Ihre Aufgabe bestehe in der interdisziplinär konzipierten Eingangs-, Verlaufs- und Abschlussdiagnostik, in heilpädagogischen, psychologischen, ärztlichen und medizinisch-therapeutischen Hilfen sowie insbesondere in einer alltagsunterstützenden engen Kooperation mit den Familien bzw. mit der unmittelbaren Lebenswelt dieser Kinder. In der Regel fänden wöchentlich ein bis zwei Behandlungseinheiten mobil oder ambulant statt. Im Hinblick auf den Förderbedarf der Beigeladenen seien 60 Behandlungseinheiten pro Jahr geeignet, erforderlich und notwendig für eine erfolgreiche Kindesförderung sowie für die in diesem Zusammenhang wichtige Elternarbeit und sei eine unabdingbare Voraussetzung für das Gelingen der Intervention und zur gesellschaftlichen Inklusion der Beigeladenen.

Durch den Beklagten habe keine belastbare Bedarfserhebung stattgefunden. Vielmehr sei der Förderbedarf der Beigeladenen durch die bereits bewilligten Maßnahme nicht abgedeckt. Kindern seien vielfältige Lerngelegenheiten in den natürlichen Lernumgebungen zu ermöglichen. Isolierte Therapiemaßnahmen bei Kindern mit Behinderungen würden zumeist nicht ausreichen, um die langfristige kindliche Entwicklung bedeutsam positiv zu beeinflussen. Aus dieser Sicht stelle die heute zunehmend diskutierte Ersetzung der Kooperation mit Eltern durch eine Kooperation mit Kindergärten ein grobes Missverständnis dar. Die auch wichtige mit Kindergärten könne die Elternarbeit nicht kompensieren, da die Familie den zentralen und primären Erfahrungsraum des Kindes darstelle.

Ferner hat der Gutachter in seinen ergänzenden Stellungnahmen weiter präzisierend ausgeführt:

Er habe nicht in seinem Gutachten behauptet, im Kindergarten finde keine Förderung statt; diese sei lediglich nicht ausreichend bzw. bedarfsdeckend, nicht zuletzt wegen anderer Zielsetzungen und Möglichkeiten. Die Qualität der Förderung sei in den unterschiedlichen Settings Kita und Familie per se nicht miteinander vergleichbar. Insbesondere stehe eine individuelle Frühförderung in einer Kita nicht im Fokus, vielmehr Gruppenförderung. Im Rahmen des Hausbesuch sei festgestellt worden, dass die durch den höheren Gewichtungsfaktor finanzierte zusätzliche Kinderpflegerin nahezu ausschließlich mit der Versorgung und Förderung der Gruppe der zwei- und dreijährigen Kinder beschäftigt sei.

Kernaufgabe des Fachdienstes sei es primär, ein integrationsfreundliches Klima in der Gruppe zu schaffen, nicht zuletzt durch Unterweisung der Kitamitarbeiter.

Auch bei personenorientierter Herangehensweise habe der Beklagte schlicht den Bedarf der Beigeladenen unzutreffend ermittelt bzw. festgelegt.

Die Kammer hält das Begutachtungsergebnis für nachvollziehbar. Insbesondere überzeugt, dass bei der Beigeladenen durch die Konfrontation mit einer neuen Situation, nämlich des Beginns des Kindergartens, ein erweiterter Förderbedarf, nämlich im Kindergarten selbst in Form der Teilnahme am dortigen Gruppenleben, entstanden ist. Dessen Deckung dienen in erster Linie die in der Einrichtung gewährten Maßnahmen.

Daneben besteht aber der bisherige, familienzentrierte anderweitige behinderungsbedingte Förderbedarf im wesentlichen im konkreten Fall der Beigeladenen unverändert fort, so dass diese im streitgegenständlichen Zeitraum auch weiterhin einen Bedarf von 60 Einheiten mobiler Frühförderung hat. Dies nicht auch zuletzt wegen der unterschiedlichen Zielsetzungen der verschiedenen Förderinstrumente.

Dem kann aus Sicht der Kammer auch nicht entgegengehalten werden, dass die Eltern der Beigeladenen in einem früheren Zeitraum nur etwa die Hälfte der 60 Einheiten abgerufen haben: Zum einen mag damals ein anderer Bedarf bestanden haben, zum anderen gewichtet die Kammer die Einschätzung des Sachverständigen als schwerwiegender als eine laienhafte Einschätzung der Eltern der Beigeladenen.

Daher bedurfte die Beigeladene im streitgegenständlichen Zeitraum neben der Förderung im Kindergarten auch noch 60 Einheiten mobiler Frühförderung zur Deckung ihres Bedarfs. Nach dem Bedarfsdeckungsprinzip hat die Beigeladene hierauf einen Anspruch. Das Ermessen des Beklagten ist auf Null reduziert.

Daher war die entsprechende Ablehnung rechtswidrig.

Die Beigeladene hat daher einen Anspruch auf Erstattung der bzw. Freistellung von den durch die Selbstverschaffung entstandenen Kosten in Höhe von € 2.060,51.

Daher war wie geschehen zu entscheiden.

2. Die Kammer weist im Übrigen darauf hin, dass sie an der Unvoreingenommenheit des Gutachters keinen Zweifel hat. Insbesondere kann diese nicht aus seiner Verbandsmitgliedschaft hergeleitet werden. Das Gutachten selbst gibt aus Sicht der Kammer auch keinen Anlass für eine Besorgnis der Befangenheit.

Im übrigen hat auch keiner der Beteiligten einen förmlichen Befangenheitsantrag gestellt, auch nicht auf Nachfrage des Gerichts in der mündlichen Verhandlung vom 20.07.2017.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 193, 183 SGG und § 64 SGB X.

(1) Die Leistungen richten sich nach der Besonderheit des Einzelfalles, insbesondere nach der Art des Bedarfs, den örtlichen Verhältnissen, den eigenen Kräften und Mitteln der Person oder des Haushalts bei der Hilfe zum Lebensunterhalt.

(2) Wünschen der Leistungsberechtigten, die sich auf die Gestaltung der Leistung richten, soll entsprochen werden, soweit sie angemessen sind. Wünschen der Leistungsberechtigten, den Bedarf stationär oder teilstationär zu decken, soll nur entsprochen werden, wenn dies nach der Besonderheit des Einzelfalles erforderlich ist, weil anders der Bedarf nicht oder nicht ausreichend gedeckt werden kann und wenn mit der Einrichtung Vereinbarungen nach den Vorschriften des Zehnten Kapitels dieses Buches bestehen. Der Träger der Sozialhilfe soll in der Regel Wünschen nicht entsprechen, deren Erfüllung mit unverhältnismäßigen Mehrkosten verbunden wäre.

(3) Auf Wunsch der Leistungsberechtigten sollen sie in einer Einrichtung untergebracht werden, in der sie durch Geistliche ihres Bekenntnisses betreut werden können.

(1) Bei den Leistungen nach diesem Teil ist ein Beitrag zu den Aufwendungen aufzubringen, wenn das Einkommen im Sinne des § 135 der antragstellenden Person sowie bei minderjährigen Personen der im Haushalt lebenden Eltern oder des im Haushalt lebenden Elternteils die Beträge nach Absatz 2 übersteigt.

(2) Ein Beitrag zu den Aufwendungen ist aufzubringen, wenn das Einkommen im Sinne des § 135 überwiegend

1.
aus einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit erzielt wird und 85 Prozent der jährlichen Bezugsgröße nach § 18 Absatz 1 des Vierten Buches übersteigt oder
2.
aus einer nicht sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung erzielt wird und 75 Prozent der jährlichen Bezugsgröße nach § 18 Absatz 1 des Vierten Buches übersteigt oder
3.
aus Renteneinkünften erzielt wird und 60 Prozent der jährlichen Bezugsgröße nach § 18 Absatz 1 des Vierten Buches übersteigt.
Wird das Einkommen im Sinne des § 135 überwiegend aus anderen Einkunftsarten erzielt, ist Satz 1 Nummer 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Die Beträge nach Absatz 2 erhöhen sich für den nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartner, den Partner einer eheähnlichen oder lebenspartnerschaftsähnlichen Gemeinschaft um 15 Prozent sowie für jedes unterhaltsberechtigte Kind im Haushalt um 10 Prozent der jährlichen Bezugsgröße nach § 18 Absatz 1 des Vierten Buches.

(4) Übersteigt das Einkommen im Sinne des § 135 einer in Absatz 3 erster Halbsatz genannten Person den Betrag, der sich nach Absatz 2 ergibt, findet Absatz 3 keine Anwendung. In diesem Fall erhöhen sich für jedes unterhaltsberechtigte Kind im Haushalt die Beträge nach Absatz 2 um 5 Prozent der jährlichen Bezugsgröße nach § 18 Absatz 1 des Vierten Buches.

(5) Ist der Leistungsberechtigte minderjährig und lebt im Haushalt der Eltern, erhöht sich der Betrag nach Absatz 2 um 75 Prozent der jährlichen Bezugsgröße nach § 18 Absatz 1 des Vierten Buches für jeden Leistungsberechtigten. Die Absätze 3 und 4 sind nicht anzuwenden.

(1) Die Werkstatt für behinderte Menschen ist eine Einrichtung zur Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben im Sinne des Kapitels 10 des Teils 1 und zur Eingliederung in das Arbeitsleben. Sie hat denjenigen behinderten Menschen, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht, noch nicht oder noch nicht wieder auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt beschäftigt werden können,

1.
eine angemessene berufliche Bildung und eine Beschäftigung zu einem ihrer Leistung angemessenen Arbeitsentgelt aus dem Arbeitsergebnis anzubieten und
2.
zu ermöglichen, ihre Leistungs- oder Erwerbsfähigkeit zu erhalten, zu entwickeln, zu erhöhen oder wiederzugewinnen und dabei ihre Persönlichkeit weiterzuentwickeln.
Sie fördert den Übergang geeigneter Personen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt durch geeignete Maßnahmen. Sie verfügt über ein möglichst breites Angebot an Berufsbildungs- und Arbeitsplätzen sowie über qualifiziertes Personal und einen begleitenden Dienst. Zum Angebot an Berufsbildungs- und Arbeitsplätzen gehören ausgelagerte Plätze auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Die ausgelagerten Arbeitsplätze werden zum Zwecke des Übergangs und als dauerhaft ausgelagerte Plätze angeboten.

(2) Die Werkstatt steht allen behinderten Menschen im Sinne des Absatzes 1 unabhängig von Art oder Schwere der Behinderung offen, sofern erwartet werden kann, dass sie spätestens nach Teilnahme an Maßnahmen im Berufsbildungsbereich wenigstens ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung erbringen werden. Dies ist nicht der Fall bei behinderten Menschen, bei denen trotz einer der Behinderung angemessenen Betreuung eine erhebliche Selbst- oder Fremdgefährdung zu erwarten ist oder das Ausmaß der erforderlichen Betreuung und Pflege die Teilnahme an Maßnahmen im Berufsbildungsbereich oder sonstige Umstände ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung im Arbeitsbereich dauerhaft nicht zulassen.

(3) Behinderte Menschen, die die Voraussetzungen für eine Beschäftigung in einer Werkstatt nicht erfüllen, sollen in Einrichtungen oder Gruppen betreut und gefördert werden, die der Werkstatt angegliedert sind. Die Betreuung und Förderung kann auch gemeinsam mit den Werkstattbeschäftigten in der Werkstatt erfolgen. Die Betreuung und Förderung soll auch Angebote zur Orientierung auf Beschäftigung enthalten.

(1) Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe sollen die Qualität der Förderung in ihren Einrichtungen durch geeignete Maßnahmen sicherstellen und weiterentwickeln. Dazu gehören die Entwicklung und der Einsatz einer pädagogischen Konzeption als Grundlage für die Erfüllung des Förderungsauftrags sowie der Einsatz von Instrumenten und Verfahren zur Evaluation der Arbeit in den Einrichtungen.

(2) Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe sollen sicherstellen, dass die Fachkräfte in ihren Einrichtungen zusammenarbeiten

1.
mit den Erziehungsberechtigten und Kindertagespflegepersonen zum Wohl der Kinder und zur Sicherung der Kontinuität des Erziehungsprozesses,
2.
mit anderen kinder- und familienbezogenen Institutionen und Initiativen im Gemeinwesen, insbesondere solchen der Familienbildung und -beratung,
3.
mit den Schulen, um den Kindern einen guten Übergang in die Schule zu sichern und um die Arbeit mit Schulkindern in Horten und altersgemischten Gruppen zu unterstützen.
Die Erziehungsberechtigten sind an den Entscheidungen in wesentlichen Angelegenheiten der Erziehung, Bildung und Betreuung zu beteiligen.

(3) Das Angebot soll sich pädagogisch und organisatorisch an den Bedürfnissen der Kinder und ihrer Familien orientieren. Werden Einrichtungen in den Ferienzeiten geschlossen, so hat der Träger der öffentlichen Jugendhilfe für die Kinder, die nicht von den Erziehungsberechtigten betreut werden können, eine anderweitige Betreuungsmöglichkeit sicherzustellen.

(4) Kinder mit Behinderungen und Kinder ohne Behinderungen sollen gemeinsam gefördert werden. Die besonderen Bedürfnisse von Kindern mit Behinderungen und von Kindern, die von Behinderung bedroht sind, sind zu berücksichtigen.

(5) Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe sollen die Realisierung des Förderungsauftrags nach Maßgabe der Absätze 1 bis 4 in den Einrichtungen anderer Träger durch geeignete Maßnahmen sicherstellen.

(1) Ein Kind, das das erste Lebensjahr noch nicht vollendet hat, ist in einer Einrichtung oder in Kindertagespflege zu fördern, wenn

1.
diese Leistung für seine Entwicklung zu einer selbstbestimmten, eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit geboten ist oder
2.
die Erziehungsberechtigten
a)
einer Erwerbstätigkeit nachgehen, eine Erwerbstätigkeit aufnehmen oder Arbeit suchend sind,
b)
sich in einer beruflichen Bildungsmaßnahme, in der Schulausbildung oder Hochschulausbildung befinden oder
c)
Leistungen zur Eingliederung in Arbeit im Sinne des Zweiten Buches erhalten.
Lebt das Kind nur mit einem Erziehungsberechtigten zusammen, so tritt diese Person an die Stelle der Erziehungsberechtigten. Der Umfang der täglichen Förderung richtet sich nach dem individuellen Bedarf.

(2) Ein Kind, das das erste Lebensjahr vollendet hat, hat bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres Anspruch auf frühkindliche Förderung in einer Tageseinrichtung oder in Kindertagespflege. Absatz 1 Satz 3 gilt entsprechend.

(3) Ein Kind, das das dritte Lebensjahr vollendet hat, hat bis zum Schuleintritt Anspruch auf Förderung in einer Tageseinrichtung. Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe haben darauf hinzuwirken, dass für diese Altersgruppe ein bedarfsgerechtes Angebot an Ganztagsplätzen zur Verfügung steht. Das Kind kann bei besonderem Bedarf oder ergänzend auch in Kindertagespflege gefördert werden.

(4) Für Kinder im schulpflichtigen Alter ist ein bedarfsgerechtes Angebot in Tageseinrichtungen vorzuhalten. Absatz 1 Satz 3 und Absatz 3 Satz 3 gelten entsprechend.

(5) Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe oder die von ihnen beauftragten Stellen sind verpflichtet, Eltern oder Elternteile, die Leistungen nach den Absätzen 1 bis 4 in Anspruch nehmen wollen, über das Platzangebot im örtlichen Einzugsbereich und die pädagogische Konzeption der Einrichtungen zu informieren und sie bei der Auswahl zu beraten. Landesrecht kann bestimmen, dass die erziehungsberechtigten Personen den zuständigen Träger der öffentlichen Jugendhilfe oder die beauftragte Stelle innerhalb einer bestimmten Frist vor der beabsichtigten Inanspruchnahme der Leistung in Kenntnis setzen.

(6) Weitergehendes Landesrecht bleibt unberührt.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Die Leistungen richten sich nach der Besonderheit des Einzelfalles, insbesondere nach der Art des Bedarfs, den örtlichen Verhältnissen, den eigenen Kräften und Mitteln der Person oder des Haushalts bei der Hilfe zum Lebensunterhalt.

(2) Wünschen der Leistungsberechtigten, die sich auf die Gestaltung der Leistung richten, soll entsprochen werden, soweit sie angemessen sind. Wünschen der Leistungsberechtigten, den Bedarf stationär oder teilstationär zu decken, soll nur entsprochen werden, wenn dies nach der Besonderheit des Einzelfalles erforderlich ist, weil anders der Bedarf nicht oder nicht ausreichend gedeckt werden kann und wenn mit der Einrichtung Vereinbarungen nach den Vorschriften des Zehnten Kapitels dieses Buches bestehen. Der Träger der Sozialhilfe soll in der Regel Wünschen nicht entsprechen, deren Erfüllung mit unverhältnismäßigen Mehrkosten verbunden wäre.

(3) Auf Wunsch der Leistungsberechtigten sollen sie in einer Einrichtung untergebracht werden, in der sie durch Geistliche ihres Bekenntnisses betreut werden können.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Stellt der leistende Rehabilitationsträger fest, dass der Antrag neben den nach seinem Leistungsgesetz zu erbringenden Leistungen weitere Leistungen zur Teilhabe umfasst, für die er nicht Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 sein kann, leitet er den Antrag insoweit unverzüglich dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger zu. Dieser entscheidet über die weiteren Leistungen nach den für ihn geltenden Leistungsgesetzen in eigener Zuständigkeit und unterrichtet hierüber den Antragsteller.

(2) Hält der leistende Rehabilitationsträger für die umfassende Feststellung des Rehabilitationsbedarfs nach § 14 Absatz 2 die Feststellungen weiterer Rehabilitationsträger für erforderlich und liegt kein Fall nach Absatz 1 vor, fordert er von diesen Rehabilitationsträgern die für den Teilhabeplan nach § 19 erforderlichen Feststellungen unverzüglich an und berät diese nach § 19 trägerübergreifend. Die Feststellungen binden den leistenden Rehabilitationsträger bei seiner Entscheidung über den Antrag, wenn sie innerhalb von zwei Wochen nach Anforderung oder im Fall der Begutachtung innerhalb von zwei Wochen nach Vorliegen des Gutachtens beim leistenden Rehabilitationsträger eingegangen sind. Anderenfalls stellt der leistende Rehabilitationsträger den Rehabilitationsbedarf nach allen in Betracht kommenden Leistungsgesetzen umfassend fest.

(3) Die Rehabilitationsträger bewilligen und erbringen die Leistungen nach den für sie jeweils geltenden Leistungsgesetzen im eigenen Namen, wenn im Teilhabeplan nach § 19 dokumentiert wurde, dass

1.
die erforderlichen Feststellungen nach allen in Betracht kommenden Leistungsgesetzen von den zuständigen Rehabilitationsträgern getroffen wurden,
2.
auf Grundlage des Teilhabeplans eine Leistungserbringung durch die nach den jeweiligen Leistungsgesetzen zuständigen Rehabilitationsträger sichergestellt ist und
3.
die Leistungsberechtigten einer nach Zuständigkeiten getrennten Leistungsbewilligung und Leistungserbringung nicht aus wichtigem Grund widersprechen.
Anderenfalls entscheidet der leistende Rehabilitationsträger über den Antrag in den Fällen nach Absatz 2 und erbringt die Leistungen im eigenen Namen.

(4) In den Fällen der Beteiligung von Rehabilitationsträgern nach den Absätzen 1 bis 3 ist abweichend von § 14 Absatz 2 innerhalb von sechs Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Wird eine Teilhabeplankonferenz nach § 20 durchgeführt, ist innerhalb von zwei Monaten nach Antragseingang zu entscheiden. Die Antragsteller werden von dem leistenden Rehabilitationsträger über die Beteiligung von Rehabilitationsträgern sowie über die für die Entscheidung über den Antrag maßgeblichen Zuständigkeiten und Fristen unverzüglich unterrichtet.

(1) Auf Sozialhilfe besteht ein Anspruch, soweit bestimmt wird, dass die Leistung zu erbringen ist. Der Anspruch kann nicht übertragen, verpfändet oder gepfändet werden.

(2) Über Art und Maß der Leistungserbringung ist nach pflichtmäßigem Ermessen zu entscheiden, soweit das Ermessen nicht ausgeschlossen wird. Werden Leistungen auf Grund von Ermessensentscheidungen erbracht, sind die Entscheidungen im Hinblick auf die sie tragenden Gründe und Ziele zu überprüfen und im Einzelfall gegebenenfalls abzuändern.

(1) Sozialhilfe erhält nicht, wer sich vor allem durch Einsatz seiner Arbeitskraft, seines Einkommens und seines Vermögens selbst helfen kann oder wer die erforderliche Leistung von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält.

(2) Verpflichtungen anderer, insbesondere Unterhaltspflichtiger oder der Träger anderer Sozialleistungen, bleiben unberührt. Auf Rechtsvorschriften beruhende Leistungen anderer dürfen nicht deshalb versagt werden, weil nach dem Recht der Sozialhilfe entsprechende Leistungen vorgesehen sind.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 18. November 2010 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Im Streit ist die Erstattung von Kosten für die Fortführung einer Maßnahme ("Montessori-Therapie") in der Zeit vom 1.1. bis 31.7.2006.

2

Die 1998 geborene Klägerin litt an einer rezeptiven und expressiven Sprachentwicklungsverzögerung mit auditiver Gedächtnisschwäche und wurde deshalb vom Beklagten ab Mitte 2003 bis zum Ende der Kindergartenzeit Ende Juli 2005 durch die Übernahme von Kosten für eine (nicht ärztlich verordnete) "Montessori-Einzeltherapie" gefördert. Auch nach Einschulung der Klägerin in die Regelschule übernahm der Beklagte die Kosten einer Stunde "Montessori-Einzeltherapie" pro Woche für die Zeit vom 19.9. bis 31.12.2005, lehnte jedoch die Kostenübernahme für die Fortführung der Maßnahme ab 1.1.2006 mit der Begründung ab, dass Eingliederungshilfe nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) nur für begleitende Hilfen in Betracht komme, während pädagogische Maßnahmen wie die durchgeführte Montessori-Therapie in den Verantwortungsbereich der Schule fielen (Bescheid vom 30.9.2005; Widerspruchsbescheid vom 13.4.2006). Die Kosten der in der Zeit vom 1.1. bis 31.7.2006 durchgeführten Therapiestunden haben daraufhin die Eltern der Klägerin getragen.

3

Das Sozialgericht (SG) hat der auf Erstattung dieser Kosten in Höhe von 1181,50 Euro gerichteten Klage - weil die Maßnahme sowohl therapeutische als auch pädagogische Elemente enthalte - nur teilweise entsprochen und den Beklagten verurteilt, der Klägerin "für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Juli 2006 Eingliederungshilfe für die durchgeführte Montessori-Therapie in Höhe von 590,75 Euro zu gewähren" (Urteil vom 21.10.2008). Auf die Berufungen beider Beteiligten hat das Landessozialgericht (LSG) den Beklagten unter Zurückweisung von dessen Berufung verurteilt, der Klägerin die gesamten Kosten in Höhe von 1181,50 Euro zu erstatten (Urteil vom 18.11.2010). Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, die Pflicht zur Übernahme der Kosten ergebe sich aus § 19 Abs 3 SGB XII iVm § 53 Abs 1 Satz 1 SGB XII, § 54 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB XII und § 12 Nr 1 Eingliederungshilfe-Verordnung (Eingliederungshilfe-VO). Es habe sich bei der Therapie um eine heilpädagogische oder sonstige geeignete und erforderliche Maßnahme gehandelt, die der Klägerin den Schulbesuch im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht habe ermöglichen oder erleichtern sollen. Der Nachranggrundsatz (§ 2 Abs 1 SGB XII)stehe der Leistungspflicht nicht deshalb entgegen, weil die Montessori-Therapie auch pädagogische Elemente enthalte; sie sei nach den landesrechtlichen Vorschriften des Schulrechts nicht dem Kernbereich der pädagogischen Arbeit im Sinne des schulischen Erziehungs- und Bildungsauftrags zuzurechnen. Schließlich stehe der Gewährung der Eingliederungshilfe nicht entgegen, dass die Eltern der Klägerin die Therapie bereits bezahlt hätten.

4

Mit der Revision rügt der Beklagte eine Verletzung des § 2 Abs 1 SGB XII. Nach § 15 Abs 4 Schulgesetz für Baden-Württemberg sei die Förderung behinderter Schüler Aufgabe der Schule selbst, sodass diese für Hilfen zur angemessenen Schulbildung eintrittspflichtig sei. Unzutreffend sei die Feststellung des LSG, es handele sich bei der Montessori-Therapie um eine begleitende, nicht um eine sonderpädagogische Maßnahme. Das LSG habe insoweit sowie zur Frage der Geeignetheit und Erforderlichkeit die Grenzen der freien Beweiswürdigung überschritten und seine Amtsermittlungspflicht verletzt, weil es die Feststellungen der Therapeutin und des Sachverständigen kritiklos übernommen und sich damit ua auf die Ausführungen eines Diplom-Psychologen gestützt habe, der weder durch Habilitation noch durch Promotion eine besondere wissenschaftliche Qualifikation nachweisen könne.

5

Der Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG unter Zurückweisung der Berufung der Klägerin aufzuheben und das Urteil des SG unter vollständiger Abweisung der Klage abzuändern.

6

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7

Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision des Beklagten ist im Sinne der Aufhebung des Berufungsurteils und der Zurück-verweisung der Sache an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz). Es fehlen ausreichende Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) für ein abschließendes Urteil.

9

Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid des Beklagten vom 30.9.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.4.2006 (§ 95 SGG), soweit darin die Übernahme von Kosten (1181,50 Euro) für eine in der Zeit vom 1.1. bis 31.7.2006 durchgeführte Therapie (Montessori-Einzeltherapie) abgelehnt worden ist. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 und Abs 4, § 56 SGG).

10

Von Amts wegen zu beachtende Verfahrensmängel liegen nicht vor. Insbesondere ist weder eine Beiladung der für die Klägerin zuständigen Krankenkasse (KK) noch eines Trägers der öffentlichen Jugendhilfe noch der Therapeutin der Klägerin erforderlich. Nach § 75 Abs 2 Satz 1 1. Alt SGG sind Dritte nämlich (nur) beizuladen, wenn sie an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann (echte notwendige Beiladung); diese Voraussetzungen sind für keinen der Bezeichneten erfüllt. Über eine unechte notwendige Beiladung war mangels Rüge im Revisionsverfahren (s zu dieser Voraussetzung nur Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 75 RdNr 13b mwN) nicht zu befinden.

11

Eine notwendige Beiladung der KK im Hinblick auf § 14 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - (SGB IX) scheidet aus(vgl zur notwendigen Beiladung wegen unterlassener Weiterleitung des Antrags an den "eigentlich zuständigen" Träger der Teilhabeleistung nur BSGE 93, 283 ff RdNr 6 ff = SozR 4-3250 § 14 Nr 1). Die durchgeführte Maßnahme stellt keine Leistung zur Teilhabe iS der §§ 4, 5 Nr 1, 14 SGB IX dar; denn die KKen sind abweichend von den Vorschriften des SGB IX (vgl § 7 SGB IX) nur unter den Voraussetzungen des Sozialgesetzbuchs Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung - ( vgl § 11 Abs 2, §§ 40 ff SGB V) zur Erbringung medizinischer Rehabilitationsleistungen verpflichtet (BSGE 98, 277 ff RdNr 18 = SozR 4-2500 § 40 Nr 4). Trotz des Aspektes bzw des Ziels der (Wieder-)Herstellung der Gesundheit haben jedoch nicht alle Maßnahmen des SGB V rehabilitativen Charakter in einem Sinn, der dem Verständnis des SGB V über eine Teilhabeleistung entspricht. Letztlich kann jedoch dahinstehen, ob der Begriff der Teilhabeleistung des § 14 SGB IX eigenständig (weit) oder (nur) nach dem Verständnis des SGB V auszulegen ist. Vorliegend gehörte die durchgeführte Maßnahme ohnedies nicht zum Leistungskatalog des SGB V, sodass schon deshalb keine Zuständigkeit des Beklagten nach § 14 Abs 2 Satz 1 SGB IX eingetreten ist und eine echte notwendige - ebenso wie im Übrigen eine unechte - Beiladung der KK ausscheidet.

12

Ein Kostenerstattungsanspruch für eine vom Versicherten selbstbeschaffte Leistung des SGB V würde voraussetzen, dass diese allgemein als Sach- oder Dienstleistung hätte erbracht werden müssen. Wie das LSG zu Recht erkannt hat, liegen die Voraussetzungen für einen Sachleistungsanspruch auf Gewährung der durchgeführten Therapie im Jahre 2006 nicht vor. Nach den insoweit unangefochtenen Tatsachenfeststellungen des LSG käme, weil die Therapie nicht von ärztlichen Fachkräften erbracht worden ist, allenfalls eine medizinische Dienstleistung in der Gestalt eines Heilmittels iS des § 32 SGB V(zum Heilmittelbegriff s: BSGE 88, 204, 206 ff = SozR 3-2500 § 33 Nr 41 S 229 ff; BSGE 96, 153 ff RdNr 26 = SozR 4-2500 § 27 Nr 7) in Betracht.

13

Der Heilmittelanspruch eines Versicherten (§ 11 Abs 1 Nr 4, § 27 Abs 1 Satz 2 Nr 1 und Nr 3 SGB V)unterliegt jedoch den sich aus § 2 Abs 1 und § 12 Abs 1 SGB V ergebenden Einschränkungen. Insoweit sind neue Heilmittel grundsätzlich nur dann von der Leistungspflicht der Gesetzlichen Krankenversicherung umfasst, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) zuvor ihren therapeutischen Nutzen anerkannt und in den Richtlinien (RL) nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 6 SGB V über die Versorgung mit Heilmitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (Heilmittel-RL) Empfehlungen für die Sicherung der Qualität bei der Leistungserbringung abgegeben hat(§ 138 SGB V). Die Beurteilung der Neuheit eines Heilmittels richtet sich unter formalen Gesichtspunkten danach, ob es nach dem Stand der Beschlüsse des GBA bei Inkrafttreten des § 138 SGB V (am 1.1.1989) Gegenstand der vertragsärztlichen Versorgung war oder seitdem einbezogen worden ist (Bundessozialgericht SozR 3-2500 § 138 Nr 2 S 26, 28 und 31; BSGE 94, 221 ff RdNr 24 = SozR 4-2400 § 89 Nr 3 RdNr 25). Dies trifft für die Montessori-Therapie nicht zu, wie den Heilmittel-RL zu entnehmen ist, in die sie als verordnungsfähige Leistung nicht aufgenommen wurde; sie ist mithin als mögliches Heilmittel neu. Der GBA hat demgemäß in einem zusammenfassenden Bericht des Unterausschusses "Heil- und Hilfsmittel" des Bundesausschusses vom 18.5.2005 über die Beratungen gemäß § 138 SGB V zur konduktiven Förderung nach Petö(abgerufen über das Internet am 15.5.2012 über http://www.g-ba.de/downloads/40-268-256/2005-05-18-Abschluss-Petoe.pdf ) auch ausgeführt, die Wirksamkeit der Montessori-Therapie sei in wissenschaftlichen Studien nicht eindeutig belegt (S 165). Die somit notwendige Empfehlung für die Sicherung der Qualität bei der Leistungserbringung fehlt. Zudem mangelt es an der nach § 73 Abs 2 Nr 7 SGB V vorausgesetzten ärztlichen Verordnung(s dazu BSGE 73, 271 ff = SozR 3-2500 § 13 Nr 4), sodass es auf einen eventuellen indikationsbezogenen Ausschluss über § 32 Abs 1 Satz 2 SGB V in den Heilmittel-RL nicht mehr ankommt.

14

Ein Anspruch aus § 43a SGB V(in der im streitbefangenen Zeitraum geltenden Fassung; Abs 2 wurde erst mit Wirkung ab 23.7.2009 eingeführt) scheidet von vornherein aus. Danach haben versicherte Kinder (nur) Anspruch auf nichtärztliche sozialpädiatrische, insbesondere auch psychologische, heilpädagogische und psychosoziale Leistungen, wenn sie unter ärztlicher Verantwortung erbracht werden und erforderlich sind, um eine Krankheit zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu erkennen und einen Behandlungsplan aufzustellen. Nach den insoweit unangegriffenen tatsächlichen Feststellungen des LSG diente die Maßnahme jedoch weder der Früherkennung noch stand sie unter ärztlicher Verantwortung. Es kann dahinstehen, ob der Senat an diese Feststellung entgegen § 163 SGG deshalb nicht gebunden ist, weil sie im Rahmen der von Amts wegen zu überprüfenden Beiladungsnotwendigkeit von Bedeutung ist(s dazu nur Leitherer, aaO, § 163 RdNr 5b mwN); denn diese Feststellung des LSG ist in der Sache ohnedies nicht zu beanstanden.

15

Eine Beiladung des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe als "eigentlich zuständigen" Rehabilitationsträgers iS des § 6 Abs 1 Nr 6 SGB IX im Hinblick auf § 14 SGB IX dürfte schon deshalb ausscheiden, weil der Beklagte auch der nach §§ 69, 85, 86 Sozialgesetzbuch Achtes Buch - Kinder- und Jugendhilfe - (SGB VIII) iVm § 1 Kinder- und Jugendhilfegesetz für Baden-Württemberg (LKJHG) vom 14.4.2005 (Gesetzblatt 376) - zur Überprüfung des Landesrechts ist der Senat entgegen § 202 SGG iVm § 560 Zivilprozessordnung (ZPO) mangels Berücksichtigung durch das LSG befugt(vgl nur das Senatsurteil vom 10.11.2011 - B 8 SO 12/10 R -, zur Veröffentlichung vorgesehen, RdNr 14 mwN) - für die einzig denkbare Leistung des § 35a SGB VIII als Jugendhilfeträger zuständig sein dürfte. Einer genaueren Überprüfung, ob nach den Vorschriften der §§ 5, 6 LKJHG ausnahmsweise eine Zuständigkeit der landkreisangehörigen Gemeinden begründet worden ist, bedarf es nicht, denn auch dann wäre die Gemeinde nicht notwendig beizuladen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (zuletzt BVerwG, Urteil vom 19.10.2011 - 5 C 6/11 -, ZFSH/SGB 2012, 33, 35 f), der sich der Senat anschließt, wäre vorliegend von einer vorrangigen Leistungspflicht des beklagten Sozialhilfeträgers (Leistungen der Eingliederungshilfe für ua geistig behinderte junge Menschen) gemäß § 10 Abs 4 SGB VIII(in der seit 1.10.2005 geltenden Fassung) auszugehen. Aufgaben, Ziele und die Leistungen richten sich nämlich ohnedies nach den Vorschriften des SGB XII (§ 35a Abs 3 SGB VIII), decken sich also (vgl zum Erfordernis der Gleichheit oder Gleichartigkeit BVerwG aaO), und bei der Klägerin liegt jedenfalls eine wesentliche geistige Behinderung vor (dazu später). Es kann deshalb dahinstehen, ob sich eine Maßnahmenotwendigkeit auch aufgrund einer seelischen (= psychischen) Behinderung ergeben würde und wodurch sich diese von der geistigen abgrenzt.

16

Schließlich ist auch nicht die Therapeutin der Klägerin notwendig beizuladen. Zwar ist der sozialhilferechtliche Leistungserbringer iS des § 75 SGB XII - und zwar auch bei ambulanten Diensten(§ 75 Abs 1 Satz 1 SGB XII; vgl Jaritz/Eicher, juris PraxisKommentar -SGB XII, § 75 SGB XII RdNr 24)- bei einer beantragten Kostenübernahme, also einem Schuldbeitritt durch Verwaltungsakt mit Drittwirkung (vgl nur BSGE 102, 1 ff RdNr 25 ff = SozR 4-1500 § 75 Nr 9), notwendig beizuladen (BSG, aaO, RdNr 13 ff). Vorliegend verlangt die Klägerin jedoch nicht die Kostenübernahme durch den Beklagten im Rahmen einer Sachleistung im weiten Sinne, sondern die Erstattung der bereits beglichenen Therapiekosten als Geldleistung.

17

Rechtsgrundlage für die Kostenerstattung durch den zuständigen (§ 97 Abs 1, § 98 Abs 1 SGB XII iVm § 3 Abs 2 Satz 1 SGB XII und §§ 1, 2 Ausführungsgesetz Baden-Württemberg zum SGB XII vom 1.7.2004 - GBl 534; zur eigenständigen Prüfung des Landesrechts ist der Senat mangels Berücksichtigung durch das LSG entgegen § 202 SGG iVm § 560 ZPO befugt - vgl das Senatsurteil vom 10.11.2011 - B 8 SO 12/10 R -, zur Veröffentlichung vorgesehen, RdNr 14 mwN) Beklagten ist § 15 Abs 1 Satz 4 2. Alt SGB IX. Danach sind selbstbeschaffte Leistungen zu erstatten, wenn der Rehabilitationsträger eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat (vgl dazu BSGE 102, 126 ff RdNr 11 f = SozR 4-3500 § 54 Nr 3). Ob der Beklagte die Übernahme der Kosten für die durchgeführte Therapie ab 1.1.2006 "zu Unrecht" abgelehnt hat, lässt sich allerdings anhand der tatsächlichen Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) nicht abschließend beurteilen. Grundlage dafür ist § 19 Abs 3 SGB XII(hier in der Fassung, die die Norm durch das Gesetz zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003 - BGBl I 3022 - erhalten hat) iVm §§ 53, 54 Abs 1 Nr 1 SGB XII und § 12 Abs 1 Nr 1 Eingliederungshilfe-VO. Hilfen nach § 19 Abs 3 SGB XII werden unter den besonderen Voraussetzungen der Vorschriften des Fünften und Neunten Kapitels geleistet, soweit den Leistungsberechtigten, ihren nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartnern und, wenn sie minderjährig und unverheiratet sind, auch ihren Eltern oder einem Elternteil die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen nach den Vorschriften des Elften Kapitels des SGB XII nicht zuzumuten ist.

18

Die Klägerin erfüllt die personenbezogenen Voraussetzungen des § 53 Abs 1 Satz 1 SGB XII für eine Pflichtleistung. Nach dieser Vorschrift werden Pflichtleistungen nur an Personen erbracht, die durch eine Behinderung iS des § 2 Abs 1 Satz 1 SGB IX wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalles, insbesondere nach Art oder Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Die Voraussetzungen des § 2 Abs 1 SGB IX sind erfüllt, wenn - soweit einschlägig - die geistige Fähigkeit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht und daher die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Nach den in diesem Punkt unangegriffenen Tatsachenfeststellungen des LSG liegt eine Behinderung im bezeichneten Sinn bei der Klägerin vor, die an einer geistigen Leistungsstörung (s insoweit zur Legasthenie BVerwG, Urteil vom 28.9.1995 - 5 C 21/93 -, FEVS 46, 360 ff), nämlich einer ausgeprägten rezeptiven und expressiven Sprachentwicklungsverzögerung mit auditiver Gedächtnisschwäche, litt; diese geistige Behinderung war auch wesentlich.

19

Wann dies der Fall ist, ergibt sich aus § 2 Eingliederungshilfe-VO. Er verlangt, dass infolge einer Schwäche der geistigen Kräfte in erheblichem Umfange die Fähigkeit zur Teilhabe am Leben in der Gesellschaft eingeschränkt ist (vgl allgemein dazu Wehrhahn in jurisPK-SGB XII, § 53 SGB XII RdNr 20 ff; Heinz, ZfF 2010, 79 ff). Dies ist jedenfalls zu bejahen, wenn - wie hier - die mit einer Behinderung einhergehenden Beeinträchtigungen der erfolgreichen Teilnahme am Unterricht in einer Grundschule entgegenstehen (vgl auch BVerwG, Beschluss vom 2.9.2003 - 5 B 259/02), weil Lerninhalte ohne zusätzliche Hilfestellung nicht aufgenommen und verarbeitet werden können; denn eine Grundschulbildung bildet die essentielle Basis für jegliche weitere Schullaufbahn (vgl BSG, Urteil vom 3.11.2011 - B 3 KR 8/11 R -, zur Veröffentlichung vorgesehen, RdNr 22) bzw eine valide spätere berufliche Tätigkeit. Insoweit ist wie bei der Prüfung einer Behinderung selbst auch ihre Wesentlichkeit wertend auszurichten an den Auswirkungen für die Eingliederung in der Gesellschaft (so wohl auch BVerwG, Urteil vom 28.9.1995 - 5 C 21/93 -, FEVS 46, 360 ff). Entscheidend ist mithin nicht, wie stark die geistigen Kräfte beeinträchtigt sind und in welchem Umfang ein Funktionsdefizit vorliegt, sondern wie sich die Beeinträchtigung auf die Teilhabemöglichkeit auswirkt.

20

Nicht abschließend entschieden werden kann indes, ob die im Jahre 2006 durchgeführte Therapie geeignet und erforderlich war, der Klägerin den Schulbesuch im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht zu ermöglichen und zu erleichtern, ob also iS des § 53 Abs 1 Satz 1 SGB XII nach der Besonderheit des Einzelfalles die Aussicht bestand, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden konnte. Diese allgemeine Voraussetzung konkretisierend bezeichnet § 54 Abs 1 Nr 1 SGB XII(hier idF, die die Norm durch das Gesetz zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003 - BGBl I 3022 - erhalten hat) als Leistungen der Eingliederungshilfe insbesondere Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht. Nach § 12 Nr 1 Eingliederungshilfe-VO umfasst die Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung auch heilpädagogische sowie sonstige Maßnahmen zugunsten körperlich und geistig behinderter Kinder und Jugendlicher, wenn die Maßnahmen erforderlich und geeignet sind, dem behinderten Menschen den Schulbesuch im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht zu ermöglichen und zu erleichtern.

21

Wie bereits § 53 Abs 1 Satz 1 SGB XII verdeutlicht ("nach der Besonderheit des Einzelfalles"), liegt § 54 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB XII iVm § 12 Nr 1 Eingliederungshilfe-VO ein individualisiertes Förderverständnis zugrunde(BSG SozR 4-3500 § 54 Nr 6 RdNr 22). Eine Unterscheidung der Maßnahmen nach ihrer Art, etwa nach pädagogischen oder nichtpädagogischen bzw begleitenden, ist rechtlich nicht geboten, weil grundsätzlich alle Maßnahmen in Betracht kommen, die im Zusammenhang mit der Ermöglichung einer angemessenen Schulbildung geeignet und erforderlich sind, die Behinderungsfolgen zu beseitigen oder zu mildern (BSGE 101, 79 ff RdNr 27 mwN = SozR 4-3500 § 54 Nr 1). Deshalb können von der Leistungspflicht des Sozialhilfeträgers auch Maßnahmen umfasst werden, die zum Aufgabenbereich der Schulverwaltung gehören. Ausgeschlossen sind allerdings Maßnahmen, die dem Kernbereich der pädagogischen Arbeit der Schule zuzuordnen sind, der sich nach der Gesetzessystematik nicht unter Auslegung der schulrechtlichen Bestimmungen, sondern der sozialhilferechtlichen Regelungen bestimmt. Dies ergibt sich zum einen daraus, dass § 54 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB XII ausdrücklich anordnet, die Bestimmungen über die Ermöglichung der Schulbildung im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht sollten unberührt bleiben. Die schulrechtlichen Verpflichtungen stehen mithin grundsätzlich neben den sozialhilferechtlichen, ohne dass sie sich gegenseitig inhaltlich beeinflussen. Zum anderen normiert § 54 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB XII lediglich Hilfen, mithin unterstützende Leistungen, überlässt damit die Schulbildung selbst aber den Schulträgern. Der Kernbereich der schulischen Arbeit liegt damit nach Sinn und Zweck der §§ 53, 54 SGB XII gänzlich außerhalb der Zuständigkeit des Sozialhilfeträgers(ähnlich bereits, wenn auch mit anderer Begründung, BVerwG, Beschluss vom 2.9.2003 - 5 B 259/02 - juris RdNr 17 mwN; BVerwG, Urteil vom 30.4.1992 - 5 C 1/88 - NVwZ 1993, 995, 996 f).

22

Nach diesen Maßstäben kann die durchgeführte Maßnahme eine Hilfe zur angemessenen Schulbildung sein, weil sie - wie das LSG zutreffend ausgeführt hat - jedenfalls nicht den Kernbereich der schulischen pädagogischen Arbeit berührt, ohne dass dieser genau bestimmt werden müsste. Die durchgeführte Therapie, die nach den insoweit unangegriffenen Feststellungen des LSG den Prinzipien der Montessori-Therapie gefolgt ist, weist den Charakter einer nur unterstützenden und außerhalb des schulischen Betriebs stattfindenden Hilfe auf. Im Rahmen eines ganzheitlichen Denkansatzes sollten unter Verwendung von unterschiedlichem Material vielfältige Bereiche ua der Wahrnehmung, des Sprachverständnisses, der Mathematik, der Geografie, der Biologie und der Umwelt (nur) durch ein zurückhaltendes Angebot von Hilfe und Unterstützung, auch durch "sensibles Beobachten", durch den Therapeuten gefördert werden (hierzu insgesamt der in der Gerichtsakte befindliche "Infobrief über die Montessori-Therapie für Fachstellen" des Montessori-Bundesverbands eV, Mengkofen; zur Zulässigkeit der Feststellung genereller Tatsachen in der Revisionsinstanz s nur BSG SozR 4-3250 § 69 Nr 9 RdNr 28 mwN).

23

Soweit das LSG in seiner Entscheidung die Ausführungen des Sachverständigen und die Äußerungen der früheren Klassenlehrerin der Klägerin zur Geeignetheit und Erforderlichkeit der Therapie wiedergegeben und verwertet sowie ausgeführt hat, dass die Therapie "nach dem Förderplan der Montessori-Therapeutin gezielt auf den Aufbau der auditiven Wahrnehmungsleistung abgestimmt" gewesen sei, reicht dies jedoch für eine Beurteilung der individuellen Geeignetheit und Erforderlichkeit der durchgeführten Therapie nicht aus. Erforderlich sind vielmehr konkrete Feststellungen dazu, wie die Klägerin betreut worden ist und wie sich dies im Einzelnen auf die individuelle Lernfähigkeit der Klägerin unter prognostischer Sicht - abgestellt auf den Zeitpunkt der Entscheidung (vgl nur allgemein dazu BSG SozR 4-4300 § 86 Nr 1 RdNr 15) - auswirken sollte. Allgemein gehaltene Bewertungen der Montessori-Therapie, ihrer Ziele und Methoden, können diese Beurteilung nicht ersetzen. Da das LSG nach der Zurückverweisung der Sache die fehlenden Feststellungen nachzuholen hat, kommt es auf die in diesem Zusammenhang erhobenen Verfahrensrügen des Beklagten nicht an. Im Rahmen der Erforderlichkeit der Hilfe wird das LSG auch die Anzahl der Therapiestunden zu überprüfen haben.

24

Schließlich wird es anhand der schuldrechtlichen Vereinbarungen mit der Therapeutin die Höhe der der Klägerin (bzw ihren Eltern) entstandenen und damit übernahme- und erstattungsfähigen Kosten zu ermitteln haben, wobei ohne Bedeutung ist, ob mit der Therapeutin Vereinbarungen nach §§ 75 ff SGB XII geschlossen sind und - wenn ja - welche Vergütung darin für die Therapiestunden vorgesehen war. Eine diesbezügliche rechtliche Unsicherheit kann sich nicht zu Lasten der Klägerin auswirken (vgl BSGE 102, 126 ff RdNr 12 = SozR 4-3500 § 54 Nr 3). Dies gilt umso mehr, als sich Umfang der Behandlung und Vergütung offenbar im Rahmen dessen bewegen, was vom Beklagten in der Zeit zuvor übernommen worden ist. Ob die Voraussetzungen einer Schuldverpflichtung der Klägerin bzw ihrer Eltern gegenüber der Therapeutin und der Angemessenheit der Kosten normimmanent aus §§ 53, 54 SGB XII oder aus § 9 Abs 1 SGB XII (Leistungen nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Art des Bedarfs) zu entnehmen sind, kann offen bleiben. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt bedarf dies schon deshalb keiner näheren Begründung, weil nicht ersichtlich ist, dass sich in vorliegender Konstellation hieraus unterschiedliche Rechtsfragen ergäben.

25

Entgegen der Ansicht des Beklagten steht einem Kostenerstattungsanspruch der Klägerin § 2 Abs 1 SGB XII (sog Nachranggrundsatz) nicht entgegen. Danach erhält Sozialhilfe nicht, wer die erforderliche Leistung von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält. Diese Vorschrift ist, wenn andere Leistungen - wie hier - tatsächlich nicht erbracht werden, keine eigenständige Ausschlussnorm, sondern ihr kommt regelmäßig nur im Zusammenhang mit ergänzenden bzw konkretisierenden sonstigen Vorschriften des SGB XII Bedeutung zu; ein Leistungsausschluss ohne Rückgriff auf andere Normen des SGB XII ist mithin allenfalls in extremen Ausnahmefällen denkbar, etwa wenn sich der Bedürftige generell eigenen Bemühungen verschließt und Ansprüche ohne weiteres realisierbar sind (BSG, Urteil vom 2.2.2010 - B 8 SO 21/08 R - RdNr 13; Urteil vom 29.9.2009 - B 8 SO 23/08 R - BSGE 104, 219 ff RdNr 20 = SozR 4-3500 § 74 Nr 1; Urteil vom 26.8.2008 - B 8/9b SO 16/07 R - RdNr 15). Eine Leistungspflicht des Sozialhilfeträgers außerhalb des Kernbereichs der pädagogischen Arbeit der Schule ist deshalb in aller Regel zu bejahen, solange und soweit die Schule - wie hier - eine entsprechende Hilfe nicht gewährt, ja sogar darauf verweist, sie nicht erbringen zu können. Ob sie dazu verpflichtet ist, ist unerheblich. Der Sozialhilfeträger muss ggf mittels einer Überleitungsanzeige (§ 93 SGB XII) beim zuständigen Schulträger Rückgriff nehmen. Soweit der Beklagte mit seiner Revision in diesem Zusammenhang eine fehlerhafte Auslegung des Landesschulrechts rügt, kommt es darauf unabhängig davon, inwieweit der Senat diese Auslegung überhaupt überprüfen darf (§ 202 SGG iVm § 560 ZPO), für die Entscheidung nicht an.

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Dem Kostenerstattungsanspruch steht schließlich nicht entgegen, dass die Eltern der Klägerin die angefallenen Kosten bereits getragen haben. Sozialhilfeleistungen setzen zwar vom Grundgedanken her einen aktuellen Bedarf voraus; dies gilt allerdings aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes (Art 19 Abs 4 Grundgesetz) nicht bei einer rechtswidrigen Ablehnung der Hilfegewährung und zwischenzeitlicher Bedarfsdeckung im Wege der Selbsthilfe oder Hilfe Dritter, wenn der Hilfesuchende innerhalb der gesetzlichen Fristen einen Rechtsbehelf eingelegt hat und im Rechtsbehelfsverfahren die Hilfegewährung erst erstreiten muss (BSG, Urteil vom 29.9.2009 - B 8 SO 16/08 R -, BSGE 104, 213 ff RdNr 14 = SozR 4-1300 § 44 Nr 20; vgl auch zum Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitssuchende - : BSG, Urteil vom 6.10.2011 - B 14 AS 66/11 R -, zur Veröffentlichung vorgesehen, RdNr 19, und Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 46/11 R -, zur Veröffentlichung vorgesehen, RdNr 17 mwN).

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Ermittlungen darüber, ob die Klägerin im Falle des Klageerfolgs ihren Eltern deren Auslagen erstatten muss oder zumindest wird (vgl dazu in einer anderen Konstellation BSG, Urteil vom 6.10.2011 - B 14 AS 66/11 R -, zur Veröffentlichung vorgesehen, RdNr 19), sind entbehrlich. Im Rahmen der Vermögenssorge (§ 1926 Bürgerliches Gesetzbuch)für ein achtjähriges Kind sind Vereinbarungen über eine Rückerstattung der Kosten besonderer Sozialhilfeleistungen (§ 84 Abs 2 SGB XII ist nicht anwendbar, weil § 92 Abs 1 Satz 2 SGB XII insoweit als Sonderregelung vorgeht), die die Eltern übernommen haben, weil der Sozialhilfeträger die Leistung abgelehnt hat, bei realitätsnaher Sichtweise unüblich. Unerheblich ist es auch, ob und inwieweit in der Übernahme dieser Kosten eine tatsächliche Unterhaltszahlung zu sehen sein könnte. Eine solche Prüfung würde den Zweck des § 92 Abs 2 Satz 1 Nr 2 SGB XII(hier in der Normfassung des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003 - BGBl I 3022 - erhalten hat) konterkarieren, die Eltern behinderter mit denen nichtbehinderter Kinder hinsichtlich der aus einer angemessenen Schulbildung ihrer Kinder folgenden Lasten wirtschaftlich gleichzustellen (so bereits BVerwGE 94, 127, 135 f mwN zur Vorgängervorschrift des § 43 Abs 2 Satz 1 Nr 2 und Satz 2 Bundessozialhilfegesetz).

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Aus § 92 Abs 2 Satz 1 Nr 2 SGB XII ergibt sich zugleich, dass auf Leistungen weder Einkommen der Klägerin noch Einkommen ihrer Eltern anzurechnen ist; denn nach Satz 1 ist eine Aufbringung der Mittel nur für die Kosten des Lebensunterhalts zuzumuten. Eine Vermögensanrechnung unterbleibt völlig (Satz 2). Die Beschränkung auf die Kosten des Lebensunterhalts in § 92 Abs 2 Satz 1 SGB XII bedeutet, dass Aufwendungen des Sozialhilfeträgers für die besonderen Hilfen nicht zu erstatten sind, soweit nicht integraler Bestandteil dieser Hilfen Kosten des Lebensunterhalts sind(Behrend in jurisPK-SGB XII, § 92 SGB XII RdNr 23 mwN). Dies war indes bei der durchgeführten Therapie nicht der Fall. Insoweit setzt § 92 Abs 2 SGB XII nicht voraus, dass gleichzeitig die in § 92 Abs 1 SGB XII beschriebenen Merkmale für die Hilfe für eine stationäre Einrichtung, für eine Tageseinrichtung für behinderte Menschen oder für ärztliche oder ärztlich verordnete Maßnahmen vorliegen(Behrend, aaO, RdNr 22 mwN).

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Das LSG wird ggf auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

(1) Stellt der leistende Rehabilitationsträger fest, dass der Antrag neben den nach seinem Leistungsgesetz zu erbringenden Leistungen weitere Leistungen zur Teilhabe umfasst, für die er nicht Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 sein kann, leitet er den Antrag insoweit unverzüglich dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger zu. Dieser entscheidet über die weiteren Leistungen nach den für ihn geltenden Leistungsgesetzen in eigener Zuständigkeit und unterrichtet hierüber den Antragsteller.

(2) Hält der leistende Rehabilitationsträger für die umfassende Feststellung des Rehabilitationsbedarfs nach § 14 Absatz 2 die Feststellungen weiterer Rehabilitationsträger für erforderlich und liegt kein Fall nach Absatz 1 vor, fordert er von diesen Rehabilitationsträgern die für den Teilhabeplan nach § 19 erforderlichen Feststellungen unverzüglich an und berät diese nach § 19 trägerübergreifend. Die Feststellungen binden den leistenden Rehabilitationsträger bei seiner Entscheidung über den Antrag, wenn sie innerhalb von zwei Wochen nach Anforderung oder im Fall der Begutachtung innerhalb von zwei Wochen nach Vorliegen des Gutachtens beim leistenden Rehabilitationsträger eingegangen sind. Anderenfalls stellt der leistende Rehabilitationsträger den Rehabilitationsbedarf nach allen in Betracht kommenden Leistungsgesetzen umfassend fest.

(3) Die Rehabilitationsträger bewilligen und erbringen die Leistungen nach den für sie jeweils geltenden Leistungsgesetzen im eigenen Namen, wenn im Teilhabeplan nach § 19 dokumentiert wurde, dass

1.
die erforderlichen Feststellungen nach allen in Betracht kommenden Leistungsgesetzen von den zuständigen Rehabilitationsträgern getroffen wurden,
2.
auf Grundlage des Teilhabeplans eine Leistungserbringung durch die nach den jeweiligen Leistungsgesetzen zuständigen Rehabilitationsträger sichergestellt ist und
3.
die Leistungsberechtigten einer nach Zuständigkeiten getrennten Leistungsbewilligung und Leistungserbringung nicht aus wichtigem Grund widersprechen.
Anderenfalls entscheidet der leistende Rehabilitationsträger über den Antrag in den Fällen nach Absatz 2 und erbringt die Leistungen im eigenen Namen.

(4) In den Fällen der Beteiligung von Rehabilitationsträgern nach den Absätzen 1 bis 3 ist abweichend von § 14 Absatz 2 innerhalb von sechs Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Wird eine Teilhabeplankonferenz nach § 20 durchgeführt, ist innerhalb von zwei Monaten nach Antragseingang zu entscheiden. Die Antragsteller werden von dem leistenden Rehabilitationsträger über die Beteiligung von Rehabilitationsträgern sowie über die für die Entscheidung über den Antrag maßgeblichen Zuständigkeiten und Fristen unverzüglich unterrichtet.

(1) Kann über den Antrag auf Leistungen zur Teilhabe nicht innerhalb einer Frist von zwei Monaten ab Antragseingang bei dem leistenden Rehabilitationsträger entschieden werden, teilt er den Leistungsberechtigten vor Ablauf der Frist die Gründe hierfür schriftlich mit (begründete Mitteilung).

(2) In der begründeten Mitteilung ist auf den Tag genau zu bestimmen, bis wann über den Antrag entschieden wird. In der begründeten Mitteilung kann der leistende Rehabilitationsträger die Frist von zwei Monaten nach Absatz 1 nur in folgendem Umfang verlängern:

1.
um bis zu zwei Wochen zur Beauftragung eines Sachverständigen für die Begutachtung infolge einer nachweislich beschränkten Verfügbarkeit geeigneter Sachverständiger,
2.
um bis zu vier Wochen, soweit von dem Sachverständigen die Notwendigkeit für einen solchen Zeitraum der Begutachtung schriftlich bestätigt wurde und
3.
für die Dauer einer fehlenden Mitwirkung der Leistungsberechtigten, wenn und soweit den Leistungsberechtigten nach § 66 Absatz 3 des Ersten Buches schriftlich eine angemessene Frist zur Mitwirkung gesetzt wurde.

(3) Erfolgt keine begründete Mitteilung, gilt die beantragte Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt. Die beantragte Leistung gilt auch dann als genehmigt, wenn der in der Mitteilung bestimmte Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag ohne weitere begründete Mitteilung des Rehabilitationsträgers abgelaufen ist.

(4) Beschaffen sich Leistungsberechtigte eine als genehmigt geltende Leistung selbst, ist der leistende Rehabilitationsträger zur Erstattung der Aufwendungen für selbstbeschaffte Leistungen verpflichtet. Mit der Erstattung gilt der Anspruch der Leistungsberechtigten auf die Erbringung der selbstbeschafften Leistungen zur Teilhabe als erfüllt. Der Erstattungsanspruch umfasst auch die Zahlung von Abschlägen im Umfang fälliger Zahlungsverpflichtungen für selbstbeschaffte Leistungen.

(5) Die Erstattungspflicht besteht nicht,

1.
wenn und soweit kein Anspruch auf Bewilligung der selbstbeschafften Leistungen bestanden hätte und
2.
die Leistungsberechtigten dies wussten oder infolge grober Außerachtlassung der allgemeinen Sorgfalt nicht wussten.

(6) Konnte der Rehabilitationsträger eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat er eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Leistungsberechtigten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese vom Rehabilitationsträger in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Der Anspruch auf Erstattung richtet sich gegen den Rehabilitationsträger, der zum Zeitpunkt der Selbstbeschaffung über den Antrag entschieden hat. Lag zum Zeitpunkt der Selbstbeschaffung noch keine Entscheidung vor, richtet sich der Anspruch gegen den leistenden Rehabilitationsträger.

(7) Die Absätze 1 bis 5 gelten nicht für die Träger der Eingliederungshilfe, der öffentlichen Jugendhilfe und der Kriegsopferfürsorge.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

Das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch kostenfrei, soweit sie in dieser jeweiligen Eigenschaft als Kläger oder Beklagte beteiligt sind. Nimmt ein sonstiger Rechtsnachfolger das Verfahren auf, bleibt das Verfahren in dem Rechtszug kostenfrei. Den in Satz 1 und 2 genannten Personen steht gleich, wer im Falle des Obsiegens zu diesen Personen gehören würde. Leistungsempfängern nach Satz 1 stehen Antragsteller nach § 55a Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative gleich. § 93 Satz 3, § 109 Abs. 1 Satz 2, § 120 Absatz 1 Satz 2 und § 192 bleiben unberührt. Die Kostenfreiheit nach dieser Vorschrift gilt nicht in einem Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2).

(1) Für das Verfahren bei den Behörden nach diesem Gesetzbuch werden keine Gebühren und Auslagen erhoben. Abweichend von Satz 1 erhalten die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung für jede auf der Grundlage des § 74a Absatz 2 und 3 erteilte Auskunft eine Gebühr von 10,20 Euro.

(2) Geschäfte und Verhandlungen, die aus Anlass der Beantragung, Erbringung oder der Erstattung einer Sozialleistung nötig werden, sind kostenfrei. Dies gilt auch für die im Gerichts- und Notarkostengesetz bestimmten Gerichtskosten. Von Beurkundungs- und Beglaubigungskosten sind befreit Urkunden, die

1.
in der Sozialversicherung bei den Versicherungsträgern und Versicherungsbehörden erforderlich werden, um die Rechtsverhältnisse zwischen den Versicherungsträgern einerseits und den Arbeitgebern, Versicherten oder ihren Hinterbliebenen andererseits abzuwickeln,
2.
im Sozialhilferecht, im Recht der Eingliederungshilfe, im Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende, im Kinder- und Jugendhilferecht sowie im Recht der Kriegsopferfürsorge aus Anlass der Beantragung, Erbringung oder Erstattung einer nach dem Zwölften Buch, dem Neunten Buch, dem Zweiten und dem Achten Buch oder dem Bundesversorgungsgesetz vorgesehenen Leistung benötigt werden,
3.
im Schwerbehindertenrecht von der zuständigen Stelle im Zusammenhang mit der Verwendung der Ausgleichsabgabe für erforderlich gehalten werden,
4.
im Recht der sozialen Entschädigung bei Gesundheitsschäden für erforderlich gehalten werden,
5.
im Kindergeldrecht für erforderlich gehalten werden.

(3) Absatz 2 Satz 1 gilt auch für gerichtliche Verfahren, auf die das Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit anzuwenden ist. Im Verfahren nach der Zivilprozessordnung, dem Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit sowie im Verfahren vor Gerichten der Sozial- und Finanzgerichtsbarkeit sind die Träger der Eingliederungshilfe, der Sozialhilfe, der Grundsicherung für Arbeitsuchende, der Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, der Jugendhilfe und der Kriegsopferfürsorge von den Gerichtskosten befreit; § 197a des Sozialgerichtsgesetzes bleibt unberührt.