Sozialgericht Aachen Urteil, 19. Aug. 2014 - S 12 SB 1088/12

ECLI:ECLI:DE:SGAC:2014:0819.S12SB1088.12.00
bei uns veröffentlicht am19.08.2014

Tenor

Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.


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Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 54


(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig

Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB 9 2018 | § 2 Begriffsbestimmungen


(1) Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft m

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 109


(1) Auf Antrag des Versicherten, des behinderten Menschen, des Versorgungsberechtigten oder Hinterbliebenen muß ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Die Anhörung kann davon abhängig gemacht werden, daß der Antragsteller die Kosten vorschieß

Bundesversorgungsgesetz - BVG | § 30


(1) Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, die durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereich

Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB 9 2018 | § 69 Kontinuität der Bemessungsgrundlage


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Bundesversorgungsgesetz - BVG | § 1


(1) Wer durch eine militärische oder militärähnliche Dienstverrichtung oder durch einen Unfall während der Ausübung des militärischen oder militärähnlichen Dienstes oder durch die diesem Dienst eigentümlichen Verhältnisse eine gesundheitliche Schädig

Versorgungsmedizin-Verordnung - VersMedV | § 2 Anlage „Versorgungsmedizinische Grundsätze“


Die in § 1 genannten Grundsätze und Kriterien sind in der Anlage zu dieser Verordnung#F1_771649als deren Bestandteil festgelegt.

Bundesversorgungsgesetz - BVG | § 35


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Straßenverkehrsgesetz - StVG | § 6 Verordnungsermächtigungen


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Schwerbehindertenausweisverordnung - SchwbAwV | § 3 Weitere Merkzeichen


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Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB 9 2018 | § 146 Periodizität und Berichtszeitraum


Die Erhebungen erfolgen jährlich für das abgelaufene Kalenderjahr.

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Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 20. Mai 2014 - L 15 SB 226/13

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Tatbestand Streitig ist, ob der Kläger einen Anspruch darauf hat, dass die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen aG (außergewöhnliche Gehbehinderung) festgestellt werden. Der im Jahr 1959 geborene Kläger erlitt im

Landessozialgericht Baden-Württemberg Beschluss, 02. Okt. 2012 - L 8 SB 1914/10

bei uns veröffentlicht am 02.10.2012

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Landessozialgericht Baden-Württemberg Beschluss, 12. Okt. 2011 - L 6 SB 3032/11

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Tenor Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 4. Mai 2011 wird zurückgewiesen.Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Gründe

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bei uns veröffentlicht am 09.12.2010

Tenor Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 21. Mai 2010 wird als unzulässig verworfen.

Bundessozialgericht Urteil, 02. Dez. 2010 - B 9 SB 4/10 R

bei uns veröffentlicht am 02.12.2010

Tenor Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 26. August 2009 aufgehoben.
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Sozialgericht Aachen Urteil, 16. Okt. 2018 - S 18 SB 317/17

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Tenor Der Bescheid vom 13.12.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.03.2017 wird aufgehoben. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers dem Grunde nach. 1Tatbestand: 2Streitgegenständlich ist Herabsetzung des festgestel

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(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.

(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.

(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.

(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.

(1) Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. Menschen sind von Behinderung bedroht, wenn eine Beeinträchtigung nach Satz 1 zu erwarten ist.

(2) Menschen sind im Sinne des Teils 3 schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben.

(3) Schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden sollen Menschen mit Behinderungen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 156 nicht erlangen oder nicht behalten können (gleichgestellte behinderte Menschen).

Haben Leistungsempfänger Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld oder Übergangsgeld bezogen und wird im Anschluss daran eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben ausgeführt, so wird bei der Berechnung der diese Leistungen ergänzenden Leistung zum Lebensunterhalt von dem bisher zugrunde gelegten Arbeitsentgelt ausgegangen; es gilt die für den Rehabilitationsträger jeweils geltende Beitragsbemessungsgrenze.

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 21. Mai 2010 wird als unzulässig verworfen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

Durch Urteil vom 21.5.2010 hat das Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) die Herabsetzung des Grades der Behinderung (GdB) des Klägers von 50 auf 30 wegen Ablaufs einer Heilungsbewährung bestätigt. Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Kläger beim Bundessozialgericht (BSG) Beschwerde eingelegt. Zur Begründung macht er geltend, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG).

2

Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig, weil er den behaupteten Zulassungsgrund nicht so dargelegt hat, wie es § 160a Abs 2 Satz 3 SGG verlangt.

3

Grundsätzliche Bedeutung iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Ein Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und des Schrifttums angeben, welche Rechtsfragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss der Beschwerdeführer mithin Folgendes aufzeigen: (1) eine bestimmte Rechtsfrage, (2) ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, (3) ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit sowie (4) die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung, also eine Breitenwirkung (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 17; BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11; BSG SozR 1500 § 160a Nr 7, 13, 31, 59, 65). Diesen Anforderungen genügt die vorliegende Beschwerdebegründung nicht.

4

Der Kläger hält die Frage für eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, ob die Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" zur Versorgungsmedizin-Verordnung in ihrem Wortlaut und ihrer Rechtsanwendungspraxis bei karzinogenen Erkrankungen im Einklang mit dem Erkenntnisstand der medizinischen Wissenschaft nach wie vor eine Herabstufung unter einen Gesamt-GdB von 50 vorsehen darf. Bei dieser Frage handelt es sich nicht zweifelsfrei um eine reine Rechtsfrage, also eine Frage, die allein unter Anwendung juristischer Methodik beantwortet werden kann.

5

Die Bemessung des GdB ist nach der ständigen Rechtsprechung des BSG in drei Schritten vorzunehmen und grundsätzlich tatrichterliche Aufgabe (BSGE 4, 147, 149 f; BSGE 62, 209, 212 ff = SozR 3870 § 3 Nr 26 S 83 f; BSG SozR 4-3250 § 69 Nr 10), wobei das Gericht nur bei der Feststellung der einzelnen nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen (erster Schritt) ausschließlich ärztliches Fachwissen heranziehen muss. Bei der Bemessung der Einzel-GdB und des Gesamt-GdB kommt es indessen nach § 69 SGB IX maßgebend auf die Auswirkungen der Gesundheitsstörungen auf die Teilnahme am Leben in der Gesellschaft an. Bei diesem zweiten und dritten Verfahrensschritt hat das Tatsachengericht über die medizinisch zu beurteilenden Verhältnisse hinaus weitere Umstände auf gesamtgesellschaftlichem Gebiet zu berücksichtigen. Diese Umstände sind in die als sog antizipierte Sachverständigengutachten anzusehenden Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (AHP) einbezogen worden. Dementsprechend sind die AHP nach der ständigen Rechtsprechung des BSG im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren zu beachten (s BSG SozR 4-3250 § 69 Nr 9 RdNr 25 mwN). Für die seit dem 1.1.2009 geltende Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zur Versorgungsmedizin-Verordnung gilt das Gleiche.

6

Die Feststellung des GdB ist dabei in einen rechtlichen Rahmen eingebettet, den das Tatsachengericht zwingend zu beachten hat. Rechtlicher Ausgangspunkt ist stets § 69 Abs 1, 3 und 4 SGB IX(s zuletzt BSG SozR 4-3250 § 69 Nr 10 RdNr 16 bis 21 mwN). AHP und VG setzen die gesetzlichen Vorgaben um, wobei insbesondere auch medizinische Sachkunde zum Tragen kommt. Es kann hier offenbleiben, inwieweit in diesem Rahmen grundsätzlich bedeutsame Rechtsfragen iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG auftreten können. Jedenfalls hat der Kläger die höchstrichterliche Klärungsbedürftigkeit der von ihm aufgeworfenen Frage nicht hinreichend dargetan.

7

Es wird schon nicht deutlich, auf welche Bestimmung der VG sich die Frage des Klägers bezieht. Sollte er insoweit auf Teil B Nr 1 Buchst c VG Bezug nehmen, so hätte er darlegen müssen, inwieweit sich daraus ergebe, dass eine Herabsetzung des GdB auf unter 50 zwingend vorgesehen sei. Besonderer Ausführungen hätte es schon deshalb bedurft, weil die betreffende Vorschrift an sich nur die pauschal bemessene Höhe des GdB während der Heilungsbewährung regelt. Für die Zeit danach ist der GdB nach den konkreten Auswirkungen der vorliegenden Gesundheitsstörungen zu bemessen (vgl dazu Teil A Nr 2 VG). Dabei sind selbstverständlich auch seelische Begleiterscheinungen und erst recht psychische Störungen, auf die der Kläger hinweist, zu berücksichtigen (vgl Teil A Nr 2 Buchst i VG). Insoweit ist nicht klar, inwiefern die VG nach Ansicht des Klägers in diesem Zusammenhang rechtliche Zweifelsfragen aufwerfen.

8

Letztlich zielt die Frage des Klägers offenbar auf eine (möglichst unbeschränkte) Verlängerung der Heilungsbewährungszeit und der damit verbundenen pauschalen GdB-Bemessung. Sicher würde die Regelung in Teil B Nr 1 Buchst c VG gegen § 69 SGB IX verstoßen, wenn sie nicht dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft entspräche(vgl § 69 Abs 1 Satz 5 SGB IX iVm § 30 Abs 17 BVG; dazu auch § 2 Versorgungsmedizin-Verordnung). Da es zu den Aufgaben des beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales gebildeten Ärztlichen Sachverständigenbeirats Versorgungsmedizin gehört, die Fortentwicklung der VG entsprechend dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft vorzubereiten, kann grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass die Bestimmungen der VG diesem Qualitätsmaßstab entsprechen. Insoweit hätte es näherer Darlegungen des Klägers dazu bedurft, inwiefern aufgrund neuerer medizinischer Erkenntnisse eine längere Heilungsbewährungszeit geboten sein könnte. Der Kläger beschränkt sich hingegen auf allgemeine Behauptungen, ohne auf wissenschaftliche Quellen Bezug zu nehmen. Das reicht nicht aus.

9

Soweit der Kläger schließlich die in seinem Fall erfolgte GdB-Bemessung angreift, rügt er im wesentlichen die berufungsgerichtliche Sachverhaltsaufklärung und Beweiswürdigung, ohne die Beschränkungen zu berücksichtigen, die sich bei behaupteten Verletzungen von § 103 und § 128 Abs 1 Satz 1 SGG für die Revisionszulassung aus § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG ergeben.

10

Die Beschwerde ist daher ohne Hinzuziehung ehrenamtlicher Richter als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbs 2 iVm § 169 SGG).

11

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

(1) Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. Menschen sind von Behinderung bedroht, wenn eine Beeinträchtigung nach Satz 1 zu erwarten ist.

(2) Menschen sind im Sinne des Teils 3 schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben.

(3) Schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden sollen Menschen mit Behinderungen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 156 nicht erlangen oder nicht behalten können (gleichgestellte behinderte Menschen).

(1) Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, die durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereichen zu beurteilen. Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach Zehnergraden von 10 bis 100 zu bemessen; ein bis zu fünf Grad geringerer Grad der Schädigungsfolgen wird vom höheren Zehnergrad mit umfasst. Vorübergehende Gesundheitsstörungen sind nicht zu berücksichtigen; als vorübergehend gilt ein Zeitraum bis zu sechs Monaten. Bei beschädigten Kindern und Jugendlichen ist der Grad der Schädigungsfolgen nach dem Grad zu bemessen, der sich bei Erwachsenen mit gleicher Gesundheitsstörung ergibt, soweit damit keine Schlechterstellung der Kinder und Jugendlichen verbunden ist. Für erhebliche äußere Gesundheitsschäden können Mindestgrade festgesetzt werden.

(2) Der Grad der Schädigungsfolgen ist höher zu bewerten, wenn Beschädigte durch die Art der Schädigungsfolgen im vor der Schädigung ausgeübten oder begonnenen Beruf, im nachweisbar angestrebten oder in dem Beruf besonders betroffen sind, der nach Eintritt der Schädigung ausgeübt wurde oder noch ausgeübt wird. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
auf Grund der Schädigung weder der bisher ausgeübte, begonnene oder nachweisbar angestrebte noch ein sozial gleichwertiger Beruf ausgeübt werden kann,
2.
zwar der vor der Schädigung ausgeübte oder begonnene Beruf weiter ausgeübt wird oder der nachweisbar angestrebte Beruf erreicht wurde, Beschädigte jedoch in diesem Beruf durch die Art der Schädigungsfolgen in einem wesentlich höheren Ausmaß als im allgemeinen Erwerbsleben erwerbsgemindert sind, oder
3.
die Schädigung nachweisbar den weiteren Aufstieg im Beruf gehindert hat.

(3) Rentenberechtigte Beschädigte, deren Einkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit durch die Schädigungsfolgen gemindert ist, erhalten nach Anwendung des Absatzes 2 einen Berufsschadensausgleich in Höhe von 42,5 vom Hundert des auf volle Euro aufgerundeten Einkommensverlustes (Absatz 4) oder, falls dies günstiger ist, einen Berufsschadensausgleich nach Absatz 6.

(4) Einkommensverlust ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem derzeitigen Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit zuzüglich der Ausgleichsrente (derzeitiges Einkommen) und dem höheren Vergleichseinkommen. Haben Beschädigte Anspruch auf eine in der Höhe vom Einkommen beeinflußte Rente wegen Todes nach den Vorschriften anderer Sozialleistungsbereiche, ist abweichend von Satz 1 der Berechnung des Einkommensverlustes die Ausgleichsrente zugrunde zu legen, die sich ohne Berücksichtigung dieser Rente wegen Todes ergäbe. Ist die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung gemindert, weil das Erwerbseinkommen in einem in der Vergangenheit liegenden Zeitraum, der nicht mehr als die Hälfte des Erwerbslebens umfaßt, schädigungsbedingt gemindert war, so ist die Rentenminderung abweichend von Satz 1 der Einkommensverlust. Das Ausmaß der Minderung wird ermittelt, indem der Rentenberechnung für Beschädigte Entgeltpunkte zugrunde gelegt werden, die sich ohne Berücksichtigung der Zeiten ergäben, in denen das Erwerbseinkommen der Beschädigten schädigungsbedingt gemindert ist.

(5) Das Vergleichseinkommen errechnet sich nach den Sätzen 2 bis 5. Zur Ermittlung des Durchschnittseinkommens sind die Grundgehälter der Besoldungsgruppen der Bundesbesoldungsordnung A aus den vorletzten drei der Anpassung vorangegangenen Kalenderjahren heranzuziehen. Beträge des Durchschnittseinkommens bis 0,49 Euro sind auf volle Euro abzurunden und von 0,50 Euro an auf volle Euro aufzurunden. Der Mittelwert aus den drei Jahren ist um den Prozentsatz anzupassen, der sich aus der Summe der für die Rentenanpassung des laufenden Jahres sowie des Vorjahres maßgebenden Veränderungsraten der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer (§ 68 Absatz 2 in Verbindung mit § 228b des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch) ergibt; die Veränderungsraten werden jeweils bestimmt, indem der Faktor für die Veränderung der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer um eins vermindert und durch Vervielfältigung mit 100 in einen Prozentsatz umgerechnet wird. Das Vergleichseinkommen wird zum 1. Juli eines jeden Jahres neu festgesetzt; wenn das nach den Sätzen 1 bis 6 errechnete Vergleichseinkommen geringer ist, als das bisherige Vergleichseinkommen, bleibt es unverändert. Es ist durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu ermitteln und im Bundesanzeiger bekanntzugeben; die Beträge sind auf volle Euro aufzurunden. Abweichend von den Sätzen 1 bis 5 sind die Vergleichseinkommen der Tabellen 1 bis 4 der Bekanntmachung vom 14. Mai 1996 (BAnz. S. 6419) für die Zeit vom 1. Juli 1997 bis 30. Juni 1998 durch Anpassung der dort veröffentlichten Werte mit dem Vomhundertsatz zu ermitteln, der in § 56 Absatz 1 Satz 1 bestimmt ist; Satz 6 zweiter Halbsatz gilt entsprechend.

(6) Berufsschadensausgleich nach Absatz 3 letzter Satzteil ist der Nettobetrag des Vergleicheinkommens (Absatz 7) abzüglich des Nettoeinkommens aus gegenwärtiger oder früherer Erwerbstätigkeit (Absatz 8), der Ausgleichsrente (§§ 32, 33) und des Ehegattenzuschlages (§ 33a). Absatz 4 Satz 2 gilt entsprechend.

(7) Der Nettobetrag des Vergleichseinkommens wird bei Beschädigten, die nach dem 30. Juni 1927 geboren sind, für die Zeit bis zum Ablauf des Monats, in dem sie auch ohne die Schädigung aus dem Erwerbsleben ausgeschieden wären, längstens jedoch bis zum Ablauf des Monats, in dem der Beschädigte die Regelaltersgrenze nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch erreicht, pauschal ermittelt, indem das Vergleichseinkommen

1.
bei verheirateten Beschädigten um 18 vom Hundert, der 716 Euro übersteigende Teil um 36 vom Hundert und der 1 790 Euro übersteigende Teil um 40 vom Hundert,
2.
bei nicht verheirateten Beschädigten um 18 vom Hundert, der 460 Euro übersteigende Teil um 40 vom Hundert und der 1 380 Euro übersteigende Teil um 49 vom Hundert
gemindert wird. Im übrigen gelten 50 vom Hundert des Vergleichseinkommens als dessen Nettobetrag.

(8) Das Nettoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Erwerbstätigkeit wird pauschal aus dem derzeitigen Bruttoeinkommen ermittelt, indem

1.
das Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Erwerbstätigkeit um die in Absatz 7 Satz 1 Nr. 1 und 2 genannten Vomhundertsätze gemindert wird,
2.
Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung sowie Renten wegen Alters, Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und Landabgaberenten nach dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte um den Vomhundertsatz gemindert werden, der für die Bemessung des Beitrags der sozialen Pflegeversicherung (§ 55 des Elften Buches Sozialgesetzbuch) gilt, und um die Hälfte des Vomhundertsatzes des allgemeinen Beitragssatzes der Krankenkassen (§ 241 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch); die zum 1. Januar festgestellten Beitragssätze gelten insoweit jeweils vom 1. Juli des laufenden Kalenderjahres bis zum 30. Juni des folgenden Kalenderjahres,
3.
sonstige Geldleistungen von Leistungsträgern (§ 12 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch) mit dem Nettobetrag berücksichtigt werden und
4.
das übrige Bruttoeinkommen um die in Nummer 2 genannten Vomhundertsätze und zusätzlich um 19 vom Hundert des 562 Euro übersteigenden Betrages gemindert wird; Nummer 2 letzter Halbsatz gilt entsprechend.
In den Fällen des Absatzes 11 tritt an die Stelle des Nettoeinkommens im Sinne des Satzes 1 der nach Absatz 7 ermittelte Nettobetrag des Durchschnittseinkommens.

(9) Berufsschadensausgleich nach Absatz 6 wird in den Fällen einer Rentenminderung im Sinne des Absatzes 4 Satz 3 nur gezahlt, wenn die Zeiten des Erwerbslebens, in denen das Erwerbseinkommen nicht schädigungsbedingt gemindert war, von einem gesetzlichen oder einem gleichwertigen Alterssicherungssystem erfaßt sind.

(10) Der Berufsschadensausgleich wird ausschließlich nach Absatz 6 berechnet, wenn der Antrag erstmalig nach dem 21. Dezember 2007 gestellt wird. Im Übrigen trifft die zuständige Behörde letztmalig zum Stichtag nach Satz 1 die Günstigkeitsfeststellung nach Absatz 3 und legt damit die für die Zukunft anzuwendende Berechnungsart fest.

(11) Wird durch nachträgliche schädigungsunabhängige Einwirkungen oder Ereignisse, insbesondere durch das Hinzutreten einer schädigungsunabhängigen Gesundheitsstörung das Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Tätigkeit voraussichtlich auf Dauer gemindert (Nachschaden), gilt statt dessen als Einkommen das Grundgehalt der Besoldungsgruppe der Bundesbesoldungsordnung A, der der oder die Beschädigte ohne den Nachschaden zugeordnet würde; Arbeitslosigkeit oder altersbedingtes Ausscheiden aus dem Erwerbsleben gilt grundsätzlich nicht als Nachschaden. Tritt nach dem Nachschaden ein weiterer schädigungsbedingter Einkommensverlust ein, ist dieses Durchschnittseinkommen entsprechend zu mindern. Scheidet dagegen der oder die Beschädigte schädigungsbedingt aus dem Erwerbsleben aus, wird der Berufsschadensausgleich nach den Absätzen 3 bis 8 errechnet.

(12) Rentenberechtigte Beschädigte, die einen gemeinsamen Haushalt mit ihrem Ehegatten oder Lebenspartners, einem Verwandten oder einem Stief- oder Pflegekind führen oder ohne die Schädigung zu führen hätten, erhalten als Berufsschadensausgleich einen Betrag in Höhe der Hälfte der wegen der Folgen der Schädigung notwendigen Mehraufwendungen bei der Führung des gemeinsamen Haushalts.

(13) Ist die Grundrente wegen besonderen beruflichen Betroffenseins erhöht worden, so ruht der Anspruch auf Berufsschadensausgleich in Höhe des durch die Erhöhung der Grundrente nach § 31 Abs. 1 Satz 1 erzielten Mehrbetrags. Entsprechendes gilt, wenn die Grundrente nach § 31 Abs. 4 Satz 2 erhöht worden ist.

(14) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zu bestimmen:

a)
welche Vergleichsgrundlage und in welcher Weise sie zur Ermittlung des Einkommensverlustes heranzuziehen ist,
b)
wie der Einkommensverlust bei einer vor Abschluß der Schulausbildung oder vor Beginn der Berufsausbildung erlittenen Schädigung zu ermitteln ist,
c)
wie der Berufsschadensausgleich festzustellen ist, wenn der Beschädigte ohne die Schädigung neben einer beruflichen Tätigkeit weitere berufliche Tätigkeiten ausgeübt oder einen gemeinsamen Haushalt im Sinne des Absatzes 12 geführt hätte,
d)
was als derzeitiges Bruttoeinkommen oder als Durchschnittseinkommen im Sinne des Absatzes 11 und des § 64c Abs. 2 Satz 2 und 3 gilt und welche Einkünfte bei der Ermittlung des Einkommensverlustes nicht berücksichtigt werden,
e)
wie in besonderen Fällen das Nettoeinkommen abweichend von Absatz 8 Satz 1 Nr. 3 und 4 zu ermitteln ist.

(15) Ist vor dem 1. Juli 1989 bereits über den Anspruch auf Berufsschadensausgleich für die Zeit nach dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben entschieden worden, so verbleibt es hinsichtlich der Frage, ob Absatz 4 Satz 1 oder 3 anzuwenden ist, bei der getroffenen Entscheidung.

(16) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Verteidigung und mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung die Grundsätze aufzustellen, die für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des Absatzes 1 maßgebend sind, sowie die für die Anerkennung einer Gesundheitsstörung nach § 1 Abs. 3 maßgebenden Grundsätze und die Kriterien für die Bewertung der Hilflosigkeit und der Stufen der Pflegezulage nach § 35 Abs. 1 aufzustellen und das Verfahren für deren Ermittlung und Fortentwicklung zu regeln.

(1) Wer durch eine militärische oder militärähnliche Dienstverrichtung oder durch einen Unfall während der Ausübung des militärischen oder militärähnlichen Dienstes oder durch die diesem Dienst eigentümlichen Verhältnisse eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, erhält wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Schädigung auf Antrag Versorgung.

(2) Einer Schädigung im Sinne des Absatzes 1 stehen Schädigungen gleich, die herbeigeführt worden sind durch

a)
eine unmittelbare Kriegseinwirkung,
b)
eine Kriegsgefangenschaft,
c)
eine Internierung im Ausland oder in den nicht unter deutscher Verwaltung stehenden deutschen Gebieten wegen deutscher Staatsangehörigkeit oder deutscher Volkszugehörigkeit,
d)
eine mit militärischem oder militärähnlichem Dienst oder mit den allgemeinen Auflösungserscheinungen zusammenhängende Straf- oder Zwangsmaßnahme, wenn sie den Umständen nach als offensichtliches Unrecht anzusehen ist,
e)
einen Unfall, den der Beschädigte auf einem Hin- oder Rückweg erleidet, der notwendig ist, um eine Maßnahme der Heilbehandlung, eine Badekur, Versehrtenleibesübungen als Gruppenbehandlung oder Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 26 durchzuführen oder um auf Verlangen eines zuständigen Leistungsträgers oder eines Gerichts wegen der Schädigung persönlich zu erscheinen,
f)
einen Unfall, den der Beschädigte bei der Durchführung einer der unter Buchstabe e aufgeführten Maßnahmen erleidet.

(3) Zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung genügt die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs. Wenn die zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung erforderliche Wahrscheinlichkeit nur deshalb nicht gegeben ist, weil über die Ursache des festgestellten Leidens in der medizinischen Wissenschaft Ungewißheit besteht, kann mit Zustimmung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales die Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung anerkannt werden; die Zustimmung kann allgemein erteilt werden.

(4) Eine vom Beschädigten absichtlich herbeigeführte Schädigung gilt nicht als Schädigung im Sinne dieses Gesetzes.

(5) Ist der Beschädigte an den Folgen der Schädigung gestorben, so erhalten seine Hinterbliebenen auf Antrag Versorgung. Absatz 3 gilt entsprechend.

(1) Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, die durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereichen zu beurteilen. Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach Zehnergraden von 10 bis 100 zu bemessen; ein bis zu fünf Grad geringerer Grad der Schädigungsfolgen wird vom höheren Zehnergrad mit umfasst. Vorübergehende Gesundheitsstörungen sind nicht zu berücksichtigen; als vorübergehend gilt ein Zeitraum bis zu sechs Monaten. Bei beschädigten Kindern und Jugendlichen ist der Grad der Schädigungsfolgen nach dem Grad zu bemessen, der sich bei Erwachsenen mit gleicher Gesundheitsstörung ergibt, soweit damit keine Schlechterstellung der Kinder und Jugendlichen verbunden ist. Für erhebliche äußere Gesundheitsschäden können Mindestgrade festgesetzt werden.

(2) Der Grad der Schädigungsfolgen ist höher zu bewerten, wenn Beschädigte durch die Art der Schädigungsfolgen im vor der Schädigung ausgeübten oder begonnenen Beruf, im nachweisbar angestrebten oder in dem Beruf besonders betroffen sind, der nach Eintritt der Schädigung ausgeübt wurde oder noch ausgeübt wird. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
auf Grund der Schädigung weder der bisher ausgeübte, begonnene oder nachweisbar angestrebte noch ein sozial gleichwertiger Beruf ausgeübt werden kann,
2.
zwar der vor der Schädigung ausgeübte oder begonnene Beruf weiter ausgeübt wird oder der nachweisbar angestrebte Beruf erreicht wurde, Beschädigte jedoch in diesem Beruf durch die Art der Schädigungsfolgen in einem wesentlich höheren Ausmaß als im allgemeinen Erwerbsleben erwerbsgemindert sind, oder
3.
die Schädigung nachweisbar den weiteren Aufstieg im Beruf gehindert hat.

(3) Rentenberechtigte Beschädigte, deren Einkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit durch die Schädigungsfolgen gemindert ist, erhalten nach Anwendung des Absatzes 2 einen Berufsschadensausgleich in Höhe von 42,5 vom Hundert des auf volle Euro aufgerundeten Einkommensverlustes (Absatz 4) oder, falls dies günstiger ist, einen Berufsschadensausgleich nach Absatz 6.

(4) Einkommensverlust ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem derzeitigen Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit zuzüglich der Ausgleichsrente (derzeitiges Einkommen) und dem höheren Vergleichseinkommen. Haben Beschädigte Anspruch auf eine in der Höhe vom Einkommen beeinflußte Rente wegen Todes nach den Vorschriften anderer Sozialleistungsbereiche, ist abweichend von Satz 1 der Berechnung des Einkommensverlustes die Ausgleichsrente zugrunde zu legen, die sich ohne Berücksichtigung dieser Rente wegen Todes ergäbe. Ist die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung gemindert, weil das Erwerbseinkommen in einem in der Vergangenheit liegenden Zeitraum, der nicht mehr als die Hälfte des Erwerbslebens umfaßt, schädigungsbedingt gemindert war, so ist die Rentenminderung abweichend von Satz 1 der Einkommensverlust. Das Ausmaß der Minderung wird ermittelt, indem der Rentenberechnung für Beschädigte Entgeltpunkte zugrunde gelegt werden, die sich ohne Berücksichtigung der Zeiten ergäben, in denen das Erwerbseinkommen der Beschädigten schädigungsbedingt gemindert ist.

(5) Das Vergleichseinkommen errechnet sich nach den Sätzen 2 bis 5. Zur Ermittlung des Durchschnittseinkommens sind die Grundgehälter der Besoldungsgruppen der Bundesbesoldungsordnung A aus den vorletzten drei der Anpassung vorangegangenen Kalenderjahren heranzuziehen. Beträge des Durchschnittseinkommens bis 0,49 Euro sind auf volle Euro abzurunden und von 0,50 Euro an auf volle Euro aufzurunden. Der Mittelwert aus den drei Jahren ist um den Prozentsatz anzupassen, der sich aus der Summe der für die Rentenanpassung des laufenden Jahres sowie des Vorjahres maßgebenden Veränderungsraten der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer (§ 68 Absatz 2 in Verbindung mit § 228b des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch) ergibt; die Veränderungsraten werden jeweils bestimmt, indem der Faktor für die Veränderung der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer um eins vermindert und durch Vervielfältigung mit 100 in einen Prozentsatz umgerechnet wird. Das Vergleichseinkommen wird zum 1. Juli eines jeden Jahres neu festgesetzt; wenn das nach den Sätzen 1 bis 6 errechnete Vergleichseinkommen geringer ist, als das bisherige Vergleichseinkommen, bleibt es unverändert. Es ist durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu ermitteln und im Bundesanzeiger bekanntzugeben; die Beträge sind auf volle Euro aufzurunden. Abweichend von den Sätzen 1 bis 5 sind die Vergleichseinkommen der Tabellen 1 bis 4 der Bekanntmachung vom 14. Mai 1996 (BAnz. S. 6419) für die Zeit vom 1. Juli 1997 bis 30. Juni 1998 durch Anpassung der dort veröffentlichten Werte mit dem Vomhundertsatz zu ermitteln, der in § 56 Absatz 1 Satz 1 bestimmt ist; Satz 6 zweiter Halbsatz gilt entsprechend.

(6) Berufsschadensausgleich nach Absatz 3 letzter Satzteil ist der Nettobetrag des Vergleicheinkommens (Absatz 7) abzüglich des Nettoeinkommens aus gegenwärtiger oder früherer Erwerbstätigkeit (Absatz 8), der Ausgleichsrente (§§ 32, 33) und des Ehegattenzuschlages (§ 33a). Absatz 4 Satz 2 gilt entsprechend.

(7) Der Nettobetrag des Vergleichseinkommens wird bei Beschädigten, die nach dem 30. Juni 1927 geboren sind, für die Zeit bis zum Ablauf des Monats, in dem sie auch ohne die Schädigung aus dem Erwerbsleben ausgeschieden wären, längstens jedoch bis zum Ablauf des Monats, in dem der Beschädigte die Regelaltersgrenze nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch erreicht, pauschal ermittelt, indem das Vergleichseinkommen

1.
bei verheirateten Beschädigten um 18 vom Hundert, der 716 Euro übersteigende Teil um 36 vom Hundert und der 1 790 Euro übersteigende Teil um 40 vom Hundert,
2.
bei nicht verheirateten Beschädigten um 18 vom Hundert, der 460 Euro übersteigende Teil um 40 vom Hundert und der 1 380 Euro übersteigende Teil um 49 vom Hundert
gemindert wird. Im übrigen gelten 50 vom Hundert des Vergleichseinkommens als dessen Nettobetrag.

(8) Das Nettoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Erwerbstätigkeit wird pauschal aus dem derzeitigen Bruttoeinkommen ermittelt, indem

1.
das Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Erwerbstätigkeit um die in Absatz 7 Satz 1 Nr. 1 und 2 genannten Vomhundertsätze gemindert wird,
2.
Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung sowie Renten wegen Alters, Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und Landabgaberenten nach dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte um den Vomhundertsatz gemindert werden, der für die Bemessung des Beitrags der sozialen Pflegeversicherung (§ 55 des Elften Buches Sozialgesetzbuch) gilt, und um die Hälfte des Vomhundertsatzes des allgemeinen Beitragssatzes der Krankenkassen (§ 241 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch); die zum 1. Januar festgestellten Beitragssätze gelten insoweit jeweils vom 1. Juli des laufenden Kalenderjahres bis zum 30. Juni des folgenden Kalenderjahres,
3.
sonstige Geldleistungen von Leistungsträgern (§ 12 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch) mit dem Nettobetrag berücksichtigt werden und
4.
das übrige Bruttoeinkommen um die in Nummer 2 genannten Vomhundertsätze und zusätzlich um 19 vom Hundert des 562 Euro übersteigenden Betrages gemindert wird; Nummer 2 letzter Halbsatz gilt entsprechend.
In den Fällen des Absatzes 11 tritt an die Stelle des Nettoeinkommens im Sinne des Satzes 1 der nach Absatz 7 ermittelte Nettobetrag des Durchschnittseinkommens.

(9) Berufsschadensausgleich nach Absatz 6 wird in den Fällen einer Rentenminderung im Sinne des Absatzes 4 Satz 3 nur gezahlt, wenn die Zeiten des Erwerbslebens, in denen das Erwerbseinkommen nicht schädigungsbedingt gemindert war, von einem gesetzlichen oder einem gleichwertigen Alterssicherungssystem erfaßt sind.

(10) Der Berufsschadensausgleich wird ausschließlich nach Absatz 6 berechnet, wenn der Antrag erstmalig nach dem 21. Dezember 2007 gestellt wird. Im Übrigen trifft die zuständige Behörde letztmalig zum Stichtag nach Satz 1 die Günstigkeitsfeststellung nach Absatz 3 und legt damit die für die Zukunft anzuwendende Berechnungsart fest.

(11) Wird durch nachträgliche schädigungsunabhängige Einwirkungen oder Ereignisse, insbesondere durch das Hinzutreten einer schädigungsunabhängigen Gesundheitsstörung das Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Tätigkeit voraussichtlich auf Dauer gemindert (Nachschaden), gilt statt dessen als Einkommen das Grundgehalt der Besoldungsgruppe der Bundesbesoldungsordnung A, der der oder die Beschädigte ohne den Nachschaden zugeordnet würde; Arbeitslosigkeit oder altersbedingtes Ausscheiden aus dem Erwerbsleben gilt grundsätzlich nicht als Nachschaden. Tritt nach dem Nachschaden ein weiterer schädigungsbedingter Einkommensverlust ein, ist dieses Durchschnittseinkommen entsprechend zu mindern. Scheidet dagegen der oder die Beschädigte schädigungsbedingt aus dem Erwerbsleben aus, wird der Berufsschadensausgleich nach den Absätzen 3 bis 8 errechnet.

(12) Rentenberechtigte Beschädigte, die einen gemeinsamen Haushalt mit ihrem Ehegatten oder Lebenspartners, einem Verwandten oder einem Stief- oder Pflegekind führen oder ohne die Schädigung zu führen hätten, erhalten als Berufsschadensausgleich einen Betrag in Höhe der Hälfte der wegen der Folgen der Schädigung notwendigen Mehraufwendungen bei der Führung des gemeinsamen Haushalts.

(13) Ist die Grundrente wegen besonderen beruflichen Betroffenseins erhöht worden, so ruht der Anspruch auf Berufsschadensausgleich in Höhe des durch die Erhöhung der Grundrente nach § 31 Abs. 1 Satz 1 erzielten Mehrbetrags. Entsprechendes gilt, wenn die Grundrente nach § 31 Abs. 4 Satz 2 erhöht worden ist.

(14) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zu bestimmen:

a)
welche Vergleichsgrundlage und in welcher Weise sie zur Ermittlung des Einkommensverlustes heranzuziehen ist,
b)
wie der Einkommensverlust bei einer vor Abschluß der Schulausbildung oder vor Beginn der Berufsausbildung erlittenen Schädigung zu ermitteln ist,
c)
wie der Berufsschadensausgleich festzustellen ist, wenn der Beschädigte ohne die Schädigung neben einer beruflichen Tätigkeit weitere berufliche Tätigkeiten ausgeübt oder einen gemeinsamen Haushalt im Sinne des Absatzes 12 geführt hätte,
d)
was als derzeitiges Bruttoeinkommen oder als Durchschnittseinkommen im Sinne des Absatzes 11 und des § 64c Abs. 2 Satz 2 und 3 gilt und welche Einkünfte bei der Ermittlung des Einkommensverlustes nicht berücksichtigt werden,
e)
wie in besonderen Fällen das Nettoeinkommen abweichend von Absatz 8 Satz 1 Nr. 3 und 4 zu ermitteln ist.

(15) Ist vor dem 1. Juli 1989 bereits über den Anspruch auf Berufsschadensausgleich für die Zeit nach dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben entschieden worden, so verbleibt es hinsichtlich der Frage, ob Absatz 4 Satz 1 oder 3 anzuwenden ist, bei der getroffenen Entscheidung.

(16) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Verteidigung und mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung die Grundsätze aufzustellen, die für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des Absatzes 1 maßgebend sind, sowie die für die Anerkennung einer Gesundheitsstörung nach § 1 Abs. 3 maßgebenden Grundsätze und die Kriterien für die Bewertung der Hilflosigkeit und der Stufen der Pflegezulage nach § 35 Abs. 1 aufzustellen und das Verfahren für deren Ermittlung und Fortentwicklung zu regeln.

(1) Solange Beschädigte infolge der Schädigung hilflos sind, wird eine Pflegezulage von 376 Euro (Stufe I) monatlich gezahlt. Hilflos im Sinne des Satzes 1 sind Beschädigte, wenn sie für eine Reihe von häufig und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen zur Sicherung ihrer persönlichen Existenz im Ablauf eines jeden Tages fremder Hilfe dauernd bedürfen. Diese Voraussetzungen sind auch erfüllt, wenn die Hilfe in Form einer Überwachung oder Anleitung zu den in Satz 2 genannten Verrichtungen erforderlich ist oder wenn die Hilfe zwar nicht dauernd geleistet werden muß, jedoch eine ständige Bereitschaft zur Hilfeleistung erforderlich ist. Ist die Gesundheitsstörung so schwer, daß sie dauerndes Krankenlager oder dauernd außergewöhnliche Pflege erfordert, so ist die Pflegezulage je nach Lage des Falles unter Berücksichtigung des Umfangs der notwendigen Pflege auf 642, 916, 1 174, 1 524 oder 1 876 Euro (Stufen II, III, IV, V und VI) zu erhöhen. Für die Ermittlung der Hilflosigkeit und der Stufen der Pflegezulage sind die in der Verordnung zu § 30 Abs. 17 aufgestellten Grundsätze maßgebend. Blinde erhalten mindestens die Pflegezulage nach Stufe III. Hirnbeschädigte mit einem Grad der Schädigungsfolgen von 100 erhalten eine Pflegezulage mindestens nach Stufe I.

(2) Wird fremde Hilfe im Sinne des Absatzes 1 von Dritten aufgrund eines Arbeitsvertrages geleistet und übersteigen die dafür aufzuwendenden angemessenen Kosten den Betrag der pauschalen Pflegezulage nach Absatz 1, wird die Pflegezulage um den übersteigenden Betrag erhöht. Leben Beschädigte mit ihren Ehegatten, Lebenspartnern oder einem Elternteil in häuslicher Gemeinschaft, ist die Pflegezulage so zu erhöhen, dass sie nur ein Viertel der von ihnen aufzuwendenden angemessenen Kosten aus der pauschalen Pflegezulage zu zahlen haben und ihnen mindestens die Hälfte der pauschalen Pflegezulage verbleibt. In Ausnahmefällen kann der verbleibende Anteil bis zum vollen Betrag der pauschalen Pflegezulage erhöht werden, wenn Ehegatten, Lebenspartner oder ein Elternteil von Pflegezulageempfängern mindestens der Stufe V neben den Dritten in außergewöhnlichem Umfang zusätzliche Hilfe leisten. Entstehen vorübergehend Kosten für fremde Hilfe, insbesondere infolge Krankheit der Pflegeperson, ist die Pflegezulage für jeweils höchstens sechs Wochen über Satz 2 hinaus so zu erhöhen, dass den Beschädigten die pauschale Pflegezulage in derselben Höhe wie vor der vorübergehenden Entstehung der Kosten verbleibt. Die Sätze 2 und 3 gelten nicht, wenn der Ehegatte, Lebenspartner oder Elternteil nicht nur vorübergehend keine Pflegeleistungen erbringt; § 40a Abs. 3 Satz 3 gilt.

(3) Während einer stationären Behandlung wird die Pflegezulage nach den Absätzen 1 und 2 Empfängern von Pflegezulage nach den Stufen I und II bis zum Ende des ersten, den übrigen Empfängern von Pflegezulage bis zum Ablauf des zwölften auf die Aufnahme folgenden Kalendermonats weitergezahlt.

(4) Über den in Absatz 3 bestimmten Zeitpunkt hinaus wird die Pflegezulage während einer stationären Behandlung bis zum Ende des Kalendermonats vor der Entlassung nur weitergezahlt, soweit dies in den folgenden Sätzen bestimmt ist. Beschädigte erhalten ein Viertel der pauschalen Pflegezulage nach Absatz 1, wenn der Ehegatte, Lebenspartner oder der Elternteil bis zum Beginn der stationären Behandlung zumindest einen Teil der Pflege wahrgenommen hat. Daneben wird die Pflegezulage in Höhe der Kosten weitergezahlt, die aufgrund eines Pflegevertrages entstehen, es sei denn, die Kosten hätten durch ein den Beschädigten bei Abwägung aller Umstände zuzumutendes Verhalten, insbesondere durch Kündigung des Pflegevertrages, vermieden werden können. Empfänger einer Pflegezulage mindestens nach Stufe III erhalten, soweit eine stärkere Beteiligung der schon bis zum Beginn der stationären Behandlung unentgeltlich tätigen Pflegeperson medizinisch erforderlich ist, abweichend von Satz 2 ausnahmsweise Pflegezulage bis zur vollen Höhe nach Absatz 1, in Fällen des Satzes 3 jedoch nicht über den nach Absatz 2 Satz 2 aus der pauschalen Pflegezulage verbleibenden Betrag hinaus.

(5) Tritt Hilflosigkeit im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 gleichzeitig mit der Notwendigkeit stationärer Behandlung oder während einer stationären Behandlung ein, besteht für die Zeit vor dem Kalendermonat der Entlassung kein Anspruch auf Pflegezulage. Für diese Zeit wird eine Pflegebeihilfe gezahlt, soweit dies in den folgenden Sätzen bestimmt ist. Beschädigte, die mit ihren Ehegatten, Lebenspartnern oder einem Elternteil in häuslicher Gemeinschaft leben, erhalten eine Pflegebeihilfe in Höhe eines Viertels der pauschalen Pflegezulage nach Stufe I. Soweit eine stärkere Beteiligung der Ehegatten, Lebenspartner oder eines Elternteils oder die Beteiligung einer Person, die den Beschädigten nahesteht, an der Pflege medizinisch erforderlich ist, kann in begründeten Ausnahmefällen eine Pflegebeihilfe bis zur Höhe der pauschalen Pflegezulage nach Stufe I gezahlt werden.

(6) Für Beschädigte, die infolge der Schädigung dauernder Pflege im Sinne des Absatzes 1 bedürfen, werden, wenn geeignete Pflege sonst nicht sichergestellt werden kann, die Kosten der nicht nur vorübergehenden Heimpflege, soweit sie Unterkunft, Verpflegung und Betreuung einschließlich notwendiger Pflege umfassen, unter Anrechnung auf die Versorgungsbezüge übernommen. Jedoch ist den Beschädigten von ihren Versorgungsbezügen zur Bestreitung der sonstigen Bedürfnisse ein Betrag in Höhe der Beschädigtengrundrente nach einem Grad der Schädigungsfolgen von 100 und den Angehörigen ein Betrag mindestens in Höhe der Hinterbliebenenbezüge zu belassen, die ihnen zustehen würden, wenn Beschädigte an den Folgen der Schädigung gestorben wären. Bei der Berechnung der Bezüge der Angehörigen ist auch das Einkommen der Beschädigten zu berücksichtigen, soweit es nicht ausnahmsweise für andere Zwecke, insbesondere die Erfüllung anderer Unterhaltspflichten, einzusetzen ist.

Haben Leistungsempfänger Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld oder Übergangsgeld bezogen und wird im Anschluss daran eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben ausgeführt, so wird bei der Berechnung der diese Leistungen ergänzenden Leistung zum Lebensunterhalt von dem bisher zugrunde gelegten Arbeitsentgelt ausgegangen; es gilt die für den Rehabilitationsträger jeweils geltende Beitragsbemessungsgrenze.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 26. August 2009 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Streitig ist die Höhe des Grades der Behinderung (GdB) des Klägers nach dem Schwerbehindertenrecht.

2

Wegen eines juxtakortikalen Chondrosarkoms (bösartiger Knochentumor) im Bereich des linken Schulterblattes bei familiärer Osteochondromatose wurde am 23.9.2002 bei dem 1960 geborenen Kläger eine subtotale Schulterblattentfernung links durchgeführt.

3

Auf seinen im September 2002 angebrachten Antrag stellte das Amt für Familie und Soziales Leipzig durch Bescheid vom 2.6.2003 wegen "Erkrankung des Schulterblattes links (in Heilungsbewährung), Teilverlust des Schulterblattes links, Bewegungseinschränkung des Schultergelenkes links" einen GdB von 50 fest. Den Widerspruch des Klägers wies das Sächsische Landesamt für Familie und Soziales (Landesversorgungsamt) durch Widerspruchsbescheid vom 8.9.2003 zurück. Nach Überprüfung aufgrund gerichtlichen Vergleichs (Sozialgericht Leipzig - S 2 SB 277/03) stellte die ehemalige sächsische Versorgungsverwaltung mit Bescheid vom 30.1.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.3.2005 fest, dass der GdB weiter 50 betrage.

4

Nach Beweiserhebung hat das vom Kläger angerufene SG Leipzig die auf Feststellung des GdB mit 80 gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom 24.7.2007). Zur Überzeugung des Gerichts sei das Chondrosarkom des Schulterblattes im Frühstadium entfernt worden, so dass nach Nr 26.1 Abs 3 Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (AHP) ein GdB von 50 angemessen sei. Die beim Kläger verbliebenen Organ- und Gliedmaßenschäden seien nicht mit einem GdB von mehr als 50 zu bewerten, so dass der Gesamt-GdB ebenfalls 50 betrage.

5

Während des vom Kläger geführten Berufungsverfahrens ist die beklagte Stadt Leipzig an die Stelle des Freistaates Sachsen getreten. Das Sächsische Landessozialgericht (LSG) hat den bereits erstinstanzlich als Sachverständigen gehörten Unfallchirurgen Prof. Dr. J. ergänzend befragt sowie ein weiteres Sachverständigengutachten von dem Orthopäden Prof. Dr. W. beigezogen. Prof. Dr. J. ist in seiner Stellungnahme vom 10.11.2008 bei seiner im Gutachten vom 14.10.2006 vertretenen Auffassung verblieben, dass die generalisierten funktionellen Defizite des Klägers die Einschätzung eines GdB von 60 rechtfertigten. Prof. Dr. W. hat in seinem Gutachten vom 2.12.2008 die Zuerkennung eines Gesamt-GdB von 70 für gerechtfertigt gehalten.

6

           

Durch Urteil vom 26.8.2009 hat das LSG die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:

Richtiger Klagegegner sei die Stadt Leipzig. Der Freistaat Sachsen sei aufgrund einer Zuständigkeitsänderung durch sächsische Landesgesetze zum 1.8.2008 kraft Gesetzes aus dem Verfahren ausgeschieden und durch die Beklagte ersetzt worden. Diese landesgesetzlichen Bestimmungen stünden mit höherrangigem Recht in Einklang.

7

Der Bescheid vom 2.6.2003 und der Bescheid vom 30.1.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.3.2005 seien rechtmäßig. Die vorliegende Osteochondromatose könne nicht mit einem alle betroffenen Körperteile abdeckenden GdB bewertet werden. Sie sei in den AHP nicht aufgeführt und auch nicht mit einer Gelenkerkrankung des rheumatisch entzündlichen Formenkreises vergleichbar. Die sich daraus ergebenden Funktionsstörungen seien daher einzeln zu bewerten. Es ergäben sich Einzel-GdB von jeweils 10 für die leichte Funktionsstörung im Bereich des linken Hüftgelenks, das leichte Funktionsdefizit in den oberen Sprunggelenken, die mittelschweren Funktionsdefizite beider Handgelenke und Unterarme sowie ein Teil-GdB von 20 für die schwere Funktionsstörung im Bereich des linken Schultergelenks. Der Zustand nach Entfernung des Chondrosarkoms des Schulterblattes links sei, wie es auch das SG zutreffend angenommen habe, mit einem Einzel-GdB von 50 zu bewerten, weil die Entfernung im Frühstadium erfolgt sei. Nach Nr 26.1 Abs 3 AHP bzw Teil B Nr 1.c Anlage zu § 2 Versorgungsmedizin-Verordnung vom 10.12.2008 (Anl VersMedV) sei der GdB für das Chondrosarkom von 50 nicht entsprechend höher zu bewerten, da weder der verbliebene Körperschaden bzw Organ- oder Gliedmaßenschaden noch außergewöhnliche Folgen oder Begleiterscheinungen der Behandlung einen GdB von 50 oder mehr bedingten. Bis zum Ablauf der Heilungsbewährung - in der Regel bis zum Ablauf des fünften Jahres nach Geschwulstbeseitigung - sei beim Kläger somit ein GdB von 50 festzustellen. Prof. Dr. J. habe die Einzel-GdB zu einem Gesamt-GdB von 60 addiert, was unzulässig sei. Prof. Dr. W. habe bei seiner Gesamt-GdB-Bildung nicht die Maßgabe nach Nr 26.1 Abs 3 AHP bzw Teil B Nr 1.c Anl VersMedV beachtet.

8

Mit der - vom Bundessozialgericht (BSG) zugelassenen - Revision macht der Kläger eine Verletzung des § 69 Abs 1 SGB IX iVm den AHP und der Anl VersMedV geltend. Das angefochtene Urteil weiche zur Bildung des Gesamt-GdB insbesondere von dem Urteil des BSG vom 30.9.2009 - B 9 SB 4/08 R - ab. Zudem habe das LSG den Sachverhalt nicht hinreichend aufgeklärt. Insbesondere zur Frage, ob der Tumor im Frühstadium oder in einem anderen Stadium entfernt worden sei, habe das LSG seinen Sachvortrag nicht zur Kenntnis genommen. Ebenfalls habe das LSG den Sachverhalt hinsichtlich der von ihm - dem Kläger - behaupteten Vererblichkeit seiner Erkrankung nicht hinreichend aufgeklärt. Zudem habe das LSG den Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs (§ 62 SGG) verletzt, indem es überraschend und ohne eigene Sachkunde keinem der beiden vorinstanzlich gehörten ärztlichen Fachgutachter gefolgt sei. Schließlich habe das LSG gegen § 62 SGG auch dadurch verstoßen, dass es dem Sachverständigen Prof. Dr. Wirth höhere Sachkunde zugesprochen habe als Prof. Dr. J. Hierzu habe er - der Kläger - sich nicht äußern können.

9

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 26. August 2009 und das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 24. Juli 2007 sowie die Bescheide des Amtes für Familie und Soziales Leipzig vom 2. Juni 2003 und 30. Januar 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Landesversorgungsamtes vom 30. Mai 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, bei ihm ab 6. September 2002 einen höheren GdB als 50 festzustellen.

10

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

11

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

12

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs 2 SGG) einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe

13

Die Revision des Klägers ist zulässig und im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet.

14

Im Laufe des Berufungsverfahrens ist auf Beklagtenseite kraft Gesetzes ein Beteiligtenwechsel erfolgt (vgl dazu BSG SozR 4-1500 § 57 Nr 2 RdNr 4; BSGE 99, 9 = SozR 4-3250 § 69 Nr 6, RdNr 13 f; BSGE 102, 149 = SozR 4-1100 Art 85 Nr 1, RdNr 20). Zum 1.8.2008 ist die Stadt Leipzig an die Stelle des Freistaates Sachsen getreten, weil von diesem Zeitpunkt an die bis dahin von den Ämtern für Familie und Soziales des Landes wahrgenommenen Aufgaben des Schwerbehindertenrechts nach dem SGB IX auf die Landkreise und kreisfreien Städte übertragen worden sind. Dies geschah durch Art 44 Nr 5 Gesetz zur Neuordnung der Sächsischen Verwaltung vom 29.1.2008 (Sächsisches GVBl 138) und ergänzender landesrechtlicher Regelungen, deren Inhalt als Landesrecht das LSG für das Revisionsgericht bindend festgestellt hat (§ 202 SGG iVm § 560 ZPO; s Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 162 RdNr 7). Einwendungen gegen diese Feststellungen des Inhalts des Sächsischen Landesrechtes sind nicht erhoben worden.

15

Diese durch das Sächsische Landesgesetz erfolgte Zuständigkeitsänderung ist mit revisiblem Recht (vgl § 162 SGG) vereinbar. Sie ist rechtswirksam erfolgt. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats zu der dem erwähnten sächsischem Landesrecht ähnlichen Zuständigkeitsveränderung in Nordrhein-Westfalen verstößt die Übertragung der Aufgaben des Schwerbehindertenrechts auf die Kreise und kreisfreien Städte nicht gegen höherrangiges Bundesrecht, insbesondere nicht gegen Vorschriften des Grundgesetzes (Urteile vom 23.4.2009 - B 9 VG 1/08 R - juris und - B 9 SB 3/08 R - juris, Urteil vom 29.4.2010 - B 9 SB 1/10 R - juris; zur Übertragung der Aufgaben des Sozialen Entschädigungsrechts einschließlich der Kriegsopferversorgung, der Soldatenversorgung und der Opferentschädigung auf die Kommunalen Landschaftsverbände in Nordrhein-Westfalen s Urteile vom 11.12.2008 - B 9 V 3/07 R - SGb 2009, 95 und - B 9 VS 1/08 R - BSGE 102, 149 = SozR 4-1100 Art 85 Nr 1). Die für die Verwaltungsreform in Nordrhein-Westfalen geltende Rechtslage muss in gleicher Weise für die ebenfalls durch formelles Landesgesetz erfolgte Zuständigkeitsänderung in Sachsen gelten. Gegenteilige rechtliche Bedenken sind nicht ersichtlich und auch vom Kläger nicht vorgebracht worden.

16

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Anspruch des Klägers auf Feststellung eines höheren GdB als 50 ab Antragstellung im September 2002. Darüber ist in den angefochtenen Bescheiden vom 2.6.2003 und 30.1.2004 ablehnend entschieden, denn darin ist für den Kläger lediglich ein GdB von 50 festgestellt worden. Weitere Bescheide, insbesondere für die Zeit nach Ablauf der Heilungsbewährung sind nicht ergangen.

17

Ob der Kläger, wie das LSG entschieden hat, nur Anspruch auf die bereits erfolgte Feststellung eines GdB von 50 oder, wie der Kläger geltend macht, Anspruch auf Feststellung eines darüber hinausgehenden GdB hat, kann der Senat auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des LSG (s § 163 SGG) noch nicht abschließend entscheiden.

18

Rechtsgrundlage für einen möglichen Anspruch des Klägers auf Feststellung eines höheren GdB als 50 ist § 69 Abs 1 und Abs 3 SGB IX vom 19.6.2001 (BGBl I 1046), für die Zeit ab 1.5.2004 idF des Gesetzes vom 23.4.2004 (BGBl I 606; aF) sowie - für die Zeit ab 21.12.2007 - idF des Gesetzes vom 13.12.2007 (BGBl I 2904; nF). Nach § 69 Abs 1 Satz 1 SGB IX (aller Fassungen) stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden auf Antrag eines behinderten Menschen in einem besonderen Verfahren das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest. Als GdB werden dabei nach § 69 Abs 1 Satz 4 SGB IX (aller Fassungen) die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nach Zehnergraden abgestuft festgestellt. Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, wird der GdB gemäß § 69 Abs 3 Satz 1 SGB IX (aller Fassungen) nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt.

19

Gemäß § 69 Abs 1 Satz 5 SGB IX in den bis zum 20.12.2007 maßgeblichen Fassungen (aF) gelten bei der Feststellung der Behinderung (des GdB) die Maßstäbe des § 30 Abs 1 BVG entsprechend(BSG SozR 4-3250 § 69 Nr 10 RdNr 16 bis 21 mwN). Durch diesen Verweis stellt § 69 SGB IX auf das versorgungsrechtliche Bewertungssystem ab, dessen Ausgangspunkt die "Mindestvomhundertsätze" für eine größere Zahl erheblicher äußerer Körperschäden iS der Nr 5 Allgemeine Verwaltungsvorschriften zu § 30 BVG sind. Von diesen Mindestvomhundertsätzen leiten sich die aus den Erfahrungen der Versorgungsverwaltung und den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft gewonnenen Tabellenwerte der AHP ab. In § 69 Abs 1 Satz 5 SGB IX in der ab 21.12.2007 geltenden Fassung (nF) wird zusätzlich auf die auf Grund des § 30 Abs 17 BVG mit Wirkung ab 1.1.2009 erlassene Rechtsverordnung Bezug genommen. Anzuwenden sind vorliegend für die Zeit ab Antragstellung im September 2002 bis zum Ende des Jahres 2008 die AHP 1996, 2004, 2005 und 2008. Für die Zeit ab 1.1.2009 ist die Anl VersMedV Grundlage für die Feststellung des GdB. Aus diesem Wechsel ergeben sich hier keine inhaltlichen Abweichungen, da der Wortlaut der maßgebenden Abschnitte der AHP und der Anl VersMedV ("Versorgungsmedizinische Grundsätze") identisch ist.

20

Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist davon auszugehen, dass die AHP grundsätzlich den Maßstab angeben, nach dem der GdB einzuschätzen ist (BSGE 91, 205 = SozR 4-3250 § 69 Nr 2; BSG SozR 4-3250 § 69 Nr 9). Bei den AHP handelt es sich um antizipierte Sachverständigengutachten, die im konkreten Verwaltungs- und Gerichtsverfahren zu beachten sind (zum Ganzen s BSG SozR 4-3250 § 69 Nr 9 RdNr 25 mwN). Entsprechendes gilt für die seit dem 1.1.2009 in Kraft befindliche VersMedV als verbindliche Rechtsquelle. Zweifel am Inhalt der AHP oder der Anl VersMedV, der durch besondere, vor allem medizinische Sachkunde bestimmt ist, sind vorzugsweise durch Nachfrage bei dem verantwortlichen Urheber, hier also beim Ärztlichen Sachverständigenbeirat Versorgungsmedizin bzw bei dem für diesen geschäftsführend tätigen BMAS (§ 3 VersMedV) zu klären (vgl dazu BSG Urteil vom 24.4.2008 - B 9/9a SB 6/06 R - juris RdNr 21). Im Übrigen sind AHP und VersMedV auf inhaltliche Verstöße gegen höherrangige Rechtsnormen - insbesondere § 69 SGB IX - zu überprüfen(BSG Urteil vom 23.4.2009 - B 9 SB 3/08 R -, SozialVerw 2009, 59, 62 mwN). Dabei sind sie im Lichte des § 69 SGB IX auszulegen. Bei nach entsprechender Auslegung verbleibenden Verstößen gegen § 69 SGB IX sind diese Rechtsquellen nicht anzuwenden(BSG Urteil vom 23.4.2009, aaO).

21

Bei der Feststellung des (Gesamt)-GdB ist das seit jeher im Schwerbehindertenrecht geltende Finalitätsprinzip (zum Rechtszustand nach dem Schwerbehindertengesetz s BSG SozR 3870 § 57 Nr 1 S 5; s auch Teil A Nr 2.a Satz 1 Anl VersMedV) zu beachten, das sowohl im Behinderungsbegriff des § 2 Abs 1 SGB IX als auch in den Prinzipien zur Feststellung des GdB nach § 69 Abs 1 und Abs 3 SGB IX festgeschrieben worden ist. Danach sind alle dauerhaften Gesundheitsstörungen unabhängig von ihrem Entstehungsgrund zu erfassen und ihre Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu berücksichtigen (BSG Urteil vom 11.12.2008 - B 9/9a SB 4/07 R - zum Begriff der sog Organkomplikationen unter Hinweis auf Knickrehm, SGb 2008, 220, 221; s auch Nr 18 Abs 1 AHP/Teil A Nr 2.a Anl VersMedV). Das BSG (aaO) hat dargelegt, dass möglicherweise durch eine Haupterkrankung (dort: Diabetes Mellitus) hervorgerufene Gesundheitsstörungen (dort: zB Netzhautveränderungen etc) wie von der Haupterkrankung unabhängig entstandene Gesundheitsstörungen zu behandeln sind und in ihren Auswirkungen auf die Teilhabefähigkeit unabhängig von dem für die Haupterkrankung festzustellenden Einzel-GdB separat zu berücksichtigen sind. Entsprechend hat das BSG im Falle der durch die Haupterkrankung (Schilddrüsenentfernung wegen Karzinom) hervorgerufenen Verletzung eines Stimmbandnervs entschieden (BSG Urteil vom 30.9.2009 - B 9 SB 4/08 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 10). Danach begegnet es durchgreifenden Bedenken, mit der GdB-Bewertung eines Zustands nach Tumorentfernung während der Heilungsbewährung auch abgrenzbare und nennenswerte Schäden an anderen Organen zu erfassen, die nicht immer mit einer derartigen Behandlung verbunden sind.

22

Gemäß Nr 26.1 Abs 3 AHP und Teil B Nr 1.c Anl VersMedV ist nach Behandlung bestimmter Krankheiten, die zu Rezidiven neigen, insbesondere bei bösartigen Geschwulsterkrankungen, eine Heilungsbewährung abzuwarten. Der Zeitraum der Heilungsbewährung beträgt in der Regel fünf Jahre, und zwar ab dem Zeitpunkt, an dem die Geschwulst durch Operation oder andere Primärtherapie als beseitigt angesehen werden kann. Die hinsichtlich der häufigsten und wichtigsten solcher Krankheiten im Folgenden angegebenen GdB/MdE/GdS-Anhaltswerte sind auf den "Zustand nach operativer oder anderweitiger Beseitigung der Geschwulst bezogen". Sie beziehen den "regelhaft verbleibenden Organ- oder Gliedmaßenschaden ein". "Außergewöhnliche Folgen oder Begleiterscheinungen der Behandlung - zB langdauernde schwere Auswirkungen einer wiederholten Chemotherapie - sind gegebenenfalls zusätzlich zu berücksichtigen". Ferner bestimmt Nr 26.1 Abs 3 AHP/Teil B Nr 1.c Anl VersMedV, dass, sofern bis zum Ablauf der Heilungsbewährung der GdB während dieser Zeit 50 beträgt, der GdB entsprechend höher zu bewerten ist, wenn der verbliebene Organ- oder Gliedmaßenschaden und/oder außergewöhnliche Folgen oder Begleiterscheinungen der Behandlung einen GdB von 50 oder mehr bedingen.

23

Wie der Begriff des Organschadens zu verstehen ist, ist in den AHP und der Anl VersMedV nicht näher geregelt. Der erkennende Senat hat dazu mehrere Möglichkeiten aufgezeigt (BSG SozR 4-3250 § 69 Nr 10 RdNr 28). Jedenfalls aber darf die Einschätzung des Gesamt-GdB nicht unterschiedlich ausfallen in Fällen, in denen der Organschaden schon vor der Krebsoperation vorhanden war, und Fällen, in denen er erst mit oder nach der Operation aufgetreten ist (BSG aaO, RdNr 30, 31). Soweit Nr 26.1 Abs 3 letzter Satz AHP und Teil B Nr 1.c letzter Satz Anl VersMedV bestimmen, dass der wegen Heilungsbewährung anzunehmende GdB erhöht werden muss ("ist … höher zu bewerten"), wenn der verbliebene Organ- oder Gliedmaßenschaden (Körperschaden) - für sich allein - einen GdB von 50 oder mehr bedingt, kann sich diese Regelung mithin nur auf den von der Geschwulsterkrankung betroffenen Körperteil und die mit der Tumorentfernung typischerweise verbundenen Schäden beziehen. Ob die festgelegte Grenze eines GdB von 50 für derartige verbliebene Organ- oder Gliedmaßenschäden zu hoch angesetzt ist, muss hier nicht erörtert werden; denn die schwere Funktionsstörung des linken Schultergelenks, die neben dem Teilverlust des linken Schulterblatts als vom GdB des Zustands nach Tumorentfernung miterfasst angesehen werden könnte, bedingt nach den bisherigen Feststellungen des LSG nur einen GdB von 20.

24

Die Feststellung des GdB ist tatrichterliche Aufgabe (BSGE 4, 147, 149 f; BSGE 62, 209, 212 ff = SozR 3870 § 3 Nr 26 S 83 f; BSG SozR 4-3250 § 69 Nr 10; zur Feststellung der Minderung der Erwerbsfähigkeit in der gesetzlichen Unfallversicherung als Tatsachenfeststellung s zuletzt BSG SozR 4-2700 § 56 Nr 2 RdNr 10 mwN) und kann im Revisionsverfahren nur durch entsprechende Verfahrensrügen angegriffen werden (vgl § 163 SGG). Sie ist jedoch in den dargestellten rechtlichen Rahmen eingebettet, den Verwaltung und Tatsachengerichte zwingend zu beachten haben. Entsprechende Rechtsverstöße durch das Tatsachengericht sind vom Revisionsgericht zu beanstanden (§ 162 SGG).

25

Zur Feststellung des GdB werden in einem ersten Schritt die einzelnen nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen im Sinne von regelwidrigen (von der Norm abweichenden) Zuständen (s § 2 Abs 1 SGB IX) und die sich daraus ableitenden, für eine Teilhabebeeinträchtigung bedeutsamen Umstände festgestellt. In einem zweiten Schritt sind diese - soweit möglich - den in den AHP/der Anl VersMedV genannten Funktionssystemen zuzuordnen und mit einem Einzel-GdB zu bewerten. In einem dritten Schritt ist dann - in der Regel ausgehend von der Beeinträchtigung mit dem höchsten Einzel-GdB (vgl Nr 19 Abs 3 AHP/Teil A Nr 3.c Anl VersMedV) - in einer Gesamtschau unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen der einzelnen Beeinträchtigungen der Gesamt-GdB zu bilden. Dabei können die Auswirkungen der einzelnen Beeinträchtigungen ineinander aufgehen (sich decken), sich überschneiden, sich verstärken oder beziehungslos nebeneinander stehen. Außerdem sind bei der Gesamtwürdigung die Auswirkungen mit denjenigen zu vergleichen, für die in der Tabelle der AHP/Anl VersMedV feste GdB/MdE-Werte bzw feste GdS-Werte angegeben sind (vgl Nr 19 Abs 2 AHP/Teil A Nr 3.b Anl VersMedV).

26

Ausgehend von diesen rechtlichen Rahmenbedingungen hat das LSG im ersten Verfahrensschritt Feststellungen über die beim Kläger bestehenden, nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen getroffen, die für das Revisionsgericht bindend sind, zumal sie vom Kläger nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffen worden sind (§ 163 SGG). Danach liegen ein Zustand nach Entfernung eines Chondrosarkoms mit Teilentfernung des linken Schulterblattes und schwerer Funktionsstörung im Bereich des linken Schultergelenks sowie - im Wesentlichen auf der Grundlage einer familiären Osteochondromatose - Funktionsstörungen im Bereich des linken Hüftgelenks und der oberen Sprunggelenke, mittelschwere Funktionsdefizite beider Handgelenke und Unterarme vor. Soweit sich der Kläger gegen die Feststellung des LSG wendet, das Chondrosarkom sei im Frühstadium entfernt worden, betrifft sein Vorbringen weniger den gegenwärtigen Gesundheitszustand, sondern vielmehr ein Merkmal, das nach Nr 26.1 Abs 3 AHP bzw Teil B Nr 1.c Anl VersMedV für die pauschale GdB-Bemessung während der Heilungsbewährung von Bedeutung ist.

27

Der Senat lässt es dahinstehen, inwiefern die vom LSG im zweiten Verfahrensschritt vorgenommenen Feststellungen über die Zuordnung der Gesundheitsstörungen zu in den AHP und der Anl VersMedV aufgeführten Funktionssystemen und deren Bewertung mit jeweils einem Einzel-GdB bindend sind. Insbesondere bleibt offen, ob die vom LSG auf Nr 26.1 Abs 3 AHP und Teil B Nr 1.c Anl VersMedV gestützte Bewertung des Einzel-GdB für den Zustand nach Entfernung des Chondrosarkoms insoweit auf einer das BSG bindenden Tatsachenfeststellung beruht, als das LSG angenommen hat, die Entfernung sei im Frühstadium erfolgt. Denn selbst wenn die Bewertung des Einzel-GdB für den Zustand nach Tumorentfernung mit 50 im Ansatz zutreffend sein sollte, begegnet das weitere Vorgehen des LSG durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

28

Das LSG hat die Regelung der Nr 26.1 Abs 3 AHP bzw Teil B Nr 1.c Anl VersMedV unrichtig angewendet. Es hat bereits verkannt, dass diese Bestimmungen nur die Ermittlung des Einzel-GdB für den Zustand nach Tumorentfernung während der Heilungsbewährung und nicht die Bemessung des Gesamt-GdB betreffen. Es hätte zudem nicht alle mit der familiären Osteochondromatose des Klägers zusammenhängenden Funktionsstörungen in die Bemessung des Einzel-GdB für den Zustand nach Tumorentfernung einbeziehen, sondern insoweit nur die unmittelbar damit verbundenen Schäden berücksichtigen dürfen. Wäre danach der Einzel-GdB von 50 nicht zu erhöhen gewesen, so hätten die übrigen Gesundheitsstörungen (insbesondere im Bereich der Hände, Unterarme, Hüft- und Sprunggelenke) in einem dritten Verfahrensabschnitt in die Bildung des Gesamt-GdB einbezogen werden müssen.

29

Es ist nicht ausgeschlossen, dass diese Vorgehensweise zu einem höheren Gesamt-GdB als 50 hätte führen können. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die betreffenden Funktionsstörungen nach den Feststellungen des LSG jeweils nur einen GdB von 10 bedingen.

30

Nach Nr 19 Abs 4 AHP und Teil A Nr 3.d.ee Anl VersMedV führen, von Ausnahmefällen abgesehen, zusätzliche leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung. Ein derartiger Ausnahmefall könnte hier vorliegen. Die vom LSG festgestellten Beweglichkeitseinschränkungen am linken Hüftgelenk, den Handgelenken und Unterarmen sowie den oberen Sprunggelenken sind offenbar einer sog Systemerkrankung - nämlich einer familiären Osteochondromatose - zuzuordnen. Dadurch könnten die Auswirkungen der einzelnen Erscheinungen insgesamt ein stärkeres Gewicht erhalten. Hinzu könnten besondere seelische Begleiterscheinungen kommen, die sich aus der Vererblichkeit dieser Erkrankung ergeben.

31

Sollte der Kläger - wie seinem Vorbringen entnommen werden könnte - darüber hinaus an einer psychischen Erkrankung leiden, wäre diese mit einem Einzel-GdB zu bewerten und bei der Bildung des Gesamt-GdB gesondert zu berücksichtigen.

32

Nach alledem fehlen weitere tatrichterliche Feststellungen, die das BSG im Revisionsverfahren nicht nachholen kann. Das Berufungsurteil ist deshalb aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG).

33

Im wiedereröffneten Berufungsverfahren wird das LSG erneut zu prüfen und festzustellen haben, ob sich das Chondrosarkom des linken Schulterblattes bei seiner Entfernung tatsächlich erst im Frühstadium oder - wie der Kläger geltend macht - in einem fortgeschrittenen Stadium befunden hat. Letzteres würde nach Nr 26.1 Abs 3 AHP bzw Teil B Nr 1.c Anl VersMedV während der Heilungsbewährung zu einem höheren Einzel-GdB führen.

34

Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

(1) Auf Antrag des Versicherten, des behinderten Menschen, des Versorgungsberechtigten oder Hinterbliebenen muß ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Die Anhörung kann davon abhängig gemacht werden, daß der Antragsteller die Kosten vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts endgültig trägt.

(2) Das Gericht kann einen Antrag ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist.

Haben Leistungsempfänger Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld oder Übergangsgeld bezogen und wird im Anschluss daran eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben ausgeführt, so wird bei der Berechnung der diese Leistungen ergänzenden Leistung zum Lebensunterhalt von dem bisher zugrunde gelegten Arbeitsentgelt ausgegangen; es gilt die für den Rehabilitationsträger jeweils geltende Beitragsbemessungsgrenze.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 26. August 2009 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Streitig ist die Höhe des Grades der Behinderung (GdB) des Klägers nach dem Schwerbehindertenrecht.

2

Wegen eines juxtakortikalen Chondrosarkoms (bösartiger Knochentumor) im Bereich des linken Schulterblattes bei familiärer Osteochondromatose wurde am 23.9.2002 bei dem 1960 geborenen Kläger eine subtotale Schulterblattentfernung links durchgeführt.

3

Auf seinen im September 2002 angebrachten Antrag stellte das Amt für Familie und Soziales Leipzig durch Bescheid vom 2.6.2003 wegen "Erkrankung des Schulterblattes links (in Heilungsbewährung), Teilverlust des Schulterblattes links, Bewegungseinschränkung des Schultergelenkes links" einen GdB von 50 fest. Den Widerspruch des Klägers wies das Sächsische Landesamt für Familie und Soziales (Landesversorgungsamt) durch Widerspruchsbescheid vom 8.9.2003 zurück. Nach Überprüfung aufgrund gerichtlichen Vergleichs (Sozialgericht Leipzig - S 2 SB 277/03) stellte die ehemalige sächsische Versorgungsverwaltung mit Bescheid vom 30.1.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.3.2005 fest, dass der GdB weiter 50 betrage.

4

Nach Beweiserhebung hat das vom Kläger angerufene SG Leipzig die auf Feststellung des GdB mit 80 gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom 24.7.2007). Zur Überzeugung des Gerichts sei das Chondrosarkom des Schulterblattes im Frühstadium entfernt worden, so dass nach Nr 26.1 Abs 3 Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (AHP) ein GdB von 50 angemessen sei. Die beim Kläger verbliebenen Organ- und Gliedmaßenschäden seien nicht mit einem GdB von mehr als 50 zu bewerten, so dass der Gesamt-GdB ebenfalls 50 betrage.

5

Während des vom Kläger geführten Berufungsverfahrens ist die beklagte Stadt Leipzig an die Stelle des Freistaates Sachsen getreten. Das Sächsische Landessozialgericht (LSG) hat den bereits erstinstanzlich als Sachverständigen gehörten Unfallchirurgen Prof. Dr. J. ergänzend befragt sowie ein weiteres Sachverständigengutachten von dem Orthopäden Prof. Dr. W. beigezogen. Prof. Dr. J. ist in seiner Stellungnahme vom 10.11.2008 bei seiner im Gutachten vom 14.10.2006 vertretenen Auffassung verblieben, dass die generalisierten funktionellen Defizite des Klägers die Einschätzung eines GdB von 60 rechtfertigten. Prof. Dr. W. hat in seinem Gutachten vom 2.12.2008 die Zuerkennung eines Gesamt-GdB von 70 für gerechtfertigt gehalten.

6

           

Durch Urteil vom 26.8.2009 hat das LSG die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:

Richtiger Klagegegner sei die Stadt Leipzig. Der Freistaat Sachsen sei aufgrund einer Zuständigkeitsänderung durch sächsische Landesgesetze zum 1.8.2008 kraft Gesetzes aus dem Verfahren ausgeschieden und durch die Beklagte ersetzt worden. Diese landesgesetzlichen Bestimmungen stünden mit höherrangigem Recht in Einklang.

7

Der Bescheid vom 2.6.2003 und der Bescheid vom 30.1.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.3.2005 seien rechtmäßig. Die vorliegende Osteochondromatose könne nicht mit einem alle betroffenen Körperteile abdeckenden GdB bewertet werden. Sie sei in den AHP nicht aufgeführt und auch nicht mit einer Gelenkerkrankung des rheumatisch entzündlichen Formenkreises vergleichbar. Die sich daraus ergebenden Funktionsstörungen seien daher einzeln zu bewerten. Es ergäben sich Einzel-GdB von jeweils 10 für die leichte Funktionsstörung im Bereich des linken Hüftgelenks, das leichte Funktionsdefizit in den oberen Sprunggelenken, die mittelschweren Funktionsdefizite beider Handgelenke und Unterarme sowie ein Teil-GdB von 20 für die schwere Funktionsstörung im Bereich des linken Schultergelenks. Der Zustand nach Entfernung des Chondrosarkoms des Schulterblattes links sei, wie es auch das SG zutreffend angenommen habe, mit einem Einzel-GdB von 50 zu bewerten, weil die Entfernung im Frühstadium erfolgt sei. Nach Nr 26.1 Abs 3 AHP bzw Teil B Nr 1.c Anlage zu § 2 Versorgungsmedizin-Verordnung vom 10.12.2008 (Anl VersMedV) sei der GdB für das Chondrosarkom von 50 nicht entsprechend höher zu bewerten, da weder der verbliebene Körperschaden bzw Organ- oder Gliedmaßenschaden noch außergewöhnliche Folgen oder Begleiterscheinungen der Behandlung einen GdB von 50 oder mehr bedingten. Bis zum Ablauf der Heilungsbewährung - in der Regel bis zum Ablauf des fünften Jahres nach Geschwulstbeseitigung - sei beim Kläger somit ein GdB von 50 festzustellen. Prof. Dr. J. habe die Einzel-GdB zu einem Gesamt-GdB von 60 addiert, was unzulässig sei. Prof. Dr. W. habe bei seiner Gesamt-GdB-Bildung nicht die Maßgabe nach Nr 26.1 Abs 3 AHP bzw Teil B Nr 1.c Anl VersMedV beachtet.

8

Mit der - vom Bundessozialgericht (BSG) zugelassenen - Revision macht der Kläger eine Verletzung des § 69 Abs 1 SGB IX iVm den AHP und der Anl VersMedV geltend. Das angefochtene Urteil weiche zur Bildung des Gesamt-GdB insbesondere von dem Urteil des BSG vom 30.9.2009 - B 9 SB 4/08 R - ab. Zudem habe das LSG den Sachverhalt nicht hinreichend aufgeklärt. Insbesondere zur Frage, ob der Tumor im Frühstadium oder in einem anderen Stadium entfernt worden sei, habe das LSG seinen Sachvortrag nicht zur Kenntnis genommen. Ebenfalls habe das LSG den Sachverhalt hinsichtlich der von ihm - dem Kläger - behaupteten Vererblichkeit seiner Erkrankung nicht hinreichend aufgeklärt. Zudem habe das LSG den Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs (§ 62 SGG) verletzt, indem es überraschend und ohne eigene Sachkunde keinem der beiden vorinstanzlich gehörten ärztlichen Fachgutachter gefolgt sei. Schließlich habe das LSG gegen § 62 SGG auch dadurch verstoßen, dass es dem Sachverständigen Prof. Dr. Wirth höhere Sachkunde zugesprochen habe als Prof. Dr. J. Hierzu habe er - der Kläger - sich nicht äußern können.

9

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 26. August 2009 und das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 24. Juli 2007 sowie die Bescheide des Amtes für Familie und Soziales Leipzig vom 2. Juni 2003 und 30. Januar 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Landesversorgungsamtes vom 30. Mai 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, bei ihm ab 6. September 2002 einen höheren GdB als 50 festzustellen.

10

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

11

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

12

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs 2 SGG) einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe

13

Die Revision des Klägers ist zulässig und im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet.

14

Im Laufe des Berufungsverfahrens ist auf Beklagtenseite kraft Gesetzes ein Beteiligtenwechsel erfolgt (vgl dazu BSG SozR 4-1500 § 57 Nr 2 RdNr 4; BSGE 99, 9 = SozR 4-3250 § 69 Nr 6, RdNr 13 f; BSGE 102, 149 = SozR 4-1100 Art 85 Nr 1, RdNr 20). Zum 1.8.2008 ist die Stadt Leipzig an die Stelle des Freistaates Sachsen getreten, weil von diesem Zeitpunkt an die bis dahin von den Ämtern für Familie und Soziales des Landes wahrgenommenen Aufgaben des Schwerbehindertenrechts nach dem SGB IX auf die Landkreise und kreisfreien Städte übertragen worden sind. Dies geschah durch Art 44 Nr 5 Gesetz zur Neuordnung der Sächsischen Verwaltung vom 29.1.2008 (Sächsisches GVBl 138) und ergänzender landesrechtlicher Regelungen, deren Inhalt als Landesrecht das LSG für das Revisionsgericht bindend festgestellt hat (§ 202 SGG iVm § 560 ZPO; s Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 162 RdNr 7). Einwendungen gegen diese Feststellungen des Inhalts des Sächsischen Landesrechtes sind nicht erhoben worden.

15

Diese durch das Sächsische Landesgesetz erfolgte Zuständigkeitsänderung ist mit revisiblem Recht (vgl § 162 SGG) vereinbar. Sie ist rechtswirksam erfolgt. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats zu der dem erwähnten sächsischem Landesrecht ähnlichen Zuständigkeitsveränderung in Nordrhein-Westfalen verstößt die Übertragung der Aufgaben des Schwerbehindertenrechts auf die Kreise und kreisfreien Städte nicht gegen höherrangiges Bundesrecht, insbesondere nicht gegen Vorschriften des Grundgesetzes (Urteile vom 23.4.2009 - B 9 VG 1/08 R - juris und - B 9 SB 3/08 R - juris, Urteil vom 29.4.2010 - B 9 SB 1/10 R - juris; zur Übertragung der Aufgaben des Sozialen Entschädigungsrechts einschließlich der Kriegsopferversorgung, der Soldatenversorgung und der Opferentschädigung auf die Kommunalen Landschaftsverbände in Nordrhein-Westfalen s Urteile vom 11.12.2008 - B 9 V 3/07 R - SGb 2009, 95 und - B 9 VS 1/08 R - BSGE 102, 149 = SozR 4-1100 Art 85 Nr 1). Die für die Verwaltungsreform in Nordrhein-Westfalen geltende Rechtslage muss in gleicher Weise für die ebenfalls durch formelles Landesgesetz erfolgte Zuständigkeitsänderung in Sachsen gelten. Gegenteilige rechtliche Bedenken sind nicht ersichtlich und auch vom Kläger nicht vorgebracht worden.

16

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Anspruch des Klägers auf Feststellung eines höheren GdB als 50 ab Antragstellung im September 2002. Darüber ist in den angefochtenen Bescheiden vom 2.6.2003 und 30.1.2004 ablehnend entschieden, denn darin ist für den Kläger lediglich ein GdB von 50 festgestellt worden. Weitere Bescheide, insbesondere für die Zeit nach Ablauf der Heilungsbewährung sind nicht ergangen.

17

Ob der Kläger, wie das LSG entschieden hat, nur Anspruch auf die bereits erfolgte Feststellung eines GdB von 50 oder, wie der Kläger geltend macht, Anspruch auf Feststellung eines darüber hinausgehenden GdB hat, kann der Senat auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des LSG (s § 163 SGG) noch nicht abschließend entscheiden.

18

Rechtsgrundlage für einen möglichen Anspruch des Klägers auf Feststellung eines höheren GdB als 50 ist § 69 Abs 1 und Abs 3 SGB IX vom 19.6.2001 (BGBl I 1046), für die Zeit ab 1.5.2004 idF des Gesetzes vom 23.4.2004 (BGBl I 606; aF) sowie - für die Zeit ab 21.12.2007 - idF des Gesetzes vom 13.12.2007 (BGBl I 2904; nF). Nach § 69 Abs 1 Satz 1 SGB IX (aller Fassungen) stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden auf Antrag eines behinderten Menschen in einem besonderen Verfahren das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest. Als GdB werden dabei nach § 69 Abs 1 Satz 4 SGB IX (aller Fassungen) die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nach Zehnergraden abgestuft festgestellt. Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, wird der GdB gemäß § 69 Abs 3 Satz 1 SGB IX (aller Fassungen) nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt.

19

Gemäß § 69 Abs 1 Satz 5 SGB IX in den bis zum 20.12.2007 maßgeblichen Fassungen (aF) gelten bei der Feststellung der Behinderung (des GdB) die Maßstäbe des § 30 Abs 1 BVG entsprechend(BSG SozR 4-3250 § 69 Nr 10 RdNr 16 bis 21 mwN). Durch diesen Verweis stellt § 69 SGB IX auf das versorgungsrechtliche Bewertungssystem ab, dessen Ausgangspunkt die "Mindestvomhundertsätze" für eine größere Zahl erheblicher äußerer Körperschäden iS der Nr 5 Allgemeine Verwaltungsvorschriften zu § 30 BVG sind. Von diesen Mindestvomhundertsätzen leiten sich die aus den Erfahrungen der Versorgungsverwaltung und den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft gewonnenen Tabellenwerte der AHP ab. In § 69 Abs 1 Satz 5 SGB IX in der ab 21.12.2007 geltenden Fassung (nF) wird zusätzlich auf die auf Grund des § 30 Abs 17 BVG mit Wirkung ab 1.1.2009 erlassene Rechtsverordnung Bezug genommen. Anzuwenden sind vorliegend für die Zeit ab Antragstellung im September 2002 bis zum Ende des Jahres 2008 die AHP 1996, 2004, 2005 und 2008. Für die Zeit ab 1.1.2009 ist die Anl VersMedV Grundlage für die Feststellung des GdB. Aus diesem Wechsel ergeben sich hier keine inhaltlichen Abweichungen, da der Wortlaut der maßgebenden Abschnitte der AHP und der Anl VersMedV ("Versorgungsmedizinische Grundsätze") identisch ist.

20

Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist davon auszugehen, dass die AHP grundsätzlich den Maßstab angeben, nach dem der GdB einzuschätzen ist (BSGE 91, 205 = SozR 4-3250 § 69 Nr 2; BSG SozR 4-3250 § 69 Nr 9). Bei den AHP handelt es sich um antizipierte Sachverständigengutachten, die im konkreten Verwaltungs- und Gerichtsverfahren zu beachten sind (zum Ganzen s BSG SozR 4-3250 § 69 Nr 9 RdNr 25 mwN). Entsprechendes gilt für die seit dem 1.1.2009 in Kraft befindliche VersMedV als verbindliche Rechtsquelle. Zweifel am Inhalt der AHP oder der Anl VersMedV, der durch besondere, vor allem medizinische Sachkunde bestimmt ist, sind vorzugsweise durch Nachfrage bei dem verantwortlichen Urheber, hier also beim Ärztlichen Sachverständigenbeirat Versorgungsmedizin bzw bei dem für diesen geschäftsführend tätigen BMAS (§ 3 VersMedV) zu klären (vgl dazu BSG Urteil vom 24.4.2008 - B 9/9a SB 6/06 R - juris RdNr 21). Im Übrigen sind AHP und VersMedV auf inhaltliche Verstöße gegen höherrangige Rechtsnormen - insbesondere § 69 SGB IX - zu überprüfen(BSG Urteil vom 23.4.2009 - B 9 SB 3/08 R -, SozialVerw 2009, 59, 62 mwN). Dabei sind sie im Lichte des § 69 SGB IX auszulegen. Bei nach entsprechender Auslegung verbleibenden Verstößen gegen § 69 SGB IX sind diese Rechtsquellen nicht anzuwenden(BSG Urteil vom 23.4.2009, aaO).

21

Bei der Feststellung des (Gesamt)-GdB ist das seit jeher im Schwerbehindertenrecht geltende Finalitätsprinzip (zum Rechtszustand nach dem Schwerbehindertengesetz s BSG SozR 3870 § 57 Nr 1 S 5; s auch Teil A Nr 2.a Satz 1 Anl VersMedV) zu beachten, das sowohl im Behinderungsbegriff des § 2 Abs 1 SGB IX als auch in den Prinzipien zur Feststellung des GdB nach § 69 Abs 1 und Abs 3 SGB IX festgeschrieben worden ist. Danach sind alle dauerhaften Gesundheitsstörungen unabhängig von ihrem Entstehungsgrund zu erfassen und ihre Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu berücksichtigen (BSG Urteil vom 11.12.2008 - B 9/9a SB 4/07 R - zum Begriff der sog Organkomplikationen unter Hinweis auf Knickrehm, SGb 2008, 220, 221; s auch Nr 18 Abs 1 AHP/Teil A Nr 2.a Anl VersMedV). Das BSG (aaO) hat dargelegt, dass möglicherweise durch eine Haupterkrankung (dort: Diabetes Mellitus) hervorgerufene Gesundheitsstörungen (dort: zB Netzhautveränderungen etc) wie von der Haupterkrankung unabhängig entstandene Gesundheitsstörungen zu behandeln sind und in ihren Auswirkungen auf die Teilhabefähigkeit unabhängig von dem für die Haupterkrankung festzustellenden Einzel-GdB separat zu berücksichtigen sind. Entsprechend hat das BSG im Falle der durch die Haupterkrankung (Schilddrüsenentfernung wegen Karzinom) hervorgerufenen Verletzung eines Stimmbandnervs entschieden (BSG Urteil vom 30.9.2009 - B 9 SB 4/08 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 10). Danach begegnet es durchgreifenden Bedenken, mit der GdB-Bewertung eines Zustands nach Tumorentfernung während der Heilungsbewährung auch abgrenzbare und nennenswerte Schäden an anderen Organen zu erfassen, die nicht immer mit einer derartigen Behandlung verbunden sind.

22

Gemäß Nr 26.1 Abs 3 AHP und Teil B Nr 1.c Anl VersMedV ist nach Behandlung bestimmter Krankheiten, die zu Rezidiven neigen, insbesondere bei bösartigen Geschwulsterkrankungen, eine Heilungsbewährung abzuwarten. Der Zeitraum der Heilungsbewährung beträgt in der Regel fünf Jahre, und zwar ab dem Zeitpunkt, an dem die Geschwulst durch Operation oder andere Primärtherapie als beseitigt angesehen werden kann. Die hinsichtlich der häufigsten und wichtigsten solcher Krankheiten im Folgenden angegebenen GdB/MdE/GdS-Anhaltswerte sind auf den "Zustand nach operativer oder anderweitiger Beseitigung der Geschwulst bezogen". Sie beziehen den "regelhaft verbleibenden Organ- oder Gliedmaßenschaden ein". "Außergewöhnliche Folgen oder Begleiterscheinungen der Behandlung - zB langdauernde schwere Auswirkungen einer wiederholten Chemotherapie - sind gegebenenfalls zusätzlich zu berücksichtigen". Ferner bestimmt Nr 26.1 Abs 3 AHP/Teil B Nr 1.c Anl VersMedV, dass, sofern bis zum Ablauf der Heilungsbewährung der GdB während dieser Zeit 50 beträgt, der GdB entsprechend höher zu bewerten ist, wenn der verbliebene Organ- oder Gliedmaßenschaden und/oder außergewöhnliche Folgen oder Begleiterscheinungen der Behandlung einen GdB von 50 oder mehr bedingen.

23

Wie der Begriff des Organschadens zu verstehen ist, ist in den AHP und der Anl VersMedV nicht näher geregelt. Der erkennende Senat hat dazu mehrere Möglichkeiten aufgezeigt (BSG SozR 4-3250 § 69 Nr 10 RdNr 28). Jedenfalls aber darf die Einschätzung des Gesamt-GdB nicht unterschiedlich ausfallen in Fällen, in denen der Organschaden schon vor der Krebsoperation vorhanden war, und Fällen, in denen er erst mit oder nach der Operation aufgetreten ist (BSG aaO, RdNr 30, 31). Soweit Nr 26.1 Abs 3 letzter Satz AHP und Teil B Nr 1.c letzter Satz Anl VersMedV bestimmen, dass der wegen Heilungsbewährung anzunehmende GdB erhöht werden muss ("ist … höher zu bewerten"), wenn der verbliebene Organ- oder Gliedmaßenschaden (Körperschaden) - für sich allein - einen GdB von 50 oder mehr bedingt, kann sich diese Regelung mithin nur auf den von der Geschwulsterkrankung betroffenen Körperteil und die mit der Tumorentfernung typischerweise verbundenen Schäden beziehen. Ob die festgelegte Grenze eines GdB von 50 für derartige verbliebene Organ- oder Gliedmaßenschäden zu hoch angesetzt ist, muss hier nicht erörtert werden; denn die schwere Funktionsstörung des linken Schultergelenks, die neben dem Teilverlust des linken Schulterblatts als vom GdB des Zustands nach Tumorentfernung miterfasst angesehen werden könnte, bedingt nach den bisherigen Feststellungen des LSG nur einen GdB von 20.

24

Die Feststellung des GdB ist tatrichterliche Aufgabe (BSGE 4, 147, 149 f; BSGE 62, 209, 212 ff = SozR 3870 § 3 Nr 26 S 83 f; BSG SozR 4-3250 § 69 Nr 10; zur Feststellung der Minderung der Erwerbsfähigkeit in der gesetzlichen Unfallversicherung als Tatsachenfeststellung s zuletzt BSG SozR 4-2700 § 56 Nr 2 RdNr 10 mwN) und kann im Revisionsverfahren nur durch entsprechende Verfahrensrügen angegriffen werden (vgl § 163 SGG). Sie ist jedoch in den dargestellten rechtlichen Rahmen eingebettet, den Verwaltung und Tatsachengerichte zwingend zu beachten haben. Entsprechende Rechtsverstöße durch das Tatsachengericht sind vom Revisionsgericht zu beanstanden (§ 162 SGG).

25

Zur Feststellung des GdB werden in einem ersten Schritt die einzelnen nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen im Sinne von regelwidrigen (von der Norm abweichenden) Zuständen (s § 2 Abs 1 SGB IX) und die sich daraus ableitenden, für eine Teilhabebeeinträchtigung bedeutsamen Umstände festgestellt. In einem zweiten Schritt sind diese - soweit möglich - den in den AHP/der Anl VersMedV genannten Funktionssystemen zuzuordnen und mit einem Einzel-GdB zu bewerten. In einem dritten Schritt ist dann - in der Regel ausgehend von der Beeinträchtigung mit dem höchsten Einzel-GdB (vgl Nr 19 Abs 3 AHP/Teil A Nr 3.c Anl VersMedV) - in einer Gesamtschau unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen der einzelnen Beeinträchtigungen der Gesamt-GdB zu bilden. Dabei können die Auswirkungen der einzelnen Beeinträchtigungen ineinander aufgehen (sich decken), sich überschneiden, sich verstärken oder beziehungslos nebeneinander stehen. Außerdem sind bei der Gesamtwürdigung die Auswirkungen mit denjenigen zu vergleichen, für die in der Tabelle der AHP/Anl VersMedV feste GdB/MdE-Werte bzw feste GdS-Werte angegeben sind (vgl Nr 19 Abs 2 AHP/Teil A Nr 3.b Anl VersMedV).

26

Ausgehend von diesen rechtlichen Rahmenbedingungen hat das LSG im ersten Verfahrensschritt Feststellungen über die beim Kläger bestehenden, nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen getroffen, die für das Revisionsgericht bindend sind, zumal sie vom Kläger nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffen worden sind (§ 163 SGG). Danach liegen ein Zustand nach Entfernung eines Chondrosarkoms mit Teilentfernung des linken Schulterblattes und schwerer Funktionsstörung im Bereich des linken Schultergelenks sowie - im Wesentlichen auf der Grundlage einer familiären Osteochondromatose - Funktionsstörungen im Bereich des linken Hüftgelenks und der oberen Sprunggelenke, mittelschwere Funktionsdefizite beider Handgelenke und Unterarme vor. Soweit sich der Kläger gegen die Feststellung des LSG wendet, das Chondrosarkom sei im Frühstadium entfernt worden, betrifft sein Vorbringen weniger den gegenwärtigen Gesundheitszustand, sondern vielmehr ein Merkmal, das nach Nr 26.1 Abs 3 AHP bzw Teil B Nr 1.c Anl VersMedV für die pauschale GdB-Bemessung während der Heilungsbewährung von Bedeutung ist.

27

Der Senat lässt es dahinstehen, inwiefern die vom LSG im zweiten Verfahrensschritt vorgenommenen Feststellungen über die Zuordnung der Gesundheitsstörungen zu in den AHP und der Anl VersMedV aufgeführten Funktionssystemen und deren Bewertung mit jeweils einem Einzel-GdB bindend sind. Insbesondere bleibt offen, ob die vom LSG auf Nr 26.1 Abs 3 AHP und Teil B Nr 1.c Anl VersMedV gestützte Bewertung des Einzel-GdB für den Zustand nach Entfernung des Chondrosarkoms insoweit auf einer das BSG bindenden Tatsachenfeststellung beruht, als das LSG angenommen hat, die Entfernung sei im Frühstadium erfolgt. Denn selbst wenn die Bewertung des Einzel-GdB für den Zustand nach Tumorentfernung mit 50 im Ansatz zutreffend sein sollte, begegnet das weitere Vorgehen des LSG durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

28

Das LSG hat die Regelung der Nr 26.1 Abs 3 AHP bzw Teil B Nr 1.c Anl VersMedV unrichtig angewendet. Es hat bereits verkannt, dass diese Bestimmungen nur die Ermittlung des Einzel-GdB für den Zustand nach Tumorentfernung während der Heilungsbewährung und nicht die Bemessung des Gesamt-GdB betreffen. Es hätte zudem nicht alle mit der familiären Osteochondromatose des Klägers zusammenhängenden Funktionsstörungen in die Bemessung des Einzel-GdB für den Zustand nach Tumorentfernung einbeziehen, sondern insoweit nur die unmittelbar damit verbundenen Schäden berücksichtigen dürfen. Wäre danach der Einzel-GdB von 50 nicht zu erhöhen gewesen, so hätten die übrigen Gesundheitsstörungen (insbesondere im Bereich der Hände, Unterarme, Hüft- und Sprunggelenke) in einem dritten Verfahrensabschnitt in die Bildung des Gesamt-GdB einbezogen werden müssen.

29

Es ist nicht ausgeschlossen, dass diese Vorgehensweise zu einem höheren Gesamt-GdB als 50 hätte führen können. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die betreffenden Funktionsstörungen nach den Feststellungen des LSG jeweils nur einen GdB von 10 bedingen.

30

Nach Nr 19 Abs 4 AHP und Teil A Nr 3.d.ee Anl VersMedV führen, von Ausnahmefällen abgesehen, zusätzliche leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung. Ein derartiger Ausnahmefall könnte hier vorliegen. Die vom LSG festgestellten Beweglichkeitseinschränkungen am linken Hüftgelenk, den Handgelenken und Unterarmen sowie den oberen Sprunggelenken sind offenbar einer sog Systemerkrankung - nämlich einer familiären Osteochondromatose - zuzuordnen. Dadurch könnten die Auswirkungen der einzelnen Erscheinungen insgesamt ein stärkeres Gewicht erhalten. Hinzu könnten besondere seelische Begleiterscheinungen kommen, die sich aus der Vererblichkeit dieser Erkrankung ergeben.

31

Sollte der Kläger - wie seinem Vorbringen entnommen werden könnte - darüber hinaus an einer psychischen Erkrankung leiden, wäre diese mit einem Einzel-GdB zu bewerten und bei der Bildung des Gesamt-GdB gesondert zu berücksichtigen.

32

Nach alledem fehlen weitere tatrichterliche Feststellungen, die das BSG im Revisionsverfahren nicht nachholen kann. Das Berufungsurteil ist deshalb aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG).

33

Im wiedereröffneten Berufungsverfahren wird das LSG erneut zu prüfen und festzustellen haben, ob sich das Chondrosarkom des linken Schulterblattes bei seiner Entfernung tatsächlich erst im Frühstadium oder - wie der Kläger geltend macht - in einem fortgeschrittenen Stadium befunden hat. Letzteres würde nach Nr 26.1 Abs 3 AHP bzw Teil B Nr 1.c Anl VersMedV während der Heilungsbewährung zu einem höheren Einzel-GdB führen.

34

Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

Haben Leistungsempfänger Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld oder Übergangsgeld bezogen und wird im Anschluss daran eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben ausgeführt, so wird bei der Berechnung der diese Leistungen ergänzenden Leistung zum Lebensunterhalt von dem bisher zugrunde gelegten Arbeitsentgelt ausgegangen; es gilt die für den Rehabilitationsträger jeweils geltende Beitragsbemessungsgrenze.

(1) Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur wird ermächtigt, soweit es zur Abwehr von Gefahren für die Sicherheit oder Leichtigkeit des Verkehrs auf öffentlichen Straßen erforderlich ist, Rechtsverordnungen mit Zustimmung des Bundesrates über Folgendes zu erlassen:

1.
die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr, insbesondere über
a)
den Inhalt und die Gültigkeitsdauer von Fahrerlaubnissen, insbesondere unterschieden nach Fahrerlaubnisklassen, über die Probezeit sowie über Auflagen und Beschränkungen zu Fahrerlaubnissen,
b)
die erforderliche Befähigung und Eignung von Personen für ihre Teilnahme am Straßenverkehr, das Mindestalter und die sonstigen Anforderungen und Voraussetzungen zur Teilnahme am Straßenverkehr,
c)
die Ausbildung und die Fortbildung von Personen zur Herstellung und zum Erhalt der Voraussetzungen nach Buchstabe b und die sonstigen Maßnahmen, um die sichere Teilnahme von Personen am Straßenverkehr zu gewährleisten, insbesondere hinsichtlich Personen, die nur bedingt geeignet oder ungeeignet oder nicht befähigt zur Teilnahme am Straßenverkehr sind,
d)
die Prüfung und Beurteilung des Erfüllens der Voraussetzungen nach den Buchstaben b und c,
e)
Ausnahmen von einzelnen Anforderungen und Inhalten der Zulassung von Personen, insbesondere von der Fahrerlaubnispflicht und von einzelnen Erteilungsvoraussetzungen,
2.
das Verhalten im Verkehr, auch im ruhenden Verkehr,
3.
das Verhalten der Beteiligten nach einem Verkehrsunfall, das geboten ist, um
a)
den Verkehr zu sichern und Verletzten zu helfen,
b)
Feststellungen zu ermöglichen, die zur Geltendmachung oder Abwehr von zivilrechtlichen Schadensersatzansprüchen erforderlich sind, insbesondere Feststellungen zur Person der Beteiligten, zur Art ihrer Beteiligung, zum Unfallhergang und zum Versicherer der unfallbeteiligten Fahrzeuge,
4.
die Bezeichnung von im Fahreignungsregister zu speichernden Straftaten und Ordnungswidrigkeiten
a)
für die Maßnahmen nach den Regelungen der Fahrerlaubnis auf Probe nebst der Bewertung dieser Straftaten und Ordnungswidrigkeiten als schwerwiegend oder weniger schwerwiegend,
b)
für die Maßnahmen des Fahreignungsbewertungssystems, wobei
aa)
bei der Bezeichnung von Straftaten deren Bedeutung für die Sicherheit im Straßenverkehr zugrunde zu legen ist,
bb)
Ordnungswidrigkeiten mit Punkten bewertet werden und bei der Bezeichnung und Bewertung von Ordnungswidrigkeiten deren jeweilige Bedeutung für die Sicherheit des Straßenverkehrs und die Höhe des angedrohten Regelsatzes der Geldbuße oder eines Regelfahrverbotes zugrunde zu legen sind,
5.
die Anforderungen an
a)
Bau, Einrichtung, Ausrüstung, Beschaffenheit, Prüfung und Betrieb von Fahrzeugen,
b)
die in oder auf Fahrzeugen einzubauenden oder zu verwendenden Fahrzeugteile, insbesondere Anlagen, Bauteile, Instrumente, Geräte und sonstige Ausrüstungsgegenstände, einschließlich deren Prüfung,
6.
die Zulassung von Fahrzeugen zum Straßenverkehr, insbesondere über
a)
die Voraussetzungen für die Zulassung, die Vorgaben für das Inbetriebsetzen zulassungspflichtiger und zulassungsfreier Fahrzeuge, die regelmäßige Untersuchung der Fahrzeuge sowie über die Verantwortung, die Pflichten und die Rechte der Halter,
b)
Ausnahmen von der Pflicht zur Zulassung sowie Ausnahmen von einzelnen Anforderungen nach Buchstabe a,
7.
die Einrichtung einer zentralen Stelle zur Erarbeitung und Evaluierung von verbindlichen Prüfvorgaben bei regelmäßigen Fahrzeuguntersuchungen,
8.
die zur Verhütung von Belästigungen anderer, zur Verhütung von schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes oder zur Unterstützung einer geordneten städtebaulichen Entwicklung erforderlichen Maßnahmen,
9.
die Maßnahmen
a)
über den Straßenverkehr, die zur Erhaltung der öffentlichen Sicherheit oder zu Verteidigungszwecken erforderlich sind,
b)
zur Durchführung von Großraum- und Schwertransporten,
c)
im Übrigen, die zur Erhaltung der Sicherheit und Ordnung auf öffentlichen Straßen oder zur Verhütung einer über das verkehrsübliche Maß hinausgehenden Abnutzung der Straßen erforderlich sind, insbesondere bei Großveranstaltungen,
10.
das Anbieten zum Verkauf, das Veräußern, das Verwenden, das Erwerben oder das sonstige Inverkehrbringen von Fahrzeugen und Fahrzeugteilen,
11.
die Kennzeichnung und die Anforderungen an die Kennzeichnung von Fahrzeugen und Fahrzeugteilen,
12.
den Nachweis über die Entsorgung oder den sonstigen Verbleib von Fahrzeugen und Fahrzeugteilen, auch nach ihrer Außerbetriebsetzung,
13.
die Ermittlung, das Auffinden und die Sicherstellung von gestohlenen, verlorengegangenen oder sonst abhanden gekommenen Fahrzeugen, Fahrzeugkennzeichen sowie Führerscheinen und Fahrzeugpapieren einschließlich ihrer Vordrucke, soweit nicht die Strafverfolgungsbehörden hierfür zuständig sind,
14.
die Überwachung der gewerbsmäßigen Vermietung von Kraftfahrzeugen und Anhängern an Selbstfahrer,
15.
die Beschränkung des Straßenverkehrs einschließlich des ruhenden Verkehrs
a)
zugunsten schwerbehinderter Menschen mit außergewöhnlicher Gehbehinderung, mit beidseitiger Amelie oder Phokomelie oder vergleichbaren Funktionseinschränkungen sowie zugunsten blinder Menschen,
b)
zugunsten der Bewohner städtischer Quartiere mit erheblichem Parkraummangel,
c)
zur Erforschung des Unfallgeschehens, des Verkehrsverhaltens, der Verkehrsabläufe oder zur Erprobung geplanter verkehrssichernder oder verkehrsregelnder Maßnahmen,
16.
die Einrichtung von Sonderfahrspuren für Linienomnibusse und Taxen,
17.
die Einrichtung und Nutzung von fahrzeugführerlosen Parksystemen im niedrigen Geschwindigkeitsbereich auf Parkflächen,
18.
allgemeine Ausnahmen von den Verkehrsvorschriften nach Abschnitt I oder von auf Grund dieser Verkehrsvorschriften erlassener Rechtsverordnungen zur Durchführung von Versuchen, die eine Weiterentwicklung dieser Rechtsnormen zum Gegenstand haben.
Rechtsverordnungen nach Satz 1 Nummer 18 über allgemeine Ausnahmen von Verkehrsvorschriften nach diesem Gesetz sind für die Dauer von längstens fünf Jahren zu befristen; eine einmalige Verlängerung der Geltungsdauer um längstens fünf Jahre ist zulässig. Rechtsverordnungen können nicht nach Satz 1 erlassen werden über solche Regelungsgegenstände, über die Rechtsverordnungen nach Absatz 2 erlassen werden dürfen. Die Abwehr von Gefahren für die Sicherheit oder Leichtigkeit des Verkehrs auf öffentlichen Straßen nach Satz 1 umfasst auch den straßenverkehrsrechtlichen Schutz von Maßnahmen zur Rettung aus Gefahren für Leib und Leben von Menschen oder den Schutz zivilrechtlicher Schadensersatzansprüche Unfallbeteiligter.

(2) Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur wird ermächtigt, soweit es zur Abwehr von Gefahren für die Sicherheit oder Leichtigkeit des Verkehrs auf öffentlichen Straßen erforderlich ist, Rechtsverordnungen ohne Zustimmung des Bundesrates über Folgendes zu erlassen:

1.
die Typgenehmigung von Fahrzeugen, Systemen, Bauteilen und selbstständigen technischen Einheiten für diese Fahrzeuge, sofern sie unionsrechtlichen Vorgaben unterliegt, über die Fahrzeugeinzelgenehmigung, sofern ihr nach Unionrecht eine Geltung in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union zukommt, sowie über das Anbieten zum Verkauf, das Inverkehrbringen, die Inbetriebnahme, das Veräußern oder die Einfuhr von derart genehmigten oder genehmigungspflichtigen Fahrzeugen, Systemen, Bauteilen und selbstständigen technischen Einheiten für diese Fahrzeuge, insbesondere über
a)
die Systematisierung von Fahrzeugen,
b)
die technischen und baulichen Anforderungen an Fahrzeuge, Systeme, Bauteile und selbstständige technische Einheiten, einschließlich der durchzuführenden Prüfverfahren zur Feststellung der Konformität,
c)
die Sicherstellung der Übereinstimmung von Fahrzeugen, Systemen, Bauteilen und selbstständigen technischen Einheiten für diese Fahrzeuge mit einem genehmigten Typ bei ihrer Herstellung,
d)
den Zugang zu technischen Informationen sowie zu Reparatur- und Wartungsinformationen,
e)
die Bewertung, Benennung und Überwachung von technischen Diensten,
f)
die Kennzeichnung und Verpackung von Systemen, Bauteilen und selbstständigen technischen Einheiten für Fahrzeuge oder
g)
die Zulassung von Teilen und Ausrüstungen, von denen eine ernste Gefahr für das einwandfreie Funktionieren wesentlicher Systeme von Fahrzeugen ausgehen kann,
2.
die Marktüberwachung von Fahrzeugen, Systemen, Bauteilen und selbstständigen technischen Einheiten für diese Fahrzeuge,
3.
die Pflichten der Hersteller und ihrer Bevollmächtigten, der Einführer sowie der Händler im Rahmen
a)
des Typgenehmigungsverfahrens im Sinne der Nummer 1,
b)
des Fahrzeugeinzelgenehmigungsverfahrens im Sinne der Nummer 1 oder
c)
des Anbietens zum Verkauf, des Inverkehrbringens, der Inbetriebnahme, des Veräußerns, der Einfuhr sowie der Marktüberwachung von Fahrzeugen, Systemen, Bauteilen und selbstständigen technischen Einheiten für diese Fahrzeuge oder
4.
die Technologien, Strategien und andere Mittel, für die festgestellt ist, dass
a)
sie die Leistungen der Fahrzeuge, Systeme, Bauteile oder selbstständigen technischen Einheiten für Fahrzeuge bei Prüfverfahren unter ordnungsgemäßen Betriebsbedingungen verfälschen oder
b)
ihre Verwendung im Rahmen des Typgenehmigungsverfahrens oder des Fahrzeugeinzelgenehmigungsverfahrens im Sinne der Nummer 1 aus anderen Gründen nicht zulässig ist.

(3) In Rechtsverordnungen nach Absatz 1 oder Absatz 2 können hinsichtlich der dort genannten Gegenstände jeweils auch geregelt werden:

1.
die Erteilung, Beschränkung oder Entziehung von Rechten, die sonstigen Maßnahmen zur Anordnung oder Umsetzung, die Anerkennung ausländischer Berechtigungen oder Maßnahmen, die Verwaltungsverfahren einschließlich der erforderlichen Nachweise sowie die Zuständigkeiten und die Ausnahmebefugnisse der vollziehenden Behörden im Einzelfall,
2.
Art, Inhalt, Herstellung, Gestaltung, Lieferung, Ausfertigung, Beschaffenheit und Gültigkeit von Kennzeichen, Plaketten, Urkunden, insbesondere von Führerscheinen, und sonstigen Bescheinigungen,
3.
die Anerkennung, Zulassung, Registrierung, Akkreditierung, Begutachtung, Beaufsichtigung oder Überwachung von natürlichen oder juristischen Personen des Privatrechts oder von sonstigen Einrichtungen im Hinblick auf ihre Tätigkeiten
a)
der Prüfung, Untersuchung, Beurteilung und Begutachtung von Personen, Fahrzeugen oder Fahrzeugteilen sowie der Herstellung und Lieferung nach Nummer 2,
b)
des Anbietens von Maßnahmen zur Herstellung oder zum Erhalt der Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b oder
c)
der Prüfung und Zertifizierung von Qualitätssicherungssystemen,
einschließlich der jeweiligen Voraussetzungen, insbesondere der Anforderungen an die natürlichen oder juristischen Personen des Privatrechts oder an die Einrichtungen, an ihre Träger und an ihre verantwortlichen oder ausführenden Personen, einschließlich der Vorgabe eines Erfahrungsaustausches sowie einschließlich der Verarbeitung von personenbezogenen Daten über die die Tätigkeiten ausführenden oder hieran teilnehmenden Personen durch die zuständigen Behörden, durch die natürlichen oder juristischen Personen des Privatrechts oder durch die Einrichtungen in dem Umfang, der für ihre jeweilige Tätigkeit und deren Qualitätssicherung erforderlich ist,
4.
Emissionsgrenzwerte unter Berücksichtigung der technischen Entwicklung zum Zeitpunkt des Erlasses der jeweiligen Rechtsverordnung,
5.
die Mitwirkung natürlicher oder juristischer Personen des Privatrechts bei der Aufgabenwahrnehmung in Form ihrer Beauftragung, bei der Durchführung von bestimmten Aufgaben zu helfen (Verwaltungshilfe), oder in Form der Übertragung bestimmter Aufgaben nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, 5, 6, 7 oder 9 Buchstabe b oder Absatz 2 auf diese Personen (Beleihung), insbesondere
a)
die Bestimmung der Aufgaben und die Art und Weise der Aufgabenerledigung,
b)
die Anforderungen an diese Personen und ihre Überwachung einschließlich des Verfahrens und des Zusammenwirkens der zuständigen Behörden bei der Überwachung oder
c)
die Verarbeitung von personenbezogenen Daten durch diese Personen, insbesondere die Übermittlung solcher Daten an die zuständige Behörde,
6.
die Übertragung der Wahrnehmung von einzelnen Aufgaben auf die Bundesanstalt für Straßenwesen oder das Kraftfahrt-Bundesamt oder
7.
die notwendige Versicherung der natürlichen oder juristischen Personen des Privatrechts oder der sonstigen Einrichtungen in den Fällen der Nummer 3 oder Nummer 5 zur Deckung aller im Zusammenhang mit den dort genannten Tätigkeiten entstehenden Ansprüche sowie die Freistellung der für die Anerkennung, Zulassung, Registrierung, Akkreditierung, Begutachtung, Beaufsichtigung, Überwachung, Beauftragung oder Aufgabenübertragung zuständigen Bundes- oder Landesbehörde von Ansprüchen Dritter wegen Schäden, die diese Personen oder Einrichtungen verursachen.

(4) Rechtsverordnungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, 2, 5 und 8 oder Absatz 2, jeweils auch in Verbindung mit Absatz 3, können auch erlassen werden

1.
zur Abwehr von Gefahren, die vom Verkehr auf öffentlichen Straßen ausgehen,
2.
zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen, die von Fahrzeugen ausgehen, oder
3.
zum Schutz der Verbraucher.
Rechtsverordnungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, 2, 5 und 8, auch in Verbindung mit Absatz 3, können auch erlassen werden
1.
zum Schutz der Bevölkerung in Fußgängerbereichen oder verkehrsberuhigten Bereichen, der Wohnbevölkerung oder der Erholungssuchenden vor Emissionen, die vom Verkehr auf öffentlichen Straßen ausgehen, insbesondere zum Schutz vor Lärm oder vor Abgasen,
2.
für Sonderregelungen an Sonn- und Feiertagen oder
3.
für Sonderregelungen über das Parken in der Zeit von 22 Uhr bis 6 Uhr.

(5) Rechtsverordnungen nach Absatz 1 oder 2 können auch zur Durchführung von Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union und zur Durchführung von zwischenstaatlichen Vereinbarungen im Anwendungsbereich dieses Gesetzes erlassen werden.

(6) Rechtsverordnungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, 5 oder 8 oder nach Absatz 2, sofern sie jeweils in Verbindung mit Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 oder Satz 2 Nummer 1 erlassen werden, oder Rechtsverordnungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 12 werden vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur und vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit gemeinsam erlassen. Rechtsverordnungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 11, 13 oder 14 oder nach Absatz 3 Nummer 2 in Verbindung mit Absatz 1 Nummer 1 oder 6 können auch zum Zweck der Bekämpfung von Straftaten erlassen werden. Im Fall des Satzes 2 werden diese Rechtsverordnungen vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur und vom Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat gemeinsam erlassen. Rechtsverordnungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, 2, 5 oder 8 oder nach Absatz 2, sofern sie jeweils in Verbindung mit Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 erlassen werden, werden vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur und vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz gemeinsam erlassen.

(7) Keiner Zustimmung des Bundesrates bedürfen Rechtsverordnungen

1.
zur Durchführung der Vorschriften nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 in Verbindung mit Absatz 3 oder
2.
über allgemeine Ausnahmen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 18, auch in Verbindung mit den Absätzen 3 bis 6.
Vor ihrem Erlass sind die zuständigen obersten Landesbehörden zu hören.

(8) Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates, jedoch unbeschadet des Absatzes 6,

1.
sofern Verordnungen nach diesem Gesetz geändert oder abgelöst werden, Verweisungen in Gesetzen und Rechtsverordnungen auf diese geänderten oder abgelösten Vorschriften durch Verweisungen auf die jeweils inhaltsgleichen neuen Vorschriften zu ersetzen,
2.
in den auf Grund des Absatzes 1 oder 2, jeweils auch in Verbindung mit den Absätzen 3 bis 7 erlassenen Rechtsverordnungen enthaltene Verweisungen auf Vorschriften in Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union zu ändern, soweit es zur Anpassung an Änderungen jener Vorschriften erforderlich ist, oder
3.
Vorschriften der auf Grund des Absatzes 1 oder 2, jeweils auch in Verbindung mit den Absätzen 3 bis 7 erlassenen Rechtsverordnungen zu streichen oder in ihrem Wortlaut einem verbleibenden Anwendungsbereich anzupassen, sofern diese Vorschriften durch den Erlass entsprechender Vorschriften in unmittelbar im Anwendungsbereich dieses Gesetzes geltenden Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union unanwendbar geworden oder in ihrem Anwendungsbereich beschränkt worden sind.

(9) In den Rechtsverordnungen nach Absatz 1, jeweils auch in Verbindung mit den Absätzen 3 bis 6, kann mit Zustimmung des Bundesrates die jeweilige Ermächtigung ganz oder teilweise auf die Landesregierungen übertragen werden, um besonderen regionalen Bedürfnissen angemessen Rechnung zu tragen. Soweit eine nach Satz 1 erlassene Rechtsverordnung die Landesregierungen zum Erlass von Rechtsverordnungen ermächtigt, sind diese befugt, die Ermächtigung durch Rechtsverordnung ganz oder teilweise auf andere Landesbehörden zu übertragen.

(1) Im Ausweis sind auf der Rückseite folgende Merkzeichen einzutragen:

1.aGwenn der schwerbehinderte Mensch außergewöhnlich gehbehindert im Sinne des § 229 Absatz 3 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch ist,

2.Hwenn der schwerbehinderte Mensch hilflos im Sinne des § 33b des Einkommensteuergesetzes oder entsprechender Vorschriften ist,

3.BIwenn der schwerbehinderte Mensch blind im Sinne des § 72 Abs. 5 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch oder entsprechender Vorschriften ist,

4.GIwenn der schwerbehinderte Mensch gehörlos im Sinne des § 228 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch ist,

5.RFwenn der schwerbehinderte Mensch die landesrechtlich festgelegten gesundheitlichen Voraussetzungen für die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht erfüllt,

6.1. Kl.wenn der schwerbehinderte Mensch die im Verkehr mit Eisenbahnen tariflich festgelegten gesundheitlichen Voraussetzungen für die Benutzung der 1. Wagenklasse mit Fahrausweis der 2. Wagenklasse erfüllt,
7.Gwenn der schwerbehinderte Mensch in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt im Sinne des § 229 Absatz 1 Satz 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch oder entsprechender Vorschriften ist,
8.TBIwenn der schwerbehinderte Mensch wegen einer Störung der Hörfunktion mindestens einen Grad der Behinderung von 70 und wegen einer Störung des Sehvermögens einen Grad der Behinderung von 100 hat.

(2) Ist der schwerbehinderte Mensch zur Mitnahme einer Begleitperson im Sinne des § 229 Absatz 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch berechtigt, sind auf der Vorderseite des Ausweises das Merkzeichen „B“ und der Satz „Die Berechtigung zur Mitnahme einer Begleitperson ist nachgewiesen“ einzutragen.

(1) Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, die durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereichen zu beurteilen. Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach Zehnergraden von 10 bis 100 zu bemessen; ein bis zu fünf Grad geringerer Grad der Schädigungsfolgen wird vom höheren Zehnergrad mit umfasst. Vorübergehende Gesundheitsstörungen sind nicht zu berücksichtigen; als vorübergehend gilt ein Zeitraum bis zu sechs Monaten. Bei beschädigten Kindern und Jugendlichen ist der Grad der Schädigungsfolgen nach dem Grad zu bemessen, der sich bei Erwachsenen mit gleicher Gesundheitsstörung ergibt, soweit damit keine Schlechterstellung der Kinder und Jugendlichen verbunden ist. Für erhebliche äußere Gesundheitsschäden können Mindestgrade festgesetzt werden.

(2) Der Grad der Schädigungsfolgen ist höher zu bewerten, wenn Beschädigte durch die Art der Schädigungsfolgen im vor der Schädigung ausgeübten oder begonnenen Beruf, im nachweisbar angestrebten oder in dem Beruf besonders betroffen sind, der nach Eintritt der Schädigung ausgeübt wurde oder noch ausgeübt wird. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
auf Grund der Schädigung weder der bisher ausgeübte, begonnene oder nachweisbar angestrebte noch ein sozial gleichwertiger Beruf ausgeübt werden kann,
2.
zwar der vor der Schädigung ausgeübte oder begonnene Beruf weiter ausgeübt wird oder der nachweisbar angestrebte Beruf erreicht wurde, Beschädigte jedoch in diesem Beruf durch die Art der Schädigungsfolgen in einem wesentlich höheren Ausmaß als im allgemeinen Erwerbsleben erwerbsgemindert sind, oder
3.
die Schädigung nachweisbar den weiteren Aufstieg im Beruf gehindert hat.

(3) Rentenberechtigte Beschädigte, deren Einkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit durch die Schädigungsfolgen gemindert ist, erhalten nach Anwendung des Absatzes 2 einen Berufsschadensausgleich in Höhe von 42,5 vom Hundert des auf volle Euro aufgerundeten Einkommensverlustes (Absatz 4) oder, falls dies günstiger ist, einen Berufsschadensausgleich nach Absatz 6.

(4) Einkommensverlust ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem derzeitigen Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit zuzüglich der Ausgleichsrente (derzeitiges Einkommen) und dem höheren Vergleichseinkommen. Haben Beschädigte Anspruch auf eine in der Höhe vom Einkommen beeinflußte Rente wegen Todes nach den Vorschriften anderer Sozialleistungsbereiche, ist abweichend von Satz 1 der Berechnung des Einkommensverlustes die Ausgleichsrente zugrunde zu legen, die sich ohne Berücksichtigung dieser Rente wegen Todes ergäbe. Ist die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung gemindert, weil das Erwerbseinkommen in einem in der Vergangenheit liegenden Zeitraum, der nicht mehr als die Hälfte des Erwerbslebens umfaßt, schädigungsbedingt gemindert war, so ist die Rentenminderung abweichend von Satz 1 der Einkommensverlust. Das Ausmaß der Minderung wird ermittelt, indem der Rentenberechnung für Beschädigte Entgeltpunkte zugrunde gelegt werden, die sich ohne Berücksichtigung der Zeiten ergäben, in denen das Erwerbseinkommen der Beschädigten schädigungsbedingt gemindert ist.

(5) Das Vergleichseinkommen errechnet sich nach den Sätzen 2 bis 5. Zur Ermittlung des Durchschnittseinkommens sind die Grundgehälter der Besoldungsgruppen der Bundesbesoldungsordnung A aus den vorletzten drei der Anpassung vorangegangenen Kalenderjahren heranzuziehen. Beträge des Durchschnittseinkommens bis 0,49 Euro sind auf volle Euro abzurunden und von 0,50 Euro an auf volle Euro aufzurunden. Der Mittelwert aus den drei Jahren ist um den Prozentsatz anzupassen, der sich aus der Summe der für die Rentenanpassung des laufenden Jahres sowie des Vorjahres maßgebenden Veränderungsraten der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer (§ 68 Absatz 2 in Verbindung mit § 228b des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch) ergibt; die Veränderungsraten werden jeweils bestimmt, indem der Faktor für die Veränderung der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer um eins vermindert und durch Vervielfältigung mit 100 in einen Prozentsatz umgerechnet wird. Das Vergleichseinkommen wird zum 1. Juli eines jeden Jahres neu festgesetzt; wenn das nach den Sätzen 1 bis 6 errechnete Vergleichseinkommen geringer ist, als das bisherige Vergleichseinkommen, bleibt es unverändert. Es ist durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu ermitteln und im Bundesanzeiger bekanntzugeben; die Beträge sind auf volle Euro aufzurunden. Abweichend von den Sätzen 1 bis 5 sind die Vergleichseinkommen der Tabellen 1 bis 4 der Bekanntmachung vom 14. Mai 1996 (BAnz. S. 6419) für die Zeit vom 1. Juli 1997 bis 30. Juni 1998 durch Anpassung der dort veröffentlichten Werte mit dem Vomhundertsatz zu ermitteln, der in § 56 Absatz 1 Satz 1 bestimmt ist; Satz 6 zweiter Halbsatz gilt entsprechend.

(6) Berufsschadensausgleich nach Absatz 3 letzter Satzteil ist der Nettobetrag des Vergleicheinkommens (Absatz 7) abzüglich des Nettoeinkommens aus gegenwärtiger oder früherer Erwerbstätigkeit (Absatz 8), der Ausgleichsrente (§§ 32, 33) und des Ehegattenzuschlages (§ 33a). Absatz 4 Satz 2 gilt entsprechend.

(7) Der Nettobetrag des Vergleichseinkommens wird bei Beschädigten, die nach dem 30. Juni 1927 geboren sind, für die Zeit bis zum Ablauf des Monats, in dem sie auch ohne die Schädigung aus dem Erwerbsleben ausgeschieden wären, längstens jedoch bis zum Ablauf des Monats, in dem der Beschädigte die Regelaltersgrenze nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch erreicht, pauschal ermittelt, indem das Vergleichseinkommen

1.
bei verheirateten Beschädigten um 18 vom Hundert, der 716 Euro übersteigende Teil um 36 vom Hundert und der 1 790 Euro übersteigende Teil um 40 vom Hundert,
2.
bei nicht verheirateten Beschädigten um 18 vom Hundert, der 460 Euro übersteigende Teil um 40 vom Hundert und der 1 380 Euro übersteigende Teil um 49 vom Hundert
gemindert wird. Im übrigen gelten 50 vom Hundert des Vergleichseinkommens als dessen Nettobetrag.

(8) Das Nettoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Erwerbstätigkeit wird pauschal aus dem derzeitigen Bruttoeinkommen ermittelt, indem

1.
das Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Erwerbstätigkeit um die in Absatz 7 Satz 1 Nr. 1 und 2 genannten Vomhundertsätze gemindert wird,
2.
Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung sowie Renten wegen Alters, Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und Landabgaberenten nach dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte um den Vomhundertsatz gemindert werden, der für die Bemessung des Beitrags der sozialen Pflegeversicherung (§ 55 des Elften Buches Sozialgesetzbuch) gilt, und um die Hälfte des Vomhundertsatzes des allgemeinen Beitragssatzes der Krankenkassen (§ 241 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch); die zum 1. Januar festgestellten Beitragssätze gelten insoweit jeweils vom 1. Juli des laufenden Kalenderjahres bis zum 30. Juni des folgenden Kalenderjahres,
3.
sonstige Geldleistungen von Leistungsträgern (§ 12 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch) mit dem Nettobetrag berücksichtigt werden und
4.
das übrige Bruttoeinkommen um die in Nummer 2 genannten Vomhundertsätze und zusätzlich um 19 vom Hundert des 562 Euro übersteigenden Betrages gemindert wird; Nummer 2 letzter Halbsatz gilt entsprechend.
In den Fällen des Absatzes 11 tritt an die Stelle des Nettoeinkommens im Sinne des Satzes 1 der nach Absatz 7 ermittelte Nettobetrag des Durchschnittseinkommens.

(9) Berufsschadensausgleich nach Absatz 6 wird in den Fällen einer Rentenminderung im Sinne des Absatzes 4 Satz 3 nur gezahlt, wenn die Zeiten des Erwerbslebens, in denen das Erwerbseinkommen nicht schädigungsbedingt gemindert war, von einem gesetzlichen oder einem gleichwertigen Alterssicherungssystem erfaßt sind.

(10) Der Berufsschadensausgleich wird ausschließlich nach Absatz 6 berechnet, wenn der Antrag erstmalig nach dem 21. Dezember 2007 gestellt wird. Im Übrigen trifft die zuständige Behörde letztmalig zum Stichtag nach Satz 1 die Günstigkeitsfeststellung nach Absatz 3 und legt damit die für die Zukunft anzuwendende Berechnungsart fest.

(11) Wird durch nachträgliche schädigungsunabhängige Einwirkungen oder Ereignisse, insbesondere durch das Hinzutreten einer schädigungsunabhängigen Gesundheitsstörung das Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Tätigkeit voraussichtlich auf Dauer gemindert (Nachschaden), gilt statt dessen als Einkommen das Grundgehalt der Besoldungsgruppe der Bundesbesoldungsordnung A, der der oder die Beschädigte ohne den Nachschaden zugeordnet würde; Arbeitslosigkeit oder altersbedingtes Ausscheiden aus dem Erwerbsleben gilt grundsätzlich nicht als Nachschaden. Tritt nach dem Nachschaden ein weiterer schädigungsbedingter Einkommensverlust ein, ist dieses Durchschnittseinkommen entsprechend zu mindern. Scheidet dagegen der oder die Beschädigte schädigungsbedingt aus dem Erwerbsleben aus, wird der Berufsschadensausgleich nach den Absätzen 3 bis 8 errechnet.

(12) Rentenberechtigte Beschädigte, die einen gemeinsamen Haushalt mit ihrem Ehegatten oder Lebenspartners, einem Verwandten oder einem Stief- oder Pflegekind führen oder ohne die Schädigung zu führen hätten, erhalten als Berufsschadensausgleich einen Betrag in Höhe der Hälfte der wegen der Folgen der Schädigung notwendigen Mehraufwendungen bei der Führung des gemeinsamen Haushalts.

(13) Ist die Grundrente wegen besonderen beruflichen Betroffenseins erhöht worden, so ruht der Anspruch auf Berufsschadensausgleich in Höhe des durch die Erhöhung der Grundrente nach § 31 Abs. 1 Satz 1 erzielten Mehrbetrags. Entsprechendes gilt, wenn die Grundrente nach § 31 Abs. 4 Satz 2 erhöht worden ist.

(14) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zu bestimmen:

a)
welche Vergleichsgrundlage und in welcher Weise sie zur Ermittlung des Einkommensverlustes heranzuziehen ist,
b)
wie der Einkommensverlust bei einer vor Abschluß der Schulausbildung oder vor Beginn der Berufsausbildung erlittenen Schädigung zu ermitteln ist,
c)
wie der Berufsschadensausgleich festzustellen ist, wenn der Beschädigte ohne die Schädigung neben einer beruflichen Tätigkeit weitere berufliche Tätigkeiten ausgeübt oder einen gemeinsamen Haushalt im Sinne des Absatzes 12 geführt hätte,
d)
was als derzeitiges Bruttoeinkommen oder als Durchschnittseinkommen im Sinne des Absatzes 11 und des § 64c Abs. 2 Satz 2 und 3 gilt und welche Einkünfte bei der Ermittlung des Einkommensverlustes nicht berücksichtigt werden,
e)
wie in besonderen Fällen das Nettoeinkommen abweichend von Absatz 8 Satz 1 Nr. 3 und 4 zu ermitteln ist.

(15) Ist vor dem 1. Juli 1989 bereits über den Anspruch auf Berufsschadensausgleich für die Zeit nach dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben entschieden worden, so verbleibt es hinsichtlich der Frage, ob Absatz 4 Satz 1 oder 3 anzuwenden ist, bei der getroffenen Entscheidung.

(16) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Verteidigung und mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung die Grundsätze aufzustellen, die für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des Absatzes 1 maßgebend sind, sowie die für die Anerkennung einer Gesundheitsstörung nach § 1 Abs. 3 maßgebenden Grundsätze und die Kriterien für die Bewertung der Hilflosigkeit und der Stufen der Pflegezulage nach § 35 Abs. 1 aufzustellen und das Verfahren für deren Ermittlung und Fortentwicklung zu regeln.

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 2. Dezember 2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe

 
I.
Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleiches (Merkzeichen) „G“ (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr) streitig.
Bei der 1971 geborenen Klägerin stellte das Landratsamt H. - Versorgungsamt - (LRA) auf ihren Antrag auf Erhöhung des Grades der Behinderung (GdB) mit Bescheid vom 21.02.2006 (auf Widerspruch der Klägerin) in der Gestalt des Teilabhilfebescheides vom 15.01.2007 wegen eines chronischen Schmerzsyndroms, einer seelischen Störung und posttraumatischer Belastungsstörung (Teil-GdB 50), Verwachsungsbeschwerden nach Bauchoperation und eines Zwölffingerdarmgeschwürsleidens, einer Funktionsbehinderung der Wirbelsäule und Hüftdysplasie beidseitig sowie einer Sehbehinderung (Teil-GdB jeweils 20), den Gesamt-GdB mit 70 neu fest.
Außerdem beantragte die Klägerin am 23.08.2006 (wiederholt am 07.11.2006) beim LRA die Feststellung des Merkzeichens „G“. Diesem Antrag entsprach das LRA mit Bescheid vom 17.01.2007 nicht. Hiergegen legte die Klägerin am 20.02.2007 Widerspruch ein. Sie legte das Attest von Dr. He. vom 24.10.2006 vor, in dem über Unterbauchschmerzen durch rezidivierende Ovarialzysten und orthostatische Dysregulationen sowie ausgeprägte Verwachsungsbeschwerden beim Gehen berichtet wird.
Entsprechend der gutachtlichen Stellungnahme der Versorgungsärztin S. vom 11.04.2007 wurden die Widersprüche der Klägerin gegen den Bescheid vom 21.02.2006 in der Gestalt des Teilabhilfebescheides vom 15.01.2007 sowie gegen den Bescheid vom 17.01.2007 vom Regierungspräsidium Stuttgart - Landesversorgungsamt - mit Widerspruchsbescheid vom 16.04.2007 jeweils zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, eine weitere Erhöhung des GdB sowie die Zuerkennung des Merkzeichens „G“ ließen sich nicht begründen.
Am 07.05.2007 erhob die Klägerin wegen der Zuerkennung des Merkzeichens „G“ Klage beim Sozialgericht Heilbronn (SG). Sie berief sich zur Begründung auf eine Hüftdysplasie, eine Achillessehnenoperation, Unterbauchschmerzen mit orthostatischen Dysregulationen, einen Meniskusschaden sowie die Bildung von Zysten, wodurch sie an der Zurücklegung ortsüblicher Wegstrecken gehindert sei. Die Klägerin legte das Attest von Dr. He. vom 19.06.2007 und Dr. Ho. vom 26.10.2009 vor.
Der Beklagte trat der Klage unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahmen von Dr. G. vom 05.03.2008 und Dr. F. vom 22.09.2008 entgegen.
Mit Urteil vom 02.12.2009 wies das SG die Klage ab. Es nahm zur Begründung auf den Ursprungs- und Widerspruchsbescheid Bezug und führte ergänzend aus, die vorgelegten Atteste von Dr. He. und Dr. Ho. seien nicht geeignet, das Vorliegen der Voraussetzungen für das Merkzeichen „G“ zu beweisen.
Gegen das den Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 22.03.2010 zugestellte Urteil hat die Klägerin durch ihre Prozessbevollmächtigten am 21.04.2010 Berufung eingelegt. Sie hat zur Begründung geltend gemacht, aus den im Klageverfahren vorgelegten ärztlichen Attesten gehe entgegen der Auffassung des SG eindeutig hervor, dass sie wegen Verwachsungsbeschwerden am Zurücklegen ortsüblicher Wegstrecken ständig gehindert sei. Ihrem hilfsweise gestellten Beweisantrag auf Einholung eines orthopädischen und eines gynäkologischen Gutachtens hätte das SG nachgehen müssen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
10 
den Beklagten unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Heilbronn vom 2. Dezember 2009 sowie des Bescheides des Beklagten vom 17.01.2007 in der Gestalt des hierzu ergangenen Teils des Widerspruchsbescheids vom 16.04.2007 zu verurteilen, bei ihr die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleiches „G“ festzustellen.
11 
Der Beklagte beantragt,
12 
die Berufung zurückzuweisen.
13 
Der Beklagte hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Das Vorbringen der Klägerin beinhalte keine neuen Tatsachen oder Gesichtspunkte, die eine der Klägerin günstigere Entscheidung rechtfertigen könnten.
14 
Der Senat hat Dr. He. , den Orthopäden Dr. L. , den Arzt für Allgemeinmedizin Dr. B. sowie die Frauenärztin Dr. Ho. schriftlich als sachverständige Zeugen angehört. Dr. He. teilte in seiner Stellungnahme vom 30.11.2010 unter Vorlage medizinischer Befundunterlagen mit, er habe die Klägerin seit fast 3 1/2 Jahren nicht mehr behandelt und erachtete eine Vernehmung von Dr. Ho. für zweckmäßig. Dr. L. teilte in seiner schriftlichen Stellungnahme vom 05.12.2010 unter Vorlage medizinischer Befundunterlagen den Behandlungsverlauf, die Diagnosen und erhobenen Befunde mit. Er hielt die Bewegungsfähigkeit der Klägerin im Wesentlichen psychisch bedingt (durch eine Angsterkrankung bzw. eine posttraumatische Belastungsreaktion) eingeschränkt. Dr. B. teilte in seiner Stellungnahme vom 21.12.2010 unter Vorlage medizinischer Befundunterlagen den Behandlungsverlauf, die von der Klägerin geklagten Beschwerden (allgemeine Schwäche, Antriebslosigkeit, Schmerzen am ganzen Körper, besonders im Bauch mit Ausstrahlung in das linke Bein durch eine Eierstockzyste) und die Diagnosen (schwere depressive Erkrankung, neurasthenisches Syndrom) mit. Er hielt die Klägerin wegen einer extrem schweren psychiatrischen Erkrankung für nicht in der Lage, ohne erhebliche Schwierigkeiten Gehstrecken über 200 Meter zu Fuß zurückzulegen. Dr. Ho. teilte in ihrer Stellungnahme vom 29.12.2010 unter Vorlage von medizinischen Befundunterlagen den Behandlungsverlauf, die von der Klägerin geklagten Beschwerden und die Diagnosen (chronisch rezidivierende Unterbauchschmerzen rechts, Ovarialzyste rechts, Verdacht auf Adhäsionen im kleinen Becken bei Zustand nach mehrfachen Laparotomien und Adnexektomie/Ovarektomie links) mit. Zu einer Stellungnahme zur Gehfähigkeit/Bewegungsfähigkeit sah sie sich als Gynäkologin nicht in der Lage, verneinte jedoch, soweit gynäkologisch beurteilbar, die Frage zu den Voraussetzungen für das Merkzeichen „G“.
15 
Der Senat hat außerdem die Rentenakte der Klägerin bei der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg beigezogen und hieraus ärztliche Unterlagen in Kopie zur Akte genommen (Gutachten Dr. W. vom 12.01.2011, Diagnosen: rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig schwere Episode ohne psychotische Symptome, anhaltende somatoforme Schmerzstörung, posttraumatische Belastungsstörung, Agoraphobie mit Panikstörung; Befundberichte Dr. E. vom 12.10.2010, Diagnose rezidivierende depressive Störung, und vom 24.08.2010, Diagnosen: schwere depressive Episode, Zustand nach posttraumatischer Belastungsstörung; Gutachten der Ärztlichen Untersuchungsstelle H. , Dr. Ba. , vom 30.03.2010, Diagnosen: chronifizierte therapieresistente rezidivierende depressive Störung, anhaltende somatoforme Schmerzstörung, fragliche posttraumatische Belastungsstörung, rezidivierende Ovarialzysten und fragliche abdominelle Verwachsungen; Ärztlicher Entlassungsbericht des Therapiezentrums Bad R. vom 20.02.2008, Diagnosen: muskulär statische Rückenbeschwerden, chronische Unterbauchbeschwerden bei peritonealen Adhäsionen nach mehreren Unterbauchoperationen, posttraumatische Belastungsstörung; Gutachten des MDK vom 02.11.2007, Diagnosen: chronische Unterbauchbeschwerden bei peritonealen Adhäsionen nach mehreren Unterbauchoperationen, Darmresektion 1989, mehrfach Adhäsiolysen, Ovarektomie links, chronisch rezidivierende Ovarialzysten rechts, rezidivierendes Lumbalsyndrom, Hüftdysplasie beidseits, posttraumatische Belastungsstörung).
16 
Der Beklagte trat unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahmen von Dr. R. vom 25.05.2011 und 21.12.2011 der Berufung weiter entgegen.
17 
Der Senat hat daraufhin das Gutachten des Arztes für Innere Medizin, Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. Schn. vom 18.06.2012 eingeholt. Dr. Schn. diagnostizierte bei der Klägerin eine emotional-instabile Persönlichkeitsstörung mit Borderline-Anteilen, eine somatoforme Störung mit vorwiegender Projektion auf das Abdomen bzw. das muskulo-skelettale System, anamnestisch posttraumatische Belastungsstörung, weitestgehend remittiert, anamnestisch depressives Syndrom, remittiert sowie eine Sehstörung, ein Wirbelsäulenleiden, eine Hüftdysplasie beidseits und Verwachsungsbeschwerden nach abdominellen und gynäkologischen Eingriffen. Er gelangte zusammenfassend zu der Beurteilung, die Angaben der Klägerin bei der Untersuchung zur Wegstrecke bzw. zum Spazierengehen hätten nicht authentisch gewirkt und seien eindeutig nicht mit dem körperlichen Status vereinbar. Entsprechendes gelte für die Angabe einer Kraftlosigkeit. Der internistische Untersuchungsbefund sei bis auf eine vermehrte Schmerzempfindlichkeit am Abdomen unauffällig. Bei der neurologischen Untersuchung habe sich intermittierend ein Verdeutlichungs- bzw. Aggravationsverhalten gezeigt. Der psychopathologische Befund sei im Wesentlichen unauffällig. Es hätten sich deutliche Hinweise auf Somatisierungstendenzen und auf eine emotional-instabile Persönlichkeitsstörung mit vor allem Borderline-Anteilen ergeben. Das EEG zeige einen Alpha-Grundrhythmus. Vigilanzschwankungen oder -minderungen lägen nicht vor. Die weiteren neurophysiologischen Untersuchungen seien unauffällig. Es ergebe sich kein Anhalt für eine Polyneuropathie. Aktuell habe sich kein Anhalt für eine manifeste depressive Symptomatik sowie für eine posttraumatische Belastungsstörung oder für eine generalisierte Angststörung ergeben. Bei der Klägerin ergäben sich an Behinderungen / Funktionsbeeinträchtigungen seelische Störungen und somatoforme Beschwerden (Teil-GdB 40), eine Sehbehinderung (Teil-GdB 20), Verwachsungsbeschwerden nach Bauchoperationen (Teil-GdB 20) sowie ein Wirbelsäulenleiden und Hüftdysplasie beidseits (Teil-GdB 20). Die Klägerin sei bei aller zumutbaren Willensanstrengung durch die genannten Behinderungen / Funktionseinbußen nicht gehindert, ohne erhebliche Schwierigkeiten und ohne Gefahren für sich oder andere die Wegstrecken im Ortsverkehr zu Fuß zurückzulegen, die heute noch üblicherweise gehend bewältigt werden (etwa zwei km in einer halben Stunde). Es bestünden keine Erkrankungen, die die Wegstrecke sozialmedizinisch relevant beschränkten.
18 
Die Beteiligten sind mit richterlicher Verfügung vom 07.08.2012 auf die Möglichkeit einer Entscheidung des Senats nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hingewiesen worden und haben Gelegenheit zur Äußerung erhalten. Die Beteiligten sind eine Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG nicht entgegen getreten.
19 
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz, die beigezogene Rentenakte der Klägerin sowie auf ein Band Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.
II.
20 
Gemäß § 153 Abs. 4 SGG kann der Senat - nach vorheriger Anhörung der Beteiligten - die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Im vorliegenden Fall sind die Berufsrichter des Senats einstimmig zum Ergebnis gekommen, dass die Berufung unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Die Beteiligten sind mit richterlicher Verfügung vom 07.08.2012 auf die in Betracht kommende Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG sowie deren Voraussetzungen hingewiesen worden und haben Gelegenheit erhalten, zur Sache und zum beabsichtigen Verfahren Stellung zu nehmen.
21 
Der Senat hat den Berufungsantrag der Klägerin nach ihrem erkennbaren Begehren sachdienlich gefasst. Nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreites ist der Bescheid des Beklagten vom 21.02.2006 in der Gestalt des Teilabhilfebescheids vom 15.01.2007 und der diese Bescheide betreffende Teil des Widerspruchsbescheids vom 16.04.2007 zur Neufeststellung des GdB mit 70. Hiergegen hat die Klägerin sich mit ihrer Klage nicht gewandt. Damit ist die Neufeststellung des GdB mit 70 bestandskräftig und nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreites. Die Klägerin begehrt im vorliegenden Rechtsstreit nur, den Beklagten zu verurteilen, ihr - neben einem GdB von 70 zugleich auch - das Merkzeichen „G“ zuzuerkennen, wie sie in ihrer Klageschrift an das SG vom 04.05.2007 beantragt hat. Sie wendet sich damit zweifelsfrei nur gegen den Bescheid des Beklagten vom 17.01.2007 und den diesen Bescheid betreffenden Teil des Widerspruchsbescheids vom 16.04.2007. Dementsprechend hat der Senat den Berufungsantrag der Klägerin sachdienlich gefasst.
22 
Die gemäß den §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte und nach § 151 SGG auch insgesamt zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Feststellung des Merkzeichens „G“. Der streitgegenständliche Bescheid des Beklagten vom 17.01.2007 in der Gestalt des hierzu ergangenen Teils des Widerspruchsbescheids vom 16.04.2007 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
23 
Gemäß § 145 Abs. 1 SGB IX werden schwerbehinderte Menschen, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt oder hilflos oder gehörlos sind, von Unternehmern, die öffentlichen Personenverkehr betreiben, gegen Vorzeigen eines entsprechend gekennzeichneten Ausweises nach § 69 Abs. 5 im Nahverkehr im Sinne des § 147 Abs. 1 SGB IX unentgeltlich befördert. In seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr ist erheblich beeinträchtigt nach § 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX, wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens (auch durch innere Leiden oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit) nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden.
24 
Bis zum 31.12.2008 waren die „Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht“ (Teil 2 SGB IX), Ausgabe 2008 (AHP) heranzuziehen (BSG, Urteil vom 23.06.1993 - 9/9a RVs 1/91 - BSGE 72, 285; BSG, Urteil vom 09.04.1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 18.09.2003 - B 9 SB 3/02 R - BSGE 190, 205; BSG, Urteil vom 29.08.1990 - 9a/9 RVs 7/89 - BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 1). Die AHP besaßen zwar keine Normqualität, weil sie weder auf einem Gesetz noch auf einer Verordnung oder auch nur auf Verwaltungsvorschriften beruhten. Sie waren vielmehr als antizipierte Sachverständigengutachten anzusehen, die in der Praxis wie Richtlinien für die ärztliche Gutachtertätigkeit wirkten, und deshalb normähnliche Auswirkungen hatten. Auch waren sie im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung wie untergesetzliche Normen von den Gerichten anzuwenden (vgl. BSGE 72, 285, 286; BSG SozR 3-3870 a.a.O.).
25 
Seit 01.01.2009 ist an die Stelle der AHP die Anlage „Versorgungsmedizinische Grundsätze“ (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV) getreten. Damit hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales von der Ermächtigung nach § 30 Abs. 17 BVG (jetzt § 30 Abs. 16 BVG) zum Erlass einer Rechtsverordnung Gebrauch gemacht und die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG aufgestellt. Nach § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX gelten diese Maßstäbe auch für die Feststellung des GdB.
26 
Allerdings kann sich der Beklagte hinsichtlich der Voraussetzungen für die Feststellung des Merkzeichens „G“ nicht auf die VG (Teil D 1) berufen. Eine gesetzliche Ermächtigung für den Verordnungsgeber, die Grundsätze für die nach dem Schwerbehindertenrecht zu beurteilenden Nachteilsausgleiche durch Verordnung regeln zu können, enthalten weder § 30 Abs. 17 BVG (jetzt: Abs. 16), der nicht auf die im Schwerbehindertenrecht im SGB IX geregelten Nachteilsausgleiche verweist (vgl. Dau, jurisPR-SozR 4/2009), noch andere Regelungen des BVG. Eine Rechtsgrundlage zum Erlass einer Verordnung über Nachteilsausgleiche ist auch nicht in den einschlägigen Vorschriften des SGB IX vorhanden. Die Regelungen der VG zum Nachteilsausgleich G sind damit mangels entsprechender Ermächtigungsgrundlage rechtswidrig. Dies entspricht ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl. Urteile des Senats vom 23.07.2010 - L 8 SB 3119/08 – und vom 14.08.2009 - L 8 SB 1691/08 -, beide veröff. in juris und www.sozialgerichtsbarkeit.de) und dem ebenfalls für Schwerbehindertenrecht zuständigen 6. Senat des LSG Baden-Württemberg (vgl. stellvertretend Urteil vom 04.11.2010 - L 6 SB 2556/09 -, unveröffentlicht; offen lassend der 3. Senat, vgl. Urteil vom 17.07.2012 - L 3 SB 523/12 - unveröffentlicht). Rechtsgrundlage sind daher allein die genannten gesetzlichen Bestimmungen und die hierzu in ständiger Rechtsprechung anzuwendenden Grundsätze.
27 
Das Tatbestandsmerkmal der im Ortsverkehr üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegten Wegstrecke des § 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX umfasst nach ständiger Rechtsprechung der Sozialgerichte (grundlegend BSG Urt. vom 10.12.1987 - 9a RVs 11/87 -, SozR 3870 § 60 Nr. 2; BSG Urteil vom 13.08.1997 - 9 RVS 1/96 -, SozR 3 - 3870 § 60 Nr. 2) die Bewältigung von Wegstrecken von zwei km in einer halben Stunde ohne Berücksichtigung von geographischen Besonderheiten im Einzelfall. Sowohl die Gesetzesmaterialien zur gleichlautenden Vorgängervorschrift des § 58 Abs. 1 Satz 1 SchwbG 1979 als auch die AHP 1983 (Seite 123, 127f') enthielten keine Festlegung zur Konkretisierung des Begriffs der im Ortsverkehr üblichen Wegstrecke. Diese Festlegung geht auf eine in der Verwaltungs- und Gerichtspraxis gegriffene Größe von zwei km zurück, die als allgemeine Tatsache, welche zur allgemeingültigen Auslegung der genannten Gesetzesvorschrift herangezogen wurde, durch verschiedene Studien (vgl. die Nachweise in BSG Urt. vom 10.12.1987 a.a.O.) bestätigt worden ist. Der außerdem hinzukommende Zeitfaktor enthält den in ständiger Rechtsprechung bestätigten Ansatz einer geringeren Durchschnittsgeschwindigkeit als die von fünf bis sechs km pro Stunde zu erwartende Gehgeschwindigkeit rüstiger Wanderer, da im Ortsverkehr in der Vergleichsgruppe auch langsam Gehende, die noch nicht so erheblich behindert sind wie die Schwerbehinderten, denen das Recht auf unentgeltliche Beförderung zukommt, zu berücksichtigen sind (vgl. BSG Urteil vom 10.12.1987, a.a.O.). Anhaltspunkte dafür, dass infolge des Zeitablaufs sich die Tatsachengrundlage geändert haben könnte, hat der Senat nicht. Der Senat legt daher in ständiger Rechtsprechung (vgl. zuletzt Urteil vom 20.04.2012 - L 8 SB 5315/11- , unveröffentlicht) diese Erkenntnisse weiter der Auslegung des Tatbestandsmerkmals der ortsüblichen Wegstrecken i.S.v. § 146 Abs. 1 SGB IX zugrunde, auch wenn die entsprechenden Regelungen der VG zu dem Nachteilsausgleich „G“ unwirksam sind, wie oben ausgeführt (ebenso der 3. und 6. Senat des LSG Baden-Württemberg, Urteile vom 17.07.2012 a.a.O. und vom 04.11.2010 a.a.O.).
28 
Hiervon ausgehend steht für den Senat fest, dass bei der Klägerin keine erhebliche Beeinträchtigung ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr im Sinne des § 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX vorliegt. Die Klägerin ist durch die bei ihr bestehenden Gesundheitsstörungen nicht gehindert, Wegstrecken im Ortsverkehr - ohne Berücksichtigung von geographischen Besonderheiten im Einzelfall - von maximal zwei km bei einer Gehdauer von etwa 30 Minuten zu Fuß zurückzulegen. Zu dieser Überzeugung gelangt der Senat aufgrund des im Berufungsverfahren eingeholten Gutachtens des Dr. Schn. vom 18.06.2012 sowie den zu den Akten gelangten (zahlreichen) medizinischen Unterlagen einschließlich der im Rentenverfahren der Klägerin eingeholten Gutachten.
29 
Dass die Gehfähigkeit der Klägerin durch gynäkologische / abdominelle Beschwerden relevant herabgesetzt ist, wie sie geltend macht, steht zur Überzeugung des Senates nicht fest. Die Frauenärztin Dr. Ho. hat vielmehr in ihrer schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage an den Senat vom 29.12.2010 - aus gynäkologischer Sicht - die Beweisfrage zum Vorliegen der Voraussetzungen für die Feststellung des Merkzeichens „G“ verneint. Auch sonst lassen sich den zu den Akten gelangten medizinischen Befundunterlagen keine Behinderungen der Klägerin entnehmen, die wegen gynäkologischer Leiden eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr plausibel machen. Dies gilt insbesondere auch für die von der Klägerin geklagten (Unter)Bauchschmerzen, die nach den Angaben der Klägerin im Rahmen der Begutachtung durch Dr. Schn. im Zusammenhang beim Stuhlgang oder langem sitzen auftreten. Dem entspricht auch die überzeugende Bewertung von Dr. Schn. in seinem Gutachten, der durch die abdominellen Beschwerden eine Einschränkung der Wegefähigkeit verneint hat, dem sich der Senat anschließt. Auch sonst ist der von Dr. Schn. bei der Begutachtung der Klägerin erhobene internistische Untersuchungsbefund - bis auf eine vermehrte Schmerzempfindlichkeit am Abdomen - unauffällig, wie Dr. Schn. in seinem Gutachten nachvollziehbar und überzeugend ausgeführt hat. Der nicht näher begründeten abweichenden Ansicht von Dr. He. in seinem Attest vom 19.06.2007 kann im Hinblick auf den von Dr. Schn. erhobenen Befund wie auch den sonst zu den Akten gelangten diesbezüglichen medizinischen Befundunterlagen nicht gefolgt werden.
30 
Weiter bestehen bei der Klägerin hinsichtlich des Bewegungs- und Halteapparates (neurologisch und orthopädisch) keine Funktionsbeeinträchtigungen, die auf eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr schließen lassen. Dr. Schn. beschreibt in seinem Gutachten ein physiologisches Gangbild mit ausreichender Mitbewegung der oberen Extremitäten sowie regelgerechtem Abrollen der Fußsohlen. Muskelrelief und -tonus sind regelrecht. Ein Hinweis für latente oder manifeste Paresen an den Extremitäten besteht nicht. Alle Gelenke der oberen und insbesondere unteren Extremitäten der Klägerin sind aktiv und passiv beweglich. Für eine neurogene Gangstörung wie auch für das Vorliegen einer Polyneuropathie hat Dr. Schn. kein Anhalt gefunden. Weiter ist bei der Klägerin keine relevante neurologische Läsion zu objektivieren, wie Dr. Schn. in seinem Gutachten außerdem ausgeführt hat. Auch sonst hat Dr. Schn. keine motorische Störung festgestellt, die auf eine Herabsetzung der Gehfähigkeit der Klägerin schließen lässt. Vielmehr ergaben sich bei der Klägerin hinsichtlich des Bewegungs- und Halteapparates Hinweise auf eine Verdeutlichung/Aggravation. Auch Dr. L. hat in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 05.12.2010 auf orthopädischem Gebiet liegende Gesundheitsstörungen und Behinderungen der Klägerin, die ihre Gehfähigkeit herabsetzen, insbesondere wegen der Hüftdysplasie beidseits, nicht beschrieben. Er hat vielmehr mitgeteilt, dass aus seiner Sicht eine psychisch bedingte Einschränkung der Bewegungsfähigkeit bestehe. Entsprechendes gilt für die schriftliche sachverständige Zeugenaussage des Dr. B. vom 12.12.2010, der zwar von einer erheblichen Einschränkung der Gehfähigkeit der Klägerin (Gehstrecke 200 m) ausgeht, die Ursache hierfür jedoch nicht in körperlich somatischen Befunden, sondern in einer psychiatrischen Erkrankung der Klägerin sieht. Auch sonst lässt sich den zu den Akten gelangten medizinischen Unterlagen eine auf orthopädischem Gebiet liegende Funktionsbehinderung, die eine erhebliche Einschränkung der Gehfähigkeit der Klägerin plausibel macht, nicht entnehmen.
31 
Weiter wird die Klägerin durch die (im Vordergrund stehende) seelische Störung und somatoforme Beschwerden in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr nicht erheblich beeinträchtigt. Zwar bestehen bei der Klägerin nach dem nachvollziehbaren und plausiblen Gutachten von Dr. Schn. stärker behindernde Störungen mit einer wesentlich eingeschränkten Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit im Sinne der VG Teil B 3.7. Hierdurch wird die Klägerin jedoch nach den überzeugenden Ausführungen von Dr. Schn. bei aller zumutbaren Willensanstrengung nicht gehindert, ohne erhebliche Schwierigkeiten oder ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr von etwa zwei km in 30 Minuten zu Fuß zurückzulegen. Dieser Bewertung schließt sich der Senat an. Befunde, die dafür sprechen, dass die Klägerin durch ihre psychische Störungen außer Stande ist, Wegstrecken von etwa zwei km in 30 Minuten zurückzulegen, lässt sich dem von Dr. Schn. erhobenen und in seinem Gutachten nachvollziehbar beschriebenen und psychopathologischen Befund, nicht entnehmen. Insbesondere hat Dr. Schn. eine Angststörung bei der Klägerin nicht festgestellt.
32 
Der abweichenden Ansicht von Dr. B. und Dr. L. in ihren schriftlichen sachverständigen Zeugenaussagen folgt der Senat nicht. Dr. B. stützt seine Ansicht auf die Beschwerdeangaben der Klägerin. Nach den überzeugenden Ausführungen durch Dr. Schn. in seinem Gutachten wirken die Angaben der Klägerin zur Wegstrecke bzw. zum Spazierengehen jedoch nicht authentisch und sind auch nicht mit ihrem körperlichen Status zu vereinbaren. Eigene Befunderhebungen zur Gehfähigkeit der Klägerin beschreibt Dr. B. in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage hingegen nicht, weshalb seine Ansicht, auf die sich die Klägerin beruft, nicht nachvollziehbar ist, wie auch Dr. Schn. in seinem Gutachten überzeugend ausgeführt hat. Dr. L. hat seine Ansicht nicht näher begründet und im Übrigen eine erhebliche Einschränkung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr der Klägerin nicht bestätigt („Wenn das so ist, dann aus psychischer Ursache.“).
33 
Danach bedarf es keiner Entscheidung durch den Senat, zu der Frage, ob psychische Erkrankungen (generell) geeignet sind, die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens „G“ zu begründen (verneinend LSG Baden-Württemberg Beschluss vom 12.10.2011 - 6 SB 3032/11-, juris und www.sozialgerichtsbarkeit.de).
34 
Insgesamt bestehen bei der Klägerin zur Überzeugung des Senats keine Erkrankungen, wie Paresen an den unteren Extremitäten, eine schwere arterielle Verschlusskrankheit, eine dekompensierte Herzinsuffizienz, orthopädische Erkrankungen oder eine andere schwere Zwangs- oder Angsterkrankung, die ihre Gehfähigkeit relevant beschränken, wie Dr. Schn. in seinem Gutachten überzeugend dargelegt hat. Dem entsprechen auch die zu den Akten gelangten medizinischen Unterlagen einschließlich der im Rentenverfahren der Klägerin eingeholten Gutachten, wie zudem Dr. R. in seinen versorgungsärztlichen Stellungnahmen vom 25.05.2011 und 21.12.2011 nachvollziehbar und überzeugend ausgeführt hat, dem sich der Senat ebenfalls anschließt. Auch ein Anfallsleiden oder Störungen der Orientierungsfähigkeit sind nicht ersichtlich und werden von der Klägerin im Übrigen auch nicht geltend gemacht.
35 
Anlass zu weiteren Ermittlungen besteht nicht. Für den Senat ist der entscheidungsrelevante Sachverhalt durch die im Berufungsverfahren durchgeführten Ermittlungen und die zu den Akten gelangten medizinischen Unterlagen geklärt. Neue Gesichtspunkte, die Anlass für weitere Ermittlungen geben, hat die Klägerin im Verlauf des Berufungsverfahrens nicht aufgezeigt.
36 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
37 
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Die in § 1 genannten Grundsätze und Kriterien sind in der Anlage zu dieser Verordnung*als deren Bestandteil festgelegt.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 4. Mai 2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe

 
I
Der Kläger begehrt die Feststellung eines höheren Grades der Behinderung (GdB) und der Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich „erhebliche Beeinträchtigung der Gehfähigkeit“ (G).
Mit Bescheid vom 28.01.2004 hatte das Landratsamt Freiburg den GdB des 1958 geborenen Klägers unter Zugrundelegung der versorgungsärztlichen Stellungnahme der Dr. L. vom 20.01.2004, in der diese als Behinderungen eine seelische Krankheit mit multiplen Organbeschwerden (Einzel-GdB 80) sowie eine Arthrose der Kniegelenke (Einzel-GdB 10) berücksichtigte und den Gesamt-GdB mit 80 einschätzte, mit 80 seit 29.07.2003 festgestellt. Ferner hatte das Landratsamt mit Bescheid vom 22.06.2006 unter Zugrundelegung der versorgungsärztlichen Stellungnahme der Dr. M. vom 24.05.2006, in der diese hinsichtlich des GdB an der bisherigen versorgungsärztlichen GdB-Beurteilung festhielt, die Voraussetzungen für das Merkzeichen „Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht“ (RF) festgestellt.
Der Kläger beantragte am 28.05.2008 die Neufeststellung des GdB sowie die Feststellung der Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich G. Das Landratsamt holte den Befundbericht des Neurologen und Psychiaters Dr. O. vom 09.06.2008 (Verdacht auf funikuläre Myelose mit Tetrasymptomatik bei leicht ataktischem Gangbild und mäßigem ungerichtetem Schwanken) ein. Dr. F. hielt in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 25.06.2008 an der bisherigen versorgungsärztlichen Beurteilung fest (wegen der bloßen Verdachtsdiagnose, die vor einem Jahr gestellt worden sei, habe keine Therapie durchgeführt werden müssen).
Mit Bescheid vom 30.06.2008 lehnte das Landratsamt die Neufeststellung des GdB sowie die Feststellung der Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs G ab.
Hiergegen legte der Kläger am 02.08.2008 Widerspruch ein. Die Ärztin K. hielt in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 08.09.2008 an der bisherigen versorgungsärztlichen Beurteilung fest, da nur gut therapierbare Gefühlsstörungen der Extremitäten objektiviert werden könnten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 29.10.2008 wies das Regierungspräsidium Stuttgart den Widerspruch zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 21.11.2008 Klage beim Sozialgericht Freiburg erhoben.
Das Sozialgericht hat den Radiologen Dr. Z. am 14.01.2009, den Internisten und Nephrologen Dr. Sch. am 15.01.2009 sowie Dr. O. am 19.01.2009 schriftlich als sachverständige Zeugen angehört und Arztbriefe der den Kläger behandelnden Ärzte beigezogen. Dr. Z. hat ausgeführt, kernspintomographisch hätten sich am 31.05.2007 für eine funikuläre Myelose, die bei rechtzeitiger und adäquater Substitution des Vitamin-B-12-Mangels reversibel sei, charakteristische Befunde ergeben. Dr. Sch. hat dargelegt, er habe bei der einmaligen Untersuchung am 10.09.2008 eine normale exkretorische Nierenfunktion mit diskret erhöhter Eiweißausscheidung sowie eine arterielle Hypertonie festgestellt, worin jeweils keine Behinderungen zu sehen seien. Dr. O. hat ausgeführt, er gehe aufgrund seiner Untersuchungen am 29.05.2007 und 31.05.2007 und des kernspintomographischen Befundes von einer zervikalen Manifestation einer funikulären Myelose sowie nebenbefundlich von einer sensibel-demyelisierenden Polyneuropathie aus. Der angemeldeten Untersuchung in der Universitätsklinik Freiburg sei der Kläger nicht nachgekommen.
Dr. B. hat in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 15.04.2009 dargelegt, es bleibe bei der bisherigen versorgungsärztlichen Beurteilung.
10 
Das Sozialgericht hat von Amts wegen das Gutachten des Neurologen Dr. C. vom 21.08.2009 eingeholt. Der Sachverständige hat zusammenfassend ausgeführt, mit der mit einem Einzel-GdB von 80 im oberen Ermessensspielraum bewerteten Zwangs- und Somatisierungsstörung sowie der mit einem Einzel-GdB von 20 zu bewertenden leichtgradigen Polyneuropathie liege ein Gesamt-GdB von 80 vor. Ferner liege eine multifaktorielle Gangstörung vor. Das Gangbild sei aber ausreichend sicher. Es träten keine Gefahren oder erhebliche Schwierigkeiten beim Zurücklegen von Wegstrecken im Ortsverkehr zu Fuß auf. Er halte aber den Kläger nicht für in der Lage, eine Strecke von zwei Kilometern innerhalb von 30 Minuten zurückzulegen. Dies hat der Sachverständige mit dem verlangsamten Gangbild und der verminderten Ausdauer beim Gehen begründet. Die Gehfähigkeit werde durch die funikuläre Myelose, das ausgeprägte Übergewicht, die Schmerzen der Extremitäten, die Somatisierungsstörung und die Zwangsstörung beeinträchtigt, wobei die psychogene beziehungsweise funktionelle Komponente nicht hinreichend willentlich überwindbar sei.
11 
Dr. S. ist in seiner versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 23.12.2009 der GdB-Bewertung des Sachverständigen gefolgt, hat aber die Ansicht vertreten, es sei weder eine erhebliche psychogene Gangstörung noch eine Behinderung der unteren Extremitäten und der Lendenwirbelsäule mit einem GdB von wenigstens 40 bis 50 nachgewiesen, so dass die Voraussetzungen für die Feststellung des Nachteilsausgleichs G nicht erfüllt seien.
12 
Dr. C. hat in seiner ergänzenden gutachtlichen Stellungnahme vom 05.03.2010 dargelegt, in der gutachtlichen Untersuchung seien ein verlangsamtes und schwerfälliges Gangbild mit Gehhilfe sowie eine Unsicherheit in den Gangprüfungen festgestellt worden. Er habe eine wesentliche funktionelle Überlagerung angenommen. Als objektive Parameter lägen die pathologischen Befunde der sensiblen Nervenleitgeschwindigkeit und der somatosensibel evozierten Potentiale vor. Er halte daher daran fest, dass der Kläger nicht in der Lage sei, eine Strecke von zwei Kilometern innerhalb von 30 Minuten zurückzulegen.
13 
Dr. W. hat in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 08.06.2010 ausgeführt, bei der Beurteilung des Dr. C. handle es sich um eine subjektive Einschätzung. Im Interesse einer Gleichbehandlung aller behinderten Menschen könnten aber nur objektive Beurteilungskriterien zu Grunde gelegt werden. Bei Anlegung eines objektiven Maßstabes könne vorliegend nicht der Nachweis geführt werden, dass der Kläger nicht in der Lage sei, eine Wegstrecke von zwei Kilometern in 30 Minuten in zumutbarer Weise zurückzulegen.
14 
Mit Urteil vom 04.05.2011 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Nach dem insoweit überzeugenden Gutachten des Dr. C. sei die Zwangskrankheit mit sozialen Anpassungsschwierigkeiten mit einem Einzel-GdB von 80 sowie die funikuläre Myelose mit einem Einzel-GdB von 20 und mithin der Gesamt-GdB mit 80 zu beurteilen. Eindeutig im Vordergrund der Funktionsbeeinträchtigungen des Klägers stehe die seelische Störung. Die Funktionsbeeinträchtigungen durch die hinzugetretene funikuläre Myelose fielen im Vergleich hierzu so gering ins Gewicht, dass eine Erhöhung des Gesamt-GdB nicht gerechtfertigt erscheine. Die Voraussetzungen für die Feststellung des Nachteilsausgleichs G seien nicht gegeben. Der Kläger sei in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr nicht in Folge einer behinderungsbedingten Einschränkung des Gehvermögens beeinträchtigt. Das Gehvermögen des Klägers, also die organisch bedingte Fähigkeit, Wege in dem geforderten Umfang zurückzulegen, sei nicht in einem Maße eingeschränkt, die den in den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (VG) genannten Regelbeispielen entspreche. Die tatsächlichen organischen Beschwerden des Klägers in Form einer Kniearthrose und einer funikulären Myelose seien in dem Ausmaß der daraus resultierenden Beeinträchtigungen nicht mit den in den VG genannten Regelbeispielen vergleichbar. Vielmehr ergebe sich die Beeinträchtigung des Klägers maßgeblich aus einer Zwangskrankheit. Er verlasse wegen dieser Krankheit nur noch selten das Haus. Sei jedoch die Bewegungsfähigkeit nicht infolge einer behinderungsbedingten Einschränkung des Gehvermögens, sondern aus anderen, insbesondere psychischen Gründen beeinträchtigt, so könne dies nicht zur Zuerkennung des Merkzeichens G führen.
15 
Gegen das seiner Prozessbevollmächtigten am 08.06.2011 zugestellte Urteil des Sozialgerichts hat der Kläger am 05.07.2011 Berufung eingelegt. Er hat zur Begründung ausgeführt, alleine die Zwangserkrankung sei mit einem Einzel-GdB von 100 zu bewerten. Wegen seiner Zwangserkrankung habe er auch die funikuläre Myelose nicht adäquat behandeln lassen können. Ferner sei die Autoimmungastritis bislang nicht ausreichend gewürdigt worden, obwohl diese Erkrankung die funikuläre Myelose ausgelöst habe und Ursache für häufige Magenschmerzen sei. Auch sei die Hypertonie nicht mit einem Einzel-GdB bewertet worden. Des Weiteren hat er ausgeführt, er habe dem Sachverständigen wenig über seine Zwänge, die ihn am Verlassen der Wohnung hinderten, berichtet. Seiner Computertätigkeit komme er im Übrigen nur nachts nach, wenn er nicht schlafen könne. Die von ihm betriebene Presseagentur sei nur ein Hobby von ihm. Er sitze in seinem Zimmer immer am gleichen Platz und sei von seinen Zwängen gefangen. Er leide dauernd unter starkem Schwitzen und er rieche sehr sauer. Er sei auch wegen seiner Kniearthrose, seiner Gangunsicherheit, seinen starken Rückenschmerzen und seiner Kurzatmigkeit in seiner Bewegungsfähigkeit erheblich eingeschränkt. Der Kläger hat neben anderen Unterlagen das Attest des Allgemeinmediziners Schirmer vom 17.05.2011 (rezidivierende Lumbalgien, arterielle Hypertonie, Adipositas, Hyperurikämie und Gichtanfall, Unterschenkelödeme, Zwangserkrankung) vorgelegt.
16 
Der Kläger beantragt sinngemäß,
17 
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 4. Mai 2011 sowie den Bescheid des Beklagten vom 30. Juni 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Oktober 2008 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, den Bescheid vom 28. Januar 2004 abzuändern sowie den Grad der Behinderung mit 100 und die Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich „erhebliche Beeinträchtigung der Gehfähigkeit“ seit 28. Mai 2008 festzustellen.
18 
Der Beklagte beantragt,
19 
die Berufung zurückzuweisen.
20 
Er hat zur Begründung ausgeführt, der Kläger habe Sachargumente, die eine abweichende Beurteilung begründen könnten, nicht dargelegt. Insbesondere stelle nicht jede ärztliche Diagnose eine sich auf den Gesamt-GdB auswirkende Gesundheitsstörung dar. Auch seien die Voraussetzungen für die Feststellung des Nachteilsausgleichs G zu Recht verneint worden.
21 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
22 
Der Senat entscheidet gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter durch Beschluss, da er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind hierzu gehört worden.
23 
Die gemäß §§ 143 und 144 SGG statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung ist unbegründet.
24 
Das Sozialgericht hat mit zutreffender Begründung dargelegt, dass der GdB des Klägers nicht mehr als 80 beträgt und eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen im Vergleich zu denen, die bei der Bewertung im Bescheid vom 28.01.2004 vorlagen, nicht eingetreten ist. Es hat ferner zu Recht entschieden, dass die Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich G nicht vorliegen.
25 
Maßgebliche Rechtsgrundlage für eine Aufhebung von Verwaltungsakten wegen einer Verschlimmerung des Gesundheitszustandes ist § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben (§ 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit die Änderung zu Gunsten des Betroffenen erfolgt (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X).
26 
Die Beurteilung des GdB und die Feststellung der Voraussetzungen von Nachteilsausgleichen richtet sich nach den Vorschriften des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX).
27 
Auf Antrag des behinderten Menschen stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest (§ 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 SGB IX). Die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach Zehnergraden abgestuft festgestellt, wobei eine Feststellung nur dann zu treffen ist, wenn ein GdB von wenigstens 20 vorliegt (§ 69 Abs. 1 Sätze 3 und 6 SGB IX). Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt (§ 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX). Auf Antrag des behinderten Menschen treffen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden, wenn neben dem Vorliegen einer Behinderung weitere gesundheitliche Merkmale Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen sind, die erforderlichen Feststellungen (§ 69 Abs. 4 SGB IX). Auf Antrag des behinderten Menschen stellen die zuständigen Behörden auf Grund einer Feststellung der Behinderung einen Ausweis über die gesundheitlichen Merkmale aus (§ 69 Abs. 5 SGB IX). Die Feststellung des GdB und der Voraussetzungen für Nachteilsausgleiche ist eine rechtliche Wertung von Tatsachen, die mit Hilfe von medizinischen Sachverständigen festzustellen sind. Dabei ist die seit 01.01.2009 an die Stelle der bis zum 31.12.2008 im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung als antizipierte Sachverständigengutachten angewandten Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX) 2008“ (AHP) getretene Anlage „Versorgungsmedizinische Grundsätze“ (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG vom 10.12.2008 - BGBl. I. S. 2412 (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV) anzuwenden.
28 
1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB als 80.
29 
Für das Funktionssystem Psyche einschließlich Gehirn beträgt der Einzel-GdB 80.
30 
1.1 Der Kläger leidet nach dem Gutachten des Dr. C. auf psychiatrischem Fachgebiet im Wesentlichen an einer Zwangs- und Somatisierungsstörung. Nach Teil B, Nr. 3.7 VG (Teil A, Nr. 26.3 AHP) beträgt bei Neurosen, Persönlichkeitsstörungen und Folgen psychischer Traumen bei leichteren psychovegetativen oder psychischen Störungen der GdB 0 bis 20, bei stärker behindernden Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (beispielsweise ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) der GdB 30 bis 40 sowie bei schweren Störungen (beispielsweise schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten der GdB 50 bis 70 und mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten der GdB 80 bis 100. Vorliegend erreicht die seelische Erkrankung des Klägers zwar einen Schweregrad, der die Annahme einer schweren Störung mit schweren sozialen Anpassungsstörungen rechtfertigt. Allerdings ist der Senat nach den Ausführungen des Sachverständigen davon überzeugt, dass die Funktionsstörungen des Klägers nur mit einem im unteren Bereich des GdB-Rahmens zwischen 80 und 100 liegenden Wert zu beurteilen sind. Der Kläger hat im Rahmen der gutachterlichen Untersuchung lediglich angegeben, alle zwei Wochen an Kontrollzwängen zu leiden, und ferner ausgeführt, er habe derzeit seine Zwangserkrankung unter Kontrolle. In Anbetracht dessen und des Umstandes, dass der Kläger keine fachärztliche psychiatrische oder psychotherapeutische Behandlung in Anspruch nimmt (so Urteil LSG Baden-Württemberg vom 17.12.2010 - L 8 SB 1549/10), keine medikamentöse Therapie durchführt, sondern sich allein mit Meditieren behilft, kann sich der Senat nicht von einer einen höheren Einzel-GdB rechtfertigenden Verschlimmerung des seelischen Gesundheitszustandes des Klägers überzeugen. Das gilt umso mehr, als der Kläger eine feste Beziehung hat, nach eigenen Angaben in der Lage ist, nachts an seinem Computer zu arbeiten, und in der gutachterlichen Untersuchung Auffassung, Konzentration, Merkfähigkeit und Gedächtnis nicht beeinträchtigt gewesen sind sowie das Stimmungsbild als ausgeglichen und nicht depressiv herabgesetzt beschrieben worden ist.
31 
Nichts anderes ergibt sich aus der von Dr. C. festgestellten funikulären Myelose und Polyneuropathie. Während die VG für die funikuläre Myelose keine GdB-Kriterien enthalten, ergeben sich nach den VG, Teil B, Nr. 3.11 (Teil A, Nr. 26.3 AHP) bei den Polyneuropathien die Funktionsbeeinträchtigungen aufgrund motorischer Ausfälle (mit Muskelatrophien), sensibler Störungen oder Kombinationen von beiden, wobei der GdB motorischer Ausfälle in Analogie zu peripheren Nervenschäden einzuschätzen ist. Zwar hat der Kläger in der gutachterlichen Untersuchung Taubheitsgefühle und Kribbelmissempfindungen angegeben und hat Dr. C. einerseits ein verlangsamtes, schwerfälliges und hinkendes Gangbild beschrieben sowie durch elektrophysiologische Untersuchungen eine linksbetonte Verzögerung der sensibel evozierten Potentiale und eine geringgradig verlangsamte Nervenleitgeschwindigkeit nachgewiesen. Die gutachterliche Untersuchung hat aber zum einen regelrecht tastbare Fußpulse ergeben. Zum anderen sind Kopf und Hals frei beweglich gewesen und sind in Bezug auf die Motorik manifeste Paresen oder muskuläre Atrophien bei einem allseits regelgerechten Muskeltonus nicht festgestellt worden. Ferner sind die Reflexe auslösbar gewesen, haben sich keine Pyramidenbahnzeichen gefunden und sind die sensiblen Empfindungsqualitäten nicht pathologisch gewesen. Zutreffend hat daher Dr. C. die funikuläre Myelose und die Polyneuropathie als lediglich leichtgradig eingeschätzt.
32 
Mithin beträgt der Einzel-GdB für das Funktionssystem Psyche einschließlich Gehirn wegen der Zwangs- und Somatisierungsstörung bei integrierender Berücksichtigung der funikulären Myelose und der Polyneuropathie nicht mehr als 80.
33 
1.2 Für das Funktionssystem Beine beträgt der Einzel-GdB 10.
34 
Der Kläger leidet an einer Kniegelenksarthrose. Nach den VG, Teil B, Nr. 18.14 (Teil A, Nr. 26.18 AHP) beträgt bei einer einseitigen Bewegungseinschränkung im Kniegelenk geringen Grades (beispielsweise Streckung/Beugung bis 0/0/90 Grad) der GdB 0 bis 10, mittleren Grades (beispielsweise Streckung/Beugung 0/10/90 Grad) der GdB 20 und stärkeren Grades (beispielsweise Streckung/Beugung 0/30/90 Grad) der GdB 30 sowie beträgt bei einseitigen ausgeprägten Knorpelschäden der Kniegelenke (beispielsweise Chondromalacia patellae Stadium II bis IV) mit anhaltenden Reizerscheinungen ohne Bewegungseinschränkung der GdB 10 bis 30 und mit Bewegungseinschränkung der GdB 20 bis 40. Vorliegend rechtfertigen die aktenkundigen Befunde für das Funktionssystem Beine keinen höheren GdB als 10. Eine einen höheren GdB rechtfertigende Funktionseinschränkung ist nicht dokumentiert. Die durch die funikuläre Myelose und Polyneuropathie hervorgerufene Gangunsicherheit ist bereits bei der Bewertung des Einzel-GdB für das Funktionssystem Psyche einschließlich Gehirn berücksichtigt worden.
35 
1.3 Die weiteren von Dr. C. beschrieben Gesundheitsveränderungen wie die Mykose und die Unterschenkelschwellung links mit Hautrötung bedingen ebenso wenig wie die vom Kläger angegebene Autoimmungastritis GdB-relevante Funktionsbeeinträchtigungen. Objektive Befunde, die derartige Funktionseinschränkungen belegen würden, liegen nicht vor.
36 
1.4 Unter Berücksichtigung der dargelegten Einzel-GdB-Werte (Einzel-GdB 80 für das Funktionssystem Gehirn einschließlich Psyche, Einzel-GdB 10 für das Funktionssystem Beine) beträgt der Gesamt-GdB nicht mehr als 80. Wegen der Überschneidung der Auswirkungen der Behinderungen auf psychiatrischem und orthopädischem Fachgebiet hat der Senat davon abgesehen, wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen im orthopädischen Bereich dem GdB von 80 für das Funktionssystem Gehirn einschließlich Psyche weitere GdB-Punkte hinzuzufügen.
37 
2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die Feststellung der Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich G.
38 
Zu den gesundheitlichen Merkmalen im Sinne des § 69 Abs. 5 SGB IX gehört die erhebliche Beeinträchtigung im Straßenverkehr. Schwerbehinderte Menschen, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt oder hilflos oder gehörlos sind, werden von Unternehmern, die öffentlichen Personenverkehr betreiben, gegen Vorzeigen eines entsprechend gekennzeichneten Ausweises nach § 69 Abs. 5 SGB IX im Nahverkehr im Sinne des § 147 Abs. 1 SGB IX unentgeltlich befördert (§ 145 Abs. 1 SGB IX). In seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt ist, wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens (auch durch innere Leiden oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit) nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden (§ 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX).
39 
Als solchermaßen üblich sind - ohne Berücksichtigung von geographischen Besonderheiten im Einzelfall - Wegstrecken von bis zu zwei Kilometern mit einer Gehdauer von etwa 30 Minuten anzusehen (BSG, Urteil vom 10.12.1987 - 9a RVs 11/87; BSG, Urteil vom 13.08.1997 - 9 RVS 1/96). Den VG lassen sich im Ergebnis keine weiteren Beurteilungskriterien für die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des begehrten Nachteilsausgleichs entnehmen. Denn die VG sind hinsichtlich der getroffenen Regelungen für die nach dem Schwerbehindertenrecht zu beurteilenden Nachteilsausgleiche G, „Berechtigung für eine ständige Begleitung“ (B), „außergewöhnliche Gehbehinderung“ (aG), „Gehörlosigkeit“ (Gl) und „Blindheit“ (Bl) unwirksam, da es insoweit an einer gesetzlichen Verordnungsermächtigung fehlt. Eine solche Ermächtigung findet sich nämlich - mit Ausnahme des Nachteilsausgleichs „Hilflosigkeit“ (H) - weder in § 30 Abs. 17 BVG, noch in sonstigen Regelungen des BVG oder des SGB IX (Urteil des Senats vom 04.11.2010 - L 6 SB 2556/09 - unter Hinweis auf LSG Baden-Württemberg, Urteile vom 14.08.2009 - L 8 SB 1691/08 - und 24.09.2010 - L 8 SB 4533/09; Dau, jurisPR-SozR 4/2009, Anm. 4; so zuletzt auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 09.05.2011 - L 8 SB 2294/10).
40 
An einer danach den Nachteilsausgleich G rechtfertigenden Einschränkung der Gehfähigkeit leidet der Kläger nicht.
41 
Zwar liegt beim Kläger nach dem Gutachten des Dr. C. eine Beeinträchtigung der Gehfähigkeit vor. Diese erreicht aber im Gegensatz zu dessen Einschätzung noch nicht ein solches Maß, dass der Kläger wegen der bei der Prüfung des Merkzeichens G zu berücksichtigenden Gesundheitsstörungen nicht mehr in der Lage wäre, ohne erhebliche Schwierigkeiten oder ohne Gefahren für sich oder andere eine Wegstrecke von etwa zwei Kilometern in einer Zeit von 30 Minuten zu Fuß zurücklegen. Die Einschätzung des Dr. C., der Kläger erfülle die Voraussetzungen des Merkzeichens G, ist nicht zutreffend. Vielmehr folgt der Senat den gegenteiligen Beurteilungen durch Dres. S. und W. in ihren versorgungsärztlichen Stellungnahmen.
42 
Soweit der Kläger geltend macht, er erfülle die Voraussetzungen des Nachteilsausgleiches G, ist darauf hinzuweisen, dass die beim Kläger diagnostizierten Funktionsstörungen, die sich auf sein Gehvermögen auswirken können, mit seiner Beschwerdeangabe nicht in Einklang zu bringen sind. Sie sind nicht so schwerwiegend, dass die zu beachtenden Beurteilungskriterien als erfüllt angesehen werden können. Ein GdB-relevantes Lendenwirbelsäulenleiden liegt nicht vor und für das Funktionssystem Beine beträgt der Einzel-GdB allenfalls 10. Auch die durch die funikuläre Myelose und die Polyneuropathie bedingte Gehbeeinträchtigung rechtfertigt nicht die Annahme, der Kläger sei nicht mehr in der Lage, zwei Kilometer innerhalb von 30 Minuten zurückzulegen. Durch diese Erkrankungen erklären sich allenfalls die vom Kläger in der gutachterlichen Untersuchung angegebenen Taubheitsgefühle und Kribbelmissempfindungen, aber nicht das von Dr. C. beschriebene verlangsamte, schwerfällige und hinkende Gangbild. Denn der Sachverständige hat in Bezug auf die Motorik keine manifesten Paresen oder muskulären Atrophien bei einem allseits regelgerechten Muskeltonus festgestellt. Ferner sind die Reflexe auslösbar gewesen, haben sich keine Pyramidenbahnzeichen gefunden und sind die sensiblen Empfindungsqualitäten nicht pathologisch gewesen. Zutreffend hat daher Dr. C. die funikuläre Myelose und die Polyneuropathie als lediglich leichtgradig eingeschätzt. Mithin ist der Senat der Überzeugung, dass die vom Kläger berichtete Gehbeeinträchtigung allenfalls seelischer Natur ist, zumal Dr. C. dargelegt hat, dass vorliegend für die Beeinflussung der Gehfähigkeit der funikulären Myelose nur ein nachgeordneter Anteil zukommt und in diesem Zusammenhang auf die Schmerzempfindung des Klägers und dessen Zwangsstörung hinzuweisen ist.
43 
Die aus dem seelischen Leiden resultierenden Gehbeeinträchtigungen rechtfertigen ebenfalls nicht die Feststellung der Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs G. Zwar ist dem Umstand Rechnung zu tragen, dass das menschliche Gehvermögen keine statische Messgröße ist, sondern von verschiedenen Faktoren geprägt und variiert wird. Darunter sind neben den anatomischen Gegebenheiten des Körpers, also Körperbau und etwaige Behinderungen, vor allem der Trainingszustand, die Tagesform, Witterungseinflüsse, die Art des Gehens (ökonomische Beanspruchung der Muskulatur, Gehtempo und Rhythmus) sowie Persönlichkeitsmerkmale, vor allem die Motivation, zu nennen. Von diesen Faktoren sind all jene heraus zu filtern, die nach § 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX außer Betracht zu bleiben haben, weil sie die Bewegungsfähigkeit des schwerbehinderten Menschen im Straßenverkehr nicht infolge einer behinderungsbedingten Einschränkung seines Gehvermögens, sondern möglicherweise aus anderen Gründen erheblich beeinträchtigen (LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 28.09.2010 - L 11 SB 77/07 - unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 24.04.2008 - B 9/9a SB 7/06 R). Dies zugrunde gelegt erfüllt der Kläger nicht die Voraussetzungen für die Anerkennung des Merkzeichens G. Denn die bei ihm beschriebenen psychischen Störungen sind nicht mit den in § 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX genannten Behinderungen vergleichbar. Seine Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr ist nicht infolge einer behinderungsbedingten Einschränkung seines Gehvermögens, sondern aus anderen - nicht zu berücksichtigenden - Gründen beeinträchtigt. Die Zwangs- und Somatisierungsstörung, die den Kläger im Wesentlichen daran hindert, sein Haus zu verlassen und längere Gehstrecken zurückzulegen, ist nicht mit den in § 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX genannten Anfällen oder Störungen der Orientierungsfähigkeit vergleichbar. Mit diesen Anfällen und Störungen sind nur hirnorganische Anfälle, insbesondere epileptische Anfälle, aber auch hypoglykämische Schocks bei Zuckerkranken gemeint, also solche Anfälle, die mit Bewusstseinsverlust und Sturzgefahr verbunden sind (LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 28.09.2010 - L 11 SB 77/07 - unter Hinweis auf BSG, Beschluss vom 10.05.1994 - 9 BVs 45/93). Solche Funktionsbeeinträchtigungen bestehen im vorliegenden Fall aber nicht. Vielmehr beruht die vom Kläger berichtete Gehbeeinträchtigung auf der Zwangs- und Somatisierungsstörung und daher nicht unabhängig vom Bewusstsein des Klägers. Eine Berücksichtigung dieser psychischen Erkrankung des Klägers im Rahmen der Prüfung des Merkzeichens G kommt aber nicht in Frage. Denn die Bewegungsfähigkeit des Klägers im Straßenverkehr ist nicht infolge einer behinderungsbedingten Einschränkung seines Gehvermögens, sondern aus anderen Gründen beeinträchtigt. Das Gehvermögen des Klägers, also die organisch bedingte Fähigkeit, Wege in dem geforderten Umfang zurückzulegen, ist nämlich nicht eingeschränkt. Dies ergibt sich aus dem im Gutachten des Dr. C. beschriebenen Untersuchungsbefund, der keine wesentlichen Bewegungseinschränkungen, sondern lediglich die durch die leichtgradige funikuläre Myelose und die leichtgradige Polyneuropathie erklärbaren Taubheitsgefühle und Kribbelmissempfindungen ergeben hat. Die Fälle der die Fortbewegungsfähigkeit beeinträchtigenden Gründe, welche bei der Zuerkennung des Merkzeichens G einbezogen werden dürfen, sind aber abschließend geregelt. Hierzu gehören - wie oben bereits dargelegt - lediglich Anfälle und Störungen der Orientierungsfähigkeit. Als nicht in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt gelten daher psychisch erkrankte Personen, deren Leiden nur mit sonstigen Beeinträchtigungen oder Störungen einhergehen, wie etwa Verstimmungen, Antriebsminderung und Angstzuständen. Eine Abweichung von der Regelung des § 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX ist nicht möglich, weil der Gesetzgeber auch in Kenntnis der Rechtsprechung des BSG und der AHP sowie VG keine andere Regelung der Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs G getroffen hat (LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 28.09.2010 - L 11 SB 77/07 - unter Hinweis auf BSG, Beschluss vom 10.05.1994 - 9 BVs 45/93).
44 
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
45 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
46 
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.

Die Erhebungen erfolgen jährlich für das abgelaufene Kalenderjahr.

Tatbestand

Streitig ist, ob der Kläger einen Anspruch darauf hat, dass die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen aG (außergewöhnliche Gehbehinderung) festgestellt werden.

Der im Jahr 1959 geborene Kläger erlitt im Jahre 1980 eine schwere Verletzung des rechten Beins, die zur Amputation im Oberschenkel führte.

Mit Bescheid des Beklagten vom 18.02.1997 wurden erstmals ein Grad der Behinderung (GdB) von 80 sowie die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen G festgestellt.

Im Dezember 2010 beantragte der Kläger die Erhöhung des GdB und die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen B und aG. Die Gehfähigkeit sei wegen der Stumpfbeschwerden erheblich eingeschränkt.

Nach Auswertung eingeholter Befunde durch den versorgungsärztlichen Dienst stellte der Beklagte mit Bescheid vom 25.07.2011 einen GdB von 90, nicht aber die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen aG fest.

Dagegen erhob der Kläger Widerspruch und begründete diesen damit, dass er zur Erhaltung der körperlichen Unversehrtheit und zur Berufsausübung die Möglichkeit einer Inanspruchnahme von Behindertenparkplätzen benötige. Er müsse jederzeit in der Nähe seines Arbeitsplatzes parken können. Schon bei schönem Wetter sei seine Gehfähigkeit stark eingeschränkt, bei Regen, Schnee oder gar Eis sei er unmittelbar sturzgefährdet. Er müsse daher längere Wegstrecken vermeiden.

Der behandelnde Orthopäde Dr. C. teilte auf Nachfrage des Beklagten am 30.11.2011 mit, dass der Kläger ein stark hinkendes Gangbild habe und auch für kurze Strecken je nach Belastung einen Gehstock verwende.

Mit Widerspruchsbescheid vom 02.01.2012 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Der Kläger sei - so der Beklagte - nicht dem Personenkreis gleichzustellen, der die Voraussetzungen für das Merkzeichen aG erfülle.

Dagegen haben die Bevollmächtigten des Klägers am 06.02.2012 Klage mit dem Ziel der Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen aG erhoben. Die Klage ist unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) damit begründet worden, dass es der Beklagte bei seiner Entscheidung völlig außer Acht gelassen habe, in welchem Umfang es dem Kläger im konkreten Fall überhaupt noch möglich sei, außerhalb seines Kraftfahrzeugs Wegstrecken zurückzulegen. Aufgrund der rechtsseitigen Oberschenkelamputation und der starken Narbenbildung sei es dem Kläger nur unter erheblichen Anstrengungen möglich, sich mithilfe einer Beinprothese fortzubewegen. Neben den erheblichen Schmerzen komme eine Gangunsicherheit hinzu, die sich bei schlechten Witterungsverhältnissen wie Regen, Eis und Schnee noch weiter verstärke. Der Kläger sei insofern stark sturzgefährdet, was eine weitere Verschlechterung seines Gehvermögens herbeiführen könne. Der Arbeitgeber des Klägers verfüge über keinen eigenen Betriebsparkplatz. Den in der Nähe des Arbeitsplatzes gelegenen Behindertenparkplatz könne der Kläger nur mit dem entsprechenden Parkausweis benutzen, für den das Merkzeichen aG notwendig sei.

Das Sozialgericht hat Befundberichte eingeholt. Der Orthopäde Dr. C. hat über ein stark hinkendes Gangbild berichtet, die Gehstrecke nehme ab, der Kläger sei auch bei kurzen Wegen auf einen Gehstock angewiesen. Vom Kläger seien wiederholte einschießende Schmerzen und Missempfindungen berichtet worden. Es bestehe ein neuropathischer Schmerz sowie ein Ulcus chronicum der linken Leiste. Der Internist Prof. Dr. V. hat u. a. a. berichtet, dass der Kläger unter einer Hepatitis C infolge einer Transfusion leide und mit Interferon therapiert werde. Gravierende Beschwerden hätten zum Zeitpunkt der letzten Behandlung (April 2012) nicht vorgelegen.

Im Auftrag des Gerichts hat Dr. L. am 23.10.2012 ein Gutachten auf orthopädisch-unfallchirurgischem Fachgebiet erstellt. Darin hat er Folgendes ausgeführt:

Bei der Begutachtung habe der Kläger angegeben, dass mit zunehmendem Alter eine Einschränkung der Gehfähigkeit eingetreten sei. 200 bis 300 m Gehfähigkeit seien gewährleistet. Er habe auf diffuse Narbenprobleme vorrangig im Leistenbereich und ein gelegentliches Pulsieren des rechten Stumpfs hingewiesen. Der Sachverständige hat den Kläger als muskelkräftig-athletischen Mann in ausgezeichneter körperlicher Verfassung (175 cm, 86 kg) beschrieben. Der Gang des Klägers sei bei angelegter Prothese gut fördernd, allenfalls eine Spur rechtshinkend. Am Stumpfende seien mehrere Narben erkennbar (Länge 24 und 28 cm). Ein Geschwürsleiden sei zum Zeitpunkt der Untersuchung auszuschließen. Ein Stumpfneurinom lasse sich nicht tasten, der Stumpf selbst sei ausreichend weichteilgedeckt. Es bestehe ein Zustand nach Oberschenkelamputation rechts mit leichtgradiger instabiler Weichteilsituation im Entfall eines Geschwürsleidens der Haut mit der Notwendigkeit des Tragens einer Oberschenkelprothese und verminderter Geh- und Stehfähigkeit sowie glaubwürdigen subjektiven Beschwerden. Der Kläger könne sich ohne fremde Hilfe und ohne große Anstrengung außerhalb seines Kraftfahrzeuges bewegen.

Mit Urteil vom 08.11.2013 ist die Klage abgewiesen worden. Das Sozialgericht hat sich dabei auf das Gutachten des Dr. L. gestützt.

Am 16.11.2013 hat der Kläger durch seine Bevollmächtigten Berufung eingelegt. Die Berufung ist mit Schreiben vom 21.01.2014 wie folgt begründet worden:

Das Sozialgericht habe die Beurteilung im Wesentlichen am Restgehvermögen von 200 bis 300 m festgemacht, obwohl nach der Rechtsprechung des BSG nicht die Wegstrecke entscheidend sei, sondern die für die Fortbewegung erforderlichen Anstrengungen. Zudem gehe das Sozialgericht davon aus, dass der Kläger nicht dauerhaft außer Stande sei, ein Kunstbein zu tragen. Dabei verkenne das Sozialgericht die Gegebenheiten. Im Umkehrschluss sei der Kläger auch nicht dauerhaft im Stande, das Kunstbein zu tragen. Zudem sei ein Kunstbein kein vollwertiger Ersatz für das verlorene Bein. Das dauerhafte Tragen eines Kunstbeins sei aber ein entscheidendes Kriterium zur Abgrenzung von Personen mit außergewöhnlicher Gehbehinderung. Die Feststellungen des Gutachters Dr. L. seien nur eine Momentaufnahme, gewonnen in einer Phase geringer Hautdefekte. Die Restgehfähigkeit sei je nach Intensität der Bewegungen mit der Prothese sehr unterschiedlich zu bewerten. Die Ablehnung der Berücksichtigung der beruflichen Situation des Klägers sei daher nicht gerechtfertigt. Dass der Kläger mit den geschilderten Verhältnissen sehr zu kämpfen habe, sollte ihm nicht noch zu weiteren Nachteilen gereichen.

Der behandelnde Orthopäde Dr. C. hat auf Nachfrage des Senats am 11.02.2014 über rezidivierende Hautulcera im Bereich des Oberschenkelstumpfs berichtet. Beim Kläger sei eine massive wülstige Vernarbung gegeben, welche keine optimale Prothesenanpassung erlaube. Die Prothese könne daher nur kurzfristig getragen werden. Es komme immer wieder zu offenen Hautläsionen, so dass der Kläger weitestgehend auf die Benutzung zweier Unterarmgehstützen angewiesen sei. Das Gangbild sei dann so wie unter Verwendung zweier Unterarmgehstützen ohne anliegende Prothese bei Oberschenkelamputation. Die prothesenfreie Zeit überwiege deutlich die Zeit mit anliegender Prothese.

Mit Schreiben vom 24.03.2014 haben die Bevollmächtigten des Klägers ergänzend darauf hingewiesen, dass der Kläger neben den typischen Einschränkungen durch den amputationbedingten Muskelverlust an den Symptomen einer chronischen Hepatitis C leide, die sich vornehmlich in einer erheblichen Leistungsinsuffizienz zeigen würden. Dies führe dazu, dass bereits nach wenigen Schritten eine Erschöpfung eintrete. Zudem komme es beim Kläger vermehrt zu Hautdefekten, die das Tragen der Prothese verhindern würden. Zusammenfassend sei festzuhalten, dass schon das Gehen mit der Prothese für den Kläger aufgrund der Vorschädigung mit erheblichen Anstrengungen einhergehe und sich nach wenigen Schritten deutlich verlangsame. Durch die langwierigen Hautdefekte würde zudem das Tragen der Prothese in ständig wiederkehrenden Phasen verhindert, so dass sich der Kläger dann mit Unterarmgehstützen fortbewegen müsse.

In der mündlichen Verhandlung am 20.05.2014 hat der Kläger dem Senat auf dessen Nachfrage mitgeteilt, dass er im Jahr 2014 die Prothese an 31 Tagen nicht nutzen habe können. Unproblematisch möglich gewesen sei die Benutzung der Prothese nur ungefähr 2-3 Wochen; in der restlichen Zeit sei eine Prothesennutzung, wenn sie nicht schon unmöglich gewesen sei, nur mit teilweise erheblichen Beschwerden möglich gewesen.

Der Kläger beantragt, den Beklagten unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts München vom 08.11.2013 und unter Abänderung des Bescheids vom 25.07.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.01.2012 zu verpflichten, beim Kläger die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen aG festzustellen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat die Akten des Beklagten und des Sozialgerichts beigezogen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt dieser Akten und der Berufungsakte Bezug genommen, die allesamt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Gründe

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.

Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Das Sozialgericht hat die Klage zutreffend abgewiesen.

Der Kläger hat bei Berücksichtigung der hohe Anforderungen aufstellenden Rechtsprechung des BSG keinen Anspruch auf Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen aG; die gesundheitlichen Voraussetzungen hierfür sind bis heute nicht nachgewiesen.

1. Rechtliche Vorgaben für das Merkzeichen aG

Anspruchsgrundlage ist § 69 Abs. 4 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) i. V. m. den unten näher dargestellten straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften.

Nach § 69 Abs. 4 SGB IX stellen die zuständigen Behörden neben einer Behinderung auch gesundheitliche Merkmale fest, die Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen für schwerbehinderte Menschen sind.

Nach § 6 Abs. 1 Nr. 14 Straßenverkehrsgesetz ist das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung ermächtigt, Rechtsverordnungen mit Zustimmung des Bundesrats zu erlassen über „die Schaffung von Parkmöglichkeiten für schwerbehinderte Menschen mit außergewöhnlicher Gehbehinderung...“. Davon hat das Bundesministerium mit § 46 Abs. 1 Nr. 11 Straßenverkehrsordnung (StVO) Gebrauch gemacht, ohne die Voraussetzungen der außerordentlichen Gehbehinderung näher zu präzisieren. Wegen der bundesweiten Auswirkungen hat das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung von seiner in § 46 Abs. 2 Satz 3 StVO gegebenen Ermächtigung zum Erlass von bundesweit gültigen Verwaltungsvorschriften mit den Allgemeinen Verwaltungsvorschriften zur Straßenverkehrsordnung (VwV-StVO), zuletzt in der ab dem 01.09.2009 gültigen Fassung vom 17.07.2009, Gebrauch gemacht und dabei in Ziff. 129 f. zu § 46 StVO Folgendes vorgegeben:

„Als schwerbehinderte Menschen mit außergewöhnlicher Gehbehinderung sind solche Personen anzusehen, die sich wegen der Schwere ihres Leidens dauernd nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung außerhalb ihres Kraftfahrzeuges bewegen können.

Hierzu zählen: Querschnittsgelähmte, doppeloberschenkelamputierte, doppelunterschenkelamputierte, hüftexartikulierte und einseitig oberschenkelamputierte Menschen, die dauernd außerstande sind, ein Kunstbein zu tragen, oder nur eine Beckenkorbprothese tragen können oder zugleich unterschenkel- oder armamputiert sind sowie andere schwerbehinderte Menschen, die nach versorgungsärztlicher Feststellung, auch aufgrund von Erkrankungen, dem vorstehend angeführten Personenkreis gleichzustellen sind.“

Diese Vorgaben haben so auch Eingang in die bis 31.12.2008 geltenden Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit (AHP) und in die anschließend zum 01.01.2009 in Kraft getretenen Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (VG), die als Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung vom 10.12.2008 Rechtsnormcharakter haben (vgl. BSG, Urteil vom 23.04.2009, Az.: B 9 SB 3/08 R), - dort Teil D Nr. 3. b) - gefunden. In Teil D Nr. 3. c) der VG ist - wie zuvor weitgehend inhaltsgleich schon in Teil B Nr. 31 der AHP 2008 - folgende klarstellende Ergänzung erfolgt:

„Die Annahme einer außergewöhnlichen Gehbehinderung darf nur auf eine Einschränkung der Gehfähigkeit und nicht auf Bewegungsbehinderungen anderer Art bezogen werden. Bei der Frage der Gleichstellung von behinderten Menschen mit Schäden an den unteren Gliedmaßen ist zu beachten, dass das Gehvermögen auf das Schwerste eingeschränkt sein muss und deshalb als Vergleichsmaßstab am ehesten das Gehvermögen eines Doppeloberschenkelamputierten heranzuziehen ist. Dies gilt auch, wenn Gehbehinderte einen Rollstuhl benutzen: Es genügt nicht, dass ein solcher verordnet wurde; die Betroffenen müssen vielmehr ständig auf den Rollstuhl angewiesen sein, weil sie sich sonst nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung fortbewegen können. Als Erkrankungen der inneren Organe, die eine solche Gleichstellung rechtfertigen, sind beispielsweise Herzschäden mit schweren Dekompensationserscheinungen oder Ruheinsuffizienz sowie Krankheiten der Atmungsorgane mit Einschränkung der Lungenfunktion schweren Grades anzusehen.“

2. Rechtsprechung insbesondere des BSG zum Merkzeichen aG

Dazu, wann von einem auf das Schwerste eingeschränkten Gehvermögen auszugehen ist, hat sich das BSG im Urteil vom 29.03.2007, Az.: B 9a SB 5/05 R, wie folgt geäußert:

„Für die Gleichstellung ist bei dem Restgehvermögen des Betroffenen anzusetzen. Wie der erkennende Senat bereits in seinem Urteil vom 10. Dezember 2002 (Az B 9 SB 7/01 R; BSGE 90, 180 ff = SozR 3-3250 § 69 Nr. 1) ausgeführt hat, lässt sich ein anspruchsausschließendes Restgehvermögen griffig weder quantifizieren noch qualifizieren. Weder der gesteigerte Energieaufwand noch eine in Metern ausgedrückte Wegstrecke taugen grundsätzlich dazu. Denn die maßgeblichen straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften stellen nicht darauf ab, über welche Wegstrecke ein schwerbehinderter Mensch sich außerhalb seines Kraftfahrzeuges zumutbar noch bewegen kann, sondern darauf, unter welchen Bedingungen ihm dies nur noch möglich ist: nämlich nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung. Wer diese Voraussetzung praktisch von den ersten Schritten außerhalb seines Kraftfahrzeuges an erfüllt, qualifiziert sich für den entsprechenden Nachteilsausgleich auch dann, wenn er gezwungenermaßen auf diese Weise längere Wegstrecken zurücklegt. Der gleichzustellende Personenkreis beschränkt sich daher auf Schwerbehinderte, deren Gehfähigkeit in ungewöhnlich hohem Maß eingeschränkt ist und die sich nur unter ebenso großen körperlichen Anstrengungen fortbewegen können wie die in Abschnitt II Nr. 1 Satz 2 Halbsatz 1 zu § 46 Abs. 1 Nr°11 VwV-StVO einzeln aufgeführten Vergleichsgruppen.“

Das BSG geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass für eine weite Auslegung im Rahmen der Prüfung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen kein Raum ist. So hat es beispielsweise im Urteil vom 03.02.1988, Az.: 9/9a RVs 19/86, Folgendes festgehalten:

„Der Nachteilsausgleich soll allein die neben der Personenkraftwagenbenutzung unausweichlich anfallende tatsächliche Wegstrecke soweit wie möglich verkürzen. Dies bedeutet zugleich, dass der Personenkreis eng zu fassen ist. Denn mit der Ausweitung des Personenkreises steigt nicht nur die Anzahl der Benutzer, dem an sich mit einer Vermehrung entsprechender Parkplätze begegnet werden könnte. Mit jeder Vermehrung der Parkflächen wird aber dem gesamten Personenkreis eine durchschnittlich längere Wegstrecke zugemutet, weil ortsnaher Parkraum nicht beliebig geschaffen werden kann. Auch hier ist bei einer an sich vielleicht wünschenswerten Ausweitung des begünstigten Personenkreises zu bedenken, dass dadurch der in erster Linie zu begünstigende Personenkreis wieder benachteiligt würde.“

Der Maßstab zur Gleichstellung muss sich daher strikt an dem der einschlägigen Regelung vorangestellten Obersatz - Schwerbehinderte mit außergewöhnlicher Gehbehinderung - orientieren (vgl. BSG, Urteile vom 03.02.1988, Az.: 9/9a RVs 19/86, vom 13.12.1994, Az.: 9 RVs 3/94, vom 10.12.2002, Az.: B 9 SB 7/01 R, und vom 29.03.2007, Az.: B 9a SB 1/06 R). Das BSG vertritt damit unzweifelhaft die Auffassung, dass eine erweiternde Auslegung der hier maßgeblichen straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften nach dem Zweck des Schwerbehindertenrechts nicht zulässig ist (vgl. BSG vom 03.02.1988, 9/9a RVs 19/86; Urteil des Senats vom 27.05.2010, Az.: L 15 SB 155/07).

Der Senat hat bereits im Urteil vom 28.02.2013, Az.: L 15 SB 113/11, erläutert, dass es ihm nicht völlig abwegig erscheinen würde, die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen aG mit nicht ganz so großer Strenge zu sehen, wie dies das BSG macht, und dies wie folgt begründet:

„Zum einen hält der Senat das für die sehr strenge Auslegung des BSG tragende Argument, dass eine Erweiterung des Personenkreises eine Vermehrung der Parkflächen erfordern würde, was für den berechtigten Personenkreis eine durchschnittlich längere Wegstrecke zur Konsequenz hätte, weil ortsnaher Parkraum nicht beliebig geschaffen werden könne, nicht für zwingend. Denn dass verkehrstechnische, straßenverkehrsrechtliche oder baurechtliche Gründe einer Ausweisung von weiteren Behindertenparkplätzen an den erforderlichen Stellen regelmäßig entgegen stehen würden, ist so nicht erkennbar. Allein aufgrund des demographischen Wandels und der Alterstruktur behinderter Menschen in der Zukunft ist im Übrigen zwingend damit zu rechnen, dass die Zahl der Inhaber des Merkzeichens aG steigen wird und mehr Behindertenparkplätze eingerichtet werden müssen. Zum anderen lässt sich aus den in Ziff. 130 VwV-StVO aufgezählten Regelbeispielen nicht der zwingende Schluss ableiten, dass bei der Bestimmung der gleichgestellten Behinderten im Sinne der Ziff. 130 VwV-StVO ein so strenger Maßstab anzulegen ist, wie ihn das BSG zugrunde legt. Denn auch bei den Regelbeispielen sind durchaus Fälle denkbar, in denen der Behinderte trotz seines Leidens nicht so stark beeinträchtigt wäre, dass er sich praktisch von den ersten Schritten außerhalb seines Kraftfahrzeuges an (vgl. BSG, Urteile vom 29.03.2007, Az.: B 9a SB 5/05 R, und vom 10.12.2002, Az.: B 9 SB 7/01 R) dauernd nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung bewegen kann. Der Senat hat hier den - zugegebenermaßen - extremen Fall des beidseitig unterschenkelamputierten südafrikanischen Sprinters Oscar Pistorius vor Augen, der trotz seiner Behinderung, die ihm das Merkzeichen aG eröffnen würde, sowohl bei den Weltmeisterschaften 2011 als auch bei den olympischen Sommerspielen 2012 gestartet ist.

Derartigen Überlegungen ist das BSG jedoch bereits mit Urteil vom 10.12.2002, Az.: B 9 SB 7/01 R, entgegen getreten, in dem es ausgeführt hat:

„Da der Kläger nicht zu einer der in der VV beispielhaft aufgeführten Gruppen von schwerbehinderten Menschen gehört, kann er nach den Kriterien dieser Norm nur dann als außergewöhnlich gehbehindert angesehen werden, wenn er diesem Personenkreis gleichzustellen ist. Für eine solche Gleichstellung hat der erkennende Senat in ständiger Rechtsprechung den folgenden Maßstab entwickelt: Ein Betroffener ist gleichzustellen, wenn seine Gehfähigkeit in ungewöhnlich hohem Maße eingeschränkt ist und er sich nur unter ebenso großen Anstrengungen wie die in Nr°11 Abschnitt II 1 Satz 2 1. Halbsatz aufgeführten Schwerbehinderten oder nur noch mit fremder Hilfe fortbewegen kann (BSG SozR 3-?3870 § 4 Nr. 23). Im Einzelfall scheint es sich allerdings nur schwer entscheiden zu lassen, wann diese Forderung erfüllt ist. Denn bei den beispielhaft aufgeführten schwerbehinderten Menschen mit Querschnittslähmung oder Gliedmaßenamputationen handelt es sich in Bezug auf ihr Gehvermögen offenbar nicht um einen homogenen Personenkreis. Es erscheint sogar möglich, dass einzelne Vertreter dieser Gruppen aufgrund eines günstigen Zusammentreffens von gutem gesundheitlichen Allgemeinzustand, hoher körperlicher Leistungsfähigkeit und optimaler prothetischer Versorgung ausnahmsweise nahezu das Gehvermögen eines Nichtbehinderten erreichen, was namentlich bei körperlich trainierten Doppelunterschenkelamputierten mit Hilfe moderner Orthopädietechnik der Fall sein mag (so dass diese nicht einmal als erheblich beeinträchtigt in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr anzusehen wären.

Solche Besonderheiten sind nicht geeignet, den Maßstab zu bestimmen, nach dem sich die Gleichstellung anderer schwerbehinderter Menschen mit dem beispielhaft aufgeführten Personenkreis richtet. Denn entweder handelt es sich bei Personen, die zwar nach der Art der Behinderung zu einer der aufgeführten Gruppen zählen, jedoch tatsächlich die Voraussetzungen des Obersatzes (Bewegung außerhalb des Kraftfahrzeuges nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung) nicht erfüllen, um Ausnahmefälle. Dann ist ihre Einbeziehung in den Kreis der Begünstigten unter dem Gesichtspunkt der Typisierung zur Verwaltungsvereinfachung hinzunehmen. Oder es hat sich die Gehfähigkeit einer größeren Zahl von Angehörigen einer bestimmten Gruppe, also auch von typischen Vertretern derselben, - etwa durch Fortentwicklung der Orthopädietechnik - so verbessert, dass sie nach dem allgemeinen Maßstab bzw. im Vergleich mit anderen genannten Personengruppen nicht als außergewöhnlich gehbehindert angesehen werden können. Dann ist ihre (weitere) beispielhafte Nennung in der VV zu Unrecht erfolgt. In diesem Fall könnte die betreffende Gruppe nicht mehr im Rahmen der Gleichstellung anderer behinderter Menschen zu Vergleichszwecken herangezogen werden. Der Maßstab zur Gleichstellung nicht genannter Gehbehinderter muss sich mithin strikt an dem der einschlägigen Regelung vorangestellten Obersatz orientieren. Diese Personen können sich insbesondere nicht auf die Gehfähigkeit prothetisch gut versorgter Doppelunterschenkelamputierter berufen. In diesem Sinne ist auch die Bemerkung des Senats zu verstehen, dass es bei den aufgeführten Behindertengruppen grundsätzlich nicht auf die prothetische Versorgung ankommt (BSG SozR 3-?3870 § 4 Nr. 22 und Urteil vom 27. Februar 2002 - B 9 SB 9/01 R - Juris).“

Für das Merkzeichen aG ist es daher erforderlich, dass sich der Schwerbehinderte wegen der Schwere seines Leidens praktisch von den ersten Schritten außerhalb seines Kraftfahrzeuges an dauernd nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung bewegen kann, wobei dabei ein strenger Maßstab anzulegen ist.

Nicht übersehen werden darf, dass die gesundheitlichen Einschränkungen, die das Merkzeichen aG begründen, dauerhaft vorliegen. Dies ergibt sich aus den oben zitierten VwV-StVO. Auch das BSG weist darauf regelmäßig hin, so z. B. im Urteil vom 29.01.1992, Az.: 9a RVs 4/90, wenn es dort Folgendes formuliert hat:

„Eine gleichstarke Beeinträchtigung der Gehfähigkeit besteht bei der Klägerin nicht dauernd. Zwischen den Anfällen, die gelegentlich auftreten, kann sie trotz geringer Gehbehinderung Fußwege ohne außergewöhnliche Anstrengung bewältigen. Das steht nach den Feststellungen des LSG verbindlich fest (§ 163 Sozialgerichtsgesetz ). Während der Anfälle und einige Zeit danach kann sie zwar überhaupt nicht gehen oder nur derart erschwert wie die ausdrücklich genannten Beinbehinderten. Das genügt aber nicht für die Voraussetzung von „aG“. Es fehlt am erforderlichen Dauerzustand. Wenn auch bis zu zwanzig Anfälle an einem bestimmten Tag auftreten können, so besteht dieser Krankheitszustand doch nicht ständig. Das ist zwischen den Beteiligten nicht streitig, mag auch das LSG nicht ausdrücklich aus der Bekundung des Sachverständigen übernommen haben, dass die Anfälle zeitweilig in Wochen- und Monatsabständen auftreten. Falls in Zukunft, was in der mündlichen Verhandlung - für diesen Rechtsstreit unbeachtlich - vorgetragen worden ist, die Klägerin wegen gleichbleibender Häufigkeit der Anfälle ständig auf einen Rollstuhl angewiesen sein sollte, käme eine Gleichstellung in Betracht. Wegen der bisherigen Möglichkeit von Anfällen ist die Klägerin nicht Querschnittsgelähmten gleichzustellen, die ebenfalls nicht laufen können, sondern mit einem Rollstuhl fahren müssen. Dieser Zustand besteht bei ihnen dauernd.“

Auch der Senat hat sich mit der Frage der Dauerhaftigkeit der Einschränkung bereits in der Vergangenheit, nämlich im Urteil vom 28.02.2013, Az.: L 15 SB 113/11, befasst und dort Folgendes ausgeführt:

„Es gibt unzweifelhaft - auch bei Zugrundelegung des strengen Maßstabs des BSG - Phasen, in denen der Kläger aufgrund unmittelbar zuvor durchgemachter nächtlicher epileptischer Anfälle oder aktueller Hüftbeschwerden, ggf. auch wegen Kombination beider Leiden, so in seinem Gesundheitszustand geschwächt ist, dass er sich an einzelnen Tagen nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung ab den ersten Schritten außerhalb eines Kraftfahrzeuges bewegen kann. Jedoch sind diese Phasen nicht von Dauer. Sogar nach den Angaben der Mutter, die dem Kläger, wie sich z. B. dem Bericht der Mutter-Kind-Kur vom Sommer 2009 entnehmen lässt, weniger zuzutrauen scheint, als ihm tatsächlich möglich ist, und daher die tatsächlich vorliegenden Einschränkungen eher über- als unterbewerten dürfte, kann nicht von einer dauerhaften so massiven Einschränkung der Gehfähigkeit ausgegangen werden, wie sie für das Merkzeichen aG erforderlich wäre. So ist den Angaben der Mutter zu entnehmen, dass der Kläger ihrer Einschätzung nach maximal zwei Wochen im Monat auf einen Rollstuhl angewiesen ist. Von einer Dauerhaftigkeit kann dabei noch nicht die Rede sein. Auch wenn sich das BSG noch nicht explizit dazu geäußert hat, wann von einer dauernden Einschränkung gesprochen werden kann, kann dies jedenfalls bei einer zeitlich hälftigen Einschränkung mit Sicherheit noch nicht der Fall sein.“

3. Beurteilung im vorliegenden Fall

Bei Beachtung der oben aufgezeigten rechtlichen Vorgaben und der vom BSG aufgestellten Maßstäbe sowie bei Berücksichtigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme kommt der Senat zu dem Ergebnis, dass in der Person des Klägers die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen aG bis heute nicht nachgewiesen sind.

3.1. Zugrunde zu legender Gesundheitszustand des Klägers

Bei dem zugrunde zu legenden Gesundheitszustand des Klägers stützt sich der Senat zum einen auf das überzeugend, eingehend und nachvollziehbar begründete Gutachten des erfahrenen orthopädischen Sachverständigen Dr. L. im sozialgerichtlichen Verfahren, der die beim Kläger vorliegenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen vollständig erfasst und ihre Auswirkungen auf die Gehfähigkeit des Klägers zutreffend gewürdigt hat. Er hat alle Gesichtspunkte sehr ausführlich bedacht und abgewogen. Der Senat macht sich diese sachverständigen Feststellungen zu eigen.

Zum anderen legt der Senat seiner Beurteilung die Angaben des Klägers zugrunde, die dieser in der mündlichen Verhandlung vom 20.05.2014 gemacht hat. Er hält diese Angaben für glaubhaft. Der Kläger hat bei seinen Angaben für den Senat zweifelsfrei den Eindruck gemacht, seine Beschwerden wahrheitsgemäß darzustellen. Eine Tendenz zur Übertreibung ist für den Senat ausgeschlossen. Vielmehr hat der Senat den Eindruck gewonnen, dass der Kläger Wert nicht nur darauf legt, dass er körperlich fit bleibt, soweit ihm dies mit seiner Behinderung möglich ist, sondern insbesondere auch darauf, dass er von seiner Umwelt nicht als so stark behindert wahrgenommen wird, wie dies die Höhe des GdB vermitteln könnte. Dabei verkennt der Senat nicht, dass der Kläger mit der Darstellung eines möglichst schlechten Gesundheitszustands gegenüber dem Senat die Möglichkeit sehen könnte, sich die angestrebten Vorteile des Merkzeichens aG zu verschaffen. Der Senat schließt es wegen des in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Eindrucks vom Kläger aus, dass dieser in dieser Weise vorgehen würde. Die aktuellen Angaben des Klägers werden bestätigt durch die Angaben des behandelnden Orthopäden Dr. C. vom Februar 2014. Sie stellen auch keinen Widerspruch dar zu den Angaben des Klägers bei der Untersuchung durch Dr. L. und dessen Feststellungen. Auch Dr. L. ist von einem wechselnden Beschwerdebild am Oberschenkelstumpf ausgegangen. Dass der bei Dr. L. festgestellte Befund vergleichweise positiv war, jetzt aber von einem schlechteren Durchschnittszustand auszugehen ist, ist mit dem wechselnden Beschwerdebild und zudem damit zu erklären, dass sich nach den Angaben des Klägers, wie sie dieser glaubhaft in der mündlichen Verhandlung gemacht hat, der Gesundheitszustand im Amputationsbereich seit einigen Monaten verschlechtert hat. Auch der behandelnde Orthopäde hat im Übrigen eine derartige Verschlechterungstendenz beschrieben.

Der Senat hat daher die Überzeugung gewonnen, dass es dem Kläger aufgrund diverser Stumpfbeschwerden, die auch objektiv belegt sind, seit Jahresbeginn 2014 nur an rund 15 Tagen möglich war, die Prothese einigermaßen beschwerdefrei zu benutzen. Wenn der Kläger angegeben hat, dass er die Prothese noch an weiteren Tagen - bis auf 31 Tage - genutzt habe, dabei aber erhebliche Beschwerden gehabt habe, ist dies nach der Überzeugung des Senats allein dem Umstand geschuldet, dass der Kläger erfolgreich im Berufsleben steht und damit faktischen Zwängen unterliegt sowie in seinem Verhalten eine nicht unbedeutende Härte gegen sich selbst an den Tag legt. Dies bedeutet, dass die Benutzung der Prothese an den Tagen mit nicht unerheblichen Stumpfbeschwerden objektiv betrachtet nicht zumutbar war und damit nicht zulasten des Klägers berücksichtigt werden darf, wenn es um die Frage der Prothesenbenutzbarkeit bei der Prüfung der gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens aG geht. Bei dieser Bewertung der Tatsachen befindet sich der Senat in Einklang mit der Rechtsprechung des BSG. So hat dieses im Urteil vom 17.12.1997, Az.: 9 RVs 16/96, die Regelfallgruppe der Doppelunterschenkelamputierten, die bei guter prothetischer Versorgung vergleichsweise wenig in der Gehfähigkeit eingeschränkt sind, damit gerechtfertigt, dass „eine große Zahl dieser Personengruppe häufig unter Stumpfbeschwerden leidet und dann in der Fortbewegungsfähigkeit aufs Schwerste behindert ist.“ Für das BSG war also der Gesichtspunkt der Stumpfbeschwerden, die der Benutzung einer Prothese entgegen stehen oder sie erheblich erschweren, ein durchaus gewichtiger Gesichtspunkt.

Der Senat kommt daher nach Abwägung aller Gesichtspunkte zu dem Ergebnis, dass dem Kläger aufgrund einer zwischenzeitlich seit der Begutachtung eingetretenen Verschlechterung die Benutzung der Prothese lediglich an knapp über 10 v. H. der Tage möglich ist. Dabei geht der Senat von einem Dauerzustand im Sinn des § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX aus, da nichts darauf hindeutet, dass der bisher im Jahr 2014 vorliegende Zustand ein vorübergehender wäre und eine Hoffnung auf Besserung besteht (vgl. BSG, Urteil vom 12.04.2000, Az.: B 9 SB 3/99 R).

3.2. Einschränkung der Gehfähigkeit

Eine so weit gehende Einschränkung der Gehfähigkeit, wie sie für die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen aG erforderlich wäre, liegt nicht vor.

3.2.1. Einschränkung der Gehfähigkeit bei Benutzbarkeit der Prothese

In den Zeiten, in denen der Kläger die Prothese (zumutbar) benutzen kann, sind die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen aG deutlich nicht erfüllt.

In diesen Zeiten ist weder ein Regelbeispiel erfüllt, da der Kläger als einseitig Oberschenkelamputierter das Kunstbein tragen kann, noch ein Fall der Gleichstellung gegeben, da die Gehbehinderung deutlich geringer ist als bei den Regelbeispielen.

Der Gang des Klägers war bei der Untersuchung durch Dr. L. bei angelegter Prothese fördernd ohne wesentliches Prothesenhinken. Diese gute Gehfähigkeit ist durch die Funktionsweise der vom Kläger verwendeten Prothese zu erklären, die über eine mikroprozessor-regulierte Hydraulik gesteuert wird. Dieses System ermöglicht es dem Prothesenträger, sich unbeschwert zu bewegen, ohne ständig an die Prothese denken zu müssen. Das System stellt sich automatisch auf die vorliegenden Umstände ein.

Zwar hat der Kläger am Stumpfende mehrere Narben; ein Geschwürsleiden war aber zum Zeitpunkt der Untersuchung durch Dr. L. auszuschließen, ebenso konnte der Gutachter ein Stumpfneurinom nicht tasten, der Stumpf selbst war ausreichend weichteilgedeckt. In einem solchen Zustand mag die Benutzung der Prothese zwar nicht völlig beschwerdefrei sein. Die Einschätzung des Sachverständigen, der Kläger könne sich ohne fremde Hilfe und ohne große Anstrengung außerhalb seines Kraftfahrzeuges bewegen, ist aber für den Senat in derartigen Phasen weitgehender Beschwerdearmut überzeugend. Die für die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen aG erforderlichen massiven gesundheitlichen Einschränkungen sind bei Zugrundelegung dieses vergleichweise guten Gesundheitszustands nicht nachgewiesen.

Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Kläger (infolge der Behandlungen der Beinverletzung) an Hepatitis erkrankt ist. Zwar ist die Hepatitiserkrankung nachweislich gegeben, nicht aber eine daraus resultierende wesentliche Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit des Klägers. Dabei stützt sich der Senat zum einen auf die Ausführungen des Sachverständigen Dr. L ... Dieser hat den Kläger als muskelkräftig-athletischen Mann in ausgezeichneter körperlicher Verfassung beschrieben und nicht feststellen können, dass aufgrund einer anderen Erkrankung als der Amputation der Gesundheitszustand des Klägers relevant reduziert wäre. Auch der Kläger selbst hat bei der Begutachtung nichts zu einer hepatitisbedingten Leistungseinschränkung vorgetragen. Zum anderen haben sowohl der behandelnde Internist, der über „keinerlei gravierende Beschwerden“ berichtet hat, als auch der behandelnde Orthopäde, dieser zuletzt am 11.02.2014, nichts zu leistungslimitierenden Erkrankungen mit Ausnahme der Amputation angegeben.

Die Bevollmächtigten des Klägers können auch nicht mit der Behauptung, dass es eine medizinisch belegte Tatsache sei, dass ein Prothesenträger die doppelte Menge an Energie aufwenden müsse, um sich fortbewegen zu können als ein Nichtamputierter, einen Anspruch auf Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen aG begründen. Auch wenn diese Behauptung zum Energieaufwand zutreffen würde, könnten daraus nicht die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen aG abgeleitet werden. Denn dies würde in der Konsequenz bedeuten, dass jeder Prothesenträger einen Anspruch auf die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen aG hätte. Diese Konsequenz stünde aber in einem eklatanten Widerspruch zu den Vorgaben in den VwV-StVO und VG, die gerade die Unmöglichkeit der Prothesenbenutzung als Bedingung für das Merkzeichen aG vorgeben.

An dieser Einschätzung ändert auch die vom Kläger in der mündlichen Verhandlung am 20.05.2014 vorgetragene Tatsache nichts, dass ihm im Rahmen der Amputation ein Teil der Oberschenkelmuskulatur entfernt worden sei. Nach den Angaben des Klägers ist dadurch die Fähigkeit, ein nach außen wegrutschendes Bein abzufangen und wieder heranzuziehen, gegenüber dem Regelfall eines Oberschenkelamputierten reduziert. Dies mag bei glatten Verhältnissen möglicherweise einen Nachteil bedeuten. Auf die Bewertung des durchschnittlichen Gehvermögens des Klägers hat dies aber keinen Einfluss. Im Übrigen hat auch der Sachverständige Dr. L. - anders als dies der Kläger in der mündlichen Verhandlung vermutet hat - den Gesichtspunkt der Muskelentfernung bei der sehr sorgfältigen und umfassenden Beurteilung der Gehfähigkeit des Klägers in seine Erwägungen einbezogen (vgl. die Ausführungen zu den Beschwerdeangaben auf S. 3 Mitte des Gutachtens vom 23.10.2012).

3.2.2. Einschränkung der Gehfähigkeit bei Unbenutzbarkeit der Prothese wegen Stumpfbeschwerden

In den Zeiten der Unbenutzbarkeit der Prothese wegen Stumpfbeschwerden liegt ein Zustand vor, der als Regelbeispiel („einseitig oberschenkelamputierte Menschen, die dauernd außerstande sind, ein Kunstbein zu tragen“) der VwV-StVO und der VG (dort Teil D Nr. 3 a) die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen aG begründen würde.

3.2.3. Dauerzustand

In der Person des Klägers fehlt es an dem für die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen aG erforderlichen Dauerzustand, da er noch an knapp über 10 v. H. der Tage eine Prothese benutzen kann.

Sowohl die VwV-StVO („dauernd“) als auch die VG („ständig“) verlangen für die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen aG, dass es sich bei dem Zustand, der die Zuerkennung des Merkzeichens rechtfertigt, hier der Unbenutzbarkeit einer Prothesenbenutzung bei einseitiger Oberschenkelamputation, um einen Dauerzustand handelt.

Was unter einem Dauerzustand zu verstehen ist, haben weder der Verordnungsgeber in den VG noch das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung in den VwV-StVO näher erläutert oder präzisiert. Auch das BSG hat die Begriffe „dauernd“ und „ständig“ bislang noch nicht explizit weitergehend erläutert. Lediglich dem Urteil vom 17.12.1997, Az.: 9 RVs 16/96, kann der Hinweis darauf entnommen werden, dass das BSG von einem Dauerzustand auszugehen scheint, wenn eine Prothese nie benutzt werden kann. Denn das BSG hat ausdrücklich die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen aG bei einseitig Oberschenkelamputierten nur dann als gegeben erachtet, „wenn sie nicht prothetisch versorgt werden können.“

Daraus und aus der Tatsache, dass die Rechtsprechung des BSG im Bereich des Merkzeichens aG durchweg - auch vor dem Hintergrund nur beschränkt zur Verfügung stehender Behindertenparkplätze - sehr streng ist, und den Hinweisen im oben (vgl. Ziff. 2) zitierten Urteil des BSG vom 29.01.1992, Az.: 9a RVs 4/90, das nach wie vor seine Gültigkeit hat und vom dem das BSG bis heute nicht abgewichen ist, kann der Senat nur den Schluss ziehen, dass es sich bei der Prothesenunbenutzbarkeit um einen Dauerzustand im allgemeinen Sprachgebrauch handeln muss. So gibt der Duden als Synonym für beide Wörter u. a. dauerhaft, ununterbrochen, ohne Unterbrechung und pausenlos an. Dies bedeutet, dass von einem Dauerzustand erst dann ausgegangen werden kann, wenn tatsächlich die gesamte Zeit eine Unbenutzbarkeit der Prothese - und dies ohne Pause - gegeben ist.

Der Senat hat Bedenken, dass sich die aufgezeigte äußerst strenge Auslegungsweise in allen Fällen aufrecht erhalten lässt. Er hat dabei beispielsweise den - zugegebenermaßen konstruierten - Extremfall vor Augen, dass der einseitig Oberschenkelamputierte in sechs Monaten nur an einem einzigen Tag seine Prothese benutzen kann. In einem derartigen Fall die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen aG zu verweigern, erscheint dem Senat unter dem verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz des Art 3 Abs. 1 Grundgesetz fragwürdig. Der Senat hält es daher für vertretbar, aber auch geboten, auch dann noch von einem Dauerzustand auszugehen, wenn die Phasen der Prothesenbenutzbarkeit so selten oder zeitlich so kurz ausgeprägt sind, dass diese so weit in den Hintergrund treten, dass bei objektiver Betrachtung von einem nennenswerten Zeitanteil einer Prothesenbenutzbarkeit nicht mehr ausgegangen werden kann.

Bei einem Zeitanteil von knapp über 10 v. H., von dem beim Kläger auszugehen ist, kann nach der Auffassung des Senats nicht mehr von einem nicht nennenswerten Zeitanteil ausgegangen werde, so dass in der Person des Klägers die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen aG nicht festzustellen sind.

3.2.4. Keine Gleichstellung

Eine Gleichstellung kommt nicht in Betracht.

Das Problem der fehlenden Dauerhaftigkeit der Prothesenunbenutzbarkeit, das hier nach der Auffassung des Senats der Annahme eines Regelbeispiels entgegen steht, kann nicht zugunsten des Klägers dadurch umgangen werden, dass von einem Fall der Gleichstellung ausgegangen würde. Denn auch in den Fällen der Gleichstellung muss die Einschränkung der Gehfähigkeit, die die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen aG erlaubt, dauerhaft sein. Mit der Gleichstellung soll lediglich ermöglicht werden, funktionellen Einschränkungen bei der Gehfähigkeit Rechnung zu tragen, die nicht bereits von den Regelbeispielen erfasst sind, aber in vergleichbarer Weise wie bei diesen die Fortbewegung einschränken. Dies bedeutet, dass über die Gleichstellung nicht eine zeitliche Reduzierung der Dauerhaftigkeit der Einschränkung der Fortbewegungsfähigkeit erreicht werden kann.

3.3. Beruflich bedingtes Bedürfnis auf Merkzeichen aG

Berufliche Aspekte sind bei der Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen aG ohne Bedeutung.

Sofern der Kläger vorträgt, auf das Merkzeichen aG besonders angewiesen zu sein, um seiner beruflichen Tätigkeit unter zumutbaren Bedingungen nachgehen zu können, ist dies ein rechtlich unbeachtlicher Gesichtspunkt. Beim Merkzeichen aG kommt es - wie bei den anderen Merkzeichen auch (vgl. zum Merkzeichen RF: Urteil des BSG vom 03.06.1987, Az.: 9a RVs 27/85) - ausschließlich auf die gesundheitlichen Voraussetzungen in der Person des Behinderten an, nicht aber auf seine konkreten Berufs- oder Wohnumstände. Denn mit Merkzeichen sollen allein behinderungsbedingte Nachteile, nicht aber sich erst in einem Zusammenwirken mit anderen besonderen Umständen ergebende Nachteile ausgeglichen werden. Auch wenn es der Senat aufgrund der Angaben des Klägers zu der Parkplatzsituation an der Arbeitsstelle durchaus nachvollziehen kann, dass ihm das Merkzeichen aG eine nicht unerhebliche Erleichterung verschaffen würde, kann dies kein rechtlich relevanter Gesichtspunkt sein.

3.4. Kein „prophylaktisches“ oder „präventives“ Merkzeichen aG wegen Sturzgefahr

Aus prophylaktischen oder präventiven Gründen können die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen aG nicht festgestellt werden.

Der Kläger argumentiert, für einen Anspruch auf die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen aG spreche die Sturzgefahr. Diese Argumentation kann in zwei Richtungen gedeutet werden: Zum einen könnte damit gemeint sein, dass die Sturzgefahr so hoch sei, dass er sich vernünftigerweise nur noch im Rollstuhl fortbewegen könne. Zum anderen könnte die Argumentation auch darin bestehen, dass der Kläger damit auf die aus der Sturzgefahr resultierende Gefahr der Verschlechterung des Gesundheitszustands - im schlimmsten Fall soweit, dass dann die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen aG erfüllt sind - und darauf, dass es ihm nicht zugemutet werden könne, solange zu warten, hinweisen möchte. Beides kann aber dem Kläger bei der Prüfung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen aG nicht zum Erfolg verhelfen.

3.4.1. Kein Merkzeichen aG zur Vermeidung eines zukünftigen Eintritts der gesundheitlichen Voraussetzungen wegen potentieller Stürze

Die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen aG können nie damit begründet werden, dass durch eine Vorabfeststellung dieser Voraussetzungen verhindert werden könnte, dass sich die ansonsten nicht fernliegende Gefahr einer Verschlechterung des Gesundheitszustands dahingehend, dass dann die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen aG erfüllt wären, realisieren wird.

Prophylaktische oder präventive Gründe sind nach der Auffassung des Senats bei der Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens aG grundsätzlich keine rechtlich maßgeblichen Gesichtspunkte.

Im Urteil vom 11.03.1998, Az.: B 9 SB 1/97 R, hat sich das BSG mit der Frage auseinander gesetzt, inwieweit ein erst bevorstehendes Krankheitsstadium die Zuerkennung des Merkzeichens aG rechtfertigen kann. Es hat dabei ausgeführt:

„ ... Das Schwerbehindertenrecht soll den Behinderten Hilfen bei der Integration in ein normales Leben bieten und behinderungsbedingte Defizite dort, wo es möglich ist, ausgleichen. Dieser Sinn und Zweck der Regelungen legt es nahe, einen Nachteilsausgleich ausnahmsweise schon dann zuzuerkennen, wenn der Nachteil, der ausgeglichen werden soll, bereits unmittelbar droht und sein Eintritt nur durch ein entsprechendes Verhalten des Schwerbehinderten (hier: Verzicht auf jedes überflüssige Gehen) zeitlich hinausgezögert werden kann. Für die Zuerkennung des Merkzeichens „aG“ bedeutet dies: Der Schwerbehinderte hat bereits dann Anspruch auf das Merkzeichen, wenn die dadurch gebotenen Erleichterungen im Straßenverkehr (z. B. zusätzliche Parkmöglichkeiten, Ausnahmen von Halteverboten) prophylaktisch ins Gewicht fallen. Dies ist allerdings nicht anzunehmen, solange der Behinderte noch entsprechende Wegstrecken im häuslichen Bereich oder bei sonstiger Gelegenheit zurückzulegen pflegt und - trotz Vorliegen eines progredienten Leidens - unter medizinischen Gesichtspunkten auch zurücklegen darf oder gar soll. Muß dagegen der Behinderte zur Vermeidung einer weiteren sonst alsbald eintretenden erheblichen Verschlimmerung das Gehen in allen Lebensbereichen so weit wie irgend möglich einschränken, so ist auch die Einsparung der- ohne die in Abschnitt I angesprochenen Parkerleichterungen zusätzlich anfallenden - Wegstrecken als notwendig anzusehen, d. h. dem Schwerbehinderten können auch diese Wegstrecken nicht mehr zugemutet werden. In diesem Fall ist er denjenigen gleichzustellen, bei denen wegen des bereits eingetretenen Gesundheitsschadens das Gehen funktionell nicht mehr möglich oder aufs Schwerste beeinträchtigt ist. Von einer so schwerwiegenden Verschlimmerungsgefahr wird man allerdings erst ausgehen können, wenn medizinisch feststeht, dass der Schwerbehinderte zur Vermeidung überflüssiger Gehstrecken in der Regel einen Rollstuhl benutzen soll, um einer alsbaldigen Verschlechterung seines Gesundheitszustandes vorzubeugen.“

Der Senat hält diese Entscheidung für nicht systemkonform mit dem Schwerbehindertenrecht und wegen fehlender Verallgemeinerungsfähigkeit für bedeutungslos für weitere Verfahren. Dies hat der Senat - damals im Zusammenhang mit dem Merkzeichen RF - bereits im Urteil vom 19.12.2012, Az.: L 15 SB 26/10, und später zum Merkzeichen aG im Urteil vom 28.02.2013, Az.: L 15 SB 113/11 wie folgt zum Ausdruck gebracht.

„Auch für das Merkzeichen aG lässt sich nicht überzeugend begründen, warum potentielle Entwicklungen in der Zukunft für die gesundheitlichen Voraussetzungen eines Merkzeichens relevant sein könnten. Genauso wie der GdB stellen auch die Merkzeichen das Abbild einer bereits dauerhaft vorliegenden Gesundheitsstörung dar und können keinen Vorgriff auf eine zukünftige Entwicklung nehmen.

Dass möglicherweise bevorstehende oder als Folgewirkung aus einer bestehenden Behinderung zu erwartende gesundheitliche Beeinträchtigungen bei GdB und Merkzeichen keine Berücksichtigung finden können, ergibt sich nach der Überzeugung des Senats zudem zwingend aus der Legaldefinition der Behinderung in § 2 Abs. 1 SGB IX, die wie folgt formuliert ist:

„Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Sie sind von Behinderung bedroht, wenn die Beeinträchtigung zu erwarten ist.“

Der Gesetzgeber unterscheidet präzise zwischen - bereits vorliegender - Behinderung und Bedrohung von Behinderung, bei der die Behinderung erst in der Zukunft vorliegen wird. Nur Erstere ist nach den straßenverkehrsrechtlichen Vorgaben von Bedeutung. Denn § 6 Abs. 1 Nr. 14 StVG ermöglicht nur „die Schaffung von Parkmöglichkeiten für schwerbehinderte Menschen mit außergewöhnlicher Gehbehinderung...“, nicht aber bereits die Schaffung von Parkmöglichkeiten für Menschen, die von einer entsprechenden Behinderung bedroht sind. Eine erweiternde Auslegung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen aG, wie sie das BSG im Urteil vom 11.03.1998, Az.: B 9 SB 1/97 R, vorgenommen hat, lässt sich daher schwerlich in Einklang mit dem Wortlaut des Gesetzes bringen. Raum für eine erweiternde Auslegung besteht insofern nicht.

Auch die VG liefern den klaren Hinweis, dass zukünftige - zu erwartende bzw. zu befürchtende - Gesundheitsstörungen nicht berücksichtigt werden können. So hat der Verordnungsgeber in den VG Teil A Nr. 2 Buchst. h) ausdrücklich zum Grad der Schädigung (GdS) bzw. GdB, die nach den gleichen Grundsätzen zu bemessen sind (vgl. VG Teil A Nr. 2 Buchst. a)), festgehalten:

„Gesundheitsstörungen, die erst in der Zukunft zu erwarten sind, sind beim GdS nicht zu berücksichtigen.“

Irgendeinen Grund, bei der Prüfung der gesundheitlichen Voraussetzungen von Merkzeichen anders vorzugehen als bei der Prüfung des GdB, gibt es nicht.

Diese Einschätzung des Senats - nämlich die Unbeachtlichkeit der Sturzgefahr und der daraus resultierenden Gefahr des Eintritts der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen aG - entspricht im Übrigen auch - mit der einzigen Ausnahme des oben genannten Urteils vom 11.03.1998 - durchweg der Rechtsprechung des BSG. So hat das BSG in den bereits oben zitierten Urteilen vom 13.12.1994 und 29.01.1992 der Sturz- und dadurch bedingten Verschlimmerungsgefahr nicht die geringste rechtliche Bedeutung zu Teil werden lassen, obwohl sich dies - noch viel mehr als im hier zu entscheidenden Fall - aufgedrängt hätte. So stand in beiden Fällen ein Anfallsleiden im Raum, bei dem jederzeit - also auch tagsüber - und dies völlig überraschend ohne Vorankündigung mit Anfällen samt der damit einhergehenden Gefahr einer dadurch bedingten weiteren Verschlechterung des Gesundheitszustands bis hin zu einem Zustand, wie der dem Merkzeichen aG entspricht, zu rechnen war. Das BSG hat dies gesehen und im Urteil vom 29.01.1992, Az.: 9a RVs 4/90, Folgendes dazu ausgeführt:

„Die dauernde Gefahr des Eintretens einer außergewöhnlichen Gehunfähigkeit ist nicht einem Fortbestehen derselben gleichzuachten, wenn der Zweck der Parkvergünstigung berücksichtigt wird. Gefährdungen dieser Art bestehen bei zahllosen Behinderten mit hirnorganischen Anfallsleiden sowie bei unzähligen Personen mit anderen Erkrankungen, die gelegentlich zu einem anfallsartigen Zusammenbruch führen. Diese Personen können die notwendigen Wegstrecken zwischen dem vorschriftsmäßig abgestellten Kraftfahrzeug und ihrem jeweiligen Ziel zurücklegen, wenn auch manche unter Umständen mit gewissen Mühen. Wenn die Parkvergünstigung auf sie ausgedehnt würde, widerspräche das dem dargelegten Zweck der Ausnahmegenehmigung.“

Und weiter:

„Wegen der Gefahr jener Notfälle mag die Klägerin auf ständige Begleitung angewiesen sein. Dieser Bedarfslage hat der Beklagte durch die Feststellung der Voraussetzungen für das Merkzeichen „B“ sachgemäß entsprochen (§ 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Ausweisverordnung).“

Ähnlich hat sich das BSG auch im Urteil vom 13.12.1994, Az.: 9 RVs 3/94, geäußert und erläutert, dass Sinn und Zweck des Merkzeichens aG nicht ist, der Begleitperson, deren Erforderlichkeit bereits durch die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens B Rechnung getragen ist, eine weitere Erleichterung zu verschaffen:

„Wohl kann er nicht selbstständig gehen, ohne sich und andere Verkehrsteilnehmer an Leib und Leben zu gefährden. Die gewünschte Parkerleichterung wäre ihm aber keine Hilfe, sein Ziel ungefährdet zu erreichen. Auch auf dem verkürzten Weg müßte er überwacht und geleitet werden. Die durch den Nachteilsausgleich „aG“ vermittelten Parkvergünstigungen würden allerdings der Begleitperson ihre Aufgabe erleichtern, weil sie den Kläger nur auf einem verkürzten Weg zu überwachen und zu leiten hätte. Das ist aber nicht Sinn dieses Nachteilsausgleichs.“

Sofern das BSG in der vorgenannten Entscheidung den Gesichtspunkt der Fremd- bzw. Selbstgefährdung bei der Prüfung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen aG in dem Ausnahmefall für entscheidungserheblich erachtet, wenn eine verantwortungsbewusste Begleitperson den Behinderten wegen der Selbstgefährdung und der Gefährdung anderer nicht mehr führen, sondern regelmäßig nur noch im Rollstuhl bewegen würde, so ist in der Person des Klägers ein solcher Zustand nicht gegeben. Dies ergibt sich auch aus den Angaben der Mutter. So hat diese - wie dargestellt - nur berichtet, den Kläger zeitweise im Rollstuhl fortzubewegen. Von einem regelmäßig oder gar dauerhaft erforderlichen Fortbewegen im Rollstuhl kann hingegen nach ihren eigenen Angaben nicht ausgegangen werden.

Im Übrigen ist die Entscheidung des BSG vom 11.03.1998 auch insofern kaum nachvollziehbar, als das BSG in weiteren Entscheidungen zum Merkzeichen aG, wie bereits oben (siehe Ziff. 2) ausgeführt, durchweg eine enge Auslegung im Rahmen der Prüfung der Voraussetzungen für das Merkzeichen aG verlangt und keinerlei Ansätze gezeigt hat, den im Urteil vom 11.03.1998 enthaltenen Systembruch als Anlass für eine grundsätzliche Kehrtwende zu seiner ständigen Rechtsprechung zum Merkzeichen aG zu nehmen. So hat das BSG beispielsweise später nicht nur im Urteil vom 10.12.2002, Az.: B 9 SB 7/01 R, sondern auch in den Urteilen vom 29.03.2007, Az.: B 9a SB 5/05 R und B 9a SB 1/06 R, das Erfordernis einer engen Auslegung betont und dabei - sogar wiederholt - Folgendes ausgeführt:

„Dabei ist zu berücksichtigen, dass Parkraum für diejenigen Schwerbehinderten geschaffen werden sollte, denen es unzumutbar ist, längere Wege zu Fuß zurückzulegen (vgl. BT-Drucks 8/3150, S 9 f in der Begründung zu § 6 StVG). Wegen der begrenzten städtebaulichen Möglichkeiten, Raum für Parkerleichterungen zu schaffen, sind hohe Anforderungen zu stellen, um den Kreis der Begünstigten klein zu halten (BSGE 82, 37, 39 = SozR 3-3870 § 4 Nr. 23).

Dies lässt erahnen, dass das BSG ein Institut eines prophylaktischen oder präventiven Merkzeichens aG, an das infolge der Entscheidung vom 11.03.1998 gedacht werden könnte, entweder überhaupt nicht installieren wollte oder jedenfalls nicht weiter verfolgen will.“

Abschließend und der Vollständigkeit halber weist der Senat darauf hin, dass auch dann, wenn dem Urteil des BSG vom 11.03.1998, Az.: B 9 SB 1/97 R, gefolgt würde, die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen aG in der Person des Klägers nicht festzustellen wären. Denn die vom Kläger angegebene Stutzgefahr ist offenbar mehr theoretischer Art. Weder die behandelnden Ärzte in ihren Berichten noch der Kläger selbst bei der Begutachtung haben eine derartige erhöhte Gefahr oder etwaige Stürze oder Sturzfolgen in der Vergangenheit beschrieben.

3.4.2. Kein Merkzeichen aG wegen einer so hohen Sturzgefahr, dass von einer Rollstuhlpflichtigkeit auszugehen wäre

Es ist im Fall des Klägers nicht nachgewiesen, dass die Sturzgefahr so hoch wäre, dass sich ein Behinderter in seiner Situation vernünftigerweise nur noch im Rollstuhl fortbewegen würde.

Eine Sturzgefahr könnte die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen aG allenfalls dann begründen, wenn diese Gefahr insbesondere aufgrund der Sturzhäufigkeit so ausgeprägt wäre, dass aus der objektiven und medizinisch begründeten Sicht eines vernünftigen Behinderten, der sich in der gleichen Situation wie der Kläger befindet, der Kläger dauerhaft auf einen Rollstuhl angewiesen wäre. Dies ist hier nicht der Fall.

Der Senat ist sich bewusst, dass auch hier präventive/prophylaktische Erwägungen eine gewisse Rolle spielen. Anders als bei den unter Ziff. 3.4.1. angenommenen Konstellationen steht hier aber nicht die Vermeidung eines Zustands, wie er den gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen aG entspricht, im Vordergrund, sondern die Tatsache, dass ohne Rollstuhlbenutzung so viele Stürze geschehen, dass die tägliche Gefahr von Verletzungen auf ein unakzeptabel hohes Maß erhöht ist. Es handelt sich hier also um Fälle, bei denen es fast täglich durch Stürze zu Verletzungen kommen kann, nicht um die Frage, ob durch einen einigen potentiellen Sturz die Realisierung des für das Merkzeichen aG erforderlichen Gesundheitszustands droht.

Das BSG hat sich im Urteil vom 29.01.1992, Az.: 9a RVs 4/90, in diesem Zusammenhang wie folgt geäußert:

„Falls in Zukunft ... die Klägerin wegen gleichbleibender Häufigkeit der Anfälle ständig auf einen Rollstuhl angewiesen sein sollte, käme eine Gleichstellung in Betracht. Wegen der bisherigen Möglichkeit von Anfällen ist die Klägerin nicht Querschnittsgelähmten gleichzustellen, die ebenfalls nicht laufen können, sondern mit einem Rollstuhl fahren müssen. Dieser Zustand besteht bei ihnen dauernd.“

Zu keiner anderen Einschätzung führt auch das Urteil des BSG vom 11.03.1998, Az.: B 9 SB 1/97 R, wenn dort unter dem Gesichtspunkt der Verschlimmerungsgefahr ausgeführt wird:

„Von einer so schwerwiegenden Verschlimmerungsgefahr“ -dass sich daraus ein Anspruch auf Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens aG ergeben würde - „wird man allerdings erst ausgehen können, wenn medizinisch feststeht, dass der Schwerbehinderte zur Vermeidung überflüssiger Gehstrecken in der Regel einen Rollstuhl benutzen soll, um einer alsbaldigen Verschlechterung seines Gesundheitszustandes vorzubeugen.

Daraus lässt sich ableiten, dass das BSG erst dann, wenn medizinisch betrachtet zur Gefahrenvermeidung eine Indikation für eine Rollstuhlbenutzung besteht, die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen aG festzustellen sind.

Von einer so großen Sturzgefahr und einer so ausgeprägten Sturzhäufigkeit, dass der Kläger ständig auf einen Rollstuhl angewiesen wäre, kann weder nach seinem eigenen Vortrag noch nach den Angaben seines behandelnden Arztes noch den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen ausgegangen werden.

Die Berufung kann daher keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Der Senat lässt die Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zu, weil er folgende Fragen für grundsätzlich klärungsbedürftig hält: 1. Kann von einem dauernden Außerstandeseins eines einseitig Oberschenkelamputierten, ein Kunstbein zu tragen, auch dann auszugehen sein, wenn er die Prothese nur noch eine geringe Zeit tragen kann? 2. Wenn Frage 1. bejaht wird - wie hoch darf der Zeitanteil der Benutzbarkeit der Prothese sein, damit er der Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens aG nicht entgegen steht?