Oberverwaltungsgericht des Saarlandes Beschluss, 08. Mai 2014 - 2 A 230/14

bei uns veröffentlicht am08.05.2014

Tenor

Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das aufgrund mündlicher Verhandlung vom 17. Februar 2014 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes - 5 K 238/12 - wird zurückgewiesen.

Die außergerichtlichen Kosten des gerichtskostenfreien Berufungszulassungsverfahrens trägt der Kläger.

Gründe

Der gemäß § 78 Abs. 2 Satz 1, 87 Abs. 2 Nr. 3 AsylVfG statthafte Antrag des Klägers, eines nach eigenen Angaben afghanischen Staatsangehörigen paschtunischer Volkszugehörigkeit, auf Zulassung der Berufung gegen das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 17.2.2014 ergangene und ihm am 24.3.2014 zugestellte Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes - 5 K 238/12 -, mit dem seine Klage auf Verpflichtung der Beklagten zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, hilfsweise auf Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylVfG, weiter hilfsweise auf Zuerkennung von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 und 7 S. 1 AufenthG abgewiesen wurde, hat keinen Erfolg.

Das den Prüfungsumfang im Zulassungsverfahren begrenzende Vorbringen des Klägers in der Antragsbegründung vom 23.4.2014 rechtfertigt die Zulassung der Berufung nicht. Der allein geltend gemachte Zulassungsgrund einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache im Sinne von § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG ist bereits nicht hinreichend dargelegt bzw. liegt nicht vor.

Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache setzt voraus, dass im Zulassungsantrag eine Rechts- oder Tatsachenfrage herausgearbeitet wird, die für die Entscheidung der Vorinstanz von Bedeutung war, auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich wäre, bisher höchstrichterlich oder - bei tatsächlichen Fragen oder nicht revisiblen Rechtsfragen - durch die Rechtsprechung des Berufungsgerichts nicht geklärt, aber klärungsbedürftig und über den zu entscheidenden Fall hinaus bedeutsam ist. Gemäß § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG sind die konkrete Frage, ihre Klärungsfähig- und -bedürftigkeit, ihre Entscheidungserheblichkeit im konkreten Fall und ihre allgemeine Bedeutung darzulegen

vgl. Marx, AsylVfG, 7. Aufl., § 78 AsylVfG Rdnrn. 54 ff., Beschluss des OVG des Saarlandes vom 9.12.2013 - 2 A 442/13 -.

Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben.

Eine Frage von Grundsatzbedeutung hat der Kläger bereits nicht ausdrücklich formuliert. Soweit sich seinem Zulassungsvorbringen sinngemäß die Frage entnehmen lässt, ob in Afghanistan ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt herrsche und auch insbesondere in seiner Herkunftsregion eine so hohe Gefahrendichte anzunehmen sei, dass von einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit des Klägers auszugehen und ihm somit subsidiärer Schutz nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylVfG (früher: Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG a.F.) zuzuerkennen sei, rechtfertigt das eine Zulassung der Berufung wegen Grundsatzbedeutung nicht. Hierzu hat der Kläger (lediglich) ganz allgemein ausgeführt, das Verwaltungsgericht habe die neuere Situation in Afghanistan nicht berücksichtigt, die geprägt sei von zunehmender Gewalt im Hinblick auf den geplanten Abzug ausländischer Soldaten und der anstehenden Wahlen. Die vom Gericht getroffenen Feststellungen hinsichtlich der Gefahrenlage dürften auf Grund Zeitablaufes überholt sein. Die entscheidungserhebliche Frage, ob die vom erkennenden Gericht „vertretene Ansicht zum Entscheidungszeitpunkt (17.2.2014) noch aufrechterhalten“ werden könne, bedürfe im Interesse der Rechtseinheit einer Klärung, zumal die durch Medien vermittelte Gefahrensituation bruchstückhaft und unvollkommen sei.

Mit diesem Vorbringen hat der Kläger eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG) schon nicht hinreichend substantiiert dargelegt (§ 78 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG).

Nach der zuletzt genannten Vorschrift sind die Gründe, aus denen die Berufung aus der Sicht des Rechtsmittelführers zuzulassen ist, darzulegen. Diesem Darlegungsgebot ist nur dann genügt, wenn in der Begründung des Zulassungsantrags deutlich wird, warum prinzipielle Bedenken gegen einen vom Verwaltungsgericht in einer konkreten Rechts- oder Tatsachenfrage eingenommenen Standpunkt bestehen, es demnach erforderlich ist, dass sich das höhere Gericht klärend mit der aufgeworfenen Frage auseinandersetzt und entscheidet, ob die Bedenken durchgreifen. Bei Geltendmachung der grundsätzlichen Bedeutung einer Tatsachenfrage muss die Antragsbegründung erkennen lassen, warum das Verwaltungsgericht die tatsächlichen Verhältnisse unzutreffend beurteilt haben soll. Dazu bedarf es der Angabe konkreter Anhaltspunkte - etwa im Hinblick auf dazu vorliegende gegensätzliche Auskünfte, Stellungnahmen, Gutachten, Presseberichte, andere Gerichtsentscheidungen oder anderweitige Erkenntnisse -, die den Schluss zulassen, dass die erheblichen Tatsachen einer unterschiedlichen oder abweichenden Würdigung und damit Klärung im Berufungsverfahren zugänglich sind

so auch bereits OVG des Saarlandes, Beschlüsse vom 12.3.2012 - 3 A 264/10 -, vom 23.5.2008 - 3 A 434/07 - und vom 11.7.2007 - 1 A 317/07 -.

Diesen Anforderungen wird das pauschal gehaltene Zulassungsvorbringen des Klägers offenkundig nicht gerecht. Das Verwaltungsgericht hat es in dem angefochtenen Urteil offenlassen, ob für die vorrangig in den Blick zu nehmende Herkunftsregion des Klägers, die Provinz Faryab, ein bewaffneter Konflikt im Sinne von § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylVfG (= § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG) angenommen werden könne. Maßgeblich hat das Verwaltungsgericht jedoch darauf abgestellt, dass es für den Kläger als Angehörigen der Zivilbevölkerung in seiner Herkunftsregion jedenfalls an der geforderten erheblichen individuellen Gefahr für Leib und Leben infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts fehle. Gefahrerhöhende Umstände lägen nicht vor, der Kläger übe keinen Beruf aus, der ihn zwinge, sich nahe von Gefahrenquellen aufzuhalten, noch gehöre er einer besonders gefährdeten religiösen oder ethnischen Minderheit an. Auch sei in seiner Herkunftsregion (und im Übrigen auch in Kabul) keine Situation mit einem so hohen Gefahrengrad anzunehmen, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem Gebiet tatsächlich einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre. Das Verwaltungsgericht hat diese seine Entscheidung tragenden Annahmen in rechtlicher und tatsächlicher Sicht eingehend begründet (Seiten 16 bis 20 des Urteils). Hiermit hat sich der Kläger nicht substantiiert auseinandergesetzt. Er hat – wie dargelegt - lediglich allgemein geltend gemacht, dass die erstinstanzlich getroffenen Feststellungen aufgrund Zeitablaufes überholt seien und dass die Gewalt im Lande zunähme. Der Kläger ist jedoch nicht - wie erforderlich - auf die vom Verwaltungsgericht angeführten Fakten, auf deren Grundlage im Falle des Klägers eine erhebliche individuelle Gefahr im Sinne von § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylVfG (= § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG a.F.) verneint wurde, eingegangen. Konkrete Anhaltspunkte, die Anlass bieten würden, den Standpunkt des Verwaltungsgerichts in Zweifel zu ziehen, hat der Kläger somit nicht vorgetragen.

Auch die weitere vom Kläger sinngemäß als grundsätzlich bedeutsam bezeichnete Frage, ob für alleinstehende afghanische Staatsangehörige, die keinen familiären Rückhalt in Afghanistan haben, sich seit Kindheitstagen nicht mehr in Afghanistan aufgehalten haben und über keine besondere berufliche Qualifikation verfügen, ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG angenommen werden müsse, gibt keine Veranlassung, die Berufung zuzulassen.

Die vorgenannte vom Kläger sinngemäß aufgeworfene Frage, zu der er sich gleichfalls lediglich allgemein auf das aus seiner Sicht gegebene Erfordernis einer aktuellen, über den Entscheidungszeitpunkt 17.2.2014 hinausgehenden, Lagebewertung bezieht, ist in dieser Allgemeinheit weder klärungsfähig noch klärungsbedürftig. Zwar hat das Verwaltungsgericht in der angefochtenen Entscheidung (Seite 23) ausgeführt, dass nach der Auskunftslage für alleinstehende, arbeitsfähige, männliche afghanische Staatsangehörige ohne Ausbildung, die der Landessprache mächtig seien, grundsätzlich die Möglichkeit bestehe, als Tagelöhner mit Aushilfsjobs ein Existenzminimum zu erwirtschaften. Obwohl in Afghanistan nach wie vor Menschen an Mangelernährung stürben, seien dem Auswärtigen Amt keine solchen Fälle von Rückkehrern bekannt. Das Verwaltungsgericht hat darüber hinaus maßgeblich darauf abgestellt, dass für den männlichen, arbeitsfähigen, (29 Jahre alten) Kläger jedenfalls nicht von einer extremen Gefährdungslage im Verständnis von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG dahingehend auszugehen sei, dass er im Rückkehrfall mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert wäre. Diese Feststellungen hat der Kläger in seinem Zulassungsvorbringen fallbezogen nicht substantiiert in Frage gestellt.

Im Übrigen hängt es nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts wesentlich von den Umständen des Einzelfalles ab, wann allgemeine Gefahren von Verfassungs wegen zu einem Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG führen; diese Frage entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung

vgl. BVerwG, Urteil vom 8.9.2011 - 10 C 14.10 -, juris; Beschluss des OVG des Saarlandes vom 28.2.2013 – 3 A 147/12 -.

Von daher würde auch ein Berufungsverfahren insoweit nicht zu über den konkreten Einzelfall hinaus bedeutsamen Erkenntnissen führen.

Auch der abschließende Einwand des Klägers, das Verwaltungsgericht habe in dem Zusammenhang nicht „beachtet“, dass er sich seit Kindheitstagen nicht mehr in Afghanistan aufgehalten habe und mit den dortigen gesellschaftlichen Bedingungen nicht vertraut sei, rechtfertigt die Zulassung der Berufung nicht. Diese Umstände kennzeichnen zum einen - gegebenenfalls - nur seinen konkreten Einzelfall. Zum anderen wurden sie, wie sich bereits dem einleitenden Absatz des Tatbestandes des angegriffenen Urteils (Seite 3) entnehmen lässt, vom Verwaltungsgericht gesehen und zudem auch berücksichtigt. Das Verwaltungsgericht hat im Zusammenhang mit den Möglichkeiten konkret des Klägers, im Rückkehrfall seinen Lebensunterhalt zu sichern, ausgeführt, dies sei auch zu bejahen, wenn er über „keine sozialen Beziehungen“ in Afghanistan verfüge (vgl. Seite 24 des Urteilsabdrucks).

Nach allem ist für die erstrebte Rechtsmittelzulassung demnach kein Raum.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 2 VwGO, 83 b AsylVfG.

Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 60 Verbot der Abschiebung


(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalit

Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG | § 30 Gegenstandswert in gerichtlichen Verfahren nach dem Asylgesetz


(1) In Klageverfahren nach dem Asylgesetz beträgt der Gegenstandswert 5 000 Euro, in den Fällen des § 77 Absatz 4 Satz 1 des Asylgesetzes 10 000 Euro, in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes 2 500 Euro. Sind mehrere natürliche Personen an demselb

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Tenor

Der Einkommensteuerbescheid vom 24.07.2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 07.11.2012 wird dergestalt geändert, dass weitere Aufwendungen in Höhe von 5.640,28 € für die Operation (Liposuktion) sowie für im Zusammenhang mit Vor- und Nachbehandlungen entstandene Kosten als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden.

Die Kosten des Verfahrens tragen der Beklagte zu 93% und die Klägerin zu 7%.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um Anerkennung außergewöhnlicher Belastungen.

2

In ihrer Einkommensteuererklärung für 2011 machte die Klägerin Aufwendungen in Höhe von 6.112 € nach § 33 EStG als außergewöhnliche Belastung geltend. Dabei handelte es sich hinsichtlich eines Betrages in Höhe von 5.500 € um Kosten, die gemäß Honorarvereinbarung zwischen dem plastischen Chirurgen und der Klägerin vom 14.7.2011 für die operative Entfernung überstehenden Fettgewebes mit Wasserstrahlunterstützung an den Hüften und den Oberschenkeln innen und außen entstanden waren.

3

Den geltend gemachten außergewöhnlichen Belastungen in Höhe von 5.500 € liegt nach Lage der Akten folgender Sachverhalt zu Grunde:

4

Die 1968 geborene, 168 cm große und 63 kg schwere Klägerin stellte sich im April 2011 im Venenzentrum vor und klagte über Schwellung und Schmerzen der unteren Extremitäten, die schon seit Jahren bestünden und mit der Zeit an Stärke zugenommen hätten. Es wurde ein Lip-/Lymphödem beider Beine diagnostiziert. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Klägerin bereits mehrere Jahre Kompressionsstrümpfe A-G, Klasse II, getragen. Die Beschwerden der Klägerin hatten sich durch das Tragen der Kompressionsstrümpfe nicht gebessert. Dr. A riet der Klägerin, über eine Therapie mittels Liposuktion nachzudenken und weitere Informationen einzuholen.

5

Die Klägerin stellte sich sodann am 9.6.2011 in der Praxis Dr. B Facharzt für Chirurgie, Phlebologe, Proktologe und Lymphologe, vor und gab an, beim Sport Schmerzen in den Fettgewebspolstern an den lat. OS zu haben. In einem an die Allgemeinarztpraxis der Klägerin gerichteten Arztbrief vom 9.6.2011 führte Dr. B aus, ein Venenleiden bestehe nicht, letztlich dürfte eine Liposuktion in Frage kommen.

6

Dr. A bestätigte der Klägerin mit Schreiben vom 11.8.2011, dass es bei der Erkrankung der Klägerin darauf ankomme, eine frühzeitige Behandlung einzuleiten um Folgeschäden zu vermeiden. Da sich gezeigt habe, dass eine alleinige Therapie mit Lymphdrainagen und Kompression nicht zum Erfolg geführt habe, solle jetzt auch an operative Maßnahmen gedacht werden.

7

Am 17.10.2011 wurde die Operation durchgeführt. Den dafür anfallenden Betrag in Höhe von 5.500 € entrichtete die Klägerin in bar.

8

In einer Stellungnahme vom 18.5.2013 führt Dr. B aus, dass bei der Klägerin störende Fettgewebspolster im Hüftbereich beidseits bestanden. Bei aktiver sportlicher Betätigung seien Schmerzen in den Fettpolstern angegeben worden, ohne dass bei der Klägerin eine Übergewichtigkeit vorgelegen habe. Er habe eine Lipohyperplasie vom Typ 1b festgestellt. Dabei handelte es sich um eine Fettanlagestörung, die symmetrisch auftrete und bei Frauen meist nach hormonellen Umstellungen beginne und durch einen chronischen Verlauf gekennzeichnet sei. Die Störung sei grundsätzlich nicht diätetisch behandelbar. Die krankhaft vermehrten Fettzellen blieben erhalten und würden durch Quetschung der Lymphbahnen, der Blutgefäße und Nerven zur Entwicklung von Beschwerden führen. Im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung beschränkten sich die Behandlungsmöglichkeiten auf das Tragen von Kompressionsstrümpfen und gegebenenfalls die Verordnung von manueller Therapie und/oder einer automatischen intermittierenden Kompressionsbehandlung (AIK). Ein anderer therapeutischer Ansatz ziele auf die Entfernung des pathologischen Fettgewebes mittels Liposuktion (Fettgewebsabsaugung). Die Klägerin habe sich bei ihm am 18.3.2013 erneut vorgestellt und sei seit der Operation ohne Beschwerden und nicht mehr auf Hilfs– und Heilmittelgebrauch angewiesen.

9

Die Kosten der Behandlung wurden, auch nicht teilweise, von dritter Seite ersetzt.

10

Der Beklagte berücksichtigte die geltend gemachten Kosten in Höhe von 5.500 € in dem Einkommensteuerbescheid für 2011 vom 24.7.2012 nicht. Er berücksichtigte lediglich außergewöhnliche Belastungen in Höhe von 612 €.

11

Der hiergegen eingelegte Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 7.11.2012 als unbegründet zurückgewiesen.

12

Seine Entscheidung begründet das Finanzamt im Wesentlichen damit, dass die Rechtsprechung zwar davon ausgehe, dass Krankheitskosten ohne Rücksicht auf die Art und die Ursache der Erkrankung den Steuerpflichtigen aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig erwachsen. Allerdings würden nur solche Aufwendungen als Krankheitskosten berücksichtigt, die zum Zwecke der Heilung einer Krankheit oder mit dem Ziel getätigt würden, die Krankheit erträglich zu machen. Aufwendungen für die eigentliche Heilbehandlung würden als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt, ohne dass es im Einzelfall der nach § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG an sich gebotenen Prüfung der Zwangsläufigkeit des Grundes und der Höhe nach bedürfe. Dies gelte aber nur dann, wenn die Aufwendungen nach den Erkenntnissen und Erfahrungen der Heilkunde nach den Grundsätzen eines gewissenhaften Arztes zur Heilung oder Linderung der Krankheit angezeigt seien und vorgenommen würden.

13

Ein Abzug der Aufwendungen für die Fettabsaugung als außergewöhnliche Belastung scheide aus, da anhand der eingereichten Unterlagen nicht klar sei, dass die Operation medizinisch indiziert gewesen sei. Allein der Hinweis des Arztes im Schriftsatz vom 11.8.2011, es solle nunmehr über eine operative Maßnahme nachgedacht werden, könne nicht belegen, dass die Beschwerden Krankheitswert besessen hätten und die Operation medizinisch indiziert gewesen sei. Aufwendungen für ärztliche Maßnahmen, bei denen nicht eindeutig festgestellt werden könne, ob sie zur Heilung oder Linderung einer Krankheit erforderlich seien, könnten ohne Vorlage eines amtsärztlichen Gutachtens nicht berücksichtigt werden. Bei Operationen, die, wie im Streitfall, häufig nur aus kosmetischen Gründen durchgeführt würden, sei es den Steuerpflichtigen zuzumuten, ein ärztliches Gutachten einzuholen, damit die Aufwendungen für die Operationen steuerlich berücksichtigt werden könnten.

14

Mit ihrer hiergegen eingereichte Klage machte die Klägerin zunächst weitere Kosten in Höhe von 538,40 € geltend, die sie in der mündlichen Verhandlung auf die folgenden Positionen reduzierte:

15

14.07.11

Fahrtkosten – Klinik Vorstellungsgespräch -196 km

58,80 €

17.10.11

Ciprofloxacin

12,52 €

        

Diclofenac

10,16 €

17.10.11

Fahrtkosten–OP-Termin -196 km

  58,80 €

        

Summe 

140,28 €

16

Die Aufwendungen seien medizinisch indiziert gewesen. Durch die eingereichten Stellungnahmen der behandelnden Ärzte liege ein genügender Nachweis vor. Eine weniger kostenintensive Therapie allein habe nicht zum Erfolg geführt. Ein amtsärztliches Gutachten sei nicht einzuholen gewesen. Dies sei auch nicht zumutbar gewesen. Ein Fall des § 64 EStDV liege nicht vor.

17

Die Klägerin beantragt, den Einkommensteuerbescheid vom 24. Juli 2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 7. November 2012 dergestalt zu ändern, dass weitere Aufwendungen in Höhe von 5.640,28 € für die Operation (Liposuktion) sowie für im Zusammenhang mit Vor- und Nachbehandlungen entstandene Kosten als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden.

18

Das Finanzamt beantragt, die Klage abzuweisen.

19

Zur Begründung nimmt es im Wesentlichen auf den Inhalt seiner Einspruchsentscheidung Bezug. Auch die klägerseitig eingereichte Stellungnahme des Dr. B vom 18.5.2013 belege nicht zweifelsfrei die medizinische Notwendigkeit des operativen Eingriffs.

20

In der mündlichen Verhandlung wurde zu der Frage, ob die bei der Klägerin am 17.10.2011 durchgeführte operative Entfernung überstehenden Fettgewebes mit Wasserstrahlunterstützung an den Hüften und Oberschenkeln innen und außen medizinisch notwendig gewesen ist, zeugenschaftlich Dr. B vernommen. Wegen des Inhalts der Aussage wird auf die Anlage zum Sitzungsprotokoll Bezug genommen.

21

Gegenstand der Verhandlung war ein Band Rechtsbehelfsakten des beklagten Finanzamts.

Entscheidungsgründe

22

Die zulässige Klage ist begründet.

23

Sowohl die geltend gemachten Aufwendungen für die Operation in Höhe von 5.500 € als auch die Reisekosten zu dem Operateur anlässlich der Vorbesprechung und der Operation sowie die Medikamentenkosten sind als außergewöhnliche Belastung (agB) zu berücksichtigen.

24

Nach § 33 Abs. 1 EStG wird die Einkommensteuer auf Antrag ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung) erwachsen. Zwangsläufig erwachsen dem Steuerpflichtigen Aufwendungen dann, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG). Ziel des § 33 EStG ist es, zwangsläufige Mehraufwendungen für den existenznotwendigen Grundbedarf zu berücksichtigen, die sich wegen ihrer Außergewöhnlichkeit einer pauschalen Erfassung in allgemeinen Freibeträgen entziehen. Aus dem Anwendungsbereich des § 33 EStG ausgeschlossen sind dagegen die üblichen Aufwendungen der Lebensführung, die in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten sind (u.a. BFH-Urteil vom 29. September 1989 III R 129/86, BFHE 158, 380, BStBl II 1990, 418).

25

Krankheitskosten erwachsen einem Steuerpflichtigen ohne Rücksicht auf die Art und die Ursache der Erkrankung zwangsläufig, weil er sich ihnen aus tatsächlichen Gründen nicht entziehen kann (vgl. BFH-Urteile vom 2. April 1998 III R 67/97, BStBl II 1998, 613; vom 10. Oktober 1996 III R 118/95, BFH/NV1997, 337; vom 12. Juni 1991 III R 102/89, BStBl II 1991, 763). Eine derartig typisierende Behandlung der Krankheitskosten ist zur Vermeidung eines unzumutbaren Eindringens in die Privatsphäre geboten. Allein maßgeblich ist die medizinische Indikation der Aufwendungen.

26

Von einer nach § 33 EStG berücksichtigungsfähigen Krankheit ist auszugehen, wenn es sich nicht um einen allenfalls als missbeliebigen anzusehenden Zustand handelt, sondern um einen anormalen Zustand, der Störungen oder Behinderungen in der Ausübung normaler psychischer oder körperlicher Funktionen von solchem Gewicht zur Folge hat, dass er nach herrschender Auffassung einer medizinischen Behandlung bedarf (vgl. Mellinghoff in Kirchhof, 12. Aufl., § 33 Rn. 54 „Krankheitskosten“). Liegt eine Krankheit in diesem Sinne vor, entscheidet allein der Steuerpflichtige, welche Aufwendungen er für die Linderung seiner Krankheit tragen will. Berücksichtigungsfähig sind allerdings nur solche Aufwendungen, die medizinisch indiziert sind, also diejenigen diagnostischen oder therapeutischen Verfahren, deren Anwendung in einem Erkrankungsfall hinreichend gerechtfertigt sind (vgl. BFH-Urteil vom 11.11.2010 VI R 17/09, BStBl II 2011, 969).

27

Berücksichtigungsfähig sind die Aufwendungen als Krankheitskosten, die unmittelbar zum Zwecke der Heilung einer Krankheit (z.B. Medikamente, Operation) oder mit dem Ziel getätigt werden, die Krankheit erträglich zu machen (vgl. BFH-Urteil vom 11.11.2010 VI R 17/09, BStBl II 2011, 969). Zu den unmittelbaren Kosten der Krankheit gehören auch angemessene Fahrtkosten (vgl. Mellinghoff in Kirchhof, 12. Aufl., § 33 Rn. 54 „Krankheitskosten“).

28

Die Beweislast über die Entstehung außergewöhnlicher Belastungen zur Überzeugung des Gerichts obliegt dem Steuerpflichtigen. Der Steuerpflichtige kann dazu vor Beginn der Behandlung auf eigene Initiative ein amts- oder vertrauensärztliches Zeugnis einholen oder im Rahmen eines selbständigen Beweisverfahrens gemäß § 155 FGO i.V.m. §§ 485 ff. der Zivilprozessordnung die medizinische Indikation der Heilbehandlung feststellen lassen. Die Entscheidung, eine vorherige Begutachtung durchführen zu lassen, obliegt jedoch dem Steuerpflichtigen als dem Herrn des finanzgerichtlichen Verfahrens und darf nicht von der Rechtsprechung zum ungeschriebenen Tatbestandsmerkmal erhoben werden (vgl. BFH-Urteil vom 11.11.2010 VI R 17/09, BStBl II 2011, 969).

29

Aufwendungen können zwar grundsätzlich den Charakter der Zwangsläufigkeit verlieren, wenn der Steuerpflichtige einen Anspruch auf Ersatz oder Erstattung von Krankheitskosten nicht geltend macht. Die Verpflichtung zur vorrangigen Inanspruchnahme anderer Ersatzmöglichkeiten besteht allerdings nur im Rahmen der Zumutbarkeit (vgl. BFH-Urteil vom 11.11.2010 VI R 17/09, BStBl II 2011, 969, 5. Orientierungssatz zu Leitsatz 5).

30

Dies vorausgeschickt stellen die auf die Liposuktion entfallenden Operationskosten, ferner die damit unmittelbar im Zusammenhang stehenden Fahrtkosten zur Vorbesprechung und zu dem Operationstermin selbst und schließlich die im Zuge der Operation entstandenen Medikamentenkosten Krankheitskosten dar.

31

Nach dem Gesamtbild der Umstände des Einzelfalles und dem Ergebnis der Beweisaufnahme diente die Liposuktion ausschließlich der Therapie der durch die bei der Klägerin vorliegenden Lipohyperplasie vom Typ 1b verursachten Beschwerden. Diese Beschwerden waren, wie der Zeuge Dr. B in seiner Aussage glaubhaft ausgeführt hat, unter Berücksichtigung der von der Klägerin gemachten Angaben auf die sich an der Hüfte und den Oberschenkeln beidseits befindlichen Fettpolster zurückzuführen und hatten Krankheitswert. Ansonsten, so der Zeuge, hätte er eine Lipohyperplasie vom Typ 1a diagnostiziert. Andere, zur Verfügung stehende Therapiemöglichkeiten waren ausgeschöpft bzw. hatten keinen Erfolg. Der Zeuge äußerte sich dahingehend, dass er die alternativ in Betracht zu ziehenden, symptomlindernden Behandlungsmethoden Lymphdrainagen und intermettierende Kompressionsbehandlung im Hinblick auf die lokalen Beschwerden der Klägerin als nicht zielführend angesehen habe. Auch eine „Kompressionsbestrumpfung“ habe allenfalls die Symptome lindern können. Er habe der Klägerin deswegen zu dem Eingriff geraten.

32

Der bei der Klägerin durchgeführte operative Eingriff war medizinisch notwendig. Insbesondere scheiden für die Vornahme des Eingriffs kosmetische Motive der Klägerin aus. Dies folgt zur Überzeugung des Senats aus der glaubhaften Einlassung des Zeugen, die Klägerin habe sich ihm gegenüber „nur“ zu den durch die Fettpolster bedingten Schmerzen geäußert. Der Zeuge hob hervor, dass aus seiner Wahrnehmung die Klägerin auch keine Veranlassung gehabt habe, mit ihrer damaligen optischen Erscheinung unzufrieden zu sein. Diese Einlassung wird zur Überzeugung des Senats durch die Tatsache bestätigt, dass die Klägerin bei einer Körpergröße von 168 cm 63 kg wog. Schließlich spricht der zeitliche Ablauf der Geschehnisse dagegen, dass es der Klägerin auf kosmetische Aspekte ankam: Wegen der Schmerzen wurde die Klägerin durch ihren Allgemeinarzt zunächst an Dr. A verwiesen, der eine Liposuktion nahelegte. Nachfolgend konsultierte die Klägerin den Zeugen, um sich eine zweite Meinung einzuholen. Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung aus den Schilderungen der Klägerin den Eindruck gewonnen, dass die letztlich durchgeführte, streitgegenständliche Maßnahme für die Klägerin eine ultima ratio darstellte, die Klägerin nicht gedrängt hat, die Operation durchführen zu lassen, sondern dass unter Konsultation zweier Ärzte ein Entscheidungsprozess durchlaufen worden ist. Der Zeuge bejahte schließlich, dass die Maßnahme in der Situation der Klägerin medizinisch indiziert war.

33

Eine Kostenübernahme durch Dritte ist nicht erfolgt. Zwar ist es denkbar, dass Aufwendungen den Charakter der Zwangsläufigkeit verlieren können, wenn der Steuerpflichtige einen Anspruch auf Ersatz oder Erstattung von Krankheitskosten nicht geltend macht. Im Streitfall hatte die Klägerin jedoch keine Veranlassung, über eine Kostenerstattung oder Kostenübernahme durch Dritte nachzudenken. Der Zeuge hatte die Klägerin bereits am 9.6.2011 über die Behandlungsmöglichkeiten beraten und zu einer Liposuktion geraten, obgleich diese Behandlungsmöglichkeit nicht im GKV-System vorgesehen war. Darüber, so der Zeuge, habe er die Klägerin auch informiert. Tatsächlich handelt es sich bei der Liposuktion um eine neue Behandlungsmethode, für die bis dato keine positive Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses bezüglich des diagnostischen und therapeutischen Nutzens vorliegt. Für neuartige Behandlungsverfahren gilt im Bereich der ambulanten Versorgung ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt, §§ 135 Abs. 1 Satz 1, 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V (vgl. Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 05.02.2013 L 1 KR 391/12, juris). Dies bedeutet, dass die Klägerin durch die gesetzliche Krankenversicherung keinen Anspruch auf Übernehme der Behandlungskosten für die ambulant durchgeführte Liposuktion hatte. Die Klägerin auf den Weg zu verweisen, vor einer steuerlichen Geltendmachung der Kosten eine Kostenübernahme in einem ggf. mehrere Jahre andauernden Verfahren vor dem Sozialgericht zu erstreiten, hält der Senat vorliegend für nicht zumutbar.

34

Die Aufwendungen für die ärztlicherseits verordneten Arzneimittel in Höhe von 22,68 € sind gleichfalls zu berücksichtigen. Die Kosten waren zwangsläufig. Dies gilt auch nach Maßgabe des § 64 Abs. 1 Nr. 1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung –EStDV- , Kraft dessen u.a. für Arznei-, Heil- und Hilfsmittel ein formalisiertes Nachweisverfahren eingeführt worden ist. Arznei-, Heil- und Hilfsmittel müssen danach durch einen Arzt oder Heilpraktiker verordnet worden sein. Dass für das Antibiotikum und das Schmerzmittel eine ärztliche Verordnung vorgelegen hat, ergibt sich mittelbar aus dem Aufdruck „Privatrezept“ der von der Apotheke ausgestellten Quittung.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 FGO. Eine Einschränkung des Klagantrags, vorliegend von 6.038,40 € auf 5.640,28 €, wirkt kostenrechtlich wie ein teilweises Unterliegen (vgl. Brandis in Tipke/Kruse, AO, FGO, § 136 Rn. 12). Für die Anwendung des § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO sah der Senat keine Veranlassung, da mit einem Anteil von rund 7% jedenfalls kein Unterliegen zu einem geringen Teil mehr gegeben ist.

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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).

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Gründe zur Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 FGO bestanden nicht.


(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

Tenor

Der Antrag der Klägerinnen auf Zulassung der Berufung gegen das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 20. Juli 2010 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes - 2 K 538/09 - wird zurückgewiesen.

Die außergerichtlichen Kosten des gerichtskostenfreien Berufungszulassungsverfahrens tragen die Klägerinnen.

Gründe

Der gemäß § 78 Abs. 2 Satz 1 AsylVfG statthafte Antrag der Klägerinnen, die Staatsangehörige der Russischen Föderation und tschetschenische Volkszugehörige aus dem Herkunftsgebiet Inguschetien sind, auf Zulassung der Berufung gegen das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 20.7.2010 ergangene und ihnen am 30.7.2010 zugestellte Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes - 2 K 538/09 -, mit dem ihre auf Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG, hilfsweise zur Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG gerichtete Klage abgewiesen wurde, ist unbegründet.

Das den Prüfungsumfang im Zulassungsverfahren begrenzende Vorbringen der Klägerinnen in der am 30.8.2010 bei Gericht eingegangenen Antragsbegründung rechtfertigt die Zulassung der Berufung nicht. Der allein geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache im Sinne von § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG liegt nicht vor.

Die Klägerinnen bezeichnen als grundsätzlich klärungsbedürftig die Frage, ob in der Russischen Föderation Sippenhaft praktiziert wird.

Das Verwaltungsgericht habe dies mit der Begründung verneint, dass keine Berichte über entsprechende Vorfälle vorlägen und dass es lediglich für Tschetschenien Erkenntnisse über Gewaltanwendung gegenüber Familienangehörigen mutmaßlicher Rebellen gebe, um diese zur Aufgabe zu zwingen bzw. dass in einigen Fällen auch deren Wohnhäuser abgebrannt würden. Auch wenn Berichte über Vorfälle in der Russischen Föderation, die als Sippenhaft gewertet werden könnten, nicht vorlägen, besage dies nicht, dass es entsprechendes Vorgehen der russischen Behörden nicht gebe. Insoweit sei auf das Phänomen der sogenannten „Schwarzen Witwen“ zu verweisen, deren Ehemänner als islamische Kämpfer in Tschetschenien und weiteren kaukasischen Gebieten ums Leben gekommen seien. Um den Tod der Ehemänner zu rächen, verübten diese Selbstmordanschläge. Deshalb gingen russische Sicherheitskräfte general- und spezialpräventiv gegen Ehefrauen getöteter islamistischer Kämpfer - wie die Klägerin zu 1. - vor. Um die aufgeworfene Grundsatzfrage zu beantworten, müsse im Berufungsverfahren ein Sachverständigengutachten eingeholt werden.

Mit diesem Vorbringen haben die Klägerinnen eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG) schon nicht hinreichend substantiiert dargelegt (§ 78 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG).

Dem Darlegungsgebot des § 78 Abs. 4 S. 4 AsylVfG ist im Hinblick auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung nur dann genügt, wenn - wie hier hinsichtlich der Tatsachenfeststellungen - eine entscheidungserhebliche, unmittelbar aus der Tatsachenlage nicht beantwortbare, bisher höchstrichterlich oder obergerichtlich nicht beantwortete, konkrete Frage aufgeworfen und erläutert wird, warum sie nicht geklärte Probleme aufwirft, die über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus bedeutsam sind und im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts der Klärung bedürfen. Bei Geltendmachung der grundsätzlichen Bedeutung einer Tatsachenfrage muss die Antragsbegründung erkennen lassen, warum das Verwaltungsgericht die tatsächlichen Verhältnisse unzutreffend beurteilt haben soll. Dazu bedarf es der Angabe konkreter Anhaltspunkte - etwa im Hinblick auf dazu vorliegende gegensätzliche Auskünfte, Stellungnahmen, Gutachten, Presseberichte, andere Gerichtsentscheidungen oder anderweitige Erkenntnisse -, die den Schluss rechtfertigen, dass die erheblichen Tatsachen einer unterschiedlichen Würdigung und damit Klärung im Berufungsverfahren zugänglich sind

hierzu etwa OVG des Saarlandes, Beschlüsse vom 23.5.2008 - 3 A 434/07 - und vom 11.7.2007 - 1 A 317/07 -.

Diesen Anforderungen wird das pauschal gehaltene Zulassungsvorbringen der Klägerinnen nicht gerecht. Vielmehr wird im Gesamtkontext der Ausführungen eine landesweit in der Russischen Föderation praktizierte präventive Sippenhaft gegenüber Ehefrauen getöteter islamistischer Kämpfer lediglich gemutmaßt.

Hinreichend objektivierbare Hinweise oder Belege in Gestalt einer der vorgenannten Erkenntnisquellen, die eine von der Einschätzung des Verwaltungsgerichts abweichende Beurteilung rechtfertigen könnten, haben die Klägerinnen nicht benannt. Vielmehr verweisen sie lediglich auf ein ihrer Auffassung nach in einem Berufungsverfahren erst noch einzuholendes Sachverständigengutachten.

Dies genügt dem Darlegungsgebot des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG nicht.

Auch ungeachtet dessen bedarf die von den Klägerinnen als grundsätzlich bedeutsam aufgeworfene Frage, soweit sie - wie dargelegt - die Klärungsbedürftigkeit einer landesweiten generellen Sippenhaftgefährdung von Verwandten getöteter mutmaßlicher islamistischer Kämpfer betrifft, keiner Klärung in einem Berufungsverfahren, da sie bereits aufgrund der vorliegenden Erkenntnislage beantwortet werden kann.

Aus dem dem Senat vorliegenden Dokumentationsmaterial ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte für eine außerhalb Tschetscheniens landesweit in der Russischen Föderation praktizierte generelle Sippenhaft gegenüber Angehörigen mutmaßlicher Widerstandskämpfer. Vielmehr ist nach sämtlichen aktuellen Erkenntnisquellen

vgl. hierzu etwa Schweizerische Flüchtlingshilfe, Nordkaukasus: Sicherheits- und Menschenrechtslage vom 12.9.2011; Bundesasylamt, Russische Förderation: Unterstützer und Familienmitglieder (mutmaßlicher) Widerstandskämpfer in Tschetschenien vom 20.4.2011; Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Russische Förderation vom 7.3.2011 - 508.516.80/3 RUS; Voswinkel in Die Zeit vom 6.5.2010 und Gannuschkina in amnesty journal vom 1.8.2010

die Annahme einer Sippenhaft im Sinne einer Kollektivbestrafung oder geiselähnlichen Gefährdung von Angehörigen mutmaßlicher Widerstandskämpfer, zumeist mit dem Ziel, dieser habhaft zu werden, auf das Gebiet der Teilrepublik Tschetschenien beschränkt.

Weder für das Herkunftsgebiet der Klägerinnen, Inguschetien, in dem die Klägerin zu 1) ab 1996 und die Klägerin zu 2) ab ihrer Geburt im Jahr 2000 bis Mitte 2006 mit dem zu diesem Zeitpunkt verhafteten und Ende Mai 2008 getöteten Ehemann der Klägerin zu 1) und Vater der Klägerin zu 2) zusammen gelebt haben, noch für andere Landesteile der Russischen Förderation außerhalb des Nordkaukasus, auf die sich die Klägerinnen als Gebiete der internen Schutzalternative zumutbar verweisen lassen müssten, wird demgegenüber von entsprechenden Bedrohungen und Vorfällen berichtet

vgl. hierzu etwa auch VGH München, Urteile vom 21.6.2010 - 11 B 08.30103 - und vom 24.10.2007 - 11 B 03.30711 -, mit zahlreichen Nachweisen im Fall des Bruders und der Großmutter von tschetschenischen Widerstandskämpfern, zitiert nach juris; siehe in diesem Zusammenhang auch Beschluss des Senats vom 26.3.2009 - 3 A 36/08 - zur Frage der Möglichkeit und Zumutbarkeit einer Aufenthaltsnahme von Angehörigen nordkaukasischer Minderheiten im Gebiet der Russischen Föderation außerhalb ihrer Herkunftsgebiete.

Auch der Umstand, dass sich die Klägerinnen seit dem 15.6.2006 bis zum 30.3.2009 - also nahezu drei Jahre - unbehelligt in der Region Stavropol aufhalten konnten, spricht mit Gewicht für die Einschätzung, dass Angehörige mutmaßlicher Widerstandskämpfer (die Glaubhaftigkeit des diesbezüglichen Vortrags der Klägerinnen einmal unterstellt) in den Landesteilen der Russischen Föderation außerhalb Tschetscheniens bzw. des Nordkaukasus allein wegen ihrer verwandtschaftlichen Beziehungen generell keinen i.S.d. § 60 Abs. 1 AufenthG relevanten Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt sind.

Nach allem liegt der geltend gemachte Zulassungstatbestand der Grundsatzbedeutung gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG nicht vor und ist der Zulassungsantrag der Klägerinnen zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 83 b AsylVfG, 154 Abs. 2 VwGO.

Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) In Klageverfahren nach dem Asylgesetz beträgt der Gegenstandswert 5 000 Euro, in den Fällen des § 77 Absatz 4 Satz 1 des Asylgesetzes 10 000 Euro, in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes 2 500 Euro. Sind mehrere natürliche Personen an demselben Verfahren beteiligt, erhöht sich der Wert für jede weitere Person in Klageverfahren um 1 000 Euro und in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes um 500 Euro.

(2) Ist der nach Absatz 1 bestimmte Wert nach den besonderen Umständen des Einzelfalls unbillig, kann das Gericht einen höheren oder einen niedrigeren Wert festsetzen.