Gericht

Sozialgericht Landshut

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Höhe des der Klägerin zu gewährenden Arbeitslosengeld I (Alg I).

Die im Jahr 1954 geborene Klägerin meldete sich am 13. April 2016 mit Wirkung ab dem 01. Juni 2016 bei der Beklagten arbeitslos und zugleich arbeitsuchend.

Im Zeitraum vom 25. August 2014 bis zum 29. Oktober 2015 bezog die Klägerin Krankengeld.

Zuvor hatte die Klägerin bei der Fa. M. als Montiererin gearbeitet. Am 30. Oktober 2015 schloss die Klägerin mit ihrem Arbeitgeber einen Aufhebungsvertrag unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist mit Wirkung zum 31. Mai 2016 ab. Die Klägerin wurde mit Wirkung ab dem 01. November 2015 von der Erbringung der Arbeitsleistung unter Fortzahlung der Bezüge freigestellt.

Mit Bescheid vom 21. Juni 2016 stellte die Beklagte fest, dass im Zeitraum vom 01. Juni 2016 bis zum 07. Juni 2016 eine Sperrzeit von einer Woche wegen einer verspäteten Arbeitsuchendmeldung eingetreten ist.

Mit Bewilligungsbescheid vom gleichen Tag bewilligte die Beklagte der Klägerin Alg I ab dem 08. Juni 2016 bis zum 30. Mai 2018 in Höhe von 24,55 Euro kalendertäglich.

Mit Schreiben vom gleichen Tag führte die Beklagte aus, dass bei der Bemessung der Höhe des Alg I von einem fiktiven Arbeitsentgelt ausgegangen worden sei, weil die Klägerin in den letzten 2 Jahren vor der Arbeitslosmeldung weniger als 150 Tage Anspruch auf Arbeitsentgelt hatte. Das Arbeitsentgelt, das während der unwiderruflichen Freistellung ab 30. Oktober 2015 erzielt worden sei, müsse bei der Bemessung des Arbeitslosengeldes außer Betracht bleiben. Das fiktive Arbeitsentgelt richte sich nach der Beschäftigung auf die sich die Vermittlungsbemühungen der Beklagten erstrecken. Da die Klägerin für eine Tätigkeit als Pförtnerin geeignet sei, sei sie der Qualifikationsstufe 4 zuzuordnen.

Mit Schreiben vom 13. Juli 2016 legte die Klägerin Widerspruch gegen den Bescheid ein. Zur Begründung führte die Klägerin aus, sie habe auch während der Freistellung Arbeitsentgelt bezogen. Dies müsse bei der Berechnung des Alg I berücksichtigt werden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 29. August 2016 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, der Bemessungsrahmen umfasse im Fall der Klägerin den 01. Juni 2014 bis zum 31. Mai 2016. Innerhalb dieses Bemessungsrahmens habe die Klägerin nicht an 150 Tagen Anspruch auf Arbeitsentgelt gehabt. Das Entgelt, das die Klägerin während der Freistellung bezogen habe, sei hier nicht zu berücksichtigen. Denn der für die Leistungsabrechnung maßgebliche Bemessungszeitraum sei gemäß § 150 SGB III auf die beim Ausscheiden aus dem Beschäftigungsverhältnis abgerechneten Entgeltabrechnungszeiträume beschränkt. Das Beschäftigungsverhältnis habe jedoch bereits mit der Freistellung geendet.

Mit ihrer am 05. September 2016 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Zur Begründung führt sie aus, es liege eine „Konvergenzstörung“ vor, wenn das Arbeitsentgelt während der Freistellung zwar sozialversicherungspflichtig sei, bei der Berechnung der Höhe des Alg I jedoch nicht berücksichtigt werde.

Die Klägerin beantragt,

  • 1.den Bewilligungsbescheid der Beklagten vom 21. Juni 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. August 2016 abzuändern.

  • 2.Die Beklagte zu verpflichten, ihr ab dem 08. Juni 2016 ein höheres Alg I unter Berücksichtigung ihres ab dem 01. November 2015 bezogenen Arbeitsentgelts zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist sie im Wesentlichen auf ihre Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden.

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben im Termin zur mündlichen Verhandlung vorgelegen und sind Gegenstand der Erörterung geworden. Wegen der Einzelheiten wird auf sie ergänzend Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 1 und Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, aber unbegründet.

Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 21. Juni 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. August 2016 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Der Klägerin steht ab dem 08. Juni 2016 kein höheres Alg I unter Berücksichtigung ihres ab dem 01. November 2015 bezogenen Arbeitsentgelts zu. Die fiktive Berechnung des Alg I ist nicht zu beanstanden.

Die Höhe des der Klägerin zustehenden Alg I errechnet sich gemäß § 149 Sozialgesetzbuch, Drittes Buch (SGB III) aus dem sog. Bemessungsentgelt. Das Bemessungsentgelt ist das pauschalierte Nettoentgelt, das sich aus dem Bruttoentgelt ergibt, dass die oder der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat.

Der Bemessungszeitraum umfasst gemäß § 150 Abs. 1 SGB III die beim Ausscheiden aus dem jeweiligen Beschäftigungsverhältnis abgerechneten Entgeltabrechnungszeiträume der versicherungspflichtigen Beschäftigung im Bemessungsrahmen. Der Bemessungsrahmen umfasst ein Jahr. Er endet mit dem letzten Tag des letzten Versicherungspflichtverhältnisses vor der Entstehung des Anspruchs auf Alg I.

Nach § 150 Abs. 3 SGB III wird der Bemessungsrahmen auf zwei Jahre erweitert, wenn der Bemessungszeitraum weniger als 150 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt enthält.

Ist auch im erweiterten Bemessungsrahmen ein Bemessungszeitraum mit mindestens 150 Tagen mit Anspruch auf Arbeitsentgelt nicht feststellbar, so hat gemäß § 152 SGB III eine fiktive Berechnung des Alg I zu erfolgen.

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) erfüllt ein fortbestehendes Arbeitsverhältnis, bei dem der Arbeitnehmer unter Fortzahlung der Bezüge unwiderruflich von der Erbringung der Arbeitsleistung freigestellt ist, die Voraussetzungen für ein Versicherungspflichtverhältnis im Sinne des § 25 Abs. 1 SGB III (vgl. BSG, Urt. v. 24.08.2008 - B 12 KR 22/07 R; BSG, Urt. v. 11.12.2014 - B 11 AL 2/14 R).

Das Ende des Bemessungsrahmens fällt dementsprechend auf den 31. Mai 2016.

In Bezug auf den Bemessungszeitraum kommt es nach ständiger Rechtsprechung des BSG demgegenüber auf das sog. leistungsrechtliche Beschäftigungsverhältnis an, das die tatsächliche Erbringung von Arbeit voraussetzt (vgl. nur BSG, Urt. v. 08.07.2009 - B 11 AL 14/08 R; BSG, Beschluss vom 30.04.2010 - B 11 AL 160/09 B; so auch Bay LSG, Beschluss vom 18.07.2016 - L 10 AL 133/16 NZB; LSG Hamburg, Urt. v. 05.04.2017 - L 2 AL 84/16). Bei unwiderruflicher Freistellung eines Arbeitnehmers von der Erbringung der Arbeitsleistung liegt trotz Zahlung von Arbeitsentgelt somit zwar ein Beschäftigungsverhältnis im versicherungsrechtlichen Sinne, jedoch kein Beschäftigungsverhältnis im leistungsrechtlichen Sinne vor.

Im Zeitraum vom 01. Juni 2015 bis zum 31. Mai 2016 hat die Klägerin somit gar kein Entgelt aus einem leistungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnis bezogen und in dem auf zwei Jahre erweiterten Bemessungsrahmen lediglich im Zeitraum vom 01. Juni 2014 bis zum 24. August 2014.

Innerhalb des Bemessungsrahmens liegen damit keine 150 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt aus einem leistungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnis, so dass die Beklagte zu Recht eine fiktive Berechnung des Alg I vorgenommen hat.

Die Kammer kann in der Rechtsprechung des BSG zu der Unterscheidung zwischen einem Beschäftigungsverhältnis im versicherungsrechtlichen Sinne im Gegensatz zu demjenigen im leistungsrechtlichen Sinne auch keinen Wertungswiderspruch erkennen.

Die Anerkennung eines formal fortbestehenden Arbeitsverhältnisses, bei dem der Arbeitnehmer unter Fortzahlung der Bezüge unwiderruflich von der Erbringung der Arbeitsleistung freigestellt ist, als Beschäftigungsverhältnis im versicherungsrechtlichen Sinne dient dem Schutz der Arbeitnehmer, die hierdurch auch bei Freistellung einen Anspruch auf Alg I dem Grunde nach erwerben können.

Den Regelungen der §§ 150 ff. SGB III, nach denen Alg I nur dann konkret nach dem bisher erworbenen Arbeitsentgelt berechnet werden soll, wenn der Bemessungsrahmen mindestens mit 150 Tagen Anspruch auf Arbeitsentgelt gegen Arbeitsleistung belegt ist, liegt demgegenüber die Annahme zugrunde, dass Alg I eine Lohnersatzfunktion in Bezug auf denjenigen Lohnanspruch zukommt, den der Arbeitnehmer gegenwärtig am Arbeitsmarkt erzielen kann.

Der Gesetzgeber geht insofern davon aus, dass ein Arbeitsloser, der in den letzten zwei Jahren vor Bezug von Alg I nicht mindestens 150 Tage in einem leistungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnis stand, nicht mehr zwingend an sein altes Lohnniveau anknüpfen kann (vgl. hierzu BVerfG, Beschluss vom 10.03.2010, 1 BvL 11/07). Die Berechnung hat in diesen Fällen fiktiv nach Maßgabe derjenigen Tätigkeit zu erfolgen, in die der oder die Arbeitslose - ausgehend in erster Linie von der absolvierten Ausbildung - vermittelt werden soll.

Die Klägerin hat sich den Vermittlungsbemühungen der Beklagten als Pförtnerin zur Verfügung gestellt. Vor diesem Hintergrund ist auch die Zuordnung zur Qualifikationsstufe 4 nicht zu beanstanden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

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Sozialgericht Landshut Endurteil, 25. Juli 2017 - S 13 AL 172/16 zitiert 7 §§.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Sozialgesetzbuch (SGB) Drittes Buch (III) - Arbeitsförderung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. März 1997, BGBl. I S. 594) - SGB 3 | § 25 Beschäftigte


(1) Versicherungspflichtig sind Personen, die gegen Arbeitsentgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt (versicherungspflichtige Beschäftigung) sind. Die folgenden Personen stehen Beschäftigten zur Berufsausbildung im Sinne des Satzes 1 gleich:

Sozialgesetzbuch (SGB) Drittes Buch (III) - Arbeitsförderung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. März 1997, BGBl. I S. 594) - SGB 3 | § 150 Bemessungszeitraum und Bemessungsrahmen


(1) Der Bemessungszeitraum umfasst die beim Ausscheiden aus dem jeweiligen Beschäftigungsverhältnis abgerechneten Entgeltabrechnungszeiträume der versicherungspflichtigen Beschäftigungen im Bemessungsrahmen. Der Bemessungsrahmen umfasst ein Jahr; er

Sozialgesetzbuch (SGB) Drittes Buch (III) - Arbeitsförderung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. März 1997, BGBl. I S. 594) - SGB 3 | § 152 Fiktive Bemessung


(1) Kann ein Bemessungszeitraum von mindestens 150 Tagen mit Anspruch auf Arbeitsentgelt innerhalb des auf zwei Jahre erweiterten Bemessungsrahmens nicht festgestellt werden, ist als Bemessungsentgelt ein fiktives Arbeitsentgelt zugrunde zu legen. In

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Tenor Die Urteile des Hessischen Landessozialgerichts vom 6. Dezember 2013 und des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 28. September 2012 werden aufgehoben und die Klage abgewiesen.

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bei uns veröffentlicht am 10.03.2010

Gründe 1 Das konkrete Normenkontrollverfahren betrifft die Frage, ob es mit dem Grundgesetz vereinbar ist, dass für die Bestimmung der

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(1) Der Bemessungszeitraum umfasst die beim Ausscheiden aus dem jeweiligen Beschäftigungsverhältnis abgerechneten Entgeltabrechnungszeiträume der versicherungspflichtigen Beschäftigungen im Bemessungsrahmen. Der Bemessungsrahmen umfasst ein Jahr; er endet mit dem letzten Tag des letzten Versicherungspflichtverhältnisses vor der Entstehung des Anspruchs.

(2) Bei der Ermittlung des Bemessungszeitraums bleiben außer Betracht

1.
Zeiten einer Beschäftigung, neben der Übergangsgeld wegen einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben, Teilübergangsgeld oder Teilarbeitslosengeld geleistet worden ist,
2.
Zeiten einer Beschäftigung als Freiwillige oder Freiwilliger im Sinne des Jugendfreiwilligendienstegesetzes oder des Bundesfreiwilligendienstgesetzes, wenn sich die beitragspflichtige Einnahme nach § 344 Absatz 2 bestimmt,
3.
Zeiten, in denen Arbeitslose Elterngeld oder Erziehungsgeld bezogen oder nur wegen der Berücksichtigung von Einkommen nicht bezogen haben oder ein Kind unter drei Jahren betreut und erzogen haben, wenn wegen der Betreuung und Erziehung des Kindes das Arbeitsentgelt oder die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit gemindert war,
4.
Zeiten, in denen Arbeitslose eine Pflegezeit nach § 3 Absatz 1 Satz 1 des Pflegezeitgesetzes in Anspruch genommen haben sowie Zeiten einer Familienpflegezeit oder Nachpflegephase nach dem Familienpflegezeitgesetz, wenn wegen der Pflege das Arbeitsentgelt oder die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit gemindert war; insoweit gilt § 151 Absatz 3 Nummer 2 nicht,
5.
Zeiten, in denen die durchschnittliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit auf Grund einer Teilzeitvereinbarung nicht nur vorübergehend auf weniger als 80 Prozent der durchschnittlichen regelmäßigen Arbeitszeit einer vergleichbaren Vollzeitbeschäftigung, mindestens um fünf Stunden wöchentlich, vermindert war, wenn die oder der Arbeitslose Beschäftigungen mit einer höheren Arbeitszeit innerhalb der letzten dreieinhalb Jahre vor der Entstehung des Anspruchs während eines sechs Monate umfassenden zusammenhängenden Zeitraums ausgeübt hat.
Satz 1 Nummer 5 gilt nicht in Fällen einer Teilzeitvereinbarung nach dem Altersteilzeitgesetz, es sei denn, das Beschäftigungsverhältnis ist wegen Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers beendet worden.

(3) Der Bemessungsrahmen wird auf zwei Jahre erweitert, wenn

1.
der Bemessungszeitraum weniger als 150 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt enthält,
2.
in den Fällen des § 142 Absatz 2 der Bemessungszeitraum weniger als 90 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt enthält oder
3.
es mit Rücksicht auf das Bemessungsentgelt im erweiterten Bemessungsrahmen unbillig hart wäre, von dem Bemessungsentgelt im Bemessungszeitraum auszugehen.
Satz 1 Nummer 3 ist nur anzuwenden, wenn die oder der Arbeitslose dies verlangt und die zur Bemessung erforderlichen Unterlagen vorlegt.

(1) Kann ein Bemessungszeitraum von mindestens 150 Tagen mit Anspruch auf Arbeitsentgelt innerhalb des auf zwei Jahre erweiterten Bemessungsrahmens nicht festgestellt werden, ist als Bemessungsentgelt ein fiktives Arbeitsentgelt zugrunde zu legen. In den Fällen des § 142 Absatz 2 gilt Satz 1 mit der Maßgabe, dass ein Bemessungszeitraum von mindestens 90 Tagen nicht festgestellt werden kann.

(2) Für die Festsetzung des fiktiven Arbeitsentgelts ist die oder der Arbeitslose der Qualifikationsgruppe zuzuordnen, die der beruflichen Qualifikation entspricht, die für die Beschäftigung erforderlich ist, auf die die Agentur für Arbeit die Vermittlungsbemühungen für die Arbeitslose oder den Arbeitslosen in erster Linie zu erstrecken hat. Dabei ist zugrunde zu legen für Beschäftigungen, die

1.
eine Hochschul- oder Fachhochschulausbildung erfordern (Qualifikationsgruppe 1), ein Arbeitsentgelt in Höhe von einem Dreihundertstel der Bezugsgröße,
2.
einen Fachschulabschluss, den Nachweis über eine abgeschlossene Qualifikation als Meisterin oder Meister oder einen Abschluss in einer vergleichbaren Einrichtung erfordern (Qualifikationsgruppe 2), ein Arbeitsentgelt in Höhe von einem Dreihundertsechzigstel der Bezugsgröße,
3.
eine abgeschlossene Ausbildung in einem Ausbildungsberuf erfordern (Qualifikationsgruppe 3), ein Arbeitsentgelt in Höhe von einem Vierhundertfünfzigstel der Bezugsgröße,
4.
keine Ausbildung erfordern (Qualifikationsgruppe 4), ein Arbeitsentgelt in Höhe von einem Sechshundertstel der Bezugsgröße, mindestens jedoch ein Arbeitsentgelt in Höhe des Betrages, der sich ergibt, wenn der Mindestlohn je Zeitstunde nach § 1 Absatz 2 Satz 1 des Mindestlohngesetzes in Verbindung mit der auf der Grundlage des § 11 Absatz 1 Satz 1 des Mindestlohngesetzes jeweils erlassenen Verordnung mit einem Siebtel der tariflichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit, die für Tarifbeschäftigte im öffentlichen Dienst des Bundes gilt, vervielfacht wird.

(1) Versicherungspflichtig sind Personen, die gegen Arbeitsentgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt (versicherungspflichtige Beschäftigung) sind. Die folgenden Personen stehen Beschäftigten zur Berufsausbildung im Sinne des Satzes 1 gleich:

1.
Auszubildende, die im Rahmen eines Berufsausbildungsvertrages nach dem Berufsbildungsgesetz in einer außerbetrieblichen Einrichtung ausgebildet werden,
2.
Teilnehmerinnen und Teilnehmer an dualen Studiengängen und
3.
Teilnehmerinnen und Teilnehmer an Ausbildungen mit Abschnitten des schulischen Unterrichts und der praktischen Ausbildung, für die ein Ausbildungsvertrag und Anspruch auf Ausbildungsvergütung besteht (praxisintegrierte Ausbildungen).

(2) Bei Wehrdienstleistenden und Zivildienstleistenden, denen nach gesetzlichen Vorschriften für die Zeit ihres Dienstes Arbeitsentgelt weiterzugewähren ist, gilt das Beschäftigungsverhältnis durch den Wehrdienst oder Zivildienst als nicht unterbrochen. Personen, die nach dem Vierten Abschnitt des Soldatengesetzes Wehrdienst leisten, sind in dieser Beschäftigung nicht nach Absatz 1 versicherungspflichtig; sie gelten als Wehrdienst Leistende im Sinne des § 26 Abs. 1 Nr. 2. Die Sätze 1 und 2 gelten auch für Personen in einem Wehrdienstverhältnis besonderer Art nach § 6 des Einsatz-Weiterverwendungsgesetzes, wenn sie den Einsatzunfall in einem Versicherungspflichtverhältnis erlitten haben.

Tenor

Die Urteile des Hessischen Landessozialgerichts vom 6. Dezember 2013 und des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 28. September 2012 werden aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Kosten sind in allen Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger ab 16.4.2009 Anspruch auf Arbeitslosengeld (Alg) für eine längere als die ihm zuerkannte Anspruchsdauer hat.

2

Der Kläger stand ab 1.7.2007 im Bezug von Alg (Bescheid vom 15.6.2007), das ihm für die Dauer von 360 Kalendertagen bewilligt wurde. Zum 14.4.2008 meldete er sich aus dem Leistungsbezug ab, weil er wieder eine Beschäftigung aufnahm. Die Beklagte hob deshalb die Leistungsbewilligung ab diesem Tage auf. Zu dem Zeitpunkt hatte der Kläger noch einen Restanspruch auf Alg für 77 Kalendertage.

3

Am 3.12.2008 meldete sich der Kläger zum 1.1.2009 erneut arbeitslos und beantragte Alg. Er teilte mit, dass er noch Ansprüche gegen die bisherige Arbeitgeberin erhebe und mit einer Klage vor dem Arbeitsgericht (ArbG) verfolge. Die Beklagte bewilligte dem Kläger mit bestandskräftig gewordenem Bescheid vom 5.2.2009 Alg ab 1.1.2009 für die noch nicht verbrauchte Anspruchsdauer von 77 Tagen. Sie wandte sich auch an die bisherige Arbeitgeberin des Klägers und machte den Übergang etwaiger Ansprüche auf Arbeitsentgelt nach Maßgabe des § 143 Abs 3 Sozialgesetzbuch Drittes Buch(SGB III in der bis 31.3.2012 geltenden Fassung iVm § 115 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch) geltend. Am 25.2.2009 schloss der Kläger vor dem ArbG mit seiner Arbeitgeberin einen Vergleich, in dem die Parteien vereinbarten, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund einer fristgerechten betriebsbedingten Kündigung (erst) zum 15.4.2009 ende. Die Arbeitgeberin verpflichtete sich, dem Kläger bis 15.4.2009 zu den bisherigen Konditionen ein Bruttomonatsgehalt von 2700 Euro zu zahlen und das entsprechende Nettoentgelt auszuzahlen, soweit die Ansprüche nicht auf Dritte übergegangen seien. Der Kläger wurde bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses unwiderruflich von der Arbeitsleistung freigestellt.

4

Die Beklagte machte gegenüber der ehemaligen Arbeitgeberin für die Zeit vom 1.1. bis 28.2.2009 aufgrund des Anspruchsübergangs die Erstattung erbrachter Leistungen von 2035,80 Euro geltend. Die Forderung wurde von der Arbeitgeberin erfüllt. Gegenüber dem Kläger erließ sie den bestandskräftig gewordenen Änderungsbescheid vom 17.3.2009, wonach der Anspruch auf Alg vom 1.1.2009 bis 15.4.2009 wegen des Bezugs von Arbeitsentgelt ruht (§ 143 SGB III aF). Für die Zeit ab 16.4.2009 bewilligte sie dem Kläger Alg für (weitere) 77 Tage in Höhe von 33,93 Euro. Hiergegen legte der Kläger erfolglos Widerspruch ein. Er machte geltend, nach einjähriger Dauer des Arbeitsverhältnisses sei ein neuer Anspruch auf Alg entstanden. Ihm stehe ab 16.4.2009 Alg für 180 Tage zu (Widerspruchsbescheid vom 24.4.2009).

5

Der Kläger hat dagegen Klage zum Sozialgericht (SG) erhoben und die Auffassung vertreten, die Arbeitslosigkeit sei nicht am 1.1.2009, sondern erst am 16.4.2009 eingetreten. Zu diesem Zeitpunkt seien die Voraussetzungen für das Entstehen eines neuen Anspruchs auf Alg für die Dauer von mindestens sechs Monaten erfüllt gewesen. Das SG hat die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger ab 16.4.2009 Alg für die Dauer von 180 Tagen zu zahlen (Urteil vom 28.9.2012). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Durch die Zahlung von Arbeitsentgelt bis 15.4.2009 seien die Anwartschaftszeit erfüllt und ein neues Stammrecht entstanden. Der Kläger habe für (mindestens) 180 Tage Anspruch auf Alg (Urteil vom 6.12.2013).

6

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung von § 124 Abs 2 SGB III idF des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003 (BGBl I 2848, dieses idF des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003, BGBl I 3022). Zum Zeitpunkt der Arbeitslosmeldung zum 1.1.2009 sei kein neuer Anspruch auf Alg entstanden, weil die Anwartschaftszeit nicht erfüllt gewesen sei. In der Rahmenfrist vom 1.7.2007 bis 31.12.2008 sei der Kläger nicht zwölf Monate beschäftigt gewesen. Die Rahmenfrist gelte auch in Fällen der Gleichwohlgewährung. Dem stehe nicht entgegen, dass in diesen Fällen mit Rücksicht auf die anhaltende Arbeitslosigkeit eine erneute Arbeitslosmeldung entbehrlich sein könne und die Antragstellung nur noch verfahrensrechtliche Bedeutung habe. Das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 3.6.2004 (B 11 AL 70/03 R - SozR 4-4300 § 123 Nr 2) sei nicht einschlägig. Die dortige Klägerin sei mangels Erfüllung einer (früheren) Anwartschaftszeit zunächst ohne Anspruch auf Alg geblieben. Nach Abschluss eines arbeitsgerichtlichen Vergleichs sei die Anwartschaftszeit erstmals erfüllt worden. Das BSG habe in der Entscheidung klargestellt, dass keine Rahmenfrist laufe, wenn sich der Versicherte arbeitslos melde, bevor die Anwartschaftszeit erfüllt sei. Der vorliegende Fall sei damit nicht vergleichbar. Auch habe der Kläger von dem Recht, die Anspruchsentstehung auf einen späteren Zeitpunkt zu bestimmen, bis zur Entscheidung der Beklagten keinen Gebrauch gemacht.

7

Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Hessischen Landessozialgerichts vom 6. Dezember 2013 sowie des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 28. September 2012 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

8

Der Kläger beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

9

Er hält das Urteil des LSG für zutreffend.

Entscheidungsgründe

10

Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet. Das LSG hätte die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG nicht zurückweisen dürfen; denn die Anfechtungs- und Leistungsklage, mit der der Kläger die Bewilligung von Alg ab 16.4.2009 für die Dauer von 180 Kalendertagen begehrt hat, ist unbegründet. Die Bescheide der Beklagten vom 5.2.2009 und 17.3.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.4.2009, mit dem die Beklagte dem Kläger Alg ab 16.4.2009 für 77 Kalendertage bewilligt hat, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

11

1. Der Kläger hat zum 1.1.2009 kein neues Stammrecht auf Alg erworben.

12

Gemäß § 118 Abs 1 SGB III in der hier maßgeblichen Fassung des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003 (BGBl I S 2848) haben Arbeitnehmer Anspruch auf Alg bei Arbeitslosigkeit, wenn sie arbeitslos sind, sich bei der Agentur für Arbeit (AA) arbeitslos gemeldet und die Anwartschaftszeit erfüllt haben. Gemäß § 123 Abs 1 SGB III aF hat die Anwartschaftszeit iS des § 118 Abs 1 Nr 3 SGB III aF erfüllt, wer in der Rahmenfrist mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat. Gemäß § 124 Abs 1 SGB III aF beträgt die Rahmenfrist zwei Jahre und beginnt mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Alg. Gemäß § 124 Abs 2 SGB III aF reicht die Rahmenfrist nicht in eine vorangegangene Rahmenfrist hinein, in der der Arbeitslose zuvor die Anwartschaftszeit erfüllt hatte.

13

Der Kläger hat in der Rahmenfrist keine zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden. Ausgehend von seiner Arbeitslosmeldung zum 1.1.2009 beginnt die Rahmenfrist grundsätzlich am 31.12.2008. Sie würde - zurückgerechnet - am 1.1.2007 enden. Weil sie aber nicht in die vorangegangene Rahmenfrist hineinragen darf (§ 124 Abs 2 SGB III aF), endet sie in dem hier vorliegenden Fall schon am 1.7.2007, also mit Beginn des zuletzt erworbenen Alg-Anspruchs. In der Rahmenfrist vom 1.7.2007 bis 31.12.2008 hatte der Kläger lediglich 262 Tage in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden, sodass mit Eintritt der Arbeitslosigkeit und der Arbeitslosmeldung zum 1.1.2009 kein neuer Anspruch auf Alg entstanden ist.

14

Dem Kläger stand aber der noch nicht erloschene Restanspruch auf Alg für 77 Kalendertage zu, den ihm die Beklagte (zunächst ab 1.1.2009 im Wege der Gleichwohlgewährung) bewilligt und ausbezahlt hat.

15

2. Der Kläger hat zum 16.4.2009 kein neues Stammrecht auf Alg erworben.

16

Gemäß § 118 Abs 1 SGB III aF haben Arbeitnehmer Anspruch auf Alg bei Arbeitslosigkeit, wenn sie arbeitslos sind, sich bei der AA arbeitslos gemeldet und die Anwartschaftszeit erfüllt haben. Gemäß § 119 SGB III aF ist ein Arbeitnehmer arbeitslos, der nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht (Beschäftigungslosigkeit), sich bemüht, seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden (Eigenbemühungen) und den Vermittlungsbemühungen der AA zur Verfügung steht.

17

Der Kläger stand in der Zeit ab 1.1.2009 zwar in einem Versicherungspflichtverhältnis zur Bundesagentur für Arbeit (; dazu a), er hat aber die Anwartschaftszeit dennoch nicht erfüllt, weil er in der maßgeblichen Rahmenfrist nicht zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat (dazu b). Aus dem Urteil des Senats vom 3.6.2004 (B 11 AL 70/03 R - SozR 4-4300 § 123 Nr 2) ergibt sich nichts Abweichendes (dazu c). Auch die Erstattung der erbrachten Leistungen durch die Arbeitgeberin und die (erneute) Bewilligung des Alg ab 16.4.2009 verändert die Lage der Rahmenfrist nicht (dazu d).

18

a) Nach § 24 Abs 1 SGB III stehen Personen in einem Versicherungspflichtverhältnis, die als Beschäftigte oder aus sonstigen Gründen versicherungspflichtig sind. Nach Abs 2 der Vorschrift beginnt das Versicherungspflichtverhältnis für Beschäftigte mit dem Tag des Eintritts in das Beschäftigungsverhältnis und nach Abs 4 endet dieses für Beschäftigte mit dem Tag des Ausscheidens aus dem Beschäftigungsverhältnis.

19

Das Versicherungspflichtverhältnis des Klägers nach § 24 Abs 1 und 2, § 25 Abs 1 S 1 SGB III hat in der Zeit vom 1.1. bis 15.4.2009 fortbestanden.

20

Eine das Versicherungspflichtverhältnis in der Arbeitslosenversicherung begründende Beschäftigung liegt auch dann vor, wenn das Arbeitsverhältnis fortbesteht und der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer das Arbeitsentgelt (weiter)zahlt, auch wenn der Arbeitnehmer einvernehmlich und unwiderruflich bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses von der Arbeitsleistung freigestellt ist (BSG Urteil vom 24.9.2008 - B 12 KR 22/07 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 9; vgl auch BSG Urteil vom 3.6.2004 - B 11 AL 70/03 R - SozR 4-4300 § 123 Nr 2; Schlegel in Küttner, Personalbuch 2014, "Freistellung von der Arbeit" 191 Rz 47). Während einer Zeit, in der die Arbeitsvertragsparteien das Bestehen des Arbeitsverhältnisses vereinbaren und Arbeitsentgelt zahlen, besteht das Versicherungspflichtverhältnis zur BA fort, auch wenn der Arbeitnehmer die tatsächliche Beschäftigung bereits aufgegeben hat und bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses unwiderruflich freigestellt ist (zustimmend Diepold AuA 2014, 428, 429; Günther, ArbR 2009, 127, 129; Hanau/Greiner, Arbeitsmarktpolitik und Sozialrecht 2011, 103, 117; auf Dienstbereitschaft des Arbeitnehmers abstellend: Schweiger NZS 2013, 767, 769).

21

Bei Anwendung dieser Maßstäbe auf den vorliegenden Fall ergibt sich, dass der Kläger vom 1.1. bis 15.4.2009 in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat, weil er aufgrund der in dem arbeitsgerichtlichen Vergleich getroffenen Vereinbarung formal in einem Arbeitsverhältnis stand und in der Zeit auch ein mehr als geringfügiges Arbeitsentgelt bezog. Obwohl er tatsächlich nicht gearbeitet hat, war er nach § 24 Abs 1 und 2, § 25 Abs 1 S 1 SGB III beitragsrechtlich beschäftigt.

22

b) Die Anwartschaftszeit nach § 123 Abs 1 S 1 SGB III aF(jetzt § 142 Abs 1 S 1 SGB III) ist dennoch nicht erfüllt, weil die Zeit der Versicherungspflicht ab 1.1.2009 nicht innerhalb der maßgeblichen Rahmenfrist liegt und innerhalb dieser keine zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis zurückgelegt wurden.

23

Die Anwartschaftszeit erfüllt, wer in der Rahmenfrist (§ 124 Abs 1 SGB III aF; § 143 Abs 1 SGB III) zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat. Die Rahmenfrist beträgt grundsätzlich zwei Jahre und beginnt mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstiger Voraussetzungen mit dem Anspruch auf Alg.

24

Im vorliegenden Fall beginnt die Rahmenfrist für den Anspruch auf Alg am 31.12.2008; sie ist von diesem Tag an zurückzurechnen. Sie reicht zeitlich nicht über den 31.12.2008 hinaus, weil die (weiteren) Voraussetzungen des Anspruchs auf Alg bei Arbeitslosigkeit am 1.1.2009 vorgelegen haben. Der Kläger war zu diesem Zeitpunkt (leistungsrechtlich) arbeitslos (§ 118 Abs 1 Nr 1 iVm § 119 Abs 1 SGB III aF)und hatte sich bei der AA persönlich arbeitslos gemeldet (§ 118 Abs 1 Nr 2 iVm § 122 SGB III aF)und Alg beantragt. Die Rahmenfrist endet - wie bereits ausgeführt - am 1.7.2007, weil sie nicht in eine vorangegangene Rahmenfrist hineinreicht (§ 124 Abs 2 SGB III aF; dazu auch BSG Urteil vom 11.6.1987 - 7 RAr 40/86 - SozR 4100 § 117 Nr 19 S 95).

25

In der maßgeblichen Rahmenfrist vom 1.7.2007 bis 31.12.2008 hat der Kläger keine 360 Tage in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden.

26

c) Dem Urteil des Senats vom 3.6.2004 (B 11 AL 70/03 R - SozR 4-4300 § 123 Nr 2) lässt sich kein anderes Ergebnis entnehmen.

27

Dort hatte der Senat entschieden, dass die Anwartschaftszeit für einen Anspruch auf Alg noch erfüllt werden kann, wenn der Arbeitnehmer nicht mehr in einem leistungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnis steht und sich arbeitslos gemeldet hat, aber das Arbeitsverhältnis noch weiter besteht. Soweit Arbeitslosigkeit besteht und der Versicherte sich arbeitslos gemeldet hat, genüge es, dass bei Fortbestand bzw Fortwirkung dieser Umstände (später) die Anwartschaftszeit erfüllt werde.

28

Diesem Fall lag aber die Besonderheit zu Grunde, dass die dortige Klägerin die Anwartschaftszeit erstmals erfüllte. Weder existierte eine vorangegangene Rahmenfrist noch bestand ein Restleistungsanspruch auf Alg. Vielmehr hatte die Klägerin, nachdem sie sich zuvor arbeitslos gemeldet hatte und tatsächlich beschäftigungslos war, mit der (späteren) Erfüllung der Anwartschaftszeit ein Stammrecht auf Alg erworben. Deshalb hat der Senat in der Entscheidung betont (BSG aaO, RdNr 20), dass die Rahmenfrist in diesen Fällen nicht beginnt, bevor die Anwartschaftszeit nicht erfüllt ist.

29

Der Senat hat seine Entscheidung vom 3.6.2004 aber von anderen, bereits entschiedenen Konstellationen ausdrücklich abgegrenzt, in denen die nachträgliche "Korrektur" einer für den Leistungsfall maßgeblichen Rahmenfrist nicht erfolgen kann. Eine solche Korrektur ist ausgeschlossen, wenn das ArbG auf eine Kündigungsschutzklage hin durch Urteil oder die Arbeitsvertragsparteien in einem gerichtlichen Vergleich das Ende des Arbeitsverhältnisses auf einen Zeitpunkt nach dem faktischen Ende der Beschäftigung festlegen (BSG Urteil vom 11.6.1987 - 7 RAr 40/86 - SozR 4100 § 117 Nr 19; BSG Urteil vom 29.9.1987 - 7 RAr 59/86 - SozR 4100 § 117 Nr 20; BSG Urteil vom 3.12.1998 - B 7 AL 34/98 R - SozR 3-4100 § 117 Nr 17; zustimmend Ockenga, Die Sicherung von Arbeitnehmerrechten 2008, S 66 RdNr 30). Das Urteil vom 3.6.2004 ist nicht auf Fallgestaltungen übertragbar, in denen nach dem faktischen Ende der Beschäftigung ein Anspruch auf Alg bestanden hat und es zur (Gleichwohl-)Gewährung von Alg gekommen ist.

30

d) Auch die Rückabwicklung der Gleichwohlgewährung von Alg in der Weise, dass die Arbeitgeberin der BA aufgrund des Anspruchsübergangs nach § 115 SGB X die erbrachten Sozialleistungen erstattet hat und die BA dem Kläger ab 16.4.2009 (erneut) Alg bewilligte, verändert die Lage der Rahmenfrist nicht.

31

Der Senat hat schon entschieden, dass die Gleichwohlgewährung von Alg, auch wenn sie später "rückabgewickelt" wird, nicht zu einer Verschiebung der Rahmenfrist führt. Vielmehr legt schon die Gewährung von Alg nach § 143 Abs 3 SGB III aF die Rahmenfrist als Voraussetzung für die Prüfung der Anwartschaftszeit fest(noch zu § 117 AFG: BSG Urteil vom 11.6.1987 - 7 RAr 40/86 - SozR 4100 § 117 Nr 19; BSG Urteil vom 29.9.1987 - 7 RAr 59/86 - SozR 4100 § 117 Nr 20; zustimmend: Striebinger in Gagel SGB II/SGB III, Stand 12/2013, § 143 RdNr 19; Lauer in Mutschler/Schmidt-De Caluwe/Coseriu, SGB III, 5. Aufl 2013, § 143 RdNr 16; Söhngen in Eicher/Schlegel SGB III, Stand April 2014, § 143 RdNr 28; Mutschler in Kreikebohm/Spellbrink/Waltermann, 3. Aufl 2013, § 143 RdNr 3; Brand in Brand SGB III, 6. Aufl 2012, § 143 RdNr 2).

32

Bei dieser Auffassung ist der Senat auch im Urteil vom 4.7.2012 (B 11 AL 16/11 R - SozR 4-4300 § 123 Nr 6) verblieben. Dort hat er entschieden, dass während des Bezugs von Alg in einem fortbestehenden Arbeitsverhältnis keine neue Anwartschaft auf Alg entsteht, wenn es nach den tatsächlichen Verhältnissen an dem beiderseitigen Willen der Arbeitsvertragsparteien fehlt, das Beschäftigungsverhältnis fortzusetzen und der Arbeitgeber seine arbeitsrechtliche Verfügungsmöglichkeit nicht mehr wahrnehmen kann.

33

Im vorliegenden Fall verbleibt es deshalb bei dem Grundsatz, dass der Eintritt von Arbeitslosigkeit, die Arbeitslosmeldung und der Bezug von Alg im Wege der Gleichwohlgewährung den Beginn der zurückzurechnenden Rahmenfrist festlegt, soweit ein Stammrecht auf Alg bestanden hat. Die (spätere) Vereinbarung der Zahlung von Arbeitsentgelt in dem gerichtlichen Vergleich hat den entstandenen Anspruch auf Alg - wie sich aus § 143 Abs 1 SGB III aF ergibt - (nur) zum Ruhen gebracht. Das Ruhen des Zahlungsanspruchs ändert aber nichts an der Lage der Rahmenfrist (Öndül in juris-PK SGB III § 143 RdNr 26; vgl auch Schlegel in Küttner, Personalbuch 2014, "Freistellung von der Arbeit" 191 Rz 38).

34

Da die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 5.2.2009 Alg ab 1.1.2009 im Wege der Gleichwohlgewährung bewilligt hatte, war damit die Rahmenfrist ausgelöst und durch spätere Zeiten in einem beitragsrechtlichen Versicherungspflichtverhältnis nicht mehr zu verändern. Vielmehr ist dem Kläger ab 1.1.2009 rechtmäßig Alg gezahlt worden (BSG Urteil vom 3.12.1998 - B 7 AL 34/98 R - SozR 3-4100 § 117 Nr 17 S 118 f).

35

Da der Kläger auch zum 16.4.2009 die Anwartschaftszeit nicht erfüllt hat, hat er auch zu diesem Zeitpunkt keinen neuen Anspruch auf Alg für die Dauer von 180 Kalendertagen erworben.

36

3. Der Kläger hat auch nicht bestimmt, dass der Anspruch auf Alg zu einem späteren Zeitpunkt als dem 1.1.2009 entstehen soll.

37

Zwar kann der Arbeitnehmer nach § 118 Abs 2 SGB III aF(jetzt § 137 Abs 2 SGB III) bis zur Entscheidung der Bundesagentur für Arbeit über den Anspruch bestimmen, dass der Anspruch nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt entstehen soll. Aufgrund dieser Regelung wäre es möglich gewesen, die Entstehung des Anspruchs zeitlich auf den 16.4.2009 zu verschieben. Der Kläger hat aber eine entsprechende Disposition bis zur Entscheidung über seinen Antrag auf Bewilligung von Alg, die mit Bescheid vom 5.2.2009 getroffen wurde, nicht getätigt.

38

4. Der Kläger kann sein Begehren nicht auf den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch stützen.

39

Der Herstellungsanspruch hat einen (im Wesentlichen dreigliedrigen) Tatbestand. Dieser fordert das Vorliegen einer Pflichtverletzung, die dem zuständigen Sozialleistungsträger zuzurechnen ist. Dadurch muss beim Berechtigten ein sozialrechtlicher Nachteil oder Schaden eingetreten sein. Schließlich muss durch Vornahme einer Amtshandlung des Trägers der Zustand wiederhergestellt werden können, der bestehen würde, wenn die Pflichtverletzung nicht erfolgt wäre (stRspr; zB BSG Urteil vom 3.4.2014 - B 5 R 5/13 R - SozR 4-2600 § 137b Nr 1 RdNr 37).

40

Es kann dahingestellt bleiben, ob die Beklagte den Kläger über die Möglichkeit der Ausübung des Wahlrechts (§ 118 Abs 2 SGB III aF, § 137 Abs 2 SGB III) hätte beraten müssen (so das LSG unter Hinweis auf SG Mannheim, Urteil vom 9.9.2010 - S 14 AL 3538/09 - Juris; Schweiger, Arbeitsförderungsrechtliche Folgen der Freistellung des Arbeitnehmers von der Arbeitsleistung, NZS 2013, 767, 770 f).

41

Vorliegend fehlt es nach den Feststellungen des LSG, gegen die der Kläger eine Gegenrüge (dazu Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 163 RdNr 5a und § 170 RdNr 4b bis 4d) nicht erhoben hat und die deshalb für den Senat bindend sind (§ 163 SGG), an der erforderlichen Kausalität zwischen der unterbliebenen Beratung und dem beim Kläger eingetretenen Rechtsnachteil, der in dem kürzeren Leistungsanspruch liegt.

42

Darüber hinaus ist die Erfüllung der Anwartschaftszeit in einer geänderten Rahmenfrist nicht herstellbar, wenn der Berechtigte - wie hier der Kläger - bereits tatsächlich Alg bezogen hat. Der tatsächliche Leistungsbezug, der auch rechtmäßig gewesen ist (BSG Urteil vom 3.12.1998 - B 7 AL 34/98 R - SozR 3-4100 § 117 Nr 17 S 118 f),steht der Herstellung des rechtmäßigen Zustands entgegen, der bestünde, wenn der Kläger unmittelbar sein Wahlrecht dahingehend ausgeübt hätte, dass er erst später Anspruch auf Alg erhebt. Denn nach einem Bezug von Alg im Wege der Gleichwohlgewährung ist - wie bereits ausgeführt - eine Änderung der Festlegung der Rahmenfrist durch eine vergleichsweise Vereinbarung rechtlich nicht mehr zulässig.

43

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 Abs 1 SGG.

Tenor

I.

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 18.05.2016 - S 10 AL 43/16 - wird zurückgewiesen.

II.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

I. Streitig ist die Höhe des zu zahlenden Arbeitslosengeldes (Alg). Die Klägerin war vom 01.07.1988 bis 31.01.2016 versicherungspflichtig beschäftigt. Seit 30.11.2015 war sie von ihrem Arbeitgeber unwiderruflich freigestellt worden, Arbeitsentgelt wurde bis 31.01.2016 weiter gezahlt. Am 21.12.2014 meldete sich die Klägerin persönlich arbeitslos und beantragte die Bewilligung von Alg ab 01.02.2016. Mit Bescheid vom 09.02.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.02.2016 bewilligte die Beklagte Alg ab 01.02.2016 für 360 Tage mit einem täglichen Leistungsbetrag in Höhe von 32,81 EUR. Dieses Leistungsentgelt berechnete sich aus dem bis 29.11.2015 im Bemessungszeitraum abgerechneten Bemessungsentgelt (zuletzt abgerechnetes Entgelt: Oktober 2015). Ab 30.11.2015 habe in Folge der unwiderruflichen Freistellung kein (leistungsrechtliches) Beschäftigungsverhältnis mehr bestanden, auch wenn das (beitragsrechtliche) Beschäftigungsverhältnis bzw. Arbeitsverhältnis erst am 31.01.2016 (Bemessungsrahmen: 01.02.2015 bis 31.01.2016) geendet habe. Die dagegen erhobene Klage hat das Sozialgericht Bayreuth (SG) mit Urteil vom 18.05.2016 abgewiesen. Das von der Klägerin zitierte Urteil des BSG vom 11.12.2014 (B 11 AL 2/14 R - veröffentlicht in juris) befasse sich mit dem Entstehen einer Anwartschaft und stelle diesbezüglich auf das beitragsrechtlich zu begründende Beschäftigungsverhältnis ab. Es sei daher vorliegend nicht einschlägig. Die Berufung hat das SG nicht zugelassen. Dagegen hat die Klägerin Nichtzulassungsbeschwerde zum Bayerischen Landessozialgericht (LSG) erhoben. Das SG weiche von der genannten Rechtsprechung des BSG ab. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

II.

Die fristgerecht eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde ist gemäß § 145 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, sachlich aber nicht begründet. Es gibt keinen Grund, die gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG wegen des Wertes des Beschwerdegegenstandes ausgeschlossene Berufung zuzulassen. Der Beschwerdewert wird selbst bei Berücksichtigung aller bis 31.01.2016 erzielten Einkünfte aus der beendeten Tätigkeit nicht erreicht. Auch sind nicht wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betroffen (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).

Nach § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr. 1), das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr. 2) oder ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (Nr. 3).

Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist gegeben, wenn die Streitsache eine bisher nicht geklärte Rechtsfrage abstrakter Art aufwirft, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern, wobei ein Individualinteresse nicht genügt (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11.Aufl, § 144 Rn. 28). Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, die sich nach der Gesetzeslage und dem Stand der Rechtsprechung und Literatur nicht ohne weiteres beantworten lässt. Nicht klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, wenn die Antwort auf sie so gut wie unbestritten ist (BSG SozR 1500 § 160 Nr. 17) oder praktisch von vornherein außer Zweifel steht (BSG SozR 1500 § 160a Nr. 4). Der Rechtsstreit hat keine grundsätzliche Bedeutung. Die Frage, dass hinsichtlich des Bemessungszeitraumes und des Bemessungsentgeltes auf das leistungsrechtliche Beschäftigungsverhältnis abzustellen ist, bei dem die tatsächliche Erbringung von Arbeit maßgebend ist, ist bereits geklärt (vgl. unter anderem BSG, Urteil vom 08.07.2009 - B 11 AL 14/08 R -; BSG, Beschluss vom 30.04.2010 - B 11 AL 160/09 B - beide veröffentlicht in juris). Durch die von der Klägerin zitierte Entscheidung vom BSG vom 11.12.2014 wird diese Rechtsprechung auch nicht aufgegeben. Das SG weicht auch nicht von der Rechtsprechung des BSG ab, denn die von der Klägerin zitierte Entscheidung des BSG vom 11.12.2014 betrifft die Frage der Erfüllung der Anwartschaftszeit und erlangt vorliegend lediglich für die Frage der Feststellung des Bemessungsrahmens Bedeutung. Diesbezüglich hat die Beklagte den Bemessungsrahmen zutreffend festgelegt. Verfahrensfehler hat die Klägerin nicht geltend gemacht und sind für den Senat auch nicht ersichtlich. Nach alldem war die Beschwerde mit der Folge zurückzuweisen, dass das Urteil des SG rechtskräftig ist (§ 145 Abs. 4 Satz 4 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).

Gründe

1

Das konkrete Normenkontrollverfahren betrifft die Frage, ob es mit dem Grundgesetz vereinbar ist, dass für die Bestimmung der Höhe des Arbeitslosengeldes nach dem seit dem 1. Januar 2005 geltenden Recht ein fiktives Arbeitsentgelt als Bemessungsentgelt zugrunde zu legen ist, wenn der Anspruchsberechtigte innerhalb von zwei Jahren vor Entstehung der Voraussetzungen für einen Anspruch auf Arbeitslosengeld ein Kind unter drei Jahren betreut hat und keiner versicherungspflichtigen Beschäftigung nachgegangen ist, vor der Geburt des Kindes jedoch ein gegenüber dem fiktiven Arbeitsentgelt höheres Bruttoarbeitsentgelt bezogen hat.

I.

2

1. Die Höhe des Arbeitslosengeldes regelt § 129 Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung - (SGB II). Das Arbeitslosengeld beträgt danach

3

1. für Arbeitslose, die mindestens ein Kind im Sinne des § 32 Abs. 1, 3 bis 5 des Einkommensteuergesetzes haben, sowie für Arbeitslose, deren Ehegatte oder Lebenspartner mindestens ein Kind im Sinne des § 32 Abs. 1, 4 und 5 des Einkommensteuer-gesetzes hat, wenn beide Ehegatten oder Lebenspartner unbe-schränkt einkommensteuerpflichtig sind und nicht dauernd getrennt leben, 67 Prozent (erhöhter Leistungssatz),

4

2. für die übrigen Arbeitslosen 60 Prozent (allgemeiner Leistungssatz)

5

des pauschalierten Nettoentgelts (Leistungsentgelt), das sich aus dem Bruttoentgelt ergibt, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat (Bemessungsentgelt). Die Regelungen zur Bestimmung des Bemessungsentgelts sind mit Wirkung zum 1. Januar 2005 geändert worden.

6

a) Nach § 132 Abs. 1 SGB III in der bis zum 31. Dezember 2004 geltenden Fassung (SGB III a.F.) war das Bemessungsentgelt das im Bemessungszeitraum durchschnittlich auf die Woche entfallende beitragspflichtige Entgelt. Für seine Berechnung war das Entgelt im Bemessungszeitraum durch die Zahl der Wochen zu teilen, für die es gezahlt worden ist (§ 132 Abs. 2 Satz 1 SGB III a.F.). Der Bemessungszeitraum umfasste nach § 130 Abs. 1 SGB III a.F. die Entgeltabrechnungszeiträume, die in den letzten 52 Wochen vor der Entstehung des Anspruches, in denen Versicherungspflicht bestand, enthalten waren und beim Ausscheiden des Arbeitslosen aus dem Versicherungspflichtverhältnis vor der Entstehung des Anspruches abgerechnet waren. Enthielt der Bemessungszeitraum weniger als 39 Wochen mit Anspruch auf Entgelt, so verlängerte er sich nach § 130 Abs. 2 Satz 1 SGB III a.F. um weitere Entgeltabrechnungszeiträume, bis 39 Wochen mit Anspruch auf Entgelt erreicht waren. Bei der Ermittlung des Bemessungszeitraumes blieben u.a. Zeiten außer Betracht, in denen der Arbeitslose Erziehungsgeld bezogen oder nur wegen der Berücksichtigung von Einkommen nicht bezogen hat, soweit wegen der Betreuung oder Erziehung eines Kindes das Arbeitsentgelt oder die durchschnittliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit gemindert war, oder - für die Zeit ab dem 1. Januar 2003 - nach Maßgabe von § 26 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 2a SGB III Versicherungspflicht wegen des Bezuges von Mutterschaftsgeld oder der Erziehung eines Kindes bestand (§ 131 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB III a.F.).

7

Nach der Rechtsprechung war auch nach der damaligen Rechtslage zwischen dem Bemessungszeitraum, d.h. den berücksichtigungsfähigen Entgeltabrechnungszeiträumen, sofern sie die erforderliche Mindestzahl von 39 Arbeitswochen mit Anspruch auf Arbeitsentgelt enthielten, und dem Bemessungsrahmen, d.h. grundsätzlich die letzten 52 Wochen vor der Entstehung des Anspruchs, in denen Versicherungspflicht bestand, zu unterscheiden (vgl. BSG, Urteil vom 2. September 2004 - B 7 AL 68/03 R -, juris, Rn. 13; BSGE 100, 295 <300 Rn. 26>, jeweils m.w.N.). Dass nach § 131 Abs. 2 Satz 1 SGB III a.F. bestimmte Zeiten "außer Betracht" blieben, hatte zur Folge, dass sie als Entgeltabrechnungszeiträume innerhalb des Bemessungsrahmens nicht berücksichtigt wurden (vgl. BSG, Urteil vom 2. September 2004 - B 7 AL 68/03 R -, juris, Rn. 18). Waren im Bemessungsrahmen ohne die außer Betracht bleibenden Zeiten weniger als 39 Wochen mit Anspruch auf Entgelt vorhanden, verlängerte sich der Bemessungszeitraum um weitere Entgeltabrechnungszeiträume bis 39 Wochen mit Anspruch auf Entgelt vorhanden waren (vgl. BSGE 100, 295 <300 Rn. 27> m.w.N.). In der Sache konnte damit nach § 131 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB III a.F. der Bemessungszeitraum um die ersten 24 Lebensmonate bei leiblichen Kindern oder für die Dauer von maximal zwei Jahren bei angenommenen Kindern (vgl. § 4 Abs. 1 BErzGG in der bis zum 31. Dezember 2008 geltenden Fassung) oder für die Zeit ab dem 1. Januar 2003 um die Zeit bis zur Vollendung des 3. Lebensjahres des betreuten Kindes bzw. die gesetzlichen Mutterschutzfristen (§ 3 Abs. 2, § 6 Abs. 1 MuSchG i.V.m. § 200 Abs. 1 RVO) hinaus geschoben werden und so in Zeiträume hineinreichen, in denen ein Anspruch auf ungemindertes Arbeitsentgelt bestand oder die wöchentliche Arbeitszeit nicht reduziert war (vgl. BTDrucks 14/7347, S. 73 zu Art. 1 Nr. 43).

8

Die Ausdehnung des Bemessungszeitraums unterlag jedoch einer absoluten Grenze, die sich aus § 133 Abs. 4 SGB III a.F. ergab. Danach war das Bemessungsentgelt das tarifliche Arbeitsentgelt derjenigen Beschäftigung, auf die das Arbeitsamt die Vermittlungsbemühungen für den Arbeitslosen in erster Linie zu erstrecken hat, wenn ein Bemessungszeitraum von mindestens 39 Wochen mit Anspruch auf Entgelt innerhalb der letzten drei Jahre vor der Entstehung des Anspruchs nicht festgestellt werden konnte. Damit hatte auch bis zum 31. Dezember 2004 eine fiktive Bemessung zu erfolgen, falls sich innerhalb der letzten drei Jahre vor Entstehung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld kein ausreichend langer Bemessungszeitraum mit mindestens 39 Wochen mit Anspruch auf Entgelt ohne die Zeiten erziehungsbedingter Minderung der Arbeitszeit bzw. des Arbeitsentgelts feststellen ließ (vgl. BSGE 100, 295 <299 f. Rn. 24, 27>; LSG NRW, Urteil vom 10. März 2003 - L 12 AL 83/03 -, juris, Rn. 28; BTDrucks 14/7347, S. 73 zu Art. 1 Nr. 43).

9

Eine ähnliche Regelung enthielt bereits das bis zum 31. Dezember 1997 geltende Arbeitsförderungsgesetz (AFG). Nach § 112 Abs. 7 2. Alt AFG war von dem am Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort des Arbeitslosen maßgeblichen tariflichen oder mangels einer tariflichen Regelung von dem ortsüblichen Arbeitsentgelt derjenigen Beschäftigung auszugehen, für die der Arbeitslose nach seinem Lebensalter und seiner Leistungsfähigkeit unter billiger Berücksichtigung seines Berufs und seiner Ausbildung nach Lage und Entwicklung des Arbeitsmarkts in Betracht kam, wenn der letzte Tag des Bemessungszeitraums bei Entstehung des Anspruchs länger als drei Jahre zurück lag.

10

b) Durch Art. 1 Nr. 71 und 72 des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2003 (BGBl I S. 2848) ist mit Wirkung ab dem 1. Januar 2005 (Art. 124 Abs. 3 des Gesetzes) das Recht der Bestimmung des Bemessungsentgelts reformiert worden. Die hier maßgeblichen Regelungen erhielten folgenden Wortlaut:

11

§ 130

12

Bemessungszeitraum und Bemessungsrahmen

13

(1) Der Bemessungszeitraum umfasst die beim Ausscheiden des Arbeitslosen aus dem jeweiligen Beschäftigungsverhältnis abgerechneten Entgeltabrechnungszeiträume der versicherungspflichtigen Beschäftigungen im Bemessungsrahmen. Der Bemessungsrahmen umfasst ein Jahr; er endet mit dem letzten Tag des letzten Versicherungspflichtverhältnisses vor der Entstehung des Anspruchs.

14

(2) Bei der Ermittlung des Bemessungszeitraums bleiben außer Betracht

15

16

3. Zeiten, in denen der Arbeitslose Erziehungsgeld bezogen oder nur wegen der Berücksichtigung von Einkommen nicht bezogen hat oder ein Kind unter drei Jahren betreut und erzogen hat, wenn wegen der Betreuung und Erziehung des Kindes das Arbeitsentgelt oder die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit gemindert war,

17

18

(3) Der Bemessungsrahmen wird auf zwei Jahre erweitert, wenn

19

1. der Bemessungszeitraum weniger als 150 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt enthält oder

20

21

§ 131

22

Bemessungsentgelt

23

(1) Bemessungsentgelt ist das durchschnittlich auf den Tag entfallende beitragspflichtige Arbeitsentgelt, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat. Arbeitsentgelte, auf die der Arbeitslose beim Ausscheiden aus dem Beschäftigungsverhältnis Anspruch hatte, gelten als erzielt, wenn sie zugeflossen oder nur wegen Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers nicht zugeflossen sind.

24

25

§ 132

26

Fiktive Bemessung

27

(1) Kann ein Bemessungszeitraum von mindestens 150 Tagen mit Anspruch auf Arbeitsentgelt innerhalb des auf zwei Jahre erweiterten Bemessungsrahmens nicht festgestellt werden, ist als Bemessungsentgelt ein fiktives Arbeitsentgelt zugrunde zu legen.

28

(2) Für die Festsetzung des fiktiven Arbeitsentgelts ist der Arbeitslose der Qualifikationsgruppe zuzuordnen, die der beruflichen Qualifikation entspricht, die für die Beschäftigung erforderlich ist, auf die die Agentur für Arbeit die Vermittlungsbemühungen für den Arbeitslosen in erster Linie zu erstrecken hat. Dabei ist zugrunde zu legen für Beschäftigungen, die

29

1. eine Hochschul- oder Fachhochschulausbildung erfordern (Qualifikationsgruppe 1), ein Arbeitsentgelt in Höhe von einem Dreihundertstel der Bezugsgröße,

30

2. einen Fachschulabschluss, den Nachweis über eine abgeschlossene Qualifikation als Meister oder einen Abschluss in einer vergleichbaren Einrichtung erfordern (Qualifikationsgruppe 2), ein Arbeitsentgelt in Höhe von einem Dreihundertsechzigstel der Bezugsgröße,

31

3. eine abgeschlossene Ausbildung in einem Ausbildungsberuf erfordern (Qualifikationsgruppe 3), ein Arbeitsentgelt in Höhe von einem Vierhundertfünfzigstel der Bezugsgröße,

32

4. keine Ausbildung erfordern (Qualifikationsgruppe 4), ein Arbeitsentgelt in Höhe von einem Sechshundertstel der Bezugsgröße.

33

Die Bezugsgröße im Sinne der Vorschriften für die Sozialversicherung wird in § 18 SGB IV definiert und durch eine auf der Grundlage von § 17 Abs. 2 SGB IV erlassenen Rechtsverordnung (Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnung) im Voraus für jedes Kalenderjahr für die alten Bundesländer einerseits und das Beitrittsgebiet andererseits (Bezugsgröße Ost, § 18 Abs. 2 SGB IV) bestimmt.

34

2. Die Klägerin des Ausgangsverfahrens war vom 1. Dezember 2000 bis zum 14. Januar 2003 versicherungspflichtig in den alten Bundesländern als Buchhalterin beschäftigt. Ab dem 15. Januar 2003 befand sie sich im Mutterschutz und bezog Mutterschaftsgeld bis zum 23. April 2003. Am 22. Februar 2003 brachte sie ihr Kind zur Welt. Anschließend bezog sie bis zum 21. Februar 2005 Erziehungsgeld nach dem Bundeserziehungsgeldgesetz und sodann, nachdem sie zwischenzeitlich nach Sachsen umgezogen war, bis zum 21. November 2005 Erziehungsgeld nach dem Sächsischen Landeserziehungsgeldgesetz. Nach Auflösung ihres Arbeitsverhältnisses meldete sie sich zum 11. Januar 2006 bei der Beklagten des Ausgangsverfahrens arbeitslos. Diese bewilligte der Klägerin des Ausgangsverfahrens ab dem 11. Januar 2006 Arbeitslosengeld in Höhe von täglich 25,85 Euro. Bei der Berechnung der Höhe des Arbeitslosengeldes legte sie, wie sie später im Widerspruchsbescheid erläuterte, ein fiktives Bemessungsentgelt ausgehend von der Qualifikationsgruppe 3 und der Bezugsgröße (Ost) zugrunde. Mit ihrer nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobenen Klage macht die Klägerin des Ausgangsverfahrens sinngemäß geltend, als Bemessungsentgelt für die Bestimmung der Höhe des Arbeitslosengeldes müsse das zuletzt vor der Geburt ihres Kindes bezogene Bruttoarbeitsentgelt zugrunde gelegt werden.

35

3. Mit Beschluss vom 12. September 2007 hat das Sozialgericht das Verfahren ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht folgende Fragen zur Entscheidung vorgelegt:

36

a) Verstößt § 130 SGB III der ab 1.1.2005 maßgebenden Fassung gegen Art 6 Abs 4 GG oder Art 3 GG, soweit aufgrund dieser Regelung eine fiktive Bemessung nach § 132 SGB III und nicht eine Bemessung aufgrund real erwirtschafteter Sozialversicherungsbeiträge zu erfolgen hat, wenn ein Elternteil ein Kind unter drei Jahren mehr als 580 Tage Vollzeit betreut und erzieht statt innerhalb des auf zwei Jahre erweiterten Bemessungsrahmens einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachzugehen?

37

b) Widerspricht die Regelung des § 132 SGB III dem Gleichheitsgebot, soweit betreuende Eltern, deren Bemessungsentgelt auf der Grundlage des real erzielten Arbeitseinkommens höher wäre, durch diese Berechnung schlechter gestellt werden, wohingegen betreuende Eltern, deren Realeinkommen niedriger war, sogar bessergestellt werden?

38

Zur Begründung hat es ausgeführt, die Verfassungsmäßigkeit der genannten Vorschriften sei entscheidungserheblich. Gemäß § 132 SGB III in der seit dem 1. Januar 2005 geltenden Fassung sei ein fiktives Bemessungsentgelt zugrunde zu legen, weil für die Klägerin auch in dem nach § 130 Abs. 3 SGB III erweiterten Bemessungsrahmen vom 11. Januar 2004 bis zum 10. Januar 2006 kein Tag mit Anspruch auf Arbeitsentgelt festzustellen sei. Die Beklagte habe die Klägerin auch im Sinne von § 132 Abs. 2 SGB III zutreffend in die Qualifikationsgruppe 3 eingeordnet. Anders wäre die Situation dann, wenn sich die alleinerziehende Klägerin durchgerungen hätte, ihr Kind im Bemessungsrahmen mindestens 150 Tage in eine Fremdbetreuung zu geben und einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachzugehen. Denn hätte sie sich innerhalb des zweijährigen Bemessungsrahmens (730 Tage) höchstens 580 Tage ganz der Pflege ihres Kindes gewidmet, wäre nicht nur keine fiktive Berechnung gemäß § 132 SGB III vorzunehmen, sondern die Klägerin würde darüber hinaus gemäß § 130 Abs. 2 Nr. 3 SGB III privilegiert. Zwar dürfte entgegen der Auffassung der Beklagten die Anwendung der Bezugsgröße West zutreffend sein. Aber selbst wenn in diesem Punkt eine zugunsten der Klägerin von den Bescheiden der Beklagten abweichende Entscheidung erginge, bliebe es dabei, dass die fiktive Bemessung nach § 132 SGB III sie erheblich schlechter stelle als eine Berechnung auf der Grundlage ihres tatsächlich erwirtschafteten Arbeitsentgeltes, was eine gegenüberstellende Berechnung der Höhe des Arbeitslosengeldes auf der Grundlage der Bezugsgröße Ost, der Bezuggröße West und des im Zeitraum vom 15. Januar 2002 bis zum 14. Januar 2003 bezogenen Bruttoarbeitsentgelts zeige.

39

Das Gericht sei von der Verfassungswidrigkeit der §§ 130, 132 SGB III in der seit dem 1. Januar 2005 geltenden Fassung überzeugt, weil das an sich zu begrüßende Bestreben des Gesetzgebers, die Regelungen über das Bemessungsentgelt zu vereinfachen, mit den im Grundgesetz verankerten Grundwerten kollidiere. Art. 6 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 GG schütze die Familie zunächst und zuvörderst als Lebens- und Erziehungsgemeinschaft. Dem liege die Erkenntnis zugrunde, dass die leibliche und seelische Entwicklung der Kinder in der Familie und in der elterlichen Erziehung eine wesentliche Grundlage finde und gerade die ersten Lebensjahre das Fundament für die gesamte weitere Entwicklung des Kindes bildeten und deshalb besonders schützenswert seien. Unvereinbar mit dieser verfassungsrechtlich geschützten Grunderkenntnis sei es, dass ein Elternteil, der sich entschließe, sich nach der Geburt des Kindes uneingeschränkt seinem Kind zu widmen, finanziell benachteiligt werde gegenüber anderen Eltern, die sich entschlössen, neben ihrer Betreuungsleistung im aufgezeigten Rahmen einer sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit nachzugehen, und hierdurch - wie dargestellt - eine doppelte Privilegierung erführen.

40

Dies lasse sich auch nicht unter der Annahme rechtfertigen, ein Ausstieg aus dem Erwerbsleben führe zu einer Erschwerung des Wiedereinstieges. Denn selbst wenn dies zuträfe, wäre dies in diesem konkreten Zusammenhang, in dem die Unterbrechung der Erwerbstätigkeit der Betreuung eines Kleinkindes diene, kein sachlicher Grund, der eine Schlechterstellung zu rechtfertigen vermöge. Dies werde im vorliegenden Fall der alleinerziehenden Klägerin, die als Mutter überdies auch gemäß Art. 6 Abs. 4 GG einen Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft habe und sich in einer nicht einfachen Lebenssituation befinde, besonders deutlich. Führe auch die Pauschalisierung in § 132 SGB III dazu, dass nicht jeder Leistungsempfänger in der Lebenssituation der Klägerin benachteiligt werde, so kompensiere dies nicht den dargestellten Eingriff. Denn die finanzielle Benachteiligung der Klägerin werde hierdurch nicht beseitigt, sondern eine Ungleichbehandlung geschaffen, die sachlich nicht zu rechtfertigen sei. Hieran ändere sich auch nichts durch Wägung der im Prinzip zutreffenden Annahme, dass der Anspruch einer Mutter auf Schutz und Fürsorge der Gemeinschaft nicht dazu führe, dass der Gesetzgeber gehalten wäre, jede mit der Mutterschaft zusammenhängende wirtschaftliche Belastung auszugleichen. Denn diese Erkenntnis greife vorliegend zu kurz. Jede Familie, in der ein Kind heranwachse, verdiene die Fürsorge der Gemeinschaft und müsse sich mit Erfolg dagegen wehren können - jedenfalls im Rahmen des Sozialrechtes -, dass eine Vollzeitbetreuung in ihrer Bedeutung nicht nur nicht anerkannt werde, sondern mit einer Diskriminierung einhergehe.

II.

41

Die Vorlage ist unzulässig.

42

1. Ein Gericht kann eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungsmäßigkeit einer gesetzlichen Vorschrift nach Art. 100 Abs. 1 GG nur einholen, wenn es zuvor sowohl die Entscheidungserheblichkeit der Vorschrift als auch ihre Verfassungsmäßigkeit sorgfältig geprüft hat (vgl. BVerfGE 86, 71 <76>). Gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG muss das vorlegende Gericht in den Gründen seiner Entscheidung ausführen, inwiefern seine Entscheidung von der Gültigkeit der zur Prüfung gestellten Norm abhängt und mit welcher übergeordneten Rechtsnorm sie unvereinbar ist.

43

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts genügt ein Vorlagebeschluss dem Begründungserfordernis des § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG nur, wenn ihm zum Einen mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen ist, dass das vorlegende Gericht im Falle der Gültigkeit der für verfassungswidrig gehaltenen Rechtsvorschrift zu einem anderen Ergebnis kommen würde als im Falle ihrer Ungültigkeit und wie es dieses Ergebnis begründen würde (vgl. BVerfGE 7, 171 <173 f.>; 105, 61 <67> stRspr). Zum Anderen muss das vorlegende Gericht die für seine Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit der Norm maßgeblichen Erwägungen nachvollziehbar und erschöpfend darlegen (vgl. BVerfGE 78, 165 <171 f.>; 86, 71 <78>; 88, 70 <74>; 88, 198 <201>; 93, 121 <132>). Es muss deutlich machen, mit welchem verfassungsrechtlichen Grundsatz die zur Prüfung gestellte Regelung seiner Ansicht nach nicht vereinbar ist und aus welchen Gründen es zu dieser Auffassung gelangt ist. Dabei muss es sich intensiv mit der einfachen Rechtslage auseinandersetzen, auf naheliegende tatsächliche und rechtliche Gesichtspunkte eingehen und die in Rechtsprechung und Schrifttum vertretenen Auffassungen ebenso verarbeiten wie die Entstehungsgeschichte der betreffenden Norm (vgl. BVerfGE 76, 100 <104>; 79, 240 <243 f.>; 80, 96 <100>; 86, 52 <57>; 86, 71 <77 f.>; 89, 329 <337>; 92, 277 <312>; 105, 48 <56>).

44

2. Diesen Anforderungen genügt die Vorlage nicht. Jedenfalls hat das vorlegende Gericht seine Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit der vorgelegten Vorschriften nicht den Anforderungen von § 80 Abs. 2 Satz 1 2. Halbsatz BVerfGG entsprechend dargelegt. Es meint sinngemäß, einem Elternteil, das sich entschließe, sich nach der Geburt uneingeschränkt seinem Kind zu widmen, dürften hieraus keine Nachteile im Hinblick auf die Höhe des Arbeitslosengeldes entstehen, und hält es dementsprechend für verfassungsrechtlich geboten, dass sich das Arbeitslosengeld für ein Elternteil, das ein Kind unter drei Jahren Vollzeit betreut hat und deswegen innerhalb von zwei Jahren vor der Erfüllung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld, im Falle der Klägerin sogar noch darüber hinaus, keiner Erwerbstätigkeit nachgegangen ist, nach dem zuletzt vor der Geburt des Kindes bezogenen Bruttoarbeitsentgelt richtet. Eine nachvollziehbare und verfassungsrechtlich fundierte Begründung für dieses Ergebnis enthält der Aussetzungs- und Vorlagebeschluss jedoch nicht.

45

a) Das vorlegende Gericht stützt sich wesentlich auf eine angeblich aus Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 6 Abs. 2 GG folgende "verfassungsrechtlich geschützte Grunderkenntnis", wonach gerade die ersten Lebensjahre das Fundament für die gesamte weitere Entwicklung des Kindes bildeten und deshalb besonders schützenswert seien. Aus welchem normativen Gehalt des Art. 6 GG sich eine solche "Grunderkenntnis" ergeben soll und welche konkreten verfassungsrechtlichen Anforderungen hieraus abgeleitet werden können sollen, legt es jedoch nicht dar. Auf die verschiedenen, in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entwickelten grundrechtlichen Gewährleistungsgehalte des Art. 6 Abs. 1 GG (Freiheitsrecht, Benachteiligungsverbot, Schutz- und Förderungsgebot; vgl. hierzu bereits BVerfGE 6, 55 <71 ff.> und zusammenfassend BVerfGE 99, 216 <232>) geht das Sozialgericht nicht ein. Keine Erwähnung findet auch die ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, wonach zwar aus dem Schutz und Förderungsgebot des Art. 6 Abs. 1 GG die Aufgabe des Staates folgt, die Kinderbetreuung in der jeweils von den Eltern gewählten Form in ihren tatsächlichen Voraussetzungen zu ermöglichen und zu fördern (vgl. BVerfGE 99, 216 <234>), der Staat jedoch nicht gehalten ist, jegliche die Familie treffende Belastung auszugleichen, und sich aus dem Verfassungsauftrag konkrete Folgerungen für die einzelnen Rechtsgebiete und Teilsysteme, in denen der Familienlastenausgleich zu verwirklichen ist, nicht ableiten lassen (vgl. BVerfGE 87, 1 <35 f.>; 110, 412 <445>).

46

b) Darüber hinaus erschließt sich nicht, welche Bedeutung Art. 6 Abs. 4 GG, auf den der Aussetzungs- und Vorlagebeschluss ergänzend verweist, für die Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit der vorgelegten Vorschriften im konkreten Fall zukommen soll. Die ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, wonach aus Art. 6 Abs. 4 GG für Sachverhalte, die nicht allein Mütter betreffen, keine besonderen Rechte hergeleitet werden können (vgl. BVerfGE 87, 1 <42>; 94, 241 <259>), erwähnt das Sozialgericht ebenso wenig wie die daraus in der Literatur gezogene Schlussfolgerung, Belastungen, die der Mutter durch die Betreuung und Erziehung des Kindes entstünden, eröffneten den Schutzbereich des Art. 6 Abs. 4 GG nicht, da sie auch Väter gleichermaßen treffen könnten (vgl. Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 10. Aufl. 2009, Art. 6 Rn. 53 m.w.N.). Im Falle der Klägerin des Ausgangsverfahrens sind es auch nicht die Mutterschutzfristen nach § 3 Abs. 2, § 6 Abs. 1 MuSchG, die dazu führen, dass gemäß § 132 Abs. 1 SGB III ein fiktives Arbeitsentgelt als Bemessungsentgelt anzusetzen ist. Diese lagen vielmehr außerhalb des erweiterten Bemessungsrahmens nach § 130 Abs. 3 Satz 1 SGB III (anders insoweit der dem Aussetzungs- und Vorlagebeschluss des Sozialgerichts Aachen vom 23. Juli 2007 - S 21 AL 38/06 -, juris, Rn. 2, 44 ff. , zugrunde liegende Sachverhalt).

47

c) Schließlich genügen auch die Ausführungen zu einem Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, den das vorlegende Gericht in seiner Begründung allerdings nicht ausdrücklich als verfassungsrechtlichen Maßstab nennt, den Anforderungen von § 80 Abs. 2 Satz 1 2. Halbsatz BVerfGG nicht.

48

Die der ersten Vorlagefrage zugrunde liegende Auffassung des vorlegenden Gerichts, andere Eltern, die ihr Kind während eines zweijährigen, d.h. 730 Tage umfassenden, erweiterten Bemessungsrahmen für mindestens 150 Tage in eine Fremdbetreuung gäben und einer versicherungspflichtigen Beschäftigung nachgingen, würden gegenüber Eltern, die sich wie die Klägerin des Ausgangsverfahrens in diesem Zeitraum für mehr als 580 Tage ganz der Pflege ihres Kindes widmeten, "doppelt" privilegiert , da bei ihnen nicht nur keine fiktive Bemessung nach § 132 Abs. 1 SGB III erfolge, sondern sie auch in den Genuss der Regelung des § 130 Abs. 2 Nr. 3 SGB III kämen, ist nicht vollständig nachvollziehbar. Eine Bemessung auf der Grundlage des real erzielten Arbeitsentgelts erfolgt sicherlich dann, wenn ein Elternteil innerhalb des ggf. auf zwei Jahre erweiterten Bemessungsrahmens für mindestens 150 Tage eine versicherungspflichtige Beschäftigung mit Anspruch auf Arbeitsentgelt ausgeübt hat, ohne dass in dieser Zeit das Arbeitsentgelt oder die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit wegen der Betreuung und Erziehung des Kindes gemindert war. Geht ein dem Grunde nach Arbeitslosengeldberechtigter jedoch während des gesamten erweiterten Bemessungsrahmens oder zumindest für mehr als 580 Tage wegen der Betreuung seines Kindes lediglich einer versicherungspflichtigen Teilzeittätigkeit nach, kann die Regelung des § 130 Abs. 2 Nr. 3 SGB III durchaus zu einer fiktiven Bemessung nach § 132 Abs. 1 SGB III führen. Die Regelung des § 130 Abs. 2 SGB III bewirkt nämlich nach verbreitet vertretener Auffassung ebenso wie die entsprechende Vorschrift des § 131 Abs. 2 Satz 1 SGB III a.F., dass die genannten Zeiten so behandelt werden, als handele es sich nicht um Entgeltabrechnungszeiträume der versicherungspflichtigen Beschäftigung im Sinne von § 130 Abs. 1 Satz 1 SGB III (vgl. SG Aachen, Aussetzungs- und Vorlagebeschluss vom 23. Juli 2007 - S 21 AL 38/06 -, juris, Rn. 23; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 10. September 2008 - L 3 AL 4581/06 -, juris, Rn. 25; Valgolio, in: Hauck/Noftz, SGB III, § 130 Rn. 45 ; Behrend, in: Eicher/Schlegel, SGB III, § 130 Rn. 80 ; zur früheren Rechtslage vgl. BSG, Urteil vom 2. September 2004 - B 7 AL 68/03 R -, juris, Rn. 18), mit der Folge, dass es an den erforderlichen 150 Tagen mit Anspruch auf Arbeitsentgelt fehlen kann. Ob § 130 Abs. 2 SGB III teleologisch zu reduzieren ist, wenn seine Anwendung und die damit einhergehende fiktive Bemessung nach § 132 Abs. 1 SGB III zu einer für den Arbeitslosen ungünstigen Berechnung führt, ist umstritten (dafür z.B. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 10. September 2008 - L 3 AL 4581/06 -, juris, Rn. 27; Rolfs, in: Gagel, SGB III, § 130 Rn. 43 ; Behrend, in: Eicher/Schlegel, SGB III, § 130 Rn. 61 ; dagegen z.B. Valgolio, in: Hauck/Noftz, SGB III, § 130 Rn. 46 ).

49

Das vorlegende Gericht befasst sich darüber hinaus nicht hinreichend damit, ob die von ihm festgestellte Ungleichbehandlung verfassungsrechtlich gerechtfertigt ist. Dies gilt vor allem in Bezug auf die zweite Vorlagefrage. Insoweit beschränken sich die Ausführungen auf die nicht weiter begründete Behauptung, durch die Pauschalierung in § 132 SGB III, die - so das Sozialgericht sinngemäß - manche betreuenden Eltern gegenüber einer Bemessung auf der Grundlage des zuletzt bezogenen Arbeitsentgelts besser stelle, werde eine Ungleichbehandlung geschaffen, die sachlich nicht zu rechtfertigen sei. Aber auch die der ersten Vorlagefrage zugrunde liegenden Erwägungen lassen eine sorgfältige Prüfung, ob ein sachlicher Grund für die festgestellte Ungleichbehandlung besteht, nicht erkennen. Die verfassungsrechtlichen Maßstäbe, die das Bundesverfassungsgericht insoweit entwickelt hat (vgl. hierzu z.B. BVerfGE 87, 1 <36 f.>; 110, 412 <431 ff.>), werden weder genannt noch geprüft.

50

Vor allem setzt sich das vorlegende Gericht nicht damit auseinander, dass auch frühere Regelungen (§ 112 Abs. 7 2. Alt. AFG; § 133 Abs. 4 SGB III a.F.) eine fiktive Bestimmung des Bemessungsentgelts vorsahen, wenn die letzte versicherungspflichtige Beschäftigung im Zeitpunkt der Entstehung der Voraussetzungen für einen Anspruch auf Arbeitslosengeld schon längere Zeit zurück lag, und befasst sich nicht mit dem Sinn und Zweck des Ansatzes eines fiktiven Bemessungsentgelts. Dieser erschließt sich aus der Funktion des Arbeitslosengeldes als Lohnersatzleistung: Das Arbeitslosengeld soll das Arbeitsentgelt ersetzen, das der Arbeitslose wegen der Arbeitslosigkeit aktuell, also in einer potentiellen neuen Beschäftigung nicht erzielt (sog. Entgeltausfallprinzip; vgl. BTDrucks 13/5062, S. 6; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 15. Februar 1993 - 1 BvR 1754/92 -, juris, Rn. 6). Dem im Bemessungszeitraum erzielten Arbeitsentgelt misst das Gesetz dabei grundsätzlich Indizwirkung in dem Sinne bei, dass es typisierend das Arbeitsentgelt anzeigt, das der Arbeitslose, hätte er Arbeit, auch aktuell erzielen könnte (vgl. z.B. BSG, Beschluss vom 2. Februar 1995 - 11 RAr 21/94 -, juris, Rn. 23). Bereits unter der Geltung des AFG nahm der Gesetzgeber jedoch an, dass diese Indizwirkung in Frage gestellt wird, wenn aufgrund längerer Arbeitsunterbrechungen der Bemessungszeitraum immer weiter ausgedehnt und das Arbeitslosengeld nach einem Arbeitsentgelt aus einer Zeit bemessen werden müsste, die länger als drei Jahre zurück liegt: Bei noch länger zurück liegenden Bemessungsentgelten sei die Vermutung nicht mehr gerechtfertigt, dass der Arbeitslose dieses Bemessungsentgelt auch in Zukunft verdienen könne (vgl. BTDrucks 8/1053, S. 13 zu Art. 1 Nr. 6 Buchstabe b). Diese Überlegungen lagen der Regelung des § 133 Abs. 4 SGB III a.F. ebenfalls zugrunde (vgl. LSG NRW, Urteil vom 10. März 2004 - L 12 AL 83/03 -, juris, Rn. 26; Pawlak, in: Spellbrink/Eicher, Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, § 11 Rn. 20 f.) und sind ebenso für die aktuelle Regelung des § 132 Abs. 1 SGB III maßgeblich (vgl. BSGE 100, 295 <305 ff. Rn. 40 ff.>). Ob vor diesem Hintergrund auch im Falle der Klägerin des Ausgangsverfahrens der Ansatz eines fiktiven Bemessungsentgelts gerechtfertigt sein könnte, erörtert das vorlegende Gericht nicht.

51

Schließlich setzt sich das vorlegende Gericht nicht damit auseinander, dass Art. 3 Abs. 1 GG nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts den Gesetzgeber, der sich im Rahmen seines Ermessens bei der Ausgestaltung von staatlichen Leistungen für eine familienpolitische Förderung durch Gewährung von Erziehungsgeld und Erziehungsurlaub entschieden hat, nicht verpflichtet, diese Förderung auch im Zusammenhang mit anderen sozialrechtlichen Regelungen uneingeschränkt zur Geltung zu bringen (vgl. BVerfGK 4, 215 <218 f.>). In seine Erwägungen bezieht es auch nicht ein, dass Eltern, die, wie die Klägerin des Ausgangsverfahrens, wegen der Betreuung und Erziehung ihrer Kinder unter drei Jahren keiner Erwerbstätigkeit nachgehen, in der Arbeitslosenversicherung seit dem 1. Januar 2003 immerhin dadurch begünstigt werden, dass sie während der Erziehungszeit gemäß § 26 Abs. 2a SGB III in einem Versicherungspflichtverhältnis stehen und so die Anwartschaftszeit nach §§ 123, 124 SGB III für einen Anspruch auf Arbeitslosengeld erfüllen können.

52

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.