Bundesgerichtshof Beschluss, 31. Juli 2012 - 4 StR 238/12

published on 31/07/2012 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 31. Juli 2012 - 4 StR 238/12
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 238/12
vom
31. Juli 2012
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 31. Juli 2012 gemäß §§ 44, 349
Abs. 1 StPO beschlossen:
1. Der Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Einlegung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 7. März 2012 wird verworfen. 2. Die Revision des Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil wird verworfen. 3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen zweier rechtlich zusammentreffender Fälle des vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr , jeweils in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis zu der Freiheitsstrafe von vier Jahren und zehn Monaten verurteilt, eine Maßregel nach § 69a StGB angeordnet und eine Adhäsionsentscheidung getroffen.
2
Gegen das in seiner Anwesenheit verkündete Urteil hat der Angeklagte durch seine Verteidigerin am 14. März 2012 Revision eingelegt, die er auf die Nichtanordnung seiner Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB beschränkt hat. Am 16. März 2012 hat er – wiederum über seine Verteidigerin – Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Revisionseinlegungsfrist beantragt und zugleich erneut Revision, nunmehr beschränkt auf den Rechtsfolgenausspruch insgesamt, eingelegt. Zur Begründung seines Wiedereinsetzungsantrags hat er im Wesentlichen darauf abgestellt, seiner Verteidigerin sei die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Unzulässigkeit einer auf die Nichtanordnung einer Maßregel nach § 64 StGB beschränkten Revision nicht bekannt gewesen, was ihm nicht zugerechnet werden könne.
3
1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist jedenfalls unbegründet.
4
a) Allerdings hat der Angeklagte innerhalb der Frist des § 341 Abs. 1 StPO keine zulässige Revision eingelegt. Die Beschränkung des Rechtsmittels auf die Nichtanordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt ist wirksam, führt aber zu dessen Unzulässigkeit (Senatsbeschlüsse vom 13. Juni 1991 – 4 StR 105/91, BGHSt 38, 4, 5, 7; vom 2. Dezember 2010 – 4 StR 459/10, NStZ-RR 2011, 255), und die Erweiterung einer beschränkt eingelegten Revision ist nur bis zum Ablauf der Revisionseinlegungsfrist wirksam möglich (BGH, Beschluss vom 27. Oktober 1992 – 5 StR 517/92, BGHSt 38, 366).
5
b) Der Angeklagte hatte sich jedoch zunächst – das zeigt auch die Begründung des Wiedereinsetzungsantrags, mit der er zum Ausdruck bringt, sich letztlich nach wie vor allein gegen die Nichtanordnung der Maßregel nach § 64 StGB zu wenden – bewusst dafür entschieden, den Urteilsspruch im Übrigen von seinem Revisionsangriff auszunehmen; wer aber von einem befristeten Rechtsbehelf bewusst keinen Gebrauch macht, ist nicht im Sinne des § 44 Satz 1 StPO „verhindert, eine Frist einzuhalten“ (BGH, Beschluss vom 19. Juni 2012 – 3 StR 194/12 m.w.N.). Dies gilt auch dann, wenn die Verteidigerin wegen Unkenntnis von der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Zulässigkeit und damit die Erfolgsaussichten des Rechtsmittels falsch eingeschätzt hat; in einer solchen Unkenntnis liegt keine Verhinderung im Sinne des § 44 Satz 1 StPO (BGH, Beschlüsse vom 1. April 2010 – 4 StR 637/09, NStZ-RR 2010, 244; vom 20. September 2005 – 5 StR 354/05, wistra 2006, 28; vom 31. August 2005 – 2 StR 308/05, wistra 2005, 468; vom 10. August2000 – 4 StR 304/00, NStZ 2001, 160).
6
2. Da mithin die Revision nicht zulässig eingelegt wurde, war sie gemäß § 349 Abs. 1 StPO zu verwerfen.
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Annotations

(1) Entzieht das Gericht die Fahrerlaubnis, so bestimmt es zugleich, daß für die Dauer von sechs Monaten bis zu fünf Jahren keine neue Fahrerlaubnis erteilt werden darf (Sperre). Die Sperre kann für immer angeordnet werden, wenn zu erwarten ist, daß die gesetzliche Höchstfrist zur Abwehr der von dem Täter drohenden Gefahr nicht ausreicht. Hat der Täter keine Fahrerlaubnis, so wird nur die Sperre angeordnet.

(2) Das Gericht kann von der Sperre bestimmte Arten von Kraftfahrzeugen ausnehmen, wenn besondere Umstände die Annahme rechtfertigen, daß der Zweck der Maßregel dadurch nicht gefährdet wird.

(3) Das Mindestmaß der Sperre beträgt ein Jahr, wenn gegen den Täter in den letzten drei Jahren vor der Tat bereits einmal eine Sperre angeordnet worden ist.

(4) War dem Täter die Fahrerlaubnis wegen der Tat vorläufig entzogen (§ 111a der Strafprozeßordnung), so verkürzt sich das Mindestmaß der Sperre um die Zeit, in der die vorläufige Entziehung wirksam war. Es darf jedoch drei Monate nicht unterschreiten.

(5) Die Sperre beginnt mit der Rechtskraft des Urteils. In die Frist wird die Zeit einer wegen der Tat angeordneten vorläufigen Entziehung eingerechnet, soweit sie nach Verkündung des Urteils verstrichen ist, in dem die der Maßregel zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(6) Im Sinne der Absätze 4 und 5 steht der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis die Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 94 der Strafprozeßordnung) gleich.

(7) Ergibt sich Grund zu der Annahme, daß der Täter zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht mehr ungeeignet ist, so kann das Gericht die Sperre vorzeitig aufheben. Die Aufhebung ist frühestens zulässig, wenn die Sperre drei Monate, in den Fällen des Absatzes 3 ein Jahr gedauert hat; Absatz 5 Satz 2 und Absatz 6 gelten entsprechend.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Die Revision muß bei dem Gericht, dessen Urteil angefochten wird, binnen einer Woche nach Verkündung des Urteils zu Protokoll der Geschäftsstelle oder schriftlich eingelegt werden.

(2) Hat die Verkündung des Urteils nicht in Anwesenheit des Angeklagten stattgefunden, so beginnt für diesen die Frist mit der Zustellung, sofern nicht in den Fällen der §§ 234, 329 Absatz 2, § 387 Absatz 1, § 411 Absatz 2 und § 434 Absatz 1 Satz 1 die Verkündung in Anwesenheit des Verteidigers mit nachgewiesener Vertretungsvollmacht stattgefunden hat.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

War jemand ohne Verschulden verhindert, eine Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Die Versäumung einer Rechtsmittelfrist ist als unverschuldet anzusehen, wenn die Belehrung nach den § 35a Satz 1 und 2, § 319 Abs. 2 Satz 3 oder nach § 346 Abs. 2 Satz 3 unterblieben ist.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.