Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Urteil, 10. Feb. 2015 - 4 L 51/14

ECLI:ECLI:DE:OVGST:2015:0210.4L51.14.0A
bei uns veröffentlicht am10.02.2015

Tatbestand

1

Die als GmbH organisierte Klägerin wendet sich gegen eine Feststellung nach dem Gesetz über Wohn- und Teilhabe des Landes Sachsen-Anhalt - WTG LSA -.

2

Sie betreibt in einem Gebäude in der C-Straße in C-Stadt auf mehreren Etagen eine stationäre Alten- und Pflegeeinrichtung (A. „ServiceLeben E.“) mit 103 Pflegeplätzen und bietet außerdem eine ambulante Altenpflege/Intensivpflege mit Schwerpunkt Beatmung (A. „Intensiv“) an. Das Gebäude nutzt sie auf der Grundlage eines Pachtvertrages mit der Eigentümerin. Darin ist im Erdgeschoss rechts die „Betreute Wohngemeinschaft Intensiv E.“ untergebracht. Für diese Wohngemeinschaft - im folgenden: WG - stehen acht Zimmer, die jeweils einen Sanitärbereich haben, zwei ineinander übergehende kombinierte Wohn- und Aufenthaltsräume mit Küche sowie zwei Lagerräume zur Verfügung. Die Bewohner dieser WG, gegenwärtig die Gesellschafter der Beigeladenen, sind alle intensivpflegebedürftig. Sie bzw. ihre Bevollmächtigten oder gesetzlichen Vertreter schlossen mit der (...) Vermietungsgesellschaft mbH mit Sitz in A-Stadt, die nicht identisch ist mit der Eigentümerin des Gebäudes, jeweils Mietverträge über eine Wohneinheit inkl. anteiliger Gemeinschaftsfläche.

3

Auf Nachfragen des Beklagten vom 13. Mai 2011 legte die Klägerin für die WG ein Konzept vor, nach dem sie seit dem Jahr 2004 in solchen spezialisierten Wohnformen tätig sei. Im Juni/Juli 2011 schlossen sich die damaligen Mitglieder der WG bzw. deren gesetzliche Vertreter mit einer Vereinbarung zusammen, um eigenverantwortlich die Interessen der Gemeinschaft gegenüber Dritten zu vertreten. Die Vereinbarung sieht u.a. die gemeinschaftliche Beauftragung eines Pflegedienstes vor und verpflichtet jedes Mitglied, Mehrheitsentscheidungen, insbesondere die einheitliche Beauftragung externer Dienstleister wie eines Pflegedienstes, zu akzeptieren. Aus der Vereinbarung kann nur zusammen mit dem Auszug aus der WG ausgetreten werden. Die Gemeinschaft bestimmt in Abstimmung mit dem Vermieter, wer neu in die WG einzieht, wobei Voraussetzung für die Aufnahme u.a. eine Empfehlung des in der WG tätigen Pflegedienstes ist. Am 14. Juli 2011 beschlossen die Mitglieder der WG, den Intensivpflegedienst der Klägerin bis auf weiteres zu beauftragen. Die Betreuung und Pflege der Bewohner erfolgt in einem 3-Schicht-System rund um die Uhr.

4

Nach einer Begehung durch Vertreter des Beklagten am 25. Juli 2011 und einer Anhörung der Klägerin traf der Beklagte mit an die Prozessbevollmächtigten der Klägerin adressierten Bescheid vom 3. November 2011 die Feststellung, dass es sich bei der „Betreuten Wohngemeinschaft Intensiv E.“ um den Teil einer stationären Einrichtung i.S.d. § 3 WTG LSA handele. Die Voraussetzungen des § 4 WTG LSA für die Annahme einer ambulant betreuten Wohngemeinschaft seien im Wesentlichen nicht erfüllt. Das Kriterium der Inanspruchnahme externer Pflege- und Betreuungsleistungen gegen Entgelt sei praktisch nicht erfüllbar, da der Pflegedienst der Klägerin als hoch spezialisierter Pflegedienst im Zuge des durch die Modalitäten der Auftraggebergemeinschaft eingeschränkten individuellen Wahlrechtes tatsächlich nicht ersetzbar sei. Die Verknüpfung von Wohnraumüberlassung und dem Angebot hoch spezialisierter Pflege- und Betreuungsleistungen ergebe sich faktisch allein schon aus der Spezifik der Krankheitsbilder der Bewohner der WG. Weiter fehle es an der baulichen, organisatorischen und wirtschaftlichen Selbständigkeit der WG und es könne nicht von einem Gaststatus des Pflegedienstes ausgegangen werden, der zudem 24 Stunden am Tag anwesend sei.

5

Am 5. Dezember 2011 hat die Klägerin fristgerecht bei dem Verwaltungsgericht Magdeburg Anfechtungsklage erhoben. Nachdem das Verwaltungsgericht eine Beiladung abgelehnt hatte, hat das Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt mit Beschluss vom 25. Februar 2013 (- 4 O 14/13 -) die aus den Bewohnern der WG bestehende Gesellschaft bürgerlichen Rechts gem. § 65 Abs. 2 VwGO zu dem Verfahren beigeladen. Mit Beschluss vom 28. August 2013 (- 4 A 323/11 MD -) hat sich das Verwaltungsgericht Magdeburg für örtlich unzuständig erklärt und das Verfahren an das Verwaltungsgericht Halle verwiesen.

6

Mit Urteil vom 13. Februar 2014 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen.

7

Die Vorschriften des WTG LSA stellten eine ausreichende Rechtsgrundlage für den Erlass des streitbefangenen Feststellungsbescheides dar. Die Abgrenzung einer stationären Einrichtung und einer ambulant betreuten Wohngemeinschaft sei nach objektiven Kriterien unter Beachtung der Zweckrichtung der Einrichtung und ihrer konkreten Betriebsform zu entscheiden. Ausschlaggebend sei dabei allein die tatsächliche Wohn- und Betreuungssituation, wie sie sich aus den abgeschlossenen Verträgen und den übrigen festgestellten tatsächlichen Verhältnissen ergebe. Hiervon ausgehend handele es sich bei der WG um den Teil einer stationären Einrichtung i.S.d. § 3 WTG LSA. Die Vorschrift erfasse eine Einrichtung, in der - wie vorliegend - verschiedene natürliche oder juristische Personen Wohnraum überließen, wenn diese mit der Wohnraumüberlassung verpflichtend Pflege und Betreuung zur Verfügung stellten. Auch wenn formal mit der Überlassung des Wohnraums durch die (...) Vermietungsgesellschaft mbH keine Verpflichtung der Klägerin oder eines anderen Dritten verbunden sei, Pflege- und Betreuungsleistungen zur Verfügung zu stellen oder vorzuhalten, sei der rechtliche Rahmen im Übrigen so gestaltet, dass ein Bewohner der Räumlichkeiten faktisch Pflege- und Versorgungsleistungen der Klägerin in Anspruch nehmen müsse. Faktisch habe eine Wahlfreiheit hinsichtlich der Frage, ob der Servicevertrag mit dem ambulantem Intensivpflegedienst der Klägerin oder einem anderen Anbieter - das Vorhandensein alternativ geeigneter Dienstleister unterstellt - abgeschlossen werde, zunächst ersichtlich nicht bestanden. Schon der zeitliche Ablauf lasse darauf schließen, dass die Gründung der Auftraggebergemeinschaft im Interesse der Klägerin und der Angehörigen sowie Betreuer erfolgt sei, um hierdurch eine Anpassung an die Gesetzeslage zu erreichen und eine Wohn- und Betreuungsform zu schaffen, die nicht den Anforderungen des WTG LSA unterliege. Es sei nicht anzunehmen, dass jetzt und in Zukunft eine nicht nur rechtliche, sondern auch faktische Wahlfreiheit bestehe. Die WG, die nach dem vorgelegten Konzept der Klägerin auf deren Initiative zurückgehe, hänge in ihrem Bestand faktisch von der weiteren Tätigkeit des Pflegedienstes der Klägerin ab. Die WG diene nach ihrem Gesamtbild auch nicht als ambulant betreute Wohngemeinschaft dem Zweck des § 4 Satz 1 WTG LSA. Sie sei zum einen nicht baulich, organisatorisch und wirtschaftlich selbständig und zum anderen habe der Pflegedienst der Klägerin nicht nur Gaststatus.

8

Klägerin und Beigeladene haben fristgerecht jeweils die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung erhoben.

9

Die Klägerin trägt zur Begründung vor, das Verwaltungsgericht habe sich schon zu Unrecht von dem Obersatz des Bundesverwaltungsgerichts zur Abgrenzung nach dem Heimgesetz leiten lassen. Weiterhin handele es sich bei der WG nicht um eine stationäre Einrichtung. Allein die Beigeladene bestimme auf Grund ihrer Gemeinschaftsvereinbarung im Rahmen einer Mehrheitsentscheidung, wer in die WG einziehe und welcher Pflegedienstleister die Pflegeleistungen erbringe. Die Wahlfreiheit bezüglich des Pflegedienstes sei im Rahmen einer Mehrheitsentscheidung gewahrt, da die Wahlfreiheit als kollektive Wahlfreiheit der Auftraggebergemeinschaft zu verstehen sei. Warum keine faktische Wahlfreiheit bestehe, werde vom Verwaltungsgericht nicht schlüssig erläutert. Selbstverständlich bestehe eine faktische Zusammenarbeit zwischen der WG, dem Pflegedienst und dem Vermieter. Das Verwaltungsgericht ignoriere insoweit jedoch die rechtliche Stellung der WG. Es könne keine Rolle spielen, dass die Entscheidung der Beigeladenen, ihren Pflegedienst zu beauftragen, erst ergangen sei, nachdem sie bereits die Pflege und Versorgung der Bewohner übernommen hatte. Es handele sich auch nicht um eine bloße formale Vorgehensweise, die nicht tatsächlich umgesetzt worden wäre. Entscheidend sei, dass die zugrunde liegenden rechtlichen Verbindungen voneinander unabhängig erfolgt seien. Die WG sei baulich, organisatorisch und wirtschaftlich selbständig. Der gesetzliche Begriff des „Gaststatus“ könne nicht davon abhängen, dass die Bewohner einer WG krankheitsbedingt auf die durchgängige Anwesenheit des Pflegedienstes angewiesen seien. Hier sei auf das Hausrecht abzustellen, dass die Bewohner der WG innehätten.

10

Die Klägerin beantragt,

11

das Urteil des Verwaltungsgerichts Halle - 7. Kammer - vom 13. Februar 2014 zu ändern und den Bescheid des Beklagten vom 3. November 2011 aufzuheben.

12

Die Beigeladene beantragt,

13

das Urteil des Verwaltungsgerichts Halle - 7. Kammer - vom 13. Februar 2014 zu ändern und den Bescheid des Beklagten vom 3. November 2011 aufzuheben.

14

Sie trägt vor, die Regelungen der §§ 2 und 12 WTG LSA seien keine taugliche Rechtsgrundlage für einen Feststellungsbescheid. Weiterhin hätte eine isolierte Feststellung allenfalls im Zeitpunkt ihres Erlasses eine verbindliche Rechtswirkung, so dass der streitige Bescheid ins Leere laufe. Aus den §§ 4 und 5 WTG LSA dürfte sich zudem nicht zwangsläufig ergeben, dass es sich bei Nichtvorliegen der dort genannten Voraussetzungen um eine stationäre Einrichtung i.S.d. § 3 WTG LSA handele.

15

Bei ihr handele es sich um eine selbstorganisierte Wohngemeinschaft i.S.v. § 5 WTG LSA. Die Feststellungen des Verwaltungsgerichts ignorierten die rechtlich abgesicherte Selbstbestimmung ihrer Mitglieder, die sich in der Vereinbarung der Auftraggebergemeinschaft widerspiegele, und ihren erstinstanzlichen Vortrag zu den tatsächlichen Umständen der WG, ihrer Konstitution, der Neuaufnahme von Mitgliedern und der Organisation des täglichen Lebens. Tatsächlich habe sie sowohl rechtlich als auch faktisch die Möglichkeit, den Pflegedienst frei zu wählen, das Hausrecht auszuüben und Neubewohner aufzunehmen. Würde die Annahme zutreffen, dass das Hausrecht faktisch von den Bewohnern nicht kontinuierlich ausgeübt werden könne, weil Angehörige/Vertreter nicht ständig vor Ort seien, wäre ein selbstbestimmtes Leben bei Betreuung nur möglich, wenn der Betreuer 24 Stunden vor Ort sei. Dies wäre ein klarer Widerspruch zum gesetzgeberischen Zweck. Im Übrigen ergebe sich aus § 5 Abs. 2 WTG LSA, dass eben diese eingeschränkt handelnde Nutzergruppe bei wirksamer Vertretung nach dem Willen des Gesetzgebers ausdrücklich eine selbstbestimmte Wohngemeinschaft bilden könne. Inwiefern der Beklagte sowie das Verwaltungsgericht ihr die faktische Möglichkeit absprächen, die Klägerin zu kündigen und einen anderen Intensivpflegedienst als Dienstleister zu verpflichten, bleibe unklar und unbegründet bzw. begründe sich allein auf ungeprüften Annahmen und Unterstellungen. Die WG sei in keiner Hinsicht ein „Bestandteil“ der stationären Einrichtung, sondern organisatorisch und wirtschaftlich selbständig. Die Plätze seien nicht „eingestreut“ im stationären Bereich, sondern lägen in einem eigenen Trakt. Das Vorhandensein mehrerer Versorgungsformen sei in der Versorgungslandschaft üblich. In rechtlicher Hinsicht sei das Kriterium der baulichen Eingliederung - jedenfalls für sich genommen - zudem ungeeignet, letztlich über den rechtlichen Status zu entscheiden. Der Pflegedienst der Klägerin habe auch nur einen Gaststatus. Die im Gesetz genannten Bespiele für einen fehlenden Gaststatus legten nahe, dass es um Räume gehe, die dem Pflegedienst so eindeutig zugewiesen seien, dass das Hausrecht der Bewohner nicht nur faktisch, sondern rechtlich eingeschränkt werde. Durch die Entscheidung des Verwaltungsgerichts werde in die Grundrechte ihrer Mitglieder auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und auf Unverletzlichkeit der Wohnung eingegriffen. Würden sich ihre Mitglieder durch die Entscheidung des Verwaltungsgerichts in einer stationären Einrichtung wiederfinden, so würde dies unweigerlich zur Auflösung der WG und zum Auszug der Bewohner führen. Schließlich zeige sich anhand zahlreicher Beispiele ihrer Mitglieder, dass sich die selbstorganisierte ambulante Wohnform positiv auf die gesundheitliche Entwicklung der betroffenen Bewohner auswirke.

16

Der Beklagte beantragt,

17

die Berufungen zurückzuweisen.

18

Er macht geltend, es sei nicht zu beanstanden, dass auf die Rechtsprechung zum Heimgesetz zurückgegriffen werde. Die Beurteilung zum Vorliegen einer anderen Wohnform sei durch das Verwaltungsgericht allein nach den einschlägigen Bestimmungen des WTG LSA erfolgt.

19

In die vermeintlich selbst organisierte „Wohngemeinschaft“ würden nur intensivpflegebedürftige Menschen aufgenommen. Die Anwärter auf einen Platz verzichteten darauf, ein eigenes persönliches Wahlrecht zur Beauftragung eines Pflegedienstes auszuüben und würden sich der Mehrheitsentscheidung unterwerfen, die Leistung der Klägerin anzunehmen. Mit ihrem Eintritt hätten sich die Anwärter zur Annahme der Leistungen durch die Klägerin auch rechtlich verpflichtet. Eine freie Wählbarkeit der Pflege- und Betreuungsleistung sei für den einzelnen Bewohner nicht mehr gegeben. Der in § 1 Abs. 1 und 2 WTG LSA genannte Zweck des Gesetzes werde hier unterwandert. Mit der Entscheidung für eine stationäre Einrichtung gebe der Einzelne sein Recht auf freie Wählbarkeit der Pflege- und Betreuungsleistungen auf. Bei der Entscheidung für eine andere Wohnform solle gerade diese freie Wählbarkeit erhalten bleiben und nicht durch irgendeine „Hintertür“ wegfallen. Soweit die Beigeladene auf die positiven Wirkungen von selbstorganisierten ambulanten Wohnformen verweise, verkenne sie, dass auch in einer stationären Einrichtung jedes Zimmer eine eigene Wohnung darstelle; zudem sehe § 10 WTG LSA ausdrücklich die Öffnung in das Gemeinwesen vor.

20

Sowohl die Klägerin als auch die Beigeladene hätten immer nur auf ihre Feststellungen reagiert und die vermeintliche Wohngemeinschaft nach außen hin passend gemacht. Die (strukturellen) Abhängigkeit vom Träger einer stationären Einrichtung oder sonstigen Wohnform sei hier für die Beigeladene als sehr hoch einzuschätzen. Die tatsächliche Wohn- und Betreuungssituation lasse nur den Schluss zu, dass ihre Räume Bestandteil einer stationären Einrichtung seien. Das Merkmal der baulichen Selbständigkeit nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 WTG LSA werde in keinem Fall erfüllt. Eine engere räumliche Verbindung zwischen den Räumen der Beigeladenen und denen der stationären Einrichtung sei kaum denkbar. Zudem wiesen der Träger der stationären Einrichtung und der Pflegedienst gesellschaftsrechtliche Verbindungen auf. Um Bestandteil einer stationären Einrichtung zu sein, müssten die Pflegeplätze nicht „eingestreut“ im stationären Bereich sein. Sie könnten auch in einem eigenen Trakt liegen. Nach dem Vortrag der Klägerin seien ihre Büroräume in der stationären Einrichtung, d.h. nur getrennt durch den Empfangsbereich und im gleichen Gebäude, und nach Vortrag der Beigeladenen fänden in ihren Räumen Dienstbesprechungen statt. Diese Tatsachen widersprächen der Annahme eines Gaststatus. Der Auffassung der Beigeladenen, dass ihre Mitglieder selbstbestimmt entscheiden könnten, widersprächen die Festlegungen in ihrer Vereinbarung. Voraussetzung für die Aufnahme neuer Mitglieder sei die Empfehlung des Pflegedienstes, so dass sich die Beigeladene seiner Entscheidung unterwerfe. Ein Hausrecht könne von den Bewohnern selbst nicht mehr ausgeübt werden; sie seien dazu überhaupt nicht mehr in der Lage. Der Pflegedienst, der 24 Stunden anwesend sei, habe allein dieses Recht und die damit verbundene Entscheidungsbefugnis inne. Schließlich stelle der Gesetzgeber für Gebäude mit Personen, die einen Intensivpflegebedarf hätten, höhere bauliche Anforderungen und habe diese Gebäude als Sonderbauten eingestuft (§ 2 Abs. 4 Ziff. 9b BauO LSA).

21

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs des Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

22

Die zulässigen Berufungen der Klägerin und der Beigeladenen sind begründet.

23

Das Verwaltungsgericht hat die Anfechtungsklage gegen den Feststellungsbescheid der Beklagten vom 3. November 2011 zu Unrecht abgewiesen. Der Bescheid ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO).

24

Gesetzliche Grundlage für den angefochtenen Feststellungsbescheid sind die §§ 12, 19 Abs. 8 i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 1 WTG des Gesetzes über Wohnformen und Teilhabe des Landes Sachsen-Anhalt vom 17. Februar 2011 (GVBl. LSA 2011, 136) - WTG LSA -. In der Rechtsprechung ist geklärt, dass feststellende Verwaltungsakte einer gesetzlichen Grundlage bedürfen, wenn ihr Inhalt etwas als Rechtens feststellt, was der Betroffene erklärtermaßen für nicht Rechtens hält. Erforderlich ist aber keine ausdrückliche gesetzliche Grundlage, sondern es genügt, wenn sich eine solche im Wege der Auslegung ermitteln lässt (vgl. BVerwG, Urteile v. 14. Juni 2012 - 5 C 4.11 und v. 22. Oktober 2003 - 6 C 23.02 -, jeweils zit. nach JURIS, m.w.N.). § 12 und § 19 Abs. 8 WTG LSA, die eine Anzeigepflicht für stationäre Einrichtungen bestimmen (§ 12 WTG LSA) und der Behörde Prüfungsbefugnisse auch für die Feststellung zugestehen, ob es sich um eine stationäre Einrichtung handelt (§ 19 Abs. 8 WTG LSA), stellen die Rechtsgrundlage für den Erlass eines feststellenden Verwaltungsaktes des Inhalts dar, dass eine stationäre Einrichtung im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 WTG LSA vorliegt (so zu vergleichbaren landesgesetzlichen Regelungen OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 9. Juli 2013 - 12 A 2623/12 -; VG Oldenburg, Urt. v. 21. Mai 2012 - 12 A 1136/11 - jeweils zit. nach JURIS; vgl. auch VG Augsburg, Urt. v. 22. Juli 2014 - Au 3 K 13.444 -, zit. nach JURIS; so zur Anzeigepflicht nach dem HeimG VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 12. September 2003 - 14 S 718/03 -; OVG Brandenburg, Beschl. v. 1. Dezember 1999 - 4 B 127/99 -, jeweils zitiert nach JURIS; wohl auch OVG Sachsen, Beschl. v. 7. Oktober 2014 - 5 A 115/14 -, zit. nach JURIS; a.M.: VG Dresden, Urteile vom 11. Oktober 2014 - 1 K 1114/13 - und - 1 K 1123/13 -). Ausgehend von dem Sinn der Anzeigepflicht, eine wirksame Überwachung sicherzustellen, und angesichts einer ausdrücklich auf eine behördliche „Feststellung“ abzielenden Vorschrift, ermächtigen diese Regelungen die zuständige Behörde dazu, durch Verwaltungsakt die Voraussetzungen für das Bestehen der Anzeigepflicht festzustellen und damit mittelbar zu deren Erfüllung aufzufordern. Unbeachtlich für die Ermittlung der Rechtsgrundlage zur Klärung einer zwischen der Behörde und einem Anbieter von Pflegeleistungen als möglichem Träger einer stationären Einrichtung umstrittenen Rechtsfrage zur Einordnung einer Wohngemeinschaft ist dabei, ob diese Klärung unmittelbar dem Schutz der Bewohner dient oder ob sie dauerhaft sein kann. Dass das WTG LSA nicht mehr - wie noch das HeimG a.F. in seinem bis 12. Februar 1997 geltenden § 6 - eine Erlaubnispflicht für stationäre Einrichtungen vorsieht, steht dem ebenfalls nicht entgegen. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem zu dem HeimG a.F. ergangenen Beschluss v. 2. Juli 1991 (- 1 B 64.91 -, zit. nach JURIS) maßgeblich auch auf die Anzeigepflicht nach § 7 HeimG a.F. und auf die zu einer vergleichbaren Anzeigeregelung in § 14 Abs. 1 GewO ergangene Rechtsprechung abgestellt.

25

Maßgeblicher Zeitpunkt für die gerichtliche Überprüfung ist der Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Feststellungsbescheides (vgl. VG Gelsenkirchen, Urt. v. 15. Januar 2014 - 10 K 2661/12 -, zit. nach JURIS; VG Dresden, Urt. v. 11. Oktober 2014, a.a.O.; wohl auch OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 9. Juli 2013, a.a.O.).

26

Im Rahmen einer Anfechtungsklage ist vorbehaltlich abweichender Regelungen des materiellen Rechts in der Regel der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung maßgeblich (vgl. BVerwG, Urt. v. 11. Juli 2011 - 8 C 12/10 -; Beschl. v. 4. Juli 2006 - 5 B 90/05 -, jeweils zit. nach JURIS). Ist im Lichte des materiellen Fachrechts davon auszugehen, dass die der Feststellung zugrundeliegende Sachlage keinen Veränderungen unterliegen wird, kommt der Feststellung allerdings ein fortwährender Regelungsgehalt und damit eine Dauerwirkung zu mit der Folge, dass - wiederum vorbehaltlich abweichender Regelungen des Fachrechts - für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit maßgeblich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ist (vgl. auch BVerwG, Urt. v. 11. Juli 2011, a.a.O.; OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 10. November 2014 - 13 A 1973/13 -, zit. nach JURIS, m.w.N.). Es kann aber nach den Vorgaben des WTG LSA nicht hinreichend sicher davon ausgegangen werden, dass die Wohn- und Betreuungssituation, anhand derer sich bestimmt, ob eine stationäre Einrichtung im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 WTG LSA vorliegt, voraussichtlich statisch bleibt und keinen relevanten Veränderungen unterliegt. Mit solchen relevanten Veränderungen muss nach Erlass eines Feststellungsbescheides vielmehr jederzeit gerechnet werden (vgl. dazu OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 9. Juli 2013, a.a.O.). Eine Auslegung des angefochtenen Bescheids dahingehend, dass die Feststellung nicht auf einen bestimmten Zeitpunkt abstellt, sondern - gleichbleibende Verhältnisse unterstellt - auf Dauer angelegt ist und deshalb den Charakter eines Dauerverwaltungsakts hat (vgl. dazu VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 12. September 2003, a.a.O.; VG Leipzig, Urt. v. 31. Mai 2011 - 5 K 1062/09 -, zit. nach JURIS zum HeimG), ist auf Grund der Besonderheiten des zugrundeliegenden Rechtsverhältnisses ausgeschlossen. Es kann daher offen bleiben, ob der streitbefangene Feststellungsbescheid überhaupt nach dem objektiven Empfängerhorizont nicht nur für den Zeitpunkt des Zugangs, sondern - der Eigenart eines Dauerverwaltungsakts entsprechend - auch für einen hieran anschließenden Zeitraum Geltung beanspruchen sollte.

27

Danach entfaltet die isolierte Feststellung zum Anwendungsbereich des WTG LSA schon auf Grund der Besonderheiten des materiellen Rechts eine verbindliche Regelungswirkung nur für den Zeitpunkt ihres Erlasses. Dies hat zum einen die Folge, dass die Sach- und Rechtslage in diesem Zeitpunkt für die gerichtliche Beurteilung ihrer Rechtmäßigkeit maßgeblich ist und zum anderen, dass einem solchen Feststellungsbescheid im Rahmen einer nachfolgenden Prüfung und Überwachung nach dem WTG LSA sowie des Erlasses entsprechender Maßnahmen keine bindende Wirkung zukommt und somit jeweils eine erneute Prüfung erfolgen muss.

28

Die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 Satz 1 WTG LSA (vgl. auch § 2 Abs. 1 Nr. 1 ThürWTG; § 2 Abs. 1 WTG NRW a.F.) sind zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt nicht in Gänze erfüllt gewesen. Denn die streitbefangene Wohngemeinschaft diente nicht als Teil einer Einrichtung i.S.d. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WTG LSA (auch) dem Zweck, den in der Vorschrift genannten Menschen mit der Wohnraumüberlassung verpflichtend Pflege- oder Betreuungsleistungen zur Verfügung zu stellen oder vorzuhalten.

29

Soweit der Beklagte seine Entscheidung im Verwaltungsverfahren offensichtlich allein darauf gestützt hat, dass die Vorgaben für eine ambulant betreute Wohngemeinschaft i.S.d. § 4 Abs. 1 WTG LSA erfüllt waren, entspricht dieses Vorgehen schon nicht der gesetzlich vorgegebenen Prüfungsreihenfolge. Um eine Wohngemeinschaft als Teil einer stationären Einrichtung anzusehen, müssen insoweit die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 Satz 1 WTG LSA erfüllt sein. Dieser Schluss kann nicht automatisch auf Grund des Nichtvorliegens der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 WTG LSA gezogen werden. § 3 Abs. 1 Satz 1 WTG und § 4 Abs. 1 WTG LSA enthalten eigenständige Tatbestandsmerkmale, die nicht im Sinne eines gegenseitigen Ausschlussverhältnisses aufeinander abgestimmt sind.

30

Eine Verpflichtung i.S.d. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WTG LSA besteht nur dann, wenn eine rechtliche Verbindung zwischen den darin genannten Leistungen gegeben ist, die betroffenen Menschen also auf Grund einer vertraglichen Abrede mit dem Wohnraum auch Pflege- oder Betreuungsleistungen eines bestimmten Anbieters in Anspruch nehmen müssen (vgl. auch OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 9. Juli 2013, a.a.O.). Dies ergibt sich aus der Formulierung „mit der Wohnraumüberlassung verpflichtend“, die gegenüber der Formulierung in dem Gesetzentwurf (LT-Drs 5/2556, S. 6) „ihnen Wohnraum zu überlassen sowie verpflichtend Pflege- und Betreuungsleistungen zur Verfügung zu stellen oder vorzuhalten“ eine Präzisierung darstellt. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WTG LSA unterscheidet dabei nach seinem Wortlaut nicht danach, ob die Wohnraumüberlassung und die Pflege- oder Betreuungsleistungen nur von einem oder von verschiedenen Anbietern erbracht werden. Das Gesetz macht in den §§ 3 ff. WTG LSA entsprechend seiner umfassenden Funktion zum Schutz vor Beeinträchtigungen der Bewohner (vgl. § 1 Abs. 1 WTG LSA) das Maß der behördlichen Kontrolle von dem Grad der (strukturellen) Abhängigkeit der Bewohner von dem jeweiligen Träger der stationären Einrichtung oder sonstigen Wohnform abhängig. Dies führt auch die Begründung des Gesetzentwurfs (LT-Drs 5/2556, S. 31, 47) aus, die weiter darauf verweist, dass bei einer stationären Einrichtung die Abhängigkeit am größten sei, weil die Bewohner sowohl hinsichtlich des Wohnraums, der Pflege- und Betreuungsleistungen und häufig auch der hauswirtschaftlichen Versorgung einschließlich der Verpflegung vom Einrichtungsträger abhängig seien. Es macht aber hinsichtlich der (strukturellen) Abhängigkeit keinen durchgreifenden Unterschied, ob die Leistungserbringung auf mehrere Anbieter aufgeteilt ist, wenn die Bewohner im Verhältnis zu dem Wohnraumanbieter ihren Anbieter von Pflege- oder Betreuungsleistungen nicht frei wählen können. Mit der rechtlichen Verbindung der Leistungen ist untrennbar die Bindung aller Bewohner an einen bestimmten Anbieter der Pflege- oder Betreuungsleistungen gegeben, so dass dann von vornherein keine Wahlfreiheit der Bewohner gegeben ist (vgl. auch LT-Drs 5/2556, S. 47).

31

An einer rechtlichen Verbundenheit der Leistungen "Wohnraumüberlassung" und "Pflege oder Betreuung" fehlt es nach der vertraglichen Ausgestaltung hier. Mit der Überlassung des Wohnraums durch die (...) Vermietungsgesellschaft mbH an die Bewohner ist keine Verpflichtung verbunden, bestimmte Pflege- oder Betreuungsleistungen in Anspruch zu nehmen. Der Mietvertrag sieht nur ein Servicepaket mit Grundleistungen des Vermieters vor, welche nicht als Pflege- und Betreuungsleistungen anzusehen sind. Die Wahlleistungen im Rahmen eines separaten Servicevertrages sind nicht schon verpflichtend. Auf Grund der rechtlichen Trennung der Vertragsverhältnisse können die Bewohner daher den Pflege- oder Betreuungsanbieter jederzeit wechseln, ohne zugleich ihre Wohnung verlassen zu müssen.

32

Ohne Erfolg stellt der Beklagte darauf ab, eine Verpflichtung liege deshalb vor, weil die Wohngemeinschaftsvereinbarung bestimme, dass die Bewohner sich in einer Mehrheitsentscheidung auf einen Anbieter einigen und neue Bewohner dem beitreten müssten. Grundlage dieser Verpflichtung ist nicht die Wohnraumüberlassung. § 3 Abs. 1 Nr. 1 WTG LSA bezieht sich allein auf das Verhältnis der Bewohner zu demjenigen, der den Wohnraum überlässt. Dass die Wahlfreiheit im Verhältnis zu den anderen Bewohnern eingeschränkt ist, führt daher nicht zur Annahme einer stationären Einrichtung. Dementsprechend entscheiden bei einer selbstorganisierten Wohngemeinschaft nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 WTG LSA über die Pflege und Betreuung die Bewohner oder deren gesetzliche Vertreter. In der Begründung des Gesetzentwurfs wird ausdrücklich festgestellt, dass es dabei vielfach um die „kollektive Wahlfreiheit und Mehrheitsentscheidung“ der Bewohner zur eigenverantwortlichen Regelung aller die Wohngemeinschaft betreffenden Angelegenheiten gehe (LT-Drs 5/2556, S. 50).

33

Dass die Betroffenen nicht mehr in der  sind, über ihre Unterbringung, Versorgung sowie Pflege und Betreuung selbst zu entscheiden, hat ebenso wenig zwingend zur Folge, dass sie nur in einer stationären Einrichtung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 WTG LSA untergebracht sein können, wie der Umstand, dass sie eine Rund-um-die-Uhr Betreuung benötigen ( gelassen von OVG Sachsen, Beschl. v. 7. Oktober 2014 - 5 A 115/14 - und VG Leipzig, Urt. v. 31. Mai 2011 - 5 K 1062/09 -, jeweils zit. nach JURIS zum HeimG, m.w.N.). Einen solchen Automatismus sieht § 3 Abs. 1 Satz 1 WTG LSA nicht vor. Im Übrigen enthält auch § 4 Abs. 1 Satz 1 WTG LSA hinsichtlich der Vorgaben an ambulant betreute Wohngemeinschaften keine derartigen Beschränkungen. Vielmehr wird in § 5 Abs. 1 Satz 2 WTG LSA bei den selbstbestimmten Wohngemeinschaften gerade auch auf die Entscheidungsbefugnisse der gesetzlichen Vertreter der Bewohner abgestellt.

34

Ebenfalls unbeachtlich für die Prüfung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 WTG LSA ist, ob die Klägerin auf Grund ihrer Expertise sowie der Krankheitsbilder der Bewohner möglicherweise in C-Stadt - was von Klägerin und Beigeladener zudem bestritten wird - der einzige in Betracht kommende Pflegedienstleister ist. Dieser Umstand hat mit der Wohnraumüberlassung nichts zu tun.

35

Schließlich liegt eine Verpflichtung i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 1 WTG LSA im Gegensatz zur Auffassung des Verwaltungsgerichts auch dann nicht vor, wenn der rechtliche Rahmen der Vermietung im Übrigen und/oder die tatsächlichen Verhältnisse so gestaltet sind, dass die Bewohner der Räumlichkeiten der Wohngemeinschaft mit der Wohnraumüberlassung faktisch Pflege- oder Betreuungsleistungen eines bestimmten Dienstleisters in Anspruch nehmen müssen. Zwar mag der Wortlaut der Formulierung „mit der Wohnraumüberlassung verpflichtend“ bei einer weiten Auslegung auch noch eine derartige faktische Verpflichtung erfassen. Dem stehen aber schon die Entstehungsgeschichte des Gesetzes sowie dessen Systematik entgegen. Trotz der bereits unter der Geltung des Heimgesetzes aufgetretenen Schwierigkeiten bei der Abgrenzung von ambulant betreuten Wohngemeinschaften zu Heimen (vgl. z.B. VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 6. Juli 2001 - 8 S 717/01 -, zit. nach JURIS) hat der Landesgesetzgeber auf eine umfassend zu verstehende Formulierung verzichtet. Vielmehr hat er eine tatsächliche Einschränkung der freien Wählbarkeit der Pflege- und Betreuungsleistungen nur im Rahmen der Unterscheidung von selbstbestimmten und nicht selbstbestimmten ambulant betreuten Wohngemeinschaften berücksichtigt (vgl. § 4 Abs. 2 WTG LSA), anstatt insoweit § 3 WTG LSA - wie es andere Landesgesetzgeber hinsichtlich der Definition einer stationären Einrichtung getan haben (vgl. z.B. § 3 Abs. 2 WTPG BW) - zu ergänzen. Darüber hinaus muss nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WTG LSA gerade eine Zweckbestimmung hinsichtlich der Verknüpfung von Wohnraumüberlassung mit dem Zur-Verfügung-Stellen bzw. Vorhalten von Pflege- oder Betreuungsleistungen vorliegen. Eine faktische Verpflichtung erfüllt im Gegensatz zu einer rechtlichen Verpflichtung diese Voraussetzung nicht ohne weiteres, so dass - was ebenfalls gegen eine weite Auslegung spricht - zusätzliche Aufklärungsmaßnahmen hinsichtlich der Vorstellungen desjenigen notwendig wären, der den Wohnraum überlässt. Aus dem Sinn und Zweck des Gesetzes ergibt sich nichts anderes. Die umfassende Schutzfunktion des WTG LSA steht der hier vertretenen Auslegung nicht entgegen, da auch bei anderen Wohnformen (vgl. § 4 Abs. 2 Satz 6 i.V.m. §§ 20 ff. WTG LSA) noch erhebliche Kontroll- und Eingriffsbefugnisse der zuständigen Behörde bestehen können.

36

Im Übrigen dürfte selbst bei Zugrundelegung des vom Verwaltungsgericht gewählten Maßstabs und des Vorliegens einer faktischen Verpflichtung der Mitglieder der Wohngemeinschaft zur Beauftragung des ambulanten Pflegedienstes der Klägerin fraglich sein, ob eine entsprechende Zweckbestimmung vorlag. Denn es gibt keinerlei Anhaltspunkte, dass der Vermieter des Wohnraums, die (...) Vermietungsgesellschaft mbH, eine Bindung der Bewohner an den Pflegedienst der Klägerin beabsichtigte.

37

Es kann danach offen bleiben, ob eine stationäre Einrichtung nach § 3 Abs. 1 WTG LSA als „Einrichtung“ nur dann vorliegt, wenn auch die freie Wählbarkeit sonstiger Unterstützungsleistungen, insbesondere der hauswirtschaftlichen Versorgung, eingeschränkt ist (vgl. dazu § 3 Abs. 1 WTPG BW; vgl. auch die Begründung des Gesetzentwurfs zum WTG LSA, LT-Drs 5/2556, S. 31 einerseits und LT-Drs 5/2556, S. 47 andererseits).

38

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, dass die Beigeladene ihre außergerichtlichen Kosten nicht selbst trägt, weil sie einen Antrag gestellt und sich somit in ein Kostenrisiko begeben hat.

39

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

40

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) liegen nicht vor.


ra.de-Urteilsbesprechung zu Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Urteil, 10. Feb. 2015 - 4 L 51/14

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Urteil, 10. Feb. 2015 - 4 L 51/14

Referenzen - Gesetze

Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Urteil, 10. Feb. 2015 - 4 L 51/14 zitiert 9 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 132


(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulas

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 65


(1) Das Gericht kann, solange das Verfahren noch nicht rechtskräftig abgeschlossen oder in höherer Instanz anhängig ist, von Amts wegen oder auf Antrag andere, deren rechtliche Interessen durch die Entscheidung berührt werden, beiladen. (2) Sind

Gewerbeordnung - GewO | § 14 Anzeigepflicht; Verordnungsermächtigung


(1) Wer den selbständigen Betrieb eines stehenden Gewerbes, einer Zweigniederlassung oder einer unselbständigen Zweigstelle anfängt, muss dies der zuständigen Behörde gleichzeitig anzeigen. Das Gleiche gilt, wenn1.der Betrieb verlegt wird,2.der Gegen

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Urteil, 10. Feb. 2015 - 4 L 51/14 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).

Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Urteil, 10. Feb. 2015 - 4 L 51/14 zitiert 3 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Urteil, 10. Nov. 2014 - 13 A 1973/13

bei uns veröffentlicht am 10.11.2014

Tenor Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 27. Juni 2013 geändert. Der Bescheid der Bundesnetzagentur vom 19. Januar 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1. Dezember 2011 wird aufgehoben. Die Be

Verwaltungsgericht Gelsenkirchen Urteil, 15. Jan. 2014 - 10 K 2661/12

bei uns veröffentlicht am 15.01.2014

Tenor Der Bescheid des Beklagten vom 2. Mai 2012 wird aufgehoben. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung

Bundesverwaltungsgericht Urteil, 11. Juli 2011 - 8 C 12/10

bei uns veröffentlicht am 11.07.2011

Tatbestand 1 Der Kläger wendet sich gegen eine Untersagungsverfügung wegen unerlaubten Glücksspiels. Er ist Geschäftsführer der Firma W. ... GmbH, die in I. u.a. eine An

Referenzen

(1) Das Gericht kann, solange das Verfahren noch nicht rechtskräftig abgeschlossen oder in höherer Instanz anhängig ist, von Amts wegen oder auf Antrag andere, deren rechtliche Interessen durch die Entscheidung berührt werden, beiladen.

(2) Sind an dem streitigen Rechtsverhältnis Dritte derart beteiligt, daß die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann, so sind sie beizuladen (notwendige Beiladung).

(3) Kommt nach Absatz 2 die Beiladung von mehr als fünfzig Personen in Betracht, kann das Gericht durch Beschluß anordnen, daß nur solche Personen beigeladen werden, die dies innerhalb einer bestimmten Frist beantragen. Der Beschluß ist unanfechtbar. Er ist im Bundesanzeiger bekanntzumachen. Er muß außerdem in Tageszeitungen veröffentlicht werden, die in dem Bereich verbreitet sind, in dem sich die Entscheidung voraussichtlich auswirken wird. Die Bekanntmachung kann zusätzlich in einem von dem Gericht für Bekanntmachungen bestimmten Informations- und Kommunikationssystem erfolgen. Die Frist muß mindestens drei Monate seit Veröffentlichung im Bundesanzeiger betragen. In der Veröffentlichung in Tageszeitungen ist mitzuteilen, an welchem Tage die Frist abläuft. Für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Versäumung der Frist gilt § 60 entsprechend. Das Gericht soll Personen, die von der Entscheidung erkennbar in besonderem Maße betroffen werden, auch ohne Antrag beiladen.

(4) Der Beiladungsbeschluß ist allen Beteiligten zuzustellen. Dabei sollen der Stand der Sache und der Grund der Beiladung angegeben werden. Die Beiladung ist unanfechtbar.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Wer den selbständigen Betrieb eines stehenden Gewerbes, einer Zweigniederlassung oder einer unselbständigen Zweigstelle anfängt, muss dies der zuständigen Behörde gleichzeitig anzeigen. Das Gleiche gilt, wenn

1.
der Betrieb verlegt wird,
2.
der Gegenstand des Gewerbes gewechselt oder auf Waren oder Leistungen ausgedehnt wird, die bei Gewerbebetrieben der angemeldeten Art nicht geschäftsüblich sind,
2a.
der Name des Gewerbetreibenden geändert wird oder
3.
der Betrieb aufgegeben wird.
Steht die Aufgabe des Betriebes eindeutig fest und ist die Abmeldung nicht innerhalb eines angemessenen Zeitraums erfolgt, kann die Behörde die Abmeldung von Amts wegen vornehmen.

(2) Absatz 1 gilt auch für den Handel mit Arzneimitteln, mit Losen von Lotterien und Ausspielungen sowie mit Bezugs- und Anteilscheinen auf solche Lose und für den Betrieb von Wettannahmestellen aller Art.

(3) Wer die Aufstellung von Automaten jeder Art als selbständiges Gewerbe betreibt, muss die Anzeige bei der zuständigen Behörde seiner Hauptniederlassung erstatten. Der Gewerbetreibende ist verpflichtet, zum Zeitpunkt der Aufstellung des Automaten den Familiennamen mit mindestens einem ausgeschriebenen Vornamen, seine ladungsfähige Anschrift sowie die Anschrift seiner Hauptniederlassung an dem Automaten sichtbar anzubringen. Gewerbetreibende, für die eine Firma im Handelsregister eingetragen ist, haben außerdem ihre Firma in der in Satz 2 bezeichneten Weise anzubringen. Ist aus der Firma der Familienname des Gewerbetreibenden mit einem ausgeschriebenen Vornamen zu ersehen, so genügt die Anbringung der Firma.

(4) Die Finanzbehörden haben den zuständigen Behörden die nach § 30 der Abgabenordnung geschützten Daten von Unternehmern im Sinne des § 5 des Gewerbesteuergesetzes mitzuteilen, wenn deren Steuerpflicht nach dem Gewerbesteuergesetz erloschen ist; mitzuteilen sind

1.
der Name,
2.
die betriebliche Anschrift,
3.
die Rechtsform,
4.
der amtliche Gemeindeschlüssel,
5.
die Wirtschaftsidentifikationsnummer nach § 139c der Abgabenordnung und, soweit vorhanden, das Unterscheidungsmerkmal nach § 139c Absatz 5a der Abgabenordnung sowie
6.
der Tag, an dem die Steuerpflicht endete.
Absatz 5 Satz 1 gilt entsprechend.

(5) Die erhobenen Daten dürfen nur für die Überwachung der Gewerbeausübung sowie statistische Erhebungen verarbeitet werden. Der Name, der Name des Geschäfts (Geschäftsbezeichnung), die betriebliche Anschrift und die angezeigte Tätigkeit des Gewerbetreibenden dürfen allgemein zugänglich gemacht werden.

(6) Öffentlichen Stellen, soweit sie nicht als öffentlich-rechtliche Unternehmen am Wettbewerb teilnehmen, dürfen der Zweckbindung nach Absatz 5 Satz 1 unterliegende Daten übermittelt werden, soweit

1.
eine regelmäßige Datenübermittlung nach Absatz 8 zulässig ist,
2.
die Kenntnis der Daten zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder erheblicher Nachteile für das Gemeinwohl erforderlich ist oder
3.
der Empfänger die Daten beim Gewerbetreibenden nur mit unverhältnismäßigem Aufwand erheben könnte oder von einer solchen Datenerhebung nach der Art der Aufgabe, für deren Erfüllung die Kenntnis der Daten erforderlich ist, abgesehen werden muss und kein Grund zu der Annahme besteht, dass das schutzwürdige Interesse des Gewerbetreibenden überwiegt.
Für die Weitergabe von Daten innerhalb der Verwaltungseinheiten, denen die für die Entgegennahme der Anzeige und die Überwachung der Gewerbeausübung zuständigen Behörden angehören, gilt Satz 1 entsprechend.

(7) Öffentlichen Stellen, soweit sie als öffentlich-rechtliche Unternehmen am Wettbewerb teilnehmen, und nichtöffentlichen Stellen dürfen der Zweckbindung nach Absatz 5 Satz 1 unterliegende Daten übermittelt werden, wenn der Empfänger ein rechtliches Interesse an der Kenntnis der zu übermittelnden Daten glaubhaft macht und kein Grund zu der Annahme besteht, dass das schutzwürdige Interesse des Gewerbetreibenden überwiegt.

(8) Die zuständige Behörde übermittelt, sofern die empfangsberechtigte Stelle auf die regelmäßige Datenübermittlung nicht verzichtet hat, Daten aus der Gewerbeanzeige regelmäßig an

1.
die Industrie- und Handelskammer zur Wahrnehmung der in den §§ 1, 3 und 5 des Gesetzes zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern genannten sowie der nach § 1 Abs. 4 desselben Gesetzes übertragenen Aufgaben,
2.
die Handwerkskammer zur Wahrnehmung der in § 91 der Handwerksordnung genannten, insbesondere der ihr durch die §§ 6, 19 und 28 der Handwerksordnung zugewiesenen und sonstiger durch Gesetz übertragener Aufgaben,
3.
die für den Immissionsschutz zuständige Landesbehörde zur Durchführung arbeitsschutzrechtlicher sowie immissionsschutzrechtlicher Vorschriften,
3a.
die für den technischen und sozialen Arbeitsschutz, einschließlich den Entgeltschutz nach dem Heimarbeitsgesetz zuständige Landesbehörde zur Durchführung ihrer Aufgaben,
4.
die nach Landesrecht zuständige Behörde zur Wahrnehmung der Aufgaben, die im Mess- und Eichgesetz und in den auf Grund des Mess- und Eichgesetzes ergangenen Rechtsverordnungen festgelegt sind,
5.
die Bundesagentur für Arbeit zur Wahrnehmung der in § 405 Abs. 1 in Verbindung mit § 404 Abs. 2 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch sowie der im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz genannten Aufgaben,
6.
die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung e. V. ausschließlich zur Weiterleitung an die zuständige Berufsgenossenschaft für die Erfüllung der ihr durch Gesetz übertragenen Aufgaben,
7.
die Behörden der Zollverwaltung zur Wahrnehmung der ihnen nach dem Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz, nach § 405 Abs. 1 in Verbindung mit § 404 Abs. 2 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch sowie nach dem Arbeitnehmer-überlassungsgesetz obliegenden Aufgaben,
8.
das Registergericht, soweit es sich um die Abmeldung einer im Handels- und Genossenschaftsregister eingetragenen Haupt- oder Zweigniederlassung handelt, für Maßnahmen zur Herstellung der inhaltlichen Richtigkeit des Handelsregisters gemäß § 388 Absatz 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit oder des Genossenschaftsregisters gemäß § 160 des Gesetzes betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften,
9.
die statistischen Ämter der Länder zur Führung des Statistikregisters nach § 1 Abs. 1 Satz 1 des Statistikregistergesetzes in den Fällen des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1 und 2,
10.
die nach Landesrecht zuständigen Behörden zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben nach dem Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände-, Futtermittel-, Tabak-, Tiergesundheits- und Tierschutzrecht,
11.
die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See zum Einzug und zur Vollstreckung der einheitlichen Pauschsteuer nach § 40a Absatz 2 des Einkommensteuergesetzes,
12.
die Ausländerbehörden zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben nach dem Aufenthaltsgesetz,
13.
die nach § 22 der Abgabenordnung zuständigen Finanzämter, unbeschadet des § 138 der Abgabenordnung,
14.
die für die Erlaubnisverfahren nach diesem Gesetz zuständigen Behörden.
Die Übermittlung der Daten ist auf das zur Wahrnehmung der in Satz 1 bezeichneten Aufgaben Erforderliche zu beschränken. Sind die Daten derart verbunden, dass ihre Trennung nach erforderlichen und nicht erforderlichen Daten nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand möglich ist, sind auch die Kenntnisnahme, die Weitergabe innerhalb der datenverarbeitenden Stelle und die Übermittlung der Daten, die nicht zur Erfüllung der jeweiligen Aufgaben erforderlich sind, zulässig, soweit nicht schutzwürdige Belange der betroffenen Personen oder Dritter überwiegen. Die nicht erforderlichen Daten unterliegen insoweit einem Verwertungsverbot.

(9) Darüber hinaus sind Übermittlungen der nach den Absätzen 1 bis 4 erhobenen Daten nur zulässig, soweit die Kenntnis der Daten zur Verfolgung von Straftaten erforderlich ist oder eine besondere Rechtsvorschrift dies vorsieht.

(10) Die Einrichtung eines automatisierten Verfahrens, das den Abruf von Daten aus der Gewerbeanzeige ermöglicht, ist nur zulässig, wenn technisch sichergestellt ist, dass

1.
die abrufende Stelle die bei der zuständigen Stelle gespeicherten Daten nicht verändern kann und
2.
ein Abruf durch eine in Absatz 7 genannte Stelle nur möglich ist, wenn die abrufende Stelle entweder den Namen des Gewerbetreibenden oder die betriebliche Anschrift des Gewerbetreibenden angegeben hat; der Abruf von Daten unter Verwendung unvollständiger Abfragedaten oder die Suche mittels einer Ähnlichenfunktion kann zugelassen werden.

(11) Die Einrichtung eines automatisierten Verfahrens, das den Abruf von Daten ermöglicht, die der Zweckbindung nach Absatz 5 Satz 1 unterliegen, ist nur zulässig, soweit

1.
dies wegen der Häufigkeit oder der Eilbedürftigkeit der Abrufe und unter Berücksichtigung der schutzwürdigen Interessen der Gewerbetreibenden angemessen ist,
2.
die zum Abruf bereitgehaltenen Daten ihrer Art nach für die Aufgaben oder Geschäftszwecke des Empfängers erforderlich sein können und
3.
technisch sichergestellt ist, dass Daten durch andere als die in Absatz 8 genannten Stellen nur abgerufen werden können, wenn dabei der Verarbeitungszweck, für den der Abruf erfolgt, sowie das Aktenzeichen oder eine andere Bezeichnung des Vorgangs, für den der Abruf erfolgt, angegeben wird.
Die Datenempfänger sowie die Verarbeitungszwecke, für die Abrufe zugelassen werden, sind vom Leiter der Verwaltungseinheit festzulegen. Die zuständige Stelle protokolliert die Abrufe einschließlich der angegebenen Verarbeitungszwecke und Vorgangsbezeichnungen. Die Protokolle müssen die Feststellung der für die einzelnen Abrufe verantwortlichen Personen ermöglichen. Eine mindestens stichprobenweise Protokollauswertung ist durch die speichernde Stelle zu gewährleisten. Die Protokolldaten dürfen nur zur Kontrolle der Zulässigkeit der Abrufe verarbeitet werden und sind nach sechs Monaten zu löschen.

(12) Daten, die der Zweckbindung nach Absatz 5 Satz 1 unterliegen, darf der Empfänger nur für den Zweck verarbeiten, zu dessen Erfüllung sie ihm übermittelt werden.

(13) Über die Gewerbeanzeigen nach Absatz 1 Satz 1 und 2 Nr. 3 werden monatliche Erhebungen als Bundesstatistik durchgeführt. Die Statistik nach Satz 1 soll als Informationsgrundlage für die Wirtschafts-, Wettbewerbs- und Strukturpolitik dienen. Für die Erhebungen besteht Auskunftspflicht. Auskunftspflichtig sind die Anzeigepflichtigen, die die Auskunftspflicht durch Erstattung der Anzeige erfüllen. Die zuständige Behörde übermittelt aus den Gewerbeanzeigen monatlich die Daten als Erhebungs- oder Hilfsmerkmale an die statistischen Ämter der Länder, die zur Führung der Statistik nach Satz 1 erforderlich sind. Die statistischen Ämter der Länder dürfen die Angaben zum eingetragenen Namen des Betriebes mit Rechtsform und zum Namen des Betriebsinhabers für die Bestimmung der Rechtsform bis zum Abschluss der nach § 12 Abs. 1 des Bundesstatistikgesetzes vorgesehenen Prüfung auswerten. Ferner dürfen sie nähere Angaben zu der angemeldeten Tätigkeit unmittelbar bei den Auskunftspflichtigen erfragen, soweit die gemeldete Tätigkeit sonst den Wirtschaftszweigen nach Anhang I der Verordnung (EG) Nr. 1893/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 zur Aufstellung der statistischen Systematik der Wirtschaftszweige NACE Revision 2 und zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 3037/90 des Rates sowie einiger Verordnungen der EG über bestimmte Bereiche der Statistik (ABl. EU Nr. L 393 S. 1) in der jeweils geltenden Fassung nicht zugeordnet werden kann.

(14) Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz erlässt mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung zur Gewährleistung der ordnungsgemäßen Erfüllung der Anzeigepflicht nach Absatz 1, zur Regelung der Datenübermittlung nach Absatz 8 sowie zur Führung der Statistik nach Absatz 13 nähere Vorschriften. Die Rechtsverordnung

1.
bestimmt insbesondere, welche erforderlichen Informationen in den Anzeigen nach Absatz 1 anzugeben sind,
2.
kann die Verwendung von Vordrucken zur Anzeige eines Gewerbes anordnen, die Gestaltung der Vordrucke durch Muster festlegen und Vorgaben treffen, wie und in welcher Anzahl die Vordrucke auszufüllen sind,
3.
kann Rahmenvorgaben für die elektronische Datenverarbeitung und -übermittlung festlegen,
4.
bestimmt, welche Daten zur Aufgabenwahrnehmung der in Absatz 8 Satz 1 bezeichneten Stellen erforderlicherweise zu übermitteln sind, und
5.
bestimmt, welche Daten als Erhebungs- und Hilfsmerkmale für die Statistik nach Absatz 13 Satz 1 an die statistischen Ämter der Länder zu übermitteln sind.

Tenor

Der Bescheid des Beklagten vom 2. Mai 2012 wird aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.


1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen eine Untersagungsverfügung wegen unerlaubten Glücksspiels. Er ist Geschäftsführer der Firma W. ... GmbH, die in I. u.a. eine Annahmestelle für Sportwetten mit festen Gewinnquoten betrieb. Sie vermittelte Wetten an die Firma P. GmbH mit Sitz in Österreich sowie an die Firma I. ... mit Sitz in Großbritannien, die nach Angaben des Klägers in ihren Heimatländern zum Abschluss und zur Vermittlung von Wetten konzessioniert sind. Mit Verfügung vom 23. Februar 2005 untersagte die Beklagte dem Kläger unter Anordnung des Sofortvollzugs und unter Androhung von Zwangsgeld, im Geschäftslokal der Firma W. ... GmbH in I. Sportwetten zu vermitteln, und gab ihm auf, die untersagte Tätigkeit unverzüglich einzustellen. Zur Begründung hieß es, dass die Vermittlung von Sportwetten ohne Erlaubnis verboten sei und daher eine Störung der öffentlichen Sicherheit darstelle, gegen welche die Polizeibehörde einschreiten könne. Den Widerspruch des Klägers wies das Landratsamt R. mit Bescheid vom 12. Juni 2006 zurück.

2

Die hiergegen erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 26. November 2007 abgewiesen. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Berufung des Klägers mit Beschluss vom 1. April 2010 zurückgewiesen. Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt:

3

Die Untersagungsverfügung sei ein Dauerverwaltungsakt. Für die Beurteilung maßgeblich sei damit die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung. Die Untersagungsverfügung habe sich für die Zeiträume vor dem 1. Januar 2009 durch Zeitablauf erledigt. Der Kläger habe seinen Anfechtungsantrag insoweit nicht auf einen Feststellungsantrag umgestellt.

4

Rechtsgrundlage der Untersagungsverfügung sei §§ 1, 3 des Polizeigesetzes, nunmehr in Verbindung mit dem Glücksspielstaatsvertrag (GlüStV). Der Kläger habe keine Erlaubnis für eine Vermittlungstätigkeit und könne wegen des staatlichen Monopols auch keine Erlaubnis erhalten. Das staatliche Monopol sei verfassungsgemäß. Der Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG sei verhältnismäßig. Der Gesetzgeber habe mit der Errichtung des staatlichen Monopols ein geeignetes und erforderliches Mittel gewählt, um die gesetzten Ziele zu erreichen. Das Monopol sei in materiellrechtlicher und organisatorischer Hinsicht konsequent am Ziel der Begrenzung der Spielleidenschaft und Wettsucht ausgerichtet. Die Erzielung von Einnahmen sei nicht Gesetzeszweck.

5

Der Gesetzgeber habe ausreichende inhaltliche Kriterien zu Art und Zuschnitt der Sportwetten sowie zu ihrer Vermarktung im Glücksspielstaatsvertrag festgelegt. Wetten seien nur als Kombinationswetten oder Einzelwetten auf den Spielausgang erlaubt. Wetten über das Internet seien nicht gestattet. Diese Vorschriften dienten dem Spielerschutz. Der Glücksspielstaatsvertrag enthalte die erforderlichen wesentlichen Vorschriften zur Vertriebsstruktur. Alle Annahmestellen und Vermittler bedürften der Erlaubnis. Die Vertriebswege seien so ausgewählt und eingerichtet, dass der Spieler- und Jugendschutz gewährleistet sei und der Eindruck vermieden werde, bei der Wettabgabe handele es sich um ein Gut des täglichen Lebens. Das staatliche Angebot über Zeitschriften- und Tabakläden zu vertreiben, vermeide eine Wettabgabe in Anonymität und erleichtere die Information der Spieler. Die Kundenkarte diene dem Spielerschutz. Die Mitarbeiter in den Annahmestellen würden im Hinblick auf problematisches Suchtverhalten geschult. Auch würden Sozialkonzepte kontinuierlich evaluiert. Die Werbung stehe mit den Zielen des Glücksspielstaatsvertrages in Einklang. Eine allgemeine Imagewerbung für den Deutschen Toto- und Lottoblock sei zulässig. Ein gewisser Umfang an Werbung sei erforderlich, um eine Kanalisierung der Spielleidenschaft zu bewirken. Es bestehe auch kein strukturelles Vollzugsdefizit im Hinblick auf die Suchtprävention und den Jugendschutz.

6

Das Monopol verstoße nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz. Der Gleichheitssatz binde jeden Träger der öffentlichen Gewalt nur in seinem Zuständigkeitsbereich. Pferdewetten und das Aufstellen, die Zulassung und der Betrieb von Geldspielautomaten fielen nicht in den Zuständigkeitsbereich des Landesgesetzgebers und seien deshalb als Vergleichsmaßstab nicht heranzuziehen. Bezüglich der Spielbanken liege kein Verstoß gegen den Gleichheitssatz vor, weil der Gesetzgeber unterschiedliche Ausgangslagen vorgefunden habe und der Glücksspielstaatsvertrag in wesentlichen Bereichen auch auf Spielbanken anwendbar sei.

7

Das Monopol sei auch mit Unionsrecht vereinbar. Tangiert sei die Dienstleistungs- oder die Niederlassungsfreiheit. Zwingende Gründe des Allgemeininteresses rechtfertigten das Monopol, wobei die Festlegung des Schutzniveaus Sache des Mitgliedstaates sei. Der Gesetzgeber müsse das gesteckte Ziel nicht im gesamten Glücksspielbereich in kohärenter und systematischer Weise verfolgen, sondern nur im Bereich der Sportwetten. Das Kohärenzgebot werde durch die noch von der DDR erteilten Gewerbeerlaubnisse nicht in Frage gestellt. Diese beruhten auf Alt-Rechten und führten nicht zu einer Ausweitung des Sportwettenangebots. Die Länder strebten an, diese Erlaubnisse zum Erlöschen zu bringen. Das gemeinschaftsrechtliche Kohärenzgebot werde auch erfüllt, wenn dieses eine kohärente Glücksspielpolitik insgesamt erfordere. Die Erteilung von Buchmacherkonzessionen sei nicht inkohärent. Diese spielten im Verhältnis zum gesamten Glücksspielbereich nur eine sehr untergeordnete Rolle und machten nach Angaben der Bundesregierung nur 0,5 % des Glücksspielmarktes aus. Für das Spielen in Casinos enthalte das Spielbankengesetz für Baden-Württemberg erhebliche Begrenzungen und Maßgaben zum Spielerschutz. Auch bezüglich der Spielbanken anderer Länder bestünden keine Bedenken hinsichtlich einer konsistenten bereichsübergreifenden Glücksspielpolitik. Dasselbe gelte für das Automatenspiel.

8

Mit der Revision rügt der Kläger, die angefochtenen Bescheide seien gegen den falschen Adressaten gerichtet. Zudem verletze der Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Art. 12 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG sowie die Dienstleistungsfreiheit nach Art. 56 Abs. 1 AEUV. Das staatliche Sportwettenmonopol verstoße gegen die grundrechtlich geschützte Berufsfreiheit. Die gesetzlichen Regelungen über Art und Zuschnitt der im staatlichen Monopol vertriebenen Sportwetten, Vertriebsstruktur und Werbung ließen keine konsequente Ausrichtung am Spieler- und Jugendschutz erkennen. Ferner sei offenkundig, ein strukturelles Vollzugsdefizit bei der Vermarktung der staatlichen Sportwetten gegeben, das eine Rechtfertigung des Grundrechtseingriffs ebenfalls ausschließe. Das Gebot der Verhältnismäßigkeit verlange des Weiteren, dass staatliches Handeln widerspruchsfrei sei. Daran fehle es, weil eine harmonisierte, einheitliche Glücksspielpolitik, die Pferdewetten, Spielbanken sowie das gewerbliche Automatenspiel einbeziehe, nicht ersichtlich sei. Die ungleiche Ausgestaltung der verschiedenen Glücksspielbereiche begründe zudem einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Aus der inkohärenten Glücksspielpolitik des Staates ergebe sich auch eine Verletzung der unionsrechtlich garantierten Dienstleistungsfreiheit. Das Erfordernis der Kohärenz verlange, dass das Sportwettenmonopol in seiner rechtlichen und tatsächlichen Ausgestaltung mit Blick auch auf andere Glückspielbereiche geeignet sei, das mit der Monopolregelung angestrebte Ziel des Spieler- und Jugendschutzes und der Spielsuchtbekämpfung zu erreichen. Das sei nicht der Fall. Die föderale Zuständigkeitsverteilung könne eine sektorenbeschränkte Betrachtung nicht rechtfertigen.

9

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 26. November 2007 und den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 1. April 2010 zu ändern

und den Bescheid der Beklagten vom 23. Februar 2005 sowie den Widerspruchsbescheid des Landratsamts R. vom 12. Juni 2006 aufzuheben.

10

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

11

Er verteidigt das angegriffene Urteil. Ein staatliches Glücksspielmonopol sei unionsrechtlich auch nach der neuesten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs grundsätzlich zulässig.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision des Klägers ist begründet. Zwar kann er nicht damit gehört werden, dass die angefochtenen Bescheide nicht gegen ihn hätten gerichtet werden dürfen; diese Rüge betrifft kein revisibles Recht (§ 137 Abs. 1 VwGO), sondern nur die Anwendung der polizeirechtlichen Generalklausel, die dem Landesrecht angehört. Der angefochtene Beschluss beruht aber auf einer unzutreffenden Anwendung des Art. 12 Abs. 1 GG und der Art. 49 und 56 AEUV, soweit er ohne Differenzierung nach dem Aussagegehalt davon ausgeht, eine allgemeine Imagewerbung des Monopolanbieters sei verfassungs- und unionsrechtlich unbedenklich. Darüber hinaus beruht er auf der fehlerhaften Annahme, Art. 49 und 56 AEUV erforderten eine Kohärenzprüfung der Monopolregelung nur anhand des betroffenen Glücksspielsektors bezogen auf das jeweilige Bundesland. Da sich der Beschluss auch nicht aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig darstellt, war die Sache an den Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 4 und Abs. 3 Nr. 2 VwGO).

13

1. Der Verwaltungsgerichtshof ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Anfechtungsantrag des Klägers, soweit er die Betriebsuntersagung für die Zeit vor dem 1. Januar 2009 betrifft, unzulässig ist, und der Kläger eine effektive gerichtliche Überprüfung der angefochtenen Bescheide anhand der Rechtslage vor dem 1. Januar 2009 nur über eine Feststellungsklage hätte erreichen können. Da sich die Anfechtung auf ein Unterlassungsgebot bezieht, das sich für den jeweils zurückliegenden Zeitraum erledigt, ist die in der Vergangenheit liegende Sach- und Rechtslage nicht erheblich; der Verwaltungsakt würde nur mit Wirkung ex nunc aufgehoben. Für die Vergangenheit hätte der Kläger nur die Feststellung begehren können, die Behörden seien bis zur Rechtsänderung zum Erlass des Verwaltungsaktes nicht berechtigt gewesen (vgl. Urteil vom 14. Dezember 1994 - BVerwG 11 C 25.93 - BVerwGE 97, 214 <220> = Buchholz 442.151 § 45 StVO Nr. 31; Gerhardt, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand: 1997, § 113 Rn. 34, 83).

14

Für die revisionsrechtliche Beurteilung ist auf die Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats abzustellen.

15

In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist entschieden, dass sich der maßgebliche Zeitpunkt der Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Verwaltungsaktes nicht nach dem Prozessrecht, sondern nach dem jeweiligen materiellen Recht richtet (Urteil vom 14. Dezember 1994 - BVerwG 11 C 25.93 - a.a.O.). Danach ergibt sich für die Anfechtungsklage im Allgemeinen, dass die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung maßgeblich ist, es sei denn, das materielle Recht regelt etwas Abweichendes (Urteil vom 28. Juli 1989 - BVerwG 7 C 39.87 - BVerwGE 82, 260 <261> = Buchholz 442.01 § 13 PBefG Nr. 29). Es ist aber auch anerkannt, dass die Gerichte bei der Beurteilung von Dauerverwaltungsakten die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung jedenfalls dann zu berücksichtigen haben, wenn das materielle Recht nicht die Maßgeblichkeit eines anderen Zeitpunkts bestimmt (Urteil vom 22. Januar 1998 - BVerwG 3 C 6.97 - BVerwGE 106, 141 <143 f.> = Buchholz 418.21 ApBO Nr. 15).

16

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Untersagungsverfügung als Dauerverwaltungsakt eingeordnet und ist durch Auslegung des irrevisiblen Glücksspielstaatsvertrages zu der Einschätzung gekommen, die Untersagungsverfügung müsse sich nach der jeweils aktuellen Rechtslage als rechtmäßig erweisen, da sich aus irrevisiblem Landesrecht kein anderer Zeitpunkt ergebe. An diese Annahme und die sich daran anschließende Einschätzung ist der Senat gebunden (§ 137 Abs. 2 VwGO; vgl. Urteil vom 21. Juni 2006 - BVerwG 6 C 19.06 - BVerwGE 126, 149 Rn. 33 = Buchholz 11 Art. 12 GG Nr. 264).

17

Nichts anderes folgt aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Kammerbeschluss vom 20. März 2009 - 1 BvR 2410/08 - NVwZ 2009, 1221 f.). Danach ist ein Abstellen auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung bei einer "Alt-Verfügung" wie der gegenüber dem Kläger ergangenen Untersagungsverfügung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, solange und soweit daraus nicht gefolgert werden kann, diese stelle sich schon ursprünglich als rechtmäßig dar. Das ist vorliegend der Fall. Die ursprüngliche Rechtmäßigkeit der Untersagungsverfügung ist weder Gegenstand des angegriffenen Urteils noch der Revisionsentscheidung. Auch aus der verfassungsrechtlichen Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) ergibt sich nichts Abweichendes. Mit der prozessualen Möglichkeit, die Rechtmäßigkeit der Untersagungsverfügung für die Zeit vor dem 1. Januar 2009 im Rahmen eines Feststellungsbegehrens überprüfen zu lassen, ist dem Gebot, effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, hinreichend Rechnung getragen (vgl. z.B. BVerfG, Kammerbeschluss vom 8. Februar 2011 - 1 BvR 1946/06 - NVwZ-RR 2011, 405). Dies gilt auch in Ansehung dessen, dass die Beklagte die Untersagungsanordnung infolge des Inkrafttretens des Glücksspielstaatsvertrages auf eine neue Rechtsgrundlage stützt. Der Rechtsschutz nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG ist nicht unzumutbar beschränkt, wenn die Überprüfung der Untersagungsverfügung am Maßstab der neuen Rechtslage durch die Tatsacheninstanz eröffnet ist. Schließlich ist gegen ein Abstellen auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung auch aus Sicht des Unionsrechts nichts zu erinnern.

18

2. Das Revisionsgericht hat seiner Entscheidung nach § 137 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 173 VwGO, § 560 ZPO die berufungsgerichtliche Auslegung und Anwendung des irrevisiblen Glücksspielstaatsvertrages und des dazu erlassenen baden-württembergischen Ausführungsgesetzes vom 4. März 2008 zugrundezulegen und nur zu überprüfen, ob diese mit revisiblem Recht in Einklang stehen. Danach ist davon auszugehen, dass § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV seit dem Inkrafttreten des Glücksspielstaatsvertrages am 1. Januar 2008 die Rechtsgrundlage der streitigen Untersagungsverfügung bildet und dass die vom Kläger vermittelten Sportwetten als Glücksspiele anzusehen sind, die nach § 4 Abs. 1 Satz 1 GlüStV in Baden-Württemberg nur mit Erlaubnis der zuständigen Behörde veranstaltet und vermittelt werden dürfen. Die Erteilung einer Erlaubnis ist nach der den Senat bindenden berufungsgerichtlichen Auslegung des § 4 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 10 Abs. 2 und 5 GlüStV ausgeschlossen, weil diese Vorschriften eine Vermittlung von Sportwetten an andere Veranstalter als die Träger des staatlichen Sportwettenmonopols verbieten. Die den in Österreich und in Großbritannien ansässigen Wettunternehmen erteilten Konzessionen ersetzen nicht die für die Tätigkeit des Klägers im Bereich der Sportwetten notwendige Erlaubnis durch das Land Baden-Württemberg.

19

3. Die Annahme des Berufungsgerichts, die angefochtenen Bescheide seien mit dem Grundgesetz vereinbar, ist revisionsrechtlich fehlerhaft. Die dem zugrunde liegende Erwägung, der Eingriff sei am Maßstab des Art. 12 Abs. 1 GG gerechtfertigt, beruht auf einer unzutreffenden Konkretisierung der Anforderungen, die das Gebot der Verhältnismäßigkeit an Eingriffe in die Berufswahlfreiheit stellt.

20

a) Der Senat hat bereits entschieden, dass die Errichtung des staatlichen Sportwettenmonopols von der Landesgesetzgebungskompetenz nach Art. 70 Abs. 1, Art. 72 Abs. 1 GG gedeckt ist und dass die Monopolregelung nach dem Glücksspielstaatsvertrag verfassungsrechtlich legitimen Zwecken dient sowie geeignet und erforderlich ist, diese zu verwirklichen (vgl. Urteil vom 24. November 2010 - BVerwG 8 C 14.09 - NVwZ 2011, 554 Rn. 23 ff.). Daran hält der Senat auch für das baden-württembergische Sportwettenmonopol fest. Die dem zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts, die die Revision nicht mit wirksamen Verfahrensrügen angegriffen hat, sind für das revisionsgerichtliche Verfahren bindend (§ 137 Abs. 2 VwGO).

21

Danach verfolgt der Gesetzgeber mit dem staatlichen Sportwettenmonopol keine rein fiskalischen Interessen. Eine solche illegitime Zwecksetzung ergibt sich auch nicht daraus, dass die Inhaber des Monopols Andere mit Unterlassungsklagen überziehen, die sie auf das Gesetz über den unlauteren Wettbewerb - UWG - stützen. Das UWG ist anwendbar, ohne dass es auf ein Wettbewerbsverhältnis ankommt (vgl. Keller, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, 2. Aufl. 2009, § 2 Rn. 4). Dementsprechend hat sich der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 14. Februar 2008 - I ZR 140/04 - (juris) nicht mit der Frage eines Wettbewerbsverhältnisses zwischen dem staatlichen Monopolanbieter von Sportwetten und einem Anbieter von Sportwetten über das Internet befasst.

22

b) Die Annahme des Berufungsgerichts, die Beschränkung der Berufswahlfreiheit durch das staatliche Wettmonopol sei auch verhältnismäßig im engeren Sinne und damit zumutbar, hält einer revisionsgerichtlichen Überprüfung stand, soweit sie Art und Zuschnitt der Sportwetten, ihre Vermarktung und den Vertrieb über gewerbliche Annahmestellen betrifft. Sie berücksichtigt die rechtlichen und tatsächlichen Anforderungen, die das verfassungsrechtliche Gebot der Verhältnismäßigkeit an die Ausgestaltung der Werbung für das Monopol stellt, jedoch nur unzureichend.

23

aa) In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass die glücksspielstaatsvertragliche Regelung der inhaltlichen Kriterien betreffend Art und Zuschnitt der Sportwetten dem Verhältnismäßigkeitsgebot (in engerem Sinne) gerecht wird (Urteil vom 24. November 2010 a.a.O. Rn. 32 f., 35). Der Verwaltungsgerichtshof durfte davon ausgehen, dass über § 21 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 3, § 4 Abs. 4 GlüStV hinaus eine gesetzliche Regelung weiterer Ausgestaltungsdetails nicht erforderlich war. Die nähere Konkretisierung der Angebotsformen ist auf der Grundlage von § 4 GlüStV geregelt. Die Erlaubniserteilung ist streng an den Zielen des § 1 GlüStV auszurichten. Nach den Tatsachenfeststellungen des Verwaltungsgerichtshofs zum Monopolangebot, die nicht mit wirksamen Verfahrensrügen angegriffen wurden, entspricht die Praxis diesen Anforderungen. So hat der Verwaltungsgerichtshof hinsichtlich der Spieleinsätze und der Verlusthöhe darauf hingewiesen, dass die dem Monopolträger erteilte Erlaubnis vom 20. November 2008 (GA Bl. 2008 S. 410) entsprechende Begrenzungen vorgenommen hat, die dem Zweck der Suchtprävention dienen.

24

Der Glücksspielstaatsvertrag und die dazu erlassenen baden-württembergischen Ausführungsvorschriften genügen auch im Hinblick auf die rechtlichen Vorgaben zur Beschränkung der Vermarktung von Sportwetten dem Verhältnismäßigkeitsgebot (im engeren Sinne), soweit sie die Vertriebswege begrenzen und sicherstellen, dass bei der Einzelausgestaltung der Wettgelegenheiten dem Spieler- und Jugendschutz Rechnung getragen wird. Der Gesetzgeber hat die Zahl der Annahmestellen begrenzt (§ 10 Abs. 3 GlüStV, § 7 Abs. 1 AGGlüStV) und ein strenges Erlaubnisverfahren für alle Annahmestellen vorgesehen (§ 4 Abs. 1 GlüStV, § 7 AGGlüStV).

25

Der Verwaltungsgerichtshof musste auch nicht von einer Verpflichtung des Gesetzgebers ausgehen, den Verbundvertrieb über mittelständische Einzelhandelsbetriebe aufzugeben. Seine Annahme, die verfassungsrechtlich geforderte Abkehr vom Vertrieb der Wettangebote als allerorts verfügbare normale Gegenstände des täglichen Bedarfs lasse sich auch dadurch erreichen, dass die Zahl der Vertriebsstellen begrenzt und gleichzeitig Maßnahmen zur qualitativen Beschränkung der Vermarktung getroffen würden, schließt eine konsequente Ausrichtung auf die Suchtvorbeugung und -bekämpfung nicht aus (vgl. Urteil vom 24. November 2010 a.a.O. Rn. 39). Eine quantitative Begrenzung der Annahmestellen hat das Berufungsgericht über die verbindliche Vorgabe in der dem Monopolträger erteilten Erlaubnis (GA Bl. 2008 S. 410; Begrenzung auf 3 630 Annahmestellen) und zudem über das Vertriebskonzept als gewährleistet angesehen, das nach seinen Feststellungen Bestandteil der Erlaubnis ist. Der Einwand der Revision, das Vertriebsnetz habe sich seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in tatsächlicher Hinsicht nicht verändert, geht an diesen Tatsachenfeststellungen des Berufungsgerichts vorbei. Der Verwaltungsgerichtshof hat des Weiteren angenommen, durch ergänzende Maßnahmen (Einführung einer Kundenkarte, Identitätskontrollen, persönliche Registrierung des Spielers, Einführung eines Spielersperrsystems, separate Abrechnung und Bezahlung der Wetten, Warnhinweise auf den Spielscheinen und -quittungen, vgl. §§ 7, 8, § 21 Abs. 3 Satz 2 GlüStV, §§ 9 f. AGGlüStV) sei sichergestellt, dass die Wettabgabe im gewählten System des Vertriebs über Zeitschriften-, Schreibwaren- und Tabakläden nicht als Geschäft des täglichen Lebens und unbedenkliche Freizeitbeschäftigung erscheint. Auch insoweit werden von der Revision keine wirksamen Verfahrensrügen erhoben.

26

Der Verwaltungsgerichtshof durfte des Weiteren zugrunde legen, dass das Ziel der Kanalisierung des vorhandenen Spieltriebs in geordnete und überwachte Bahnen und damit verbunden das Ziel des Jugend- und Spielerschutzes im Verbundbetrieb besser gewährleistet sind als bei einem Vertrieb über gesonderte Wettlokale. Nach seinen Feststellungen kann in den Annahmestellen des Verbundbetriebs eine soziale Kontrolle sichergestellt und eine Wettabgabe in der Anonymität verhindert werden; zudem ist der Verbundbetrieb geeignet, den Zugang zu Informationen und Maßnahmen der Suchtprävention zu erleichtern (vgl. Urteil vom 24. November 2010 a.a.O. Rn. 40). Auch die Kontrolle der Vermittler trägt dazu bei, der Spielsucht entgegenzuwirken und einen ausreichenden Spieler- und Jugendschutz zu gewährleisten.

27

Der Gesetzgeber war schließlich auch nicht verpflichtet, die Vermarktung des staatlichen Wettangebots mit einem Provisionsverbot zu belegen. Die Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs, dies erübrige sich bei einem Vertrieb nur durch untergeordnete Nebentätigkeiten, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die konsequente Ausrichtung am Ziel der Suchtbekämpfung verlangt keine Optimierung (vgl. Urteil des Senats vom 24. November 2010 a.a.O. Rn. 42).

28

Entgegen der Annahme der Revision verlangt die verfassungsrechtliche Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht die Einbeziehung sonstiger Glücksspielbereiche. Der Verwaltungsgerichtshof hat zu Recht darauf abgestellt, dass es insoweit allein auf eine konsequente und konsistente Ausgestaltung des staatlichen Sportwettenmonopols ankommt (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 20. März 2009 a.a.O. Rn. 17 unter Verweis auf das Urteil vom 28. März 2006 - 1 BvR 1054/01 - BVerfGE 115, 276).

29

bb) Nicht mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen vereinbar ist allerdings die berufungsgerichtliche Konkretisierung der Werbebeschränkung in § 5 Abs. 1 und 2 GlüStV, soweit sie eine allgemeine Imagewerbung für den Deutschen Toto- und Lotto-Block ohne Differenzierung nach dem Aussagegehalt für rechtlich zulässig erachtet.

30

Zwar ist der Verwaltungsgerichtshof in Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts davon ausgegangen, dass sich die Werbung für das staatliche Wettangebot zur Vermeidung eines Aufforderungscharakters bei Wahrung des Ziels, legale Wettmöglichkeiten anzubieten, auf eine Information und Aufklärung über die Möglichkeiten zum Wetten zu beschränken hat und nicht zum Wetten auffordern, anreizen und ermuntern darf (BVerfG, Urteil vom 28. März 2006 a.a.O. S. 318). Jedoch lassen seine Ausführungen im Zuge der Anwendung dieser Maßstäbe erkennen, dass er sich von einer unzutreffenden Unterscheidung zwischen zulässiger und unzulässiger Werbung hat leiten lassen.

31

Richtig ist, dass eine allgemeine Imagewerbung und die Verwendung einer Dachmarke nicht zwangsläufig unzulässig sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. November 2010 a.a.O. Rn. 52). Eine solche Werbung muss sich aber ebenfalls auf sachliche Information und Aufklärung über legale Wettmöglichkeiten beschränken. Sie darf auf die Legalität und Seriosität des Monopolangebots hinweisen, aber nach ihrem Aussagegehalt nicht zum Wetten motivieren. Die zulässige Kanalisierung der Wettleidenschaft rechtfertigt nur, bereits zum Wetten Entschlossene zum Monopolangebot hin zu lenken, nicht jedoch, noch Unentschlossene zur Teilnahme an Wetten anzureizen oder zu ermuntern (Urteil vom 24. November 2010 a.a.O. Rn. 48). Unzulässig sind daher stimulierende Bezugnahmen auf herausragende Sportereignisse oder die Verknüpfung auch rein informativer Hinweise mit der Ankündigung von Sonderausschüttungen oder anderen höheren oder zusätzlichen Gewinnchancen. Auch eine Aufmachung, die etwa durch befristete Angebote Entscheidungsdruck suggeriert, ist nicht erlaubt. Weist der Monopolträger auf eine Verwendung der geflossenen Geldmittel hin, ist dies unbedenklich, wenn es sich nach der konkreten Aufmachung nur um eine sachliche Information im Sinne einer Rechenschaftslegung ohne Bezug zu konkreten Spielmöglichkeiten handelt. Dagegen darf der Hinweis nicht mit einem solchen Bezug verknüpft und das Wetten selbst nicht zum sozialadäquaten oder gar wünschenswerten, positiv zu beurteilenden, sozial verantwortlichen Handeln aufgewertet werden (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 14. Oktober 2008 - 1 BvR 928/08 - NVwZ 2008, 1338 Rn. 39, 47, 57; BVerwG, Urteil vom 24. November 2010 a.a.O. Rn. 51).

32

Dass der Verwaltungsgerichtshof die ihm vorgelegten Werbebeispiele nicht als Anhaltspunkte für eine systematisch zum Wetten anreizende Werbung gewertet hat und den entsprechenden Beweisanregungen nicht nachgegangen ist, lässt auf einen fehlerhaften rechtlichen Maßstab schließen. Die Verknüpfung populärer Sportereignisse mit befristeten Sonderausschüttungen und zum Teil hochwertigen "Boni" hat stimulierenden Charakter und ist nach ihrem Aussagegehalt darauf gerichtet, auch bis dahin Unentschlossene zum Wetten zu veranlassen.

33

c) Dagegen ist der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG nicht verletzt. Da er nur den jeweils zuständigen Normgeber verpflichtet, im Wesentlichen gleiche Sachverhalte gleich zu regeln, begründen Unterschiede zur bundesrechtlichen Normierung der Pferdesportwetten und des Betriebs der Geldspielautomaten keinen Gleichheitsverstoß. Die Fortgeltung der vereinzelt noch bestehenden, in der ehemaligen DDR erteilten Wettkonzessionen stellt mangels Regelungskompetenz des Landes Baden-Württemberg ebenfalls keine rechtfertigungsbedürftige Ungleichbehandlung dar. Glücksspiele im Rundfunk und anderen Telemedien (vgl. §§ 8a, 58 Abs. 4 RStV) werden vom Glücksspielstaatsvertrag erfasst (vgl. LTDrucks 14/1930 S. 6 zu § 3 GlüStV; LTDrucks 14/2705 S. 26 zu § 8a RStV; Urteil vom 24. November 2010 a.a.O. Rn. 54).

34

Hinsichtlich der Spielbanken liegt ebenfalls keine verfassungswidrige Ungleichbehandlung vor. Für Spielbanken besteht in Baden-Württemberg zwar kein rechtliches, aber ein faktisches Monopol, weil die Beklagte Teilhaberin des Erlaubnisträgers ist. Außerdem hat der Gesetzgeber nach den tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs in diesem Bereich eine Ausgangslage vorgefunden, die eine Differenzierung verfassungsrechtlich rechtfertigt. Aufgrund des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts zur Nichtigkeit von Teilen des Spielbankengesetzes von 1995, das ein staatliches Spielbankenmonopol vorsah (BVerfG, Beschluss vom 19. Juli 2000 - 1 BvR 539/96 - BVerfGE 102, 197), war das Land Baden-Württemberg gezwungen, die berechtigten Belange der vorhandenen zwei privaten Spielbankenbetreiber zu berücksichtigen, die seit Jahrzehnten beanstandungsfrei ihre Unternehmen betrieben hatten. Eine vergleichbare Ausgangslage hat der Gesetzgeber bei Erlass der Regelungen des Glücksspielstaatsvertrages nicht vorgefunden.

35

4. Der Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs verstößt auch gegen die unionsrechtliche Dienstleistungs- bzw. Niederlassungsfreiheit. Die berufungsgerichtliche Annahme, die durch den Glücksspielstaatsvertrag bewirkten Beschränkungen seien mit beiden Grundfreiheiten vereinbar und wahrten den unionsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, gründet sich auf eine unrichtige Anwendung des Kohärenzkriteriums, das der Europäische Gerichtshof in seiner Rechtsprechung als Maßstab für die Geeignetheit des Eingriffs im unionsrechtlichen Sinne näher konkretisiert hat.

36

Der Kläger unterfällt in sachlicher und persönlicher Hinsicht dem Anwendungsbereich der Dienstleistungsfreiheit, soweit nicht die Niederlassungsfreiheit eingreift. Da sich die hier entscheidungserheblichen unionsrechtlichen Anforderungen an die Rechtmäßigkeit einer Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 AEUV) und der Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV) nicht unterscheiden, muss nicht geklärt werden, welches der beiden Freiheitsrechte einschlägig ist. Der Anwendung der Dienstleistungs- oder der Niederlassungsfreiheit auf die Vermittlung von Sportwetten stehen auch keine anderweitigen unionsrechtlichen Bestimmungen entgegen (vgl. Urteil vom 24. November 2010 a.a.O. Rn. 59).

37

Der Erlaubnisvorbehalt des § 4 Abs. 1 GlüStV und der Ausschluss einer Erlaubnis zur Vermittlung von Sportwetten an private Wettanbieter - auch - in anderen Mitgliedstaaten stellen eine rechtfertigungsbedürftige Beschränkung dieser Freiheit dar. Derartige staatliche Maßnahmen müssen vier Voraussetzungen erfüllen, um mit Unionsrecht in Einklang zu stehen: Sie müssen mit dem Diskriminierungsverbot vereinbar, nach Art. 62 i.V.m. Art. 51 AEUV (Ausübung öffentlicher Gewalt), Art. 52 AEUV (öffentliche Ordnung; Sicherheit; Gesundheit) oder aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt und geeignet sein, die Verwirklichung des mit ihnen verfolgten Zieles zu gewährleisten; ferner dürfen sie nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Zieles erforderlich ist.

38

a) Der Verwaltungsgerichtshof hat zutreffend einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot aus Art. 57 Abs. 3 AEUV verneint; denn die der Untersagungsverfügung der Beklagten zugrunde liegenden Rechtsnormen gelten nach den Feststellungen des Berufungsgerichts gleichermaßen für Inländer wie für Ausländer. Auch eine Anerkennung der von den österreichischen und britischen Behörden den dort jeweils ansässigen Wettanbietern erteilten Konzessionen zugunsten des Klägers ist im Hinblick auf das Diskriminierungsverbot unionsrechtlich nicht geboten (vgl. EuGH, Urteile vom 6. März 2007 - Rs. C-338/04 u.a., Placanica u.a. - Slg. 2007, I-1891 Rn. 48 f. und vom 8. September 2010 - Rs. C-46/08, Carmen Media - NVwZ 2010, 1422 Rn. 44).

39

Das Berufungsgericht ist ferner zu Recht davon ausgegangen, dass die durch den Glücksspielstaatsvertrag und die Ausführungsbestimmungen bewirkten Einschränkungen der Dienstleistungs- bzw. Niederlassungsfreiheit im Bereich der Sportwetten mit den in § 1 GlüStV genannten Zielen, insbesondere mit dem Ziel der Suchtbekämpfung und des Jugendschutzes unionsrechtlich legitimen Zwecken dienen (Urteil vom 24. November 2010 a.a.O. Rn. 66 ff.).

40

Mangels unionsrechtlicher Harmonisierung im Glücksspielbereich bleibt es jedem Mitgliedstaat überlassen, das angestrebte Schutzniveau zu bestimmen und zu beurteilen, ob es erforderlich ist, bestimmte Tätigkeiten im Glücksspielbereich vollständig oder teilweise zu verbieten, oder ob es genügt, sie zu beschränken und zu kontrollieren. Die Verhältnismäßigkeit der erlassenen Maßnahmen ist allein im Hinblick auf das national angestrebte Schutzniveau und die verfolgten Ziele zu beurteilen (EuGH, Urteile vom 8. September 2010 - Rs. C-316/07 u.a., Markus Stoß u.a. - NVwZ 2010, 1409 Rn. 79 und Carmen Media, a.a.O. Rn. 46 m.w.N.). Danach ist es im Grundsatz unionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass sich der Gesetzgeber für den Bereich der Sportwetten für ein staatliches Monopol entschieden hat (EuGH, Urteile vom 21. September 1999 - Rs. C-124/97, Läärä u.a. - Slg. 1999, I-6067 Rn. 37 und vom 8. September 2010, Carmen Media, a.a.O. Rn. 46 m.w.N.). Er war unionsrechtlich auch nicht gehindert, vor einer abschließenden wissenschaftlichen Klärung des Suchtpotenzials von Sportwetten mit festen Gewinnquoten präventive Regelungen zu erlassen, die durch begleitende Untersuchungen zur Zweckmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit der getroffenen Maßnahmen ergänzt werden (vgl. EuGH, Urteile vom 13. November 2003 - Rs. C-42/02, Lindman - Slg. 2003, I-13519 Rn. 25 und vom 8. September 2010, Markus Stoß u.a., a.a.O. Rn. 117 Ziff. 1a). Um dem aktuellen Defizit an belastbaren wissenschaftlichen Erkenntnissen zu begegnen, haben die Normgeber in § 10 Abs. 1 GlüStV die Berufung eines unabhängigen Fachbeirates zur Beratung der Länder vorgesehen, der sich aus Experten in der Bekämpfung der Glücksspielsucht zusammensetzt. Darüber hinaus haben die Länder gemäß § 11 GlüStV die wissenschaftliche Forschung zur Vermeidung und Abwehr von Suchtgefahren sicherzustellen. Das Berufungsgericht hat vor diesem Hintergrund unionsrechtlich zu Recht keinen Anlass gesehen, die Gefahrenprognose des Gesetzgebers in Frage zu stellen (vgl. bereits Urteil vom 24. November 2010 a.a.O. Rn. 73 ff.).

41

b) Das Berufungsgericht hat aber revisionsrechtlich fehlerhaft angenommen, das Sportwettenmonopol sei im unionsrechtlichen Sinne verhältnismäßig und insbesondere geeignet, die legitimen Ziele der Suchtbekämpfung und des Spieler- und Jugendschutzes zu erreichen.

42

Eine Monopolregelung, die auf diese zwingenden Gründe des Allgemeininteresses gestützt wird, muss ebenso wie ihre Anwendung in der Praxis geeignet sein, die Verwirklichung dieser Ziele in dem Sinne zu gewährleisten, dass sie kohärent und systematisch zur Begrenzung der Wetttätigkeiten beiträgt (EuGH, Urteile vom 6. November 2003 - Rs. C-243/01, Gambelli u.a. - Slg. 2003, I-13031 Rn. 67, vom 3. Juni 2010 - Rs. C-258/08, Ladbrokes - NVwZ 2010, 1081 Rn. 21 sowie vom 8. September 2010, Markus Stoß u.a., a.a.O. Rn. 88 ff. und Carmen Media, a.a.O. Rn. 55, 64 ff.). Innerhalb dieses sog. Kohärenzgebots lassen sich zwei Anforderungen unterscheiden. Zum einen muss der Mitgliedstaat die Gemeinwohlziele, denen die beschränkende Regelung dienen soll und die diese legitimieren sollen, im Anwendungsbereich der Regelung auch tatsächlich verfolgen; er darf nicht in Wahrheit andere Ziele - namentlich solche finanzieller Art - anstreben, welche die Beschränkung nicht legitimieren könnten (EuGH, Urteile vom 21. Oktober 1999 - Rs. C-67/98, Zenatti - Slg. 1999, I-7289 Rn. 35 ff., vom 6. November 2003, Gambelli, a.a.O. Rn. 67 ff. und vom 8. September 2010, Carmen Media, a.a.O. Rn. 65; vgl. BVerwG, Urteil vom 24. November 2010 a.a.O. Rn. 77, 80). Zum anderen darf die in Rede stehende Regelung nicht durch die Politik in anderen Glücksspielsektoren konterkariert werden. Zwar ist der Mitgliedstaat nicht verpflichtet, in sämtlichen Glücksspielsektoren dieselbe Politik zu verfolgen; das Kohärenzgebot ist kein Uniformitätsgebot (vgl. EuGH, Urteile vom 8. September 2010, Markus Stoß u.a., a.a.O. Rn. 95 f. und Carmen Media, a.a.O. Rn. 62 f.; vgl. auch Urteile vom 10. März 2009 - Rs. C-169/07, Hartlauer - Slg. 2009, I-1721 Rn. 60). Es verlangt auch keine Optimierung der Zielverwirklichung. Das gewinnt Bedeutung namentlich in Mitgliedstaaten wie Deutschland, zu deren Verfassungsgrundsätzen eine bundesstaatliche Gliederung in Länder mit je eigener Gesetzgebungsautonomie gehört (vgl. Art. 28 Abs. 1, Art. 79 Abs. 3, Art. 23 Abs. 1 Satz 3 GG). Jedoch dürfen in anderen Glücksspielsektoren - auch wenn für sie andere Hoheitsträger desselben Mitgliedstaates zuständig sind - nicht Umstände durch entsprechende Vorschriften herbeigeführt oder, wenn sie vorschriftswidrig bestehen, strukturell geduldet werden, die - sektorenübergreifend - zur Folge haben, dass die in Rede stehende Regelung zur Verwirklichung der mit ihr verfolgten Ziele tatsächlich nicht beitragen kann, so dass ihre Eignung zur Zielerreichung aufgehoben wird (EuGH, Urteile vom 8. September 2010, Markus Stoß u.a., a.a.O. Rn. 106 und Carmen Media, a.a.O. Rn. 68 f.; vgl. BVerwG, Urteil vom 24. November 2010 a.a.O. Rn. 82).

43

Das Ziel, die Spielsucht zu bekämpfen und den Spieltrieb von Verbrauchern in kontrollierte legale Bereiche zu lenken, kann nur dann in kohärenter und systematischer Weise verfolgt werden, wenn der Monopolträger darauf verzichtet, die Wettbereitschaft zu fördern. Er darf dem Wetten kein positives Image verleihen, indem er auf eine gemeinnützige Verwendung der erzielten Einnahmen hinweist, und die Anziehungskraft des Wettspiels nicht durch zugkräftige Werbebotschaften erhöhen, die bedeutende Gewinne in Aussicht stellen (EuGH, Urteil vom 8. September 2010, Markus Stoß u.a., a.a.O. Rn. 103) oder sonst eine zum Wetten stimulierende Aussage treffen. Werbung, die über eine Information und Aufklärung bezüglich legaler Möglichkeiten zum Sportwetten hinausgeht und einzelne Sportereignisse mit der Möglichkeit zusätzlicher oder höherer Gewinne verknüpft, wirkt dieser Zielsetzung entgegen. Wie gezeigt (oben 3. b. bb.), wird der Beschluss des Berufungsgerichts diesen Anforderungen nicht gerecht.

44

Die Annahme des Berufungsgerichts, eine sektorenübergreifende Kohärenzprüfung sei nicht erforderlich, vernachlässigt die zweite Anforderung des Kohärenzgebots und versäumt zu prüfen, ob die rechtliche Regelung anderer Glücksspielbereiche mit vergleichbarem oder höherem Suchtpotenzial oder die dortige Praxis die mit dem Monopol verfolgten Ziele konterkarieren. Dabei sind die Besonderheiten der jeweiligen Glücksspielart in Rechnung zu stellen (EuGH, Urteil vom 8. September 2010, Carmen Media, a.a.O. Rn. 60 f.). Die in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs entwickelten Kriterien machen deutlich, dass eine Kohärenz nur entfällt, wenn die Politik dem mit der Monopolregelung verfolgten Ziel aktiv zuwider handelt oder wenn Zuwiderhandlungen im Verwaltungsvollzug systematisch geduldet werden und deshalb auf strukturelle Mängel der Aufsichts- und Sanktionsregelungen hindeuten.

45

Das Sportwettenmonopol wird durch das Konzessionsmodell im Pferderennwettbereich nicht konterkariert. Die Erreichbarkeit der mit dem Sportwettenmonopol verfolgten Ziele wird dadurch schon deshalb nicht in Frage gestellt, weil die Pferdewetten nach den tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs im Verhältnis zum gesamten Glücksspielbereich eine nur sehr untergeordnete Rolle spielen und sich auf ein enges und deshalb leicht überschaubares Sportgeschehen beziehen. Wirksame Verfahrensrügen wurden dagegen nicht erhoben. Der Einwand der Revision, der Pferdesportwettenmarkt stelle mit 250 Mio. € Umsatz pro Jahr mit steigender Tendenz die zweitumsatzstärkste Sportwette mit einem höheren Suchtpotenzial dar, als es Oddset-Wetten aufweisen, weshalb das Sportwettenmonopol in sich widersprüchlich und inkohärent sei, berücksichtigt zudem nicht, dass als Vergleichsmaßstab für eine umfassende Kohärenzbetrachtung der gesamte Glücksspielmarkt heranzuziehen ist und nicht nur der Bereich der Sportwetten. Unabhängig davon hat das Fehlen eines Monopols im Bereich der Pferdesportwetten nicht zur Folge, dass das Ziel der Suchtbekämpfung mit dem Monopol im sonstigen Sportwetten- und im Lotteriebereich nicht mehr wirksam verfolgt werden kann (vgl. EuGH, Urteil vom 8. September 2010, Carmen Medien, a.a.O. Rn. 68). Denn der Staat verfolgt auch im Bereich der Pferdesportwetten keine Politik, die darauf abzielt, zur Teilnahme an diesen Spielen zu ermuntern. Namentlich gilt auch für diese Wetten gemäß § 2 Abs. 2 des Rennwett- und Lotteriegesetzes (RennwLottG) ein § 4 Abs. 4 GlüStV entsprechendes Internetverbot (siehe Urteil vom 1. Juni 2011 - BVerwG 8 C 5.10 -).

46

Was den Bereich der Sportwetten anbelangt, die auf der Grundlage von Erlaubnissen nach den gewerberechtlichen Vorschriften der ehemaligen DDR veranstaltet und vermittelt werden, so hat der Verwaltungsgerichtshof zutreffend darauf abgestellt, dass das unionsrechtliche Kohärenzgebot nicht verlangt, alle Inhaber "alter" Genehmigungen sogleich dem staatlichen Sportwettenmonopol unterzuordnen. Entscheidend sei vielmehr, dass eine weitere Ausdehnung des Sektors der Sportwetten verhindert werde. Dazu hat der Verwaltungsgerichtshof in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, dass die auf Alt-Rechten beruhenden Sonderfälle nicht zu einer systemwidrigen, mit den Zielen des § 1 GlüStV unvereinbaren Ausweitung des Sportwettenangebots führen. Eine Politik der Expansion und ein strukturelles Defizit im Vollzug lassen sich hieraus nicht entnehmen, zumal die Länder auch gegenüber diesen sog. Alt-Rechten bestrebt sind, die Zielsetzungen des Glücksspielstaatsvertrages durchzusetzen (vgl. Urteil vom 1. Juni 2011 - BVerwG 8 C 5.10 -).

47

Die vom Verwaltungsgerichtshof für den Bereich der Spielbanken getroffenen Feststellungen lassen ebenfalls nicht auf eine in sich widersprüchliche und expansive Glücksspielpolitik schließen. Der Verwaltungsgerichtshof hat zugrunde gelegt, dass die für den Spielbankensektor geltenden Regelungen des GlüStV (vgl. § 2 Satz 2 GlüStV) sowie die weiteren Beschränkungen im Spielbankengesetz in vergleichbarer Weise wie im Sportwettensektor der Bekämpfung der Wettsucht und der mit dem Glücksspiel verbundenen Gefahren dienen. Bedenken hinsichtlich einer konsistenten bereichsübergreifenden Glücksspielpolitik im Verhältnis zum Spielbankensektor anderer Länder hat der Verwaltungsgerichtshof im Hinblick auf die Mitteilung der Bundesregierung an die EU-Kommission vom 20. Mai 2008 (ZfWG 2008 S. 173) nicht gesehen. Dagegen hat die Revision keine durchgreifenden Verfahrensrügen erhoben, so dass der Senat gemäß § 137 Abs. 2 VwGO an diese Feststellungen gebunden ist.

48

Für den Bereich des in der Spielverordnung geregelten Automatenspiels musste der Verwaltungsgerichtshof nicht schon wegen der mit der 5. Änderungsverordnung (BGBl I 2005 S. 3495) verbundenen Liberalisierung von einer Inkohärenz ausgehen. Die Absicht des Gesetzgebers, einen bestimmten Glücksspielbereich zu liberalisieren, zwingt nicht schon für sich genommen zu der Annahme, das mit der Monopolregelung im Sportwettenbereich verfolgte Ziel lasse sich damit nicht mehr erreichen. Wird jedoch eine solche Liberalisierung trotz vergleichbaren oder höheren Suchtpotenzials als im Monopolbereich nicht durch ausreichende Maßnahmen zum Spieler- und Jugendschutz ausgeglichen, kann dies zur Folge haben, dass das Ziel des Monopols konterkariert wird. Deshalb hätte der Verwaltungsgerichtshof prüfen müssen, ob das Suchtpotenzial des Automatenspiels mindestens gleich groß wie das der Sportwetten ist, und bejahendenfalls, ob die zum Spieler- und Jugendschutz getroffenen Maßnahmen ausreichen. Dabei hätte er auch die tatsächlichen Auswirkungen der Liberalisierung und deren mögliche Folgewirkungen auf den gesamten Glücksspielbereich, mithin auch die Sportwetten, berücksichtigen und klären müssen, inwieweit dadurch die Geeignetheit der Monopolregelung im Bereich der Sportwetten in Frage gestellt wird.

49

5. Der angefochtene Beschluss beruht auf den festgestellten Verstößen gegen Art. 12 Abs. 1 GG und gegen die unionsrechtlich gewährleistete Dienstleistungs- oder Niederlassungsfreiheit. Er stellt sich nicht im Sinne von § 144 Abs. 4 VwGO aus anderen Gründen als richtig dar. Ob die Untersagungsverfügung der Beklagten in der Gestalt des Widerspruchsbescheides rechtmäßig ist, lässt sich auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen Tatsachenfeststellungen nicht abschließend beurteilen.

50

Bei verfassungskonformer Auslegung des § 5 Abs. 1 und 2 GlüStV, die keine anlassbezogene Werbung des Monopolträgers mit Hinweisen auf zusätzliche Gewinne und eine gemeinnützige Verwendung der Wetteinnahmen zulässt, kommt es darauf an, inwieweit eine danach unzulässige Werbung in Baden-Württemberg seit dem 1. Januar 2009 tatsächlich betrieben und von den Überwachungsbehörden nicht konsequent verfolgt und unterbunden wird. Dazu hat der Verwaltungsgerichtshof - nach seiner Rechtsauffassung konsequent - bislang keine Feststellungen getroffen.

51

Sie sind auch nicht entbehrlich, weil die Frage der unionsrechtlichen Kohärenz auf der Grundlage der bereits festgestellten Tatsachen zu beantworten wäre. Ob die im Glücksspielstaatsvertrag getroffenen Regelungen über das staatliche Glücksspielmonopol im Bereich der Sportwetten im unionsrechtlichen Sinne geeignet sind, zum Erreichen der legitimen Zwecke der Suchtbekämpfung (§ 1 Nr. 1 GlüStV), des Jugend- und Spielerschutzes (§ 1 Nr. 3 GlüStV), der Begrenzung des Glücksspielangebots sowie der Lenkung der Wettleidenschaft (§ 1 Nr. 2 GlüStV) und der vorbeugenden Kriminalitätsbekämpfung (§ 1 Nr. 4 GlüStV) beizutragen, lässt sich auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen hinsichtlich der Werbung und des Automatenspiels nicht hinreichend beurteilen.

52

Die Sache war daher nach § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen.

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 27. Juni 2013 geändert.

Der Bescheid der Bundesnetzagentur vom 19. Januar 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1. Dezember 2011 wird aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v.H. des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 v.H. des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.


1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76 77 78

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.