Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss, 16. Aug. 2018 - 1 Ws 151/18

ECLI:ECLI:DE:POLGZWE:2018:0816.1WS151.18.00
bei uns veröffentlicht am16.08.2018

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Tenor

1. Der Antrag der Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde gegen die Kostenentscheidung des Urteils der 3. Strafkammer des Landgerichts Kaiserslautern vom 7. Februar 2018 wird verworfen.

2. Die sofortige Beschwerde der Angeklagten gegen die Kostenentscheidung des Urteils der 3. Strafkammer des Landgerichts Kaiserslautern vom 7. Februar 2018 wird als unzulässig verworfen.

3. Von der Erhebung der Kosten für das Beschwerdeverfahren wird abgesehen.

Gründe

I.

1

Das Landgericht hat die Angeklagte am 7. Februar 2018 vom Tatvorwurf des Diebstahls freigesprochen. Die Kostenentscheidung des freisprechenden Urteils lautet wie folgt:

2

„Die Kosten des Verfahrens, einschließlich der Kosten des Berufungsverfahrens, fallen der Staatskasse zur Last.“

3

Auf seinen Kostenfestsetzungsantrag vom 12. Februar 2018 ist dem Verteidiger mit Verfügung vom 27. April 2018 mitgeteilt worden, dass hinsichtlich der notwendigen Auslagen der Angeklagten ein Ausspruch in dem Urteil nicht enthalten sei; eine Festsetzung der beantragten Kosten gegen die Staatskasse könne daher nicht erfolgen. Mit Schriftsatz vom 7. Mai 2018 hat der Verteidiger die Korrektur des Urteils im Kostenausspruch wegen einer offensichtlichen Unrichtigkeit beantragt. Durch Beschluss des Landgerichts Kaiserslautern vom 28. Mai 2018 ist dieser Antrag zurückgewiesen worden, da eine unterbliebene Kostenentscheidung weder nachgeholt noch eine unvollständige ergänzt werden könne. Nach einem entsprechenden Hinweis in diesem Beschluss, dass dieser Mangel nur durch die Einlegung einer sofortigen Beschwerde - gegebenenfalls in Verbindung mit einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand - behoben werden könne, hat der Verteidiger mit Schriftsatz vom 29. Mai 2018 sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung des angegriffenen Urteils eingelegt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Einlegungsfrist für das Rechtsmittel beantragt.

4

Die Generalstaatsanwaltschaft hat mit Zuschrift vom 4. Juli 2018 beantragt, den Wiedereinsetzungsantrag sowie die sofortige Beschwerde als unzulässig zu verwerfen.

II.

5

Die sofortige Beschwerde ist unzulässig.

1.

6

Die Kostenentscheidung ist mit dem Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde anfechtbar (§ 464 Abs. 3 Satz 1 StPO). Die Angeklagte hat die Frist für die Einlegung der sofortigen Beschwerde versäumt.

7

Die angefochtene Kostenentscheidung des Urteils des Landgerichts Kaiserslautern ist der Angeklagten mit der Verkündung des Urteils am 7. Februar 2018, bei der sie und ihr Verteidiger anwesend waren, bekannt gemacht worden. Die Frist von einer Woche zur Einlegung der sofortigen Beschwerde (§ 311 Abs. 2 Halbs 1 StPO) hat mit dieser Bekanntmachung (§ 311 Abs. 2 Halbs. 2 StPO) begonnen und ist gem. § 43 Abs. 2 StPO am 14. Februar 2018 abgelaufen. Die erst am 29. Mai 2018 beim Landgericht Kaiserslautern eingegangene sofortige Beschwerde ist somit nicht fristgerecht eingelegt worden. Auch der Antrag auf Urteilsberichtigung vom 7. Mai 2018 ist nicht innerhalb der Beschwerdefrist eingegangen, so dass dahinstehen kann, ob der Antrag als sofortige Beschwerde gegen die beanstandete Kostenentscheidung ausgelegt werden könnte.

2.

8

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde hat keinen Erfolg.

9

Ein der Wiedereinsetzung zugängliches Fristversäumnis liegt allerdings vor.

10

Eine Rechtsmittelfrist im Sinne des § 44 Satz 1 StPO hat zwar nur derjenige versäumt, der das Rechtsmittel einlegen wollte. Wer dagegen von einem Rechtsbehelf bewusst keinen Gebrauch macht, ist nicht im Sinne des § 44 Satz 1 StPO an der Einlegung des Rechtsbehelfs gehindert (BGH, Beschluss vom 31. Juli 2012, 4 StR 238/12, Rn. 5 juris). Derjenige, der zur Einlegung eines Rechtsmittels deshalb keine Veranlassung sieht, weil er sich durch die mit einem fristgebundenen Rechtsmittel anfechtbare Entscheidung gar nicht beschwert sieht, macht aber von diesem Rechtmittel nicht bewusst keinen Gebrauch (a.A. wohl OLG Celle, Beschluss vom 21. Juni 2016 -1 Ws 287/16, Rn. 7 m. w. N., juris). Eine bewusste Entscheidung über die Einlegung eines Rechtsmittels setzt voraus, dass der von der Entscheidung Betroffene sich überhaupt mit dieser Frage beschäftigt hat; dies ist nicht der Fall, wenn er meint, er erleide durch die Entscheidung keinen rechtlichen Nachteil.

11

So liegt der Fall hier. Der Verteidiger ist, wie sein Kostenfestsetzungsantrag vom 12. Februar 2018 zeigt, davon ausgegangen, dass mit der Kostenentscheidung des freisprechenden Urteils auch die notwendigen Auslagen der Angeklagten der Staatskasse auferlegt worden wären. Wäre dieses Verständnis der Entscheidung zutreffend, wäre die Angeklagte durch das Urteil nicht beschwert.

12

Die Angeklagte hat die sich aus diesem Irrtum ergebende Verhinderung, die Rechtsmittelfrist einzuhalten, aber zu vertreten.

13

Die angefochtene Kostenentscheidung betrifft die notwendigen Auslagen der Angeklagten nicht. Sie bezieht sich ausschließlich auf die Kosten des Verfahrens. Ihr Wortlaut ist eindeutig. Kosten des Verfahrens sind die Gebühren und Auslagen der Staatskasse (§ 464a Abs. 1 Satz 1 StPO); die notwendigen Auslagen der Beteiligten gehören dazu nicht.

14

Den Verteidiger trifft, soweit er die Kostenentscheidung missverstanden hat, ein Verschulden. Der Wortlaut der Kostenentscheidung ist eindeutig (im Gegensatz zu dem von dem Senat mit Beschluss vom 18. August 2016, 1 Ws 179/16, entschiedenen Fall). Die rechtsfehlerhaft unterbliebene Belehrung über die sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung schließt die Annahme eines Verschuldens nicht aus. Zwar ist die Versäumung einer Rechtsmittelfrist gem. § 44 Satz 2 StPO als unverschuldet anzusehen, wenn die Belehrung gem. § 35a Satz 1 StPO unterblieben ist; dies setzt aber voraus, dass die Unkenntnis von der Rechtsmittelfrist für deren Versäumung ursächlich war (Graalmann-Scheerer, Löwe - Rosenberg, 27. Aufl., StPO, § 44, Rn. 66). Dies war hier nicht der Fall. Für die Versäumung der Rechtsmittelfrist war hier das Fehlverständnis der Kostenentscheidung ursächlich.

15

Die Beschwerdeführerin muss sich das Verschulden ihres Verteidigers zurechnen lassen Zwar hat im Strafverfahren der Angeklagte grundsätzlich nicht für das Verschulden seines Verteidigers einzustehen; die gilt aber nicht für die Anfechtung einer Kostenentscheidung (BGH, Beschluss vom 6. Mai 1975, 5 StR 139/75, BGHSt 26, 126-127, Rn. 6, juris).

III.

16

Der Senat hat davon abgesehen, die Angeklagte mit den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu belasten, da die Einlegung des Rechtsmittels auf einem Hinweis im Beschluss des Landgerichts vom 28. Mai 2018 beruht (§ 21 Abs. 1 Satz 3 GKG).

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Strafprozeßordnung - StPO | § 464 Kosten- und Auslagenentscheidung; sofortige Beschwerde


(1) Jedes Urteil, jeder Strafbefehl und jede eine Untersuchung einstellende Entscheidung muß darüber Bestimmung treffen, von wem die Kosten des Verfahrens zu tragen sind. (2) Die Entscheidung darüber, wer die notwendigen Auslagen trägt, trifft da

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(1) Kosten des Verfahrens sind die Gebühren und Auslagen der Staatskasse. Zu den Kosten gehören auch die durch die Vorbereitung der öffentlichen Klage entstandenen sowie die Kosten der Vollstreckung einer Rechtsfolge der Tat. Zu den Kosten eines Antr

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Tenor Auf die sofortige Beschwerde des Angeklagten wird der Beschluss der 2. Strafkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 28. Juni 2016 aufgehoben und dem Angeklagten auf seine Kosten Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Frist zu

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(1) Jedes Urteil, jeder Strafbefehl und jede eine Untersuchung einstellende Entscheidung muß darüber Bestimmung treffen, von wem die Kosten des Verfahrens zu tragen sind.

(2) Die Entscheidung darüber, wer die notwendigen Auslagen trägt, trifft das Gericht in dem Urteil oder in dem Beschluß, der das Verfahren abschließt.

(3) Gegen die Entscheidung über die Kosten und die notwendigen Auslagen ist sofortige Beschwerde zulässig; sie ist unzulässig, wenn eine Anfechtung der in Absatz 1 genannten Hauptentscheidung durch den Beschwerdeführer nicht statthaft ist. Das Beschwerdegericht ist an die tatsächlichen Feststellungen, auf denen die Entscheidung beruht, gebunden. Wird gegen das Urteil, soweit es die Entscheidung über die Kosten und die notwendigen Auslagen betrifft, sofortige Beschwerde und im übrigen Berufung oder Revision eingelegt, so ist das Berufungs- oder Revisionsgericht, solange es mit der Berufung oder Revision befaßt ist, auch für die Entscheidung über die sofortige Beschwerde zuständig.

(1) Für die Fälle der sofortigen Beschwerde gelten die nachfolgenden besonderen Vorschriften.

(2) Die Beschwerde ist binnen einer Woche einzulegen; die Frist beginnt mit der Bekanntmachung (§ 35) der Entscheidung.

(3) Das Gericht ist zu einer Abänderung seiner durch Beschwerde angefochtenen Entscheidung nicht befugt. Es hilft jedoch der Beschwerde ab, wenn es zum Nachteil des Beschwerdeführers Tatsachen oder Beweisergebnisse verwertet hat, zu denen dieser noch nicht gehört worden ist, und es auf Grund des nachträglichen Vorbringens die Beschwerde für begründet erachtet.

(1) Eine Frist, die nach Wochen oder Monaten bestimmt ist, endet mit Ablauf des Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, der durch seine Benennung oder Zahl dem Tag entspricht, an dem die Frist begonnen hat; fehlt dieser Tag in dem letzten Monat, so endet die Frist mit dem Ablauf des letzten Tages dieses Monats.

(2) Fällt das Ende einer Frist auf einen Sonntag, einen allgemeinen Feiertag oder einen Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktages.

War jemand ohne Verschulden verhindert, eine Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Die Versäumung einer Rechtsmittelfrist ist als unverschuldet anzusehen, wenn die Belehrung nach den § 35a Satz 1 und 2, § 319 Abs. 2 Satz 3 oder nach § 346 Abs. 2 Satz 3 unterblieben ist.

5
b) Der Angeklagte hatte sich jedoch zunächst – das zeigt auch die Begründung des Wiedereinsetzungsantrags, mit der er zum Ausdruck bringt, sich letztlich nach wie vor allein gegen die Nichtanordnung der Maßregel nach § 64 StGB zu wenden – bewusst dafür entschieden, den Urteilsspruch im Übrigen von seinem Revisionsangriff auszunehmen; wer aber von einem befristeten Rechtsbehelf bewusst keinen Gebrauch macht, ist nicht im Sinne des § 44 Satz 1 StPO „verhindert, eine Frist einzuhalten“ (BGH, Beschluss vom 19. Juni 2012 – 3 StR 194/12 m.w.N.). Dies gilt auch dann, wenn die Verteidigerin wegen Unkenntnis von der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Zulässigkeit und damit die Erfolgsaussichten des Rechtsmittels falsch eingeschätzt hat; in einer solchen Unkenntnis liegt keine Verhinderung im Sinne des § 44 Satz 1 StPO (BGH, Beschlüsse vom 1. April 2010 – 4 StR 637/09, NStZ-RR 2010, 244; vom 20. September 2005 – 5 StR 354/05, wistra 2006, 28; vom 31. August 2005 – 2 StR 308/05, wistra 2005, 468; vom 10. August2000 – 4 StR 304/00, NStZ 2001, 160).

(1) Kosten des Verfahrens sind die Gebühren und Auslagen der Staatskasse. Zu den Kosten gehören auch die durch die Vorbereitung der öffentlichen Klage entstandenen sowie die Kosten der Vollstreckung einer Rechtsfolge der Tat. Zu den Kosten eines Antrags auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens gehören auch die zur Vorbereitung eines Wiederaufnahmeverfahrens (§§ 364a und 364b) entstandenen Kosten, soweit sie durch einen Antrag des Verurteilten verursacht sind.

(2) Zu den notwendigen Auslagen eines Beteiligten gehören auch

1.
die Entschädigung für eine notwendige Zeitversäumnis nach den Vorschriften, die für die Entschädigung von Zeugen gelten, und
2.
die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts, soweit sie nach § 91 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung zu erstatten sind.

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Angeklagten wird der Beschluss der 2. Strafkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 28. Juni 2016 aufgehoben und dem Angeklagten auf seine Kosten Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde gegen die Kostenentscheidung aus dem Urteil des Amtsgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 28. September 2015 gewährt. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die darin dem Angeklagte entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Landeskasse zur Last.

Gründe

1

Der Angeklagte ist durch Urteil des Amtsgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 28. September 2015 von dem Vorwurf der Trunkenheit im Verkehr „auf Kosten der Landeskasse“ freigesprochen worden. Die Staatsanwaltschaft hat kein Rechtsmittel gegen das Urteil eingelegt. Am 30. September 2015 hat der Verteidiger bei dem Amtsgericht beantragt, seine Gebühren und Auslagen gegen die Landeskasse festzusetzen. Mit Verfügung vom 10. März 2016 hat die Rechtspflegerin bei dem Amtsgericht den Verteidiger darauf hingewiesen, dass das Urteil keinen Ausspruch über die notwendigen Auslagen des Angeklagten enthalte mit der Folge, dass diese bei dem Angeklagten verblieben. Der Verteidiger hat sich mit Schriftsatz vom 1. April 2016 gegen diese Auffassung gewandt. Mit Beschluss vom 5. April 2016 hat das Amtsgericht seinen Kostenfestsetzungsantrag zurückgewiesen und die Entscheidung dem erteilten Hinweis entsprechend begründet. Dieser Beschluss ist dem Verteidiger am 21. April 2016 zugestellt worden. Mit einem am 28. April 2016 bei dem Amtsgericht eingegangenen Schriftsatz seines Verteidigers hat der Angeklagte sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung aus dem Urteil eingelegt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Einlegungsfrist beantragt. Zur Begründung hat der Verteidiger vorgetragen, er sei davon ausgegangen, dass die Kostenentscheidung in dem Urteil früher geübter Praxis folgend auch als Ausspruch über die notwendigen Auslagen seines Mandanten ausgelegt werde. Erst durch die Entscheidung über seinen Kostenfestsetzungsantrag, die er für falsch halte, habe er die Notwendigkeit erkannt, die Kostenentscheidung anzufechten. Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Landgericht die sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung und den Wiedereinsetzungsantrag als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, der Verteidiger sei bereits durch den Hinweis der Rechtspflegerin auf sein irrtümliches Verständnis der Kostenentscheidung hingewiesen worden und hätte deshalb ab Zugang des Hinweises, der spätestens am 1. April 2016 erfolgt sei, binnen einer Woche den Wiedereinsetzungsantrag stellen müssen mit der Folge, dass sein Wiedereinsetzungsantrag verspätet gestellt worden sei. Gegen diese seinem Verteidiger am 5. Juli 2016 zugestellte Entscheidung hat der Angeklagte mit dem am 12. Juli 2016 bei dem Landgericht eingegangenen Schriftsatz seines Verteidigers sofortige Beschwerde eingelegt.

2

Die sofortige Beschwerde ist gegen den angefochtenen Beschluss, soweit der Wiedereinsetzungsantrag verworfen worden ist, gem. § 46 Abs. 3 StPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg.

3

Dem Angeklagten ist Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde gegen die Kostenentscheidung aus dem Urteil des Amtsgerichts zu gewähren. Weder ihn noch seinen Verteidiger trifft hinsichtlich der Versäumung der Einlegungsfrist für die sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung ein Verschulden.

4

Zu Recht hat das Landgericht angenommen, dass der Verteidiger zunächst davon ausgehen durfte, die Kostenentscheidung betreffe auch die notwendigen Auslagen seines Mandanten. Dabei kann dahinstehen, ob der abweichenden Entscheidung der 1. Strafkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 16. Februar 2016 (1 Qs 16/16) beizutreten ist. Aus dem Vermerk der Bezirksrevisorin des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 12. Mai 2016 ergibt sich nämlich, dass bis zu der vorgenannten Entscheidung des Landgerichts der Ausspruch „auf Kosten der Landeskasse“ in freisprechenden Urteilen von den Kostenbeamten des Amtsgerichts Frankenthal (Pfalz) auch auf die notwendigen Auslagen der Angeklagten bezogen wurde und zur Kostenfestsetzung gegen die Landekasse führte. Auf diese Praxis durfte sich der Verteidiger verlassen (vgl. Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 11. Juli 2013 – 6 K 20/12, Rn. 42, juris).

5

Jedenfalls durch den von dieser Praxis abweichenden Hinweis der Rechtspflegerin ist dieser Vertrauenstatbestand nach Auffassung des Senats noch nicht aufgehoben worden. Zwar muss der Rechtsanwalt seine Tätigkeit grundsätzlich gerichtlichen Hinweisen folgend auch dann anpassen, wenn er den Hinweis für unrichtig halten durfte (BGH, Urteil vom 25. Juni 1974 – VI ZR 18/73, Rn. 12, juris); hier ging es aber nicht um irgendeine Rechtsauffassung des Verteidigers, sondern um das Vertrauen auf eine über längere Zeit bei diesem Gericht geübte Praxis. In diesem Fall gebietet die von ihm zu beachtende Sorgfaltspflicht dem Rechtsanwalt erst dann, seine Tätigkeit dem Hinweis folgend auszurichten, wenn mit dem Hinweis die Erklärung verbunden ist, dass der bisher geübten Praxis nicht mehr gefolgt wird; andernfalls kann er noch von einem Versehen ausgehen. Nimmt ein Gericht von einer länger geübten Rechtspraxis Abstand, sollten die Anforderungen an einen Wiedereinsetzungsantrag und den Zeitpunkt für dessen Stellung im Hinblick auf die Justizgewährleistungsgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG nicht besonders streng ausgelegt werden.

6

Die Kostenentscheidung folgt §§ 467 Abs. 1, 473 Abs. 7 StPO.

7

Mit der Gewährung der Wiedereinsetzung ist dem angefochtenen Beschluss, soweit die sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung aus dem Urteil des Amtsgerichts als unzulässig verworfen worden ist, die Grundlage entzogen worden mit der Folge, dass das Landgericht über das Rechtsmittel neu zu entscheiden hat. Dem Senat ist insoweit eine eigene Sachentscheidung verwehrt (§ 310 StPO).

War jemand ohne Verschulden verhindert, eine Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Die Versäumung einer Rechtsmittelfrist ist als unverschuldet anzusehen, wenn die Belehrung nach den § 35a Satz 1 und 2, § 319 Abs. 2 Satz 3 oder nach § 346 Abs. 2 Satz 3 unterblieben ist.

Bei der Bekanntmachung einer Entscheidung, die durch ein befristetes Rechtsmittel angefochten werden kann, ist der Betroffene über die Möglichkeiten der Anfechtung und die dafür vorgeschriebenen Fristen und Formen zu belehren. Bei der Bekanntmachung eines Urteils ist der Angeklagte auch über die Rechtsfolgen des § 40 Absatz 3 und des § 350 Absatz 2 sowie, wenn gegen das Urteil Berufung zulässig ist, über die Rechtsfolgen der §§ 329 und 330 zu belehren. Ist einem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist der Betroffene auch darüber zu belehren, dass er in jedem Fall frei in seiner Entscheidung ist, ein Rechtsmittel einzulegen.

(1) Kosten, die bei richtiger Behandlung der Sache nicht entstanden wären, werden nicht erhoben. Das Gleiche gilt für Auslagen, die durch eine von Amts wegen veranlasste Verlegung eines Termins oder Vertagung einer Verhandlung entstanden sind. Für abweisende Entscheidungen sowie bei Zurücknahme eines Antrags kann von der Erhebung von Kosten abgesehen werden, wenn der Antrag auf unverschuldeter Unkenntnis der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse beruht.

(2) Die Entscheidung trifft das Gericht. Solange nicht das Gericht entschieden hat, können Anordnungen nach Absatz 1 im Verwaltungsweg erlassen werden. Eine im Verwaltungsweg getroffene Anordnung kann nur im Verwaltungsweg geändert werden.