Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 05. Apr. 2016 - 1 O 25/16
Gericht
Gründe
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Die zulässige Beschwerde hat Erfolg.
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Der auf § 95 Abs. 1 Satz 3 VwGO gestützte Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 9. Dezember 2015 über die Festsetzung von Ordnungsmitteln gegen den im Termin zur mündlichen Verhandlung trotz entsprechender Anordnung (§ 95 Abs. 1 Satz 1 VwGO) nicht erschienenen Beschwerdeführer ist gemäß § 146 Abs. 1 VwGO beschwerdefähig (vgl. NdsOVG, Beschluss vom 4. März 1991 - 14 O 96/90 -, juris Rn. 1; Rudisile, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 29. EL Oktober 2015, § 95 Rn. 34). Entgegen der im Nichtabhilfebeschluss des Verwaltungsgerichts vom 3. März 2016 zum Ausdruck gekommenen Rechtsauffassung ist der Beschluss nicht mangels fristgemäßer Beschwerdeeinlegung in Rechtskraft erwachsen. Nach § 147 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist die Beschwerde bei dem Gericht, dessen Entscheidung angefochten wird, schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe der Entscheidung einzulegen. Der Beschwerdeführer hat zwar (erst) am 16. Februar 2016 beim Verwaltungsgericht Beschwerde gegen den Beschluss vom 9. Dezember 2015 eingelegt, nachdem der Senat mit Beschluss vom 3. Februar 2016 - 1 O 9/16 - die am 7. Januar 2016 erhobene Beschwerde der Beklagten gegen diesen Beschluss verworfen hatte. Das Verwaltungsgericht weist auch zutreffend darauf hin, dass - neben den an die Prozessbevollmächtigten der Klägerin und der Beklagten gerichteten Zustellungen - die gesonderte Zustellung einer Beschlussausfertigung vom 11. Januar 2016 an den Beschwerdeführer veranlasst worden ist. Diese Zustellung gegen Empfangsbekenntnis (§ 56 Abs. 2 VwGO in Verbindung mit § 174 ZPO) ist jedoch jedenfalls deshalb unwirksam, weil das Empfangsbekenntnis nicht von dem Beschwerdeführer als Zustellungsadressat persönlich unterschrieben worden ist und die für eine Zustellung gegen Empfangsbekenntnis notwendige Empfangsbereitschaft (daher) nicht festgestellt werden kann. Die für eine Zustellung nach § 174 ZPO erforderliche Empfangsbereitschaft kann nicht allein durch den bloßen Nachweis des tatsächlichen Zugangs im Sinne von § 189 ZPO ersetzt werden. Hinzukommen muss vielmehr noch die zumindest konkludente Äußerung des Willens, das zur Empfangnahme angebotene Schriftstück dem Angebot entsprechend als zugestellt entgegen zu nehmen (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Januar 2015 - VIII ZB 55/14 -, juris Rn. 12 m. w. N.). Umstände, die hinreichend zuverlässig auf eine Empfangsbereitschaft des Beschwerdeführers in Bezug auf die Beschlussausfertigung vom 11. Januar 2016 vor dem Zeitpunkt, zu dem der Senatsbeschluss vom 3. Februar 2016 der Beklagten zugegangen ist, schließen lassen, liegen auch angesichts der Angaben in der eidesstattlichen Versicherung des Beschwerdeführers vom 31. März 2016 nicht vor. Soweit das Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang darauf abgestellt hat, dass dem Beschwerdeführer der Beschluss vom 9. Dezember 2015 bereits bei Einlegung der Beschwerde der Beklagten bekannt gewesen sei, kommt es hierauf unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt für die Frage der Heilung eines Zustellungsmangels an.
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Die Beschwerde ist auch begründet. Der angefochtene Beschluss ist sowohl im Hinblick auf die Festsetzung des Ordnungsgelds in Höhe von 500 € als auch im Hinblick auf die ersatzweise Festsetzung einer Ordnungshaft von 3 Tagen rechtswidrig.
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Ein Ordnungsgeld für den Fall der Nichtbeachtung der Anordnung des persönlichen Erscheinens ist in bestimmter Höhe anzudrohen (vgl. NdsOVG, Beschluss vom 9. November 2000 - 4 O 3740/00 -, juris Rn. 1; Rudisile, in: Schoch/Schneider/Bier, a. a. O. Rn. 29). Eine solche Androhung, die dem Beschwerdeführer hätte zugestellt werden müssen, ist nach Aktenlage nicht ergangen. Darüber hinaus gibt es für die Festsetzung einer Ordnungshaft - abgesehen davon, dass auch sie nicht angedroht worden ist - schon keine gesetzliche Grundlage. § 95 VwGO sieht bei schuldhaftem Ausbleiben eines Beteiligten, dessen persönliches Erscheinen das Gericht angeordnet hat, ausschließlich das Ordnungsmittel des Ordnungsgelds vor, so dass die Festsetzung anderer Sanktionen oder Zwangsmittel wie Ordnungshaft nicht in Betracht kommt, und zwar auch dann nicht, wenn ein - anders als hier - rechtmäßig festgesetztes Ordnungsgeld nicht beigetrieben werden kann (s. demgegenüber § 380 Abs. 1 Satz 2 ZPO; vgl. im Übrigen NdsOVG, Beschluss vom 4. März 1991, a. a. O. Rn. 2; Rudisile, in: Schoch/Schneider/Bier, a. a. O. Rn. 32 m. w. N.).
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Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Die außergerichtlichen Auslagen des erfolgreichen Beschwerdeführers werden von der Kostenentscheidung der Hauptsache umfasst; Gerichtskosten entstehen nicht (vgl. zu § 141 Abs. 3 ZPO. BGH, Beschlüsse vom 12. Juni 2007 - VI ZB 4/07 -, juris Rn. 23, und vom 22. Juni 2011 - I ZB 77/10 -, juris Rn. 23; BAG, Beschluss vom 1. Oktober 2014 - 10 AZB 24/14 -, juris Rn. 24).
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).
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Annotations
(1) Das Gericht kann das persönliche Erscheinen eines Beteiligten anordnen. Für den Fall des Ausbleibens kann es Ordnungsgeld wie gegen einen im Vernehmungstermin nicht erschienenen Zeugen androhen. Bei schuldhaftem Ausbleiben setzt das Gericht durch Beschluß das angedrohte Ordnungsgeld fest. Androhung und Festsetzung des Ordnungsgelds können wiederholt werden.
(2) Ist Beteiligter eine juristische Person oder eine Vereinigung, so ist das Ordnungsgeld dem nach Gesetz oder Satzung Vertretungsberechtigten anzudrohen und gegen ihn festzusetzen.
(3) Das Gericht kann einer beteiligten öffentlich-rechtlichen Körperschaft oder Behörde aufgeben, zur mündlichen Verhandlung einen Beamten oder Angestellten zu entsenden, der mit einem schriftlichen Nachweis über die Vertretungsbefugnis versehen und über die Sach- und Rechtslage ausreichend unterrichtet ist.
(1) Gegen die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters, die nicht Urteile oder Gerichtsbescheide sind, steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht zu, soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist.
(2) Prozeßleitende Verfügungen, Aufklärungsanordnungen, Beschlüsse über eine Vertagung oder die Bestimmung einer Frist, Beweisbeschlüsse, Beschlüsse über Ablehnung von Beweisanträgen, über Verbindung und Trennung von Verfahren und Ansprüchen und über die Ablehnung von Gerichtspersonen sowie Beschlüsse über die Ablehnung der Prozesskostenhilfe, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe verneint, können nicht mit der Beschwerde angefochten werden.
(3) Außerdem ist vorbehaltlich einer gesetzlich vorgesehenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision die Beschwerde nicht gegeben in Streitigkeiten über Kosten, Gebühren und Auslagen, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands zweihundert Euro nicht übersteigt.
(4) Die Beschwerde gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (§§ 80, 80a und 123) ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen. Das Verwaltungsgericht legt die Beschwerde unverzüglich vor; § 148 Abs. 1 findet keine Anwendung. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.
(5) u. (6) (weggefallen)
(1) Die Beschwerde ist bei dem Gericht, dessen Entscheidung angefochten wird, schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe der Entscheidung einzulegen. § 67 Abs. 4 bleibt unberührt.
(2) Die Beschwerdefrist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist bei dem Beschwerdegericht eingeht.
(1) Anordnungen und Entscheidungen, durch die eine Frist in Lauf gesetzt wird, sowie Terminbestimmungen und Ladungen sind zuzustellen, bei Verkündung jedoch nur, wenn es ausdrücklich vorgeschrieben ist.
(2) Zugestellt wird von Amts wegen nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung.
(3) Wer nicht im Inland wohnt, hat auf Verlangen einen Zustellungsbevollmächtigten zu bestellen.
Ein Schriftstück kann dem Adressaten oder seinem rechtsgeschäftlich bestellten Vertreter durch Aushändigung an der Amtsstelle zugestellt werden. Zum Nachweis der Zustellung ist auf dem Schriftstück und in den Akten zu vermerken, dass es zum Zwecke der Zustellung ausgehändigt wurde und wann das geschehen ist; bei Aushändigung an den Vertreter ist dies mit dem Zusatz zu vermerken, an wen das Schriftstück ausgehändigt wurde und dass die Vollmacht nach § 171 Satz 2 vorgelegt wurde. Der Vermerk ist von dem Bediensteten zu unterschreiben, der die Aushändigung vorgenommen hat.
Lässt sich die formgerechte Zustellung eines Dokuments nicht nachweisen oder ist das Dokument unter Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften zugegangen, so gilt es in dem Zeitpunkt als zugestellt, in dem das Dokument der Person, an die die Zustellung dem Gesetz gemäß gerichtet war oder gerichtet werden konnte, tatsächlich zugegangen ist.
(1) Das Gericht kann das persönliche Erscheinen eines Beteiligten anordnen. Für den Fall des Ausbleibens kann es Ordnungsgeld wie gegen einen im Vernehmungstermin nicht erschienenen Zeugen androhen. Bei schuldhaftem Ausbleiben setzt das Gericht durch Beschluß das angedrohte Ordnungsgeld fest. Androhung und Festsetzung des Ordnungsgelds können wiederholt werden.
(2) Ist Beteiligter eine juristische Person oder eine Vereinigung, so ist das Ordnungsgeld dem nach Gesetz oder Satzung Vertretungsberechtigten anzudrohen und gegen ihn festzusetzen.
(3) Das Gericht kann einer beteiligten öffentlich-rechtlichen Körperschaft oder Behörde aufgeben, zur mündlichen Verhandlung einen Beamten oder Angestellten zu entsenden, der mit einem schriftlichen Nachweis über die Vertretungsbefugnis versehen und über die Sach- und Rechtslage ausreichend unterrichtet ist.
(1) Einem ordnungsgemäß geladenen Zeugen, der nicht erscheint, werden, ohne dass es eines Antrages bedarf, die durch das Ausbleiben verursachten Kosten auferlegt. Zugleich wird gegen ihn ein Ordnungsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft festgesetzt.
(2) Im Falle wiederholten Ausbleibens wird das Ordnungsmittel noch einmal festgesetzt; auch kann die zwangsweise Vorführung des Zeugen angeordnet werden.
(3) Gegen diese Beschlüsse findet die sofortige Beschwerde statt.
(1) Das Gericht soll das persönliche Erscheinen beider Parteien anordnen, wenn dies zur Aufklärung des Sachverhalts geboten erscheint. Ist einer Partei wegen großer Entfernung oder aus sonstigem wichtigen Grund die persönliche Wahrnehmung des Termins nicht zuzumuten, so sieht das Gericht von der Anordnung ihres Erscheinens ab.
(2) Wird das Erscheinen angeordnet, so ist die Partei von Amts wegen zu laden. Die Ladung ist der Partei selbst mitzuteilen, auch wenn sie einen Prozessbevollmächtigten bestellt hat; der Zustellung bedarf die Ladung nicht.
(3) Bleibt die Partei im Termin aus, so kann gegen sie Ordnungsgeld wie gegen einen im Vernehmungstermin nicht erschienenen Zeugen festgesetzt werden. Dies gilt nicht, wenn die Partei zur Verhandlung einen Vertreter entsendet, der zur Aufklärung des Tatbestandes in der Lage und zur Abgabe der gebotenen Erklärungen, insbesondere zu einem Vergleichsabschluss, ermächtigt ist. Die Partei ist auf die Folgen ihres Ausbleibens in der Ladung hinzuweisen.
(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.
(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.