Oberverwaltungsgericht des Saarlandes Urteil, 25. Feb. 2013 - 1 A 6/13

bei uns veröffentlicht am25.02.2013

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen der Klägerin zur Last.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, wer den Winterdienst auf den Fahrbahnen der Bundes- und Landstraßen I. und II. Ordnung innerhalb der geschlossenen Ortslage der Klägerin durchzuführen hat.

Mit Schreiben vom 15.12.2010 informierte der Beklagte alle Städte und Gemeinden des Saarlandes (außer Sulzbach, Saarlouis, Völklingen, A-Stadt, St. Ingbert und die Landeshauptstadt Saarbrücken) darüber, dass letztmalig in der Winterperiode 2010/2011 die Winterdienstfahrzeuge der Straßen- und Autobahnmeistereien bzw. durch ihn beauftragte Firmenfahrzeuge die gesamten Fahrbahnen aller klassifizierten Straßen innerhalb der Ortsdurchfahrten von Schnee räumen und die Fahrbahnen mit Streusalz abstreuen würden. Danach werde, da für den Winterdienst innerhalb der geschlossenen Ortslage die jeweilige Gemeinde zuständig sei, die bisher weit über das gesetzlich Gebotene hinausgehende Unterstützung durch ihn auf das vorgeschriebene Maß zurückgefahren oder der einzelnen Gemeinde würden die über das gesetzlich Gebotene hinausgehenden Dienstleistungen in Rechnung gestellt. Mit weiterem Schreiben vom 11.07.2011 an alle saarländischen Städte und Gemeinden (außer der Landeshauptstadt Saarbrücken) konkretisierte er sein Vorhaben dahin, dass er seine Unterstützungsleistung gemäß § 53 Abs. 2 SStrG ab der Winterperiode 2011/2012 auf die Strecken innerhalb der Ortsdurchfahrten von Bundes- und Landstraßen reduziere werde, die auf seinen Winterdienstrouten liegen und mehr als 6 % Gefälle aufweisen. Zugleich wurde den angeschriebenen Städten und Gemeinden ein Vertragsangebot unterbreitet, wonach der Beklagte sich gegen eine Kostenbeteiligung der jeweiligen Stadt bzw. Gemeinde verpflichte, den Winterdienst in der bisherigen Form weiterzuführen. Mit Schreiben vom 22.08.2011 erläuterte der Beklagte die anfallenden Kosten dahin, dass sich in den Perioden 2009/2010 und 2010/2011 die durchschnittlichen Kosten für den Winterdienst auf rund 4.100,-- Euro/km Bundes- oder Landstraße belaufen hätten.

Der den Städten und Gemeinden angebotene Vertragsentwurf wurde in Verhandlungen mit dem Saarländischen Städte- und Gemeindetag dahingehend verändert, dass am 07.09.2011 Einigkeit über eine Verringerung des Gemeindeanteils an den Kosten auf 65 % (zuvor: 80 %) erzielt wurde und der Beklagte mit Schreiben an den Saarländischen Städte- und Gemeindetag vom 14.09.2011 eine Reduzierung der vorgesehenen Vorauszahlung auf 1.275,-- Euro/km (zuvor: 1.500,-- Euro/km) und eine Verschiebung des Fälligkeitszeitpunktes der Vorauszahlung auf den 31.1. (zuvor: 1.1.) der jeweiligen Winterdienstperiode zusagte.

Mit Schreiben vom 17.10.2011 wies die Klägerin den Beklagten darauf hin, dass dieser ihrer Ansicht nach gesetzlich verpflichtet sei, die Schneeräumung auf Bundes- und Landstraßen innerhalb der geschlossenen Ortslage auf eigene Kosten durchzuführen und die besonders gefährlichen Fahrbahnstellen zu bestreuen habe. Der Beklagte wurde vergeblich aufgefordert, verbindlich zu erklären, dass er dieser Verpflichtung auch künftig nachkommen werde.

Am 20.10.2011 hat die Klägerin Klage erhoben und zugleich einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt, durch die der Beklagte verpflichtet werden sollte, die Bundes- und Landstraßen innerhalb der geschlossenen Ortslage der Klägerin vom Schnee zu räumen und die besonders gefährlichen Fahrbahnstellen zu bestreuen. Das letztgenannte Begehren hat das Verwaltungsgericht durch rechtskräftigen Beschluss vom 14.11.2011 - 10 L 1533/11 - (SKZ 2012, 18) zurückgewiesen.

Zur Begründung der Klage hat die Klägerin ausgeführt, dass der Beklagte gemäß § 53 Abs. 2 SStrG verpflichtet sei, ohne Anspruch auf Kostenersatz die Gemeinden bei den ihnen nach § 53 Abs. 1 SStrG auferlegten Pflichten dadurch zu unterstützen, dass er die Fahrbahnen der Bundes- und Landstraßen innerhalb der geschlossenen Ortslage vom Schnee räume und die besonders gefährlichen Fahrbahnstellen bestreue. Allein dieses Verständnis des § 53 Abs. 2 SStrG entspreche dem Willen des Gesetzgebers, wie insbesondere die Ausführungen des Landtagsabgeordneten Schwarz, der die Einfügung des § 53 Abs. 2 SStrG durchgesetzt habe, in der Landtagssitzung vom 17.12.1964 belegten. Dementsprechend sei dann auch die Bestimmung seit 1965 gehandhabt worden. Soweit der Beklagte nunmehr eine Schneeräumung gänzlich ablehne und das Bestreuen auf Fahrbahnen mit mehr als 6 % Gefälle beschränken wolle, sei dies mit dem Gesetz unvereinbar. Zu den besonders gefährlichen Stellen gehörten zudem nicht nur Fahrbahnen, die ein bestimmtes Gefälle aufwiesen, sondern zusätzlich wegen erhöhter Unfallgefahr die Bereiche vor Ampeln, Fußgängerüberwegen, Kindergärten, Schulen und stark genutzten Ausfahrten, wobei diese Aufzählung keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebe. Sie - die Klägerin - sei nicht in der Lage, den Winterdienst umfassend selbst durchzuführen. Sie verfüge lediglich über zwei Streuwagen und acht Mitarbeiter, die den Streudienst auf den Gemeindestraßen durchführten. Insgesamt streue sie 65 km, um ihrer gesetzlichen Verpflichtung aus § 53 Abs. 1 SStrG nachzukommen. Bislang seien vom Beklagten in ihrem Gemeindegebiet 1,443 km Bundesstraßen und 7,355 km Landstraßen vom Schnee geräumt und bestreut worden. Die Übernahme dieser zusätzlichen Arbeiten sei ihr nicht möglich, weil sie andernfalls die Gemeindestraßen nicht mehr rechtzeitig vom Schnee räumen bzw. streuen könne. Für das Räumen und Abstreuen der Bundes- und Landstraßen fielen zudem Kosten von circa 20.000,-- Euro pro Winter an. Ein entsprechender Betrag sei im Haushalt nicht vorgesehen. Sie sei weder in der Lage, die notwendigen Salzmengen kurzfristig einzukaufen und einzulagern, noch könne sie kurzfristig ihren Fuhrpark und den Personalbestand so aufstocken, dass die Schneeräumung und das Bestreuen der besonders gefährlichen Fahrbahnstellen gewährleistet seien. Der Beklagte übersehe, dass ihm als Träger der Straßenbaulast grundsätzlich die Reinigungspflicht obliege. Die in Rede stehenden Straßen hätten überörtlichen Charakter. Mit dem in § 53 Abs. 2 SStrG verwendeten Begriff des „Unterstützens“ sei die Durchführung der beiden in der Klage genannten Aufgabenbereiche gemeint. Nur bei einem solchen Normverständnis habe die Bestimmung einen hinreichend klaren Inhalt. Andernfalls könne der Beklagte nach Belieben festlegen, was er tue und was nicht und dadurch zugleich seine Kostenlast selbst bestimmen. Die einzelne Gemeinde müsse, ohne zuvor ein Mitbestimmungsrecht zu haben, den „Rest“ übernehmen. Dabei sei Tür und Tor für Willkür geöffnet, und gerade dem habe, wie sich aus den Ausführungen des Abgeordneten Schwarz ergebe, durch § 53 Abs. 2 SStrG entgegengewirkt werden sollen. Verstehe man die Bestimmung dagegen so, wie sie der Beklagte praktizieren wolle, sei § 53 Abs. 2 SStrG wegen Unbestimmtheit nichtig, und das führe dazu, dass dann der Beklagte als Folge seiner Baulast und Verkehrssicherungspflicht den Winterdienst durchzuführen habe. Ohnehin sei ein „Splitting“ in der Verantwortung für den Winterdienst ein Unding, denn dies hätte zur Folge, dass bei ein und derselben Straße Teilstücke von verschiedenen Verantwortlichen zu räumen und streuen wären, was in der praktischen Umsetzung zu unterschiedlichen Zeitpunkten und eventuell zu einer unterschiedlichen Qualität im Winterdienst führen würde. Dies hätte wiederum zur Folge, dass sich die Unfallgefahr erhöhe. Das Saarland habe unter dem 18.11.2004 einen Maßnahmekatalog eingeführt, wonach die Gemeinden verpflichtet seien, wichtige Straßen des überörtlichen Verkehrs von 6:00 Uhr bis 22:00 Uhr täglich zu streuen und zu räumen. Dies könnten die Gemeinden rein organisatorisch nicht bewältigen, weil es ihnen an den entsprechenden Mitteln fehle. Seit Inkrafttreten des Landesstraßengesetzes habe der Beklagte bzw. dessen Rechtsvorgänger diese Aufgaben übernommen. Da es sich um überörtliche Straßen handele, sei dieser zur Schneeräumung und zum Abstreuen nach § 53 Abs. 1 SStrG verpflichtet. Für die Bestimmung des Begriffs „besonders gefährliche Fahrbahnstelle“ komme es allein darauf an, ob eine objektive Gefährdung in dem jeweiligen Straßenabschnitt für den Verkehr allgemein und nicht nur beschränkt auf den Schutz des Autofahrers bestehe. Andernfalls bräuchten beispielsweise Gehwege nicht gestreut zu werden.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, die Bundesstraßen und Landstraßen I. und II. Ordnung innerhalb der geschlossenen Ortslage der Klägerin ohne deren Kostenbeteiligung vom Schnee zu räumen und die besonders gefährlichen Fahrbahnstellen dieser Straßen zu bestreuen,

hilfsweise,

den Beklagten gemäß § 53 Abs. 2 SStrG zu verurteilen, die Klägerin bei der Schneeräumung und dem Bestreuen besonders gefährlicher Fahrbahnstellen derart zu unterstützen, dass er das Streumaterial der Klägerin kostenlos zur Verfügung stellt,

den Beklagten gemäß § 53 Abs. 2 SStrG zu verurteilen, die Klägerin bei der Schneeräumung und dem Bestreuen besonders gefährlicher Fahrbahnstellen derart zu unterstützen, dass er der Klägerin Streufahrzeuge kostenlos zur Verfügung stellt,

den Beklagten gemäß § 53 Abs. 2 SStrG zu verurteilen, die Klägerin bei der Schneeräumung und dem Bestreuen besonders gefährlicher Fahrbahnstellen derart zu unterstützen, dass er die Lagerhaltung des Streusalzes kostenlos übernimmt,

den Beklagten gemäß § 53 Abs. 2 SStrG zu verurteilen, die Klägerin bei der Schneeräumung und dem Bestreuen besonders gefährlicher Fahrbahnstellen derart zu unterstützen, dass er das Personal für die Streufahrzeuge kostenlos zur Verfügung stellt,

den Beklagten gemäß § 53 Abs. 2 SStrG zu verurteilen, die Klägerin bei der Schneeräumung und dem Bestreuen besonders gefährlicher Fahrbahnstellen derart zu unterstützen, dass er die Kosten, die bei der Klägerin für das Schneeräumen und das Bestreuen der besonders gefährlichen Fahrbahnstellen anfallen, übernimmt,

den Beklagten gemäß § 53 Abs. 2 SStrG zu verurteilen, die Klägerin bei der Schneeräumung und dem Bestreuen besonders gefährlicher Fahrbahnstellen derart zu unterstützen, dass er die Klägerin von eventuellen Schadensersatzforderungen Dritter, die auf eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht zurückzuführen sind, freistellt,

weiter hilfsweise,

den Beklagten zu verurteilen, sich mit 35 % an den Kosten des Winterdienstes der Klägerin zu beteiligen, soweit diese Kosten für die Reinigung von Bundes- und Landstraßen I. und II. Ordnung anfallen und diese Straßenteile nicht bereits von dem Beklagten auf eigene Kosten vollständig gereinigt werden.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat erwidert, nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut in § 53 Abs. 1 und 2 SStrG seien die Schneeräumung auf Bundes- und Landstraßen innerhalb der geschlossenen Ortslage sowie das Bestreuen der besonders gefährlichen Fahrbahnstellen originäre Pflicht der Gemeinden. Für eine irgendwie geartete andersartige Auslegung der Bestimmungen sei angesichts der Eindeutigkeit des Wortlauts kein Raum. Sinn und Zweck der Reinigungspflicht bestätigten zudem, dass es sich um eine kommunale – das heißt: ausschließlich den Gemeinden zugewiesene – Aufgabe handele. Die Reinigungspflicht diene der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Herkömmlich seien gerade solche Aufgaben den Kommunen im Rahmen der Daseinsvorsorge durch gesetzliche Regelungen übertragen. Das Schneeräumen sowie das Bestreuen besonders gefährlicher Fahrbahnstellen seien im Winter das Pendant zur Reinigungspflicht. Beides sei für die Aufrechterhaltung des Verkehrs in den Wintermonaten von Bedeutung und solle den für das wirtschaftliche, soziale und kulturelle Leben in der einzelnen Kommune notwendigen Verkehr gewährleisten. Diese Pflicht zur Reinigung unter dem Gesichtspunkt der öffentlichen Sicherheit und Ordnung sei seit jeher eine selbständige öffentliche Aufgabe sicherheitsrechtlicher Art, die grundsätzlich den Gemeinden obliege. Zwar treffe ihn als Straßenbaulastträger eine daneben bestehende Pflicht zur verkehrsmäßigen Reinigung der Bundes- und Landstraßen. Jedoch sei allgemein anerkannt und ergebe sich auch aus der gesetzlichen Regelung, dass die Pflicht zur verkehrsmäßigen Reinigung nicht eintrete, soweit eine Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Reinigung bestehe. Die umfassendere Pflicht der Gemeinden zur ordnungsgemäßen Reinigung absorbiere die begrenzte Pflicht des Straßenbaulastträgers zur verkehrsmäßigen Reinigung. § 9 Abs. 3 SStrG weise sogar ausdrücklich darauf hin, dass zur Straßenbaulast nicht das Schneeräumen sowie das Streuen bei Schnee- und Eisglätte gehörten. Soweit in § 53 Abs. 2 SStrG bestimmt sei, dass er - der Beklagte - die Gemeinden bei diesen Aufgaben zu unterstützen habe, definiere das Gesetz nicht, wie diese Unterstützungsleistung auszusehen habe. Unterstützen könne, da der Winterdienst nicht zu seinen - des Beklagten - Aufgaben gehöre, sondern den Gemeinden übertragen sei und zudem kostenlos zu erfolgen habe, nicht bedeuten, dass letztlich er - der Beklagte - das Schneeräumen und Streuen insgesamt für die Gemeinden übernehme. Eine Unterstützungsleistung sei immer von untergeordneter Bedeutung und könne nur auf solche Maßnahmen gerichtet sein, die den Unterstützenden nicht übermäßig stark belasteten. Das Schneeräumen der gesamten Ortsdurchfahrten als Unterstützen zu qualifizieren, scheide damit per se aus, da es mit einem enormen finanziellen und personellen Aufwand einhergehe. Die vom Gesetz gemeinte Unterstützungsleistung könne auf vielfältige Art und Weise erbracht werden und sei aus diesem Grunde im Gesetz nicht näher definiert. So könne das Unterstützen etwa darin bestehen, dass von ihm - dem Beklagten - bestimmte Strecken geräumt und bestreut würden, dass Salz für die Gemeinde vorgehalten werde oder dass auf Wunsch zusätzliche Winterdienstleistungen zu einem vergünstigten Kostensatz erbracht würden. Genau in diesem Rahmen bewege sich die durch ihn angebotene Unterstützungsleistung. Er übernehme Teilstrecken, auf denen er unentgeltlich Winterdienstleistungen erbringe, nämlich auf sämtlichen Gefällestrecken mit mehr als 6 %. Darüber hinaus sei er jederzeit bereit, mit der einzelnen Gemeinde einen Kooperationsvertrag bezüglich der Bereitstellung von Tausalz zu schließen, womit die Gemeinde einer eigenen Lagerhaltung entbunden wäre. Der Klägerin sei der Entwurf einer solchen Vereinbarung am 21.10.2011 zugesandt worden. Die den Gemeinden angebotene umfassende Winterdiensttätigkeit zu 65 % der ihm tatsächlich entstehenden Kosten stelle eine weitere Unterstützungsleistung dar. Damit komme er insgesamt seiner gesetzlichen Unterstützungspflicht überobligationsmäßig nach. Zutreffend sei, dass er bislang auf seinen Räum- und Streustrecken den Winterdienst auch innerhalb der Ortsdurchfahrten ausgeübt habe. Dies begründe jedoch keinen Rechtsanspruch der Klägerin, dass weiterhin so verfahren werde, denn es habe sich um eine freiwillige Leistung gehandelt. Entgegen der Ansicht der Klägerin beschränke sich die Streupflicht darauf, den Kraftfahrer vor nicht erkennbaren Gefahren zu schützen. Gefährlich in diesem Zusammenhang seien daher nur solche Stellen, die wegen ihres eigentümlichen und nicht ohne weiteres erkennbaren Zustands die Möglichkeit eines Unfalles selbst dann befürchten ließen, wenn der Verkehrsteilnehmer die allgemein erforderliche Sorgfalt beachte. Voraussetzung sei somit, dass unvermutete Gefahren auftreten könnten. Grundsätzlich müsse sich nämlich jeder Verkehrsteilnehmer auch im Winter den gegebenen Straßenverhältnissen anpassen. Er - der Beklagte - sei aufgrund der Haushaltslage nicht mehr in der Lage, die bislang freiwillige Winterdienstleistung zu erbringen. Vor diesem Hintergrund müsse die Unterstützung auf das gesetzlich Erforderliche reduziert werden, wobei er einen sehr großzügigen Maßstab angelegt habe.

Zu Unrecht nehme die Klägerin an, dass § 53 SStrG verfassungswidrig sei. Gesetze seien notwendigerweise abstrakt formuliert und verwendeten häufig unbestimmte Rechtsbegriffe, um die Anwendungsmöglichkeiten flexibel zu gestalten. Gerade weil Unterstützung auf vielfältige Art und Weise denkbar sei und von den Bedürfnissen der einzelnen Gemeinde abhängen könne, sei keine starre Definition der Unterstützung in das Gesetz aufgenommen worden. Zudem ziehe die Klägerin aus der vermeintlichen Verfassungswidrigkeit der Vorschrift die falschen Schlussfolgerungen. Selbst wenn es § 53 SStrG nicht gäbe, bedeute dies nicht, dass die Schneeräumung und das Bestreuen ihm - dem Beklagten - oblägen. § 9 Abs. 3 SStrG besage nämlich, dass zur Straßenbaulast gerade nicht das Schneeräumen und Streuen gehörten. Sein Vorgehen beruhe auch nicht auf einer neuen Auslegung des § 53 SStrG. Tatsache sei vielmehr, dass er seit Jahren freiwillig das Räumen und Streuen in den Ortsdurchfahrten kostenlos übernommen habe, freiwillig deshalb, weil das Räumen und Streuen seit jeher gemeindliche Aufgabe gewesen sei. Nunmehr sei er jedoch nicht mehr in der Lage, freiwillige - das heißt: über die gesetzliche Verpflichtung hinausgehende - Aufgaben kostenlos zu übernehmen. Daher könne die bisherige Praxis nicht fortgesetzt werden. Bei seinem Vorgehen habe er sich mit dem Saarländischen Städte- und Gemeindetag abgestimmt. Er habe unter anderem angeboten, die Gemeinden dergestalt zu unterstützen, dass er, sofern seitens einer Gemeinde dies gewollt sei oder Bedarf bestehe, den Winterdienst in der Gemeinde weiterhin erbringen werde, wobei dann diese Gemeinde hierfür 65 % der ihm entstehenden Kosten übernehmen müsse. Nicht Gegenstand seines Angebots sei dagegen gewesen, dass der Gemeinde, die den Winterdienst selbst durchführe, 35 % ihrer Kosten von ihm erstattet würden. Für eine derartige finanzielle Beteiligung sei dem Gesetz nichts zu entnehmen. Vielmehr fehle eine rechtliche Grundlage für ein solches Ansinnen. Eine Gemeinde, die den Winterdienst selbst durchführe, zeige, dass sie dazu sowohl personell wie auch sachlich in der Lage sei und einer Unterstützung nicht bedürfe. § 53 Abs. 2 SStrG gehe ausschließlich von einer tatsächlichen, nicht jedoch von einer finanziellen Unterstützung aus. Unterstützung solle derjenige erhalten, der sich nicht selbst hinreichend helfen könne. Selbstverständlich könne hierbei eine Misswirtschaft nicht zu Lasten des Unterstützungspflichtigen gehen.

Soweit die Klägerin befürchte, dass es durch den Einsatz unterschiedlicher Streudienste an den Übergangsstellen zu unvorhersehbaren Situationen komme, sei auf § 3 StVO zu verweisen, wonach jeder Fahrzeugführer sein Verhalten den jeweiligen Straßen-, Verkehrs-, Sicht- und Wetterverhältnissen anzupassen habe. Unabhängig davon sei es Wille des Gesetzgebers gewesen, die Zuständigkeit innerhalb der Ortsdurchfahrt bei einem Winterdienstpflichtigen zu belassen. Nur sei dies nicht er - der Beklagte -, sondern gemäß § 53 Abs. 1 SStrG die Klägerin. Auch wenn die Sichtweise einzelner Abgeordneter nicht rechtsbildend sei, fänden sich in den Äußerungen der Abgeordneten Schwarz und Becker doch bemerkenswerte Inhalte, die allerdings seine - des Beklagten - Ansicht stützten. So sei der Passus mit der Unterstützungspflicht in das Gesetz aufgenommen worden, um kleine Gemeinden nicht zu überfordern, wobei man insbesondere an Gemeinden mit bis zu 1.500 Einwohnern gedacht habe. Die Klägerin habe aber mehr als 7.000 Einwohner.

Durch aufgrund mündlicher Verhandlung vom 27.6.2012 ergangenes Urteil (SKZ 2012, 150) hat das Verwaltungsgericht die Klage insgesamt abgewiesen. In den Entscheidungsgründen heißt es unter anderem:

Für das mit dem Hauptantrag im Wege einer zulässigen allgemeinen Leistungsklage verfolgte Begehren, den Beklagten zu verurteilen, ohne Kostenbeteiligung der Klägerin die Bundes- und die Landstraßen innerhalb deren geschlossener Ortslage vom Schnee zu räumen und die besonders gefährlichen Fahrbahnstellen dieser Straßen zu bestreuen, fehle es an einer Rechtsgrundlage. Auszugehen sei dabei von § 53 Abs. 1 Sätze 1 und 2 SStrG. Danach sei die Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Reinigung aller innerhalb der geschlossenen Ortslage gelegenen Straßen einschließlich der Ortsdurchfahrten von Bundes- und Landstraßen I. und II. Ordnung den Gemeinden übertragen. Hierzu stelle § 53 Abs. 1 Satz 3 SStrG klar, dass die Reinigungspflicht die Schneeräumung auf den Fahrbahnen und Gehwegen sowie bei Glatteis und Schneeglätte das Bestreuen der Gehwege, Fußgängerüberwege und der besonders gefährlichen Fahrbahnstellen einschließe. Weiterhin bestimme § 53 Abs. 2 SStrG, dass der Beklagte die Gemeinden ohne Anspruch auf Kostenersatz bei der Schneeräumung auf den Fahrbahnen der Bundes- und Landstraßen sowie bei dem Bestreuen der besonders gefährlichen Fahrbahnstellen dieser Straßen unterstütze. Mit dieser gesetzlichen Regelung sei klargestellt, dass auf Ortsdurchfahrten von Bundes- und Landstraßen die Schneeräumung sowie das Bestreuen der besonders gefährlichen Fahrbahnstellen originäre Pflicht der Gemeinden und dem Beklagten demgegenüber nur eine unterstützende Tätigkeit zugewiesen sei. Soweit die Klägerin meine, der Begriff „Unterstützung“ könne nur so ausgelegt werden, dass der Beklagte auf den Ortsdurchfahrten von Bundes- und Landstraßen die Schneeräumung und das Bestreuen der besonders gefährlichen Fahrbahnstellen vollumfänglich selbst durchzuführen habe, könne ihr nicht gefolgt werden. Hiergegen spreche bereits der eindeutige Wortlaut des Gesetzes, wonach der Beklagte lediglich „unterstützt“ und die Unterstützung „bei“ der Schneeräumung sowie „bei“ dem Bestreuen, nicht etwa „durch“ die Schneeräumung und „durch“ das Bestreuen zu erfolgen habe. Zudem sei bei systematischer Betrachtung zu beachten, dass die von der Klägerin verfolgte Auslegung des Tatbestandsmerkmals „unterstützen“ die gesetzliche Aufgabenzuweisung in § 53 Abs. 1 SStrG weitgehend leerlaufen ließe. In § 9 Abs. 3 SStrG werde zudem ausdrücklich klargestellt, dass zu den Aufgaben des Trägers der Straßenbaulast nach Absatz 1 - dies sei hinsichtlich der Landstraßen gemäß § 46 Abs. 1 SStrG und vorbehaltlich einer abweichenden Regelung nach § 46 Abs. 2 in Verbindung mit § 47 SStrG grundsätzlich der Beklagte - gerade nicht das Schneeräumen und das Streuen bei Schnee- und Eisglätte gehörten. Demnach könne das Tatbestandsmerkmal „unterstützen“ in § 53 Abs. 2 SStrG nur so verstanden werden, dass dem Beklagten eine Pflicht zur Hilfestellung im Sinne einer nachgeordneten Tätigkeit auferlegt sei. Allerdings regele das Gesetz nicht, in welcher Art und in welchem Umfang die „Unterstützung“ gemäß § 53 Abs. 2 SStrG zu erfolgen habe. Die Gesetzesmaterialien zu der genannten Bestimmung ergäben ebenso wenig konkrete Anhaltspunkte, von welchen inhaltlichen Vorstellungen sich der Gesetzgeber beim Tatbestandsmerkmal „unterstützen“ habe leiten lassen. Den Erörterungen im Gesetzgebungsverfahren sei ausweislich der Ausführungen der Abgeordneten Bulle und Becker in der Landtagssitzung vom 17.12.1964 lediglich allgemein die Intension zu entnehmen, dass „.. die bisherige gute Regelung beibehalten werden soll …, dass die Ämter beim Streudienst die Gemeinden nach Kräften unterstützt haben, …“, und die Gefahr gesehen wurde, dass „... besonders die kleinen Gemeinden sehr überfordert sind, wenn sie ihrer Streupflicht bei Schneefall und Glatteis rechtzeitig nachkommen sollen ...“. Lege man diese Kriterien als Eckpunkte der Auslegung zugrunde, hätten sich Art und Umfang der nach § 53 Abs. 2 SStrG zu erbringenden kostenlosen Unterstützungsleistungen zum einen an der Leistungsfähigkeit des Beklagten und zum anderen an dem zur Sicherstellung des gesetzlichen Auftrags zur Straßenreinigung unabweisbar erforderlichen (Hilfe-)Bedarf der jeweiligen Gemeinde zu orientieren, wobei ein weiter Bereich in Betracht komme, der von einem aktiven Tätigwerden des Beklagten bei der Schneeräumung und beim Streuen auf bestimmten Streckenabschnitten über das Zurverfügungstellen von Material oder Fahrzeugen bis hin zur Lagerhaltung von Streusalz und Ähnlichem reichen könne. Soweit die Klägerin geltend mache, § 53 Abs. 2 SStrG könne in Bezug auf den Begriff „Unterstützen“ gemäß dem Bestimmtheitsgebot nur so verfassungsgemäß ausgelegt werden, dass der Beklagte auf den klassifizierten Ortsdurchfahrten die Schneeräumung und das Bestreuen der besonders gefährlichen Fahrbahnstellen vollständig übernehmen müsse und dieser nicht willkürlich und ohne Einflussmöglichkeit der Gemeinde festlegen könne, auf welchen Gefällestrecken er räume bzw. streue, könne ihr nicht gefolgt werden. Art und Umfang der Unterstützungsleistungen des Beklagten seien von einzelfallbezogenen Umständen abhängig und könnten daher schon aus diesem Grund nicht konkretisierend in einem allgemeinen Gesetz bestimmt werden. Zudem dürfe die Bestimmung der kostenlosen Unterstützungsleistungen vom Beklagten ohnehin nicht willkürlich, also unter Außerachtlassung sachlicher Erwägungen, vorgenommen werden. Ein solches willkürliches Vorgehen liege hier allerdings nicht vor. Denn der Beklagte habe angekündigt, die Winterdienstleistungen auf den Strecken innerhalb der Ortsdurchfahrten von Bundes- und Landstraßen, die auf seinen Winterdienstrouten liegen und mehr als 6 % Gefälle aufweisen, weiter kostenlos auszuüben. Diese jeder Gemeinde zugute kommende Hilfestellung beim Winterdienst mache ausweislich der in den Verwaltungsunterlagen enthaltenen Aufstellung „Länge Ortsdurchfahrten im Saarland“ im Gebiet der Klägerin 1.200 m von insgesamt 8.798 m Ortsdurchfahrten von Bundes- und Landstraßen aus. Soweit die Klägerin insoweit vorbringe, dass sich die weitere Unterstützungsleistung des Beklagten nur auf das Bestreuen der Fahrbahnen mit mehr als 6 % Gefälle beziehe und die Schneeräumung vollständig abgelehnt werde, gebe es hierfür keinen Anhalt. Der Beklagte habe dargetan, dass er auf Teilstrecken mit mehr als 6 % Gefälle die „Winterdienstleistungen“ fortführen werde. Eine Einschränkung auf die Tätigkeit des Bestreuens ergebe sich mit Blick auf den verwendeten Plural „Winterdienstleistungen“ nicht, zumal es keinen Sinn machen dürfte, Straßenabschnitte zu bestreuen, wenn diese nicht zuvor vom Schnee geräumt worden seien. Mithin unterstütze der Beklagte schon dadurch, dass er künftig auf den Fahrbahnen der Ortsdurchfahrten von Bundes- und Landstraßen den Winterdienst weiter ausüben werde, sofern diese Strecken auf seiner Winterdienstroute liegen und mehr als 6 % Gefälle aufweisen, die Klägerin bei der Schneeräumung und beim Streuen. Darüber hinaus habe der Beklagte der Klägerin hinsichtlich der übrigen Winterdienstaufgaben eine vertragliche Regelung dahingehend angeboten, dass er den Dienst in der gewohnten Form fortsetze, sofern sich die Klägerin mit 65 % an den Kosten, bezogen auf die Gesamtlänge der klassifizierten Ortsdurchfahrten ihres Gebietes, beteiligt. Das bedeute, dass der Beklagte, soweit er - auf den Gefällestrecken über 6 % - die Leistungen nicht ohnehin kostenlos erbringe, sich faktisch an den Kosten des Winterdienstes im Bereich der Klägerin mit 35 % beteilige. Auch in Bezug auf dieses Vertragsangebot, das nach dem Vortrag des Beklagten inzwischen - mit Ausnahme der Klägerin - alle Gemeinden angenommen hätten, die den Winterdienst nicht selbst vollständig ausüben könnten oder wollten, liege eine Unterstützungsleistung bzw. ein Angebot dazu vor, wobei dabei gerade auch die individuelle Situation der Gemeinde durch das Abstellen auf die Gesamtlänge der klassifizierten Ortsdurchfahrten ihres Gebietes berücksichtigt sei. Eine Pflicht des Beklagten zu einem weitergehenden Unterstützen der Klägerin sei nicht feststellbar. Zum einen habe der Beklagte nachvollziehbar in Bezug auf seine eigene Leistungsfähigkeit dargelegt, dass er aufgrund der - allgemein bekannten - sehr schlechten Haushaltslage des Saarlandes nicht mehr in der Lage sei, die bisher überobligatorisch erbrachten Winterdienstleistungen weiterhin zu erbringen, sondern die Unterstützung auf das gesetzlich Erforderliche reduzieren müsse. Auf der anderen Seite könne nach Maßgabe der Darlegungen der Klägerin nicht festgestellt werden, dass diese nach ihrem individuellen Bedarf und ihren individuellen Möglichkeiten zwingend auf eine größere Unterstützung angewiesen sei, um ihren gesetzlichen Aufgaben gerecht werden zu können. Insoweit trage die Klägerin lediglich vor, sie sei kurzfristig nicht in der Lage, die nötigen Salzmengen einzukaufen und zu lagern sowie den Fuhrpark und den Personalbestand so aufzustocken, dass der Winterdienst auch auf den klassifizierten Straßen der Gemeinde gewährleistet sei. Gesehen werden müsse, dass die Klägerin nach ihren Angaben für den Winterdienst auf den Gemeindestraßen zwei Streuwagen und acht Mitarbeiter vorhalte. Damit versehe sie nach ihren eigenen Angaben Winterdienst auf 65 km Gemeindestraßen. Im Bereich der Klägerin befänden sich ausweislich der Aufstellung „Länge Ortsdurchfahrten im Saarland“ insgesamt 1.443 m Bundesstraßen und 7.355 m Landstraßen, zusammen also 8.798 m Ortsdurchfahrten von klassifizierten Straßen. Abzüglich der 1.200 m Ortsdurchfahrten mit mehr als 6 % Gefälle, die vom Beklagten weiterhin geräumt und gestreut würden, falle für die Klägerin zusätzlicher Winterdienst also auf 7.598 m Ortsdurchfahrten an. Diese streckenmäßige Mehrbelastung von rund 11,5 % falle gegenüber dem von der Klägerin auf Gemeindestraßen ohnehin zu leistenden Winterdienst nicht sonderlich ins Gewicht, zumal eine Streupflicht nur für besonders gefährliche Stellen bestehe. Die Klägerin könne auf diese Mehrbelastung durch Umorganisation ihres Räum- und Streudienstes und Setzen anderer Prioritäten reagieren, wobei nach Art und Wichtigkeit des Verkehrsweges bzw. Gefährlichkeit sowie Stärke des zu erwartenden Verkehrs nachrangige Straßen gegebenenfalls warten müssten. Im Weiteren habe die Klägerin gemäß § 53 Abs. 3 Nr. 2 SStrG die Möglichkeit, durch Satzung die Reinigungspflicht auch für Fahrbahnen unter den dort genannten - allerdings einschränkenden - Voraussetzungen den Eigentümern der anliegenden Grundstücke oder den zur Nutzung dinglich Berechtigten ganz oder teilweise aufzuerlegen. Außerdem habe die Klägerin gemäß § 53 Abs. 3 Nr. 3 SStrG die Befugnis, durch Satzung die Eigentümer oder die zur Nutzung dinglich Berechtigten der anliegenden Grundstücke sowie der durch die Straße erschlossenen Grundstücke zu den entstehenden Kosten heranzuziehen. Soweit sie der Ansicht sei, dass § 53 Abs. 3 Nr. 3 SStrG gegen das Kostendeckungsprinzip verstoße, weil die Leistungen durch den Beklagten kostenlos zu erbringen seien und es im Übrigen angesichts der vom Beklagten willkürlich festgesetzten Kosten unklar sei, in welcher Höhe Kosten umgelegt werden könnten, könne ihr die Kammer nicht folgen. Zum einen sei der Beklagte - wie dargelegt - gesetzlich nicht verpflichtet, den Winterdienst im Bereich der klassifizierten Ortsdurchfahrten der Klägerin vollständig zu erbringen. Zum anderen dürfe der Beklagte die Kosten des Winterdienstes nicht willkürlich festsetzen. Der von den Gemeinden zu tragende Kostenanteil könne - wie angeboten - vertraglich festgelegt werden, wobei sich der Kostenansatz ausweislich der Darlegungen des Beklagten nach den durchschnittlichen tatsächlichen Kosten des Beklagten für den Winterdienst pro laufenden km Bundes- oder Landstraße richte und der Beklagte ausweislich des § 2 Abs. 3 des Vertragsentwurfes im auf die konkrete Winterdienstperiode folgenden Juni Abrechnung über die Kosten zu erteilen habe.

Eine Verpflichtung des Beklagten zu weitergehenden Unterstützungsmaßnahmen beim Winterdienst in den Ortsdurchfahrten der Bundes- und Landstraßen ergebe sich auch nicht daraus, dass der Beklagte den Winterdienst auf diesen Strecken in der Vergangenheit ausgeführt habe. Da der Winterdienst in Bezug auf die Ortsdurchfahrten der Bundes- und Landstraßen den Gemeinden als gesetzliche Aufgabe zugewiesen sei, sei diese Tätigkeit vom Beklagten in der Vergangenheit überobligatorisch erbracht worden. Aufgrund dessen lasse sich eine Verpflichtung des Beklagten zur Fortführung des Winterdienstes in der bisherigen Form nicht aus einem „Gewohnheitsrecht“ herleiten, zumal ein Gewohnheitsrecht gerade in dem hier gegebenen Bereich der gesetzlich geregelten Aufgabenzuweisung ohnehin nicht in Betracht komme. Im Übrigen könne nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen eine „Verwaltungsübung“ jederzeit aus sachgerechten Gründen beendet werden. Hierzu habe der Beklagte nachvollziehbar dargelegt, dass er aufgrund der Haushaltslage des Landes nicht mehr in der Lage sei, die bisher erbrachte Winterdienstleistung weiter zu erbringen, sondern die Unterstützung auf das gesetzlich Erforderliche reduziert werden müsse. Diese Erwägung leuchte ein.

Schließlich sei der Beklagte nicht aus Vertrauensschutzgründen (Art. 20 Abs. 3 GG) zu einer weitergehenden Unterstützung verpflichtet, da er der Klägerin die Reduzierung seiner Winterdiensttätigkeiten rechtzeitig angezeigt habe. Bereits mit Schreiben vom 15.12.2010 habe der Beklagte unter anderem der Klägerin angekündigt, dass er letztmals in der bevorstehenden Wintersaison durch eigene oder beauftragte Fahrzeuge die Fahrbahnen der klassifizierten Straßen innerhalb der Ortsdurchfahrten vom Schnee räumen und die Fahrbahnen mit Streusalz abstreuen lassen werde. Von daher habe die Klägerin genügend Zeit gehabt, sich auf diese neue Situation einzustellen. Zwar habe der Beklagte nach Verhandlungen mit dem Saarländischen Städte- und Gemeindetag erst mit Schreiben an die Klägerin vom 22.06.2011 seine Vorstellungen über den von ihm künftig kostenlos durchzuführenden Winterdienst konkretisiert und einen Vertragsentwurf über die Durchführung des weiteren Winterdienstes mit Kostenbeteiligung der Gemeinden vorgelegt, der in der Folge noch bis zum 14.09.2011 Modifizierungen erfahren habe. Gleichwohl hätte sich die Klägerin nach der klaren Absichtserklärung des Beklagten vom 15.12.2010 nicht mehr darauf verlassen dürfen, dass der Beklagte den Winterdienst wie bisher durchführen werde.

Ebenso wie mithin der Hauptantrag seien die beiden Hilfsanträge unbegründet. Der erste Hilfsantrag scheitere schon daran, dass der Beklagte aus Rechtsgründen nicht verpflichtet sei, die in diesem Hilfsantrag im Einzelnen dargelegten Unterstützungsleistungen kumulativ oder alternativ zu erbringen. In Bezug auf den zweiten Hilfsantrag gebe den Ausschlag, dass nicht ersichtlich sei, weshalb der Beklagte aus Rechtsgründen verpflichtet sein solle, sich finanziell, nämlich mit einem Kostenanteil von 35 %, an den Kosten eines von der Klägerin selbst durchgeführten Winterdienstes zu beteiligten. Zwar habe der Beklagte eine vertragliche Regelung dahingehend angeboten, dass er den Winterdienst in der gewohnten Form weiterführe, sofern sich die Klägerin mit 65 % an den Kosten, bezogen auf die Gesamtlänge der klassifizierten Ortsdurchfahrten in ihrem Bereich, beteilige. Auch wenn dies bedeute, dass sich der Beklagte faktisch an den Kosten des Winterdienstes im Gebiet der Klägerin mit 35 % beteilige, soweit er die Leistungen nicht ohnehin erbringe, begründe die gesetzliche Regelung in § 53 Abs. 2 SStrG keine rechtliche Verpflichtung des Beklagten, seiner Unterstützungspflicht in Form von Geldleistungen nachzukommen.

Dieses Urteil ist der Klägerin am 06.07.2012 zugestellt worden. Auf ihren am 20.07.2012 eingegangenen und am 06.09.2012 ausführlich begründeten Antrag hin hat der Senat mit Beschluss vom 16.01.2013 - 1 A 230/12 -, der Klägerin zugestellt am 18.01.2013, die Berufung zugelassen. Mit der am 18.02.2013 eingegangenen Berufung trägt die Klägerin vor:

Das Verwaltungsgericht habe bei seiner Entscheidung, soweit es um die Pflicht zur Durchführung des Winterdienstes an Bundesfernstraßen gehe, § 3 Abs. 3 FStrG übersehen. Danach solle der Träger der Straßenbaulast - dies sei der Beklagte - die Bundesfernstraßen bei Schnee- und Eisglätte nach besten Kräften räumen und streuen. Bei der Auslegung des § 53 SStrG sei unberücksichtigt geblieben, dass von Anfang 1965 bis Ende 2010 Einvernehmen zwischen den saarländischen Städten und Gemeinden einerseits und dem Beklagten andererseits bestanden habe, dass der Beklagte gemäß § 53 Abs. 2 SStrG den gesamten Winterdienst auf den Fahrbahnen der Ortsdurchfahrten der Bundes- und Landstraßen schulde. Die Rückführung dieses Dienstes auf Fahrbahnstrecken mit mehr als 6 % Gefälle finde im Gesetz keine Grundlage und erfolge willkürlich. Insbesondere würden damit nicht alle gefährlichen Fahrbahnstellen, wie es sie in ihrem Gemeindegebiet zumindest bei bestimmten Wetterlagen wie beispielsweise Blitzeis gebe, erfasst. Gerade um derart eigenmächtiges Vorgehen durch den Beklagten zu unterbinden, sei § 53 Abs. 2 SStrG in das Gesetz eingefügt worden. Insoweit habe sich nicht die damals - 1964 - allein regierende CDU, der u.a. der Abgeordnete Bulle angehört habe, sondern die Opposition, insbesondere die SPD mit dem Abgeordneten Schwarz, aber auch die SVP - CVP mit dem Abgeordneten Becker, im Landtag durchgesetzt. Deshalb müsse bei der Ermittlung des Willens des historischen Gesetzgebers primär auf die Aussagen des Abgeordneten Schwarz in der entscheidenden Landtagssitzung vom 17.12.1964 zurückgegriffen werden. Dieser habe aber das „Unterstützen“ speziell auf den Winterdienst bezogen. Das Schneeräumen und das Streuen der Fahrbahnen der Ortsdurchfahrten der Bundes- und Landstraßen - als Teilbereiche der wesentlich weitergehenden Straßenreinigungspflicht - habe der Beklagte anstelle der einzelnen Gemeinde als Unterstützungsleistung übernehmen sollen. Nur so erlangten die Absätze 1 und 2 des § 53 SStrG - als Ganzes gesehen - einen sinnvoll aufeinander abgestimmten und hinreichend konkreten Inhalt. Zugleich werde durch die damit einhergehende einheitliche Verantwortlichkeit des Beklagten für das Räumen und das Streuen der Bundes- und Landstraßen die Verkehrssicherheit gefördert.

Die Annahme des Verwaltungsgerichts, der Umfang der kostenlos zu erbringenden Unterstützungsleistung des Beklagten habe sich nach der Leistungsfähigkeit der einzelnen Gemeinde zu richten, finde weder im Gesetz noch in den Gesetzesmaterialien eine Grundlage. Tatsächlich sei die Rückführung des Winterdienstes durch den Beklagten auch nicht das Ergebnis einer Auslegung des § 53 Abs. 2 SStrG, sondern die „Retourkutsche“ des Landes dafür, dass zahlreiche Städte und Gemeinden in jüngster Zeit vom Land Gebühren für die Einleitung des von Landstraßen abfließenden Niederschlagswassers in die öffentlichen Entwässerungseinrichtungen erheben. Die Leistungsfähigkeit der einzelnen Gemeinde, einen im Vergleich zu früher erweiterten Winterdienst zu erbringen, habe dagegen bei der Entscheidung des Beklagten, seinen Winterdienst einzuschränken, keine Rolle gespielt. Andernfalls hätte insbesondere auf die finanzielle Situation der einzelnen Gemeinde bei dem Vertragsangebot abgestellt werden müssen. Stattdessen sei jedoch ein einheitlicher Standardvertrag für alle Städte und Gemeinden unterbreitet worden. Sie - die Klägerin - sei jedenfalls nicht in der Lage, den Winterdienst in dem erweiterten Umfang durchzuführen. Ihr Haushalt sei im Jahr 2012 mit 2,4 Millionen EUR defizitär, weshalb sie ein Haushaltssanierungskonzept habe aufstellen müssen. Sie habe kein Geld, um neue Räum- und/oder Streufahrzeuge zu kaufen - die beiden vorhandenen Fahrzeuge seien von der Breite her für einen Einsatz auf Bundes- und Landstraßen ungeeignet - und zusätzliches Personal für den Winterdienst einzustellen. Die rein streckenlängebezogene Betrachtung, die das Verwaltungsgericht durchgeführt habe, übergehe, dass das Räumen und Streuen von Bundes- und Landstraßen arbeits-, material- und zeitaufwändiger, mithin auch wesentlich teurer seien als das Räumen und Streuen von Gemeindestraßen. Das Vertragsangebot des Beklagten missachte zudem die gesetzliche Vorgabe, dass die Unterstützungsleistung kostenlos zu erbringen sei. Die vom Verwaltungsgericht angeregte Abwälzung der Reinigungspflicht auf die Anlieger wäre gesetzwidrig und auch unrealistisch. Wenn die Politik das Vorgehen des Beklagten in dieser Form wünsche, sei der einzig gangbare Weg, zuvor § 53 SStrG zu ändern.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des angegriffenen Urteils nach den erstinstanzlich gestellten Anträgen zu erkennen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er erwidert, der Winterdienst in dem in der Vergangenheit erbrachten Umfang sei stets als freiwillige Leistung angesehen worden. Dass insoweit die Klägerin in der Pflicht stehe und er - der Beklagte - nur unterstützend tätig werde, habe die Klägerin beispielsweise in einem Schreiben vom 25.05.1984 anerkannt. Diese freiwillige Leistung sei wie alle anderen freiwilligen Leistungen des Landes wegen dessen schlechter finanzieller Lage auf den Prüfstand gestellt worden. Als Ergebnis dieser Prüfung sei der Winterdienst auf den Ortsdurchfahrten der Bundes- und Landstraßen auf das gesetzliche gebotene Maß zurückgeführt worden. Die einschlägigen Bestimmungen, nämlich § 53 Abs. 1 und 2 SStrG, habe das Verwaltungsgericht zutreffend ausgelegt. Nach dem völlig eindeutigen Gesetzeswortlaut sei es originäre Aufgabe der Gemeinden, - auch - die Ortsdurchfahrten der Bundes- und Landstraßen ordnungsgemäß zu reinigen (§ 53 Abs. 1 Satz 1 SStrG), wozu insbesondere das Schneeräumen auf den Fahrbahnen sowie das Bestreuen der besonders gefährlichen Fahrbahnstellen - solche gebe es allerdings nach seinen Feststellungen im Gebiet der Klägerin nicht - gehöre (§ 53 Abs. 1 Satz 2 SStrG). Dagegen gehöre das Schneeräumen und Streuen bei Schnee- und Eisglätte gerade nicht zu den Pflichten des Straßenbaulastträgers (§ 9 Abs. 3 SStrG). Er – der Beklagte – habe die Gemeinden - lediglich – beim Schneeräumen und Streuen zu unterstützen. Das stehe der Ansicht der Klägerin, er schulde den gesamten Winterdienst, klar entgegen.

Wie seine Unterstützungsleistung auszusehen habe, lege das Gesetz nicht fest. Sein Konzept umfasse die unentgeltliche Durchführung des Winterdienstes auf bestimmten Teilstrecken der Ortsdurchfahrten, nämlich auf denjenigen mit mehr als 6 % Gefälle, Hilfe bei der Salzbeschaffung und das Angebot, den übrigen Winterdienst gegen Erstattung von 65 % der ihm tatsächlich entstehenden Kosten zu übernehmen. Das sei seiner Meinung nach insgesamt gesehen mehr als geboten und keineswegs willkürlich. Das zeige die Reaktion der Mehrzahl der saarländischen Städte und Gemeinden, die - 36 Städte und Gemeinden - entweder sein Vertragsangebot angenommen hätten oder - 14 Städte und Gemeinden - den Winterdienst - abgesehen von den Teilstrecken mit mehr als 6 % Gefälle - in die eigene Verantwortung übernommen hätten, und finde eine Bestätigung darin, dass die Klägerin den Winterdienst im letzten Winter offenbar ordnungsgemäß durchgeführt habe. Im Grunde habe sich das Motiv des Gesetzgebers für die Einfügung des § 53 Abs. 2 SStrG erledigt. Es sei damals nämlich um Hilfe für kleine Gemeinden - wiederholt sei eine Grenze bei einer Einwohnerzahl von 1.500 gezogen worden - gegangen. Derartige Gemeinden gebe es aber seit der Gebietsreform des Jahres 1974 im Saarland nicht mehr. Der Rechnungshof des Saarlandes dränge im Übrigen inzwischen auf eine nochmalige deutliche Reduzierung der Unterstützung.

Während des Rechtsstreits haben die Beteiligten - unter Vorbehalt ihrer kontroversen Rechtsauffassungen - eine dem zwischen dem Saarländischen Städte- und Gemeindetag und dem Beklagten ausgehandelten Muster angelehnte Vereinbarung abgeschlossen. Danach führt der Beklagte den Winterdienst wie zuletzt im Winter 2010/2011 auf 2.180 m Ortsdurchfahrten von Bundes- und Landstraßen im Gebiet der klagenden Gemeinde gegen Erstattung von 65 % der Kosten durch; es handelt sich dabei durchweg um kurze Teilstrecken auf den Winterdienstrouten des Beklagten.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den in der mündlichen Verhandlung erörterten Inhalt der verfahrensbezogenen Gerichtsakten einschließlich der Gerichtsakte des einstweiligen Anordnungsverfahrens (10 L 1533/11) sowie der vom Beklagten eingereichten Verwaltungsunterlagen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Über die Berufung muss entschieden werden, obwohl die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat die Berufung zurückgenommen hat. Zu diesem Zeitpunkt waren nämlich die Anträge bereits gestellt, und deshalb wäre die Rücknahme nur wirksam geworden, wenn ihr der Beklagte zugestimmt hätte (§ 126 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Dieser hat aber seine Zustimmung verweigert.

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht die Klage in vollem Umfang abgewiesen. Der Klägerin steht keiner der geltend gemachten Ansprüche zu.

1. Ausgangspunkt der rechtlichen Prüfung des gesamten Klagebegehrens ist § 53 Abs. 1 SStrG. Nach dessen Satz 1 sind alle innerhalb der geschlossenen Ortslage gelegenen Straßen einschließlich der Ortsdurchfahrten der Bundesstraßen und Landstraßen I. und II. Ordnung ordnungsgemäß zu reinigen (sog. ordnungsmäßige - früher: polizeimäßige - Reinigung). Dazu gehört nach Satz 3 insbesondere das Säubern der Fahrbahnen und Gehwege, die Schneeräumung auf den Fahrbahnen und Gehwegen sowie bei Glatteis und Schneeglätte das Bestreuen der Gehwege, Fußgängerüberwege und der besonders gefährlichen Fahrbahnstellen. Die Straßenreinigungspflicht obliegt nach Satz 2 den Gemeinden als Selbstverwaltungs-Pflichtaufgabe.

Des Weiteren ist der Winterdienst ausdrücklich von dem Aufgabenkreis der Straßenbaulastträger ausgenommen. Nach § 9 Abs. 3 SStrG umfasst die Straßenbaulast u.a. nicht die Pflicht zum Schneeräumen und zum Streuen bei Schnee- und Eisglätte. Straßenrechtlich trifft insoweit die Straßenbaulastträger also keine, jedenfalls keine originäre Handlungspflicht, sondern einzig die Gemeinden.

Dem hält die Klägerin - beschränkt auf den Winterdienst auf den Ortsdurchfahrten von Bundesstraßen - zu Unrecht die Regelung in § 3 Abs. 3 Satz 1 FStrG entgegen. Nach dieser Bestimmung sollen die Träger der Straßenbaulast nach besten Kräften über die ihnen nach Absatz 1 umfassend obliegenden Aufgaben, die mit dem Bau und der Unterhaltung der Bundesfernstraßen zusammenhängen, hinaus die Bundesfernstraßen bei Schnee- und Eisglätte räumen und streuen. Die Aussage bestätigt durch die Formulierung „über die nach Absatz 1 obliegenden Aufgaben hinaus“, dass der Winterdienst von der Baulast gerade nicht umfasst wird

ebenso BGH, Urteil vom 5.7.1990 - III ZR 217/89 -, DVBl. 1991, 1001; Grupp in Marschall, FStrG, 6. Aufl., § 3 Rdnr. 16; Tegtbauer in Kodal, Straßenrecht, 7. Aufl., Kap. 13 Rdnrn. 14 und 23, und Witting in Müller/Schulz, FStrG, § 3 Rdnr. 86.

Sodann legt Satz 2 der Bestimmung fest, dass landesrechtliche Vorschriften über die Pflichten Dritter zum Schneeräumen und Streuen sowie zur polizeimäßigen Reinigung unberührt bleiben. Mithin steht § 3 Abs. 3 Satz 1 FStrG unter dem Vorbehalt abweichender landesrechtlicher Regelungen. Dazu gehört für den Bereich des Saarlandes die in § 53 Abs. 1 SStrG enthaltene Inpflichtnahme der Gemeinden zum Winterdienst auf den Ortsdurchfahrten von Bundes- und Landstraßen

ebenso zum Verhältnis zwischen § 3 Abs. 3 FStrG und den Bestimmungen des württembergischen Straßenreinigungsgesetzes BVerwG, Beschluss vom 11.11.1960 - I B 81/60 -, NJW 1961, 619; ferner allgemein Witting, a.a.O., § 3 Rdnr. 97.

Dass der Winterdienst innerhalb der geschlossenen Ortslage der Gemeinden zu deren Pflichtenkreis gehört, entspricht im überwiegenden Teil des Saarlandes rund 100jähriger Rechtstradition. In dem früher zum Königreich Preußen gehörenden Teil des Saarlandes galt nämlich das Preußische Gesetz über die Reinigung öffentlicher Wege vom 1.7.1912, das nach § 53 Abs. 3 SStrG in seiner ursprünglichen Fassung - und zwar nunmehr im gesamten Saarland - fortgalt und erst durch Art. 1 Nr. 44 und Nr. 52 des Gesetzes Nr. 1066 zur Änderung des Saarländischen Straßengesetzes vom 13.7.1977 (Amtsbl. S. 769) mit Wirkung vom 16.9.1977 aufgehoben wurde. Nach dessen § 1 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 oblag die polizeimäßige Reinigung öffentlicher Wege einschließlich der Schneeräumung und des Bestreuens mit abstumpfenden Stoffen, beschränkt auf die Wege, die überwiegend dem inneren Verkehr der Ortschaft dienen - dazu zählen auch die Ortsdurchfahrten klassifizierter Straßen -, derjenigen Gemeinde, zu deren Bezirk der Weg gehört. Absatz 4 bestimmte ergänzend, dass, soweit die Pflicht der Gemeinde zur polizeimäßigen Reinigung geht, Pflichten des Wegebaupflichtigen zur Reinigung nicht eingreifen.

Ihre sachliche Rechtfertigung erfuhr und erfährt diese Regelung daraus, dass die Aufrechterhaltung des innerörtlichen Verkehrs auch bei winterlichen Straßenverhältnissen für das soziale, wirtschaftliche und kulturelle Leben innerhalb der Gemeinde wichtig ist, daher zur Daseinsvorsorge gehört und wegen dieses engen örtlichen Bezugs von der Gemeinde wahrzunehmen ist.

Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund hat der Bundesgerichtshof

Urteile vom 30.9.1970 - III ZR 81/67 -, NJW 1971, 43, vom 5.7.1990 - III ZR 217/89 -, a.a.O., und vom 21.11.1996 - III ZR 28/96 -, NVwZ-RR 1997, 709,

das nordrhein-westfälische und das rheinland-pfälzische Landesrecht, das sachlich § 53 Abs. 1 SStrG entspricht, dahin ausgelegt, dass die Übertragung des Winterdienstes innerhalb der geschlossenen Ortslage als Teil der ordnungsmäßigen Reinigung auf die Gemeinde - selbst ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung - inhaltsgleiche Pflichten des Straßenbaulastträgers verdrängt. Erst recht hat das angesichts von § 9 Abs. 3 SStrG für die Rechtslage im Saarland zu gelten.

Daran ändert § 53 Abs. 2 SStrG nichts, wonach das Staatliche Straßenbauamt - inzwischen: Landesbetrieb für Straßenbau

vgl. Art. 1 (11) Nr. 3 des Gesetzes zur organisationsrechtlichen Anpassung und Bereinigung von Landesgesetzen vom 15.2.2006 (Amtsbl. S. 474) -

die Gemeinden ohne Anspruch auf Kostenersatz bei der Schneeräumung auf den Fahrbahnen der Bundesstraßen und Landstraßen I. und II. Ordnung sowie beim Bestreuen der besonders gefährlichen Stellen der Fahrbahnen dieser Straßen unterstützt. Diese Bestimmung wird von der Klägerin missverstanden. Sie vermittelt der einzelnen Gemeinde keinerlei Rechte, nicht einmal einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung.

Die genannte Vorschrift war in dem mit Schreiben vom 20.2.1964 dem Landtag des Saarlandes zugeleiteten Entwurf der Landesregierung für ein Saarländisches Straßengesetz nicht enthalten

vgl. LT-Drs. 4/ 886,

das in Bezug auf die Straßenreinigung auf eine Beibehaltung des durch das Preußische Gesetz vom 1.7.1912 geprägten Rechtszustandes abzielte

vgl. Begründung zu § 53, LT-Drs. 4/ 886, S. 22.

Der Landtagsausschuss für Öffentliche Arbeiten und Wiederaufbau beschloss dann am 24.9.1964 einstimmig, § 53 des Gesetzentwurfs der Landesregierung um einen Absatz zu ergänzen, der dem späteren Absatz 2 mit der Abweichung entsprach, dass die Unterstützung auf Gemeinden mit weniger als 1500 Einwohner beschränkt bleiben sollte. Dieser Beschluss wurde am 25.11.1964 mit Stimmenmehrheit aufgehoben. Die SPD-Fraktion im Landtag brachte aber am 16.12.1964 einen Abänderungsantrag zum Regierungsentwurf eines Saarländischen Straßengesetzes ein

LT-Drs. 4/ 1023,

der am folgenden Tag als § 53 Abs. 2 SStrG beschlossen wurde.

Wortlaut und Entstehungsgeschichte des § 53 Abs. 2 SStrG ergeben, dass diese Bestimmung nichts an der aufgezeigten ausschließlichen Zuweisung der Pflicht zum Winterdienst in der geschlossenen Ortslage, also einschließlich der Fahrbahnen der Ortsdurchfahrten der Bundes- und Landstraßen, auf die Gemeinden ändert.

Das zeigt bereits der Gebrauch des Wortes „unterstützt“ in § 53 Abs. 2 SStrG. Dies steht in einem klaren Gegensatz zu der wesentlich schärferen Formulierung „obliegt“ in § 53 Abs. 1 Satz 2 SStrG. Vor allem aber bedeutet „unterstützt“ jedenfalls dann, wenn es nicht - beispielsweise durch Nennung bestimmter Unterstützungsmaßnahmen - konkretisiert wird, sondern vielmehr - wie in § 53 Abs. 2 SStrG - „bei“ der Erfüllung einer bestimmten Pflicht, hier der Pflicht zum Schneeräumen und Streuen, verwendet wird, nach dem allgemeinen Wortverständnis, dass ein zum Handeln rechtlich nicht Verpflichteter dem weiterhin allein in der Pflicht Stehenden - lediglich - hilft. Der „Unterstützer“ erfüllt also keine eigene Verpflichtung, sondern hilft bei der Erfüllung einer fremden Pflicht. Er kann deshalb von dem, der „unterstützt“ werden soll, rechtlich nicht in die Pflicht genommen werden, sondern nimmt sich gewissermaßen selbst in die Pflicht oder lässt sich in die Pflicht nehmen. Daher erfolgt „Unterstützung“ typischerweise auch unentgeltlich, hat regelmäßig eher untergeordneten Umfang und wird nach Art und Umfang vom „Unterstützer“ bestimmt. Deshalb teilt der erkennende Senat die Auffassung von Bauer

in Kodal, a.a.O., Kap. 43 Rdnr. 8,

dass die Verwendung des Wortes „unterstützt“ in § 53 Abs. 2 SStrG nur dann einen Sinn macht, wenn den Beklagten keine Rechtspflicht zur - gegebenenfalls auch nur teilweisen - Erbringung des Winterdienstes trifft.

Damit stimmt überein, dass gesetzliche Bestimmungen, nach denen einer einen anderen bei der Erfüllung einer Pflicht „unterstützt“, regelmäßig dahingehend interpretiert werden, dass sie keine Rechtspflicht des „Unterstützers“ begründen, sondern lediglich eine „dringende Empfehlung“ oder einen „nachdrücklichen Appell“ verlautbaren. Dies gilt insbesondere für § 41 Abs. 1 Satz 3 (früher: § 43 Abs. 1 Satz 2) StrG BW. Nach dieser Bestimmung unterstützen, soweit Ortsdurchfahrten nicht in der Straßenbaulast der Gemeinden stehen, die Träger der Straßenbaulast (früher: die Straßenbauämter) die Gemeinden nach besten Kräften bei der Erfüllung der Verpflichtungen zur Schneeräumung und zum Bestreuen, ohne dass Kosten erhoben werden. Diese Bestimmung war Vorbild für § 53 Abs. 2 SStrG

dazu der Abgeordnete Schwarz in der Landtagssitzung vom 17.12.1964, Berichte 4 S. 1987.

Die baden-württembergische Regelung wird aber - soweit ersichtlich - einhellig dahin verstanden, dass sie „lediglich objektiv-rechtlichen Charakter hat“ und „keinen Rechtsanspruch der einzelnen Gemeinde auf Erfüllung begründet“

so Nagel, Straßengesetz für Baden-Württemberg, 3. Aufl., § 9 Rdnr. 18 und § 41 Rdnr. 23,

bzw. „nur eine tatsächliche und keine rechtliche Entlastung der Gemeinden“ ergibt, da „die Gemeinden… keinen Rechtsanspruch auf Unterstützung durch die Straßenbauämter haben“

so Gerhardt, Kommentar zum Straßengesetz für Baden-Württemberg, § 43 Rdnr. 9.

Im gleichen Sinne wird die bereits erwähnte (S. 22) „Soll-Regelung“ des § 3 Abs. 3 Satz 1 FStrG ausgelegt. So spricht Grupp

a.a.O., § 3 Rdnr. 16; dem Sinne nach übereinstimmend Witting, a.a.O., § 3 Rdnrn. 87 und 88,

davon, die genannte Vorschrift enthalte nur eine „nachdrückliche Empfehlung“, begründe aber keine Rechtspflicht. Entsprechend werden im Wesentlichen gleichlautende Bestimmungen im bayerischen, nordrhein-westfälischen und niedersächsischen Landesrecht verstanden

dazu Willmitzer in Edhofer/Willmitzer, Bayerisches Straßen- und Wegegesetz, 10. Aufl., Art. 9 Er. 6: „nachdrückliche Empfehlung, jedoch keine Rechtspflicht“; Walprecht/Cosson, Straßen- und Wegegesetz des Landes Nordrhein-Westfalen, § 9 Rdnr. 94: „keine Rechtspflicht“, und Wendrich, Niedersächsisches Straßengesetz, 4. Aufl., § 9 Rdnr. 5: „Hinweis ohne rechtliche Bedeutung“.

Deshalb werden Winterdienstleistungen, wie sie zunächst das Staatliche Straßenbauamt und dann der Beklagte seit Jahrzehnten im Saarland in großem Umfang erbracht haben, allgemein als „freiwilliger Winterdienst“ bezeichnet

so u.a. Bauer, a.a.O., Kap. 43 Rdnr. 38; Tegtbauer, a.a.O., Kap. 13 Rdnr. 23, und Witting, a.a.O., § 3 Rdnr. 88.

Das aufgezeigte Verständnis des § 53 Abs. 2 SStrG erklärt dann auch zwanglos, warum der Gesetzgeber in dieser Bestimmung nicht einmal ansatzweise zum Ausdruck gebracht hat, wie die Unterstützungsleistung aussehen soll. Diese Entscheidung wurde vielmehr in die Hände des Staatlichen Straßenbauamts - inzwischen: des Beklagten - gelegt, ohne dass der einzelnen Gemeinde auch nur ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung eingeräumt wurde. Damit blieb zwar das von dem Abgeordneten Schwarz in der Landtagssitzung vom 17.12.1964

a.a.O., S. 1989,

angesprochene Problem, dass es in der Vergangenheit in Einzelfällen zu willkürlicher Hilfeverweigerung gekommen sei, ungelöst. Allerdings wurde im Landtag angesichts der in Bezug auf die vom Staatlichen Straßenbauamt erbrachten Unterstützungsleistungen gemachten Erfahrungen, die als überwiegend langjährig gut angesehen wurden

vgl. dazu die Ausführungen der Abgeordneten Schwarz, a.a.O., S. 1987 sowie 1989, und Bulle, a.a.O., S. 1989,

offenbar kein weitergehender Handlungsbedarf gesehen. Zudem sah sich der Abgeordnete Schwarz ersichtlich außer Stande, einen Formulierungsvorschlag zur Konkretisierung des „Unterstützens“ zu unterbreiten. Seine Ansicht, es solle - gleich ob Gemeinde oder Straßenbauamt - stets derjenige eine Ortsdurchfahrt insgesamt räumen und streuen, der als Erster an Ort und Stelle ist

a.a.O., S. 1989,

mag zwar für die kurzfristige praktische Umsetzung vor Ort in Eilfällen sinnvoll sein, war aber schwerlich geeignet, ins Gesetz aufgenommen zu werden.

Ohne dass es nach den vorstehenden Ausführungen noch darauf ankäme, weist der Senat ergänzend darauf hin, dass die hier vorgenommene Normauslegung eine klare Bestätigung bei Betrachtung der Erörterung des Für und Wider des Einfügens des § 53 Abs. 2 SStrG in dem zuständigen Landtagsausschuss findet.

Die Frage, was denn eine „Unterstützungsregelung“ trotz ihrer inhaltlichen Unbestimmtheit im Ergebnis bewirke, wurde im Ausschuss mehrfach aufgeworfen. Von Abgeordneten auf den Sinn der baden-württembergischen Parallelvorschrift angesprochen erwiderte ein Vertreter der Landesregierung, diese diene „wahrscheinlich dazu, der Straßenbauverwaltung gegenüber dem Rechnungshof eine Rückendeckung zu verschaffen“. Darauf wurde einerseits entgegnet, „dessen ungeachtet“ solle eine „Unterstützungsregelung“ in das Gesetz aufgenommen werden. Andererseits wurde geltend gemacht, gerade weil eine solche Bestimmung keinen Rechtsanspruch schaffe, solle sie, um Missverständnisse zu vermeiden, weggelassen werden. Konsens war jedenfalls, wie die Abgeordneten Bulle und Schwarz auch im Plenum deutlich machten

a.a.O., S. 1987 bzw. 1989,

dass einzig die Gemeinde für Schäden infolge unterbliebenen oder mangelhaft durchgeführten Winterdienstes haftet. Geradezu hellseherisch erscheint der von dem Abgeordneten Bulle in der Landtagssitzung am 17.12.1964

a.a.O., S. 1989,

gegebene Hinweis, bei Aufnahme der „Unterstützungsregelung“ in das Gesetz und Fortsetzung der bisherigen Praxis bestehe die Gefahr, dass die an sich anders gemeinte Regelung später einmal vermeintlich Gewohnheitsrecht begründe und – irrig – ein Rechtsanspruch auf Unterstützung sowie eine Haftungspflicht des Landes angenommen werde. In dieselbe Richtung weisen die Ausführungen eines anderen Abgeordneten im Rahmen der Diskussion über die Aufhebung des vom Ausschuss für Öffentliche Arbeiten und Wiederaufbau am 24.9.1964 gefassten Beschlusses zur Änderung der Regierungsvorlage zu § 53 SStrG. Zwar bestand damals im Ausschuss offenbar Einvernehmen darüber, dass „durch diese Bestimmung kein Rechtsanspruch statuiert werde“; es könne aber der Fall eintreten, „dass aus der Formulierung „unterstützen“ eine Mithaftung des Landes hergeleitet werde und vermeidbare - gemeint offenbar: aussichtslose (Ergänzung durch den Senat) - Prozesse entstünden“. Dem wurde lediglich entgegengehalten, es müsse - unter Ausschluss einer Mithaftung des Landes - „die Möglichkeit einer echten Unterstützung der Gemeinden eröffnet“ werden. Ein Rechtsanspruch der Gemeinde auf „Unterstützung“ wurde dagegen zu keiner Zeit gefordert.

Nach allem verbietet es sich nicht nur, aus § 53 Abs. 2 SStrG abzuleiten, der Beklagte sei verpflichtet, anstelle der Klägerin auf den in deren Gebiet befindlichen Fahrbahnen der Ortsdurchfahrten der Bundes- und Landstraßen den Schnee zu räumen und die besonders gefährlichen Fahrbahnstellen zu bestreuen; die Vorschrift ist vielmehr generell ungeeignet, Grundlage für irgendwelche Rechtsansprüche der Klägerin gegen den Beklagten in Bezug auf eine Unterstützung beim Winterdienst zu sein. Dies gilt auch für einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über das Ob und gegebenenfalls das Wie einer Unterstützung.

2. Folgt man der vorstehend vertretenen Auffassung nicht, sondern geht davon aus, dass § 53 Abs. 2 SStrG der Klägerin einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung des Beklagten über ihren Unterstützungswunsch eröffnet, bleibt es ebenfalls bei der Klageabweisung. Der Senat hält das vom Beklagten geschnürte „Paket“, das den kompletten kostenlosen Winterdienst - Schneeräumung auf den Fahrbahnen der Bundes- und Landstraßen innerhalb der geschlossenen Ortslage sowie Bestreuen etwaiger besonders gefährlicher Fahrbahnstellen - auf den Teilstrecken, die auf seinen Winterdienstrouten liegen und mehr als 6 % Gefälle aufweisen, und das Vertragsangebot, den Winterdienst im früheren Umfang gegen Erstattung von 65 % der Kosten durchzuführen, umfasst, jedenfalls für ein angemessenes Unterstützen im Sinne des § 53 Abs. 2 SStrG. Für diese Wertung ist dabei die vorstehend (S. 25) aufgezeigte Interpretation des Tatbestandsmerkmals „unterstützen“ ausschlaggebend. Darin sieht sich der Senat zudem durch die Reaktion der anderen saarländischen Städte und Gemeinden bestätigt, die mit Ausnahme der Klägerin entweder das Vertragsangebot des Beklagten angenommen oder aber den Winterdienst außerhalb der vom Beklagten weiterhin kostenlos geräumten und bestreuten Straßenstücke in die eigene Verantwortung übernommen haben. Ferner hat nach Einschätzung des Beklagten die Klägerin den nicht vom Beklagten übernommenen Teil des Winterdienstes auf den Ortsdurchfahrten der Bundes- und Landstraßen in den Winterperioden 2011/12 und - bisher - 2012/13 ordnungsgemäß erbracht, also die Aufgabe personell, sachlich und finanziell bewältigt. Dies wurde in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat unstreitig. Eine innere Aushöhlung des Selbstverwaltungsrechts der Klägerin, in deren Haushalt für das Jahr 2012 nach eigenem Vortrag noch Gelder für freiwillige Leistungen eingestellt waren, ist nicht annehmbar.

3. Für die Klägerin wäre schließlich nichts dadurch gewonnen, würde § 53 Abs. 2 SStrG wegen Unbestimmtheit für nichtig erachtet. Dann fehlte es erst recht an der erforderlichen Rechtsgrundlage für die in Haupt- und Hilfsanträgen geltend gemachten Ansprüche. Vielmehr bliebe es dann ebenfalls bei der Verpflichtung einzig der Klägerin zum Winterdienst nach Maßgabe des § 53 Abs. 1 SStrG.

Die gegenteilige Argumentation der Klägerin geht davon aus, eine Nichtigkeit des § 53 Abs. 2 SStrG erfasse auch den ersten Absatz dieser Bestimmung. Das trifft indes nicht zu. Ist lediglich ein Teil einer mehrere Regelungen umfassenden Bestimmung - hier unterstellt: § 53 Abs. 2 SStrG - nichtig, beantwortet sich die Frage, ob die Nichtigkeit den weitergehenden Regelungsgehalt - hier: § 53 Abs. 1 SStrG - einschließt, danach, ob dieser „Rest“ einen eigenständigen Anwendungsbereich behält, der für sich genommen ein sinnvolles Regelungsgefüge darstellt und dessen Weitergeltung ohne den nichtigen Teil dem hypothetischen Willen des Normgebers entspricht

so BVerfG, Beschlüsse vom 7.9.2010 - 2 BvF 1/09 -, BVerfGE 127, 165 Rdnr. 159, sowie vom 16.12.2010 - 2 BvL 16/09 -, NVwZ-RR 2011, 387 Rdnr. 29; ferner BVerwG, Urteile vom 26.9.2012 - 2 C 74/10 -, NVwZ 2013, 80 Rdnr. 28, sowie - 2 C 48/11 -, juris Rdnr. 21.

Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Auch ohne § 53 Abs. 2 SStrG stellt die Vorschrift ein sinnvolles Ganzes dar. Weitgehend in dieser Form entspräche sie dem Regierungsentwurf für ein Saarländisches Straßengesetz und die 1964 im Landtag in Opposition zur damaligen Landesregierung stehenden Fraktionen hatten ungeachtet des Abänderungsantrags, der zur Einfügung des § 53 Abs. 2 SStrG führte, durch ihre Mitglieder Schwarz (SPD) bzw. Becker (SVP-CVP) in der Landtagssitzung vom 17.12.1964

a.a.O., S. 1987,

angekündigt, dass sie dem Gesetzentwurf zustimmen werden. Das steht im Einklang damit, dass die Diskussion, ob § 53 Abs. 2 SStrG eingefügt werden soll oder nicht, im Grunde primär die Frage betraf, ob dies für die Fortsetzung der bisherigen guten Praxis notwendig, zumindest aber förderlich ist oder nicht. Entscheidende Bedeutung wurde diesem Punkt aber ersichtlich von keiner Seite beigemessen. Daher bestünden keine Bedenken, eine - unterstellte - Nichtigkeit des § 53 Abs. 2 SStrG auf diesen Absatz der Bestimmung zu beschränken.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11 ZPO.

Die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO für die Zulassung der Revision sind nicht erfüllt.

Beschluss

Der Streitwert wird im Anschluss an die Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts für das erstinstanzliche Verfahren auch für das Berufungsverfahren auf 31.151,80 EUR festgesetzt (§ 63 II, 53 Abs. 1, 47 Abs. 1 GKG).

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.

Gründe

Über die Berufung muss entschieden werden, obwohl die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat die Berufung zurückgenommen hat. Zu diesem Zeitpunkt waren nämlich die Anträge bereits gestellt, und deshalb wäre die Rücknahme nur wirksam geworden, wenn ihr der Beklagte zugestimmt hätte (§ 126 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Dieser hat aber seine Zustimmung verweigert.

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht die Klage in vollem Umfang abgewiesen. Der Klägerin steht keiner der geltend gemachten Ansprüche zu.

1. Ausgangspunkt der rechtlichen Prüfung des gesamten Klagebegehrens ist § 53 Abs. 1 SStrG. Nach dessen Satz 1 sind alle innerhalb der geschlossenen Ortslage gelegenen Straßen einschließlich der Ortsdurchfahrten der Bundesstraßen und Landstraßen I. und II. Ordnung ordnungsgemäß zu reinigen (sog. ordnungsmäßige - früher: polizeimäßige - Reinigung). Dazu gehört nach Satz 3 insbesondere das Säubern der Fahrbahnen und Gehwege, die Schneeräumung auf den Fahrbahnen und Gehwegen sowie bei Glatteis und Schneeglätte das Bestreuen der Gehwege, Fußgängerüberwege und der besonders gefährlichen Fahrbahnstellen. Die Straßenreinigungspflicht obliegt nach Satz 2 den Gemeinden als Selbstverwaltungs-Pflichtaufgabe.

Des Weiteren ist der Winterdienst ausdrücklich von dem Aufgabenkreis der Straßenbaulastträger ausgenommen. Nach § 9 Abs. 3 SStrG umfasst die Straßenbaulast u.a. nicht die Pflicht zum Schneeräumen und zum Streuen bei Schnee- und Eisglätte. Straßenrechtlich trifft insoweit die Straßenbaulastträger also keine, jedenfalls keine originäre Handlungspflicht, sondern einzig die Gemeinden.

Dem hält die Klägerin - beschränkt auf den Winterdienst auf den Ortsdurchfahrten von Bundesstraßen - zu Unrecht die Regelung in § 3 Abs. 3 Satz 1 FStrG entgegen. Nach dieser Bestimmung sollen die Träger der Straßenbaulast nach besten Kräften über die ihnen nach Absatz 1 umfassend obliegenden Aufgaben, die mit dem Bau und der Unterhaltung der Bundesfernstraßen zusammenhängen, hinaus die Bundesfernstraßen bei Schnee- und Eisglätte räumen und streuen. Die Aussage bestätigt durch die Formulierung „über die nach Absatz 1 obliegenden Aufgaben hinaus“, dass der Winterdienst von der Baulast gerade nicht umfasst wird

ebenso BGH, Urteil vom 5.7.1990 - III ZR 217/89 -, DVBl. 1991, 1001; Grupp in Marschall, FStrG, 6. Aufl., § 3 Rdnr. 16; Tegtbauer in Kodal, Straßenrecht, 7. Aufl., Kap. 13 Rdnrn. 14 und 23, und Witting in Müller/Schulz, FStrG, § 3 Rdnr. 86.

Sodann legt Satz 2 der Bestimmung fest, dass landesrechtliche Vorschriften über die Pflichten Dritter zum Schneeräumen und Streuen sowie zur polizeimäßigen Reinigung unberührt bleiben. Mithin steht § 3 Abs. 3 Satz 1 FStrG unter dem Vorbehalt abweichender landesrechtlicher Regelungen. Dazu gehört für den Bereich des Saarlandes die in § 53 Abs. 1 SStrG enthaltene Inpflichtnahme der Gemeinden zum Winterdienst auf den Ortsdurchfahrten von Bundes- und Landstraßen

ebenso zum Verhältnis zwischen § 3 Abs. 3 FStrG und den Bestimmungen des württembergischen Straßenreinigungsgesetzes BVerwG, Beschluss vom 11.11.1960 - I B 81/60 -, NJW 1961, 619; ferner allgemein Witting, a.a.O., § 3 Rdnr. 97.

Dass der Winterdienst innerhalb der geschlossenen Ortslage der Gemeinden zu deren Pflichtenkreis gehört, entspricht im überwiegenden Teil des Saarlandes rund 100jähriger Rechtstradition. In dem früher zum Königreich Preußen gehörenden Teil des Saarlandes galt nämlich das Preußische Gesetz über die Reinigung öffentlicher Wege vom 1.7.1912, das nach § 53 Abs. 3 SStrG in seiner ursprünglichen Fassung - und zwar nunmehr im gesamten Saarland - fortgalt und erst durch Art. 1 Nr. 44 und Nr. 52 des Gesetzes Nr. 1066 zur Änderung des Saarländischen Straßengesetzes vom 13.7.1977 (Amtsbl. S. 769) mit Wirkung vom 16.9.1977 aufgehoben wurde. Nach dessen § 1 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 oblag die polizeimäßige Reinigung öffentlicher Wege einschließlich der Schneeräumung und des Bestreuens mit abstumpfenden Stoffen, beschränkt auf die Wege, die überwiegend dem inneren Verkehr der Ortschaft dienen - dazu zählen auch die Ortsdurchfahrten klassifizierter Straßen -, derjenigen Gemeinde, zu deren Bezirk der Weg gehört. Absatz 4 bestimmte ergänzend, dass, soweit die Pflicht der Gemeinde zur polizeimäßigen Reinigung geht, Pflichten des Wegebaupflichtigen zur Reinigung nicht eingreifen.

Ihre sachliche Rechtfertigung erfuhr und erfährt diese Regelung daraus, dass die Aufrechterhaltung des innerörtlichen Verkehrs auch bei winterlichen Straßenverhältnissen für das soziale, wirtschaftliche und kulturelle Leben innerhalb der Gemeinde wichtig ist, daher zur Daseinsvorsorge gehört und wegen dieses engen örtlichen Bezugs von der Gemeinde wahrzunehmen ist.

Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund hat der Bundesgerichtshof

Urteile vom 30.9.1970 - III ZR 81/67 -, NJW 1971, 43, vom 5.7.1990 - III ZR 217/89 -, a.a.O., und vom 21.11.1996 - III ZR 28/96 -, NVwZ-RR 1997, 709,

das nordrhein-westfälische und das rheinland-pfälzische Landesrecht, das sachlich § 53 Abs. 1 SStrG entspricht, dahin ausgelegt, dass die Übertragung des Winterdienstes innerhalb der geschlossenen Ortslage als Teil der ordnungsmäßigen Reinigung auf die Gemeinde - selbst ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung - inhaltsgleiche Pflichten des Straßenbaulastträgers verdrängt. Erst recht hat das angesichts von § 9 Abs. 3 SStrG für die Rechtslage im Saarland zu gelten.

Daran ändert § 53 Abs. 2 SStrG nichts, wonach das Staatliche Straßenbauamt - inzwischen: Landesbetrieb für Straßenbau

vgl. Art. 1 (11) Nr. 3 des Gesetzes zur organisationsrechtlichen Anpassung und Bereinigung von Landesgesetzen vom 15.2.2006 (Amtsbl. S. 474) -

die Gemeinden ohne Anspruch auf Kostenersatz bei der Schneeräumung auf den Fahrbahnen der Bundesstraßen und Landstraßen I. und II. Ordnung sowie beim Bestreuen der besonders gefährlichen Stellen der Fahrbahnen dieser Straßen unterstützt. Diese Bestimmung wird von der Klägerin missverstanden. Sie vermittelt der einzelnen Gemeinde keinerlei Rechte, nicht einmal einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung.

Die genannte Vorschrift war in dem mit Schreiben vom 20.2.1964 dem Landtag des Saarlandes zugeleiteten Entwurf der Landesregierung für ein Saarländisches Straßengesetz nicht enthalten

vgl. LT-Drs. 4/ 886,

das in Bezug auf die Straßenreinigung auf eine Beibehaltung des durch das Preußische Gesetz vom 1.7.1912 geprägten Rechtszustandes abzielte

vgl. Begründung zu § 53, LT-Drs. 4/ 886, S. 22.

Der Landtagsausschuss für Öffentliche Arbeiten und Wiederaufbau beschloss dann am 24.9.1964 einstimmig, § 53 des Gesetzentwurfs der Landesregierung um einen Absatz zu ergänzen, der dem späteren Absatz 2 mit der Abweichung entsprach, dass die Unterstützung auf Gemeinden mit weniger als 1500 Einwohner beschränkt bleiben sollte. Dieser Beschluss wurde am 25.11.1964 mit Stimmenmehrheit aufgehoben. Die SPD-Fraktion im Landtag brachte aber am 16.12.1964 einen Abänderungsantrag zum Regierungsentwurf eines Saarländischen Straßengesetzes ein

LT-Drs. 4/ 1023,

der am folgenden Tag als § 53 Abs. 2 SStrG beschlossen wurde.

Wortlaut und Entstehungsgeschichte des § 53 Abs. 2 SStrG ergeben, dass diese Bestimmung nichts an der aufgezeigten ausschließlichen Zuweisung der Pflicht zum Winterdienst in der geschlossenen Ortslage, also einschließlich der Fahrbahnen der Ortsdurchfahrten der Bundes- und Landstraßen, auf die Gemeinden ändert.

Das zeigt bereits der Gebrauch des Wortes „unterstützt“ in § 53 Abs. 2 SStrG. Dies steht in einem klaren Gegensatz zu der wesentlich schärferen Formulierung „obliegt“ in § 53 Abs. 1 Satz 2 SStrG. Vor allem aber bedeutet „unterstützt“ jedenfalls dann, wenn es nicht - beispielsweise durch Nennung bestimmter Unterstützungsmaßnahmen - konkretisiert wird, sondern vielmehr - wie in § 53 Abs. 2 SStrG - „bei“ der Erfüllung einer bestimmten Pflicht, hier der Pflicht zum Schneeräumen und Streuen, verwendet wird, nach dem allgemeinen Wortverständnis, dass ein zum Handeln rechtlich nicht Verpflichteter dem weiterhin allein in der Pflicht Stehenden - lediglich - hilft. Der „Unterstützer“ erfüllt also keine eigene Verpflichtung, sondern hilft bei der Erfüllung einer fremden Pflicht. Er kann deshalb von dem, der „unterstützt“ werden soll, rechtlich nicht in die Pflicht genommen werden, sondern nimmt sich gewissermaßen selbst in die Pflicht oder lässt sich in die Pflicht nehmen. Daher erfolgt „Unterstützung“ typischerweise auch unentgeltlich, hat regelmäßig eher untergeordneten Umfang und wird nach Art und Umfang vom „Unterstützer“ bestimmt. Deshalb teilt der erkennende Senat die Auffassung von Bauer

in Kodal, a.a.O., Kap. 43 Rdnr. 8,

dass die Verwendung des Wortes „unterstützt“ in § 53 Abs. 2 SStrG nur dann einen Sinn macht, wenn den Beklagten keine Rechtspflicht zur - gegebenenfalls auch nur teilweisen - Erbringung des Winterdienstes trifft.

Damit stimmt überein, dass gesetzliche Bestimmungen, nach denen einer einen anderen bei der Erfüllung einer Pflicht „unterstützt“, regelmäßig dahingehend interpretiert werden, dass sie keine Rechtspflicht des „Unterstützers“ begründen, sondern lediglich eine „dringende Empfehlung“ oder einen „nachdrücklichen Appell“ verlautbaren. Dies gilt insbesondere für § 41 Abs. 1 Satz 3 (früher: § 43 Abs. 1 Satz 2) StrG BW. Nach dieser Bestimmung unterstützen, soweit Ortsdurchfahrten nicht in der Straßenbaulast der Gemeinden stehen, die Träger der Straßenbaulast (früher: die Straßenbauämter) die Gemeinden nach besten Kräften bei der Erfüllung der Verpflichtungen zur Schneeräumung und zum Bestreuen, ohne dass Kosten erhoben werden. Diese Bestimmung war Vorbild für § 53 Abs. 2 SStrG

dazu der Abgeordnete Schwarz in der Landtagssitzung vom 17.12.1964, Berichte 4 S. 1987.

Die baden-württembergische Regelung wird aber - soweit ersichtlich - einhellig dahin verstanden, dass sie „lediglich objektiv-rechtlichen Charakter hat“ und „keinen Rechtsanspruch der einzelnen Gemeinde auf Erfüllung begründet“

so Nagel, Straßengesetz für Baden-Württemberg, 3. Aufl., § 9 Rdnr. 18 und § 41 Rdnr. 23,

bzw. „nur eine tatsächliche und keine rechtliche Entlastung der Gemeinden“ ergibt, da „die Gemeinden… keinen Rechtsanspruch auf Unterstützung durch die Straßenbauämter haben“

so Gerhardt, Kommentar zum Straßengesetz für Baden-Württemberg, § 43 Rdnr. 9.

Im gleichen Sinne wird die bereits erwähnte (S. 22) „Soll-Regelung“ des § 3 Abs. 3 Satz 1 FStrG ausgelegt. So spricht Grupp

a.a.O., § 3 Rdnr. 16; dem Sinne nach übereinstimmend Witting, a.a.O., § 3 Rdnrn. 87 und 88,

davon, die genannte Vorschrift enthalte nur eine „nachdrückliche Empfehlung“, begründe aber keine Rechtspflicht. Entsprechend werden im Wesentlichen gleichlautende Bestimmungen im bayerischen, nordrhein-westfälischen und niedersächsischen Landesrecht verstanden

dazu Willmitzer in Edhofer/Willmitzer, Bayerisches Straßen- und Wegegesetz, 10. Aufl., Art. 9 Er. 6: „nachdrückliche Empfehlung, jedoch keine Rechtspflicht“; Walprecht/Cosson, Straßen- und Wegegesetz des Landes Nordrhein-Westfalen, § 9 Rdnr. 94: „keine Rechtspflicht“, und Wendrich, Niedersächsisches Straßengesetz, 4. Aufl., § 9 Rdnr. 5: „Hinweis ohne rechtliche Bedeutung“.

Deshalb werden Winterdienstleistungen, wie sie zunächst das Staatliche Straßenbauamt und dann der Beklagte seit Jahrzehnten im Saarland in großem Umfang erbracht haben, allgemein als „freiwilliger Winterdienst“ bezeichnet

so u.a. Bauer, a.a.O., Kap. 43 Rdnr. 38; Tegtbauer, a.a.O., Kap. 13 Rdnr. 23, und Witting, a.a.O., § 3 Rdnr. 88.

Das aufgezeigte Verständnis des § 53 Abs. 2 SStrG erklärt dann auch zwanglos, warum der Gesetzgeber in dieser Bestimmung nicht einmal ansatzweise zum Ausdruck gebracht hat, wie die Unterstützungsleistung aussehen soll. Diese Entscheidung wurde vielmehr in die Hände des Staatlichen Straßenbauamts - inzwischen: des Beklagten - gelegt, ohne dass der einzelnen Gemeinde auch nur ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung eingeräumt wurde. Damit blieb zwar das von dem Abgeordneten Schwarz in der Landtagssitzung vom 17.12.1964

a.a.O., S. 1989,

angesprochene Problem, dass es in der Vergangenheit in Einzelfällen zu willkürlicher Hilfeverweigerung gekommen sei, ungelöst. Allerdings wurde im Landtag angesichts der in Bezug auf die vom Staatlichen Straßenbauamt erbrachten Unterstützungsleistungen gemachten Erfahrungen, die als überwiegend langjährig gut angesehen wurden

vgl. dazu die Ausführungen der Abgeordneten Schwarz, a.a.O., S. 1987 sowie 1989, und Bulle, a.a.O., S. 1989,

offenbar kein weitergehender Handlungsbedarf gesehen. Zudem sah sich der Abgeordnete Schwarz ersichtlich außer Stande, einen Formulierungsvorschlag zur Konkretisierung des „Unterstützens“ zu unterbreiten. Seine Ansicht, es solle - gleich ob Gemeinde oder Straßenbauamt - stets derjenige eine Ortsdurchfahrt insgesamt räumen und streuen, der als Erster an Ort und Stelle ist

a.a.O., S. 1989,

mag zwar für die kurzfristige praktische Umsetzung vor Ort in Eilfällen sinnvoll sein, war aber schwerlich geeignet, ins Gesetz aufgenommen zu werden.

Ohne dass es nach den vorstehenden Ausführungen noch darauf ankäme, weist der Senat ergänzend darauf hin, dass die hier vorgenommene Normauslegung eine klare Bestätigung bei Betrachtung der Erörterung des Für und Wider des Einfügens des § 53 Abs. 2 SStrG in dem zuständigen Landtagsausschuss findet.

Die Frage, was denn eine „Unterstützungsregelung“ trotz ihrer inhaltlichen Unbestimmtheit im Ergebnis bewirke, wurde im Ausschuss mehrfach aufgeworfen. Von Abgeordneten auf den Sinn der baden-württembergischen Parallelvorschrift angesprochen erwiderte ein Vertreter der Landesregierung, diese diene „wahrscheinlich dazu, der Straßenbauverwaltung gegenüber dem Rechnungshof eine Rückendeckung zu verschaffen“. Darauf wurde einerseits entgegnet, „dessen ungeachtet“ solle eine „Unterstützungsregelung“ in das Gesetz aufgenommen werden. Andererseits wurde geltend gemacht, gerade weil eine solche Bestimmung keinen Rechtsanspruch schaffe, solle sie, um Missverständnisse zu vermeiden, weggelassen werden. Konsens war jedenfalls, wie die Abgeordneten Bulle und Schwarz auch im Plenum deutlich machten

a.a.O., S. 1987 bzw. 1989,

dass einzig die Gemeinde für Schäden infolge unterbliebenen oder mangelhaft durchgeführten Winterdienstes haftet. Geradezu hellseherisch erscheint der von dem Abgeordneten Bulle in der Landtagssitzung am 17.12.1964

a.a.O., S. 1989,

gegebene Hinweis, bei Aufnahme der „Unterstützungsregelung“ in das Gesetz und Fortsetzung der bisherigen Praxis bestehe die Gefahr, dass die an sich anders gemeinte Regelung später einmal vermeintlich Gewohnheitsrecht begründe und – irrig – ein Rechtsanspruch auf Unterstützung sowie eine Haftungspflicht des Landes angenommen werde. In dieselbe Richtung weisen die Ausführungen eines anderen Abgeordneten im Rahmen der Diskussion über die Aufhebung des vom Ausschuss für Öffentliche Arbeiten und Wiederaufbau am 24.9.1964 gefassten Beschlusses zur Änderung der Regierungsvorlage zu § 53 SStrG. Zwar bestand damals im Ausschuss offenbar Einvernehmen darüber, dass „durch diese Bestimmung kein Rechtsanspruch statuiert werde“; es könne aber der Fall eintreten, „dass aus der Formulierung „unterstützen“ eine Mithaftung des Landes hergeleitet werde und vermeidbare - gemeint offenbar: aussichtslose (Ergänzung durch den Senat) - Prozesse entstünden“. Dem wurde lediglich entgegengehalten, es müsse - unter Ausschluss einer Mithaftung des Landes - „die Möglichkeit einer echten Unterstützung der Gemeinden eröffnet“ werden. Ein Rechtsanspruch der Gemeinde auf „Unterstützung“ wurde dagegen zu keiner Zeit gefordert.

Nach allem verbietet es sich nicht nur, aus § 53 Abs. 2 SStrG abzuleiten, der Beklagte sei verpflichtet, anstelle der Klägerin auf den in deren Gebiet befindlichen Fahrbahnen der Ortsdurchfahrten der Bundes- und Landstraßen den Schnee zu räumen und die besonders gefährlichen Fahrbahnstellen zu bestreuen; die Vorschrift ist vielmehr generell ungeeignet, Grundlage für irgendwelche Rechtsansprüche der Klägerin gegen den Beklagten in Bezug auf eine Unterstützung beim Winterdienst zu sein. Dies gilt auch für einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über das Ob und gegebenenfalls das Wie einer Unterstützung.

2. Folgt man der vorstehend vertretenen Auffassung nicht, sondern geht davon aus, dass § 53 Abs. 2 SStrG der Klägerin einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung des Beklagten über ihren Unterstützungswunsch eröffnet, bleibt es ebenfalls bei der Klageabweisung. Der Senat hält das vom Beklagten geschnürte „Paket“, das den kompletten kostenlosen Winterdienst - Schneeräumung auf den Fahrbahnen der Bundes- und Landstraßen innerhalb der geschlossenen Ortslage sowie Bestreuen etwaiger besonders gefährlicher Fahrbahnstellen - auf den Teilstrecken, die auf seinen Winterdienstrouten liegen und mehr als 6 % Gefälle aufweisen, und das Vertragsangebot, den Winterdienst im früheren Umfang gegen Erstattung von 65 % der Kosten durchzuführen, umfasst, jedenfalls für ein angemessenes Unterstützen im Sinne des § 53 Abs. 2 SStrG. Für diese Wertung ist dabei die vorstehend (S. 25) aufgezeigte Interpretation des Tatbestandsmerkmals „unterstützen“ ausschlaggebend. Darin sieht sich der Senat zudem durch die Reaktion der anderen saarländischen Städte und Gemeinden bestätigt, die mit Ausnahme der Klägerin entweder das Vertragsangebot des Beklagten angenommen oder aber den Winterdienst außerhalb der vom Beklagten weiterhin kostenlos geräumten und bestreuten Straßenstücke in die eigene Verantwortung übernommen haben. Ferner hat nach Einschätzung des Beklagten die Klägerin den nicht vom Beklagten übernommenen Teil des Winterdienstes auf den Ortsdurchfahrten der Bundes- und Landstraßen in den Winterperioden 2011/12 und - bisher - 2012/13 ordnungsgemäß erbracht, also die Aufgabe personell, sachlich und finanziell bewältigt. Dies wurde in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat unstreitig. Eine innere Aushöhlung des Selbstverwaltungsrechts der Klägerin, in deren Haushalt für das Jahr 2012 nach eigenem Vortrag noch Gelder für freiwillige Leistungen eingestellt waren, ist nicht annehmbar.

3. Für die Klägerin wäre schließlich nichts dadurch gewonnen, würde § 53 Abs. 2 SStrG wegen Unbestimmtheit für nichtig erachtet. Dann fehlte es erst recht an der erforderlichen Rechtsgrundlage für die in Haupt- und Hilfsanträgen geltend gemachten Ansprüche. Vielmehr bliebe es dann ebenfalls bei der Verpflichtung einzig der Klägerin zum Winterdienst nach Maßgabe des § 53 Abs. 1 SStrG.

Die gegenteilige Argumentation der Klägerin geht davon aus, eine Nichtigkeit des § 53 Abs. 2 SStrG erfasse auch den ersten Absatz dieser Bestimmung. Das trifft indes nicht zu. Ist lediglich ein Teil einer mehrere Regelungen umfassenden Bestimmung - hier unterstellt: § 53 Abs. 2 SStrG - nichtig, beantwortet sich die Frage, ob die Nichtigkeit den weitergehenden Regelungsgehalt - hier: § 53 Abs. 1 SStrG - einschließt, danach, ob dieser „Rest“ einen eigenständigen Anwendungsbereich behält, der für sich genommen ein sinnvolles Regelungsgefüge darstellt und dessen Weitergeltung ohne den nichtigen Teil dem hypothetischen Willen des Normgebers entspricht

so BVerfG, Beschlüsse vom 7.9.2010 - 2 BvF 1/09 -, BVerfGE 127, 165 Rdnr. 159, sowie vom 16.12.2010 - 2 BvL 16/09 -, NVwZ-RR 2011, 387 Rdnr. 29; ferner BVerwG, Urteile vom 26.9.2012 - 2 C 74/10 -, NVwZ 2013, 80 Rdnr. 28, sowie - 2 C 48/11 -, juris Rdnr. 21.

Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Auch ohne § 53 Abs. 2 SStrG stellt die Vorschrift ein sinnvolles Ganzes dar. Weitgehend in dieser Form entspräche sie dem Regierungsentwurf für ein Saarländisches Straßengesetz und die 1964 im Landtag in Opposition zur damaligen Landesregierung stehenden Fraktionen hatten ungeachtet des Abänderungsantrags, der zur Einfügung des § 53 Abs. 2 SStrG führte, durch ihre Mitglieder Schwarz (SPD) bzw. Becker (SVP-CVP) in der Landtagssitzung vom 17.12.1964

a.a.O., S. 1987,

angekündigt, dass sie dem Gesetzentwurf zustimmen werden. Das steht im Einklang damit, dass die Diskussion, ob § 53 Abs. 2 SStrG eingefügt werden soll oder nicht, im Grunde primär die Frage betraf, ob dies für die Fortsetzung der bisherigen guten Praxis notwendig, zumindest aber förderlich ist oder nicht. Entscheidende Bedeutung wurde diesem Punkt aber ersichtlich von keiner Seite beigemessen. Daher bestünden keine Bedenken, eine - unterstellte - Nichtigkeit des § 53 Abs. 2 SStrG auf diesen Absatz der Bestimmung zu beschränken.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11 ZPO.

Die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO für die Zulassung der Revision sind nicht erfüllt.

Beschluss

Der Streitwert wird im Anschluss an die Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts für das erstinstanzliche Verfahren auch für das Berufungsverfahren auf 31.151,80 EUR festgesetzt (§ 63 II, 53 Abs. 1, 47 Abs. 1 GKG).

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.

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(2) Ohne triftigen Grund dürfen Kraftfahrzeuge nicht so langsam fahren, dass sie den Verkehrsfluss behindern.

(2a) Wer ein Fahrzeug führt, muss sich gegenüber Kindern, hilfsbedürftigen und älteren Menschen, insbesondere durch Verminderung der Fahrgeschwindigkeit und durch Bremsbereitschaft, so verhalten, dass eine Gefährdung dieser Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist.

(3) Die zulässige Höchstgeschwindigkeit beträgt auch unter günstigsten Umständen

1.
innerhalb geschlossener Ortschaften für alle Kraftfahrzeuge 50 km/h,
2.
außerhalb geschlossener Ortschaften
a)
für
aa)
Kraftfahrzeuge mit einer zulässigen Gesamtmasse über 3,5 t bis 7,5 t, ausgenommen Personenkraftwagen,
bb)
Personenkraftwagen mit Anhänger,
cc)
Lastkraftwagen und Wohnmobile jeweils bis zu einer zulässigen Gesamtmasse von 3,5 t mit Anhänger sowie
dd)
Kraftomnibusse, auch mit Gepäckanhänger,
80 km/h,
b)
für
aa)
Kraftfahrzeuge mit einer zulässigen Gesamtmasse über 7,5 t,
bb)
alle Kraftfahrzeuge mit Anhänger, ausgenommen Personenkraftwagen, Lastkraftwagen und Wohnmobile jeweils bis zu einer zulässigen Gesamtmasse von 3,5 t, sowie
cc)
Kraftomnibusse mit Fahrgästen, für die keine Sitzplätze mehr zur Verfügung stehen,
60 km/h,
c)
für Personenkraftwagen sowie für andere Kraftfahrzeuge mit einer zulässigen Gesamtmasse bis 3,5 t100 km/h.Diese Geschwindigkeitsbeschränkung gilt nicht auf Autobahnen (Zeichen 330.1) sowie auf anderen Straßen mit Fahrbahnen für eine Richtung, die durch Mittelstreifen oder sonstige bauliche Einrichtungen getrennt sind. Sie gilt ferner nicht auf Straßen, die mindestens zwei durch Fahrstreifenbegrenzung (Zeichen 295) oder durch Leitlinien (Zeichen 340) markierte Fahrstreifen für jede Richtung haben.

(4) Die zulässige Höchstgeschwindigkeit beträgt für Kraftfahrzeuge mit Schneeketten auch unter günstigsten Umständen 50 km/h.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Die Straßenbaulast umfasst alle mit dem Bau und der Unterhaltung der Bundesfernstraßen zusammenhängenden Aufgaben. Die Träger der Straßenbaulast haben nach ihrer Leistungsfähigkeit die Bundesfernstraßen in einem dem regelmäßigen Verkehrsbedürfnis genügenden Zustand zu bauen, zu unterhalten, zu erweitern oder sonst zu verbessern; dabei sind die sonstigen öffentlichen Belange einschließlich des Umweltschutzes sowie behinderter und anderer Menschen mit Mobilitätsbeeinträchtigung mit dem Ziel, möglichst weitreichende Barrierefreiheit zu erreichen, zu berücksichtigen. Betriebswege auf Brücken im Zuge von Bundesautobahnen und Betriebswege auf Brücken im Zuge von Bundesstraßen, die als Kraftfahrstraßen ausgewiesen sind, sind bedarfsabhängig durch den Träger der Straßenbaulast so zu bauen und zu unterhalten, dass auf ihnen auch öffentlicher Radverkehr abgewickelt werden kann.

(2) Soweit die Träger der Straßenbaulast unter Berücksichtigung ihrer Leistungsfähigkeit zur Durchführung von Maßnahmen nach Absatz 1 Satz 2 außerstande sind, haben sie auf einen nicht verkehrssicheren Zustand durch Verkehrszeichen hinzuweisen. Diese hat die Straßenbaubehörde oder auf Bundesautobahnen die Gesellschaft privaten Rechts im Sinne des Infrastrukturgesellschaftserrichtungsgesetzes vorbehaltlich anderweitiger Maßnahmen der Straßenverkehrsbehörde aufzustellen.

(3) Die Träger der Straßenbaulast sollen nach besten Kräften über die ihnen nach Absatz 1 obliegenden Aufgaben hinaus die Bundesfernstraßen bei Schnee- und Eisglätte räumen und streuen. Landesrechtliche Vorschriften über die Pflichten Dritter zum Schneeräumen und Streuen sowie zur polizeimäßigen Reinigung bleiben unberührt.

(1) Die Berufung kann bis zur Rechtskraft des Urteils zurückgenommen werden. Die Zurücknahme nach Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung setzt die Einwilligung des Beklagten und, wenn ein Vertreter des öffentlichen Interesses an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hat, auch seine Einwilligung voraus.

(2) Die Berufung gilt als zurückgenommen, wenn der Berufungskläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als drei Monate nicht betreibt. Absatz 1 Satz 2 gilt entsprechend. Der Berufungskläger ist in der Aufforderung auf die sich aus Satz 1 und § 155 Abs. 2 ergebenden Rechtsfolgen hinzuweisen. Das Gericht stellt durch Beschluß fest, daß die Berufung als zurückgenommen gilt.

(3) Die Zurücknahme bewirkt den Verlust des eingelegten Rechtsmittels. Das Gericht entscheidet durch Beschluß über die Kostenfolge.

(1) Die Straßenbaulast umfasst alle mit dem Bau und der Unterhaltung der Bundesfernstraßen zusammenhängenden Aufgaben. Die Träger der Straßenbaulast haben nach ihrer Leistungsfähigkeit die Bundesfernstraßen in einem dem regelmäßigen Verkehrsbedürfnis genügenden Zustand zu bauen, zu unterhalten, zu erweitern oder sonst zu verbessern; dabei sind die sonstigen öffentlichen Belange einschließlich des Umweltschutzes sowie behinderter und anderer Menschen mit Mobilitätsbeeinträchtigung mit dem Ziel, möglichst weitreichende Barrierefreiheit zu erreichen, zu berücksichtigen. Betriebswege auf Brücken im Zuge von Bundesautobahnen und Betriebswege auf Brücken im Zuge von Bundesstraßen, die als Kraftfahrstraßen ausgewiesen sind, sind bedarfsabhängig durch den Träger der Straßenbaulast so zu bauen und zu unterhalten, dass auf ihnen auch öffentlicher Radverkehr abgewickelt werden kann.

(2) Soweit die Träger der Straßenbaulast unter Berücksichtigung ihrer Leistungsfähigkeit zur Durchführung von Maßnahmen nach Absatz 1 Satz 2 außerstande sind, haben sie auf einen nicht verkehrssicheren Zustand durch Verkehrszeichen hinzuweisen. Diese hat die Straßenbaubehörde oder auf Bundesautobahnen die Gesellschaft privaten Rechts im Sinne des Infrastrukturgesellschaftserrichtungsgesetzes vorbehaltlich anderweitiger Maßnahmen der Straßenverkehrsbehörde aufzustellen.

(3) Die Träger der Straßenbaulast sollen nach besten Kräften über die ihnen nach Absatz 1 obliegenden Aufgaben hinaus die Bundesfernstraßen bei Schnee- und Eisglätte räumen und streuen. Landesrechtliche Vorschriften über die Pflichten Dritter zum Schneeräumen und Streuen sowie zur polizeimäßigen Reinigung bleiben unberührt.

Tenor

1. § 6a Satz 1 des Gesetzes zur Umsetzung von Zukunftsinvestitionen der Kommunen und Länder (Zukunftsinvestitionsgesetz - ZuInvG), erlassen als Artikel 7 des Gesetzes zur Sicherung von Beschäftigung und Stabilität in Deutschland vom 2. März 2009 (Bundesgesetzblatt I Seite 416), zuletzt geändert durch Artikel 3b des Gesetzes zur Abschaffung des Finanzplanungsrates und zur Übertragung der fortzuführenden Aufgaben auf den Stabilitätsrat sowie zur Änderung weiterer Gesetze vom 27. Mai 2010 (Bundesgesetzblatt I Seite 671), ist mit Artikel 30 und Artikel 109 Absatz 1 des Grundgesetzes unvereinbar und nichtig, soweit er zu Maßnahmen ermächtigt, die nicht auf die Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen eines aufgrund konkreter Tatsachen möglich erscheinenden Haftungsanspruchs gemäß Artikel 104a Absatz 5 Satz 1 2. Halbsatz des Grundgesetzes gerichtet sind.

2. § 6a Satz 4 des Zukunftsinvestitionsgesetzes ist mit Artikel 30 und Artikel 109 Absatz 1 des Grundgesetzes unvereinbar und nichtig, soweit er zu anderen als solchen Maßnahmen ermächtigt, die entweder zur Feststellung von Rechtsverstößen bei der obersten Landesbehörde oder mit Zustimmung der obersten Landesbehörde oder des Bundesrates bei nachgeordneten Landesbehörden sowie Gemeinden und Gemeindeverbänden durchgeführt werden und bei denen, soweit es sich um das Verlangen der Aktenvorlage handelt, konkrete Anhaltspunkte für einen Rechtsverstoß vorliegen, oder die auf die Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen eines aufgrund konkreter Tatsachen möglich erscheinenden Haftungsanspruchs gemäß Artikel 104a Absatz 5 Satz 1 2. Halbsatz des Grundgesetzes gerichtet sind.

3. Im Übrigen ist § 6a Satz 1, 3 und 4 des Zukunftsinvestitionsgesetzes mit dem Grundgesetz vereinbar.

4. Mit dieser Entscheidung erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

Gründe

1

Die abstrakte Normenkontrolle betrifft die Befugnisse der Bundesverwaltung und des Bundesrechnungshofs zur Erhebung von Daten bei Landesbehörden im Rahmen der Durchführung des Zukunftsinvestitionsgesetzes.

I.

2

Im Dezember 2008 beschloss die Bundesregierung ein Maßnahmenpaket "Pakt für Beschäftigung und Stabilität in Deutschland zur Sicherung der Arbeitsplätze, Stärkung der Wachstumskräfte und Modernisierung des Landes". Darin war unter anderem vorgesehen, dass der Bund zusätzliche Investitionen der Kommunen und der Länder unterstütze. Zur Umsetzung des Maßnahmenpakets wurde der Entwurf eines Gesetzes zur Sicherung von Beschäftigung und Stabilität in Deutschland eingebracht. Dessen Art. 7 enthielt das Gesetz zur Umsetzung von Zukunftsinvestitionen der Kommunen und Länder (Zukunftsinvestitionsgesetz - ZuInvG). Der Entwurf wurde aufgrund der Beratungen im Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages um § 6a ZuInvG ergänzt, um eine Überprüfung der Verwendung der in dem Gesetz vorgesehenen Finanzhilfen durch den Bundesrechnungshof zusammen mit dem jeweiligen Landesrechnungshof zu ermöglichen und auf diese Weise etwaige Zweckverfehlungen zu verhindern; die Vorschrift diene auch der Einhaltung der Regelung in Art. 104b Abs. 2 Satz 2 GG, nach der die Verwendung der Finanzhilfen in regelmäßigen Zeitabständen zu überprüfen sei (vgl. BTDrucks 16/11825, S. 7).

3

Der Deutsche Bundestag beschloss das Gesetz einschließlich des § 6a ZuInvG. Nach Zustimmung des Bundesrates wurde es am 5. März 2009 verkündet (BGBl I S. 416) und trat am folgenden Tag in Kraft. Der Bundesrat fasste bei seiner Zustimmung eine Entschließung, in der er ausführte, das in § 6a ZuInvG formulierte Prüfungsrecht des Bundesrechnungshofs überschreite die Zuständigkeitsgrenzen des Bundes und die bisher geübte Praxis. Die Finanzhilfen würden von den Landesbehörden in eigener Verantwortung verwaltet. Diese unterlägen der parlamentarischen Kontrolle und der Kontrolle des jeweiligen Rechnungshofs des Landes. Die Kontrolle des Deutschen Bundestages und des Bundesrechnungshofs reiche nur bis zur Hingabe der Finanzmittel an die Länder (BRDrucks 120/09 , S. 2).

II.

4

Den Gegenstand des Zukunftsinvestitionsgesetzes fasst dessen § 1 zusammen. Danach unterstützt der Bund zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts zusätzliche Investitionen der Kommunen und der Länder. Hierzu gewährt der Bund gemäß Sinn und Zweck des § 6 Abs. 2 des Gesetzes zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft aus dem Sondervermögen "Investitions- und Tilgungsfonds" den Ländern Finanzhilfen für besonders bedeutsame Investitionen der Länder und Gemeinden (Gemeindeverbände) nach Art. 104b GG in Höhe von insgesamt 10 Milliarden Euro. Die Mittel sollten mindestens zur Hälfte dieses Betrages bis zum 31. Dezember 2009 abgerufen und sollen überwiegend für Investitionen der Kommunen eingesetzt werden.

5

Eine Förderung setzt voraus, dass die Maßnahme in einen Förderbereich im Sinne des § 3 ZuInvG fällt, zusätzlich zu bereits beschlossenen Maßnahmen erfolgt, die zeitlichen Grenzen einhält, innerhalb deren die Maßnahme 2009 und 2010 durchgeführt werden soll (§ 5 ZuInvG), längerfristig genutzt werden soll (§ 4 Abs. 3 ZuInvG) und bestimmte Doppelförderungen nicht stattfinden (§ 4 Abs. 1 ZuInvG). Die Förderbereiche sind in § 3 ZuInvG festgelegt. Für den Schwerpunkt Bildungsinfrastruktur sind 65 % der Gesamtförderung vorgesehen. Dieser Schwerpunkt umfasst Einrichtungen der frühkindlichen Infrastruktur, Forschung sowie Schulen, Hochschulen und Weiterbildungseinrichtungen, letztere jeweils insbesondere hinsichtlich einer energetischen Sanierung. Die restlichen 35 % entfallen auf den Investitionsschwerpunkt Infrastruktur, in dem Krankenhäuser, Städtebau (ohne Abwasser und öffentlichen Personennahverkehr, ÖPNV), ländliche Infrastruktur (ohne Abwasser und ÖPNV), kommunale Straßen (beschränkt auf Lärmschutzmaßnahmen), Informationstechnologie und sonstige Infrastrukturinvestitionen gefördert werden.

6

Grundsätzlich beträgt der Anteil des Bundes am Gesamtvolumen des öffentlichen Finanzierungsanteils 75 %. Der Bund stellt die Finanzhilfen den Ländern zur eigenen Bewirtschaftung zur Verfügung. Die zuständigen Stellen der Länder sind ermächtigt, die Auszahlung der Bundesmittel anzuordnen, sobald sie zur anteiligen Begleichung erforderlicher Zahlungen benötigt werden. Die Länder leiten die Finanzhilfen des Bundes unverzüglich an die Letztempfänger weiter (§ 6 ZuInvG).

7

Die Einzelheiten des Verfahrens zur Durchführung des Zukunftsinvestitionsgesetzes werden gemäß § 8 ZuInvG durch eine Verwaltungsvereinbarung zwischen Bund und Ländern geregelt. In der Verwaltungsvereinbarung zur Durchführung des Gesetzes von Zukunftsinvestitionen der Kommunen und Länder vom 2. April 2009 (im Folgenden: VV-ZuInvG) behandelt § 6 die Bewirtschaftung der Bundesmittel. Diese werden als Einnahmen in den Haushaltsplänen der Länder vereinnahmt, ihre Bewirtschaftung richtet sich nach dem Haushaltsrecht der Länder. Die Bewilligung erfolgt zu den Förderbedingungen für Landesmittel. Die Länder haben die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit einzuhalten. Gemäß § 3 VV-ZuInvG besteht eine Berichtspflicht. Erstens waren bis Mai 2009 Investitionsziele und Investitionsanteile der Kommunen mitzuteilen. Zweitens sind vierteljährliche Berichte mit Förderlisten laufender Projekte vorgesehen, die eine Kurzbeschreibung der einzelnen Maßnahme, Angaben über die Höhe des Investitionsvolumens, den kommunalbezogenen Anteil und die Höhe der Beteiligung des Bundes an der öffentlichen Finanzierung zu enthalten haben. Nach Beendigung der Maßnahme haben die Länder dem Bund gemäß § 4 VV-ZuInvG einen Verwendungsnachweis zu übersenden. Mitzuteilen sind der Förderbereich, eine Kurzbeschreibung der einzelnen Maßnahme sowie Angaben über die Höhe des Investitionsvolumens, den kommunalbezogenen Anteil, den kommunalbezogenen Anteil finanzschwacher Kommunen, den Umfang der öffentlichen Finanzierung und die Höhe der Beteiligung des Bundes an der öffentlichen Finanzierung. Die Zusätzlichkeit und die längerfristige Nutzung sind zu bestätigen. Der Bund kann in Einzelfällen weitere Nachweise verlangen. Die Länder teilen ihm einschlägige Prüfungsbemerkungen ihrer obersten Rechnungsprüfungsbehörde mit. Werden durch solche Prüfungsbemerkungen oder sonst nachträglich Tatsachen bekannt, die einen Rückforderungsanspruch begründen, so beginnt die einjährige Ausschlussfrist, die § 7 VV-ZuInvG für den Rückforderungsanspruch des Bundes vorsieht, mit Bekanntwerden der Tatsache.

8

Der Rückforderungsanspruch wird in § 7 Abs. 1 ZuInvG geregelt. Der Bund kann Finanzhilfen von einem Land zurückfordern, wenn von einem Land geförderte einzelne Maßnahmen ihrer Art nach den festgelegten Förderbereichen nicht entsprechen oder die Zusätzlichkeit nicht gegeben oder eine längerfristige Nutzung nicht zu erwarten ist. Der Bund kann Finanzhilfen von einem Land zurückfordern, soweit die Bundesbeteiligung an der Finanzierung insgesamt 75 % überschreitet. Zurückgerufene Mittel werden von dem jeweiligen Land an den Bund zurückgezahlt und können dem Land erneut zur Verfügung gestellt werden.

9

Vor diesem Hintergrund bestimmt § 6a ZuInvG:


10

"§ 6a Prüfung durch den Bundesrechnungshof

11

Der Bund kann in Einzelfällen weitergehende Nachweise verlangen und bei Ländern und Kommunen Bücher, Belege und sonstige Unterlagen einsehen sowie örtliche Erhebungen durchführen. Ein unverhältnismäßiger Verwaltungsaufwand ist zu vermeiden. Der Bundesrechnungshof prüft gemeinsam mit dem jeweiligen Landesrechnungshof im Sinne von § 93 der Bundeshaushaltsordnung, ob die Finanzhilfen zweckentsprechend verwendet wurden. Dazu kann er auch Erhebungen bei Ländern und Kommunen durchführen."

III.

12

Die Konferenz der Präsidentin und Präsidenten der Rechnungshöfe des Bundes und der Länder hat beschlossen, Maßnahmen der Konjunkturpakete, zu denen die Förderungen nach dem Zukunftsinvestitionsgesetz gehören, zeitnah zu begleiten und zu prüfen und sich über Prüfungsplanungen und -ergebnisse auszutauschen. Es wurde vereinbart, der Vielfalt der Ansätze und Herangehensweisen den größtmöglichen Raum zu geben, um für die externe Finanzkontrolle insgesamt (gemeinsam) zu einem möglichst breiten und facettenreichen prüferischen Einblick in die Umsetzung der Finanzhilfen zu gelangen, und hierüber Informationen auszutauschen.

13

Der Bundesrechnungshof lässt sich bei seinem Vorgehen von der Absicht leiten, die zweckentsprechende Verwendung, den schnellen Mittelabruf, insbesondere das Vorliegen von Rückforderungsgründen und nachrangig die Wirtschaftlichkeit der Mittelverwendung durch die Kommunen zu kontrollieren. Weil der Bundesrechnungshof keine empirische Wirtschaftsforschung betreibe, könne nicht die Wirksamkeit des Zukunftsinvestitionsgesetzes insgesamt im Fokus stehen, sondern nur die jeweils geprüfte Einzelmaßnahme im Hinblick auf ihre konjunkturelle Impulswirkung. Die Auswahl der kommunalen Körperschaften erfolge hinsichtlich eines Flächenansatzes nach Bedeutung sowie einem Zufallsraster, hinsichtlich einer Querschnittsprüfung nach Verwendungsschwerpunkten, die aus den beim Bundesfinanzministerium geführten Förderlisten erkennbar seien, und ergänzend nach Bedarf für Einzelerhebungen.

IV.

14

Die Landesregierung des Landes Baden-Württemberg, die Staatsregierung des Freistaates Bayern, der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg, die Landesregierung des Landes Nordrhein-Westfalen, die Landesregierung des Saarlandes und die Staatsregierung des Freistaates Sachsen halten § 6a Satz 1, 3 und 4 ZuInvG für mit Art. 114 Abs. 2, Art. 109 Abs. 1, Art. 104b Abs. 2 Satz 3, Abs. 3 und Art. 83, 84 GG unvereinbar und beantragen im Verfahren der abstrakten Normenkontrolle die Feststellung der Nichtigkeit der beanstandeten Vorschriften. Sie beantragen zugleich den Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit der die Anwendung der zur Prüfung gestellten Vorschriften bis zur Entscheidung über den Hauptsacheantrag ausgesetzt werden soll.

15

1. Der Normenkontrollantrag sei zulässig. Insbesondere hätten die Antragsteller ein Klarstellungsinteresse, obwohl sie dem Gesetz im Bundesrat zugestimmt hätten. Das umfangreiche Gesetzgebungsvorhaben sei eilbedürftig gewesen. Die Antragsteller seien nicht verpflichtet gewesen, schon zu diesem Zeitpunkt abschließend zu entscheiden, ob Verfassungswidrigkeit vorliege und ein Normenkontrollantrag gestellt werden solle.

16

2. § 6a Satz 1 ZuInvG sei mit Art. 104b Abs. 2 und Abs. 3, Art. 109 Abs. 1, Art. 83 und Art. 84 GG unvereinbar.

17

Die Vorschrift sei insoweit verfassungswidrig, als sie dem Bund aktive örtliche Kontrollrechte einräume. Der Bund dürfe zwar einzelne Projekte von der Förderung ausschließen und Fördermittel zurückverlangen, Adressat solcher Maßnahmen könne aber nur die Landesregierung sein. Die in der Verwaltungsvereinbarung enthaltenen Berichts- und Auskunftspflichten setzten den Bund in die Lage, seine aus der Mitfinanzierung sich ergebenden Rechte wahrzunehmen.

18

Eine Zuständigkeit des Bundes ergebe sich nicht aus Art. 104b Abs. 2 Satz 2 GG. Die Vorschrift enthalte lediglich eine materielle Prüfungspflicht, die Prüfungskompetenz werde aber auf der Ebene der Länder belassen. Diese hätten eine Informationspflicht, zu deren Erfüllung sie gegebenenfalls ihrerseits die Gemeinden heranziehen könnten. Die Überprüfung stehe im Zusammenhang mit der Pflicht zur Befristung und degressiven Ausgestaltung der Finanzhilfen. Es handle sich um eine materielle Begrenzung zum Schutz der Länder und nicht um eine Ermächtigung des Bundes zur Steuerung und Kontrolle der Landesverwaltung. Wer das anders sehe, verkehre die Grundintention des verfassungsändernden Gesetzgebers in ihr Gegenteil.

19

Könnte der Bund neben den Ländern selbst bei Kommunen und Ländern Erhebungen durchführen, entstünde eine Mischverwaltung in der Form paralleler Prüfungskompetenzen. Diese sei ohne ausdrückliche Ermächtigung im Grundgesetz unzulässig. Eine solche Zulassungsnorm sei Art. 104b Abs. 2 Satz 2 GG nicht. § 6a Satz 1 ZuInvG vermische unzulässig die Zusammenhänge demokratischer Legitimation.

20

Das Erhebungsrecht des Bundes verletze die in Art. 109 Abs. 1 GG vorgesehene Haushaltsautonomie der Länder. Die Gemeinden gehörten staatsrechtlich zu den Ländern und würden durch diese im Verhältnis zum Bund mediatisiert. Nach Art. 83, 84 GG sei Adressat der Prüfung und der Aufsicht durch den Bund ausschließlich die oberste Landesbehörde; jede Art von Kommunalaufsicht des Bundes sei ausgeschlossen. Anderenfalls seien die Gemeinden drei Prüfungsinstanzen ausgesetzt: den kommunalen Gemeinschaftseinrichtungen, der Aufsicht des Landes und der Aufsicht des Bundes.

21

Art. 104b Abs. 3 GG regle ein passives Unterrichtungsrecht; die Unterrichtung erfolge durch die Länder. Hieraus folge kein Recht, vor Ort Unterlagen einzusehen und Erhebungen durchzuführen. Vielmehr richte sich auch der Informationsanspruch der Bundesregierung an die jeweilige Landesregierung.

22

3. § 6a Satz 3 und 4 ZuInvG sei mit Art. 114 Abs. 2 Satz 1, Art. 104b und Art. 109 Abs. 1 GG unvereinbar.

23

§ 6a Satz 3 ZuInvG gehe ins Leere, weil der Verweis auf § 93 Bundeshaushaltsordnung (im Folgenden BHO) eine anderweitig begründete parallele Prüfungszuständigkeit von Bundes- und Landesrechnungshöfen voraussetze, die es aber nicht gebe. § 6a Satz 4 ZuInvG wolle dem Bundesrechnungshof neue eigenständige Rechte einräumen, die den verfassungsrechtlich bestimmten Prüfungsraum des Bundesrechnungshofs überschritten.

24

Art. 114 Abs. 2 GG beziehe sich nur auf die Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes. Die Vorschrift weise dem Bundesrechnungshof zunächst die Rechnungsprüfung zu. Der Umfang der Prüfung werde durch die Rechnungslegung im Sinne des Art. 114 Abs. 1 GG bestimmt; sie erfasse nur die unmittelbare Bundesverwaltung und dem Bund zuzurechnende Verwaltungsorganisationen und Stellen, soweit sie im Haushaltsplan des Bundes erfasst würden. Hinsichtlich der in Art. 114 Abs. 2 GG weiter geregelten Haushalts- und Wirtschaftlichkeitsprüfung sei die Reichweite der Prüfungszuständigkeit zwar umstritten, es bestehe aber grundsätzlich Einigkeit, dass es ein Prüfungs- und Erhebungsrecht bei den Kommunen nicht gebe.

25

Finanzbeziehungen zwischen Länderhaushalten und dem Bundeshaushalt gebe es nur, wo Finanzzuweisungen zwischen Bund und Land, geteilte Ertragszuständigkeiten bei Steuern oder gemeinsame Finanzierungspflichten bei Sondervermögen vorgesehen seien. Hier könne es ausnahmsweise Erhebungsrechte des Bundesrechnungshofs bei den Ländern geben, soweit es um Bundesgelder gehe und sie sich auf die Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes bezögen. Finanzhilfen nach Art. 104b GG beträfen Investitionen der Länder und Kommunen und damit die Erfüllung von Landesaufgaben durch den Einsatz von Landesmitteln, auch wenn letztere aus zweckgebundenen Zuweisungen des Bundes stammten. Die Mitfinanzierungskompetenz des Bundes ändere an der Verwaltungszuständigkeit nichts. Die Zuständigkeit des Bundes erschöpfe sich in der Gewährung der Finanzhilfe. Eine Einflussnahme auf die Freiheit der Länder, ihre staatlichen Aufgaben selbständig und weisungsfrei zu erfüllen, widerspreche dem föderativen Aufbau der Bundesrepublik. Der auf die Mitfinanzierung beschränkten Zuständigkeit des Bundes entspreche es, dass die Finanzhilfen den Ländern zur eigenen Bewirtschaftung zur Verfügung gestellt und in den Haushaltsplänen der Länder vereinnahmt würden.

26

Prüfungs- und Erhebungsrechte des Bundesrechnungshofs stünden in Akzessorietät zur Verwaltungszuständigkeit. Die Länder unterlägen der Kontrolle durch Landesparlamente und -rechnungshöfe, die parlamentarische Kontrolle des Deutschen Bundestages und die des Bundesrechnungshofs reichten nur bis zur Hingabe der Finanzhilfen der Länder. Der Prüfung des Bundesrechnungshofs unterlägen daher alle Vorgänge, die ihren Niederschlag im Bundeshaushalt fänden und von Bundesbehörden zu erfüllen seien. Außerdem könne der Bundesrechnungshof die zweckentsprechende Vereinnahmung der Mittel in den Landeshaushalt erheben, indem er die Unterrichtung des Bundes durch die Länder über die Verwendung auswerte. Er könne die ordnungsgemäße Abrechnung der Mittel zwischen Land und Bund auf Grundlage der Unterrichtung prüfen. Schließlich könne geprüft werden, ob Rückflüsse dem Bund wieder zugeleitet worden seien. Prüfungszuständigkeiten des Bundes, die sich auf Planung, Durchführung und Auswirkungen des einzelnen Projektes bezögen, ergäben sich daraus nicht.

27

Ein von der Prüfung zu unterscheidendes Recht des Bundesrechnungshofs zu Erhebungen im Sinne einer objektiven Sachverhaltsfeststellung ohne Wertung sei mangels Trennbarkeit von Erhebung und Wertung nicht anzuerkennen. Die Erhebungen im Sinne des § 6a Satz 4 ZuInvG sollten der Feststellung zweckentsprechender Verwendung der Investitionshilfen dienen. Das verlasse zwangsläufig den Bereich der objektiven Sachverhaltsfeststellung, es gehe in jedem Fall um Wertungen.

28

Der Bundesrechnungshof dürfe allein die Daten bei den obersten Finanzbehörden erheben, die diese an den Bund weiterzugeben verpflichtet seien. Prüfungsfreie Räume entstünden dadurch nicht, weil die Kontrolle vor Ort im Einzelfall Sache der Landesrechnungshöfe sei. Dieser Aufgabenverteilung habe die bisherige Praxis durchgehend Rechnung getragen.

29

Dagegen lasse sich nicht argumentieren, dass die Verantwortung für die Haushaltswirtschaft nur dann bei Bundestag und Bundesregierung verankert werden könne, wenn die Finanzkontrolle des Bundesrechnungshofs funktional zur Finanzierungskompetenz des Bundes verstanden werde, oder dass der Bundesrechnungshof nicht aufgrund von abgeleiteten Kompetenzen der Bundesexekutive, sondern kraft eigener Kompetenzen als selbständiges Organ der Finanzfunktion des Bundes prüfe. Die Prüfungs- und Erhebungskompetenzen des Bundesrechnungshofs seien mit den Exekutivkompetenzen des Bundes verknüpft. Zwar bestehe ein berechtigtes Interesse des Bundes an der zweckentsprechenden Verwendung der Finanzhilfen; dem werde aber durch die Prüfungen der Landesrechnungshöfe Rechnung getragen. Eine Verknüpfung von Bundesfinanzierungskompetenz und Prüfungs- und Erhebungsrecht des Bundesrechnungshofs widerspräche der vertikalen Verteilung der Exekutivkompetenzen nach Art. 83 ff. GG. Wenn die Prüfungskompetenzen des Bundes so weit reichten wie seine Finanzierungskompetenz, führte das zu einer weitgehenden allgemeinen Bundesaufsicht über die Länder.

30

Es gebe keinen Generaltitel "Finanzwesen" als gleichsam vierte Staatsgewalt, der dazu berechtige, sich über die vertikale und horizontale Verteilung der Finanzkompetenzen hinwegzusetzen. Das Handeln des Bundesrechnungshofs könne auch nicht als sanktionslos und deswegen kompetenzrechtlich unbedenklich angesehen werden. Es wirke sich faktisch auf die Entlastung der Landesregierung aus, zudem sei der Bundesrechnungshof gegenüber den Gemeinden rechtsförmlich vorgegangen.

31

Bei der Durchführung des Zukunftsinvestitionsgesetzes hätten die Landesrechnungshöfe eine intensive und vielfältige Prüfungstätigkeit entfaltet. Daran bestehe angesichts der Mitfinanzierung der Investitionen durch die Länder ein Interesse. Eine größere Einheitlichkeit der Prüfungstätigkeit könne auch der Bundesrechnungshof nicht herbeiführen, weil unterschiedliche Vorgehensweisen den in den Ländern verschiedenen Umsetzungsverfahren geschuldet seien. Hierzu wiederum seien die Länder nach dem durch das Grundgesetz gewährleisteten bundesstaatlichen Aufbau berechtigt.

32

Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 104a Abs. 4 GG a.F., wonach es bei Finanzhilfen keine örtlichen Prüfungs- und Erhebungsrechte des Bundesrechnungshofs gebe, sei auf Art. 104b GG übertragbar. Der Inhalt des Art. 104a Abs. 4 GG a.F. sei in Art. 104b GG übernommen und durch Regelungen ergänzt worden, die das Ziel verfolgten, den Einsatz von Finanzhilfen zu präzisieren und die Befugnisse des Bundes und der Länder klarer voneinander abzuschichten; allein der später angefügte Art. 104b Abs. 1 Satz 2 GG bilde insoweit eine Ausnahme. Keinesfalls hätten neue Ingerenzrechte des Bundes geschaffen werden sollen. Keine der Änderungen könne für erweiterte Rechte des Bundesrechnungshofs in Anspruch genommen werden. Das Unterrichtungsrecht des Art. 104b Abs. 3 GG, das im Übrigen nicht zur Informationsbeschaffung vor Ort berechtige, erwähne den Bundesrechnungshof ausdrücklich nicht. Die Pflicht zur regelmäßigen Überprüfung aus Art. 104b Abs. 2 Satz 2 GG sei eine materielle Pflicht, die die bislang schon geltende Kompetenzverteilung nicht verändert habe. Es liege außerhalb des Regelungsgegenstandes, örtliche Erhebungsrechte im Gegensatz zu den Verwaltungszuständigkeiten bei Investitionshilfen zu begründen.

33

Aus Art. 109 Abs. 1 GG ergebe sich, dass die Organe des jeweiligen Landes - einschließlich der Kommunen - Entscheidungen der Haushaltswirtschaft treffen könnten, ohne Kontrollen und Einwirkungen des Bundes zu unterliegen, die nicht ausdrücklich im Grundgesetz zugelassen seien. Die Einschränkung des Art. 104b GG betreffe allein den Grundsatz getrennter Finanzierung von Bundes- und Landesebene nach Art. 104a Abs. 1 GG. Kontroll- und Erhebungsrechte bei den Kommunen seien damit nicht verbunden.

V.

34

Zu dem Antrag haben sich der Deutsche Bundestag, die Bundesregierung, die Niedersächsische Landesregierung, der Bundesrechnungshof, die Landesrechnungshöfe mit Ausnahme des Landesrechnungshofs Mecklenburg-Vorpommern, der Deutsche Landkreistag und der Verband der bayerischen Bezirke geäußert. Gelegenheit zur Äußerung hatten außerdem der Bundesrat, die übrigen Landesregierungen und Senate, der deutsche Städtetag und der Deutsche Städte- und Gemeindebund.

35

1. Der Deutsche Bundestag hält den Antrag für unzulässig und unbegründet.

36

a) Der Normenkontrollantrag sei unzulässig, weil die Antragsteller dem Gesetzesbeschluss zugestimmt hätten und durch den Normenkontrollantrag ein im Gesetzgebungsverfahren zu lösendes Problem auf das Bundesverfassungsgericht verlagerten. Wenn Antragsteller ihre Möglichkeiten, die politische Entscheidung über eine bestimmte Frage zu beeinflussen, nicht nutzten, könnten sie dieselbe Frage nicht später dem Bundesverfassungsgericht vorlegen. Die von den Antragstellern vorgebrachte Eilbedürftigkeit des Gesetzgebungsverfahrens ändere daran nichts.

37

b) § 6a ZuInvG beruhe auf Art. 104b Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG. Dem Bund sollten diejenigen Informationen verschafft werden, die er für die erforderliche Feststellung der zweckentsprechenden Inanspruchnahme und Verwendung der Bundesmittel brauche. Damit werde vermieden, dass die Länder die Finanzmittel entgegen Art. 104b Abs. 1 GG für die Erledigung anderer Aufgaben verwendeten. § 6a ZuInvG schaffe die Voraussetzungen für eine Rückforderung zuviel verwendeter Fördermittel gemäß § 7 Abs. 1 ZuInvG.

38

c) § 6a Satz 1 ZuInvG sei verfassungsgemäß. Da die bisherige Praxis Schwächen gehabt habe, habe der Bund ein berechtigtes Interesse an denjenigen Informationen über die Verwendung der Finanzhilfen in den Ländern, die er brauche, um zu entscheiden, ob er von seinem Rückforderungsanspruch Gebrauch mache. Es bestehe die Gefahr, dass die zuständigen Stellen in den Ländern nicht an einer vollständigen Überprüfung interessiert seien. Die Berichtspflichten der Landesregierungen reichten nicht aus.

39

Es handle sich nicht um eine unzulässige Mischverwaltung.

40

Soweit das Bundesverfassungsgericht ausgesprochen habe, dass die Kontrolle des Bundesrechnungshofs nur bis zur Hingabe der Finanzhilfen an die Länder reiche, handle es sich um ein obiter dictum. Dem Bundesverfassungsgericht sei es darauf angekommen, den Befugnissen des Bundes bei der Auswahl von Projekten Grenzen zu setzen. Nach dem Zukunftsinvestitionsgesetz entschieden hingegen die Länder im Rahmen der Gesetzesvorgaben eigenständig, wofür sie die Bundesmittel einsetzten. Zu der Frage, ob Prüfungszuständigkeiten des Bundes durch den Bundesgesetzgeber festgelegt werden könnten, habe sich das Bundesverfassungsgericht nicht geäußert.

41

Dass der Bund selbst prüfe, ob die Finanzhilfen zweckentsprechend verwendet würden, stehe mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts im Einklang. Die Bundesexekutive dürfe danach einzelne Projekte von der Förderung ausschließen, wenn sie nicht der Zweckbindung der Finanzhilfen entsprächen oder zur Verwirklichung der angestrebten Ziele ungeeignet seien.

42

Zudem habe sich die Verfassungsrechtslage geändert. In Art. 104b GG seien die Grundlagen für ein neues Überwachungssystem aus Überprüfungs- und Informationspflichten gelegt worden. Die Überwachung der Zweckerreichung gemäß Art. 104b Abs. 2 und Abs. 3 GG sei Ausfluss des Erfordernisses der demokratischen Legitimation und darüber hinaus Teil der Haushaltsautonomie des Bundes. Wie die Überwachung geschehe, lege die Vorschrift nicht fest. Es müsse nicht aus verfassungsrechtlichen Gründen bei passiven Unterrichtungsrechten bleiben. Art. 104b Abs. 2 und 3 GG räume dem Bundesgesetzgeber einen Gestaltungsspielraum ein. Maßgeblich sei die Effektivität der Überwachung. Die bisherigen Erfahrungen legten eine intensivere Überwachung nahe.

43

Die Pflicht, die Mittel hinsichtlich ihrer Verwendung in regelmäßigen Zeitabständen zu überprüfen, richte sich an den Bund. Ebenso sei die Unterrichtung über die Prüfung der Verwendung von finanziellen Leistungen des Bundes grundsätzlich Aufgabe von Einrichtungen, die der Bund geschaffen habe. In § 6a Satz 1 ZuInvG sei nur das normiert worden, was früher bereits Gegenstand einer einvernehmlichen Regelung gewesen sei. Ein Eingriff in die Haushaltsautonomie der Länder liege nicht vor. Die Befugnis des Bundes sei auf Einzelfälle beschränkt. Vor diesem Hindergrund sei hinzunehmen, dass sich die Kommunen gegebenenfalls drei Prüfungsinstanzen ausgesetzt sähen. Die Entscheidungen der Länder darüber, für welche nach den gesetzlichen Vorgaben geeigneten Investitionen in ihrem Hoheitsgebiet die Finanzhilfen eingesetzt würden, würden durch den Bund nicht beeinflusst oder überprüft.

44

d) Auch § 6a Satz 3 und 4 ZuInvG sei verfassungsgemäß. Die Aufgabe des Bundesrechnungshofs sei in diesem Zusammenhang, gemäß Art. 114 Abs. 2 GG rechnungsunabhängig die Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes zu prüfen. Geprüft werden dürfe nur, ob die Finanzhilfen des Bundes in den Ländern ihren Zweck erreichten. Die Auswahlentscheidung der Länder unterliege nicht der Überprüfung. Dementsprechend werde in § 6a Satz 3 ZuInvG bloß von "prüfen" gesprochen, die in Satz 4 genannten Erhebungen seien ein notwendiger Teil der Prüfung. Über die Prüfungsergebnisse sei die Bundesregierung zu informieren, was zu einer Rückforderung gemäß § 7 ZuInvG führen könne. Gemäß Art. 104b Abs. 3 GG seien Deutscher Bundestag, Bundesregierung und Bundesrat auf Verlangen über die Durchführung der Maßnahmen und die erzielten Verbesserungen zu unterrichten. Dazu gehöre auch ein Bericht darüber, ob die Finanzhilfen zweckentsprechend verwendet worden seien.

45

Eine klare Trennung zwischen den Prüfungszuständigkeiten des Bundesrechnungshofs und der Landesrechnungshöfe gebe es im Falle der von Art. 104b GG ermöglichten Mitfinanzierung des Bundes im Landesbereich nicht. Sie sei nicht erforderlich, weil die Rechnungshöfe bloß prüfen und berichten könnten. Das Ausschließlichkeitsprinzip des Kompetenzrechts gelte uneingeschränkt nur für staatliches Handeln mit Entscheidungscharakter. Im Rahmen der Finanzkontrolle bedürfe es keiner strikten Abgrenzung zwischen den Kompetenzen des Bundesrechnungshofs und denen der Landesrechnungshöfe. Es gehe vielmehr darum, eine wirksame Finanzkontrolle zu ermöglichen. Die bloße Beobachtung und Ermittlung von Lebenssachverhalten sei keine Beaufsichtigung der Länder durch den Bund.

46

Das Bundesverwaltungsgericht sei für die Auftragsverwaltung davon ausgegangen, dass Finanzkontrollen des Bundesrechnungshofs im Bereich der Länder nicht von vornherein verfassungsrechtlich unzulässig seien, weil Art. 114 Abs. 2 Satz 1 GG ein Generalauftrag für eine effektive Finanzkontrolle zu entnehmen sei, der nur erfüllt werden könne, wenn dem Bundesrechnungshof auch gegenüber Landesfinanzbehörden Ermittlungsbefugnisse eingeräumt würden. Das müsse entsprechend für nicht zweckgemäß verwendete Finanzhilfen gelten.

47

Allerdings könne im Rahmen von Art. 104b GG nur geprüft werden, ob die Finanzmittel zweckentsprechend verwendet worden seien. Die Auswahlentscheidung der Länder sei der Überprüfung durch den Bundesrechnungshof nicht zugänglich. Im Rahmen der Entlastungsentscheidung gemäß Art. 114 Abs. 1 GG komme es auch darauf an, ob der Bund von der Rückforderungsbefugnis nach § 7 ZuInvG ordnungsgemäß Gebrauch gemacht habe. Zur Vorbereitung dieser Entscheidung habe der Bundesrechnungshof die Voraussetzungen für die Rückforderungsentscheidung eigenständig gemäß § 6a ZuInvG und nicht nur auf Grundlage der Mitteilung der Landesregierung zu prüfen.

48

Bei der Ausübung der dem Gesetzgeber durch Art. 104b GG eingeräumten Befugnis, dem Bundesrechnungshof ein Prüfungs- und Erhebungsrecht einzuräumen, müsse ein gerechter Ausgleich zwischen der Haushaltsautonomie und den Erfordernissen einer effektiven Finanzkontrolle gefunden werden. Dies sei dem Bundesgesetzgeber dadurch gelungen, dass eine gemeinsame Prüfung im Sinne von § 93 BHO festgeschrieben worden sei und der Bund die Informationsbefugnisse nur in Einzelfällen ausüben dürfe.

49

Nach Art. 104b Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz GG bestehe die Verpflichtung, die Bundesmittel hinsichtlich ihrer Verwendung in regelmäßigen Zeitabständen zu überprüfen. Verfassungsrechtlich spreche nichts dagegen, dass diese Überprüfung vom Bundesrechnungshof vorgenommen werde. Der Bundesgesetzgeber habe insofern einen Entscheidungsspielraum. Jedenfalls seien die Rechnungshöfe der Länder und die Rechnungsprüfungsämter der Kommunen nicht die sachnäheren Institutionen für die Überprüfung, da es um die Verwendung von Bundesmitteln gehe.

50

2. Nach Ansicht der Bundesregierung ist der Antrag aufgrund der Zustimmung im Bundesrat unzulässig und im Übrigen unbegründet.

51

a) Die Vorschrift des § 6a ZuInvG, die Befugnisse sowohl der obersten Bundesbehörde als auch des Bundesrechnungshofs regle, sei verfassungsgemäß. Es handle sich um eine verfassungskonforme Ausgestaltung des Art. 104b GG. Diese Vorschrift solle die Finanzierungsbefugnisse des Bundes im Kompetenzraum der Länder kanalisieren und steuern. Es sei ein System von Gesetzesfolgenevaluationen in das Grundgesetz aufgenommen worden. Die Kontrollkompetenzen zur Ausführung der Folgenabschätzung könnten nur beim Bund liegen. Den einzelnen Ländern sei es unmöglich, sich ein Gesamtbild mit Fakten in Bezug auf alle beteiligten Akteure und Ebenen zu machen. Ein effektives Kontrollinstrumentarium setze voraus, dass die relevanten Daten und Fakten nach einheitlichen Maßstäben erhoben würden. Kontrolliert und evaluiert werden solle die Gewährung einer Finanzhilfe insgesamt, die Länder seien mithin gar nicht Kontrollobjekte.

52

Eine so beschaffene Kontrolle werde durch § 6a ZuInvG verwirklicht und konkretisiert. Es habe nahe gelegen, neben dem Bundesfinanzministerium auch den Bundesrechnungshof mit der Informationserhebung zu betrauen.

53

Die Anforderungen aus den beiden verfassungsgerichtlichen Entscheidungen zu Art. 104a Abs. 4 GG a.F. würden eingehalten. Ihnen sei es darum gegangen, die Entscheidungsfreiheit der Länder zu wahren. Gemeint gewesen sei ein Bundeseinfluss im Sinne des Eingreifens in die Verwaltungsentscheidungen der Länder und der Lenkung. Mitentscheidungsrechte im Einzelfall maße sich der Bund aber vorliegend gerade nicht an. Ein Fall der Mischverwaltung liege nicht vor.

54

Von einer verbotenen Bundesaufsicht könne nicht gesprochen werden. Mangels Sanktionsmöglichkeiten regle § 6a ZuInvG bereits keinen Aufsichtstatbestand. Sofern es um die Informationsrechte gehe, stelle Art. 104b GG eine Ermächtigungsgrundlage dar.

55

b) Die dem Bundesrechnungshof eingeräumten Befugnisse seien verfassungsgemäß. Soweit das Bundesverfassungsgericht die Prüfungsbefugnisse des Bundesrechnungshofs "an der Landesgrenze" aufgehalten habe, stünden diese nicht tragenden Erwägungen im Zusammenhang mit der Forderung, dass dem Bund keine Eingriffs- und Lenkungsbefugnisse zugewiesen werden dürften. Solche Befugnisse würden jedoch durch Erhebungsrechte des Bundesrechnungshofs im Landesbereich gar nicht eingeräumt. Der Rechnungshof sei nicht Teil der Verwaltung, sondern eine nicht nahtlos in das Gewaltenteilungsschema passende Staatsfunktion eigener Art. Er besitze keine Sanktions- oder Lenkungsmöglichkeiten.

56

Art. 114 Abs. 2 Satz 3 GG verweise zur näheren Zuständigkeitsregelung auf Bundesgesetze. Unzutreffend sei, dass die Zuständigkeit des Bundesrechnungshofs ausschließlich, das heißt akzessorisch, den Verwaltungskompetenzen folge. Mit der Finanzierungszuständigkeit und der Ertragshoheit existierten spezifisch finanzverfassungsrechtliche bundesstaatliche Kompetenzen, die im übrigen Staatsrecht keine Entsprechung fänden. Die bundesstaatlichen Kompetenzen des Bundesrechnungshofs folgten einem sowohl Verwaltungs- als auch Finanzierungskompetenzen umfassenden Bereich. Im Bereich der Informationsgewinnung könnten die Verwaltungsräume von Bund und Ländern in ganz anderem Maße durchlässig sein als etwa im Bereich echter Mitwirkungs- oder Mitentscheidungsrechte.

57

Wenn hinsichtlich der Bundeskompetenzen für Finanzhilfen die gesamtwirtschaftliche Verantwortung beim Bund am besten aufgehoben sei, erscheine eine dieser korrespondierende Finanzkontrolle nicht fernliegend. Anzustreben sei eine möglichst wirksame Finanzkontrolle. Die Finanzhilfen nach Art. 104b GG lägen zwischen den Gemeinschaftsaufgaben und den ungebundenen Zuweisungen nach Art. 107 Abs. 2 oder Art. 106 Abs. 4 Satz 2 und 3 GG. Es handle sich um gebundene Zuweisungen. Folglich existierten hier Prüfungsbefugnisse; sie seien allerdings nicht derart umfassend wie die Prüfungsbefugnisse im Falle echter Mischverwaltung, also insbesondere bei den Gemeinschaftsaufgaben.

58

Der Bundesrechnungshof dürfe nur die finanzwirtschaftliche Seite auf der Grundlage der Planung seitens des Landes für den Bund als den Prüfungsadressaten prüfen. Die Haushalts- und Wirtschaftsführung der Länder als solche sei nicht Prüfungsgegenstand. Mehr sei von § 6a ZuInvG nicht intendiert. Es solle nicht in die Auswahlentscheidung eingegriffen werden. Es handle sich nicht um eine Prüfung der Länder oder Kommunen, sondern um eine Prüfung des Bundes bei den Ländern oder Kommunen. Das bilde exakt die gesamtstaatliche beziehungsweise gesamtwirtschaftliche Verantwortung des Bundes bei der Hingabe von Finanzhilfen auf der Ebene der Kontroll- und Informationsrechte ab. Der Bund dürfe Projekte von der Förderung ausschließen, die nicht der im Gesetz festgelegten Zweckbindung entsprächen oder gänzlich ungeeignet zur Erreichung der Ziele des Art. 104b GG seien. Der Erhebungs- und Prüfungsauftrag des Bundesrechnungshofs beziehe sich damit auf die Verwendung der Bundesmittel durch Prüfungen und Erhebungen bei den Ländern beziehungsweise ihren Untergliederungen.

59

Kommunale Kompetenzräume würden nicht verletzt. In den Entscheidungen zu Art. 104a Abs. 4 GG a.F. habe das Bundesverfassungsgericht dem Bund Lenkungsmittel gegenüber den Ländern mit Blick auf die Kommunen versagt. Um die Mittelvergabe gehe es in dem vorliegenden Streit jedoch nicht. Grundgesetzlich verbürgte Rechte der Länder würden nicht durch etwaige Prüfungen auf kommunaler Ebene verletzt. Es würden nicht die Länder oder Gemeinden geprüft, sondern es handle sich um Informationserhebungen, um die ordnungsgemäße Verwendung von Bundesmitteln in gesamtstaatlicher und gesamtwirtschaftlicher Verantwortung zu überprüfen und zu evaluieren.

60

3. Die Niedersächsische Landesregierung verweist auf die Entschließung des Bundesrates. Niedersachsen habe dem Gesetz zur Sicherung von Beschäftigung und Stabilität in Deutschland trotz der Zweifel an der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit des § 6a ZuInvG zugestimmt, weil hinsichtlich der konjunkturpolitischen Maßnahme Wirkungsverzögerungen hätten vermieden werden sollen. Die Ergebnisse der verzögerungslosen Umsetzung überwögen die Nachteile eines Abwartens bis zur Klärung verfassungsrechtlicher Grundsatzfragen deutlich. Die Rechtsposition des Bundesrates sei Bundestag und Bundesregierung stets bekannt gewesen und habe kein entgegenstehendes Vertrauen begründen können.

61

4. Der Bundesrechnungshof hält den Antrag für jedenfalls unbegründet.

62

a) Bei den bereits begonnenen Erhebungen sei das Erhebungskonzept darauf ausgerichtet, durch Anwendung einheitlicher Kriterien im gesamten Bundesgebiet aussagekräftige Ergebnisse zu erlangen. Die Erhebungsstellen seien zufällig ausgewählt. Nur auf diese Weise erhalte der Bundesrechnungshof ein repräsentatives bundesweites Bild über die Wirkungen des Handelns der Bundesregierung, des Zukunftsinvestitionsgesetzes und der Förderkriterien. Mit einer summarischen Kumulation von Prüfungserkenntnissen einzelner oder aller Landesrechnungshöfe ließe sich ein solches repräsentatives Bild nicht erzielen. Es sei zu erwarten, dass die Prüfungen der Landesrechnungshöfe hauptsächlich auf die fiskalischen Interessen des jeweiligen Landes ausgerichtet seien.

63

b) Aus Art. 104b Abs. 2 Satz 2 GG ergäben sich Prüfungskompetenzen des Bundes. Die Prüfungsergebnisse seien denjenigen Organen des Bundes mitzuteilen, die über die Finanzhilfen zu entscheiden hätten. Die Unterrichtung von Bundestag und Bundesrat über die Ergebnisse der Prüfung der Verwendung von Finanzhilfen, die den Ländern und Kommunen gewährt worden seien, sei nicht Aufgabe der Länder oder ihrer Rechnungshöfe, sondern von Bundesorganen und insbesondere des Bundesrechnungshofs. Die Unterrichtungspflicht der Länder sei durch die Spezialvorschrift des Art. 104b Abs. 3 GG auf die dort normierten Auskünfte beschränkt. Schon nach der bisherigen Staatspraxis sei der Bund im Falle von Finanzhilfen nicht auf ein negatives, passives Unterrichtungsrecht beschränkt gewesen. Zur Entstehungsgeschichte des Art. 104b Abs. 2 GG gehöre, dass der Präsident des Bundesrechnungshofs mehrfach darauf hingewiesen habe, dass sich die Sinnhaftigkeit und der Erfolg von Finanzhilfen aus den Unterlagen der obersten Landesbehörden nicht oder nur unzureichend erkennen ließen und dass die Landesrechnungshöfe aus einer anderen Interessenlage heraus tätig würden. In der Föderalismuskommission seien Äußerungen von Sachverständigen aufgegriffen worden, die auf Schwierigkeiten der Bedarfsbestimmung angesichts der Informationsasymmetrie zwischen Bund und Ländern und auf die Notwendigkeit einer Erfolgskontrolle hingewiesen hätten. Aus den Gesetzesmaterialien ergebe sich, dass zu der auf die Zielerreichung bezogenen Kontrolle die Feststellung der zweckentsprechenden Inanspruchnahme und Verwendung der Bundesmittel hinzutreten solle. Die Überprüfung der Verwendung müsse von Institutionen vorgenommen werden, die sowohl zur Feststellung der zweckentsprechenden Inanspruchnahme und Verwendung der Bundesmittel als auch zur Beurteilung der Erreichung der Ziele in der Lage seien, die mit den Finanzhilfen als gesamtstaatlich ausgerichtetem Steuerungsinstrument angestrebt würden.

64

Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Reichweite der Kontrollbefugnisse des Bundes im Falle des Art. 104a Abs. 4 GG a.F. bedürfe im Hinblick auf Art. 104b Abs. 2 Satz 2 GG der Modifikation.

65

c) Die Erhebungskompetenzen des Bundesrechnungshofs fänden in Art. 114 Abs. 2 GG eine Grundlage. Zwischen Prüfungs- und Erhebungskompetenz sei zu unterscheiden. Die bisherige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts beziehe sich nur auf die Prüfungskompetenz. Das Bundesverwaltungsgericht habe hinsichtlich der Verwaltung der Gemeinschaftssteuern entschieden, dass der Bundesrechnungshof zu örtlichen Erhebungen berechtigt sei. Die Landesbehörden seien dabei nicht Prüfungsadressat, sondern nur Erhebungsobjekt. Art. 114 Abs. 2 Satz 1 GG sei ein Generalauftrag für eine effektive Finanzkontrolle zu entnehmen, der nur erfüllt werden könne, wenn der Bundesrechnungshof auch gegenüber Landesfinanzbehörden Ermittlungsbefugnisse habe. Auch in der Bundesauftragsverwaltung außerhalb der Steuerverwaltung seien Erhebungen bei den Landesbehörden ständige Praxis. Weder Art. 114 Abs. 2 Satz 3 GG noch einer anderen Regelung des Grundgesetzes sei zu entnehmen, dass der Bundesrechnungshof nur zu Erhebungen bei den obersten Landesbehörden ermächtigt werden dürfte.

66

Soweit umstritten sei, ob die Erhebungsrechte des Bundesrechnungshofs in der Landesverwaltung durch Verwaltungskompetenzen des Bundes begrenzt würden, verdiene die Auffassung Zustimmung, die zwischen Finanzierungs- und Verwaltungskompetenzen unterscheide. Es bestehe eine eigene Finanzierungsverantwortung des Bundes, der der Bund nur gerecht werden könne, wenn ihm eine Kontrolle der Verwendung der bereitgestellten Finanzmittel ermöglicht werde. Das setze Erhebungen voraus.

67

Die Finanzhilfen gemäß Art. 104b Abs. 1 GG würden zwar nicht im Auftrag des Bundes, sondern in eigener Verantwortung der Länder verwaltet. Gleichwohl sei es zulässig, dem Bundesrechnungshof Erhebungsbefugnisse durch ein Gesetz auf der Grundlage des Art. 114 Abs. 2 Satz 3 GG einzuräumen. Dafür spreche das hohe Interesse des Bundes an einer effektiven Finanzkontrolle. Die auf die gesamtwirtschaftlichen Wirkungen ausgerichteten bundespolitischen Ziele der Verwendungsprüfung nach Art. 104b Abs. 2 Satz 2 GG könnten auf der Grundlage von Erhebungen, die allein von den Landesrechnungshöfen vorgenommen würden, nicht befriedigt werden. Im Falle der Finanzhilfen sei nur eine rechtzeitige Beratung des Parlaments geeignet, Nachsteuerungen zu ermöglichen. Dazu müsse der Bundesrechnungshof seinen Zeitplan selbst festlegen können. Der Bundesrechnungshof könne eine rechtzeitige Beratung des Parlaments nicht anders als durch örtliche Erhebungen in den Kommunen gewährleisten. Dem Anliegen des verfassungsändernden Gesetzgebers, die Zuständigkeiten von Bund und Ländern so weit wie möglich zu trennen, werde dadurch Rechnung getragen, dass Mischfinanzierungen abgebaut und Finanzhilfen auf Ausnahmefälle begrenzt würden. Die Kommunen würden durch Erhebungen nicht in gleichem Umfang belastet wie durch Prüfungen.

68

d) Der Grundsatz der Haushaltsautonomie stehe in einem Spannungsverhältnis zu dem Prüfungsauftrag aus Art. 104b Abs. 2 Satz 2 GG und der Unterrichtungspflicht aus Art. 104b Abs. 3 GG. Der Gesetzgeber habe hier einen Ausgleich zu schaffen. Dabei sei ihm ein gewisser Spielraum einzuräumen. Die Befugnisse des Bundesrechnungshofs bewirkten keinen schwerwiegenden Eingriff in die eigenständige Haushaltsführung der Länder. Nachteile könnten dann entstehen, wenn zweckwidrige Verwendungen festgestellt würden. Das gleiche gelte, wenn Erkenntnisse gewonnen würden, die eine Nachsteuerung durch den Bundesgesetzgeber nahelegten. Das Interesse, solche Konsequenzen zu vermeiden, sei aber kaum schutzwürdig. Die Belastung insbesondere der Kommunen sei gering. Demgegenüber habe das Interesse des Bundes, eine effektive Finanzkontrolle zu gewährleisten, hohes Gewicht. Auch die Befugnisse des Bundes nach § 6a Satz 1 ZuInvG seien Ergebnis einer sachgerechten Abwägung zwischen der Haushaltsautonomie und dem Prüfauftrag des Bundes gemäß Art. 104b Abs. 2 Satz 2 GG. Sie hätten praktische Bedeutung in Fällen, in denen sich konkrete Anhaltspunkte für zweckwidrige Verwendungen ergeben hätten. Hier sei die Informationsbeschaffung nur mit geringfügigen Belastungen verbunden, das Interesse an der Vermeidung der Aufdeckung zweckwidriger Verwendungen oder Zielverfehlungen nicht schutzwürdig, das Interesse des Bundes, die Beachtung der bundesrechtlichen Zweckvorgaben und die gesamtwirtschaftliche Zielerreichung zu gewährleisten, dagegen von hohem Gewicht.

69

5. Die Präsidentinnen und Präsidenten der Landesrechnungshöfe - mit Ausnahme des Landesrechnungshofs Mecklenburg-Vorpommern - sehen § 6a Satz 1, 3 und 4 ZuInvG als verfassungswidrig an. Die Finanzhilfen würden mit der Vereinnahmung in den Landeshaushalten zu Landesmitteln. Wie vom Bundesverfassungsgericht bereits entschieden, sei der Bundesrechnungshof nur bis zur Hingabe der Finanzhilfen an die Länder zuständig. Art. 104b GG habe die Zuständigkeiten und Finanzverantwortlichkeiten von Bund und Ländern deutlicher abgrenzen sollen. Erhebungsrechte seien von Prüfungsrechten nicht sinnvoll zu trennen. Die angegriffene Vorschrift schaffe neue, sich überschneidende Prüfungskompetenzen. Die Prüfung des Bundes gemäß Art. 104b Abs. 2 Satz 2 GG könne sich lediglich auf die Frage beziehen, ob die allgemeinen Voraussetzungen für den Abruf der Mittel vorlägen. Das habe anhand der von den Ländern bereitzustellenden Informationen und der Prüfungsfeststellungen der Rechnungshöfe der Länder zu geschehen.

70

Im Bereich der Finanzhilfen leite sich aus dem eigenverantwortlichen admi-nistrativen Vollzug das alleinige Prüfungsrecht der Landesrechnungshöfe auf den der Ministerialebene nachgeordneten Verwaltungsstufen ab. Die Haushaltsautonomie schließe gegenseitige Haushaltskontrollen aus und stehe einem über die Abrechnungsunterlagen hinausgehenden Prüfungsrecht des Bundesrechnungshofs bei den Landesministerien entgegen.

71

Soweit der Bundesrechnungshof im Gesetzgebungsverfahren die Einschätzung vertreten habe, die Prüfung durch die Rechnungshöfe der Länder sei nicht ausreichend, und hierfür Beispiele angeführt habe, treffe das nicht zu. Prüfungsfreie Räume habe es nicht gegeben.

72

6. Der Deutsche Landkreistag schließt sich den Ausführungen der Antragsteller an und ergänzt, der Bundesrechnungshof spreche zwar nur von Erhebungen, diese stünden aber nicht für sich, sondern würden bewertet und in Prüfergebnissen zusammengeführt. Die Prüftätigkeit bewirke bei den Kommunen eine erhebliche Verunsicherung. Während sich die Bundesverwaltung der direkten Kommunikation mit den Kommunen bewusst und ausdrücklich enthalten habe, solle nun bei der Prüfung der förderrelevanten Tatbestände der Bundesrechnungshof mit möglicherweise abweichenden Auslegungen auf kommunaler Ebene erheben können und Prüfergebnisse vorbereiten. Das trage nicht zur Rechtssicherheit für die auf kommunaler Ebene handelnden Akteure bei. Die Gefahr des Attentismus sollte mit Blick auf die konjunkturgerichtete Zielsetzung des Zukunftsinvestitionsgesetzes vermieden werden.

73

Die Annahme, nur durch die Einräumung zusätzlicher Erhebungsbefugnisse für den Bund könne ein zweckgerichteter Einsatz der Finanzhilfen sichergestellt werden, gehe fehl. Unterhalb der Bundesebene gebe es keine rechts- und prüffreien Räume. Die Prüfung durch den Bundesrechnungshof bis zur Hingabe der Finanzhilfen an die Länder und danach durch die Landesrechnungshöfe sei seit mehr als dreißig Jahren übliche Praxis. Sie sei, zusammen mit den Informationspflichten aus der Verwaltungsvereinbarung, ausreichend.

74

Eine Bundeskompetenz lasse sich nicht daraus ableiten, dass der Bund die Finanzhilfen zur Verfügung gestellt habe. Die Mitfinanzierungskompetenzen des Bundes drehten nicht den Grundsatz der Finanzverfassung als Folgeverfassung dergestalt um, dass die Sachkompetenzzuordnungen des Grundgesetzes und die daraus folgenden haushaltsrechtlichen Rechte und Pflichten außer Kraft gesetzt würden. Auch die in Art. 104b GG vorgesehenen Überprüfungs- und Unterrichtungspflichten führten nicht zu Durchgriffsmöglichkeiten des Bundes bis auf die kommunale Ebene. Durch Art. 104b Abs. 2 GG würden keine neuen Prüfkompetenzen des Bundes geschaffen. Die Vorschrift sei nicht Ausdruck einer bislang als unzureichend empfundenen Kontrolle im zweistufigen System. Die Überprüfung solle zusammen mit der geforderten degressiven Ausgestaltung einzig dazu dienen, Verkrustungen vorzubeugen und schematisch verfestigte Forderungen zu vermeiden. Es gehe vorrangig um das "Ob" der Finanzhilfe. Art. 104b Abs. 3 GG solle eine am Förderziel ausgerichtete Erfolgskontrolle ermöglichen und einen flexibleren und effizienteren Einsatz der Hilfe gewährleisten. Ein gesondertes Prüfungsrecht des Bundes gegenüber den kommunalen Gebietskörperschaften sei hiermit jedoch gleichfalls nicht verbunden.

75

7. Der Verband der bayerischen Bezirke macht sich im Wesentlichen die Antragsbegründung zu Eigen.

B.

76

Der Antrag ist zulässig. Der Zulässigkeit steht insbesondere nicht entgegen, dass die Antragsteller mit dem umfangreichen Gesetz zur Sicherung von Beschäftigung und Stabilität in Deutschland auch der zur Prüfung gestellten Vorschrift im Bundesrat zugestimmt haben. Der objektive Charakter des abstrakten Normenkontrollverfahrens macht die Antragsbefugten zu Garanten einer verfassungsgemäßen Rechtsordnung. Deshalb müssen sie sich nicht schon im Normentstehungsverfahren bei ihrer Stimmabgabe im Bundesrat schlüssig sein, ob sie später einen Antrag auf abstrakte Normenkontrolle stellen werden (BVerfGE 122, 1 <17>; vgl. BVerfGE 101, 158 <213>). Das Vorgehen der Antragsteller ist, zumal angesichts der zeitlichen Vorgaben für den Gesetzesvollzug (vgl. BVerfGE 41, 291 <305>), auch nicht missbräuchlich.

C.

77

Die Bestimmungen des § 6a Satz 1 und 4 ZuInvG sind mit der Verfassung teilweise unvereinbar, während § 6a Satz 3 ZuInvG bei zutreffender Auslegung mit dem Grundgesetz im Einklang steht.

I.

78

Für das Handeln der Bundesverwaltung nach § 6a Satz 1 ZuInvG besteht nur insoweit eine Bundeskompetenz, als der Bund bei den Landesverwaltungen - einschließlich nachgeordneter Stellen und Kommunalverwaltungen - auch im Rahmen örtlicher Erhebungen Berichte anfordern, Akten beiziehen und Unterlagen einsehen kann, wenn aufgrund konkreter Tatsachen im Einzelfall ein Anspruch nach § 7 Abs. 1 ZuInvG und Art. 104a Abs. 5 Satz 1 2. Halbsatz GG möglich erscheint.

79

1. Für das in § 6a Satz 1 ZuInvG vorgesehene Verwaltungshandeln des Bundes bedarf es eines grundgesetzlichen Kompetenztitels.

80

Die durch § 6a Satz 1 ZuInvG eingeräumten Befugnisse berühren den Grundsatz der Selbständigkeit und Unabhängigkeit der Haushaltswirtschaft von Bund und Ländern gemäß Art. 109 Abs. 1 GG (vgl. Meyer/Freese, NVwZ 2009, S. 609 <613>; vgl. auch BVerfGE 1, 117 <133>; 86, 148 <264>) und die Zuweisung der Erfüllung der staatlichen Aufgaben an die Länder gemäß Art. 30 GG. Indem § 6a Satz 1 ZuInvG es dem Bund ermöglicht, eine Rechtspflicht von Landesbehörden zur Information über ausgabenwirtschaftliche Vorgänge zu begründen, wird die grundsätzliche Länderkompetenz beeinträchtigt.

81

Der Regelung des § 6a Satz 1 ZuInvG steht allerdings entgegen der Ansicht der Antragsteller nicht das Verbot einer sogenannten Mischverwaltung entgegen. Zum einen hat allein die Zuordnung zum Begriff der Mischverwaltung keine verfassungsrechtlichen Konsequenzen, vielmehr bedarf es der Betrachtung der Kompetenzvorschriften im Einzelnen (vgl. BVerfGE 63, 1 <38>; 119, 331 <364 ff.>). Zum anderen kann die Bundesverwaltung auf der Grundlage des § 6a Satz 1 ZuInvG nur an Landesbehörden herantreten und für eigene Zwecke Informationen verlangen sowie bei ihnen Daten ermitteln. Damit fehlt bereits das eine Mischverwaltung kennzeichnende Element gemeinsamer Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben. § 6a Satz 1 ZuInvG räumt der Bundesverwaltung keinen Einfluss - sei es auch nur mittels bestimmter Formen des Zusammenwirkens (vgl. BVerfGE 119, 331 <367 ff.>) - auf Entscheidungen der Landesbehörden ein.

82

2. Weder Art. 104b noch Art. 84 Abs. 3 GG bieten eine Grundlage für das in § 6a Satz 1 ZuInvG vorgesehene Verwaltungshandeln. Eine auf die Vorbereitung der Durchsetzung von Haftungsansprüchen begrenzte Verwaltungskompetenz ergibt sich aber aus Art. 104a Abs. 5 Satz 1 2. Halbsatz GG.

83

a) Weder die Gesetzgebungskompetenz des Art. 104b Abs. 2 Satz 1 GG noch die Überprüfungspflicht und das Unterrichtungsrecht aus Art. 104b Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz und Abs. 3 GG oder die mit Finanzhilfen gemäß Art. 104b GG verbundenen Einwirkungsmöglichkeiten des Bundes gestatten Maßnahmen im Sinne des § 6a Satz 1 ZuInvG.

84

aa) Das Grundgesetz bestimmt in Art. 104b Abs. 1, unter welchen Voraussetzungen der Bund den Ländern und Gemeinden (Gemeindeverbänden) Finanzhilfen gewähren kann. Gemäß Art. 104b Abs. 2 Satz 1 GG wird das Nähere, insbesondere die Arten der zu fördernden Investitionen, durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, oder aufgrund des Bundeshaushaltsgesetzes durch Verwaltungsvereinbarung geregelt. Die Mittel sind nach Art. 104b Abs. 2 Satz 2 GG befristet zu gewähren und hinsichtlich ihrer Verwendung in regelmäßigen Zeitabständen zu überprüfen, nach Satz 3 sind die Finanzhilfen im Zeitablauf mit fallenden Jahresbeträgen zu gestalten. Art. 104b Abs. 3 GG sieht vor, dass Bundestag, Bundesregierung und Bundesrat auf Verlangen über die Durchführung der Maßnahmen und die erzielten Verbesserungen zu unterrichten sind.

85

Art. 104b Abs. 2 Satz 1 GG enthält keine Ermächtigung zu Regelungen, die der Bundesverwaltung Verwaltungsbefugnisse gegenüber den Ländern einräumen. Wenn das Grundgesetz wie in Art. 104b Abs. 2 Satz 1 GG dem Bund Regelungskompetenzen zuspricht, kann die Auslegung zwar ergeben, dass damit in bestimmtem Umfang Verwaltungskompetenzen des Bundes verbunden sein sollen. Hierauf kann aber nur bei hinreichend deutlichen Anhaltspunkten geschlossen werden. Solche Anhaltspunkte sind bei Art. 104b Abs. 2 Satz 1 GG nicht ersichtlich. Die Vorschrift lässt insbesondere nicht erkennen, welche Verwaltungsaufgaben dem Bund zugeordnet werden könnten und wie dessen Verwaltungskompetenzen im Übrigen einzugrenzen wären. Im Gegenteil sprechen die in Art. 104b Abs. 2 und 3 GG im Einzelnen behandelten Gegenstände und die Gesetzessystematik (dazu im Folgenden) deutlich dafür, dass die Ausgestaltungskompetenz des Art. 104b Abs. 2 Satz 1 GG ein Verwaltungshandeln des Bundes nicht umfasst.

86

bb) Auf Art. 104b Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz und Abs. 3 GG kann die in § 6a Satz 1 ZuInvG vorgesehene Befugnis des Bundes, weitergehende Nachweise zu verlangen und bei Ländern und Kommunen Bücher, Belege und sonstige Unterlagen einzusehen sowie örtliche Erhebungen durchzuführen, ebenfalls nicht gestützt werden.

87

(1) Die Pflicht zu regelmäßiger Überprüfung der Verwendung der Mittel gemäß Art. 104b Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz GG und das Unterrichtungsrecht gemäß Art. 104b Abs. 3 GG zielen vornehmlich auf eine erneute und gegebenenfalls wiederholte Beschäftigung mit der Frage, ob die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen der jeweiligen Finanzhilfe noch vorliegen und ob, auch wenn das der Fall ist, der politische Wille gebildet werden kann, sie abzuschaffen oder zu reduzieren. In diesem Zusammenhang können Fragen der gesamtwirtschaftlichen Effizienz sowie einer zielgenauen Auswahl der Förderbereiche von Interesse sein. Dagegen hat die Frage der zweckgemäßen Verausgabung von Mitteln für konkrete Einzelprojekte insoweit eine untergeordnete Bedeutung, die eine Informationsbeschaffung durch Bundesbehörden wie die hier zu beurteilende nicht rechtfertigen kann (vgl. Meyer/Freese, NVwZ 2009, S. 609 <613>; wohl auch von Arnim, in: Isensee/Kirchhof, HStR VI, 3. Aufl. 2008, § 138 Rn. 57).

88

Dass die Reduzierung einer zuvor eingeführten Finanzhilfe der vorrangige Zweck der in Art. 104b GG vorgesehenen Kontrollmechanismen ist, ergibt sich aus der Stellung der Vorschrift in der Finanzverfassung des Grundgesetzes und ihrer Einbettung in die Entwicklung der föderalen Strukturen. Finanzleistungen aus dem Bundeshaushalt an die Länder für Landesaufgaben, zu denen auch die Förderung von Investitionen der Gemeinden und Gemeindeverbände gehört, schaffen die Gefahr von Abhängigkeiten der Länder vom Bund. Sie gefährden damit die verfassungsrechtlich garantierte Eigenständigkeit der Länder, denen das Grundgesetz die volle Sach- und Finanzverantwortung für die ihnen obliegenden Aufgaben eingeräumt hat. In einem System, das darauf angelegt ist, eine der Aufgabenverteilung gerecht werdende Finanzausstattung der Länder zu erreichen, dürfen deshalb nach dem bundesstaatlichen Grundverhältnis zwischen Bund und Ländern Bundeszuschüsse in Form von Finanzhilfen für Landesaufgaben nur eine Ausnahme sein (BVerfGE 39, 96 <108>).

89

Finanzleistungen des Bundes an die Länder sind in zwei Reformschritten zurückgedrängt und verrechtlicht worden. In der Staatspraxis hatte sich nach 1949 ein "wild wucherndes Zuschusswesen" (Heun, in: Dreier, GG, Bd. 3, 2. Aufl. 2008, Art. 104b Rn. 1) in Form der Fondswirtschaft und anderer Mischfinanzierungen entwickelt. Die 1969 durchgeführte Finanzreform hatte die Bezuschussung von Landesaufgaben durch den Bund unter anderem in Art. 104a Abs. 4 GG a.F. verfassungsrechtlich institutionalisiert, verrechtlicht und in mehrfacher Hinsicht begrenzt. Die rechtliche Ausgestaltung des Zusammenwirkens von Bund und Ländern in Art. 104a Abs. 4 GG a.F. hatte zugleich die Grundlage für rechtliche Auseinandersetzungen im Konfliktfall geschaffen, um eine mit der bundesstaatlichen Ordnung des Grundgesetzes unvereinbare politische Abhängigkeit der Länder, die auf die Finanzhilfen des Bundes angewiesen sind und angebotene Bundesmittel aus politischen Gründen praktisch nicht ablehnen können, nach Möglichkeit zu verhindern (vgl. BVerfGE 39, 96 <110>). Im Rahmen der Föderalismusreform des Jahres 2006 wurden die Voraussetzungen für Finanzhilfen verschärft; dieses Instrument sollte auf seine eigentliche Zielrichtung, Bundesmittel gezielt und flexibel zur Behebung konkreter Problemlagen einzusetzen, zurückgeführt werden (vgl. BTDrucks 16/813, S. 10, 19). Soweit die Finanzierungskompetenz durch Einfügung des Art. 104b Abs. 1 Satz 2 GG im August 2009 wiederum erweitert worden ist, betrifft das nur Fallgestaltungen, in denen der Bund bei Naturkatastrophen oder näher qualifizierten außergewöhnlichen Notsituationen unter erleichterten Voraussetzungen Finanzhilfen gewähren können soll.

90

Der Einschränkung der Gewährung von Finanzhilfen dient auch Art. 104b Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz und Abs. 3 GG. Die Überprüfungspflicht des Art. 104b Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz GG steht in systematischem Zusammenhang mit den Pflichten zur Befristung gemäß Art. 104b Abs. 2 Satz 2 1. Halbsatz GG und zur Gestaltung mit fallenden Jahresbeträgen gemäß Art. 104b Abs. 2 Satz 3 GG. Diese Anforderungen dienen nicht einer Optimierung der Verwendung der Finanzhilfen im Einzelfall, sondern sollen ihre Verfestigung verhindern. Nichts anderes gilt für die Überprüfungspflicht. Sie ergänzt die Befristung und die degressive Staffelung, die bereits bei der Gewährung der Finanzhilfe durch Gesetz oder Verwaltungsvereinbarung vorzusehen sind, durch eine während der Laufzeit der Finanzhilfe andauernde Verpflichtung, die fortbestehende verfassungsrechtliche und finanzpolitische Rechtfertigung des Finanzierungsinstruments zu hinterfragen. Die Überprüfung im Sinne des Art. 104b Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz GG erfolgt nicht kontinuierlich - etwa in der Art einer weiteren Kontrolle anhand von Verwendungsnachweise -, sondern in regelmäßigen Zeitabständen. Damit wird unterstrichen, dass es bei dieser Überprüfung in erster Linie darum geht, die (makroökonomischen) Effekte des Mitteleinsatzes mit den Voraussetzungen der Gewährung der Finanzhilfen nach Art. 104b Abs. 1 Satz 1 GG und den in diesem Rahmen verfolgten finanzpolitischen Zielen zu vergleichen. Bereits die Zwecksetzung der Überprüfungspflicht lässt also erkennen, dass die Beschaffung von Informationen über die Durchführung der geförderten Maßnahmen im Rahmen des Art. 104b Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz GG ein allenfalls geringes Gewicht besitzt.

91

Diese Erwägung wird bestätigt durch die Systematik des Art. 104b GG. Soweit die der Überprüfung vorausgehende Unterrichtung über die Wirkung der Finanzhilfen einer rechtlichen Regelung bedarf, was namentlich im Verhältnis zu den Ländern der Fall ist, ist diese in Art. 104b Abs. 3 GG enthalten. Diese Bestimmung wäre überflüssig, wenn bereits Art. 104b Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz GG dem Bund Befugnisse zur Informationsbeschaffung einräumen würde. Die Auslegungsalternative, dass Art. 104b Abs. 3 GG lediglich Informationsrechte des Bundestages, der Bundesregierung und des Bundesrates in Bezug auf Daten hervorheben und absichern will, die dem Bund aufgrund eigener und umfassender Erhebungsbefugnisse und -pflichten gemäß Art. 104b Abs. 2 Satz 2 GG ohnehin zur Verfügung stehen, überzeugt nicht, weil die Verfassungsnorm dann keine eigene Bedeutung hätte.

92

Die Entstehungsgeschichte spricht eher für die durch Sinn und Zweck sowie die Gesetzessystematik nahegelegte Deutung des Art. 104b Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz und Abs. 3 GG. Die Überprüfungs- und Unterrichtungspflichten sind im Zusammenhang mit den Zielen der Föderalismusreform im Bereich der Finanzverfassung zu sehen. Durch Art. 104b GG sollten die Voraussetzungen für Finanzhilfen verschärft werden (vgl. BTDrucks 16/813, S. 10). Im Vorfeld der Grundgesetzänderung hatte die Bundesregierung die "Implementierung von Regelungen zur Evaluierung und Befristung" gefordert (Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung - Position der Bundesregierung vom 9. April 2003, S. 6, in: Deutscher Bundestag/Bundesrat Öffentlichkeitsarbeit, Dokumentation der Kommission von Bundestag und Bundesrat zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung, Zur Sache 1/2005, CD-ROM-Beilage). In den Beratungen der Bundesstaatskommission hatte es geheißen, zur Vermeidung schematisch verfestigter Dauersubventionierungen dürften Finanzhilfen zukünftig nur noch befristet gewährt werden; zugleich werde in der Verfassung zum Ausdruck gebracht, dass die Verwendung der Finanzhilfen in regelmäßigen Zeitabständen zu überprüfen sei. Das Instrument werde dadurch auf seine eigentliche Zielrichtung zurückgeführt, Bundesmittel gezielt und flexibel zur Behebung konkreter Problemlagen einzusetzen (Kröning/Runde, Vorschlag zur Neuregelung der Mischfinanzierungstatbestände der Art. 91a und 91b sowie Art. 104a Abs. 4 GG mit Erläuterungen vom 2. Juli 2004 , S. 1, 4; Kröning/Runde, Erläuterungen zu Kom-Drs. 57 vom 17. Juni 2004 , S. 1, 4; beide in: Deutscher Bundestag/Bundesrat Öffentlichkeitsarbeit, a.a.O.). Die Gesetzesbegründung führt aus, die vorgeschriebene Überprüfung der Verwendung der Finanzhilfen in regelmäßigen Zeitabständen solle sich neben der erforderlichen Feststellung der zweckentsprechenden Inanspruchnahme und Verwendung der Bundesmittel auch mit der Frage der Erreichung der mit der Finanzhilfengewährung angestrebten Ziele befassen. Das für Bundestag, Bundesregierung und Bundesrat vorgesehene Unterrichtungsrecht erstrecke sich auf die Information über Einzelheiten der mit Finanzhilfen geförderten Investitionsmaßnahmen sowie auf die mit der Finanzhilfengewährung erzielten Verbesserungen. Die Regelung ermögliche es, eine an dem jeweiligen Förderziel orientierte Erfolgskontrolle vorzunehmen und einen flexibleren und effizienteren Einsatz des gesamtstaatlich ausgerichteten Steuerungsinstruments der Finanzhilfen zu erreichen (BTDrucks 16/813, S. 19 f.).

93

Die Forderung nach Wirksamkeitskontrollen und Gesetzesevaluation hatte im Hinblick auf die allgemeinen Ziele der Föderalismusreform höheres Gewicht als die - eher als Routineangelegenheit vorausgesetzte - Feststellung der zweckentsprechenden Verwendung der Bundesmittel. Die Föderalismusreform wollte eine klarere Zuordnung der Finanzverantwortung erreichen. Sie verfolgte die Ziele der Entflechtung, Verantwortungsklarheit und Handlungsautonomie. Die Ebenen des Bundes und der Länder sollten in ihren Zuständigkeiten und Finanzverantwortlichkeiten deutlicher abgegrenzt werden. Finanzhilfen sollten wegen der durch sie bewirkten Verschränkung von Aufgaben- und Ausgabenzuständigkeiten und der Verengung der Spielräume für eigenverantwortliche Aufgabenwahrnehmung die Ausnahme bleiben. Insgesamt sollte die Reform demokratie- und effizienzhinderliche Verflechtungen zwischen Bund und Ländern abbauen und wieder klarere Verantwortlichkeiten schaffen (BTDrucks 16/813, S. 7 ff.). Dementsprechend findet die dieser Zielsetzung zuwiderlaufende Annahme, die Föderalismusreform habe die Vorschriften über Finanzhilfen verschärft, um den Bund mit Detailfragen der Subventionsverwaltung auf Landes- und Kommunalebene zu befassen, keinen maßgeblichen Rückhalt in den Materialien. Soweit der Bundesrechnungshof auf die Stellungnahme eines von der Bundesstaatskommission bestellten Sachverständigen verweist, der eine Erhöhung des Bundeseinflusses, um dem Selbstbedienungsdrang der Länder entgegenzuwirken, sowie eine stärkere Kontrolle der Wirkungen gefordert habe (vgl. H.-P. Schneider, Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung "Finanzbeziehungen" am 11. März 2004 , S. 15 f., in: Deutscher Bundestag/Bundesrat Öffentlichkeitsarbeit, a.a.O.), ist den Äußerungen der in den Prozess der Verfassungsänderung eingebundenen Organe nicht zu entnehmen, dass sie sich diese Sichtweise zu eigen gemacht und deswegen mit Art. 104b Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz und Abs. 3 GG die Vorstellung weitergehender Informationsbeschaffungsrechte des Bundes verbunden hätten.

94

(2) Die Annahme, dass Art. 104b Abs. 2 Satz 2 GG keine Informationsbeschaffungsbefugnisse des Bundes regelt, führt Grundsätze der bundesstaatlichen Ordnung konsequent fort, während die gegenteilige Auffassung zu ihnen in Widerspruch geriete. Dies zeigt die nähere Betrachtung der in Art. 104b Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG festgelegten Voraussetzungen und Rechtsfolgen.

95

(a) Die Pflicht zur Überprüfung aus Art. 104b Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz GG trifft diejenigen Organe, die über die Gewährung der Finanzhilfe entschieden haben. Das ist bei der Gewährung von Finanzhilfen durch ein Leistungsgesetz - wie bei der Prüfungs- und Anpassungspflicht in Bezug auf Sonderabgaben (vgl. BVerfGE 82, 159 <181>; 110, 370 <392>; stRspr) - der Gesetzgeber. Im Falle einer Verwaltungsvereinbarung ist jedenfalls die Bundesregierung zur Überprüfung verpflichtet. Die Überprüfung richtet sich auf das Fortbestehen der verfassungsrechtlichen und finanzpolitischen Rechtfertigung des Finanzierungsinstruments und mündet ein in eine - überwiegend von politischen Wertungen geprägte - Entscheidung des Gesetzgebers beziehungsweise der Bundesregierung. Art. 104b Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz GG äußert sich nicht dazu, wie die der Überprüfung zugrundeliegenden Tatsachen beschafft werden. Darin liegt kein - durch Auslegung des Begriffs "überprüfen" auszufüllendes - Regelungsdefizit, vielmehr wird die Informationsbeschaffung als ein der Prüfung vorangehender Schritt behandelt. Die Überprüfung soll ihrer Zielsetzung gemäß auf alle vorliegenden, insbesondere die auf der Grundlage des Art. 104b Abs. 3 GG beigebrachten Informationen und sachverständigen Bewertungen zugreifen.

96

Nach der bundesstaatlichen Ordnung des Grundgesetzes wird der Informationsfluss von den Ländern zum Bund üblicherweise durch die obersten Landesbehörden vermittelt (vgl. auch Hellermann, in: Starck, Föderalismusreform, 2007, Rn. 362). Die vermittelnde Stellung der Landesministerien zeigt sich etwa in Art. 84 Abs. 3 Satz 2 und Abs. 5 Satz 2 sowie in Art. 85 Abs. 3 Satz 2 GG. Art. 104b GG lässt nicht erkennen, dass abweichend von diesem Regelungsmodell eine Informationsbeschaffungsbefugnis des Bundes bei nachgeordneten Landesstellen zugelassen werden sollte. Damit folgt der verfassungsändernde Gesetzgeber dem Grundanliegen der Föderalismusreform 2006, die Zuständigkeiten von Bund und Ländern deutlicher abzugrenzen.

97

Befugnisse des Bundes zu aktiver Informationsbeschaffung über Art. 104b Abs. 3 GG hinaus folgen auch nicht etwa daraus, dass ohne sie die Frage, ob die Finanzhilfe die durch Art. 104b Abs. 1 Satz 1 GG festgelegten konjunktur- und strukturpolitischen Zwecke erfüllt, nicht sachgerecht beantwortet werden könnte. Es ist nicht ersichtlich, dass die durch die obersten Landesbehörden gemäß Art. 104b Abs. 3 GG vermittelten Informationen hierfür nicht ausreichen.

98

(b) Die Unterrichtung im Sinne des Art. 104b Abs. 3 GG besteht darin, dass der Verpflichtete Informationen zusammenstellt und berichtsmäßig zusammenfasst. Die Bundesorgane informieren sich nicht durch Ermittlungen selbst, vielmehr sind sie nach dem Wortlaut der Vorschrift zu unterrichten. In ihrem Unterrichtungsverlangen geben sie den Gegenstand der Unterrichtung an, nicht aber die Mittel der Informationsbeschaffung im Einzelnen. Adressat der Unterrichtungspflicht ist das jeweilige Land (vgl. Meyer, Die Föderalismusreform 2006, 2008, S. 279). Von der Bundesverwaltung können sich die in Art. 104b Abs. 3 GG genannten Bundesorgane ohnehin unterrichten lassen. In Art. 104b Abs. 3 GG gibt es keinen Anhaltspunkt dafür, dass den Bundesorganen in Abweichung von der üblichen bundesstaatlichen Ordnung die Befugnis eingeräumt werden soll, unmittelbar an nachgeordnete Landesstellen heranzutreten; Adressat der Regelung können daher weder nachgeordnete Stellen der unmittelbaren Landesverwaltung noch Gemeinden oder Gemeindeverbände sein, sondern nur die obersten Landesbehörden (vgl. Butzer, in: Kluth, Föderalismusreformgesetz, 2007, Art. 104b Rn. 29; Hellermann, in: Starck, Föderalismusreform, 2007, Rn. 362; Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein/Hofmann/Hopfauf, GG, 11. Aufl. 2008, Art. 104b Rn. 33; Heun, in: Dreier, GG, Bd. 3, 2. Aufl. 2008, Art. 104b Rn. 25).

99

(c) Darüber hinausgehende Mittel der Informationsbeschaffung können die Länder dem Bund auch nicht durch Verwaltungsvereinbarung einräumen; dem steht die abschließende Regelung der Materie in Art. 104b GG entgegen. Eine Verwaltungsvereinbarung kann zwar abstrakt-generelle Bestimmungen über Art und Gegenstand von Informationen enthalten, die die Länder dem Bund zu übermitteln haben (dazu unten C. I. 2. a) cc). Für eine unabhängig von einer Rechtspflicht vorgenommene Unterrichtung des Bundes durch ein Land bedarf es ebenfalls keiner Kompetenzgrundlage. Eine Vereinbarung zwischen Bund und Ländern, aufgrund deren die Bundesverwaltung konkret-individuell rechtsverbindlich bestimmen könnte, welche Landesbehörden mit welchen Mitteln Informationen bereitzustellen haben, oder die die Bundesverwaltung zu eigenen Ermittlungen ermächtigte, würde aber eine unzulässige Kompetenzverschiebung bewirken (vgl. BVerfGE 119, 331 <364 f.> m.w.N.).

100

(3) Die in § 6a Satz 1 ZuInvG geregelten Befugnisse des Bundes können danach nicht auf Art. 104b Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG gestützt werden.

101

Gemäß § 6a Satz 1 ZuInvG kann der Bund in Einzelfällen weitergehende Nachweise verlangen und bei Ländern und Kommunen Bücher, Belege und sonstige Unterlagen einsehen sowie örtliche Erhebungen durchführen. Die Vorschrift schafft eine Befugnis der Bundesverwaltung, nach ihrem Ermessen Nachweise erstellen und vorlegen zu lassen, Unterlagen einzusehen und am Sitz der betroffenen Stelle Erhebungen durchzuführen, bei denen außer der Vorlage von Unterlagen auch die Erteilung von Auskünften gefordert werden darf. Soweit die Vorschrift den Bund ermächtigt, sind, wie sich auch aus der Entstehungsgeschichte ergibt, die Bundesressorts gemeint (vgl. das Schreiben des Bundesrechnungshofs an den Vorsitzenden des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages vom 6. Februar 2009, S. 3, das im Haushaltsausschuss des Bundestages rezipiert wurde, vgl. Deutscher Bundestag, Haushaltsausschuss, Kurzprotokoll Nr. 16/93 vom 11. Februar 2009, S. 73 f.). Dies entspricht dem Sprachgebrauch in anderen Vorschriften des Zukunftsinvestitionsgesetzes. Hier wird mit "Bund" zwar auch der Bund allgemein als das Rechtssubjekt, das die Mittel bereitstellt, bezeichnet (z.B. § 1 Abs. 1, § 4 Abs. 1, § 6 ZuInvG); soweit aber das Verhalten von Bundesorganen gemeint ist, handelt es sich um solche der Exekutive (z.B. § 5 Satz 2, § 7 Abs. 1 ZuInvG). Die Formulierung "bei Ländern" in § 6a Satz 1 ZuInvG erfasst auch einen Zugriff des Bundes auf nachgeordnete Landesbehörden. Dies zeigt sich daran, dass nach derselben Vorschrift auch Erhebungen unmittelbar bei Kommunen durchgeführt werden können. § 6a Satz 1 ZuInvG bezweckt danach insgesamt, also auch im staatlichen Bereich, dass die Informationen ohne Einhaltung der Behördenhierarchie nach Wahl der Bundesverwaltung bei jeder Stelle angefordert werden können. "Weitergehend" sind Nachweise, die über das hinausgehen, was die Länder aufgrund der Verwaltungsvereinbarung von sich aus vorzulegen haben. Örtliche Erhebungen sind wie in § 94 Abs. 1 BHO Erhebungen vor Ort, insbesondere in den Räumlichkeiten der zur Informationsbeschaffung herangezogenen Stelle (vgl. auch Deutscher Bundestag, Haushaltsausschuss, Kurzprotokoll Nr. 16/93 vom 11. Februar 2009, S. 74 f.).

102

Art. 104b Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz GG verleiht der Bundesverwaltung keine Kompetenz, derartige Informationspflichten der Landesverwaltungen zu begründen. Das Unterrichtungsrecht des Art. 104b Abs. 3 GG schließt weder den Zugriff auf nachgeordnete Stellen und Kommunen ein, noch werden dem Bund damit Informationsbefugnisse eingeräumt, die über den Anspruch auf Unterrichtung zu einem von dem Berechtigten bezeichneten Gegenstand hinausgehen (vgl. auch Meyer/Freese, NVwZ 2009, S. 609 <613>). Weder die Einsicht in einzelne Unterlagen noch die Vorlage von Nachweisen entsprechen der berichtsmäßigen Zusammenstellung von Tatsachen, die in Art. 104b Abs. 3 GG vorgesehen ist.

103

cc) Die durch § 6a Satz 1 ZuInvG in Anspruch genommene Verwaltungskompetenz ergibt sich ferner nicht aus den Einwirkungsmöglichkeiten des Bundes, die bei der Gewährung von Finanzhilfen in Betracht kommen.

104

Das Bundesverfassungsgericht hat sich unter der Geltung des Art. 104a Abs. 4 GG a.F. zu den Grenzen des Bundeseinflusses auf die Auswahlentscheidungen der Länder im Rahmen von Programmen zur Investitionsförderung geäußert und entschieden, dass die Bundesexekutive nur dann einzelne Projekte von der Förderung ausschließen kann, wenn sie ihrer Art nach nicht der im Bundesgesetz festgelegten Zweckbindung der Finanzhilfen entsprechen oder gänzlich ungeeignet sind, zur Verwirklichung der mit den Bundeszuschüssen angestrebten Ziele des Art. 104a Abs. 4 Satz 1 GG a.F. beizutragen (vgl. BVerfGE 39, 96 <115, 118>). Der Ausschluss von Projekten bei programmwidriger Inanspruchnahme von Bundeszuschüssen setzt die Pflicht der Länder voraus, dem Bund die dazu erforderlichen Informationen rechtzeitig und vollständig zu liefern (vgl. BVerfGE 41, 291 <313>).

105

Unabhängig davon, ob - worüber hier nicht abschließend zu befinden ist - die zur früheren Rechtslage entwickelten Grundsätze unter der Geltung des Art. 104b GG weiterhin zu beachten sind, lassen sich aus ihnen die in § 6a Satz 1 ZuInvG vorgesehenen Befugnisse nicht ableiten. Die Kompetenz zur Prüfung von Förderungsausschlüssen umfasst nach diesen Grundsätzen nicht die Befugnis, Informationen aktiv, insbesondere vor Ort, zu erheben; aus ihr lässt sich allein die Kompetenz ableiten, die obersten Landesbehörden zur rechtzeitigen Vorlage der nötigen Informationen zu verpflichten. Diese Verpflichtung soll hier erfüllt werden durch die vierteljährlichen Berichte gemäß § 3 Abs. 2 VV-ZuInvG, die Förderlisten laufender Projekte, Kurzbeschreibungen der einzelnen Maßnahmen sowie Angaben über die Höhe des Investitionsvolumens, den kommunalbezogenen Anteil und die Höhe der Beteiligung des Bundes an der öffentlichen Finanzierung enthalten. Es ist nicht ersichtlich, inwiefern die in § 6a Satz 1 ZuInvG vorgesehenen darüber hinausgehenden Maßnahmen zur Wahrnehmung der dem Bund zukommenden Prüfungsbefugnis erforderlich sein könnten. Die durch Einsicht in Unterlagen, örtliche Erhebungen oder weitergehende Nachweise - also Nachweise, die über das hinausgehen, was die Länder aufgrund der Verwaltungsvereinbarung von sich aus vorzulegen haben - zu gewinnenden Erkenntnisse mögen einen statistischen Abgleich oder eine detaillierte und einzelfallorientierte Würdigung ermöglichen, beides gehört aber gerade nicht zu den dem Bund mit der Ausreichung von Finanzhilfen an die Länder verbundenen Aufgaben (zu Verwendungsnachweisen unten C. I. 2. d) aa) <2>).

106

b) § 6a Satz 1 ZuInvG kann nicht als Ausprägung der Bundesaufsicht gemäß Art. 84 Abs. 3 GG verstanden werden.

107

Allerdings sind auch Gesetze nach Art. 104b GG gemäß Art. 83 GG von den Ländern als eigene Angelegenheit auszuführen. Dem Bund kommt dabei die Bundesaufsicht nach Art. 84 GG zu. Er kann insbesondere die Rechte nach Art. 84 Abs. 3 und 4 GG wahrnehmen (vgl. BVerfGE 39, 96 <109>). § 6a Satz 1 ZuInvG steht jedoch mit dem Zweck der durch Art. 84 GG eingeräumten Bundeskompetenzen in keinem Zusammenhang. Art. 84 GG vermittelt zwischen der Gesetzgebungskompetenz des Bundes und der Verwaltungskompetenz der Länder, indem er dem Bund Einflussmöglichkeiten auf die Anwendung des von ihm gesetzten Rechts einräumt. Der Bund soll die Möglichkeit haben, auf eine einheitliche Geltung der Rechtsvorschriften hinzuwirken (vgl. BVerfGE 11, 6 <18>). Der Gesichtspunkt der Wirksamkeit des Gesetzesvollzugs tritt hinzu (vgl. BVerfGE 22, 180 <210>).

108

§ 6a Satz 1 ZuInvG ist hingegen nicht den allgemeinen Ingerenzrechten beim Vollzug der Bundesgesetze in Landeseigenverwaltung, sondern der externen Finanzkontrolle zuzuordnen. Die Vorschrift bezweckt nicht die Rückkopplung des Gesetzesvollzugs an die Absichten des Gesetzgebers und insbesondere nicht die grundsätzliche Einheitlichkeit des Gesetzesvollzugs, sondern eine Kontrolle der finanziellen Auswirkungen der gesetzgeberischen Entscheidung. Die Vorschrift hat nicht die inhaltliche Ausfüllung der Vorschriften des Zukunftsinvestitionsgesetzes durch die Länder im Auge, sondern die Ausgabenpraxis ihrer Verwaltungsbehörden. Die Bezugnahme der Paragraphenüberschrift auf die Sätze 3 und 4 zeigt, dass die Rechnungshofkontrolle im Zentrum der gesetzgeberischen Überlegungen stand. Das wird durch die Entstehungsgeschichte bestätigt (vgl. Deutscher Bundestag, Haushaltsausschuss, Kurzprotokoll Nr. 16/93 vom 11. Februar 2009, S. 73 f.; BTDrucks 16/11825, S. 7).

109

c) Die Amtshilfepflicht gemäß Art. 35 Abs. 1 GG kann zwar gewisse korrespondierende Auskunfts- und Akteneinsichtsrechte einschließen (vgl. BVerfGE 10, 20 <49>). Sie dient aber nicht einer allgemeinen oder bereichsbezogenen Kontrolltätigkeit des Bundes gegenüber den Ländern und bietet folglich ebenfalls keine Grundlage für das in § 6a Satz 1 ZuInvG vorgesehene Handeln der Bundesverwaltung.

110

d) Eine auf die Vorbereitung der Durchsetzung von Haftungsansprüchen begrenzte Verwaltungskompetenz ist Art. 104a Abs. 5 Satz 1 2. Halbsatz GG zu entnehmen. § 6a Satz 1 ZuInvG ist verfassungsgemäß, soweit die darin vorgesehenen Befugnisse der Wahrnehmung dieser Kompetenz dienen.

111

aa) Art. 104a Abs. 5 GG verleiht dem Bund neben einer Gesetzgebungskompetenz zur Bestimmung des Näheren auch eine Verwaltungskompetenz.

112

(1) Die Haftung nach Art. 104a Abs. 5 Satz 1 2. Halbsatz GG setzt eine nicht ordnungsmäßige Verwaltungstätigkeit voraus, die außer bei einem Lenkungsversagen von Regierung oder Parlament im Hinblick auf die Verwaltungstätigkeit auch dann vorliegt, wenn einzelne Verwaltungshandlungen fehlerhaft vorgenommen werden (vgl. BVerfGE 116, 271 <319 ff.>; BVerwGE 96, 45 <57>; 128, 99 <104>; BTDrucks V/2861, S. 52; Prokisch, in: Bonner Kommentar, Art. 104a Rn. 335 ; a.A. Stelkens, Verwaltungshaftungsrecht, 1998, S. 307 ff.). Der Gesetzgeber kann eine verschuldensunabhängige Haftung begründen (vgl. BVerfGE 116, 271 <322>; BVerwGE 96, 45 <57 f.>; 104, 29 <33>; 128, 99 <106>). Eine Beschränkung auf evidente oder grobe Rechtsverstöße kann dem Gesetzgebungsauftrag in Art. 104a Abs. 5 Satz 2 GG nicht entnommen werden (vgl. BVerfGE 116, 271 <315 f., 319 f.>; Rudisile, DÖV 1985, S. 909 <911>; a.A. Prokisch, a.a.O., Rn. 335 ff.). Das Ausführungsgesetz nach Art. 104a Abs. 5 Satz 2 GG braucht keine übergreifende Kodifizierung des Verwaltungshaftungsrechts zu sein; möglich - und jeweils an Art. 104a Abs. 5 GG zu messen - sind auch Teilausführungsregelungen im Zusammenhang bereichsspezifischer Sachregelungen (vgl. Prokisch, a.a.O., Rn. 313 f.).

113

(2) Art. 104a Abs. 5 GG eröffnet dem Bundesgesetzgeber jedenfalls die Möglichkeit, mit Zustimmung des Bundesrates der Bundesverwaltung die Befugnis einzuräumen, zum Zwecke der Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen eines Haftungsanspruchs und unter der Voraussetzung, dass aufgrund konkreter Tatsachen ein solcher Anspruch möglich erscheint, bei den Landesverwaltungen Berichte anzufordern, Akten beizuziehen und Unterlagen einzusehen; dazu kann die Bundesverwaltung - wenn entsprechende Hinweise vorliegen - sich unmittelbar an nachgeordnete Behörden auch der Länder und Kommunalverwaltungen wenden und örtliche Erhebungen durchführen.

114

(a) Art. 104a Abs. 5 Satz 1 2. Halbsatz GG sieht eine Haftungsregelung vor, die gerade auf das Auseinanderfallen von Verwaltungs- und Finanzierungszuständigkeit zugeschnitten ist (BVerfGE 116, 271 <312>). In dieser Situation kann der Bund häufig schon für die Erkenntnis, dass in einem konkreten Fall überhaupt ein Haftungsanspruch naheliegt, auf die bei einem Land vorliegenden Informationen angewiesen sein (vgl. BVerwGE 128, 99 <116>). Dass die Haftungsvoraussetzungen erfüllt sind, wird sich typischerweise nur aus den bei der Landesbehörde vorliegenden Unterlagen ergeben, über die der mitfinanzierende Bund nicht verfügt. Nicht zuletzt im Hinblick auf die engen Voraussetzungen, unter denen nach Art. 104b Abs. 1 GG Finanzhilfen gewährt werden dürfen, ist aber eine wirksame Geltendmachung von Rückforderungsansprüchen bei nicht zweckentsprechender Verwendung von Finanzhilfen geboten. Dazu bedarf die Bundesverwaltung nicht nur der - von den Ländern anerkannten und übermittelten - Informationen mittels standardisierter Verwendungsnachweise (vgl. im vorliegenden Zusammenhang § 4 VV-ZuInvG), sondern auch der Befugnis, ins Einzelne gehende weitere Informationen zu erlangen, soweit das für die Feststellung der Haftungsvoraussetzungen unumgänglich ist, und zwar gegebenenfalls auch gegen den Willen der betroffenen obersten Landesbehörde.

115

Es lässt sich nicht einwenden, der Bund bedürfe keiner aktiven, mit rechtlicher Bindungswirkung ausgestatteten Informationsbeschaffung, weil letztlich die Gerichte über Haftungsansprüche zu entscheiden hätten, und deshalb sei es nicht angezeigt, Art. 104a Abs. 5 Satz 1 2. Halbsatz GG eine entsprechende Verwaltungskompetenz zu entnehmen. Bund und Land stehen sich insbesondere im Vorfeld der gerichtlichen Durchsetzung streitiger Ansprüche nicht wie Zivilparteien gegenüber. Ihr Verhältnis ist durch das in Art. 104a Abs. 5 GG zum Ausdruck kommende gesamtstaatliche Interesse an der Rückabwicklung von materiell der Finanzverfassung zuwiderlaufenden Leistungen geprägt und möglichst streitvermeidend zu verstehen und auszugestalten. Dem dienen - vornehmlich gesetzlich klar ausgeformte - Informationsansprüche.

116

(b) Auch in Teilen der Literatur ist anerkannt, dass der Festlegung eines Haftungsanspruchs im Bund-Länder-Verhältnis Verwaltungskompetenzen des möglichen Gläubigers korrespondieren (vgl. Heitsch, Die Ausführung der Bundesgesetze durch die Länder, 2001, S. 404 ff.; Prokisch, a.a.O., Rn. 329; Schulze, DÖV 1972, S. 409 <414>; Stelkens, Verwaltungshaftungsrecht, 1998, S. 303 ff.). Soweit allerdings daraus gefolgert wird, die materiellen Voraussetzungen der Haftung müssten zur Vermeidung zu weit gehender Bundesbefugnisse einschränkend ausgelegt werden, ist dem nicht zu folgen. Vielmehr ist derartigen Gefahren durch verfahrensrechtliche Anforderungen zu begegnen.

117

Führen die Länder Bundesgesetze - wie im Falle von Finanzhilfen nach Art. 104b Abs. 1 GG - als eigene Angelegenheit aus (Art. 84 GG), sind die Eigenständigkeit der verwaltungsmäßigen Durchführung der Bundesgesetze durch die Länder auf der einen und die Wirksamkeit des Haftungsrechts sowie die föderale Gleichbehandlung bei der Behandlung von Haftungsfällen auf der anderen Seite zum Ausgleich zu bringen. Ein angemessener Ausgleich wird insbesondere dadurch erreicht, dass die Informationsbeschaffung des Bundes sich auf die konkreten Einzelfälle beschränkt, in denen das Informationsbedürfnis des Bundes besonders hervortreten wird. Hierdurch unterscheidet sich diese Verwaltungskompetenz schon im Ansatz von der anlassunabhängigen, auch auf die Beeinflussung des zukünftigen Gesetzesvollzugs zielenden Bundesaufsicht. Aufgrund zureichender tatsächlicher Anhaltspunkte muss die Möglichkeit bestehen, dass ein Haftungsanspruch unmittelbar aus Art. 104a Abs. 5 Satz 1 2. Halbsatz GG (vgl. BVerfGE 116, 271 <302 ff.>) oder nach einem aufgrund von Art. 104a Abs. 5 Satz 2 GG erlassenen Gesetz besteht. Die tatsächlichen Anhaltspunkte können sich insbesondere aus Meldungen ergeben, die die Länder von sich aus abzugeben haben, aber auch aus Bemerkungen der Landesrechnungshöfe und Erkenntnissen der kommunalen Finanzaufsicht oder Medienberichten. Liegen zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vor, so kann der Bund Informationen und Unterlagen von den Landesbehörden anfordern. Zu diesem begrenzten Zweck kann der Gesetzgeber aber auch die Sachverhaltserforschung am Sitz der Landesbehörde und bei nachgeordneten Behörden und Kommunen (örtliche Erhebungen) zulassen. Soweit es um Fragen des Einzelfalles geht und die Informationen gerade vor Ort vorliegen, spricht hierfür die Effektivität des Informationszugriffs. Zudem wiegt der Schutz des Binnenbereichs der Landesverwaltung vor Zugriffen des Bundes weniger schwer, wenn es nur um die Feststellung von in der Vergangenheit liegenden Umständen im Hinblick auf Haftungsansprüche in Einzelfällen geht.

118

bb) § 7 Abs. 1 ZuInvG regelt die Rückforderung von Finanzhilfen. Es handelt sich um eine gesetzliche Bestimmung des Näheren im Sinne des Art. 104a Abs. 5 Satz 2 GG für den Bereich der Finanzhilfen nach dem Zukunftsinvestitionsgesetz, in der die Fälle nicht ordnungsmäßiger Verwaltung als Haftungsvoraussetzungen normiert sind (Sätze 1, 2 und 8) und der Haftungsanspruch weiter ausgestaltet ist (Sätze 3 bis 7). § 6a Satz 1 ZuInvG ermöglicht in diesem Zusammenhang die Informationsbeschaffung der Bundesverwaltung im Vorfeld der Geltendmachung dieses Anspruchs. Für Aufklärungsmaßnahmen mit dieser Zwecksetzung besteht eine Bundeskompetenz gemäß Art. 104a Abs. 5 Satz 1 2. Halbsatz GG, soweit die in § 6a Satz 1 ZuInvG eingeräumte Befugnis auf Einzelfälle beschränkt bleibt, in denen aufgrund konkreter Tatsachen ein Rückforderungsanspruch möglich erscheint.

119

3. Soweit § 6a Satz 1 ZuInvG in dem dargestellten Rahmen ohne Verstoß gegen die föderale Kompetenzordnung zu Erhebungen bei Kommunen ermächtigt, verletzt die Bestimmung auch nicht die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung. Dabei kann offen bleiben, ob die Finanzhoheit der Gemeinden (Art. 28 Abs. 2 Satz 1 und 3 1. Halbsatz GG) und Gemeindeverbände (Art. 28 Abs. 2 Satz 2 und 3 1. Halbsatz GG) auch beeinträchtigt wird, wenn eine außenstehende Stelle über den Einsatz der Finanzmittel unterrichtet und ihr insbesondere Einsicht in Bücher und sonstige Unterlagen gewährt werden muss. Jedenfalls schränkt § 6a Satz 1 ZuInvG die Finanzhoheit in zulässiger Weise ein. Insbesondere im Hinblick auf den engen Anwendungsbereich der Norm bestehen keine Anhaltspunkte für eine generell unverhältnismäßige Belastung der Gemeinden und Gemeindeverbände, die gemäß § 6a Satz 2 ZuInVG auch im Einzelfall zu vermeiden ist.

II.

120

Die Ermächtigung des Bundesrechnungshofs zu Erhebungen nach § 6a Satz 4 ZuInvG findet in Art. 114 Abs. 2 GG nur zum Teil die erforderliche verfassungsrechtliche Rechtfertigung. Die mit dem Normenkontrollantrag ebenfalls angegriffene Vorschrift des § 6a Satz 3 ZuInvG berührt hingegen nicht die Kompetenz der Länder und ist nach Maßgabe der Gründe verfassungsgemäß.

121

1. Erhebungen des Bundesrechnungshofs bei Ländern und Kommunen gemäß § 6a Satz 4 ZuInvG berühren - anders als Prüfungen im Sinne des § 6a Satz 3 ZuInvG - die grundsätzliche Zuständigkeit der Länder und bedürfen daher einer Ermächtigung im Grundgesetz.

122

Der Bundesrechnungshof prüft nach § 6a Satz 3 ZuInvG gemeinsam mit dem jeweiligen Landesrechnungshof im Sinne von § 93 der Bundeshaushaltsordnung, ob die Finanzhilfen zweckentsprechend verwendet wurden. Dazu kann er auch Erhebungen bei Ländern und Kommunen durchführen (§ 6a Satz 4 ZuInvG). Der Gesetzgeber unterscheidet zwischen der Prüfung und der Erhebung. Prüfen bedeutet dabei, dass ein konkreter Sachverhalt festgestellt und in seinen finanzwirksamen Auswirkungen nach bestimmten Maßstäben bewertet wird (vgl. Dittrich, BHO, § 88 Anm. 9.2 ). Erheben ist ein Teil dieser Tätigkeit, nämlich die Sachverhaltsfeststellung durch das Ermitteln einzelner Tatsachen; diesem Begriff kommt gegenüber dem der Prüfung selbständige Bedeutung zu (vgl. BVerwGE 116, 92 <95>).

123

Die durch § 6a Satz 4 ZuInvG eingeräumte Befugnis zu Erhebungen bei Ländern und Kommunen beeinträchtigt den Grundsatz der Haushaltsautonomie gemäß Art. 109 Abs. 1 GG und die Zuweisung der Erfüllung der staatlichen Aufgaben an die Länder gemäß Art. 30 GG. Die Datenerhebung durch den Bundesrechnungshof ist unter dem Aspekt föderaler Zuständigkeitsverteilung nicht anders zu beurteilen als die Informationsbeschaffung seitens der Bundesverwaltung gemäß § 6a Satz 1 ZuInvG (oben C. I. 1.).

124

Der Prüfungsauftrag des § 6a Satz 3 ZuInvG berührt den Kompetenzbereich der Länder dagegen nicht. Nur Stellen des Bundes können Adressat der Prüfung durch den Bundesrechnungshof sein. Der Vorschrift ist weder zu entnehmen, dass die Haushalts- und Wirtschaftsführung der Länder zum Prüfungsgegenstand des Bundesrechnungshofs gemacht werden soll, noch dass Teile der Prüfungstätigkeit, insbesondere Erhebungen, im Länderbereich stattzufinden hätten. Wäre Letzteres bezweckt, so wäre § 6a Satz 4 ZuInvG überflüssig. Daran ändert die Einbeziehung von § 93 BHO nichts. Nach dem hier in erster Linie in Betracht zu ziehenden § 93 Abs. 1 Satz 1 BHO soll in Fällen, in denen sowohl der Bundesrechnungshof als auch ein Landesrechnungshof für die Prüfung zuständig ist, gemeinsam geprüft werden. Mit der gemeinsamen Prüfung, die insbesondere der Vermeidung von Doppelprüfungen dient, sind keine Zuständigkeitsverlagerungen verbunden, insbesondere wird keine Verpflichtung des jeweils anderen Rechnungshofs begründet, an der Prüfung mitzuwirken. § 6a Satz 3 ZuInvG hält daher den Bundesrechnungshof lediglich an, von dieser kooperativen und Verwaltungsressourcen schonenden Vorgehensweise nach Möglichkeit Gebrauch zu machen. Wann die Voraussetzungen dafür vorliegen, regelt § 6a Satz 3 ZuInvG nicht. Die Bezugnahme auf § 93 BHO stellt klar, dass die Vorschrift die für die Prüfungsformen des § 93 BHO erforderliche Zustimmung des Landesrechnungshofs nicht ersetzt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 5. Juli 2010 - 7 VR 5/10 -, Rn. 12).

125

Soweit § 6a Satz 3 ZuInvG den Bundesrechnungshof nur beauftragt zu prüfen, ob die Finanzhilfen zweckentsprechend verwendet wurden, könnte dies mit Art. 114 Abs. 2 Satz 1 GG unvereinbar sein, wonach der Bundesrechnungshof die Rechnung sowie die Wirtschaftlichkeit und Ordnungsgemäßheit der Haushalts- und Wirtschaftsführung prüft. § 6a Satz 3 ZuInvG ist jedoch nicht im Sinne einer Beschränkung der allgemeinen Prüfungsmaßstäbe des Bundesrechnungshofs zu verstehen. Die Norm benennt vielmehr, wie der Zusammenhang zeigt, zum Schutz der Länder einen eingeschränkten Erhebungsumfang im Blick auf § 6a Satz 4 ZuInvG und entfaltet darüber hinaus keine Rechtswirkungen.

126

2. Die in § 6a Satz 4 ZuInvG vorgesehenen Erhebungen des Bundesrechnungshofs können nicht auf Art. 104b Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz oder Abs. 3 GG und nur teilweise auf Art. 114 Abs. 2 Satz 1 GG gestützt werden.

127

a) Art. 104b Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz GG verpflichtet den Gesetzgeber des Finanzhilfen gewährenden Gesetzes zu einer Überprüfung, die ihren Schwerpunkt bei der Frage der verfassungsrechtlichen und finanzpolitischen Rechtfertigung der Finanzhilfe hat. Soweit die Überprüfung namentlich durch den Bundestag der Vorbereitung bedarf, spricht zwar nichts dagegen, hierzu auch den Bundesrechnungshof heranzuziehen. Diesem stehen aber ebenso wie den überprüfenden Organen selbst nur die allgemein vorliegenden sowie die gemäß Art. 104b Abs. 3 GG durch die obersten Landesbehörden beigebrachten Informationen zur Verfügung (vgl. Meyer/Freese, NVwZ 2009, S. 609 <613>; so wohl auch Meyer, Die Föderalismusreform 2006, 2008, S. 278). Art. 104b Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz GG lässt sich keine Ermächtigung dafür entnehmen, die der Überprüfung zugrunde liegenden Tatsachen vor Ort selbst zu beschaffen. Ebenso wenig gibt es einen Anhaltspunkt dafür, dass die Vorschrift dem Bundesrechnungshof eine Befugnis zur Sachverhaltserforschung im Länderbereich einräumen könnte. Art. 104b Abs. 3 GG nennt als Berechtigte ausdrücklich nur Bundestag, Bundesregierung und Bundesrat und kommt als Grundlage einer durch den Bundesrechnungshof wahrzunehmenden Kompetenz des Bundes nicht in Betracht.

128

b) Art. 114 Abs. 2 Satz 1 GG rechtfertigt Erhebungsbefugnisse des Bundesrechnungshofs bei Ländern und Kommunen im Falle der Gewährung von Finanzhilfen nur in dem Umfang, in dem dem Bund Verwaltungskompetenzen zukommen. Dies folgt aus einer Auslegung des Art. 114 Abs. 2 Satz 1 GG, die die dem Bundesrechnungshof gestellte Aufgabe mit der verfassungsrechtlich geschützten Haushaltsautonomie der Länder (Art. 109 Abs. 1 GG) in Ausgleich bringt. Nicht ausschlaggebend ist, ob der Bundesrechnungshof als Teil der Bundesexekutive anzusehen ist (vgl. zum Streitstand Groß, VerwArch 95 <2004>, S. 194 <200 ff.> m.w.N.).

129

aa) Art. 114 Abs. 2 Satz 1 GG schließt Erhebungen des Bundesrechnungshofs im Länderbereich nicht grundsätzlich aus. Angesichts der Verflechtung von Bundes- und Länderfinanzen in verschiedenen Teilbereichen der Finanzverfassung, namentlich bei den Gemeinschaftsaufgaben und den Finanzhilfen, bedarf der Bundesrechnungshof eines Instrumentariums der Informationsbeschaffung, um seine Aufgabe der Prüfung der Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes zu erfüllen. Mit diesem Interesse des Bundes muss jedoch die Haushaltsautonomie der Länder (Art. 109 Abs. 1 GG) in Ausgleich gebracht werden (vgl. Kube, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 114 Rn. 85 ; Schwarz, NdsVBl 2010, S. 7 <8>). Die Grenzen der Befugnisse des Bundesrechnungshofs im Verhältnis zu den Ländern sind der Verfassung zu entnehmen und daher Gegenstand der Auslegung des Art. 114 Abs. 2 Satz 1 GG. Der Gesetzgeber kann im Rahmen von Regelungen nach Art. 114 Abs. 2 Satz 3 GG diese Grenzen lediglich nachvollziehen. Dies hat auch deshalb zu gelten, weil Art. 114 Abs. 2 Satz 3 GG - etwa im Gegensatz zu Art. 104a Abs. 5 GG - kein Zustimmungserfordernis des Bundesrates kennt, so dass eine institutionelle Sicherung gegen eine Überbewertung der Bundesinteressen fehlt.

130

Der Bundesrechnungshof prüft gemäß Art. 114 Abs. 2 Satz 1 GG die Rechnung (Rechnungsprüfung) sowie die Wirtschaftlichkeit und Ordnungsmäßigkeit der Haushalts- und Wirtschaftsführung (rechnungsunabhängige Prüfung); im Übrigen werden seine Befugnisse durch Bundesgesetz geregelt (Art. 114 Abs. 2 Satz 3 GG). Auch wenn sich die Finanzkontrolle durch Rechnungshöfe in den letzten Jahrzehnten gewandelt hat (siehe unten C. II. 2. b) bb) <3>), hat die Gegenüberstellung des Interesses des Bundesrechnungshofs an effektiver Aufgabenerfüllung mit dem Anliegen der Länder an Wahrung ihrer Haushaltsautonomie von der seit 1969 unveränderten Aufgabenstellung in Art. 114 Abs. 2 GG auszugehen.

131

bb) Jedenfalls für die Finanzkontrolle hinsichtlich der Gewährung von Finanzhilfen ist die Befugnis des Bundesrechnungshofs zu Erhebungen im Länderbereich akzessorisch zur Kompetenz der Bundesverwaltung zu bestimmen (vgl. Blasius, DÖV 1992, S. 18 <22 f.>; Brockmeyer, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein/Hofmann/ Hopfauf, GG, 11. Aufl. 2008, Art. 114 Rn. 12d; Dittrich, BHO, § 91 Anm. 5 ; Eggeling, Finanzkontrolle im Bundesstaat, 1986, S. 85 f., 100; Kube, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 114 Rn. 88, 92 ; von Mutius/Nawrath, in: Heuer/Engels/Eibelshäuser, Kommentar zum Haushaltsrecht, Art. 114 GG Rn. 31 ; Nebel, in: Piduch, Bundeshaushaltsrecht, Art. 114 GG Rn. 23 ; Reger, DÖH 9 <1967/1968>, S. 129 <141 ff.>; Ruge, DÖV 1977, S. 523 <524>; Schwarz, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, 5. Aufl. 2005, Art. 114 Rn. 57 f.; Schwarz, NdsVBl 2010, S. 7 <8>).

132

(1) Der Bundesrechnungshof ist zum ersten mit der Prüfung der vom Bundesminister der Finanzen gemäß Art. 114 Abs. 1 GG gelegten Rechnung beauftragt. Unter den Maßstäben der Finanzkontrolle hat dabei die Ordnungsmäßigkeit besondere Bedeutung (vgl. Kube, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 114 Rn. 65 ; Schwarz, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, 5. Aufl. 2005, Art. 114 Rn. 81 ff.; Siekmann, in: Sachs, GG, 5. Aufl. 2009, Art. 114 Rn. 11). Diese Aufgabe des Bundesrechnungshofs ist nicht nur durch die Verfassung selbst festgelegt, sie hat auch besonderes rechtliches Gewicht. Denn während die Funktion des Haushaltskreislaufs im Übrigen von der Aufgabenerfüllung des Bundesrechnungshofs prinzipiell unabhängig ist, ist die Rechnungsprüfung Voraussetzung der Entlastung der Bundesregierung durch Bundestag und Bundesrat gemäß Art. 114 Abs. 1 GG.

133

Die Bedeutung der Rechnungsprüfung könnte weitreichende Einschränkungen der Haushaltsautonomie der Länder rechtfertigen. Indes ist nicht erkennbar, dass bei der Rechnungsprüfung Erhebungen bei Ländern und Kommunen nötig sein könnten, die über diejenigen Informationsrechte hinausgehen, die auch der Exekutive des Bundes gegenüber den Ländern zur Verfügung stehen. Bei der Rechnungsprüfung geht es allein um die Fehlerfreiheit der Rechnungslegung. Wo die Bundesexekutive keine Befugnisse zur Informationsbeschaffung im Länderbereich hatte, ist nicht zu erwarten, dass es zu Fehlern der Bundesexekutive hinsichtlich ihrer Rechnungslegung gekommen ist.

134

(2) Der ebenfalls mit Verfassungsrang ausgestattete Auftrag des Bundesrechnungshofs zur rechnungsunabhängigen Prüfung betrifft die Prüfung der gesamten Haushalts- und Wirtschaftsführung am Maßstab der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit, die sich auch auf die der Mittelbewirtschaftung vorausgehenden Verwaltungsentscheidungen bezieht. Adressat ist die Bundesexekutive. Nicht Prüfungsadressat der rechnungsunabhängigen Prüfung ist hingegen der Gesetzgeber hinsichtlich des Inhalts der von ihm erlassenen Gesetze (vgl. Dittrich, BHO, § 88 Anm. 9.1 ; Lange, in: Böning/von Mutius, Finanzkontrolle im repräsentativ-demokratischen System, 1990, S. 83 <85 ff.>; Reus/Mühlhausen, VR 2010, S. 1 <5>; S. Tiemann, Die staatsrechtliche Stellung der Finanzkontrolle des Bundes, 1974, S. 112; a.A. von Arnim, Wirtschaftlichkeit als Rechtsprinzip, 1988, S. 82 ff.; Degenhardt, VVDStRL 55 <1996>, S. 190 <205 f.>; Schulze-Fielitz, VVDStRL 55 <1996>, S. 231 <246>; alle m.w.N.). Die Festlegung des Gesetzesinhalts ist nicht Teil der Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes. Die Auswirkungen gesetzlicher Regelungen können lediglich Inhalt von Beratungen nach § 88 Abs. 2 BHO sein (vgl. Kube, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 114 Rn. 98 ; Nebel, in: Piduch, Bundeshaushaltsrecht, § 88 BHO Rn. 5 ). Daher bezieht sich insbesondere die Wirtschaftlichkeitskontrolle im Rahmen der rechnungsunabhängigen Prüfung auf die Ergebnisse der Tätigkeit der Bundesverwaltung und nicht auf die Wirtschaftlichkeit von Gesetzesinhalten.

135

Bei der rechnungsunabhängigen Prüfung sind zwar Erhebungen im Länderbereich eher denkbar als bei der Rechnungsprüfung, jedoch kann ihnen keine erhebliche Bedeutung beigemessen werden, so dass der Ausgleich des Finanzkontrollinteresses des Bundes mit der Haushaltsautonomie der Länder im Ergebnis lediglich verwaltungsakzessorische Befugnisse des Bundesrechnungshofs rechtfertigt. Die rechnungsunabhängige Prüfung ist in der Verfassung selbst vorgesehen und für eine demokratisch verantwortete Haushalts- und Wirtschaftsführung unabdingbar; sie hat daher hohes Gewicht. Andererseits ist die rechnungsunabhängige Prüfung von vornherein offener als die in den Haushaltskreislauf eingeschaltete Rechnungsprüfung und kann bereits aus Kapazitäts- und Praktikabilitätsgründen nicht auf Vollständigkeit angelegt sein, weshalb für die Berücksichtigung von Länderinteressen Raum ist, ohne dass auf Seiten des Bundes schwerwiegende Einbußen drohen.

136

Für die Ordnungsmäßigkeitsprüfung genügen überwiegend Erhebungen des Bundesrechnungshofs bei der Bundesverwaltung. Es ist zwar denkbar, dass Rechtsverstöße erst anhand von Unterlagen zutage treten, die bei Landesbehörden vorhanden sind. Die in ihnen enthaltenen Informationen werden aber in aller Regel der Bundesverwaltung im Rahmen ihrer Aufsichtsbefugnisse, die zumindest die Rechtsaufsicht nach Art. 84 Abs. 3 GG umfassen, zur Verfügung stehen. Der zusätzlich zu erwartende Nutzen, der durch den Zugriff auf weitere Informationen und durch die unmittelbare Erhebung bei nachgeordneten Landesbehörden und Kommunen zu erwarten ist, erscheint marginal und rechtfertigt nicht, die darin liegenden Eingriffe in die Zuständigkeit der Länder.

137

Nichts anderes gilt im Ergebnis für die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Verwaltung auf Bundesebene einschließlich der Erfolgskontrolle. Auch insoweit spricht nichts dafür, dass die auch der Bundesverwaltung zur Verfügung stehenden Mittel nicht ausreichen, um Informationen zu beschaffen. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass die Finanzkontrolle in nennenswertem Umfang von Informationen abhängig sein könnte, die bei den Ländern vorhanden sind und auf die die Bundesverwaltung keinen Zugriff hat. Selbst wenn insoweit Informationslücken verbleiben sollten, ist jedenfalls das resultierende Prüfungsdefizit zur Wahrung der Haushaltsautonomie der Länder hinzunehmen.

138

(3) Gemäß Art. 114 Abs. 2 Satz 3 GG kann der Gesetzgeber dem Bundesrechnungshof weitere Aufgaben übertragen. Dazu gehört insbesondere die Beratung (§ 88 Abs. 2 BHO) des Parlaments, die vor dem Hintergrund der 1969 eingeführten jährlichen Berichtspflicht gegenüber Bundestag und Bundesrat gemäß Art. 114 Abs. 2 Satz 2 GG und der damit verbundenen stärkeren Orientierung des Bundesrechnungshofs auf die gesetzgebenden Körperschaften hin zu sehen ist. Die Beratung kann die Wirtschaftlichkeit von Gesetzesinhalten zum Gegenstand haben und damit einen bedeutsamen Beitrag zur Gesetzesfolgenabschätzung leisten. Ein solcher Beitrag kann vor allem angesichts des in den letzten Jahrzehnten zu verzeichnenden Wandels der Rechnungshofkontrolle erwartet werden. Insoweit werden als Tendenzen genannt: von der Beleg- und Sparsamkeitsprüfung zur rechnungsunabhängigen Funktionsprüfung ganzer Verwaltungsabläufe, Organisationsformen und Betriebsstrukturen; von der Vollzugsprüfung zur Programmprüfung; von der Vollzugskritik zur Staatsaufgabenkritik; von der prüfenden Kritik zur gezielten Beratung der Politik; von der Vergangenheits- zur Zukunftsorientierung des Prüfungsauftrags; von der punktuellen zur prozesshaften Kritik; von der Erfolgskontrolle hin zum Institutionendesign (vgl. Hoffmann-Riem, in: Schmidt-Aßmann/Hoffmann-Riem, Verwaltungskontrolle, 2001, S. 73 <74 f.>; Schulze-Fielitz, VVDStRL 55 <1996>, S. 231 <245 ff.>). Auch wenn dem Bundesrechnungshof damit die Erarbeitung und Vermittlung von Themen, die für eine gute Gesetzgebung wesentlich sind, obliegen, gilt es für die Beantwortung der Frage, ob dies eigenständige Ingerenzrechte gegenüber den Ländern rechtfertigt, doch zu berücksichtigen, dass die Beratungsaufgabe des Bundesrechnungshofs, anders als die in Art. 114 Abs. 2 Satz 1 GG genannten Aufgaben, nicht von der Verfassung vorgegeben und damit von geringerem Gewicht ist als diese (vgl. Stern, Staatsrecht, Bd. 2, 1980, § 34 III. 1., S. 427). Vor diesem Hintergrund schafft die Verwaltungsakzessorietät der Bundesrechnungshofskompetenz im Hinblick auf Finanzhilfen einen angemessenen Ausgleich mit der Haushaltsautonomie der Länder.

139

Die Wirksamkeit der Finanzhilfen kann ohnehin nicht allein oder auch nur in erster Linie durch den Bundesrechnungshof bewertet werden. Die Gesetzesziele ergeben sich auf einer ersten Ebene aus Art. 104b Abs. 1 GG. Die Finanzhilfe dient der Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts, dem Ausgleich unterschiedlicher Wirtschaftskraft im Bundesgebiet oder der Förderung des wirtschaftlichen Wachstums; der Gesetzgeber konkretisiert diese Ziele im Hinblick auf die einzelnen Finanzhilfen. Eine diesbezügliche Erfolgskontrolle, ein Vorher-Nachher-Vergleich auf globaler, regionaler oder sektoraler Ebene, kann nur mit Methoden der empirischen Wirtschaftsforschung und angewandten Ökonometrie geleistet werden. Der Bundesrechnungshof betreibt nach eigener Bekundung aber keine empirische Wirtschaftsforschung (Bundesrechnungshof, Leitlinien für die Prüfung der Maßnahmen der Konjunkturpakete I und II, S. 3; Bundesrechnungshof, Basiskonzept Flächenerhebung - Kommunale Investorenebene -, Stand 25. Juni 2009, S. 5).

140

Auf einer zweiten Ebene ist es zwar von nicht geringer Bedeutung, ob die bei der Gewährung der Finanzhilfen rechtlich verbindlich festgelegten Vergabekriterien eingehalten worden sind. Erkenntnisse darüber können etwa für die Struktur und nähere Ausgestaltung künftiger Finanzhilfen hilfreich sein. Indes fehlt es an Anhaltspunkten dafür, dass die Informationen, die dem Bundesrechnungshof für die Prüfung der Wirtschaftlichkeit und Ordnungsmäßigkeit der Haushalts- und Wirtschaftsführung zur Verfügung stehen, insoweit nicht hinreichend aussagekräftig sind. Selbst wenn aber dem Bund durch die Beschränkung der Erhebungsbefugnisse des Bundesrechnungshofs bestimmte Daten nicht zugänglich sein sollten, ist zu bedenken, dass deren Berücksichtigung über die notwendige Beteiligung der Länder an der zukünftigen Gewährung von Finanzhilfen (Art. 104b Abs. 2 Satz 1 GG) ermöglicht wird.

141

Kommt dem Bundesinteresse an einer Datenerhebung des Bundesrechnungshofs zur Überprüfung von Finanzhilfen im Interesse künftiger Gesetzgebung demnach keine herausragende Bedeutung zu, stellt es einen angemessenen Ausgleich dar, wenn die Erhebungsbefugnisse des Bundesrechnungshofs auch insoweit auf den Umfang beschränkt werden, den die Informationsrechte der Bundesverwaltung haben. Die Verwaltungsakzessorietät fügt sich in den für die Rechnungsprüfung und die rechnungsunabhängige Prüfung gefundenen Ausgleich ein. Wirtschaftlichkeits- und Erfolgskontrollen sind grundsätzlich möglich. Die Informationsrechte, die die Bundesverwaltung und der Bundesrechnungshof haben, sind zwar nach Zweck und Mitteln begrenzt, aber keineswegs bedeutungslos. Andererseits bleibt die Eigenstaatlichkeit der Länder im Hinblick auf die Pflicht zur Information des Bundes in praktisch bedeutsamer Weise gewahrt.

142

cc) Die für weitergehende Erhebungsbefugnisse des Bundesrechnungshofs angeführten Gründe greifen nicht durch.

143

(1) Die Bestimmung der Reichweite der aus Art. 114 Abs. 2 Satz 1 GG abzuleitenden Befugnisse kann sich nicht allein von dem Ziel größtmöglicher Effektivität der Tätigkeit des Bundesrechnungshofs leiten lassen.

144

Es mag zutreffen, dass eine intensivere Überwachung der nachgeordneten Verwaltungsstellen die Anzahl der Verstöße gegen die gesetzliche Zweckbestimmung noch weiter verringert, als bei Ausnutzung der zu den Verwaltungskompetenzen des Bundes akzessorischen Befugnisse erreicht werden kann. Eine Datenerhebung nach einheitlichen, vom Bundesrechnungshof gesetzten und praktizierten Maßstäben dürfte es auch erleichtern, ein Gesamtbild von der Art und Weise des Gesetzesvollzuges zu gewinnen. Ferner wird eine frühere Beratung des Bundestages durch den Bundesrechnungshof realisierbar sein, wenn dieser die Prüfungsabläufe selbst festlegt. Dass die Landesrechnungshöfe die bundespolitisch motivierten Prüfinteressen nicht befriedigten und kein Interesse daran hätten, durch Prüfungen das Risiko einer Rückforderung der Finanzmittel zu begründen, erscheint zwar möglich, ist aber vor allem wegen des Eigenanteils der Länder an der Finanzierung nicht ohne Weiteres plausibel (zu Effektivitätsgesichtspunkten s. auch BVerwG, Beschluss vom 5. Juli 2010 - 7 VR 5/10 -, Rn. 14; Heuer, in: Zavelberg, Die Kontrolle der Staatsfinanzen, 1989, S. 181 <186>; Kammer, in: Heuer/Engels/Eibelshäuser, Kommentar zum Haushaltsrecht, § 91 BHO Rn. 7 ; Kammer, DVBl 1990, S. 555 <557>; Schäfer, in: Gedächtnisschrift für Friedrich Klein, 1977, S. 450 <459>). Es kann dahingestellt bleiben, in welchem Umfang diese Annahmen zutreffen - der Gesetzgeber des Zukunftsinvestitionsgesetzes hat sich jedenfalls von ihnen nicht leiten lassen, sondern in § 6a Satz 3 ZuInvG die gemeinsame Prüfung mit dem jeweiligen Landesrechnungshof vorgesehen -, denn es kommt nicht auf eine isolierte Würdigung von Effektivitätssteigerungen bei der Prüfung durch den Bundesrechnungshof an.

145

Bei der Auslegung des Art. 114 Abs. 2 Satz 1 GG ist, wie dargelegt, ein Ausgleich der Bundesinteressen mit der Haushaltsautonomie der Länder herbeizuführen. Das verbietet es, allein auf das Bundesinteresse abzustellen und einseitig die Effektivität der Bundesrechnungshofstätigkeit zu maximieren. In der bundesstaatlichen Kompetenzordnung können Effektivitätsgesichtspunkte nur dann ausschlaggebend sein, wenn die auszulegende Kompetenzvorschrift und ihr Zusammenhang mit weiteren Vorschriften hierfür ausreichende Anhaltspunkte bieten. Das ist bei Art. 114 Abs. 2 Satz 1 GG nicht der Fall. Den Aufgaben des Bundesrechnungshofs steht die verfassungsrechtliche Absicherung gegenläufiger Länderinteressen durch Art. 109 Abs. 1 GG gegenüber, ohne dass den Vorschriften eine Vorrangregel entnommen werden könnte. Der "Generalauftrag" für eine effektive Finanzkontrolle, den das Bundesverwaltungsgericht Art. 114 Abs. 2 Satz 1 GG entnimmt (vgl. BVerwGE 116, 92 <98>), bezeichnet daher nur eine der beiden zum Ausgleich zu bringenden Positionen. Aus dieser Qualifizierung folgt noch nicht, wie der Ausgleich zu erfolgen hat. Er kann daher bei den Finanzhilfen anders als bei der Bundesauftragsverwaltung ausfallen, bei der zudem eine weiterreichende Verwaltungskompetenz des Bundes besteht (vgl. Mähring, DÖV 2006, S. 195 <202>).

146

Ferner ist es nicht möglich, bei der Bestimmung der Zuständigkeiten des Bundesrechnungshofs im Sinne ihrer Effektuierung "großzügig" zu verfahren, weil dieser keine Entscheidungsbefugnisse habe und das Ausschließlichkeitsprinzip des Kompetenzrechts uneingeschränkt nur für staatliches Handeln mit Entscheidungscharakter gelte (vgl. Heintzen, in: von Münch/Kunig, GG, Bd. 3, 5. Aufl. 2003, Art. 114 Rn. 9). Dieser Ansatz verfehlt bereits Sinn und Zweck der Trennung der Verwaltungsräume von Bund und Ländern und die in Art. 109 Abs. 1 GG verankerte Selbständigkeit und Unabhängigkeit ihrer Haushaltswirtschaft. Jedenfalls greift er im Falle gesetzlicher Regelungen nicht, nach denen der Bundesrechnungshof befugt ist, Rechtspflichten der Landesbehörden und Kommunen zur Informationsherausgabe und zur Duldung von Erhebungen durch Verwaltungsakt (vgl. zu § 6a Satz 4 ZuInvG BVerwG, Beschluss vom 5. Juli 2010 - 7 VR 5/10 -, Rn. 11) zu begründen, also verbindlich zu entscheiden.

147

(2) Zu anderen Ergebnissen kann auch nicht die Ansicht führen, dass die Kompetenzen des Bundesrechnungshofs nicht von der Verwaltungs-, sondern von der Finanzierungskompetenz des Bundes her definiert werden müssten. Nach dieser Auffassung wird im Abschnitt X des Grundgesetzes ein ganzer Sachbereich mit Gesetzgebung, Verwaltung, Rechtsprechung, Haushaltsminister und Finanzkontrolle geregelt, der zusammengefasst als Finanzgewalt zu verstehen ist. Diese nehme Teile der drei herkömmlichen staatlichen Funktionen auf, gehe aber auch über sie hinaus, wie sich vor allem an der Institution des Bundesrechnungshofs zeige. Wo die Finanzierungskompetenz des Bundes, wie bei den Finanzhilfen, über seine Verwaltungskompetenzen hinausgehe, müsse die Erhebungskompetenz des Bundesrechnungshofs dem folgen (vgl. Kammer, DVBl 1990, S. 555 <558 f.>; Mähring, DÖV 2006, S. 195 <203>).

148

Dem ist entgegenzuhalten, dass es nicht entscheidend auf die Zuordnung der Tätigkeit des Bundesrechnungshofs zu den herkömmlichen Staatsfunktionen oder zu einer Finanzgewalt ankommt. Grundlage der Tätigkeit des Bundesrechnungshofs ist unabhängig davon Art. 114 Abs. 2 GG (vgl. auch Brockmeyer, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein/Hofmann/Hopfauf, GG, 11. Aufl. 2008, Art. 114 Rn. 12). Für die Bestimmung der Reichweite seiner Befugnisse gibt die Annahme einer Finanzgewalt nichts her. Insbesondere ergibt sich daraus nicht, dass der Bund Erhebungsbefugnisse im Hinblick auf die Gesamtheit der föderalen Finanzströme haben müsste (vgl. Eggeling, Finanzkontrolle im Bundesstaat, 1986, S. 86; Ruge, DÖV 1977, S. 523 <524>). Die Behauptung des Bestehens einer eigenständigen und gesondert zu würdigenden Finanzgewalt ist erkennbar von dem Anliegen getragen, die Kompetenzen des Bundesrechnungshofs möglichst effektiv zu gestalten. Im Hinblick auf die Effektivität der Rechnungshofstätigkeit gilt aber, dass deren verfassungsrechtliche Grenze unter Berücksichtigung des Informationsinteresses der Bundesorgane einerseits und der Länderautonomie andererseits sachangemessen und ausgewogen gezogen werden muss.

149

dd) Die Kompetenz des Bundes, durch seinen Rechnungshof Erhebungen im Länderbereich durchzuführen, folgt im Hinblick auf Finanzhilfen nach Art. 104b GG demnach den Verwaltungskompetenzen des Bundes gemäß Art. 84 Abs. 3 und Art. 104a Abs. 5 Satz 1 2. Halbsatz GG. Da die Verwaltungsakzessorietät als abstraktes Kriterium der Kompetenzbegrenzung dient, können dem Bundesrechnungshof dementsprechende Befugnisse unabhängig davon eingeräumt werden, welche konkreten Handlungsmöglichkeiten das Gesetz den Bundesbehörden eröffnet und ob diese hiervon Gebrauch machen.

150

(1) Der Bundesrechnungshof hat zunächst - akzessorisch zu Art. 84 Abs. 3 GG - die Befugnis, zum Zwecke der Feststellung von Rechtsverletzungen seitens der Landesbehörden bei den obersten Landesbehörden - nur mit deren Zustimmung oder Zustimmung des Bundesrates auch bei nachgeordneten Behörden - Erhebungen durchzuführen und Berichte anzufordern. Er kann sich von diesen Behörden Akten übersenden lassen, wenn konkrete Anhaltspunkte für einen Rechtsverstoß vorliegen. Diese Erhebungen müssen die Prüfung der Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes oder die Beratung des Bundesgesetzgebers bezwecken.

151

Zur Aufsichtskompetenz der Bundesverwaltung gemäß Art. 84 Abs. 3 GG gehört insbesondere die Möglichkeit der Aktenanforderung. Diese ist allerdings auf Fälle beschränkt, in denen es Anhaltspunkte für einen Rechtsverstoß gibt. Anders als Art. 85 Abs. 4 Satz 2 GG regelt Art. 84 Abs. 3 GG die Aktenvorlage nicht ausdrücklich. Zur Vermeidung eines mit der Ausführung der Bundesgesetze durch die Länder als eigene Angelegenheit (Art. 83 GG) unvereinbaren routinemäßigen Aktenvorlagewesens bedarf es der Eingrenzung des Rechts auf Aktenanforderung auf konkrete Verdachtsfälle (vgl. Hermes, in: Dreier, GG, Bd. 3, 2. Aufl. 2008, Art. 84 Rn. 98; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 10. Aufl. 2009, Art. 84 Rn. 19). Es hat damit nicht den gleichen Umfang wie bei der Bundesauftragsverwaltung (a.A. wohl Dittmann, in: Sachs, GG, 5. Aufl. 2009, Art. 84 Rn. 37), ist aber auch bei der Landeseigenverwaltung Teil der ungeschriebenen Informationsrechte zur Mängelfeststellung (a.A. Groß, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar zum GG, Art. 84 Rn. 45 ; Lerche, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 84 Rn. 164 ; Trute, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, 5. Aufl. 2005, Art. 84 Rn. 50). Die Akteneinsicht vor Ort durch den gemäß Art. 84 Abs. 3 Satz 2 GG entsandten Beauftragten bleibt hiervon unberührt.

152

(2) Entsprechend der Verwaltungskompetenz, die aus Art. 104a Abs. 5 Satz 1 2. Halbsatz GG abzuleiten ist, kann der Bundesrechnungshof außerdem zum Zwecke der Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen eines in einem Gesetz nach Art. 104a Abs. 5 Satz 2 GG bestimmten Haftungsanspruchs und unter der Bedingung, dass aufgrund von Tatsachen ein solcher Anspruch möglich erscheint, bei den Landesverwaltungen Berichte anfordern, Akten beiziehen und Unterlagen einsehen; dazu kann er sich unmittelbar an nachgeordnete Behörden und Kommunalverwaltungen wenden und örtliche Erhebungen durchführen.

153

(3) Aus den allgemeinen Einwirkungsmöglichkeiten der Bundesverwaltung bei der Gewährung von Finanzhilfen (siehe oben C. I. 2. a) cc) ergeben sich keine hierüber hinausgehenden Erhebungsrechte. Die Anwendbarkeit der zu Art. 104a GG a.F. entwickelten Grundsätze unterstellt, gilt insoweit, dass die Landesbehörden beim administrativen Vollzug der Bundesförderung der parlamentarischen Kontrolle und der Kontrolle des Rechnungshofs des Landes unterliegen, während die parlamentarische Kontrolle des Bundestages und die des Bundesrechnungshofs nur bis zur Hingabe der Finanzhilfen der Länder reicht. Prüfungszuständigkeiten des Bundes, die sich auf Planung, Durchführung und Auswirkungen des einzelnen Projektes beziehen, ergeben sich daraus nicht (BVerfGE 39, 96 <127>).

154

ee) Soweit die in § 6a Satz 4 ZuInvG vorgesehenen Erhebungen den Rahmen der Bundeskompetenz überschreiten, ist die Norm verfassungswidrig.

155

Kompetenzrechtlich unbedenklich ist es allerdings, dass Erhebungen, wie der Zusammenhang mit § 6a Satz 3 ZuInvG ergibt, zur Prüfung der zweckentsprechenden Verwendung der Finanzhilfen durchzuführen sind. Der Gesetzgeber hat dabei nicht auf allgemeine Zweckmäßigkeitsaspekte abgestellt. Der Zweck der Finanzhilfen nach dem Zukunftsinvestitionsgesetz ergibt sich vielmehr aus den Kriterien der Mittelvergabe, insbesondere aus den Förderbereichen gemäß § 3 Abs. 1 ZuInvG. Die zweckentsprechende Verwendung betrifft also einen Ausschnitt der Rechtmäßigkeit des Mitteleinsatzes. Diesbezügliche Erhebungen sind akzessorisch zur Rechtsaufsicht des Bundes, können aber auch mit einem Rückforderungsanspruch in Zusammenhang stehen. Allerdings müssen sie mit dieser Zielsetzung vorgenommen werden.

156

Diesen Vorgaben entsprechende örtliche Erhebungen sind bei den obersten Landesbehörden uneingeschränkt zulässig (vgl. Art. 84 Abs. 3 Satz 2 GG). § 6a Satz 4 ZuInvG beschränkt sich allerdings nicht auf derartige Erhebungen, sondern ermächtigt schlechthin zu Erhebungen. Die damit grundsätzlich ermöglichte Aktenanforderung überschreitet die Bundeskompetenz, soweit sie ohne konkrete Anhaltspunkte für einen Rechtsverstoß erfolgen kann und auch nicht auf tatsächliche Anhaltspunkte für einen Rückforderungsanspruch gestützt ist.

157

Erhebungen unmittelbar bei nachgeordneten Landesbehörden und Kommunen können dem Bundesrechnungshof von Verfassungs wegen nur dann gestattet werden, wenn entweder die Zustimmung der obersten Landesbehörde vorliegt beziehungsweise durch den Bundesrat ersetzt wurde (vgl. Art. 84 Abs. 3 Satz 2 2. Halbsatz GG) oder wenn aufgrund konkreter Tatsachen das Bestehen eines Anspruchs im Sinne des Art. 104a Abs. 5 Satz 1 2. Halbsatz GG möglich erscheint. Soweit § 6a Satz 4 ZuInvG auch ohne das Vorliegen einer dieser Voraussetzungen zu Erhebungen ermächtigt, fehlt die erforderliche Bundeskompetenz.

158

3. Aus Art. 28 Abs. 2 GG ergibt sich keine weitergehende Verfassungswidrigkeit des § 6a Satz 4 ZuInvG. Soweit die Vorschrift verfassungsgemäß ist, stellt sie keine unverhältnismäßige Beschränkung des Rechts auf kommunale Selbstverwaltung dar.

III.

159

Die teilweise Verfassungswidrigkeit des § 6a Satz 1 und 4 ZuInvG führt zur Erklärung der Teilnichtigkeit der Bestimmung nach Maßgabe der Entscheidungsformel (§ 78 Satz 1 BVerfGG). Mit dem Ausspruch der Teilnichtigkeit werden die Regelungsabsichten des Gesetzgebers, soweit wie möglich, respektiert, ohne dass ein von seinem Willen nicht gedeckter Regelungstorso entstünde (vgl. BVerfGE 88, 203 <333>).

Gründe

A.

1

Die Vorlage betrifft die Frage, ob die in § 104a Abs. 3 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes - AufenthG - getroffene Regelung, wonach Aufenthaltserlaubnisse nach § 104a Abs. 1 Satz 1 AufenthG Ausländern nicht erteilt werden, deren Familienmitglieder zu bestimmten Strafen verurteilt worden sind, mit Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 GG vereinbar ist.

I.

2

Nach § 104a Abs. 1 Satz 1 AufenthG soll einem geduldeten Ausländer abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn er sich zum 1. Juli 2007 seit mindestens acht Jahren oder, falls er zusammen mit einem oder mehreren minderjährigen Kindern in häuslicher Gemeinschaft lebt, seit mindestens sechs Jahren ununterbrochen geduldet, gestattet oder mit einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen im Bundesgebiet aufgehalten hat und die weiteren - in den Nummern 1 bis 6 bezeichneten - Voraussetzungen erfüllt sind. Unter anderem darf der Ausländer nicht wegen einer im Bundesgebiet begangenen vorsätzlichen Straftat verurteilt worden sein, wobei Geldstrafen von insgesamt bis zu 50 Tagessätzen oder bis zu 90 Tagessätzen wegen Straftaten, die nach dem Aufenthaltsgesetz oder dem Asylverfahrensgesetz nur von Ausländern begangen werden können, grundsätzlich außer Betracht bleiben (§ 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 AufenthG). Hat ein in häuslicher Gemeinschaft lebendes Familienmitglied solche Straftaten begangen, führt dies nach § 104a Abs. 3 Satz 1 AufenthG zur Versagung der Aufenthaltserlaubnis für andere Familienmitglieder. Dies gilt nach § 104a Abs. 3 Satz 2 AufenthG nicht für den Ehegatten des Ausländers, der die Straftaten begangen hat, wenn der Ehegatte die Voraussetzungen des § 104a Abs. 1 AufenthG im Übrigen erfüllt und es zur Vermeidung einer besonderen Härte erforderlich ist, ihm den weiteren Aufenthalt zu ermöglichen. Nach § 104b AufenthG kann einem am 1. Juli 2007 mindestens vierzehn Jahre alten minderjährigen ledigen Kind im Fall der Ausreise seiner Eltern oder des allein personensorgeberechtigten Elternteils, denen oder dem eine Aufenthaltserlaubnis nicht nach § 104a AufenthG erteilt oder verlängert wird, unter bestimmten Voraussetzungen eine eigenständige Aufenthaltserlaubnis erteilt werden.

II.

3

1. Die Kläger des Ausgangsverfahrens sind albanische Volkszugehörige aus dem Kosovo. Die 1976 geborene Klägerin zu 1. kam 1995 nach Deutschland, beantragte erfolglos Asyl und wird seit November 1998 geduldet. Sie schloss im August 2000 die Ehe mit dem Kläger zu 4. Die gemeinsamen Kinder, eine im Dezember 2000 geborene Tochter und ein im November 2004 geborener Sohn, sind die Kläger zu 2. und 3. Asylanträge der Kinder blieben 2005 ohne Erfolg. Die Familie lebt gemeinsam in Stuttgart.

4

2. Der 1974 geborene Kläger zu 4. reiste 1991 in das Bundesgebiet ein und stellte einen Asylantrag, der 1994 zur Anerkennung als Asylberechtigter und in der Folge zu einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis führte. Zwischen 1993 und 1996 wurde er drei Mal wegen Beihilfe zum Diebstahl, gemeinschaftlichen Betrugs und uneidlicher Falschaussage zu Geldstrafen in Höhe von 20, 35 und 90 Tagessätzen verurteilt. Wegen einer im August 1997 begangenen gefährlichen Körperverletzung wurde er 1998 in Albanien, wohin er zunächst geflohen war, festgenommen, nach Deutschland ausgeliefert und im September 1999 zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Im Jahr 2001 widerrief das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge die Asylanerkennung. Die im März 2002 verfügte Ausweisung ist seit Januar 2006 unanfechtbar.

5

3. Im Jahr 2002 gestellte Anträge der Klägerinnen zu 1. und 2. auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis sind abgelehnt worden; die Ablehnung ist seit November 2004 bestandskräftig. Ein Ersuchen der gesamten Familie an die Härtefallkommission des Landes Baden-Württemberg blieb 2006 ohne Erfolg.

6

4. Im Dezember 2006 beantragten die Kläger die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen nach der Bleiberechtsanordnung des Landes Baden-Württemberg, im November 2007 auch nach § 104a AufenthG. Die Ausländerbehörde lehnte die Anträge mit Verfügungen vom 10. Januar 2008 ab: Dem Ehemann und Vater stehe aufgrund Nummer 3.3 der Bleiberechtsanordnung kein Bleiberecht zu, da er wegen einer vorsätzlich begangenen Straftat verurteilt worden sei. Die Straftaten stellten auch einen Ausschlussgrund nach § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 AufenthG dar. Ehefrau und Kinder müssten sich diese Straftaten nach Nummer 3.5 der Bleiberechtsanordnung beziehungsweise § 104a Abs. 3 Satz 1 AufenthG als Ausschlussgrund zurechnen lassen. Eine besondere Härte nach § 104a Abs. 3 Satz 2 AufenthG liege hinsichtlich der Ehefrau nicht vor. Hinsichtlich der Kinder seien die Voraussetzungen des § 104b AufenthG nicht erfüllt. Die Widerspruchsbehörde wies die Widersprüche zurück und führte ergänzend aus, eine Ausreise des Ehemanns und Vaters führe nicht dazu, dass den anderen Familienmitgliedern eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden könne.

7

5. Das Verwaltungsgericht wies die Klagen mit Urteil vom 20. Januar 2009 ab. Hiergegen legten die Kläger die zugelassene Berufung ein, die sie im Wesentlichen damit begründeten, dass § 104a Abs. 3 Satz 1 AufenthG verfassungsrechtlich bedenklich sei. Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 24. Juni 2009 trennte der Verwaltungsgerichtshof das Verfahren des Klägers zu 4. ab und ordnete dessen Ruhen an.

8

6. Der Verwaltungsgerichtshof hat das Verfahren der Kläger zu 1. bis 3. nach Art. 100 Abs. 1 GG ausgesetzt und die Sache dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung der Frage vorgelegt, ob § 104 Abs. 3 Satz 1 AufenthG mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Der Verwaltungsgerichtshof sei von der Verfassungswidrigkeit der Norm überzeugt; sie verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 GG. Die aufgeworfenen Fragen seien auch entscheidungserheblich.

9

a) aa) § 104a Abs. 3 Satz 1 AufenthG erfasse seinem Wortlaut nach zwar auch volljährige Kinder und Geschwister, die noch in häuslicher Gemeinschaft mit den Eltern lebten. Das volljährige verheiratete Kind und seinen Ehegatten habe man aber aus systematischen Erwägungen aus dessen Anwendungsbereich herauszunehmen. Gehe man davon aus, dass § 104a Abs. 2 Satz 1 AufenthG eine Privilegierung für volljährige ledige Kinder darstelle, sei zudem eine verfassungskonforme Auslegung dahin möglich, dass eine Zurechnung zu Lasten der Volljährigen nicht erfolgen solle; in der umgekehrten Richtung sei die Zurechnung des strafbaren Verhaltens eines volljährigen Kindes jedoch zwingend.

10

In Fällen nicht-ehelicher häuslicher Lebensgemeinschaften finde eine Zurechnung von Straftaten nicht statt; anderes gelte nur, wenn es um solche Lebensgemeinschaften mit gemeinsamen Kindern gehe, oder im Verhältnis zwischen dem leiblichen Elternteil und seinen Kindern.

11

Lebenspartner gälten zwar nach § 11 Abs. 1 des Lebenspartnerschaftsgesetzes - LPartG - vom 16. Februar 2001 (BGBl I S. 266) als Familienangehörige, soweit keine spezialgesetzliche Regelung getroffen sei. Für Kapitel 2 Abschnitt 6 des Aufenthaltsgesetzes enthalte jedoch § 27 Abs. 2 AufenthG eine einschränkend abweichende Regelung, die eine Gleichstellung von Lebenspartnern in den sonstigen Bereichen, so auch im Kontext des § 104a AufenthG, ausschließe. Die in der Gesetzesbegründung dargelegte Auffassung, die ausländerrechtliche Zurechnung von Straftaten zwischen Lebenspartnern und eheähnlichen Gemeinschaften solle im Rahmen des Ermessens erfolgen, habe weder im Wortlaut noch in der Systematik einen genügenden Niederschlag gefunden. Jedenfalls führte sie zur Einräumung eines Regelanspruchs, so dass eine umfassende Ermessensentscheidung zu treffen wäre.

12

bb) Dieser Zurechnungsmechanismus verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 GG.

13

Zur Rechtfertigung einer familieneinheitlichen Betrachtungsweise könne nicht darauf abgestellt werden, dass bei einer anderen Sichtweise aus Art. 6 GG Ansprüche des straffälligen Familienmitglieds auf Legalisierung seines Aufenthalts erwachsen könnten. Stelle man die autonome Entscheidungsfreiheit der Ehegatten hinsichtlich der Gestaltung der ehelichen Lebensführung in den Vordergrund, ergäben sich dahingehende Ansprüche weder aus dem Aufenthaltsgesetz noch aus Art. 6 GG oder Art. 8 EMRK, weil die Ehe beziehungsweise die Familieneinheit ohne Weiteres im gemeinsamen Herkunftsland hergestellt werden könne. Die vorhandenen Ermessensspielräume könnten in Anbetracht des Umstandes, dass der Gesetzgeber grundsätzlich nicht zur Einräumung eines Aufenthaltsrechts verpflichtet sei, zu Lasten des straffälligen Ausländers ausgeübt werden.

14

In Fällen, in denen Ehegatten mit minderjährigen Kindern in häuslicher Gemeinschaft lebten, habe sich der Gesetzgeber zwar möglicherweise davon leiten lassen dürfen, dass die Kinder unter der gemeinsamen Personensorge der Eltern stünden und von daher eine einheitliche Betrachtung nicht fern liege. Bei der Zurechnung strafbaren Verhaltens des Volljährigen zu Lasten der Eltern und der minderjährigen Geschwister sowie umgekehrt eines strafbaren Verhaltens der Eltern oder eines minderjährigen Familienmitglieds zu Lasten des Volljährigen trage der Ansatz, die Familie als rechtliche und soziale Schicksalsgemeinschaft zu sehen, jedoch nicht als Rechtfertigungsgrund. Die rechtliche Autonomie des Volljährigen werde missachtet. Die Ungleichbehandlung gegenüber den volljährigen Kindern, die nicht mehr in der häuslichen Gemeinschaft leben, sei mangels ausreichend tragfähiger und einleuchtender Gründe nicht mehr sachlich gerechtfertigt.

15

Da Lebenspartner und bestimmte Konstellationen nicht-ehelicher Lebensgemeinschaften vom Zurechnungsmechanismus nicht erfasst würden, liege zudem eine mit Art. 6 Abs. 1 GG unvereinbare Diskriminierung der Ehe vor. Das gelte selbst dann, wenn man in Fällen einer Strafbarkeit innerhalb einer solchen Gemeinschaft von einer Atypik ausgehen wollte, da dann eine Ermessensentscheidung und nicht die zwingende Versagung - wie bei Ehegatten - die Folge wäre. Die Ungleichbehandlung finde statt zu nicht-ehelichen Lebensgemeinschaften mit nicht gemeinsamen Kindern im Verhältnis zum anderen Partner, der nicht Elternteil des Kindes sei. Im Falle der Straffälligkeit eines verheirateten Ehegatten beziehungsweise Elternteils mit Kindern liege eine Diskriminierung gegenüber der nicht-ehelichen Lebensgemeinschaft ohne Kinder vor. Denn Ehegatten dürften nicht schlechter gestellt werden, nur weil sie auch noch Kinder hätten; wenn sie keine hätten, würden sie offensichtlich in unzulässiger Weise schlechter behandelt. In Fällen kinderloser, in ehelicher Gemeinschaft Lebender sei die spezifisch geschützte autonome Entscheidungsfreiheit der Ehegatten hinsichtlich der Eheführung und deren räumlicher Ausgestaltung verletzt. Es gebe keinen rechtfertigenden Grund dafür, diese Entscheidungsfreiheit nicht anzuerkennen. Es werde auch als völlig selbstverständlich angesehen, dass Ehegatten ihr Nachzugsrecht aus § 30 AufenthG nicht ausnutzen müssten, und dass dies ohne Einfluss auf das Aufenthaltsrecht des im Bundesgebiet lebenden Ehegatten sei.

16

Einer verfassungskonformen Auslegung der Norm stünden - von dem Fall der Zurechnung beim Volljährigen abgesehen - der klare Wortlaut und der verlautbarte Wille des Gesetzgebers entgegen.

17

b) Die aufgeworfenen Fragen seien entscheidungserheblich. Die Kläger erfüllten alle übrigen Voraussetzungen für die Erteilung eines Titels nach § 104a AufenthG jedenfalls in der Weise, dass die Ausländerbehörde eine erneute (Ermessens-) Entscheidung zu treffen habe. Da der Kläger zu 4. den zwingenden Versagungsgrund des § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 AufenthG erfülle und mit den Klägern zu 1. bis 3. in häuslicher Gemeinschaft lebe, sei die Klage wegen § 104a Abs. 3 Satz 1 AufenthG abzuweisen, wenn die Norm anzuwenden wäre.

18

Dass die Kläger nicht im Besitz gültiger Pässe seien und auch keine beantragt hätten, erfülle den zwingenden Versagungsgrund des § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG nicht, da die Klägerin zu 1. von der Behörde nicht wiederholt zur Passbeschaffung aufgefordert worden sei. Von der Passpflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG könne im Ermessenswege nach § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG, der auf Aufenthaltstitel nach § 104a Abs. 1 Satz 3 AufenthG anwendbar sei, abgesehen werden.

19

Unschädlich sei auch, dass der Lebensunterhalt der Kläger bislang nur bei Berücksichtigung der Beiträge des Klägers zu 4. gesichert gewesen sei und diese Beiträge zukünftig entfallen könnten. Denn bis zum 31. Dezember 2009 sei die Aufenthaltserlaubnis auch dann zu erteilen, wenn der Lebensunterhalt noch nicht gesichert sei. Zwar sei davon eine Ausnahme zu machen, wenn bereits zum Zeitpunkt der erstmaligen Erteilung prognostiziert werden könne, dass im Jahre 2009 keine überwiegende eigenständige Sicherung erfolge oder jedenfalls nach dem 31. Dezember 2011 keine eigenständige Sicherung möglich sein und auch kein Härtefall im Sinne des § 104a Abs. 6 AufenthG vorliegen werde; die Ausländerbehörde müsse dann nach Ermessen entscheiden. Entscheidend gegen einen solchen Ausnahmefall spreche jedoch, dass der Klägerin zu 1. aufgrund der gesetzlichen Bestimmung nicht hinreichend deutlich gewesen sei, den Familienunterhalt sicherstellen zu müssen, was ihr nunmehr aber möglich und zumutbar sein werde, da der Kläger zu 3. vier Jahre alt sei; die Klägerin zu 1. habe durch Aufnahme der Erwerbstätigkeit erste Schritte in diese Richtung unternommen. Was die spätere Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis angehe, spreche alles dafür, aus Gründen der Systemgerechtigkeit und der Gewährung effektiven Rechtsschutzes die Anforderungen nach § 104a Abs. 5 Satz 2 AufenthG grundlegend zu modifizieren, wenn der erstmalige Titel aufgrund gerichtlichen Rechtsschutzes erst im Jahre 2009 oder sogar noch viele Jahre später erteilt werde. In Anbetracht des Erwerbseinkommens der Klägerin zu 1. könne nicht hinreichend sicher ausgeschlossen werden, dass im künftigen Verlängerungsfall mit einem bloß vorübergehenden und ergänzenden Sozialhilfebezug die Voraussetzungen des § 104a Abs. 6 Satz 2 Nr. 2 AufenthG vorliegen würden.

20

Ein Härtefall im Sinne des § 104a Abs. 3 Satz 2 AufenthG, der eine Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis an die Klägerin zu 1. erlaubte, liege nicht vor. Den Klägern stehe auch nach anderen Vorschriften kein Aufenthaltstitel zu.

B.

21

Die Vorlage ist unzulässig. Sie verfehlt die Begründungsanforderungen des § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG.


I.

22

Ein Gericht kann eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungsmäßigkeit einer gesetzlichen Vorschrift nach Art. 100 Abs. 1 GG nur einholen, wenn es zuvor sowohl die Entscheidungserheblichkeit der Vorschrift als auch ihre Verfassungsmäßigkeit sorgfältig geprüft hat (vgl. BVerfGE 86, 71 <76>). Das vorlegende Gericht muss hierzu zum einen mit hinreichender Deutlichkeit darlegen, dass es im Falle der Gültigkeit der für verfassungswidrig gehaltenen Rechtsvorschrift zu einem anderen Ergebnis kommen würde als im Falle ihrer Ungültigkeit und wie es dieses Ergebnis begründen würde (vgl. BVerfGE 7, 171 <173 f.>; 121, 233 <237 f.>; stRspr). Zum anderen muss es die für seine Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit der Norm maßgeblichen Erwägungen nachvollziehbar und erschöpfend darlegen (vgl. BVerfGE 78, 165 <171 f.>; 86, 71 <78>; 88, 70 <74>; 88, 198 <201>; 93, 121 <132>). Es muss deutlich machen, mit welchem verfassungsrechtlichen Grundsatz die zur Prüfung gestellte Regelung seiner Ansicht nach nicht vereinbar ist und aus welchen Gründen es zu dieser Auffassung gelangt ist. Dabei muss es sich intensiv mit der einfachen Rechtslage auseinandersetzen, auf naheliegende tatsächliche und rechtliche Gesichtspunkte eingehen und die in Rechtsprechung und Schrifttum vertretenen Auffassungen ebenso verarbeiten wie die Entstehungsgeschichte der betreffenden Norm (vgl. BVerfGE 86, 71 <77 f.>; 88, 198 <201>; 89, 329 <336 f.>; 97, 49 <60>; 105, 48 <56>).

II.

23

Diesen Anforderungen genügt der Vorlagebeschluss nicht.

24

1. Der Verwaltungsgerichtshof legt bereits nicht hinreichend dar, dass es für die Entscheidung des Ausgangsverfahrens auf die Gültigkeit des § 104a Abs. 3 Satz 1 AufenthG ankäme. Seine Behauptung, die Kläger erfüllten alle übrigen Voraussetzungen für die Erteilung eines Titels nach § 104a AufenthG jedenfalls in der Weise, dass die Beklagte eine erneute Entscheidung zu treffen und dabei das ihr eingeräumte Ermessen auszuüben haben werde, lässt sich nicht in der gebotenen Weise nachvollziehen.

25

a) Es fehlen Feststellungen zu den tatbestandlichen Voraussetzungen ausreichenden Wohnraums (§ 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG), hinreichender Deutschkenntnisse (§ 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG) und des Nachweises tatsächlichen Schulbesuchs der schulpflichtigen Klägerin zu 2. (§ 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG; §§ 72, 73 SchulG BW). Dass diese Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104a Abs. 1 AufenthG erfüllt wären, kann auch nicht ohne Weiteres den beigefügten Akten entnommen werden. Sollten sie nicht erfüllt sein, wäre die Berufung zurückzuweisen, ohne dass es auf die Zurechnung von Straftaten nach § 104a Abs. 3 Satz 1 AufenthG ankäme.

26

b) Ferner hat sich der Verwaltungsgerichtshof nicht mit der 2008 erfolgten Verurteilung der Klägerin zu 1. wegen unerlaubten Aufenthalts ohne Pass oder Ausweisersatz zu einer Geldstrafe von 15 Tagessätzen und deren Relevanz für die Erfüllung des Tatbestands von § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 AufenthG auseinandergesetzt. Der Verurteilung liegt eine Straftat nach dem Aufenthaltsgesetz zugrunde, die nur von Ausländern begangen werden kann (§ 95 Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 3 Abs. 1, § 48 Abs. 2 AufenthG). Sie bleibt deshalb nach § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 AufenthG grundsätzlich außer Betracht. Für die Darlegung der Entscheidungserheblichkeit des § 104a Abs. 3 Satz 1 AufenthG hätte es einer Auseinandersetzung mit der Bedeutung dieser Rechtsfolgeanordnung bedurft. Sollte der Gesetzgeber mit dem Wort "grundsätzlich" ein Regel-Ausnahme-Verhältnis bestimmt haben, hätte der Verwaltungsgerichtshof das Vorliegen eines Regelfalls bejahen müssen. Auch wenn naheliegt, dass die Straftat hier außer Betracht zu bleiben hat, kann das Bundesverfassungsgericht diese Aussage nicht selbst treffen (vgl. BVerfGE 97, 49 <62>).

27

2. Der Vorlagebeschluss entspricht zudem nicht den Anforderungen des § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG an die Begründung der Verfassungswidrigkeit der Norm.

28

a) Soweit der Verwaltungsgerichtshof zur Darlegung der angenommenen Verstöße gegen Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 6 Abs. 1 GG Vergleichsgruppen bildet, denen die Kläger des Ausgangsverfahrens nicht angehören, fehlt es an Ausführungen dazu, dass diesbezügliche Grundrechtsverletzungen zur Unanwendbarkeit des § 104a Abs. 3 Satz 1 AufenthG im Ausgangsverfahren führen müssten. Es versteht sich nicht von selbst, dass die ungerechtfertigte Benachteiligung bestimmter Personen im Vergleich zu anderen die gänzliche Unanwendbarkeit der Bestimmung nach sich zieht.

29

Der Grundsatz der Normerhaltung (vgl. BVerfGE 49, 148 <157>; 119, 247 <274>) gebietet es, die Nichtigerklärung eines Gesetzes auf dessen verfassungswidrigen Teil zu beschränken. Dies bedeutet nicht nur, dass einzelne nichtige Vorschriften die Nichtigkeit weiterer Bestimmungen des Gesetzes nur ausnahmsweise nach sich ziehen, wenn sie mit diesen eine untrennbare Einheit bilden, die lediglich um den Preis von Sinnverlust, Rechtfertigungswegfall oder Verfälschung der gesetzgeberischen Intention in ihre Bestandteile zerlegt werden könnte (stRspr seit BVerfGE 8, 274 <301>; vgl. BVerfGE 53, 1 <23 f.>; 61, 149 <206 f.>). Auch eine Rechtsnorm, deren Wortlaut mehrere inhaltlich abgrenzbare, textlich aber nicht isolierbare Regelungen umfasst, erklärt das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung grundsätzlich nur hinsichtlich des verfassungswidrigen Norminhalts für nichtig, ohne dabei den Normtext zu verändern (vgl. BVerfGE 12, 296 <307>; 62, 117; 107, 104 <133>). Wie die verschiedenen im Vorlagebeschluss gebildeten Vergleichsgruppen zeigen, geht der Verwaltungsgerichtshof davon aus, dass es sich bei § 104a Abs. 3 Satz 1 AufenthG um eine solche Rechtsnorm handelt. Um aufzuzeigen, dass Grundrechtsverletzungen in Bezug auf Vergleichsgruppen, denen die Kläger des Ausgangsverfahrens nicht angehören, die Bestimmung gänzlich unanwendbar machen, hätte der Verwaltungsgerichtshof deshalb darlegen müssen, dass und warum eine auf einzelne Fallkonstellationen beschränkte Teilnichtigerklärung nicht in Frage kommt, etwa weil kein sinnvoller oder mit der gesetzgeberischen Intention zu vereinbarender Anwendungsrest verbliebe (vgl. BVerfGE 21, 292 <305 f.>). Der Vorlagebeschluss äußert sich hierzu nicht.

30

Der Vorlagebeschluss erweist sich aus diesem Grunde als unzureichend begründet, soweit der Verwaltungsgerichtshof § 104a Abs. 3 Satz 1 AufenthG deshalb für verfassungswidrig hält, weil eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung volljähriger Kinder, die mit ihren Eltern in häuslicher Gemeinschaft leben, gegenüber solchen, die die häusliche Gemeinschaft bereits verlassen haben, vorliege. Die Zurechnung der Verurteilung eines volljährigen Kindes zulasten der Eltern und minderjähriger Geschwister oder umgekehrt einer Verurteilung der Eltern oder minderjähriger Geschwister zulasten eines volljährigen Kindes steht im konkreten Fall, in dem der Ehemann und Vater verurteilt worden ist und beide Kinder noch minderjährig sind, nicht im Raum. Ebenso wenig ist die Vergleichsgruppe betroffen, in der Ehegatten, deren Kind straffällig geworden ist, Ledigen mit gemeinsamen und nicht gemeinsamen Kindern gegenübergestellt werden. Schließlich fehlt es an der Darlegung der entscheidungserheblichen Verfassungswidrigkeit, soweit im Vorlagebeschluss die durch Art. 6 Abs. 1 GG spezifisch geschützte autonome Entscheidungsfreiheit der Ehegatten, die keine Kinder haben, als verletzt angesehen wird.

31

b) Die Überzeugung des Verwaltungsgerichtshofs, Ehegatten würden unter Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 GG gegenüber eingetragenen Lebenspartnern im Sinne des Lebenspartnerschaftsgesetzes ungleich behandelt, beruht auf einer unzureichenden Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten verfassungskonformer Auslegung.

32

aa) Im Rahmen seiner Überzeugungsbildung hat das vorlegende Gericht das vorrangige Gebot der verfassungskonformen Auslegung zu berücksichtigen. Kann es im Rahmen methodisch vertretbarer Gesetzesauslegung zu dem Ergebnis gelangen, das Gesetz sei mit dem Grundgesetz vereinbar, so hat es diese Interpretation seiner Entscheidung zugrunde zu legen (vgl. BVerfGE 22, 373 <377>; 90, 145 <170>). Allerdings darf einem nach Wortlaut und Sinn eindeutigen Gesetz nicht im Wege der Auslegung ein entgegengesetzter Sinn verliehen, der normative Gehalt der auszulegenden Norm nicht grundlegend neu bestimmt oder das gesetzgeberische Ziel nicht in einem wesentlichen Punkt verfehlt werden (vgl. BVerfGE 18, 97 <111>; 54, 277 <299 f.>; 71, 81 <105>; 121, 30 <68>). Voraussetzung einer hinreichenden Überzeugungsbildung im Sinne von Art. 100 Abs. 1 GG ist mithin, dass das vorlegende Gericht zunächst versucht hat, die betroffene Gesetzesvorschrift verfassungskonform auszulegen, dies aber nach keiner Auslegungsmethode gelungen ist (vgl. BVerfGE 85, 329 <333>; 96, 315 <324 f.>).

33

bb) Die Darlegungen des Verwaltungsgerichtshofs, wonach eingetragene Lebenspartner trotz der gesetzlichen Anordnung in § 11 Abs. 1 LPartG nicht als Familienmitglieder im Sinne des § 104a Abs. 3 Satz 1 AufenthG angesehen werden können, verfehlen diese Anforderungen.

34

Nach § 11 Abs. 1 LPartG gilt ein Lebenspartner als Familienangehöriger des anderen Lebenspartners, soweit nicht etwas anderes bestimmt ist. Der Verwaltungsgerichtshof sieht eine solche andere Bestimmung in § 27 Abs. 2 AufenthG. Aus der darin angeordneten Anwendung bestimmter Vorschriften des Aufenthaltsgesetzes auf die lebenspartnerschaftliche Gemeinschaft folgert er, dass eine Gleichstellung von Lebenspartnern in den sonstigen Bereichen, so auch im Kontext des § 104a AufenthG, nicht stattfinde; andernfalls hätte es mit Rücksicht auf die in § 11 Abs. 1 LPartG getroffene generelle Gleichstellung der Regelung des § 27 Abs. 2 AufenthG nicht bedurft. Dass keine umfassende Gleichstellung gewollt gewesen sei, entspreche auch dem Willen des Gesetzgebers.

35

Mit diesem Ansatz hat der Verwaltungsgerichtshof nicht hinreichend dargelegt, dass eine verfassungskonforme Auslegung von § 104a Abs. 3 Satz 1 AufenthG dahingehend, dass Lebenspartner als Familienmitglieder im Sinne der Vorschrift zu behandeln sind, nicht möglich ist. Einer solchen Auslegung stehen weder der Wortlaut des Gesetzes noch ein eindeutig anderslautender Wille des Gesetzgebers entgegen.

36

Dem Verwaltungsgerichtshof ist zwar zuzugeben, dass die dem Regierungsentwurf beigegebene Begründung Lebenspartnerschaften als von § 104a Abs. 3 Satz 1 AufenthG nicht erfasst angesehen hat; Straftaten des anderen Lebenspartners im Sinne von § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 AufenthG sind danach im Rahmen der Soll-Regelung des § 104a Abs. 1 Satz 1 AufenthG regelmäßig zu berücksichtigen (vgl. BTDrucks 16/5065, S. 202). Hieraus kann indes nicht gefolgert werden, dass jede andere Auslegung dem gesetzgeberischen Willen zuwider liefe. Die Begründung des Regierungsentwurfs lässt vielmehr die Absicht erkennen, die Regelung für die Lebenspartnerschaft an diejenige der ehelichen Lebensgemeinschaft anzugleichen. Dass die Möglichkeit nicht gesehen wurde, die beabsichtigte Angleichung bereits dadurch zu erreichen, dass Lebenspartner nach § 11 Abs. 1 LPartG als Familienmitglieder im Sinne des § 104a Abs. 3 Satz 1 AufenthG behandelt werden, bedeutet nicht, dass eine solche Auslegung dem Willen des Gesetzgebers widerspräche.

37

Der Anwendung von § 11 Abs. 1 LPartG im Rahmen des § 104a AufenthG steht nicht zwingend entgegen, dass § 27 Abs. 2 AufenthG anordnet, bestimmte Vorschriften des Aufenthaltsgesetzes auf die lebenspartnerschaftliche Gemeinschaft entsprechend anzuwenden. Der Vorlagebeschluss zieht bei seiner Deutung, damit werde eine generelle Gleichstellung von Lebenspartnern ausgeschlossen, nicht in Betracht, dass § 27 Abs. 2 AufenthG anders gedeutet werden kann und wird.

38

Für Kapitel 2 Abschnitt 6 des Aufenthaltsgesetzes bedarf es der Anordnung in § 27 Abs. 2 AufenthG, weil § 27 Abs. 1 AufenthG als Grundnorm für den Familiennachzug bestimmt, dass die Aufenthaltserlaubnis zur Herstellung und Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft zum Schutz von Ehe und Familie gemäß Art. 6 GG erteilt und verlängert wird. Da der Schutz der Ehe in Art. 6 Abs. 1 GG der eingetragenen Lebenspartnerschaft nicht zugute kommt (vgl. BVerfGE 105, 313 <345 f.>), begründete demnach allein die Anordnung, dass ein Lebenspartner als Familienangehöriger des anderen Partners gilt, keine Ansprüche des Lebenspartners aus den §§ 27 bis 31 AufenthG. § 9 Abs. 3 AufenthG muss auf lebenspartnerschaftliche Gemeinschaften für entsprechend anwendbar erklärt werden, weil die Vorschrift in ihrem unmittelbaren Anwendungsbereich Ehegatten, die in ehelicher Lebensgemeinschaft leben, betrifft. Gleiches gilt für § 9c Satz 2 und § 51 Abs. 2 AufenthG. In keinem der in § 27 Abs. 2 AufenthG angesprochenen Fälle geht es also darum, ob Lebenspartner Familienangehörige im Sinne des Aufenthaltrechts sind.

39

Es liegt daher nicht fern, § 27 Abs. 2 AufenthG lediglich den dargestellten engen Regelungsgehalt zu entnehmen, so dass die Vorschrift nicht ausschließt, Lebenspartner in anderen aufenthaltsrechtlichen Zusammenhängen als Familienangehörige zu behandeln. Dieses Verständnis von § 27 Abs. 2 AufenthG findet sich auch im Schrifttum (Zeitler, HTK-AuslR / § 27 AufenthG / zu Abs. 2 07/2006 Nr. 1) und wird in der fachgerichtlichen Rechtsprechung vertreten (vgl. OVG des Saarlandes, Urteil vom 15. Oktober 2009 - 2 A 329/09 -, juris Rn. 55). In dessen Konsequenz wären Lebenspartner als Familienmitglieder im Sinne des § 104a Abs. 3 Satz 1 AufenthG anzusehen, so dass sich die aufgeworfenen Fragen der Gleichbehandlung insoweit nicht stellten. Dem Verwaltungsgerichtshof hätte deshalb eine Auseinandersetzung mit dieser Norminterpretation oblegen.

40

c) Die Darlegungen des Verwaltungsgerichtshofs zum Vorliegen eines Verfassungsverstoßes sind auch insoweit unzureichend, als er eine mit Art. 6 Abs. 1 GG unvereinbare Schlechterstellung von Ehe und Familie gegenüber anderen Lebens- und Erziehungsgemeinschaften für gegeben hält. Soweit der Verwaltungsgerichtshof die ungerechtfertigte Benachteiligung von Ehe und Familie dadurch zu verdeutlichen sucht, dass er das Vorhandensein von Kindern als einen die Diskriminierung verstärkenden Umstand hervorhebt, vermag die Kammer die Erwägungen nicht nachzuvollziehen. Für die im Ausgangsverfahren zu beurteilende Fallgestaltung kommt es entscheidend allein auf den Umstand der Verheiratung an, weil die einen Aufenthaltstitel ausschließende Straftat vom Ehemann und Vater begangen worden ist.

41

aa) Art. 6 Abs. 1 GG enthält einen besonderen Gleichheitssatz, der es verbietet, Ehegatten im Vergleich zu Ledigen allein deshalb schlechter zu stellen, weil sie verheiratet sind (vgl. BVerfGE 69, 188 <205>; 114, 316 <333>; BVerfGK 11, 179 <183>). Die eheliche Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft kann zwar zum Anknüpfungspunkt (wirtschaftlicher) Rechtsfolgen genommen werden. Jedoch müssen sich für eine Differenzierung zu Lasten Verheirateter aus der Natur des geregelten Lebensverhältnisses einleuchtende Sachgründe ergeben (BVerfGE 28, 324 <347>). Die Berücksichtigung der durch die eheliche Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft gekennzeichneten besonderen Lage der Ehegatten darf gerade bei der konkreten Maßnahme die Ehe nicht diskriminieren (BVerfGE 114, 316 <333>; stRspr).

42

bb) Der Verwaltungsgerichtshof hält es für offensichtlich, dass Verheiratete gemäß § 104a Abs. 3 Satz 1 AufenthG in unzulässiger Weise schlechter als in nicht-ehelicher Lebensgemeinschaft lebende Paare behandelt werden. Auf die in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts anerkannten allgemeinen Rechtfertigungsgründe für eine Ungleichbehandlung von Ehegatten im Verhältnis zu Ledigen geht er nicht ein.

43

Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts hat mehrfach ausgesprochen, dass eine Regelung, die Verheiratete anders als Ledige behandelt, mit Art. 6 Abs. 1 GG vereinbar sei, soweit sie ihren Grund in der durch die eheliche Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft gekennzeichneten besonderen Situation von Ehegatten hat und deren Berücksichtigung gerade in dem konkreten Sachverhalt den Gerechtigkeitsvorstellungen der Allgemeinheit entspricht (vgl. BVerfGE 75, 361 <366> m.w.N.). Eine Schlechterstellung von Ehegatten sei insbesondere hinzunehmen, wenn die allgemeine Tendenz des Gesetzes auf Gleichbehandlung ausgeht und die Ehegatten teilweise begünstigt, teilweise benachteiligt werden, die gesetzliche Regelung im Ganzen sich aber vorteilhaft oder "ehe-neutral" auswirkt (vgl. BVerfGE 32, 260 <269>; 75, 361 <366 f.>). Dem Verwaltungsgerichtshof hätte oblegen, die Frage der Rechtfertigung der angenommenen Ungleichbehandlung anhand dieser Maßstäbe zu prüfen oder aber darzulegen, weshalb sie überholt sind oder nunmehr aufzugeben sein könnten. Es erscheint bereits nicht von vornherein ausgeschlossen, dass eine wechselseitige Zurechnung von Straftaten der in häuslicher Gemeinschaft lebenden Ehegatten mit der Folge, dass ein Aufenthaltstitel, zu deren Erteilung nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs keine Verpflichtung aufgrund höherrangigen Rechts oder nach Völkerrecht besteht, ausgeschlossen ist, den Gerechtigkeitsvorstellungen der Allgemeinheit entspricht. Vor allem aber knüpft der Gesetzgeber in anderen Bereichen des Aufenthaltsrechts, namentlich bei den begünstigenden Regelungen zum Familiennachzug (§§ 27 ff. AufenthG), an das Bestehen einer formalisierten Partnerschaft - entweder der Ehe oder der eingetragenen Lebenspartnerschaft - an, zu dem freilich das Bestehen oder die Herstellung einer ehelichen oder familiären Lebensgemeinschaft hinzutreten muss, und greift damit auch auf die rechtlich gesicherte Verbundenheit der Partner zurück (vgl. dazu BVerfGE 117, 316 <327 f.>; 124, 199 <225>). Deshalb hätte es nahegelegen, diese Grundentscheidung des Aufenthaltsgesetzes bei der verfassungsrechtlichen Würdigung des § 104a Abs. 3. Satz 1 AufenthG in den Blick zu nehmen.

44

Dem hat der Verwaltungsgerichtshof nicht dadurch genügt, dass er das Selbstbestimmungsrecht der Ehegatten durch § 104a Abs. 3 Satz 1 AufenthG für verletzt ansieht und ausführt, er sehe keinen Grund, die Entscheidungsfreiheit der Ehegatten hinsichtlich ihrer Eheführung und insbesondere deren räumlicher Ausgestaltung nicht anzuerkennen, so wie es als völlig selbstverständlich angesehen werde, dass das Aufenthaltsrecht eines Ehegatten nicht dadurch in Frage gestellt werde, dass der andere von seinem Recht auf Familiennachzug keinen Gebrauch mache. Mit seinen Ausführungen geht der Verwaltungsgerichtshof gerade nicht auf die zu erörternde Einbettung der für verfassungswidrig gehaltenen Regelung in das Gesamtkonzept des Aufenthaltsgesetzes und deren Konsequenzen für die verfassungsrechtliche Würdigung ein. Der Umstand, dass er in diesem Zusammenhang die Härtefallregelung für Ehegatten in § 104a Abs. 3 Satz 2 AufenthG übergeht, belegt ebenso wie der Vergleich mit dem fortdauernden Aufenthaltsstatus des Ausländers im Fall zulässigen, aber nicht wahrgenommenen Ehegattennachzugs, dass der Verwaltungsgerichtshof bei seiner verfassungsrechtlichen Würdigung das Anliegen des Gesetzgebers bei Schaffung der Altfallregelung des § 104a AufenthG nicht hinreichend verarbeitet hat.

45

cc) Zudem hat der Verwaltungsgerichtshof das Ziel des Gesetzgebers, zu verhindern, dass das straffällige Familienmitglied im Falle der Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen nach § 104a Abs. 1 AufenthG an die übrigen Familienmitglieder unter Berufung auf Art. 6 Abs. 1, 2 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK ein Aufenthaltsrecht oder eine Duldung erhält, unzureichend gewürdigt. Der Verwaltungsgerichtshof meint, diese Erwägung könne eine Ungleichbehandlung von Ehe und Familie gegenüber anderen Lebensgemeinschaften nicht rechtfertigen, da gesetzliche Ermessensspielräume erlaubten, dem straffälligen Familienmitglied das begehrte Aufenthaltsrecht zu versagen, und ein rechtliches Abschiebungshindernis aus Art. 6 GG, Art. 8 EMRK wegen der Möglichkeit, die Ehe beziehungsweise Familieneinheit im gemeinsamen Herkunftsland herzustellen, voraussetzungsgemäß nicht vorliegen könne.

46

Diese Argumentation berücksichtigt die aufenthaltsrechtlichen Schutzwirkungen, die Art. 6 Abs. 1, 2 GG als wertentscheidende Grundsatznorm entfaltet, nicht hinreichend. Auch wenn Art. 6 GG grundsätzlich keinen unmittelbaren Anspruch auf Aufenthalt gewährt, müssen die Ausländerbehörden bei der Entscheidung über ein Aufenthaltsbegehren die bestehenden familiären Bindungen des Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, berücksichtigen und angemessen in ihren Erwägungen zur Geltung bringen; der Grundrechtsträger hat einen Anspruch auf eine solche angemessene Berücksichtigung seiner familiären Bindungen (vgl. BVerfGE 76, 1 <49 ff.>; 80, 81 <93>; BVerfGK 2, 190 <193 f.>; 7, 49 <55>). Dabei ist grundsätzlich eine Betrachtung der tatsächlichen Verhältnisse des Einzelfalls geboten (vgl. BVerfGK 2, 190 <194>). Die pauschale Aussage im Vorlagebeschluss, dass Ehe und Familieneinheit ohne Weiteres im Herkunftsland hergestellt werden könnten, blendet aus, dass im Einzelfall - so möglicherweise auch im Ausgangsverfahren - Feststellungen dazu, ob Kinder auf die weitere Anwesenheit des straffälligen Elternteils angewiesen sind (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 23. Januar 2006 - 2 BvR 1935/05 -, NVwZ 2006, S. 682 <683>), oder zu den Bedingungen für einen Umzug der gesamten Familie in das Herkunftsland erforderlich sein können und gegebenenfalls einer Aufenthaltsbeendigung des straffälligen Ausländers entgegen stehen (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 10. Mai 2008 - 2 BvR 588/08 -, InfAuslR 2008, S. 347 <348>). Es wäre daher zu erläutern gewesen, aus welchen Gründen der Gesetzgeber, der nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofs grundsätzlich nicht verpflichtet war, dem betroffenen Personenkreis überhaupt Aufenthaltsrechte einzuräumen, bei der Ausgestaltung der Altfallregelung derartige Fallgestaltungen nicht berücksichtigen durfte, auch wenn sie möglicherweise eher selten gegeben sein dürften.

47

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Tatbestand

1

Der 1946 geborene Kläger stand als Polizist im Dienst des Landes Schleswig-Holstein. Mit Wirkung vom 1. Dezember 2004 wurde er zum Ersten Polizeihauptkommissar (BesGr A 13 BBesO) befördert. Einen diesem Amt entsprechenden Dienstposten hatte der Kläger bereits seit Januar 2002 inne. Mit Ablauf des 30. Juni 2006 trat der Kläger entsprechend der besonderen Altersgrenze für Polizeivollzugsbeamte in den Ruhestand.

2

Unter Berufung darauf, dass der Kläger erst 19 Monate vor dem Eintritt in den Ruhestand befördert worden war, setzte der Beklagte die Versorgungsbezüge des Klägers nach den ruhegehaltfähigen Dienstbezügen des Amtes der BesGr A 12 BBesO fest.

3

Nachdem das Bundesverfassungsgericht durch Beschluss vom 20. März 2007 - 2 BvL 11/04 - (BVerfGE 117, 372) die dreijährige Wartefrist nach § 5 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG für nichtig erklärt hatte, beantragte der Kläger, die bestandskräftige Versorgungsfestsetzung aufzugreifen und seine Versorgungsbezüge nach den ruhegehaltfähigen Dienstbezügen des Amtes der BesGr A 13 BBesO neu festzusetzen. Der Antrag und der Widerspruch des Klägers blieben erfolglos.

4

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit im Wesentlichen folgender Begründung abgewiesen: Das Bundesverfassungsgericht habe auch entschieden, dass die Wartefrist von zwei Jahren noch verfassungsgemäß sei. Nach der Gesetzeslage sei es unerheblich, dass der Kläger das zuletzt innegehabte Amt der BesGr A 13 BBesO erheblich länger als zwei Jahre tatsächlich wahrgenommen habe.

5

Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen und zur Begründung auf das Urteil des Verwaltungsgerichts verwiesen. Ergänzend hat es ausgeführt: Aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts ergebe sich im Umkehrschluss, dass es die Wartefrist von zwei Jahren auch unter Wegfall der Möglichkeit der Anrechnung der Zeiten der tatsächlichen Wahrnehmung eines Beförderungsamtes für verfassungsrechtlich zulässig erachtet habe. Da die Entscheidung Gesetzeskraft habe, könne sich der Kläger nicht mit Erfolg auf die früher im Gesetz enthaltene Anrechnungsmöglichkeit berufen.

6

Hiergegen richtet sich die vom Oberverwaltungsgericht zugelassene Revision des Klägers, mit der er beantragt,

die Urteile des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 20. Mai 2011 und des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts vom 3. März 2010 sowie den Bescheid des Beklagten vom 18. September 2007 und dessen Widerspruchsbescheid vom 28. August 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Festsetzungsbescheid vom 22. Juni 2006 für den Zeitraum ab Mai 2007 aufzuheben und die Versorgungsbezüge des Klägers für den Zeitraum ab Mai 2007 auf der Grundlage der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge aus dem Amt des Ersten Polizeihauptkommissars, BesGr A 13 BBesO, festzusetzen.

7

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

8

Der Vertreter des Bundesinteresses verteidigt das Berufungsurteil.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision ist begründet. Das Berufungsurteil verletzt Bundesrecht und revisibles Landesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 und 2 VwGO). Der Kläger hat einen Anspruch darauf, dass der Beklagte den Versorgungsfestsetzungsbescheid für den Zeitraum ab Mai 2007 aufhebt und seine Versorgungsbezüge für diesen Zeitraum auf der Grundlage der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge aus dem Amt des Ersten Polizeihauptkommissars, BesGr A 13 BBesO, festsetzt.

10

Der Anspruch des Klägers auf Aufhebung des Festsetzungsbescheids, soweit in diesem für den Zeitraum ab Mai 2007 die Festsetzung der Versorgungsbezüge des Klägers auf der Grundlage der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge eines höheren Amtes als der BesGr A 12 BBesO abgelehnt worden ist, ergibt sich aus § 118a Abs. 5 und § 116 Abs. 1 Satz 1 des Allgemeinen Verwaltungsgesetzes für das Land Schleswig-Holstein (- LVwG -) in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Juni 1992 (GVOBl Schl.-H. S. 243). Nach diesen Vorschriften kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Entsprechend der für den Zeitraum ab Mai 2007 bestehenden Rechtslage sind die Versorgungsbezüge des Klägers sodann auf der Grundlage der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge aus dem Amt BesGr A 13 BBesO festzusetzen. Bei der maßgeblichen Wartefrist von zwei Jahren ist auch die Zeit zu berücksichtigen, in der der Kläger vor seiner Ernennung die höherwertigen Funktionen des ihm später übertragenen Amtes des Ersten Polizeihauptkommissars tatsächlich wahrgenommen hat.

11

Der Versorgungsfestsetzungsbescheid ist im Zeitraum ab Mai 2007 insoweit rechtswidrig, als in die Wartefrist nicht die Zeit eingerechnet worden ist, in der der Kläger vor der Amtsübertragung die Aufgaben des höherwertigen Amtes erfüllt hat. Da der Kläger die Aufgaben des Amtes eines Ersten Polizeihauptkommissars bereits seit Januar 2002 wahrgenommen hat, hat er bei Eintritt in den Ruhestand mit Ablauf des Juni 2006 die für die Festlegung der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge maßgebliche Wartefrist von zwei Jahren erfüllt. Damit sind für die Bestimmung der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge des Klägers die Bezüge des Amtes des Ersten Polizeihauptkommissars, BesGr A 13 BBesO, maßgebend (1). Das dem Beklagten nach § 116 Abs. 1 Satz 1 LVwG eröffnete Ermessen ist zu Gunsten des Klägers dahingehend reduziert, dass der Beklagte den bestandskräftigen Versorgungsfestsetzungsbescheid für den Zeitraum ab Mai 2007 mit der Folge aufheben muss, dass die Versorgungsbezüge ab diesem Zeitpunkt nach dem höheren Amt festzusetzen sind (2).

12

1. Bei dem bestandskräftig gewordenen Versorgungsfestsetzungsbescheid handelt es sich um einen Dauerverwaltungsakt. Er ist darauf gerichtet, eine laufende Geldleistung zu gewähren und damit dauerhaft Rechtswirkungen zu entfalten. Nach dem durch § 49 Abs. 1 BeamtVG vorgegebenen Regelungsgehalt ist dieser Bescheid die gesetzlich vorgeschriebene, rechtsverbindliche Mitteilung über die Höhe der Versorgungsbezüge. Wird festgestellt, dass der Bescheid in Bezug auf die Festsetzung der Versorgungsbezüge wegen eines nachträglich eingetretenen Umstandes rechtswidrig geworden ist, sind für die Aufhebung des Bescheids die Vorschriften über die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts, hier § 116 Abs. 1 Satz 1 LVwG, maßgebend (Urteile vom 16. November 1989 - BVerwG 2 C 43.87 - BVerwGE 84, 111 <113 f.> = Buchholz 232 § 87 BBG Nr. 64 S. 2 und vom 28. Juni 2012 - BVerwG 2 C 13.11 - Rn. 12 bis 15 ).

13

Da der Kläger mit Ablauf des 30. Juni 2006 in den Ruhestand getreten ist, bestimmt sich sein Ruhegehalt nach den Vorschriften des Beamtenversorgungsgesetzes, die zu diesem Zeitpunkt galten. Danach ist für die Festlegung der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge des Klägers, aus denen sich nach § 4 Abs. 3 BeamtVG das Ruhegehalt berechnet, grundsätzlich § 5 BeamtVG in der Fassung des Professorenbesoldungsreformgesetzes vom 16. Februar 2002 (- BeamtVG F2002 -, BGBl I S. 686) maßgeblich. Die vom Land Schleswig-Holstein erlassenen versorgungsrechtlichen Vorschriften, zum einen das Gesetz zur Überleitung des Bundesbesoldungsgesetzes, des Beamtenversorgungsgesetzes und ergänzender Vorschriften sowie Änderung dienstrechtlicher Vorschriften vom 12. Dezember 2008 (GVOBl Schl.-H. S. 785) und zum anderen das Gesetz zur Neuregelung des Besoldungs- und Beamtenversorgungsrechts in Schleswig-Holstein vom 26. Januar 2012 (GVOBl Schl.-H. S. 153), sind auf die Festsetzung des Ruhegehalts von Landesbeamten, die bereits mit Ablauf des Juni 2006 in den Ruhestand getreten sind, nicht anwendbar.

14

Zwar sah § 5 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG F2002 vor, dass ruhegehaltfähig nur die Bezüge des vorher bekleideten Amtes sind, sofern ein Beamter aus einem Amt in den Ruhestand getreten ist, das nicht der Eingangsbesoldungsgruppe seiner Laufbahn angehört, und er die Dienstbezüge dieses oder eines mindestens gleichwertigen Amtes vor dem Eintritt in Ruhestand nicht mindestens drei Jahre erhalten hat. Das Bundesverfassungsgericht hat aber mit Beschluss vom 20. März 2007 (- 2 BvL 11/04 - BVerfGE 117, 372) die Ausdehnung der Wartefrist auf drei Jahre als mit Art. 33 Abs. 5 GG unvereinbar und § 5 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. März 1999 (BGBl I S. 322) für nichtig erklärt.

15

Entgegen der Annahme des Oberverwaltungsgerichts hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 20. März 2007 (- 2 BvL 11/04 - a.a.O. S. 384 ff.) aber nicht mit Gesetzeskraft (§ 31 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG) entschieden, dass die Kombination aus einer Wartefrist von zwei Jahren und dem Wegfall der Einrechnung von Zeiten der tatsächlichen Wahrnehmung der Aufgaben eines höherwertigen Amtes verfassungsrechtlich zulässig ist. Denn eine solche gesetzliche Regelung stand, weil sie vor dieser Entscheidung nie in Kraft war, nicht zur verfassungsrechtlichen Prüfung an.

16

Aus § 79 Abs. 2 BVerfGG, der die Folgen der Nichtigerklärung einer gesetzlichen Regelung durch das Bundesverfassungsgericht für die auf dieser Norm beruhenden unanfechtbaren Entscheidungen regelt, ergibt sich die grundlegende Annahme des Gesetzgebers, dass die Rechtsfolge der Nichtigkeit eines Gesetzes mit Wirkung ex tunc eintritt (BVerfG, Beschluss vom 6. Dezember 2005 - 1 BvR 1905/02 - BVerfGE 115, 51 <62>). Danach konnte das nichtige Gesetz die zuvor bestehende gesetzliche Regelung nicht aufheben, so dass diese - unerkannt - in Geltung geblieben ist (BVerfG, Beschlüsse vom 19. Juli 2000 - 1 BvR 539/96 - BVerfGE 102, 197 <208> und vom 21. November 2001 - 1 BvL 19/93, 1 BvR 1318, 1513, 2358/94, 308/95 - BVerfGE 104, 126 <149 f.>; Schlaich/Korioth, Das Bundesverfassungsgericht, 9. Aufl., Rn. 457 f.).

17

Nach den allgemeinen Kollisionsregeln gilt für die Fortgeltung der scheinbar verdrängten Normen zum einen, dass eine generelle Norm, der die nichtige spezielle Norm nach dem Grundsatz lex specialis zuvor - scheinbar - vorging, wieder anwendbar ist. Zum anderen sind ältere (auch spezielle) Vorschriften, die von der nichtigen jüngeren (ebenfalls speziellen) Vorschrift sinngemäß oder ausdrücklich aufgehoben worden sind, unverändert anzuwenden (vgl. Graßhof, in: Umbach/Clemens/Dollinger, BVerfGG, 2. Aufl., § 78 Rn. 17; Pestalozza, Verfassungsprozessrecht, 3. Aufl., § 20 Rn. 127).

18

Nach diesen Grundsätzen ist infolge der Nichtigerklärung durch den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 20. März 2007 (- 2 BvL 11/04 - a.a.O.) für die Bestimmung der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge des Klägers nicht die allgemeine Vorschrift des § 5 Abs. 1 BeamtVG, sondern die früher geltende, spezielle Vorschrift der zweijährigen Wartefrist des § 5 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG in der Fassung des Reformgesetzes vom 24. Februar 1997 (- BeamtVG F1997 -, BGBl I S. 322) maßgeblich. Ein Ausnahmefall, bei dem sich aus dem nichtigen Reformgesetz ergibt, dass der Gesetzgeber den alten Zustand nicht lediglich verbessern, sondern auf jeden Fall abschaffen wollte, so dass mangels Gültigkeit der neuen Regelung keine spezielle Regelung besteht, liegt hier nicht vor (vgl. Graßhof, a.a.O.; Bethge, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu, BVerfGG, § 78 Rn. 51). Aus den Materialien zum Versorgungsreformgesetz 1998 vom 29. Juni 1998 (- BeamtVG F1998 -, BGBl I S. 1666), durch das die Wartefrist auf drei Jahre verlängert wurde, ist zu entnehmen, dass der Gesetzgeber an der Wartefrist grundsätzlich festhalten wollte (Gesetzentwurf der Bundesregierung, BTDrucks 13/9527, S. 37 zu Art. 6 Nr. 4).

19

Neben der generellen Regelung der Wartefrist von zwei Jahren des § 5 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG F1997 sind auch die darauf bezogenen Ausnahmen und Anrechnungsregelungen dieser Fassung anzuwenden. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht im Beschluss vom 20. März 2007 (- 2 BvL 11/04 - a.a.O.) die Ausnahmen und Anrechnungsregelungen des § 5 Abs. 3 Satz 3 und 4 BeamtVG F 1998 nicht für nichtig erklärt. Diese Regelungen sehen im Gegensatz zu § 5 Abs. 3 Satz 4 BeamtVG F1997 die Anrechnung von Beschäftigungszeiten auf Beförderungsdienstposten vor der Beförderung auf die Wartezeit nicht mehr vor. Nach ihrem Wortlaut beziehen sie sich jedoch auf die Wartefrist von drei Jahren und haben, weil diese Regelung infolge der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 20. März 2007 (- 2 BvL 11/04 - a.a.O.) von Anfang an nichtig ist, keinen Anwendungsbereich.

20

Die infolge der Nichtigerklärung des Bundesverfassungsgerichts maßgebliche Regelung der zweijährigen Wartefrist (§ 5 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG F1997) steht mit den Ausnahmevorschriften und den Anrechnungsregelungen der Absätze 3 bis 5 dieser Fassung in einem einheitlichen Regelungszusammenhang. Sie beruhen auf einer einheitlichen gesetzgeberischen Entscheidung, so dass neben der generellen Wartefrist von zwei Jahren auch wiederum die darauf bezogenen Anrechnungsregelungen maßgeblich sind.

21

Die Grundsätze über die Teilnichtigkeit eines Gesetzes sind auf die hier vorliegende Konstellation nicht in der Weise übertragbar, dass Teilelemente aus verschiedenen Fassungen einer gesetzlichen Regelung von den Gerichten eigenverantwortlich zu einer Gesamtregelung zusammengefügt werden können (anders VGH München, Beschluss vom 17. Januar 2012 - 3 BV 08.1947 - juris Rn. 52). Bei der Teilnichtigkeit ist entscheidend, ob von der gesetzlichen Regelung trotz der Nichtigkeit eines Teils ein Anwendungsrest bestehen bleibt, der für sich genommen ein sinnvolles Regelungsgefüge darstellt und dessen Geltung ohne den nichtigen Teil dem hypothetischen Willen des Normgebers entspricht (BVerfG, Beschluss vom 16. Dezember 2010 - 2 BvL 16/09 - NVwZ-RR 2011, 387, Rn. 29). Kennzeichen des Grundsatzes der Teilnichtigkeit ist aber, dass die Norm, die teilweise aufrechterhalten wird, von einem einheitlichen gesetzgeberischen Willen getragen ist. Demgegenüber würden bei einer gleichzeitigen Anwendung der zweijährigen Wartefrist des § 5 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG F1997 und der Anrechnungsregelungen des § 5 Abs. 3 Satz 3 und Abs. 4 BeamtVG F1998 Elemente aus verschiedenen gesetzgeberischen Entscheidungen miteinander kombiniert. Es ist aber nicht die Aufgabe von Gerichten, aus verschiedenen, vom Gesetzgeber zu unterschiedlichen Zeitpunkten geschaffenen Teilregelungen eine gesetzliche Gesamtregelung zusammenzustellen, die als solche nie erlassen wurde und daher nicht von einem einheitlichen Willen des Gesetzgebers getragen ist. Die Schaffung eines aufeinander abgestimmten Systems von Wartefrist und Ausnahme- oder Anrechnungsregelungen ist allein Sache des Gesetzgebers. Diesem Regelungsauftrag ist der Bundesgesetzgeber durch das Dienstrechtsneuordnungsgesetz vom 5. Februar 2009 (Art. 4 Nr. 5 Buchst. b und c, BGBl I S. 160) auch nachgekommen. Auch das Land Schleswig-Holstein hat durch die oben genannten gesetzlichen Vorschriften die Wartefrist umfassend neu geregelt.

22

Im Übrigen hat der Gesetzgeber mit einer Wartefrist nach § 5 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG von zwei Jahren unter Anrechnung von Zeiten der Wahrnehmung der Aufgaben des Beförderungsamtes die Grenze, bis zu der der Gesetzgeber nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts den gemäß Art. 33 Abs. 5 GG zu beachtenden Grundsatz der Versorgung aus dem letzten Amt einschränken kann, ausgeschöpft (BVerfG, Beschlüsse vom 7. Juli 1982 - 2 BvL 14/78, 2/79 und 7/82 - BVerfGE 61, 43 und vom 20. März 2007 - 2 BvL 11/04 - a.a.O.).

23

Die danach anzuwendende Vorschrift des § 5 Abs. 3 Satz 4 BeamtVG F1997 bestimmt, dass Zeiten, in denen der Beamte vor der Amtsübertragung die höherwertigen Funktionen des ihm später übertragenen Amtes tatsächlich wahrgenommen hat, in die Zweijahresfrist einzurechnen sind. Deshalb hat der Kläger, weil die Zeiten der tatsächlichen Wahrnehmung der höherwertigen Funktionen des Amtes des Ersten Polizeihauptkommissars seit Januar 2002 einzurechnen sind, die maßgebliche Wartefrist erfüllt.

24

2. Das dem Beklagten nach § 116 Abs. 1 Satz 1 LVwG eröffnete Ermessen ist infolge des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 20. März 2007 dahingehend reduziert, dass er den bestandskräftigen Versorgungsfestsetzungsbescheid für den Zeitraum ab Mai 2007 aufheben muss. Als Folge hiervon muss der Beklagte die Versorgungsbezüge des Klägers ab Mai 2007 auf der Grundlage der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge aus dem Amt des Ersten Polizeihauptkommissars, BesGr A 13 BBesO, festsetzen.

25

Dies ergibt sich aus der in § 79 Abs. 2 BVerfGG zum Ausdruck kommenden gesetzgeberischen Wertung. Sofern der Gesetzgeber die Reaktion auf die Nichtigerklärung einer gesetzlichen Vorschrift durch das Bundesverfassungsgericht durch eine allgemeine Regel des Verwaltungsverfahrensrechts in das Ermessen der Behörde stellt, muss sich dieses Ermessen an den Vorgaben des § 79 Abs. 2 BVerfGG ausrichten, wenn sich aus dem jeweiligen Fachgesetz, wie hier, nichts anderes ergibt (Urteil vom 24. Februar 2011 - BVerwG 2 C 50.09 - Buchholz 316 § 51 VwVfG Nr. 58 Rn. 14 ff.). Danach kann der Betroffene für die Zukunft auch die Anpassung eines Dauerverwaltungsakts an die verfassungsrechtlich klargestellte Rechtslage verlangen (Bethge, a.a.O. § 79 Rn. 53 m.w.N.; Graßhof, a.a.O. § 79 Rn. 31; Lechner/Zuck, BVerfGG, 6. Aufl., § 79 Rn. 13; Löwer, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, 3. Aufl., Band III, § 70, Rn. 118 Fn. 912 m.w.N.).

26

Nach § 79 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG bleiben die nicht mehr anfechtbaren Entscheidungen, die auf einer gemäß § 78 BVerfGG für nichtig erklärten Norm beruhen, vorbehaltlich der Vorschrift des § 95 Abs. 2 BVerfGG oder einer besonderen gesetzlichen Regelung unberührt. Hierdurch hat der Gesetzgeber für die Vergangenheit, d.h. für die Zeit vor der Nichtigerklärung, der Rechtssicherheit den Vorrang vor der materiellen Gerechtigkeit eingeräumt. Unanfechtbare Entscheidungen sollen trotz feststehender anfänglicher Rechtswidrigkeit für die Vergangenheit rechtswirksam bleiben. Ein Verwaltungsakt, der auf einer für nichtig erklärten Norm beruht, ist unverändert Rechtsgrundlage für die von ihm geregelten Rechtsbeziehungen. Die Behörde kann weder die vor der Nichtigerklärung zu Unrecht gewährten Leistungen zurückverlangen noch kann der Begünstigte für diese Zeit nachträglich höhere als die festgesetzten Leistungen beanspruchen (BVerfG, Beschlüsse vom 11. Oktober 1966 - 1 BvR 164,178/64 - BVerfGE 20, 230 <235 f.> und vom 16. Januar 1980 - 1 BvR 127, 679/78 - BVerfGE 53, 115 <130>; Bethge, a.a.O. § 79 Rn. 44).

27

Demgegenüber erklärt § 79 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG die Vollstreckung aus unanfechtbaren Entscheidungen für unzulässig. Danach kann der Geltungsanspruch der nach Satz 1 unberührt bleibenden Entscheidung, wozu in erster Linie Verwaltungsakte gehören (vgl. BVerfG, Beschluss vom 11. Oktober 1966- 1 BvR 164, 178/64 - a.a.O. S. 236), gegen den Willen des Betroffenen nicht mehr durchgesetzt werden.

28

Somit stellt die Nichtigerklärung einer gesetzlichen Regelung durch das Bundesverfassungsgericht die zeitliche Grenze für den Geltungsanspruch der auf der für nichtig erklärten Vorschrift beruhenden unanfechtbaren Entscheidungen dar. Bis zur Nichtigerklärung der gesetzlichen Regelung gebührt der Rechtssicherheit der Vorrang. Für den Zeitraum danach setzt sich demgegenüber das Prinzip der materiellen Gerechtigkeit durch. Das Bundesverfassungsgericht hat dementsprechend aus den Regelungen des § 79 Abs. 2 BVerfGG den allgemeinen Rechtsgedanken abgeleitet, dass einerseits zwar unanfechtbar gewordene fehlerhafte Akte der öffentlichen Gewalt nicht rückwirkend aufgehoben und die in der Vergangenheit von ihnen ausgegangenen nachteiligen Wirkungen nicht beseitigt werden, andererseits jedoch zukünftige Folgen, die sich aus einer zwangsweisen Durchsetzung der verfassungswidrigen Entscheidung ergeben würden, abgewendet werden sollen (stRspr, BVerfG, Beschlüsse vom 27. November 1997 - 1 BvL 12/91 - BVerfGE 97, 35 <48> und vom 6. Dezember 2005 - 1 BvR 1905/02 - BVerfGE 115, 51 <63> m.w.N.).

29

Dieser Rechtsgedanke ist auf Dauerverwaltungsakte wie Versorgungsfestsetzungsbescheide, die nicht im engeren Sinne des § 79 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG vollstreckt werden, sondern die Grundlage für monatlich im Voraus zu zahlende Versorgungsbezüge bilden, zu übertragen. Ihre Bestandskraft wird nur für die Vergangenheit geschützt, so dass der Betroffene nicht unter Berufung auf die Nichtigerklärung einer gesetzlichen Regelung für die Vergangenheit höhere Leistungen beanspruchen kann. Demgegenüber gebührt für die Zukunft der materiellen Gerechtigkeit, nicht der Rechtssicherheit der Vorrang, so dass der Dauerverwaltungsakt an die Rechtslage anzupassen ist (Bethge, a.a.O. § 79 Rn. 53 m.w.N.; Graßhof, a.a.O. § 79 Rn. 31). Andernfalls müsste Dauerverwaltungsakten zeitlich unbegrenzte Geltung beigemessen werden, obwohl ihre gesetzliche Grundlage wegen der Nichtigerklärung weggefallen ist. Ihre nach dem Grundsatz der materiellen Gerechtigkeit gebotene Anpassung an die klargestellte Rechtslage hinge dann von Zufälligkeiten ab, d.h. vom Eintritt von Umständen, die die Behörde unabhängig von der Nichtigerklärung der gesetzlichen Grundlage durch das Bundesverfassungsgericht zur Abänderung des Dauerverwaltungsakts veranlassen.

30

Auch die verfassungsrechtliche Verankerung des Versorgungsanspruchs des Klägers spricht dafür, dass das nach § 116 Abs. 1 Satz 1 LVwG eröffnete Rücknahmeermessen nach dem Rechtsgedanken des § 79 Abs. 2 BVerfGG zu dessen Gunsten auf Null reduziert ist. Durch die bei Eintritt in den Ruhestand geltenden Regeln hat der Gesetzgeber den Gestaltungsspielraum ausgeübt, der ihm verfassungsrechtlich durch den Alimentationsgrundsatz eröffnet ist. Der sich daraus ergebende Versorgungsanspruch genießt verfassungsrechtlichen Schutz, weil ihn der Versorgungsberechtigte erdient hat (BVerfG, Beschluss vom 20. März 2007 - 2 BvL 11/04 - a.a.O. S. 387 m.w.N.). Der Dienstherr behält einen fiktiven Anteil der Dienstbezüge ein, um die Altersversorgung der Beamten zu finanzieren (Urteil vom 27. Januar 2011 - BVerwG 2 C 25.09 - Buchholz 449.4 § 55b SVG Nr. 1 Rn. 22 m.w.N.).

31

Dem Anspruch des Klägers auf Anpassung des bestandskräftigen Versorgungsfestsetzungsbescheids an die Nichtigerklärung ab Mai 2007 steht auch nicht die Aussage des Bundesverfassungsgerichts in seinem Beschluss vom 20. März 2007 (- 2 BvL 11/04 - a.a.O. S. 391) entgegen, wonach die auf der für nichtig erklärten Vorschrift beruhenden, im Zeitpunkt der Bekanntgabe der Entscheidung bereits bestandskräftigen Versorgungsfestsetzungsbescheide von der Entscheidung unberührt bleiben. Diese Aussage bezieht sich, wie dem Verweis auf den dort zitierten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 28. April 1999 (- 1 BvL 32/95, 1 BvR 2105/95 - BVerfGE 100, 1 <58 f.>) unmittelbar zu entnehmen ist, auf die Zeit vor der Bekanntgabe des Beschlusses.

32

Die hier beantragte Anpassung der Versorgungsbezüge des Klägers an die Nichtigerklärung der dreijährigen Wartefrist (§ 5 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG F1998) durch das Bundesverfassungsgericht für den Zeitraum ab Mai 2007 könnte ermessensfehlerfrei nur dann zeitlich hinausgeschoben werden, wenn hierfür ein gewichtiger Grund bestünde, der eine unverzügliche Anpassung als unangemessen erscheinen ließe (Urteil vom 24. Februar 2011 a.a.O. Rn. 24). Ein derartiger Grund liegt hier nicht vor.

33

Insbesondere kann die Anpassung des Versorgungsfestsetzungsbescheids nicht von einem entsprechenden Antrag des Ruhestandsbeamten abhängig gemacht werden. Das Antragserfordernis ist keine allgemeine ungeschriebene Voraussetzung für beamtenrechtliche Ansprüche. Ein Antrag im Sinne einer Rügeobliegenheit oder Hinweispflicht des Beamten kommt als ungeschriebene Anspruchsvoraussetzung nur in Betracht, wenn es um nicht normativ festgelegte Ansprüche geht. Der Versorgungsanspruch ist aber gesetzlich festgelegt und kann deshalb nicht an einen solchen Antrag geknüpft werden (Urteil vom 26. Juli 2012 - BVerwG 2 C 29.11 - juris Rn. 27 ).

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Die Berufung kann bis zur Rechtskraft des Urteils zurückgenommen werden. Die Zurücknahme nach Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung setzt die Einwilligung des Beklagten und, wenn ein Vertreter des öffentlichen Interesses an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hat, auch seine Einwilligung voraus.

(2) Die Berufung gilt als zurückgenommen, wenn der Berufungskläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als drei Monate nicht betreibt. Absatz 1 Satz 2 gilt entsprechend. Der Berufungskläger ist in der Aufforderung auf die sich aus Satz 1 und § 155 Abs. 2 ergebenden Rechtsfolgen hinzuweisen. Das Gericht stellt durch Beschluß fest, daß die Berufung als zurückgenommen gilt.

(3) Die Zurücknahme bewirkt den Verlust des eingelegten Rechtsmittels. Das Gericht entscheidet durch Beschluß über die Kostenfolge.

(1) Die Straßenbaulast umfasst alle mit dem Bau und der Unterhaltung der Bundesfernstraßen zusammenhängenden Aufgaben. Die Träger der Straßenbaulast haben nach ihrer Leistungsfähigkeit die Bundesfernstraßen in einem dem regelmäßigen Verkehrsbedürfnis genügenden Zustand zu bauen, zu unterhalten, zu erweitern oder sonst zu verbessern; dabei sind die sonstigen öffentlichen Belange einschließlich des Umweltschutzes sowie behinderter und anderer Menschen mit Mobilitätsbeeinträchtigung mit dem Ziel, möglichst weitreichende Barrierefreiheit zu erreichen, zu berücksichtigen. Betriebswege auf Brücken im Zuge von Bundesautobahnen und Betriebswege auf Brücken im Zuge von Bundesstraßen, die als Kraftfahrstraßen ausgewiesen sind, sind bedarfsabhängig durch den Träger der Straßenbaulast so zu bauen und zu unterhalten, dass auf ihnen auch öffentlicher Radverkehr abgewickelt werden kann.

(2) Soweit die Träger der Straßenbaulast unter Berücksichtigung ihrer Leistungsfähigkeit zur Durchführung von Maßnahmen nach Absatz 1 Satz 2 außerstande sind, haben sie auf einen nicht verkehrssicheren Zustand durch Verkehrszeichen hinzuweisen. Diese hat die Straßenbaubehörde oder auf Bundesautobahnen die Gesellschaft privaten Rechts im Sinne des Infrastrukturgesellschaftserrichtungsgesetzes vorbehaltlich anderweitiger Maßnahmen der Straßenverkehrsbehörde aufzustellen.

(3) Die Träger der Straßenbaulast sollen nach besten Kräften über die ihnen nach Absatz 1 obliegenden Aufgaben hinaus die Bundesfernstraßen bei Schnee- und Eisglätte räumen und streuen. Landesrechtliche Vorschriften über die Pflichten Dritter zum Schneeräumen und Streuen sowie zur polizeimäßigen Reinigung bleiben unberührt.

Tenor

1. § 6a Satz 1 des Gesetzes zur Umsetzung von Zukunftsinvestitionen der Kommunen und Länder (Zukunftsinvestitionsgesetz - ZuInvG), erlassen als Artikel 7 des Gesetzes zur Sicherung von Beschäftigung und Stabilität in Deutschland vom 2. März 2009 (Bundesgesetzblatt I Seite 416), zuletzt geändert durch Artikel 3b des Gesetzes zur Abschaffung des Finanzplanungsrates und zur Übertragung der fortzuführenden Aufgaben auf den Stabilitätsrat sowie zur Änderung weiterer Gesetze vom 27. Mai 2010 (Bundesgesetzblatt I Seite 671), ist mit Artikel 30 und Artikel 109 Absatz 1 des Grundgesetzes unvereinbar und nichtig, soweit er zu Maßnahmen ermächtigt, die nicht auf die Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen eines aufgrund konkreter Tatsachen möglich erscheinenden Haftungsanspruchs gemäß Artikel 104a Absatz 5 Satz 1 2. Halbsatz des Grundgesetzes gerichtet sind.

2. § 6a Satz 4 des Zukunftsinvestitionsgesetzes ist mit Artikel 30 und Artikel 109 Absatz 1 des Grundgesetzes unvereinbar und nichtig, soweit er zu anderen als solchen Maßnahmen ermächtigt, die entweder zur Feststellung von Rechtsverstößen bei der obersten Landesbehörde oder mit Zustimmung der obersten Landesbehörde oder des Bundesrates bei nachgeordneten Landesbehörden sowie Gemeinden und Gemeindeverbänden durchgeführt werden und bei denen, soweit es sich um das Verlangen der Aktenvorlage handelt, konkrete Anhaltspunkte für einen Rechtsverstoß vorliegen, oder die auf die Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen eines aufgrund konkreter Tatsachen möglich erscheinenden Haftungsanspruchs gemäß Artikel 104a Absatz 5 Satz 1 2. Halbsatz des Grundgesetzes gerichtet sind.

3. Im Übrigen ist § 6a Satz 1, 3 und 4 des Zukunftsinvestitionsgesetzes mit dem Grundgesetz vereinbar.

4. Mit dieser Entscheidung erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

Gründe

1

Die abstrakte Normenkontrolle betrifft die Befugnisse der Bundesverwaltung und des Bundesrechnungshofs zur Erhebung von Daten bei Landesbehörden im Rahmen der Durchführung des Zukunftsinvestitionsgesetzes.

I.

2

Im Dezember 2008 beschloss die Bundesregierung ein Maßnahmenpaket "Pakt für Beschäftigung und Stabilität in Deutschland zur Sicherung der Arbeitsplätze, Stärkung der Wachstumskräfte und Modernisierung des Landes". Darin war unter anderem vorgesehen, dass der Bund zusätzliche Investitionen der Kommunen und der Länder unterstütze. Zur Umsetzung des Maßnahmenpakets wurde der Entwurf eines Gesetzes zur Sicherung von Beschäftigung und Stabilität in Deutschland eingebracht. Dessen Art. 7 enthielt das Gesetz zur Umsetzung von Zukunftsinvestitionen der Kommunen und Länder (Zukunftsinvestitionsgesetz - ZuInvG). Der Entwurf wurde aufgrund der Beratungen im Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages um § 6a ZuInvG ergänzt, um eine Überprüfung der Verwendung der in dem Gesetz vorgesehenen Finanzhilfen durch den Bundesrechnungshof zusammen mit dem jeweiligen Landesrechnungshof zu ermöglichen und auf diese Weise etwaige Zweckverfehlungen zu verhindern; die Vorschrift diene auch der Einhaltung der Regelung in Art. 104b Abs. 2 Satz 2 GG, nach der die Verwendung der Finanzhilfen in regelmäßigen Zeitabständen zu überprüfen sei (vgl. BTDrucks 16/11825, S. 7).

3

Der Deutsche Bundestag beschloss das Gesetz einschließlich des § 6a ZuInvG. Nach Zustimmung des Bundesrates wurde es am 5. März 2009 verkündet (BGBl I S. 416) und trat am folgenden Tag in Kraft. Der Bundesrat fasste bei seiner Zustimmung eine Entschließung, in der er ausführte, das in § 6a ZuInvG formulierte Prüfungsrecht des Bundesrechnungshofs überschreite die Zuständigkeitsgrenzen des Bundes und die bisher geübte Praxis. Die Finanzhilfen würden von den Landesbehörden in eigener Verantwortung verwaltet. Diese unterlägen der parlamentarischen Kontrolle und der Kontrolle des jeweiligen Rechnungshofs des Landes. Die Kontrolle des Deutschen Bundestages und des Bundesrechnungshofs reiche nur bis zur Hingabe der Finanzmittel an die Länder (BRDrucks 120/09 , S. 2).

II.

4

Den Gegenstand des Zukunftsinvestitionsgesetzes fasst dessen § 1 zusammen. Danach unterstützt der Bund zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts zusätzliche Investitionen der Kommunen und der Länder. Hierzu gewährt der Bund gemäß Sinn und Zweck des § 6 Abs. 2 des Gesetzes zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft aus dem Sondervermögen "Investitions- und Tilgungsfonds" den Ländern Finanzhilfen für besonders bedeutsame Investitionen der Länder und Gemeinden (Gemeindeverbände) nach Art. 104b GG in Höhe von insgesamt 10 Milliarden Euro. Die Mittel sollten mindestens zur Hälfte dieses Betrages bis zum 31. Dezember 2009 abgerufen und sollen überwiegend für Investitionen der Kommunen eingesetzt werden.

5

Eine Förderung setzt voraus, dass die Maßnahme in einen Förderbereich im Sinne des § 3 ZuInvG fällt, zusätzlich zu bereits beschlossenen Maßnahmen erfolgt, die zeitlichen Grenzen einhält, innerhalb deren die Maßnahme 2009 und 2010 durchgeführt werden soll (§ 5 ZuInvG), längerfristig genutzt werden soll (§ 4 Abs. 3 ZuInvG) und bestimmte Doppelförderungen nicht stattfinden (§ 4 Abs. 1 ZuInvG). Die Förderbereiche sind in § 3 ZuInvG festgelegt. Für den Schwerpunkt Bildungsinfrastruktur sind 65 % der Gesamtförderung vorgesehen. Dieser Schwerpunkt umfasst Einrichtungen der frühkindlichen Infrastruktur, Forschung sowie Schulen, Hochschulen und Weiterbildungseinrichtungen, letztere jeweils insbesondere hinsichtlich einer energetischen Sanierung. Die restlichen 35 % entfallen auf den Investitionsschwerpunkt Infrastruktur, in dem Krankenhäuser, Städtebau (ohne Abwasser und öffentlichen Personennahverkehr, ÖPNV), ländliche Infrastruktur (ohne Abwasser und ÖPNV), kommunale Straßen (beschränkt auf Lärmschutzmaßnahmen), Informationstechnologie und sonstige Infrastrukturinvestitionen gefördert werden.

6

Grundsätzlich beträgt der Anteil des Bundes am Gesamtvolumen des öffentlichen Finanzierungsanteils 75 %. Der Bund stellt die Finanzhilfen den Ländern zur eigenen Bewirtschaftung zur Verfügung. Die zuständigen Stellen der Länder sind ermächtigt, die Auszahlung der Bundesmittel anzuordnen, sobald sie zur anteiligen Begleichung erforderlicher Zahlungen benötigt werden. Die Länder leiten die Finanzhilfen des Bundes unverzüglich an die Letztempfänger weiter (§ 6 ZuInvG).

7

Die Einzelheiten des Verfahrens zur Durchführung des Zukunftsinvestitionsgesetzes werden gemäß § 8 ZuInvG durch eine Verwaltungsvereinbarung zwischen Bund und Ländern geregelt. In der Verwaltungsvereinbarung zur Durchführung des Gesetzes von Zukunftsinvestitionen der Kommunen und Länder vom 2. April 2009 (im Folgenden: VV-ZuInvG) behandelt § 6 die Bewirtschaftung der Bundesmittel. Diese werden als Einnahmen in den Haushaltsplänen der Länder vereinnahmt, ihre Bewirtschaftung richtet sich nach dem Haushaltsrecht der Länder. Die Bewilligung erfolgt zu den Förderbedingungen für Landesmittel. Die Länder haben die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit einzuhalten. Gemäß § 3 VV-ZuInvG besteht eine Berichtspflicht. Erstens waren bis Mai 2009 Investitionsziele und Investitionsanteile der Kommunen mitzuteilen. Zweitens sind vierteljährliche Berichte mit Förderlisten laufender Projekte vorgesehen, die eine Kurzbeschreibung der einzelnen Maßnahme, Angaben über die Höhe des Investitionsvolumens, den kommunalbezogenen Anteil und die Höhe der Beteiligung des Bundes an der öffentlichen Finanzierung zu enthalten haben. Nach Beendigung der Maßnahme haben die Länder dem Bund gemäß § 4 VV-ZuInvG einen Verwendungsnachweis zu übersenden. Mitzuteilen sind der Förderbereich, eine Kurzbeschreibung der einzelnen Maßnahme sowie Angaben über die Höhe des Investitionsvolumens, den kommunalbezogenen Anteil, den kommunalbezogenen Anteil finanzschwacher Kommunen, den Umfang der öffentlichen Finanzierung und die Höhe der Beteiligung des Bundes an der öffentlichen Finanzierung. Die Zusätzlichkeit und die längerfristige Nutzung sind zu bestätigen. Der Bund kann in Einzelfällen weitere Nachweise verlangen. Die Länder teilen ihm einschlägige Prüfungsbemerkungen ihrer obersten Rechnungsprüfungsbehörde mit. Werden durch solche Prüfungsbemerkungen oder sonst nachträglich Tatsachen bekannt, die einen Rückforderungsanspruch begründen, so beginnt die einjährige Ausschlussfrist, die § 7 VV-ZuInvG für den Rückforderungsanspruch des Bundes vorsieht, mit Bekanntwerden der Tatsache.

8

Der Rückforderungsanspruch wird in § 7 Abs. 1 ZuInvG geregelt. Der Bund kann Finanzhilfen von einem Land zurückfordern, wenn von einem Land geförderte einzelne Maßnahmen ihrer Art nach den festgelegten Förderbereichen nicht entsprechen oder die Zusätzlichkeit nicht gegeben oder eine längerfristige Nutzung nicht zu erwarten ist. Der Bund kann Finanzhilfen von einem Land zurückfordern, soweit die Bundesbeteiligung an der Finanzierung insgesamt 75 % überschreitet. Zurückgerufene Mittel werden von dem jeweiligen Land an den Bund zurückgezahlt und können dem Land erneut zur Verfügung gestellt werden.

9

Vor diesem Hintergrund bestimmt § 6a ZuInvG:


10

"§ 6a Prüfung durch den Bundesrechnungshof

11

Der Bund kann in Einzelfällen weitergehende Nachweise verlangen und bei Ländern und Kommunen Bücher, Belege und sonstige Unterlagen einsehen sowie örtliche Erhebungen durchführen. Ein unverhältnismäßiger Verwaltungsaufwand ist zu vermeiden. Der Bundesrechnungshof prüft gemeinsam mit dem jeweiligen Landesrechnungshof im Sinne von § 93 der Bundeshaushaltsordnung, ob die Finanzhilfen zweckentsprechend verwendet wurden. Dazu kann er auch Erhebungen bei Ländern und Kommunen durchführen."

III.

12

Die Konferenz der Präsidentin und Präsidenten der Rechnungshöfe des Bundes und der Länder hat beschlossen, Maßnahmen der Konjunkturpakete, zu denen die Förderungen nach dem Zukunftsinvestitionsgesetz gehören, zeitnah zu begleiten und zu prüfen und sich über Prüfungsplanungen und -ergebnisse auszutauschen. Es wurde vereinbart, der Vielfalt der Ansätze und Herangehensweisen den größtmöglichen Raum zu geben, um für die externe Finanzkontrolle insgesamt (gemeinsam) zu einem möglichst breiten und facettenreichen prüferischen Einblick in die Umsetzung der Finanzhilfen zu gelangen, und hierüber Informationen auszutauschen.

13

Der Bundesrechnungshof lässt sich bei seinem Vorgehen von der Absicht leiten, die zweckentsprechende Verwendung, den schnellen Mittelabruf, insbesondere das Vorliegen von Rückforderungsgründen und nachrangig die Wirtschaftlichkeit der Mittelverwendung durch die Kommunen zu kontrollieren. Weil der Bundesrechnungshof keine empirische Wirtschaftsforschung betreibe, könne nicht die Wirksamkeit des Zukunftsinvestitionsgesetzes insgesamt im Fokus stehen, sondern nur die jeweils geprüfte Einzelmaßnahme im Hinblick auf ihre konjunkturelle Impulswirkung. Die Auswahl der kommunalen Körperschaften erfolge hinsichtlich eines Flächenansatzes nach Bedeutung sowie einem Zufallsraster, hinsichtlich einer Querschnittsprüfung nach Verwendungsschwerpunkten, die aus den beim Bundesfinanzministerium geführten Förderlisten erkennbar seien, und ergänzend nach Bedarf für Einzelerhebungen.

IV.

14

Die Landesregierung des Landes Baden-Württemberg, die Staatsregierung des Freistaates Bayern, der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg, die Landesregierung des Landes Nordrhein-Westfalen, die Landesregierung des Saarlandes und die Staatsregierung des Freistaates Sachsen halten § 6a Satz 1, 3 und 4 ZuInvG für mit Art. 114 Abs. 2, Art. 109 Abs. 1, Art. 104b Abs. 2 Satz 3, Abs. 3 und Art. 83, 84 GG unvereinbar und beantragen im Verfahren der abstrakten Normenkontrolle die Feststellung der Nichtigkeit der beanstandeten Vorschriften. Sie beantragen zugleich den Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit der die Anwendung der zur Prüfung gestellten Vorschriften bis zur Entscheidung über den Hauptsacheantrag ausgesetzt werden soll.

15

1. Der Normenkontrollantrag sei zulässig. Insbesondere hätten die Antragsteller ein Klarstellungsinteresse, obwohl sie dem Gesetz im Bundesrat zugestimmt hätten. Das umfangreiche Gesetzgebungsvorhaben sei eilbedürftig gewesen. Die Antragsteller seien nicht verpflichtet gewesen, schon zu diesem Zeitpunkt abschließend zu entscheiden, ob Verfassungswidrigkeit vorliege und ein Normenkontrollantrag gestellt werden solle.

16

2. § 6a Satz 1 ZuInvG sei mit Art. 104b Abs. 2 und Abs. 3, Art. 109 Abs. 1, Art. 83 und Art. 84 GG unvereinbar.

17

Die Vorschrift sei insoweit verfassungswidrig, als sie dem Bund aktive örtliche Kontrollrechte einräume. Der Bund dürfe zwar einzelne Projekte von der Förderung ausschließen und Fördermittel zurückverlangen, Adressat solcher Maßnahmen könne aber nur die Landesregierung sein. Die in der Verwaltungsvereinbarung enthaltenen Berichts- und Auskunftspflichten setzten den Bund in die Lage, seine aus der Mitfinanzierung sich ergebenden Rechte wahrzunehmen.

18

Eine Zuständigkeit des Bundes ergebe sich nicht aus Art. 104b Abs. 2 Satz 2 GG. Die Vorschrift enthalte lediglich eine materielle Prüfungspflicht, die Prüfungskompetenz werde aber auf der Ebene der Länder belassen. Diese hätten eine Informationspflicht, zu deren Erfüllung sie gegebenenfalls ihrerseits die Gemeinden heranziehen könnten. Die Überprüfung stehe im Zusammenhang mit der Pflicht zur Befristung und degressiven Ausgestaltung der Finanzhilfen. Es handle sich um eine materielle Begrenzung zum Schutz der Länder und nicht um eine Ermächtigung des Bundes zur Steuerung und Kontrolle der Landesverwaltung. Wer das anders sehe, verkehre die Grundintention des verfassungsändernden Gesetzgebers in ihr Gegenteil.

19

Könnte der Bund neben den Ländern selbst bei Kommunen und Ländern Erhebungen durchführen, entstünde eine Mischverwaltung in der Form paralleler Prüfungskompetenzen. Diese sei ohne ausdrückliche Ermächtigung im Grundgesetz unzulässig. Eine solche Zulassungsnorm sei Art. 104b Abs. 2 Satz 2 GG nicht. § 6a Satz 1 ZuInvG vermische unzulässig die Zusammenhänge demokratischer Legitimation.

20

Das Erhebungsrecht des Bundes verletze die in Art. 109 Abs. 1 GG vorgesehene Haushaltsautonomie der Länder. Die Gemeinden gehörten staatsrechtlich zu den Ländern und würden durch diese im Verhältnis zum Bund mediatisiert. Nach Art. 83, 84 GG sei Adressat der Prüfung und der Aufsicht durch den Bund ausschließlich die oberste Landesbehörde; jede Art von Kommunalaufsicht des Bundes sei ausgeschlossen. Anderenfalls seien die Gemeinden drei Prüfungsinstanzen ausgesetzt: den kommunalen Gemeinschaftseinrichtungen, der Aufsicht des Landes und der Aufsicht des Bundes.

21

Art. 104b Abs. 3 GG regle ein passives Unterrichtungsrecht; die Unterrichtung erfolge durch die Länder. Hieraus folge kein Recht, vor Ort Unterlagen einzusehen und Erhebungen durchzuführen. Vielmehr richte sich auch der Informationsanspruch der Bundesregierung an die jeweilige Landesregierung.

22

3. § 6a Satz 3 und 4 ZuInvG sei mit Art. 114 Abs. 2 Satz 1, Art. 104b und Art. 109 Abs. 1 GG unvereinbar.

23

§ 6a Satz 3 ZuInvG gehe ins Leere, weil der Verweis auf § 93 Bundeshaushaltsordnung (im Folgenden BHO) eine anderweitig begründete parallele Prüfungszuständigkeit von Bundes- und Landesrechnungshöfen voraussetze, die es aber nicht gebe. § 6a Satz 4 ZuInvG wolle dem Bundesrechnungshof neue eigenständige Rechte einräumen, die den verfassungsrechtlich bestimmten Prüfungsraum des Bundesrechnungshofs überschritten.

24

Art. 114 Abs. 2 GG beziehe sich nur auf die Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes. Die Vorschrift weise dem Bundesrechnungshof zunächst die Rechnungsprüfung zu. Der Umfang der Prüfung werde durch die Rechnungslegung im Sinne des Art. 114 Abs. 1 GG bestimmt; sie erfasse nur die unmittelbare Bundesverwaltung und dem Bund zuzurechnende Verwaltungsorganisationen und Stellen, soweit sie im Haushaltsplan des Bundes erfasst würden. Hinsichtlich der in Art. 114 Abs. 2 GG weiter geregelten Haushalts- und Wirtschaftlichkeitsprüfung sei die Reichweite der Prüfungszuständigkeit zwar umstritten, es bestehe aber grundsätzlich Einigkeit, dass es ein Prüfungs- und Erhebungsrecht bei den Kommunen nicht gebe.

25

Finanzbeziehungen zwischen Länderhaushalten und dem Bundeshaushalt gebe es nur, wo Finanzzuweisungen zwischen Bund und Land, geteilte Ertragszuständigkeiten bei Steuern oder gemeinsame Finanzierungspflichten bei Sondervermögen vorgesehen seien. Hier könne es ausnahmsweise Erhebungsrechte des Bundesrechnungshofs bei den Ländern geben, soweit es um Bundesgelder gehe und sie sich auf die Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes bezögen. Finanzhilfen nach Art. 104b GG beträfen Investitionen der Länder und Kommunen und damit die Erfüllung von Landesaufgaben durch den Einsatz von Landesmitteln, auch wenn letztere aus zweckgebundenen Zuweisungen des Bundes stammten. Die Mitfinanzierungskompetenz des Bundes ändere an der Verwaltungszuständigkeit nichts. Die Zuständigkeit des Bundes erschöpfe sich in der Gewährung der Finanzhilfe. Eine Einflussnahme auf die Freiheit der Länder, ihre staatlichen Aufgaben selbständig und weisungsfrei zu erfüllen, widerspreche dem föderativen Aufbau der Bundesrepublik. Der auf die Mitfinanzierung beschränkten Zuständigkeit des Bundes entspreche es, dass die Finanzhilfen den Ländern zur eigenen Bewirtschaftung zur Verfügung gestellt und in den Haushaltsplänen der Länder vereinnahmt würden.

26

Prüfungs- und Erhebungsrechte des Bundesrechnungshofs stünden in Akzessorietät zur Verwaltungszuständigkeit. Die Länder unterlägen der Kontrolle durch Landesparlamente und -rechnungshöfe, die parlamentarische Kontrolle des Deutschen Bundestages und die des Bundesrechnungshofs reichten nur bis zur Hingabe der Finanzhilfen der Länder. Der Prüfung des Bundesrechnungshofs unterlägen daher alle Vorgänge, die ihren Niederschlag im Bundeshaushalt fänden und von Bundesbehörden zu erfüllen seien. Außerdem könne der Bundesrechnungshof die zweckentsprechende Vereinnahmung der Mittel in den Landeshaushalt erheben, indem er die Unterrichtung des Bundes durch die Länder über die Verwendung auswerte. Er könne die ordnungsgemäße Abrechnung der Mittel zwischen Land und Bund auf Grundlage der Unterrichtung prüfen. Schließlich könne geprüft werden, ob Rückflüsse dem Bund wieder zugeleitet worden seien. Prüfungszuständigkeiten des Bundes, die sich auf Planung, Durchführung und Auswirkungen des einzelnen Projektes bezögen, ergäben sich daraus nicht.

27

Ein von der Prüfung zu unterscheidendes Recht des Bundesrechnungshofs zu Erhebungen im Sinne einer objektiven Sachverhaltsfeststellung ohne Wertung sei mangels Trennbarkeit von Erhebung und Wertung nicht anzuerkennen. Die Erhebungen im Sinne des § 6a Satz 4 ZuInvG sollten der Feststellung zweckentsprechender Verwendung der Investitionshilfen dienen. Das verlasse zwangsläufig den Bereich der objektiven Sachverhaltsfeststellung, es gehe in jedem Fall um Wertungen.

28

Der Bundesrechnungshof dürfe allein die Daten bei den obersten Finanzbehörden erheben, die diese an den Bund weiterzugeben verpflichtet seien. Prüfungsfreie Räume entstünden dadurch nicht, weil die Kontrolle vor Ort im Einzelfall Sache der Landesrechnungshöfe sei. Dieser Aufgabenverteilung habe die bisherige Praxis durchgehend Rechnung getragen.

29

Dagegen lasse sich nicht argumentieren, dass die Verantwortung für die Haushaltswirtschaft nur dann bei Bundestag und Bundesregierung verankert werden könne, wenn die Finanzkontrolle des Bundesrechnungshofs funktional zur Finanzierungskompetenz des Bundes verstanden werde, oder dass der Bundesrechnungshof nicht aufgrund von abgeleiteten Kompetenzen der Bundesexekutive, sondern kraft eigener Kompetenzen als selbständiges Organ der Finanzfunktion des Bundes prüfe. Die Prüfungs- und Erhebungskompetenzen des Bundesrechnungshofs seien mit den Exekutivkompetenzen des Bundes verknüpft. Zwar bestehe ein berechtigtes Interesse des Bundes an der zweckentsprechenden Verwendung der Finanzhilfen; dem werde aber durch die Prüfungen der Landesrechnungshöfe Rechnung getragen. Eine Verknüpfung von Bundesfinanzierungskompetenz und Prüfungs- und Erhebungsrecht des Bundesrechnungshofs widerspräche der vertikalen Verteilung der Exekutivkompetenzen nach Art. 83 ff. GG. Wenn die Prüfungskompetenzen des Bundes so weit reichten wie seine Finanzierungskompetenz, führte das zu einer weitgehenden allgemeinen Bundesaufsicht über die Länder.

30

Es gebe keinen Generaltitel "Finanzwesen" als gleichsam vierte Staatsgewalt, der dazu berechtige, sich über die vertikale und horizontale Verteilung der Finanzkompetenzen hinwegzusetzen. Das Handeln des Bundesrechnungshofs könne auch nicht als sanktionslos und deswegen kompetenzrechtlich unbedenklich angesehen werden. Es wirke sich faktisch auf die Entlastung der Landesregierung aus, zudem sei der Bundesrechnungshof gegenüber den Gemeinden rechtsförmlich vorgegangen.

31

Bei der Durchführung des Zukunftsinvestitionsgesetzes hätten die Landesrechnungshöfe eine intensive und vielfältige Prüfungstätigkeit entfaltet. Daran bestehe angesichts der Mitfinanzierung der Investitionen durch die Länder ein Interesse. Eine größere Einheitlichkeit der Prüfungstätigkeit könne auch der Bundesrechnungshof nicht herbeiführen, weil unterschiedliche Vorgehensweisen den in den Ländern verschiedenen Umsetzungsverfahren geschuldet seien. Hierzu wiederum seien die Länder nach dem durch das Grundgesetz gewährleisteten bundesstaatlichen Aufbau berechtigt.

32

Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 104a Abs. 4 GG a.F., wonach es bei Finanzhilfen keine örtlichen Prüfungs- und Erhebungsrechte des Bundesrechnungshofs gebe, sei auf Art. 104b GG übertragbar. Der Inhalt des Art. 104a Abs. 4 GG a.F. sei in Art. 104b GG übernommen und durch Regelungen ergänzt worden, die das Ziel verfolgten, den Einsatz von Finanzhilfen zu präzisieren und die Befugnisse des Bundes und der Länder klarer voneinander abzuschichten; allein der später angefügte Art. 104b Abs. 1 Satz 2 GG bilde insoweit eine Ausnahme. Keinesfalls hätten neue Ingerenzrechte des Bundes geschaffen werden sollen. Keine der Änderungen könne für erweiterte Rechte des Bundesrechnungshofs in Anspruch genommen werden. Das Unterrichtungsrecht des Art. 104b Abs. 3 GG, das im Übrigen nicht zur Informationsbeschaffung vor Ort berechtige, erwähne den Bundesrechnungshof ausdrücklich nicht. Die Pflicht zur regelmäßigen Überprüfung aus Art. 104b Abs. 2 Satz 2 GG sei eine materielle Pflicht, die die bislang schon geltende Kompetenzverteilung nicht verändert habe. Es liege außerhalb des Regelungsgegenstandes, örtliche Erhebungsrechte im Gegensatz zu den Verwaltungszuständigkeiten bei Investitionshilfen zu begründen.

33

Aus Art. 109 Abs. 1 GG ergebe sich, dass die Organe des jeweiligen Landes - einschließlich der Kommunen - Entscheidungen der Haushaltswirtschaft treffen könnten, ohne Kontrollen und Einwirkungen des Bundes zu unterliegen, die nicht ausdrücklich im Grundgesetz zugelassen seien. Die Einschränkung des Art. 104b GG betreffe allein den Grundsatz getrennter Finanzierung von Bundes- und Landesebene nach Art. 104a Abs. 1 GG. Kontroll- und Erhebungsrechte bei den Kommunen seien damit nicht verbunden.

V.

34

Zu dem Antrag haben sich der Deutsche Bundestag, die Bundesregierung, die Niedersächsische Landesregierung, der Bundesrechnungshof, die Landesrechnungshöfe mit Ausnahme des Landesrechnungshofs Mecklenburg-Vorpommern, der Deutsche Landkreistag und der Verband der bayerischen Bezirke geäußert. Gelegenheit zur Äußerung hatten außerdem der Bundesrat, die übrigen Landesregierungen und Senate, der deutsche Städtetag und der Deutsche Städte- und Gemeindebund.

35

1. Der Deutsche Bundestag hält den Antrag für unzulässig und unbegründet.

36

a) Der Normenkontrollantrag sei unzulässig, weil die Antragsteller dem Gesetzesbeschluss zugestimmt hätten und durch den Normenkontrollantrag ein im Gesetzgebungsverfahren zu lösendes Problem auf das Bundesverfassungsgericht verlagerten. Wenn Antragsteller ihre Möglichkeiten, die politische Entscheidung über eine bestimmte Frage zu beeinflussen, nicht nutzten, könnten sie dieselbe Frage nicht später dem Bundesverfassungsgericht vorlegen. Die von den Antragstellern vorgebrachte Eilbedürftigkeit des Gesetzgebungsverfahrens ändere daran nichts.

37

b) § 6a ZuInvG beruhe auf Art. 104b Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG. Dem Bund sollten diejenigen Informationen verschafft werden, die er für die erforderliche Feststellung der zweckentsprechenden Inanspruchnahme und Verwendung der Bundesmittel brauche. Damit werde vermieden, dass die Länder die Finanzmittel entgegen Art. 104b Abs. 1 GG für die Erledigung anderer Aufgaben verwendeten. § 6a ZuInvG schaffe die Voraussetzungen für eine Rückforderung zuviel verwendeter Fördermittel gemäß § 7 Abs. 1 ZuInvG.

38

c) § 6a Satz 1 ZuInvG sei verfassungsgemäß. Da die bisherige Praxis Schwächen gehabt habe, habe der Bund ein berechtigtes Interesse an denjenigen Informationen über die Verwendung der Finanzhilfen in den Ländern, die er brauche, um zu entscheiden, ob er von seinem Rückforderungsanspruch Gebrauch mache. Es bestehe die Gefahr, dass die zuständigen Stellen in den Ländern nicht an einer vollständigen Überprüfung interessiert seien. Die Berichtspflichten der Landesregierungen reichten nicht aus.

39

Es handle sich nicht um eine unzulässige Mischverwaltung.

40

Soweit das Bundesverfassungsgericht ausgesprochen habe, dass die Kontrolle des Bundesrechnungshofs nur bis zur Hingabe der Finanzhilfen an die Länder reiche, handle es sich um ein obiter dictum. Dem Bundesverfassungsgericht sei es darauf angekommen, den Befugnissen des Bundes bei der Auswahl von Projekten Grenzen zu setzen. Nach dem Zukunftsinvestitionsgesetz entschieden hingegen die Länder im Rahmen der Gesetzesvorgaben eigenständig, wofür sie die Bundesmittel einsetzten. Zu der Frage, ob Prüfungszuständigkeiten des Bundes durch den Bundesgesetzgeber festgelegt werden könnten, habe sich das Bundesverfassungsgericht nicht geäußert.

41

Dass der Bund selbst prüfe, ob die Finanzhilfen zweckentsprechend verwendet würden, stehe mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts im Einklang. Die Bundesexekutive dürfe danach einzelne Projekte von der Förderung ausschließen, wenn sie nicht der Zweckbindung der Finanzhilfen entsprächen oder zur Verwirklichung der angestrebten Ziele ungeeignet seien.

42

Zudem habe sich die Verfassungsrechtslage geändert. In Art. 104b GG seien die Grundlagen für ein neues Überwachungssystem aus Überprüfungs- und Informationspflichten gelegt worden. Die Überwachung der Zweckerreichung gemäß Art. 104b Abs. 2 und Abs. 3 GG sei Ausfluss des Erfordernisses der demokratischen Legitimation und darüber hinaus Teil der Haushaltsautonomie des Bundes. Wie die Überwachung geschehe, lege die Vorschrift nicht fest. Es müsse nicht aus verfassungsrechtlichen Gründen bei passiven Unterrichtungsrechten bleiben. Art. 104b Abs. 2 und 3 GG räume dem Bundesgesetzgeber einen Gestaltungsspielraum ein. Maßgeblich sei die Effektivität der Überwachung. Die bisherigen Erfahrungen legten eine intensivere Überwachung nahe.

43

Die Pflicht, die Mittel hinsichtlich ihrer Verwendung in regelmäßigen Zeitabständen zu überprüfen, richte sich an den Bund. Ebenso sei die Unterrichtung über die Prüfung der Verwendung von finanziellen Leistungen des Bundes grundsätzlich Aufgabe von Einrichtungen, die der Bund geschaffen habe. In § 6a Satz 1 ZuInvG sei nur das normiert worden, was früher bereits Gegenstand einer einvernehmlichen Regelung gewesen sei. Ein Eingriff in die Haushaltsautonomie der Länder liege nicht vor. Die Befugnis des Bundes sei auf Einzelfälle beschränkt. Vor diesem Hindergrund sei hinzunehmen, dass sich die Kommunen gegebenenfalls drei Prüfungsinstanzen ausgesetzt sähen. Die Entscheidungen der Länder darüber, für welche nach den gesetzlichen Vorgaben geeigneten Investitionen in ihrem Hoheitsgebiet die Finanzhilfen eingesetzt würden, würden durch den Bund nicht beeinflusst oder überprüft.

44

d) Auch § 6a Satz 3 und 4 ZuInvG sei verfassungsgemäß. Die Aufgabe des Bundesrechnungshofs sei in diesem Zusammenhang, gemäß Art. 114 Abs. 2 GG rechnungsunabhängig die Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes zu prüfen. Geprüft werden dürfe nur, ob die Finanzhilfen des Bundes in den Ländern ihren Zweck erreichten. Die Auswahlentscheidung der Länder unterliege nicht der Überprüfung. Dementsprechend werde in § 6a Satz 3 ZuInvG bloß von "prüfen" gesprochen, die in Satz 4 genannten Erhebungen seien ein notwendiger Teil der Prüfung. Über die Prüfungsergebnisse sei die Bundesregierung zu informieren, was zu einer Rückforderung gemäß § 7 ZuInvG führen könne. Gemäß Art. 104b Abs. 3 GG seien Deutscher Bundestag, Bundesregierung und Bundesrat auf Verlangen über die Durchführung der Maßnahmen und die erzielten Verbesserungen zu unterrichten. Dazu gehöre auch ein Bericht darüber, ob die Finanzhilfen zweckentsprechend verwendet worden seien.

45

Eine klare Trennung zwischen den Prüfungszuständigkeiten des Bundesrechnungshofs und der Landesrechnungshöfe gebe es im Falle der von Art. 104b GG ermöglichten Mitfinanzierung des Bundes im Landesbereich nicht. Sie sei nicht erforderlich, weil die Rechnungshöfe bloß prüfen und berichten könnten. Das Ausschließlichkeitsprinzip des Kompetenzrechts gelte uneingeschränkt nur für staatliches Handeln mit Entscheidungscharakter. Im Rahmen der Finanzkontrolle bedürfe es keiner strikten Abgrenzung zwischen den Kompetenzen des Bundesrechnungshofs und denen der Landesrechnungshöfe. Es gehe vielmehr darum, eine wirksame Finanzkontrolle zu ermöglichen. Die bloße Beobachtung und Ermittlung von Lebenssachverhalten sei keine Beaufsichtigung der Länder durch den Bund.

46

Das Bundesverwaltungsgericht sei für die Auftragsverwaltung davon ausgegangen, dass Finanzkontrollen des Bundesrechnungshofs im Bereich der Länder nicht von vornherein verfassungsrechtlich unzulässig seien, weil Art. 114 Abs. 2 Satz 1 GG ein Generalauftrag für eine effektive Finanzkontrolle zu entnehmen sei, der nur erfüllt werden könne, wenn dem Bundesrechnungshof auch gegenüber Landesfinanzbehörden Ermittlungsbefugnisse eingeräumt würden. Das müsse entsprechend für nicht zweckgemäß verwendete Finanzhilfen gelten.

47

Allerdings könne im Rahmen von Art. 104b GG nur geprüft werden, ob die Finanzmittel zweckentsprechend verwendet worden seien. Die Auswahlentscheidung der Länder sei der Überprüfung durch den Bundesrechnungshof nicht zugänglich. Im Rahmen der Entlastungsentscheidung gemäß Art. 114 Abs. 1 GG komme es auch darauf an, ob der Bund von der Rückforderungsbefugnis nach § 7 ZuInvG ordnungsgemäß Gebrauch gemacht habe. Zur Vorbereitung dieser Entscheidung habe der Bundesrechnungshof die Voraussetzungen für die Rückforderungsentscheidung eigenständig gemäß § 6a ZuInvG und nicht nur auf Grundlage der Mitteilung der Landesregierung zu prüfen.

48

Bei der Ausübung der dem Gesetzgeber durch Art. 104b GG eingeräumten Befugnis, dem Bundesrechnungshof ein Prüfungs- und Erhebungsrecht einzuräumen, müsse ein gerechter Ausgleich zwischen der Haushaltsautonomie und den Erfordernissen einer effektiven Finanzkontrolle gefunden werden. Dies sei dem Bundesgesetzgeber dadurch gelungen, dass eine gemeinsame Prüfung im Sinne von § 93 BHO festgeschrieben worden sei und der Bund die Informationsbefugnisse nur in Einzelfällen ausüben dürfe.

49

Nach Art. 104b Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz GG bestehe die Verpflichtung, die Bundesmittel hinsichtlich ihrer Verwendung in regelmäßigen Zeitabständen zu überprüfen. Verfassungsrechtlich spreche nichts dagegen, dass diese Überprüfung vom Bundesrechnungshof vorgenommen werde. Der Bundesgesetzgeber habe insofern einen Entscheidungsspielraum. Jedenfalls seien die Rechnungshöfe der Länder und die Rechnungsprüfungsämter der Kommunen nicht die sachnäheren Institutionen für die Überprüfung, da es um die Verwendung von Bundesmitteln gehe.

50

2. Nach Ansicht der Bundesregierung ist der Antrag aufgrund der Zustimmung im Bundesrat unzulässig und im Übrigen unbegründet.

51

a) Die Vorschrift des § 6a ZuInvG, die Befugnisse sowohl der obersten Bundesbehörde als auch des Bundesrechnungshofs regle, sei verfassungsgemäß. Es handle sich um eine verfassungskonforme Ausgestaltung des Art. 104b GG. Diese Vorschrift solle die Finanzierungsbefugnisse des Bundes im Kompetenzraum der Länder kanalisieren und steuern. Es sei ein System von Gesetzesfolgenevaluationen in das Grundgesetz aufgenommen worden. Die Kontrollkompetenzen zur Ausführung der Folgenabschätzung könnten nur beim Bund liegen. Den einzelnen Ländern sei es unmöglich, sich ein Gesamtbild mit Fakten in Bezug auf alle beteiligten Akteure und Ebenen zu machen. Ein effektives Kontrollinstrumentarium setze voraus, dass die relevanten Daten und Fakten nach einheitlichen Maßstäben erhoben würden. Kontrolliert und evaluiert werden solle die Gewährung einer Finanzhilfe insgesamt, die Länder seien mithin gar nicht Kontrollobjekte.

52

Eine so beschaffene Kontrolle werde durch § 6a ZuInvG verwirklicht und konkretisiert. Es habe nahe gelegen, neben dem Bundesfinanzministerium auch den Bundesrechnungshof mit der Informationserhebung zu betrauen.

53

Die Anforderungen aus den beiden verfassungsgerichtlichen Entscheidungen zu Art. 104a Abs. 4 GG a.F. würden eingehalten. Ihnen sei es darum gegangen, die Entscheidungsfreiheit der Länder zu wahren. Gemeint gewesen sei ein Bundeseinfluss im Sinne des Eingreifens in die Verwaltungsentscheidungen der Länder und der Lenkung. Mitentscheidungsrechte im Einzelfall maße sich der Bund aber vorliegend gerade nicht an. Ein Fall der Mischverwaltung liege nicht vor.

54

Von einer verbotenen Bundesaufsicht könne nicht gesprochen werden. Mangels Sanktionsmöglichkeiten regle § 6a ZuInvG bereits keinen Aufsichtstatbestand. Sofern es um die Informationsrechte gehe, stelle Art. 104b GG eine Ermächtigungsgrundlage dar.

55

b) Die dem Bundesrechnungshof eingeräumten Befugnisse seien verfassungsgemäß. Soweit das Bundesverfassungsgericht die Prüfungsbefugnisse des Bundesrechnungshofs "an der Landesgrenze" aufgehalten habe, stünden diese nicht tragenden Erwägungen im Zusammenhang mit der Forderung, dass dem Bund keine Eingriffs- und Lenkungsbefugnisse zugewiesen werden dürften. Solche Befugnisse würden jedoch durch Erhebungsrechte des Bundesrechnungshofs im Landesbereich gar nicht eingeräumt. Der Rechnungshof sei nicht Teil der Verwaltung, sondern eine nicht nahtlos in das Gewaltenteilungsschema passende Staatsfunktion eigener Art. Er besitze keine Sanktions- oder Lenkungsmöglichkeiten.

56

Art. 114 Abs. 2 Satz 3 GG verweise zur näheren Zuständigkeitsregelung auf Bundesgesetze. Unzutreffend sei, dass die Zuständigkeit des Bundesrechnungshofs ausschließlich, das heißt akzessorisch, den Verwaltungskompetenzen folge. Mit der Finanzierungszuständigkeit und der Ertragshoheit existierten spezifisch finanzverfassungsrechtliche bundesstaatliche Kompetenzen, die im übrigen Staatsrecht keine Entsprechung fänden. Die bundesstaatlichen Kompetenzen des Bundesrechnungshofs folgten einem sowohl Verwaltungs- als auch Finanzierungskompetenzen umfassenden Bereich. Im Bereich der Informationsgewinnung könnten die Verwaltungsräume von Bund und Ländern in ganz anderem Maße durchlässig sein als etwa im Bereich echter Mitwirkungs- oder Mitentscheidungsrechte.

57

Wenn hinsichtlich der Bundeskompetenzen für Finanzhilfen die gesamtwirtschaftliche Verantwortung beim Bund am besten aufgehoben sei, erscheine eine dieser korrespondierende Finanzkontrolle nicht fernliegend. Anzustreben sei eine möglichst wirksame Finanzkontrolle. Die Finanzhilfen nach Art. 104b GG lägen zwischen den Gemeinschaftsaufgaben und den ungebundenen Zuweisungen nach Art. 107 Abs. 2 oder Art. 106 Abs. 4 Satz 2 und 3 GG. Es handle sich um gebundene Zuweisungen. Folglich existierten hier Prüfungsbefugnisse; sie seien allerdings nicht derart umfassend wie die Prüfungsbefugnisse im Falle echter Mischverwaltung, also insbesondere bei den Gemeinschaftsaufgaben.

58

Der Bundesrechnungshof dürfe nur die finanzwirtschaftliche Seite auf der Grundlage der Planung seitens des Landes für den Bund als den Prüfungsadressaten prüfen. Die Haushalts- und Wirtschaftsführung der Länder als solche sei nicht Prüfungsgegenstand. Mehr sei von § 6a ZuInvG nicht intendiert. Es solle nicht in die Auswahlentscheidung eingegriffen werden. Es handle sich nicht um eine Prüfung der Länder oder Kommunen, sondern um eine Prüfung des Bundes bei den Ländern oder Kommunen. Das bilde exakt die gesamtstaatliche beziehungsweise gesamtwirtschaftliche Verantwortung des Bundes bei der Hingabe von Finanzhilfen auf der Ebene der Kontroll- und Informationsrechte ab. Der Bund dürfe Projekte von der Förderung ausschließen, die nicht der im Gesetz festgelegten Zweckbindung entsprächen oder gänzlich ungeeignet zur Erreichung der Ziele des Art. 104b GG seien. Der Erhebungs- und Prüfungsauftrag des Bundesrechnungshofs beziehe sich damit auf die Verwendung der Bundesmittel durch Prüfungen und Erhebungen bei den Ländern beziehungsweise ihren Untergliederungen.

59

Kommunale Kompetenzräume würden nicht verletzt. In den Entscheidungen zu Art. 104a Abs. 4 GG a.F. habe das Bundesverfassungsgericht dem Bund Lenkungsmittel gegenüber den Ländern mit Blick auf die Kommunen versagt. Um die Mittelvergabe gehe es in dem vorliegenden Streit jedoch nicht. Grundgesetzlich verbürgte Rechte der Länder würden nicht durch etwaige Prüfungen auf kommunaler Ebene verletzt. Es würden nicht die Länder oder Gemeinden geprüft, sondern es handle sich um Informationserhebungen, um die ordnungsgemäße Verwendung von Bundesmitteln in gesamtstaatlicher und gesamtwirtschaftlicher Verantwortung zu überprüfen und zu evaluieren.

60

3. Die Niedersächsische Landesregierung verweist auf die Entschließung des Bundesrates. Niedersachsen habe dem Gesetz zur Sicherung von Beschäftigung und Stabilität in Deutschland trotz der Zweifel an der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit des § 6a ZuInvG zugestimmt, weil hinsichtlich der konjunkturpolitischen Maßnahme Wirkungsverzögerungen hätten vermieden werden sollen. Die Ergebnisse der verzögerungslosen Umsetzung überwögen die Nachteile eines Abwartens bis zur Klärung verfassungsrechtlicher Grundsatzfragen deutlich. Die Rechtsposition des Bundesrates sei Bundestag und Bundesregierung stets bekannt gewesen und habe kein entgegenstehendes Vertrauen begründen können.

61

4. Der Bundesrechnungshof hält den Antrag für jedenfalls unbegründet.

62

a) Bei den bereits begonnenen Erhebungen sei das Erhebungskonzept darauf ausgerichtet, durch Anwendung einheitlicher Kriterien im gesamten Bundesgebiet aussagekräftige Ergebnisse zu erlangen. Die Erhebungsstellen seien zufällig ausgewählt. Nur auf diese Weise erhalte der Bundesrechnungshof ein repräsentatives bundesweites Bild über die Wirkungen des Handelns der Bundesregierung, des Zukunftsinvestitionsgesetzes und der Förderkriterien. Mit einer summarischen Kumulation von Prüfungserkenntnissen einzelner oder aller Landesrechnungshöfe ließe sich ein solches repräsentatives Bild nicht erzielen. Es sei zu erwarten, dass die Prüfungen der Landesrechnungshöfe hauptsächlich auf die fiskalischen Interessen des jeweiligen Landes ausgerichtet seien.

63

b) Aus Art. 104b Abs. 2 Satz 2 GG ergäben sich Prüfungskompetenzen des Bundes. Die Prüfungsergebnisse seien denjenigen Organen des Bundes mitzuteilen, die über die Finanzhilfen zu entscheiden hätten. Die Unterrichtung von Bundestag und Bundesrat über die Ergebnisse der Prüfung der Verwendung von Finanzhilfen, die den Ländern und Kommunen gewährt worden seien, sei nicht Aufgabe der Länder oder ihrer Rechnungshöfe, sondern von Bundesorganen und insbesondere des Bundesrechnungshofs. Die Unterrichtungspflicht der Länder sei durch die Spezialvorschrift des Art. 104b Abs. 3 GG auf die dort normierten Auskünfte beschränkt. Schon nach der bisherigen Staatspraxis sei der Bund im Falle von Finanzhilfen nicht auf ein negatives, passives Unterrichtungsrecht beschränkt gewesen. Zur Entstehungsgeschichte des Art. 104b Abs. 2 GG gehöre, dass der Präsident des Bundesrechnungshofs mehrfach darauf hingewiesen habe, dass sich die Sinnhaftigkeit und der Erfolg von Finanzhilfen aus den Unterlagen der obersten Landesbehörden nicht oder nur unzureichend erkennen ließen und dass die Landesrechnungshöfe aus einer anderen Interessenlage heraus tätig würden. In der Föderalismuskommission seien Äußerungen von Sachverständigen aufgegriffen worden, die auf Schwierigkeiten der Bedarfsbestimmung angesichts der Informationsasymmetrie zwischen Bund und Ländern und auf die Notwendigkeit einer Erfolgskontrolle hingewiesen hätten. Aus den Gesetzesmaterialien ergebe sich, dass zu der auf die Zielerreichung bezogenen Kontrolle die Feststellung der zweckentsprechenden Inanspruchnahme und Verwendung der Bundesmittel hinzutreten solle. Die Überprüfung der Verwendung müsse von Institutionen vorgenommen werden, die sowohl zur Feststellung der zweckentsprechenden Inanspruchnahme und Verwendung der Bundesmittel als auch zur Beurteilung der Erreichung der Ziele in der Lage seien, die mit den Finanzhilfen als gesamtstaatlich ausgerichtetem Steuerungsinstrument angestrebt würden.

64

Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Reichweite der Kontrollbefugnisse des Bundes im Falle des Art. 104a Abs. 4 GG a.F. bedürfe im Hinblick auf Art. 104b Abs. 2 Satz 2 GG der Modifikation.

65

c) Die Erhebungskompetenzen des Bundesrechnungshofs fänden in Art. 114 Abs. 2 GG eine Grundlage. Zwischen Prüfungs- und Erhebungskompetenz sei zu unterscheiden. Die bisherige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts beziehe sich nur auf die Prüfungskompetenz. Das Bundesverwaltungsgericht habe hinsichtlich der Verwaltung der Gemeinschaftssteuern entschieden, dass der Bundesrechnungshof zu örtlichen Erhebungen berechtigt sei. Die Landesbehörden seien dabei nicht Prüfungsadressat, sondern nur Erhebungsobjekt. Art. 114 Abs. 2 Satz 1 GG sei ein Generalauftrag für eine effektive Finanzkontrolle zu entnehmen, der nur erfüllt werden könne, wenn der Bundesrechnungshof auch gegenüber Landesfinanzbehörden Ermittlungsbefugnisse habe. Auch in der Bundesauftragsverwaltung außerhalb der Steuerverwaltung seien Erhebungen bei den Landesbehörden ständige Praxis. Weder Art. 114 Abs. 2 Satz 3 GG noch einer anderen Regelung des Grundgesetzes sei zu entnehmen, dass der Bundesrechnungshof nur zu Erhebungen bei den obersten Landesbehörden ermächtigt werden dürfte.

66

Soweit umstritten sei, ob die Erhebungsrechte des Bundesrechnungshofs in der Landesverwaltung durch Verwaltungskompetenzen des Bundes begrenzt würden, verdiene die Auffassung Zustimmung, die zwischen Finanzierungs- und Verwaltungskompetenzen unterscheide. Es bestehe eine eigene Finanzierungsverantwortung des Bundes, der der Bund nur gerecht werden könne, wenn ihm eine Kontrolle der Verwendung der bereitgestellten Finanzmittel ermöglicht werde. Das setze Erhebungen voraus.

67

Die Finanzhilfen gemäß Art. 104b Abs. 1 GG würden zwar nicht im Auftrag des Bundes, sondern in eigener Verantwortung der Länder verwaltet. Gleichwohl sei es zulässig, dem Bundesrechnungshof Erhebungsbefugnisse durch ein Gesetz auf der Grundlage des Art. 114 Abs. 2 Satz 3 GG einzuräumen. Dafür spreche das hohe Interesse des Bundes an einer effektiven Finanzkontrolle. Die auf die gesamtwirtschaftlichen Wirkungen ausgerichteten bundespolitischen Ziele der Verwendungsprüfung nach Art. 104b Abs. 2 Satz 2 GG könnten auf der Grundlage von Erhebungen, die allein von den Landesrechnungshöfen vorgenommen würden, nicht befriedigt werden. Im Falle der Finanzhilfen sei nur eine rechtzeitige Beratung des Parlaments geeignet, Nachsteuerungen zu ermöglichen. Dazu müsse der Bundesrechnungshof seinen Zeitplan selbst festlegen können. Der Bundesrechnungshof könne eine rechtzeitige Beratung des Parlaments nicht anders als durch örtliche Erhebungen in den Kommunen gewährleisten. Dem Anliegen des verfassungsändernden Gesetzgebers, die Zuständigkeiten von Bund und Ländern so weit wie möglich zu trennen, werde dadurch Rechnung getragen, dass Mischfinanzierungen abgebaut und Finanzhilfen auf Ausnahmefälle begrenzt würden. Die Kommunen würden durch Erhebungen nicht in gleichem Umfang belastet wie durch Prüfungen.

68

d) Der Grundsatz der Haushaltsautonomie stehe in einem Spannungsverhältnis zu dem Prüfungsauftrag aus Art. 104b Abs. 2 Satz 2 GG und der Unterrichtungspflicht aus Art. 104b Abs. 3 GG. Der Gesetzgeber habe hier einen Ausgleich zu schaffen. Dabei sei ihm ein gewisser Spielraum einzuräumen. Die Befugnisse des Bundesrechnungshofs bewirkten keinen schwerwiegenden Eingriff in die eigenständige Haushaltsführung der Länder. Nachteile könnten dann entstehen, wenn zweckwidrige Verwendungen festgestellt würden. Das gleiche gelte, wenn Erkenntnisse gewonnen würden, die eine Nachsteuerung durch den Bundesgesetzgeber nahelegten. Das Interesse, solche Konsequenzen zu vermeiden, sei aber kaum schutzwürdig. Die Belastung insbesondere der Kommunen sei gering. Demgegenüber habe das Interesse des Bundes, eine effektive Finanzkontrolle zu gewährleisten, hohes Gewicht. Auch die Befugnisse des Bundes nach § 6a Satz 1 ZuInvG seien Ergebnis einer sachgerechten Abwägung zwischen der Haushaltsautonomie und dem Prüfauftrag des Bundes gemäß Art. 104b Abs. 2 Satz 2 GG. Sie hätten praktische Bedeutung in Fällen, in denen sich konkrete Anhaltspunkte für zweckwidrige Verwendungen ergeben hätten. Hier sei die Informationsbeschaffung nur mit geringfügigen Belastungen verbunden, das Interesse an der Vermeidung der Aufdeckung zweckwidriger Verwendungen oder Zielverfehlungen nicht schutzwürdig, das Interesse des Bundes, die Beachtung der bundesrechtlichen Zweckvorgaben und die gesamtwirtschaftliche Zielerreichung zu gewährleisten, dagegen von hohem Gewicht.

69

5. Die Präsidentinnen und Präsidenten der Landesrechnungshöfe - mit Ausnahme des Landesrechnungshofs Mecklenburg-Vorpommern - sehen § 6a Satz 1, 3 und 4 ZuInvG als verfassungswidrig an. Die Finanzhilfen würden mit der Vereinnahmung in den Landeshaushalten zu Landesmitteln. Wie vom Bundesverfassungsgericht bereits entschieden, sei der Bundesrechnungshof nur bis zur Hingabe der Finanzhilfen an die Länder zuständig. Art. 104b GG habe die Zuständigkeiten und Finanzverantwortlichkeiten von Bund und Ländern deutlicher abgrenzen sollen. Erhebungsrechte seien von Prüfungsrechten nicht sinnvoll zu trennen. Die angegriffene Vorschrift schaffe neue, sich überschneidende Prüfungskompetenzen. Die Prüfung des Bundes gemäß Art. 104b Abs. 2 Satz 2 GG könne sich lediglich auf die Frage beziehen, ob die allgemeinen Voraussetzungen für den Abruf der Mittel vorlägen. Das habe anhand der von den Ländern bereitzustellenden Informationen und der Prüfungsfeststellungen der Rechnungshöfe der Länder zu geschehen.

70

Im Bereich der Finanzhilfen leite sich aus dem eigenverantwortlichen admi-nistrativen Vollzug das alleinige Prüfungsrecht der Landesrechnungshöfe auf den der Ministerialebene nachgeordneten Verwaltungsstufen ab. Die Haushaltsautonomie schließe gegenseitige Haushaltskontrollen aus und stehe einem über die Abrechnungsunterlagen hinausgehenden Prüfungsrecht des Bundesrechnungshofs bei den Landesministerien entgegen.

71

Soweit der Bundesrechnungshof im Gesetzgebungsverfahren die Einschätzung vertreten habe, die Prüfung durch die Rechnungshöfe der Länder sei nicht ausreichend, und hierfür Beispiele angeführt habe, treffe das nicht zu. Prüfungsfreie Räume habe es nicht gegeben.

72

6. Der Deutsche Landkreistag schließt sich den Ausführungen der Antragsteller an und ergänzt, der Bundesrechnungshof spreche zwar nur von Erhebungen, diese stünden aber nicht für sich, sondern würden bewertet und in Prüfergebnissen zusammengeführt. Die Prüftätigkeit bewirke bei den Kommunen eine erhebliche Verunsicherung. Während sich die Bundesverwaltung der direkten Kommunikation mit den Kommunen bewusst und ausdrücklich enthalten habe, solle nun bei der Prüfung der förderrelevanten Tatbestände der Bundesrechnungshof mit möglicherweise abweichenden Auslegungen auf kommunaler Ebene erheben können und Prüfergebnisse vorbereiten. Das trage nicht zur Rechtssicherheit für die auf kommunaler Ebene handelnden Akteure bei. Die Gefahr des Attentismus sollte mit Blick auf die konjunkturgerichtete Zielsetzung des Zukunftsinvestitionsgesetzes vermieden werden.

73

Die Annahme, nur durch die Einräumung zusätzlicher Erhebungsbefugnisse für den Bund könne ein zweckgerichteter Einsatz der Finanzhilfen sichergestellt werden, gehe fehl. Unterhalb der Bundesebene gebe es keine rechts- und prüffreien Räume. Die Prüfung durch den Bundesrechnungshof bis zur Hingabe der Finanzhilfen an die Länder und danach durch die Landesrechnungshöfe sei seit mehr als dreißig Jahren übliche Praxis. Sie sei, zusammen mit den Informationspflichten aus der Verwaltungsvereinbarung, ausreichend.

74

Eine Bundeskompetenz lasse sich nicht daraus ableiten, dass der Bund die Finanzhilfen zur Verfügung gestellt habe. Die Mitfinanzierungskompetenzen des Bundes drehten nicht den Grundsatz der Finanzverfassung als Folgeverfassung dergestalt um, dass die Sachkompetenzzuordnungen des Grundgesetzes und die daraus folgenden haushaltsrechtlichen Rechte und Pflichten außer Kraft gesetzt würden. Auch die in Art. 104b GG vorgesehenen Überprüfungs- und Unterrichtungspflichten führten nicht zu Durchgriffsmöglichkeiten des Bundes bis auf die kommunale Ebene. Durch Art. 104b Abs. 2 GG würden keine neuen Prüfkompetenzen des Bundes geschaffen. Die Vorschrift sei nicht Ausdruck einer bislang als unzureichend empfundenen Kontrolle im zweistufigen System. Die Überprüfung solle zusammen mit der geforderten degressiven Ausgestaltung einzig dazu dienen, Verkrustungen vorzubeugen und schematisch verfestigte Forderungen zu vermeiden. Es gehe vorrangig um das "Ob" der Finanzhilfe. Art. 104b Abs. 3 GG solle eine am Förderziel ausgerichtete Erfolgskontrolle ermöglichen und einen flexibleren und effizienteren Einsatz der Hilfe gewährleisten. Ein gesondertes Prüfungsrecht des Bundes gegenüber den kommunalen Gebietskörperschaften sei hiermit jedoch gleichfalls nicht verbunden.

75

7. Der Verband der bayerischen Bezirke macht sich im Wesentlichen die Antragsbegründung zu Eigen.

B.

76

Der Antrag ist zulässig. Der Zulässigkeit steht insbesondere nicht entgegen, dass die Antragsteller mit dem umfangreichen Gesetz zur Sicherung von Beschäftigung und Stabilität in Deutschland auch der zur Prüfung gestellten Vorschrift im Bundesrat zugestimmt haben. Der objektive Charakter des abstrakten Normenkontrollverfahrens macht die Antragsbefugten zu Garanten einer verfassungsgemäßen Rechtsordnung. Deshalb müssen sie sich nicht schon im Normentstehungsverfahren bei ihrer Stimmabgabe im Bundesrat schlüssig sein, ob sie später einen Antrag auf abstrakte Normenkontrolle stellen werden (BVerfGE 122, 1 <17>; vgl. BVerfGE 101, 158 <213>). Das Vorgehen der Antragsteller ist, zumal angesichts der zeitlichen Vorgaben für den Gesetzesvollzug (vgl. BVerfGE 41, 291 <305>), auch nicht missbräuchlich.

C.

77

Die Bestimmungen des § 6a Satz 1 und 4 ZuInvG sind mit der Verfassung teilweise unvereinbar, während § 6a Satz 3 ZuInvG bei zutreffender Auslegung mit dem Grundgesetz im Einklang steht.

I.

78

Für das Handeln der Bundesverwaltung nach § 6a Satz 1 ZuInvG besteht nur insoweit eine Bundeskompetenz, als der Bund bei den Landesverwaltungen - einschließlich nachgeordneter Stellen und Kommunalverwaltungen - auch im Rahmen örtlicher Erhebungen Berichte anfordern, Akten beiziehen und Unterlagen einsehen kann, wenn aufgrund konkreter Tatsachen im Einzelfall ein Anspruch nach § 7 Abs. 1 ZuInvG und Art. 104a Abs. 5 Satz 1 2. Halbsatz GG möglich erscheint.

79

1. Für das in § 6a Satz 1 ZuInvG vorgesehene Verwaltungshandeln des Bundes bedarf es eines grundgesetzlichen Kompetenztitels.

80

Die durch § 6a Satz 1 ZuInvG eingeräumten Befugnisse berühren den Grundsatz der Selbständigkeit und Unabhängigkeit der Haushaltswirtschaft von Bund und Ländern gemäß Art. 109 Abs. 1 GG (vgl. Meyer/Freese, NVwZ 2009, S. 609 <613>; vgl. auch BVerfGE 1, 117 <133>; 86, 148 <264>) und die Zuweisung der Erfüllung der staatlichen Aufgaben an die Länder gemäß Art. 30 GG. Indem § 6a Satz 1 ZuInvG es dem Bund ermöglicht, eine Rechtspflicht von Landesbehörden zur Information über ausgabenwirtschaftliche Vorgänge zu begründen, wird die grundsätzliche Länderkompetenz beeinträchtigt.

81

Der Regelung des § 6a Satz 1 ZuInvG steht allerdings entgegen der Ansicht der Antragsteller nicht das Verbot einer sogenannten Mischverwaltung entgegen. Zum einen hat allein die Zuordnung zum Begriff der Mischverwaltung keine verfassungsrechtlichen Konsequenzen, vielmehr bedarf es der Betrachtung der Kompetenzvorschriften im Einzelnen (vgl. BVerfGE 63, 1 <38>; 119, 331 <364 ff.>). Zum anderen kann die Bundesverwaltung auf der Grundlage des § 6a Satz 1 ZuInvG nur an Landesbehörden herantreten und für eigene Zwecke Informationen verlangen sowie bei ihnen Daten ermitteln. Damit fehlt bereits das eine Mischverwaltung kennzeichnende Element gemeinsamer Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben. § 6a Satz 1 ZuInvG räumt der Bundesverwaltung keinen Einfluss - sei es auch nur mittels bestimmter Formen des Zusammenwirkens (vgl. BVerfGE 119, 331 <367 ff.>) - auf Entscheidungen der Landesbehörden ein.

82

2. Weder Art. 104b noch Art. 84 Abs. 3 GG bieten eine Grundlage für das in § 6a Satz 1 ZuInvG vorgesehene Verwaltungshandeln. Eine auf die Vorbereitung der Durchsetzung von Haftungsansprüchen begrenzte Verwaltungskompetenz ergibt sich aber aus Art. 104a Abs. 5 Satz 1 2. Halbsatz GG.

83

a) Weder die Gesetzgebungskompetenz des Art. 104b Abs. 2 Satz 1 GG noch die Überprüfungspflicht und das Unterrichtungsrecht aus Art. 104b Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz und Abs. 3 GG oder die mit Finanzhilfen gemäß Art. 104b GG verbundenen Einwirkungsmöglichkeiten des Bundes gestatten Maßnahmen im Sinne des § 6a Satz 1 ZuInvG.

84

aa) Das Grundgesetz bestimmt in Art. 104b Abs. 1, unter welchen Voraussetzungen der Bund den Ländern und Gemeinden (Gemeindeverbänden) Finanzhilfen gewähren kann. Gemäß Art. 104b Abs. 2 Satz 1 GG wird das Nähere, insbesondere die Arten der zu fördernden Investitionen, durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, oder aufgrund des Bundeshaushaltsgesetzes durch Verwaltungsvereinbarung geregelt. Die Mittel sind nach Art. 104b Abs. 2 Satz 2 GG befristet zu gewähren und hinsichtlich ihrer Verwendung in regelmäßigen Zeitabständen zu überprüfen, nach Satz 3 sind die Finanzhilfen im Zeitablauf mit fallenden Jahresbeträgen zu gestalten. Art. 104b Abs. 3 GG sieht vor, dass Bundestag, Bundesregierung und Bundesrat auf Verlangen über die Durchführung der Maßnahmen und die erzielten Verbesserungen zu unterrichten sind.

85

Art. 104b Abs. 2 Satz 1 GG enthält keine Ermächtigung zu Regelungen, die der Bundesverwaltung Verwaltungsbefugnisse gegenüber den Ländern einräumen. Wenn das Grundgesetz wie in Art. 104b Abs. 2 Satz 1 GG dem Bund Regelungskompetenzen zuspricht, kann die Auslegung zwar ergeben, dass damit in bestimmtem Umfang Verwaltungskompetenzen des Bundes verbunden sein sollen. Hierauf kann aber nur bei hinreichend deutlichen Anhaltspunkten geschlossen werden. Solche Anhaltspunkte sind bei Art. 104b Abs. 2 Satz 1 GG nicht ersichtlich. Die Vorschrift lässt insbesondere nicht erkennen, welche Verwaltungsaufgaben dem Bund zugeordnet werden könnten und wie dessen Verwaltungskompetenzen im Übrigen einzugrenzen wären. Im Gegenteil sprechen die in Art. 104b Abs. 2 und 3 GG im Einzelnen behandelten Gegenstände und die Gesetzessystematik (dazu im Folgenden) deutlich dafür, dass die Ausgestaltungskompetenz des Art. 104b Abs. 2 Satz 1 GG ein Verwaltungshandeln des Bundes nicht umfasst.

86

bb) Auf Art. 104b Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz und Abs. 3 GG kann die in § 6a Satz 1 ZuInvG vorgesehene Befugnis des Bundes, weitergehende Nachweise zu verlangen und bei Ländern und Kommunen Bücher, Belege und sonstige Unterlagen einzusehen sowie örtliche Erhebungen durchzuführen, ebenfalls nicht gestützt werden.

87

(1) Die Pflicht zu regelmäßiger Überprüfung der Verwendung der Mittel gemäß Art. 104b Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz GG und das Unterrichtungsrecht gemäß Art. 104b Abs. 3 GG zielen vornehmlich auf eine erneute und gegebenenfalls wiederholte Beschäftigung mit der Frage, ob die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen der jeweiligen Finanzhilfe noch vorliegen und ob, auch wenn das der Fall ist, der politische Wille gebildet werden kann, sie abzuschaffen oder zu reduzieren. In diesem Zusammenhang können Fragen der gesamtwirtschaftlichen Effizienz sowie einer zielgenauen Auswahl der Förderbereiche von Interesse sein. Dagegen hat die Frage der zweckgemäßen Verausgabung von Mitteln für konkrete Einzelprojekte insoweit eine untergeordnete Bedeutung, die eine Informationsbeschaffung durch Bundesbehörden wie die hier zu beurteilende nicht rechtfertigen kann (vgl. Meyer/Freese, NVwZ 2009, S. 609 <613>; wohl auch von Arnim, in: Isensee/Kirchhof, HStR VI, 3. Aufl. 2008, § 138 Rn. 57).

88

Dass die Reduzierung einer zuvor eingeführten Finanzhilfe der vorrangige Zweck der in Art. 104b GG vorgesehenen Kontrollmechanismen ist, ergibt sich aus der Stellung der Vorschrift in der Finanzverfassung des Grundgesetzes und ihrer Einbettung in die Entwicklung der föderalen Strukturen. Finanzleistungen aus dem Bundeshaushalt an die Länder für Landesaufgaben, zu denen auch die Förderung von Investitionen der Gemeinden und Gemeindeverbände gehört, schaffen die Gefahr von Abhängigkeiten der Länder vom Bund. Sie gefährden damit die verfassungsrechtlich garantierte Eigenständigkeit der Länder, denen das Grundgesetz die volle Sach- und Finanzverantwortung für die ihnen obliegenden Aufgaben eingeräumt hat. In einem System, das darauf angelegt ist, eine der Aufgabenverteilung gerecht werdende Finanzausstattung der Länder zu erreichen, dürfen deshalb nach dem bundesstaatlichen Grundverhältnis zwischen Bund und Ländern Bundeszuschüsse in Form von Finanzhilfen für Landesaufgaben nur eine Ausnahme sein (BVerfGE 39, 96 <108>).

89

Finanzleistungen des Bundes an die Länder sind in zwei Reformschritten zurückgedrängt und verrechtlicht worden. In der Staatspraxis hatte sich nach 1949 ein "wild wucherndes Zuschusswesen" (Heun, in: Dreier, GG, Bd. 3, 2. Aufl. 2008, Art. 104b Rn. 1) in Form der Fondswirtschaft und anderer Mischfinanzierungen entwickelt. Die 1969 durchgeführte Finanzreform hatte die Bezuschussung von Landesaufgaben durch den Bund unter anderem in Art. 104a Abs. 4 GG a.F. verfassungsrechtlich institutionalisiert, verrechtlicht und in mehrfacher Hinsicht begrenzt. Die rechtliche Ausgestaltung des Zusammenwirkens von Bund und Ländern in Art. 104a Abs. 4 GG a.F. hatte zugleich die Grundlage für rechtliche Auseinandersetzungen im Konfliktfall geschaffen, um eine mit der bundesstaatlichen Ordnung des Grundgesetzes unvereinbare politische Abhängigkeit der Länder, die auf die Finanzhilfen des Bundes angewiesen sind und angebotene Bundesmittel aus politischen Gründen praktisch nicht ablehnen können, nach Möglichkeit zu verhindern (vgl. BVerfGE 39, 96 <110>). Im Rahmen der Föderalismusreform des Jahres 2006 wurden die Voraussetzungen für Finanzhilfen verschärft; dieses Instrument sollte auf seine eigentliche Zielrichtung, Bundesmittel gezielt und flexibel zur Behebung konkreter Problemlagen einzusetzen, zurückgeführt werden (vgl. BTDrucks 16/813, S. 10, 19). Soweit die Finanzierungskompetenz durch Einfügung des Art. 104b Abs. 1 Satz 2 GG im August 2009 wiederum erweitert worden ist, betrifft das nur Fallgestaltungen, in denen der Bund bei Naturkatastrophen oder näher qualifizierten außergewöhnlichen Notsituationen unter erleichterten Voraussetzungen Finanzhilfen gewähren können soll.

90

Der Einschränkung der Gewährung von Finanzhilfen dient auch Art. 104b Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz und Abs. 3 GG. Die Überprüfungspflicht des Art. 104b Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz GG steht in systematischem Zusammenhang mit den Pflichten zur Befristung gemäß Art. 104b Abs. 2 Satz 2 1. Halbsatz GG und zur Gestaltung mit fallenden Jahresbeträgen gemäß Art. 104b Abs. 2 Satz 3 GG. Diese Anforderungen dienen nicht einer Optimierung der Verwendung der Finanzhilfen im Einzelfall, sondern sollen ihre Verfestigung verhindern. Nichts anderes gilt für die Überprüfungspflicht. Sie ergänzt die Befristung und die degressive Staffelung, die bereits bei der Gewährung der Finanzhilfe durch Gesetz oder Verwaltungsvereinbarung vorzusehen sind, durch eine während der Laufzeit der Finanzhilfe andauernde Verpflichtung, die fortbestehende verfassungsrechtliche und finanzpolitische Rechtfertigung des Finanzierungsinstruments zu hinterfragen. Die Überprüfung im Sinne des Art. 104b Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz GG erfolgt nicht kontinuierlich - etwa in der Art einer weiteren Kontrolle anhand von Verwendungsnachweise -, sondern in regelmäßigen Zeitabständen. Damit wird unterstrichen, dass es bei dieser Überprüfung in erster Linie darum geht, die (makroökonomischen) Effekte des Mitteleinsatzes mit den Voraussetzungen der Gewährung der Finanzhilfen nach Art. 104b Abs. 1 Satz 1 GG und den in diesem Rahmen verfolgten finanzpolitischen Zielen zu vergleichen. Bereits die Zwecksetzung der Überprüfungspflicht lässt also erkennen, dass die Beschaffung von Informationen über die Durchführung der geförderten Maßnahmen im Rahmen des Art. 104b Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz GG ein allenfalls geringes Gewicht besitzt.

91

Diese Erwägung wird bestätigt durch die Systematik des Art. 104b GG. Soweit die der Überprüfung vorausgehende Unterrichtung über die Wirkung der Finanzhilfen einer rechtlichen Regelung bedarf, was namentlich im Verhältnis zu den Ländern der Fall ist, ist diese in Art. 104b Abs. 3 GG enthalten. Diese Bestimmung wäre überflüssig, wenn bereits Art. 104b Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz GG dem Bund Befugnisse zur Informationsbeschaffung einräumen würde. Die Auslegungsalternative, dass Art. 104b Abs. 3 GG lediglich Informationsrechte des Bundestages, der Bundesregierung und des Bundesrates in Bezug auf Daten hervorheben und absichern will, die dem Bund aufgrund eigener und umfassender Erhebungsbefugnisse und -pflichten gemäß Art. 104b Abs. 2 Satz 2 GG ohnehin zur Verfügung stehen, überzeugt nicht, weil die Verfassungsnorm dann keine eigene Bedeutung hätte.

92

Die Entstehungsgeschichte spricht eher für die durch Sinn und Zweck sowie die Gesetzessystematik nahegelegte Deutung des Art. 104b Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz und Abs. 3 GG. Die Überprüfungs- und Unterrichtungspflichten sind im Zusammenhang mit den Zielen der Föderalismusreform im Bereich der Finanzverfassung zu sehen. Durch Art. 104b GG sollten die Voraussetzungen für Finanzhilfen verschärft werden (vgl. BTDrucks 16/813, S. 10). Im Vorfeld der Grundgesetzänderung hatte die Bundesregierung die "Implementierung von Regelungen zur Evaluierung und Befristung" gefordert (Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung - Position der Bundesregierung vom 9. April 2003, S. 6, in: Deutscher Bundestag/Bundesrat Öffentlichkeitsarbeit, Dokumentation der Kommission von Bundestag und Bundesrat zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung, Zur Sache 1/2005, CD-ROM-Beilage). In den Beratungen der Bundesstaatskommission hatte es geheißen, zur Vermeidung schematisch verfestigter Dauersubventionierungen dürften Finanzhilfen zukünftig nur noch befristet gewährt werden; zugleich werde in der Verfassung zum Ausdruck gebracht, dass die Verwendung der Finanzhilfen in regelmäßigen Zeitabständen zu überprüfen sei. Das Instrument werde dadurch auf seine eigentliche Zielrichtung zurückgeführt, Bundesmittel gezielt und flexibel zur Behebung konkreter Problemlagen einzusetzen (Kröning/Runde, Vorschlag zur Neuregelung der Mischfinanzierungstatbestände der Art. 91a und 91b sowie Art. 104a Abs. 4 GG mit Erläuterungen vom 2. Juli 2004 , S. 1, 4; Kröning/Runde, Erläuterungen zu Kom-Drs. 57 vom 17. Juni 2004 , S. 1, 4; beide in: Deutscher Bundestag/Bundesrat Öffentlichkeitsarbeit, a.a.O.). Die Gesetzesbegründung führt aus, die vorgeschriebene Überprüfung der Verwendung der Finanzhilfen in regelmäßigen Zeitabständen solle sich neben der erforderlichen Feststellung der zweckentsprechenden Inanspruchnahme und Verwendung der Bundesmittel auch mit der Frage der Erreichung der mit der Finanzhilfengewährung angestrebten Ziele befassen. Das für Bundestag, Bundesregierung und Bundesrat vorgesehene Unterrichtungsrecht erstrecke sich auf die Information über Einzelheiten der mit Finanzhilfen geförderten Investitionsmaßnahmen sowie auf die mit der Finanzhilfengewährung erzielten Verbesserungen. Die Regelung ermögliche es, eine an dem jeweiligen Förderziel orientierte Erfolgskontrolle vorzunehmen und einen flexibleren und effizienteren Einsatz des gesamtstaatlich ausgerichteten Steuerungsinstruments der Finanzhilfen zu erreichen (BTDrucks 16/813, S. 19 f.).

93

Die Forderung nach Wirksamkeitskontrollen und Gesetzesevaluation hatte im Hinblick auf die allgemeinen Ziele der Föderalismusreform höheres Gewicht als die - eher als Routineangelegenheit vorausgesetzte - Feststellung der zweckentsprechenden Verwendung der Bundesmittel. Die Föderalismusreform wollte eine klarere Zuordnung der Finanzverantwortung erreichen. Sie verfolgte die Ziele der Entflechtung, Verantwortungsklarheit und Handlungsautonomie. Die Ebenen des Bundes und der Länder sollten in ihren Zuständigkeiten und Finanzverantwortlichkeiten deutlicher abgegrenzt werden. Finanzhilfen sollten wegen der durch sie bewirkten Verschränkung von Aufgaben- und Ausgabenzuständigkeiten und der Verengung der Spielräume für eigenverantwortliche Aufgabenwahrnehmung die Ausnahme bleiben. Insgesamt sollte die Reform demokratie- und effizienzhinderliche Verflechtungen zwischen Bund und Ländern abbauen und wieder klarere Verantwortlichkeiten schaffen (BTDrucks 16/813, S. 7 ff.). Dementsprechend findet die dieser Zielsetzung zuwiderlaufende Annahme, die Föderalismusreform habe die Vorschriften über Finanzhilfen verschärft, um den Bund mit Detailfragen der Subventionsverwaltung auf Landes- und Kommunalebene zu befassen, keinen maßgeblichen Rückhalt in den Materialien. Soweit der Bundesrechnungshof auf die Stellungnahme eines von der Bundesstaatskommission bestellten Sachverständigen verweist, der eine Erhöhung des Bundeseinflusses, um dem Selbstbedienungsdrang der Länder entgegenzuwirken, sowie eine stärkere Kontrolle der Wirkungen gefordert habe (vgl. H.-P. Schneider, Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung "Finanzbeziehungen" am 11. März 2004 , S. 15 f., in: Deutscher Bundestag/Bundesrat Öffentlichkeitsarbeit, a.a.O.), ist den Äußerungen der in den Prozess der Verfassungsänderung eingebundenen Organe nicht zu entnehmen, dass sie sich diese Sichtweise zu eigen gemacht und deswegen mit Art. 104b Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz und Abs. 3 GG die Vorstellung weitergehender Informationsbeschaffungsrechte des Bundes verbunden hätten.

94

(2) Die Annahme, dass Art. 104b Abs. 2 Satz 2 GG keine Informationsbeschaffungsbefugnisse des Bundes regelt, führt Grundsätze der bundesstaatlichen Ordnung konsequent fort, während die gegenteilige Auffassung zu ihnen in Widerspruch geriete. Dies zeigt die nähere Betrachtung der in Art. 104b Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG festgelegten Voraussetzungen und Rechtsfolgen.

95

(a) Die Pflicht zur Überprüfung aus Art. 104b Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz GG trifft diejenigen Organe, die über die Gewährung der Finanzhilfe entschieden haben. Das ist bei der Gewährung von Finanzhilfen durch ein Leistungsgesetz - wie bei der Prüfungs- und Anpassungspflicht in Bezug auf Sonderabgaben (vgl. BVerfGE 82, 159 <181>; 110, 370 <392>; stRspr) - der Gesetzgeber. Im Falle einer Verwaltungsvereinbarung ist jedenfalls die Bundesregierung zur Überprüfung verpflichtet. Die Überprüfung richtet sich auf das Fortbestehen der verfassungsrechtlichen und finanzpolitischen Rechtfertigung des Finanzierungsinstruments und mündet ein in eine - überwiegend von politischen Wertungen geprägte - Entscheidung des Gesetzgebers beziehungsweise der Bundesregierung. Art. 104b Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz GG äußert sich nicht dazu, wie die der Überprüfung zugrundeliegenden Tatsachen beschafft werden. Darin liegt kein - durch Auslegung des Begriffs "überprüfen" auszufüllendes - Regelungsdefizit, vielmehr wird die Informationsbeschaffung als ein der Prüfung vorangehender Schritt behandelt. Die Überprüfung soll ihrer Zielsetzung gemäß auf alle vorliegenden, insbesondere die auf der Grundlage des Art. 104b Abs. 3 GG beigebrachten Informationen und sachverständigen Bewertungen zugreifen.

96

Nach der bundesstaatlichen Ordnung des Grundgesetzes wird der Informationsfluss von den Ländern zum Bund üblicherweise durch die obersten Landesbehörden vermittelt (vgl. auch Hellermann, in: Starck, Föderalismusreform, 2007, Rn. 362). Die vermittelnde Stellung der Landesministerien zeigt sich etwa in Art. 84 Abs. 3 Satz 2 und Abs. 5 Satz 2 sowie in Art. 85 Abs. 3 Satz 2 GG. Art. 104b GG lässt nicht erkennen, dass abweichend von diesem Regelungsmodell eine Informationsbeschaffungsbefugnis des Bundes bei nachgeordneten Landesstellen zugelassen werden sollte. Damit folgt der verfassungsändernde Gesetzgeber dem Grundanliegen der Föderalismusreform 2006, die Zuständigkeiten von Bund und Ländern deutlicher abzugrenzen.

97

Befugnisse des Bundes zu aktiver Informationsbeschaffung über Art. 104b Abs. 3 GG hinaus folgen auch nicht etwa daraus, dass ohne sie die Frage, ob die Finanzhilfe die durch Art. 104b Abs. 1 Satz 1 GG festgelegten konjunktur- und strukturpolitischen Zwecke erfüllt, nicht sachgerecht beantwortet werden könnte. Es ist nicht ersichtlich, dass die durch die obersten Landesbehörden gemäß Art. 104b Abs. 3 GG vermittelten Informationen hierfür nicht ausreichen.

98

(b) Die Unterrichtung im Sinne des Art. 104b Abs. 3 GG besteht darin, dass der Verpflichtete Informationen zusammenstellt und berichtsmäßig zusammenfasst. Die Bundesorgane informieren sich nicht durch Ermittlungen selbst, vielmehr sind sie nach dem Wortlaut der Vorschrift zu unterrichten. In ihrem Unterrichtungsverlangen geben sie den Gegenstand der Unterrichtung an, nicht aber die Mittel der Informationsbeschaffung im Einzelnen. Adressat der Unterrichtungspflicht ist das jeweilige Land (vgl. Meyer, Die Föderalismusreform 2006, 2008, S. 279). Von der Bundesverwaltung können sich die in Art. 104b Abs. 3 GG genannten Bundesorgane ohnehin unterrichten lassen. In Art. 104b Abs. 3 GG gibt es keinen Anhaltspunkt dafür, dass den Bundesorganen in Abweichung von der üblichen bundesstaatlichen Ordnung die Befugnis eingeräumt werden soll, unmittelbar an nachgeordnete Landesstellen heranzutreten; Adressat der Regelung können daher weder nachgeordnete Stellen der unmittelbaren Landesverwaltung noch Gemeinden oder Gemeindeverbände sein, sondern nur die obersten Landesbehörden (vgl. Butzer, in: Kluth, Föderalismusreformgesetz, 2007, Art. 104b Rn. 29; Hellermann, in: Starck, Föderalismusreform, 2007, Rn. 362; Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein/Hofmann/Hopfauf, GG, 11. Aufl. 2008, Art. 104b Rn. 33; Heun, in: Dreier, GG, Bd. 3, 2. Aufl. 2008, Art. 104b Rn. 25).

99

(c) Darüber hinausgehende Mittel der Informationsbeschaffung können die Länder dem Bund auch nicht durch Verwaltungsvereinbarung einräumen; dem steht die abschließende Regelung der Materie in Art. 104b GG entgegen. Eine Verwaltungsvereinbarung kann zwar abstrakt-generelle Bestimmungen über Art und Gegenstand von Informationen enthalten, die die Länder dem Bund zu übermitteln haben (dazu unten C. I. 2. a) cc). Für eine unabhängig von einer Rechtspflicht vorgenommene Unterrichtung des Bundes durch ein Land bedarf es ebenfalls keiner Kompetenzgrundlage. Eine Vereinbarung zwischen Bund und Ländern, aufgrund deren die Bundesverwaltung konkret-individuell rechtsverbindlich bestimmen könnte, welche Landesbehörden mit welchen Mitteln Informationen bereitzustellen haben, oder die die Bundesverwaltung zu eigenen Ermittlungen ermächtigte, würde aber eine unzulässige Kompetenzverschiebung bewirken (vgl. BVerfGE 119, 331 <364 f.> m.w.N.).

100

(3) Die in § 6a Satz 1 ZuInvG geregelten Befugnisse des Bundes können danach nicht auf Art. 104b Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG gestützt werden.

101

Gemäß § 6a Satz 1 ZuInvG kann der Bund in Einzelfällen weitergehende Nachweise verlangen und bei Ländern und Kommunen Bücher, Belege und sonstige Unterlagen einsehen sowie örtliche Erhebungen durchführen. Die Vorschrift schafft eine Befugnis der Bundesverwaltung, nach ihrem Ermessen Nachweise erstellen und vorlegen zu lassen, Unterlagen einzusehen und am Sitz der betroffenen Stelle Erhebungen durchzuführen, bei denen außer der Vorlage von Unterlagen auch die Erteilung von Auskünften gefordert werden darf. Soweit die Vorschrift den Bund ermächtigt, sind, wie sich auch aus der Entstehungsgeschichte ergibt, die Bundesressorts gemeint (vgl. das Schreiben des Bundesrechnungshofs an den Vorsitzenden des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages vom 6. Februar 2009, S. 3, das im Haushaltsausschuss des Bundestages rezipiert wurde, vgl. Deutscher Bundestag, Haushaltsausschuss, Kurzprotokoll Nr. 16/93 vom 11. Februar 2009, S. 73 f.). Dies entspricht dem Sprachgebrauch in anderen Vorschriften des Zukunftsinvestitionsgesetzes. Hier wird mit "Bund" zwar auch der Bund allgemein als das Rechtssubjekt, das die Mittel bereitstellt, bezeichnet (z.B. § 1 Abs. 1, § 4 Abs. 1, § 6 ZuInvG); soweit aber das Verhalten von Bundesorganen gemeint ist, handelt es sich um solche der Exekutive (z.B. § 5 Satz 2, § 7 Abs. 1 ZuInvG). Die Formulierung "bei Ländern" in § 6a Satz 1 ZuInvG erfasst auch einen Zugriff des Bundes auf nachgeordnete Landesbehörden. Dies zeigt sich daran, dass nach derselben Vorschrift auch Erhebungen unmittelbar bei Kommunen durchgeführt werden können. § 6a Satz 1 ZuInvG bezweckt danach insgesamt, also auch im staatlichen Bereich, dass die Informationen ohne Einhaltung der Behördenhierarchie nach Wahl der Bundesverwaltung bei jeder Stelle angefordert werden können. "Weitergehend" sind Nachweise, die über das hinausgehen, was die Länder aufgrund der Verwaltungsvereinbarung von sich aus vorzulegen haben. Örtliche Erhebungen sind wie in § 94 Abs. 1 BHO Erhebungen vor Ort, insbesondere in den Räumlichkeiten der zur Informationsbeschaffung herangezogenen Stelle (vgl. auch Deutscher Bundestag, Haushaltsausschuss, Kurzprotokoll Nr. 16/93 vom 11. Februar 2009, S. 74 f.).

102

Art. 104b Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz GG verleiht der Bundesverwaltung keine Kompetenz, derartige Informationspflichten der Landesverwaltungen zu begründen. Das Unterrichtungsrecht des Art. 104b Abs. 3 GG schließt weder den Zugriff auf nachgeordnete Stellen und Kommunen ein, noch werden dem Bund damit Informationsbefugnisse eingeräumt, die über den Anspruch auf Unterrichtung zu einem von dem Berechtigten bezeichneten Gegenstand hinausgehen (vgl. auch Meyer/Freese, NVwZ 2009, S. 609 <613>). Weder die Einsicht in einzelne Unterlagen noch die Vorlage von Nachweisen entsprechen der berichtsmäßigen Zusammenstellung von Tatsachen, die in Art. 104b Abs. 3 GG vorgesehen ist.

103

cc) Die durch § 6a Satz 1 ZuInvG in Anspruch genommene Verwaltungskompetenz ergibt sich ferner nicht aus den Einwirkungsmöglichkeiten des Bundes, die bei der Gewährung von Finanzhilfen in Betracht kommen.

104

Das Bundesverfassungsgericht hat sich unter der Geltung des Art. 104a Abs. 4 GG a.F. zu den Grenzen des Bundeseinflusses auf die Auswahlentscheidungen der Länder im Rahmen von Programmen zur Investitionsförderung geäußert und entschieden, dass die Bundesexekutive nur dann einzelne Projekte von der Förderung ausschließen kann, wenn sie ihrer Art nach nicht der im Bundesgesetz festgelegten Zweckbindung der Finanzhilfen entsprechen oder gänzlich ungeeignet sind, zur Verwirklichung der mit den Bundeszuschüssen angestrebten Ziele des Art. 104a Abs. 4 Satz 1 GG a.F. beizutragen (vgl. BVerfGE 39, 96 <115, 118>). Der Ausschluss von Projekten bei programmwidriger Inanspruchnahme von Bundeszuschüssen setzt die Pflicht der Länder voraus, dem Bund die dazu erforderlichen Informationen rechtzeitig und vollständig zu liefern (vgl. BVerfGE 41, 291 <313>).

105

Unabhängig davon, ob - worüber hier nicht abschließend zu befinden ist - die zur früheren Rechtslage entwickelten Grundsätze unter der Geltung des Art. 104b GG weiterhin zu beachten sind, lassen sich aus ihnen die in § 6a Satz 1 ZuInvG vorgesehenen Befugnisse nicht ableiten. Die Kompetenz zur Prüfung von Förderungsausschlüssen umfasst nach diesen Grundsätzen nicht die Befugnis, Informationen aktiv, insbesondere vor Ort, zu erheben; aus ihr lässt sich allein die Kompetenz ableiten, die obersten Landesbehörden zur rechtzeitigen Vorlage der nötigen Informationen zu verpflichten. Diese Verpflichtung soll hier erfüllt werden durch die vierteljährlichen Berichte gemäß § 3 Abs. 2 VV-ZuInvG, die Förderlisten laufender Projekte, Kurzbeschreibungen der einzelnen Maßnahmen sowie Angaben über die Höhe des Investitionsvolumens, den kommunalbezogenen Anteil und die Höhe der Beteiligung des Bundes an der öffentlichen Finanzierung enthalten. Es ist nicht ersichtlich, inwiefern die in § 6a Satz 1 ZuInvG vorgesehenen darüber hinausgehenden Maßnahmen zur Wahrnehmung der dem Bund zukommenden Prüfungsbefugnis erforderlich sein könnten. Die durch Einsicht in Unterlagen, örtliche Erhebungen oder weitergehende Nachweise - also Nachweise, die über das hinausgehen, was die Länder aufgrund der Verwaltungsvereinbarung von sich aus vorzulegen haben - zu gewinnenden Erkenntnisse mögen einen statistischen Abgleich oder eine detaillierte und einzelfallorientierte Würdigung ermöglichen, beides gehört aber gerade nicht zu den dem Bund mit der Ausreichung von Finanzhilfen an die Länder verbundenen Aufgaben (zu Verwendungsnachweisen unten C. I. 2. d) aa) <2>).

106

b) § 6a Satz 1 ZuInvG kann nicht als Ausprägung der Bundesaufsicht gemäß Art. 84 Abs. 3 GG verstanden werden.

107

Allerdings sind auch Gesetze nach Art. 104b GG gemäß Art. 83 GG von den Ländern als eigene Angelegenheit auszuführen. Dem Bund kommt dabei die Bundesaufsicht nach Art. 84 GG zu. Er kann insbesondere die Rechte nach Art. 84 Abs. 3 und 4 GG wahrnehmen (vgl. BVerfGE 39, 96 <109>). § 6a Satz 1 ZuInvG steht jedoch mit dem Zweck der durch Art. 84 GG eingeräumten Bundeskompetenzen in keinem Zusammenhang. Art. 84 GG vermittelt zwischen der Gesetzgebungskompetenz des Bundes und der Verwaltungskompetenz der Länder, indem er dem Bund Einflussmöglichkeiten auf die Anwendung des von ihm gesetzten Rechts einräumt. Der Bund soll die Möglichkeit haben, auf eine einheitliche Geltung der Rechtsvorschriften hinzuwirken (vgl. BVerfGE 11, 6 <18>). Der Gesichtspunkt der Wirksamkeit des Gesetzesvollzugs tritt hinzu (vgl. BVerfGE 22, 180 <210>).

108

§ 6a Satz 1 ZuInvG ist hingegen nicht den allgemeinen Ingerenzrechten beim Vollzug der Bundesgesetze in Landeseigenverwaltung, sondern der externen Finanzkontrolle zuzuordnen. Die Vorschrift bezweckt nicht die Rückkopplung des Gesetzesvollzugs an die Absichten des Gesetzgebers und insbesondere nicht die grundsätzliche Einheitlichkeit des Gesetzesvollzugs, sondern eine Kontrolle der finanziellen Auswirkungen der gesetzgeberischen Entscheidung. Die Vorschrift hat nicht die inhaltliche Ausfüllung der Vorschriften des Zukunftsinvestitionsgesetzes durch die Länder im Auge, sondern die Ausgabenpraxis ihrer Verwaltungsbehörden. Die Bezugnahme der Paragraphenüberschrift auf die Sätze 3 und 4 zeigt, dass die Rechnungshofkontrolle im Zentrum der gesetzgeberischen Überlegungen stand. Das wird durch die Entstehungsgeschichte bestätigt (vgl. Deutscher Bundestag, Haushaltsausschuss, Kurzprotokoll Nr. 16/93 vom 11. Februar 2009, S. 73 f.; BTDrucks 16/11825, S. 7).

109

c) Die Amtshilfepflicht gemäß Art. 35 Abs. 1 GG kann zwar gewisse korrespondierende Auskunfts- und Akteneinsichtsrechte einschließen (vgl. BVerfGE 10, 20 <49>). Sie dient aber nicht einer allgemeinen oder bereichsbezogenen Kontrolltätigkeit des Bundes gegenüber den Ländern und bietet folglich ebenfalls keine Grundlage für das in § 6a Satz 1 ZuInvG vorgesehene Handeln der Bundesverwaltung.

110

d) Eine auf die Vorbereitung der Durchsetzung von Haftungsansprüchen begrenzte Verwaltungskompetenz ist Art. 104a Abs. 5 Satz 1 2. Halbsatz GG zu entnehmen. § 6a Satz 1 ZuInvG ist verfassungsgemäß, soweit die darin vorgesehenen Befugnisse der Wahrnehmung dieser Kompetenz dienen.

111

aa) Art. 104a Abs. 5 GG verleiht dem Bund neben einer Gesetzgebungskompetenz zur Bestimmung des Näheren auch eine Verwaltungskompetenz.

112

(1) Die Haftung nach Art. 104a Abs. 5 Satz 1 2. Halbsatz GG setzt eine nicht ordnungsmäßige Verwaltungstätigkeit voraus, die außer bei einem Lenkungsversagen von Regierung oder Parlament im Hinblick auf die Verwaltungstätigkeit auch dann vorliegt, wenn einzelne Verwaltungshandlungen fehlerhaft vorgenommen werden (vgl. BVerfGE 116, 271 <319 ff.>; BVerwGE 96, 45 <57>; 128, 99 <104>; BTDrucks V/2861, S. 52; Prokisch, in: Bonner Kommentar, Art. 104a Rn. 335 ; a.A. Stelkens, Verwaltungshaftungsrecht, 1998, S. 307 ff.). Der Gesetzgeber kann eine verschuldensunabhängige Haftung begründen (vgl. BVerfGE 116, 271 <322>; BVerwGE 96, 45 <57 f.>; 104, 29 <33>; 128, 99 <106>). Eine Beschränkung auf evidente oder grobe Rechtsverstöße kann dem Gesetzgebungsauftrag in Art. 104a Abs. 5 Satz 2 GG nicht entnommen werden (vgl. BVerfGE 116, 271 <315 f., 319 f.>; Rudisile, DÖV 1985, S. 909 <911>; a.A. Prokisch, a.a.O., Rn. 335 ff.). Das Ausführungsgesetz nach Art. 104a Abs. 5 Satz 2 GG braucht keine übergreifende Kodifizierung des Verwaltungshaftungsrechts zu sein; möglich - und jeweils an Art. 104a Abs. 5 GG zu messen - sind auch Teilausführungsregelungen im Zusammenhang bereichsspezifischer Sachregelungen (vgl. Prokisch, a.a.O., Rn. 313 f.).

113

(2) Art. 104a Abs. 5 GG eröffnet dem Bundesgesetzgeber jedenfalls die Möglichkeit, mit Zustimmung des Bundesrates der Bundesverwaltung die Befugnis einzuräumen, zum Zwecke der Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen eines Haftungsanspruchs und unter der Voraussetzung, dass aufgrund konkreter Tatsachen ein solcher Anspruch möglich erscheint, bei den Landesverwaltungen Berichte anzufordern, Akten beizuziehen und Unterlagen einzusehen; dazu kann die Bundesverwaltung - wenn entsprechende Hinweise vorliegen - sich unmittelbar an nachgeordnete Behörden auch der Länder und Kommunalverwaltungen wenden und örtliche Erhebungen durchführen.

114

(a) Art. 104a Abs. 5 Satz 1 2. Halbsatz GG sieht eine Haftungsregelung vor, die gerade auf das Auseinanderfallen von Verwaltungs- und Finanzierungszuständigkeit zugeschnitten ist (BVerfGE 116, 271 <312>). In dieser Situation kann der Bund häufig schon für die Erkenntnis, dass in einem konkreten Fall überhaupt ein Haftungsanspruch naheliegt, auf die bei einem Land vorliegenden Informationen angewiesen sein (vgl. BVerwGE 128, 99 <116>). Dass die Haftungsvoraussetzungen erfüllt sind, wird sich typischerweise nur aus den bei der Landesbehörde vorliegenden Unterlagen ergeben, über die der mitfinanzierende Bund nicht verfügt. Nicht zuletzt im Hinblick auf die engen Voraussetzungen, unter denen nach Art. 104b Abs. 1 GG Finanzhilfen gewährt werden dürfen, ist aber eine wirksame Geltendmachung von Rückforderungsansprüchen bei nicht zweckentsprechender Verwendung von Finanzhilfen geboten. Dazu bedarf die Bundesverwaltung nicht nur der - von den Ländern anerkannten und übermittelten - Informationen mittels standardisierter Verwendungsnachweise (vgl. im vorliegenden Zusammenhang § 4 VV-ZuInvG), sondern auch der Befugnis, ins Einzelne gehende weitere Informationen zu erlangen, soweit das für die Feststellung der Haftungsvoraussetzungen unumgänglich ist, und zwar gegebenenfalls auch gegen den Willen der betroffenen obersten Landesbehörde.

115

Es lässt sich nicht einwenden, der Bund bedürfe keiner aktiven, mit rechtlicher Bindungswirkung ausgestatteten Informationsbeschaffung, weil letztlich die Gerichte über Haftungsansprüche zu entscheiden hätten, und deshalb sei es nicht angezeigt, Art. 104a Abs. 5 Satz 1 2. Halbsatz GG eine entsprechende Verwaltungskompetenz zu entnehmen. Bund und Land stehen sich insbesondere im Vorfeld der gerichtlichen Durchsetzung streitiger Ansprüche nicht wie Zivilparteien gegenüber. Ihr Verhältnis ist durch das in Art. 104a Abs. 5 GG zum Ausdruck kommende gesamtstaatliche Interesse an der Rückabwicklung von materiell der Finanzverfassung zuwiderlaufenden Leistungen geprägt und möglichst streitvermeidend zu verstehen und auszugestalten. Dem dienen - vornehmlich gesetzlich klar ausgeformte - Informationsansprüche.

116

(b) Auch in Teilen der Literatur ist anerkannt, dass der Festlegung eines Haftungsanspruchs im Bund-Länder-Verhältnis Verwaltungskompetenzen des möglichen Gläubigers korrespondieren (vgl. Heitsch, Die Ausführung der Bundesgesetze durch die Länder, 2001, S. 404 ff.; Prokisch, a.a.O., Rn. 329; Schulze, DÖV 1972, S. 409 <414>; Stelkens, Verwaltungshaftungsrecht, 1998, S. 303 ff.). Soweit allerdings daraus gefolgert wird, die materiellen Voraussetzungen der Haftung müssten zur Vermeidung zu weit gehender Bundesbefugnisse einschränkend ausgelegt werden, ist dem nicht zu folgen. Vielmehr ist derartigen Gefahren durch verfahrensrechtliche Anforderungen zu begegnen.

117

Führen die Länder Bundesgesetze - wie im Falle von Finanzhilfen nach Art. 104b Abs. 1 GG - als eigene Angelegenheit aus (Art. 84 GG), sind die Eigenständigkeit der verwaltungsmäßigen Durchführung der Bundesgesetze durch die Länder auf der einen und die Wirksamkeit des Haftungsrechts sowie die föderale Gleichbehandlung bei der Behandlung von Haftungsfällen auf der anderen Seite zum Ausgleich zu bringen. Ein angemessener Ausgleich wird insbesondere dadurch erreicht, dass die Informationsbeschaffung des Bundes sich auf die konkreten Einzelfälle beschränkt, in denen das Informationsbedürfnis des Bundes besonders hervortreten wird. Hierdurch unterscheidet sich diese Verwaltungskompetenz schon im Ansatz von der anlassunabhängigen, auch auf die Beeinflussung des zukünftigen Gesetzesvollzugs zielenden Bundesaufsicht. Aufgrund zureichender tatsächlicher Anhaltspunkte muss die Möglichkeit bestehen, dass ein Haftungsanspruch unmittelbar aus Art. 104a Abs. 5 Satz 1 2. Halbsatz GG (vgl. BVerfGE 116, 271 <302 ff.>) oder nach einem aufgrund von Art. 104a Abs. 5 Satz 2 GG erlassenen Gesetz besteht. Die tatsächlichen Anhaltspunkte können sich insbesondere aus Meldungen ergeben, die die Länder von sich aus abzugeben haben, aber auch aus Bemerkungen der Landesrechnungshöfe und Erkenntnissen der kommunalen Finanzaufsicht oder Medienberichten. Liegen zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vor, so kann der Bund Informationen und Unterlagen von den Landesbehörden anfordern. Zu diesem begrenzten Zweck kann der Gesetzgeber aber auch die Sachverhaltserforschung am Sitz der Landesbehörde und bei nachgeordneten Behörden und Kommunen (örtliche Erhebungen) zulassen. Soweit es um Fragen des Einzelfalles geht und die Informationen gerade vor Ort vorliegen, spricht hierfür die Effektivität des Informationszugriffs. Zudem wiegt der Schutz des Binnenbereichs der Landesverwaltung vor Zugriffen des Bundes weniger schwer, wenn es nur um die Feststellung von in der Vergangenheit liegenden Umständen im Hinblick auf Haftungsansprüche in Einzelfällen geht.

118

bb) § 7 Abs. 1 ZuInvG regelt die Rückforderung von Finanzhilfen. Es handelt sich um eine gesetzliche Bestimmung des Näheren im Sinne des Art. 104a Abs. 5 Satz 2 GG für den Bereich der Finanzhilfen nach dem Zukunftsinvestitionsgesetz, in der die Fälle nicht ordnungsmäßiger Verwaltung als Haftungsvoraussetzungen normiert sind (Sätze 1, 2 und 8) und der Haftungsanspruch weiter ausgestaltet ist (Sätze 3 bis 7). § 6a Satz 1 ZuInvG ermöglicht in diesem Zusammenhang die Informationsbeschaffung der Bundesverwaltung im Vorfeld der Geltendmachung dieses Anspruchs. Für Aufklärungsmaßnahmen mit dieser Zwecksetzung besteht eine Bundeskompetenz gemäß Art. 104a Abs. 5 Satz 1 2. Halbsatz GG, soweit die in § 6a Satz 1 ZuInvG eingeräumte Befugnis auf Einzelfälle beschränkt bleibt, in denen aufgrund konkreter Tatsachen ein Rückforderungsanspruch möglich erscheint.

119

3. Soweit § 6a Satz 1 ZuInvG in dem dargestellten Rahmen ohne Verstoß gegen die föderale Kompetenzordnung zu Erhebungen bei Kommunen ermächtigt, verletzt die Bestimmung auch nicht die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung. Dabei kann offen bleiben, ob die Finanzhoheit der Gemeinden (Art. 28 Abs. 2 Satz 1 und 3 1. Halbsatz GG) und Gemeindeverbände (Art. 28 Abs. 2 Satz 2 und 3 1. Halbsatz GG) auch beeinträchtigt wird, wenn eine außenstehende Stelle über den Einsatz der Finanzmittel unterrichtet und ihr insbesondere Einsicht in Bücher und sonstige Unterlagen gewährt werden muss. Jedenfalls schränkt § 6a Satz 1 ZuInvG die Finanzhoheit in zulässiger Weise ein. Insbesondere im Hinblick auf den engen Anwendungsbereich der Norm bestehen keine Anhaltspunkte für eine generell unverhältnismäßige Belastung der Gemeinden und Gemeindeverbände, die gemäß § 6a Satz 2 ZuInVG auch im Einzelfall zu vermeiden ist.

II.

120

Die Ermächtigung des Bundesrechnungshofs zu Erhebungen nach § 6a Satz 4 ZuInvG findet in Art. 114 Abs. 2 GG nur zum Teil die erforderliche verfassungsrechtliche Rechtfertigung. Die mit dem Normenkontrollantrag ebenfalls angegriffene Vorschrift des § 6a Satz 3 ZuInvG berührt hingegen nicht die Kompetenz der Länder und ist nach Maßgabe der Gründe verfassungsgemäß.

121

1. Erhebungen des Bundesrechnungshofs bei Ländern und Kommunen gemäß § 6a Satz 4 ZuInvG berühren - anders als Prüfungen im Sinne des § 6a Satz 3 ZuInvG - die grundsätzliche Zuständigkeit der Länder und bedürfen daher einer Ermächtigung im Grundgesetz.

122

Der Bundesrechnungshof prüft nach § 6a Satz 3 ZuInvG gemeinsam mit dem jeweiligen Landesrechnungshof im Sinne von § 93 der Bundeshaushaltsordnung, ob die Finanzhilfen zweckentsprechend verwendet wurden. Dazu kann er auch Erhebungen bei Ländern und Kommunen durchführen (§ 6a Satz 4 ZuInvG). Der Gesetzgeber unterscheidet zwischen der Prüfung und der Erhebung. Prüfen bedeutet dabei, dass ein konkreter Sachverhalt festgestellt und in seinen finanzwirksamen Auswirkungen nach bestimmten Maßstäben bewertet wird (vgl. Dittrich, BHO, § 88 Anm. 9.2 ). Erheben ist ein Teil dieser Tätigkeit, nämlich die Sachverhaltsfeststellung durch das Ermitteln einzelner Tatsachen; diesem Begriff kommt gegenüber dem der Prüfung selbständige Bedeutung zu (vgl. BVerwGE 116, 92 <95>).

123

Die durch § 6a Satz 4 ZuInvG eingeräumte Befugnis zu Erhebungen bei Ländern und Kommunen beeinträchtigt den Grundsatz der Haushaltsautonomie gemäß Art. 109 Abs. 1 GG und die Zuweisung der Erfüllung der staatlichen Aufgaben an die Länder gemäß Art. 30 GG. Die Datenerhebung durch den Bundesrechnungshof ist unter dem Aspekt föderaler Zuständigkeitsverteilung nicht anders zu beurteilen als die Informationsbeschaffung seitens der Bundesverwaltung gemäß § 6a Satz 1 ZuInvG (oben C. I. 1.).

124

Der Prüfungsauftrag des § 6a Satz 3 ZuInvG berührt den Kompetenzbereich der Länder dagegen nicht. Nur Stellen des Bundes können Adressat der Prüfung durch den Bundesrechnungshof sein. Der Vorschrift ist weder zu entnehmen, dass die Haushalts- und Wirtschaftsführung der Länder zum Prüfungsgegenstand des Bundesrechnungshofs gemacht werden soll, noch dass Teile der Prüfungstätigkeit, insbesondere Erhebungen, im Länderbereich stattzufinden hätten. Wäre Letzteres bezweckt, so wäre § 6a Satz 4 ZuInvG überflüssig. Daran ändert die Einbeziehung von § 93 BHO nichts. Nach dem hier in erster Linie in Betracht zu ziehenden § 93 Abs. 1 Satz 1 BHO soll in Fällen, in denen sowohl der Bundesrechnungshof als auch ein Landesrechnungshof für die Prüfung zuständig ist, gemeinsam geprüft werden. Mit der gemeinsamen Prüfung, die insbesondere der Vermeidung von Doppelprüfungen dient, sind keine Zuständigkeitsverlagerungen verbunden, insbesondere wird keine Verpflichtung des jeweils anderen Rechnungshofs begründet, an der Prüfung mitzuwirken. § 6a Satz 3 ZuInvG hält daher den Bundesrechnungshof lediglich an, von dieser kooperativen und Verwaltungsressourcen schonenden Vorgehensweise nach Möglichkeit Gebrauch zu machen. Wann die Voraussetzungen dafür vorliegen, regelt § 6a Satz 3 ZuInvG nicht. Die Bezugnahme auf § 93 BHO stellt klar, dass die Vorschrift die für die Prüfungsformen des § 93 BHO erforderliche Zustimmung des Landesrechnungshofs nicht ersetzt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 5. Juli 2010 - 7 VR 5/10 -, Rn. 12).

125

Soweit § 6a Satz 3 ZuInvG den Bundesrechnungshof nur beauftragt zu prüfen, ob die Finanzhilfen zweckentsprechend verwendet wurden, könnte dies mit Art. 114 Abs. 2 Satz 1 GG unvereinbar sein, wonach der Bundesrechnungshof die Rechnung sowie die Wirtschaftlichkeit und Ordnungsgemäßheit der Haushalts- und Wirtschaftsführung prüft. § 6a Satz 3 ZuInvG ist jedoch nicht im Sinne einer Beschränkung der allgemeinen Prüfungsmaßstäbe des Bundesrechnungshofs zu verstehen. Die Norm benennt vielmehr, wie der Zusammenhang zeigt, zum Schutz der Länder einen eingeschränkten Erhebungsumfang im Blick auf § 6a Satz 4 ZuInvG und entfaltet darüber hinaus keine Rechtswirkungen.

126

2. Die in § 6a Satz 4 ZuInvG vorgesehenen Erhebungen des Bundesrechnungshofs können nicht auf Art. 104b Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz oder Abs. 3 GG und nur teilweise auf Art. 114 Abs. 2 Satz 1 GG gestützt werden.

127

a) Art. 104b Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz GG verpflichtet den Gesetzgeber des Finanzhilfen gewährenden Gesetzes zu einer Überprüfung, die ihren Schwerpunkt bei der Frage der verfassungsrechtlichen und finanzpolitischen Rechtfertigung der Finanzhilfe hat. Soweit die Überprüfung namentlich durch den Bundestag der Vorbereitung bedarf, spricht zwar nichts dagegen, hierzu auch den Bundesrechnungshof heranzuziehen. Diesem stehen aber ebenso wie den überprüfenden Organen selbst nur die allgemein vorliegenden sowie die gemäß Art. 104b Abs. 3 GG durch die obersten Landesbehörden beigebrachten Informationen zur Verfügung (vgl. Meyer/Freese, NVwZ 2009, S. 609 <613>; so wohl auch Meyer, Die Föderalismusreform 2006, 2008, S. 278). Art. 104b Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz GG lässt sich keine Ermächtigung dafür entnehmen, die der Überprüfung zugrunde liegenden Tatsachen vor Ort selbst zu beschaffen. Ebenso wenig gibt es einen Anhaltspunkt dafür, dass die Vorschrift dem Bundesrechnungshof eine Befugnis zur Sachverhaltserforschung im Länderbereich einräumen könnte. Art. 104b Abs. 3 GG nennt als Berechtigte ausdrücklich nur Bundestag, Bundesregierung und Bundesrat und kommt als Grundlage einer durch den Bundesrechnungshof wahrzunehmenden Kompetenz des Bundes nicht in Betracht.

128

b) Art. 114 Abs. 2 Satz 1 GG rechtfertigt Erhebungsbefugnisse des Bundesrechnungshofs bei Ländern und Kommunen im Falle der Gewährung von Finanzhilfen nur in dem Umfang, in dem dem Bund Verwaltungskompetenzen zukommen. Dies folgt aus einer Auslegung des Art. 114 Abs. 2 Satz 1 GG, die die dem Bundesrechnungshof gestellte Aufgabe mit der verfassungsrechtlich geschützten Haushaltsautonomie der Länder (Art. 109 Abs. 1 GG) in Ausgleich bringt. Nicht ausschlaggebend ist, ob der Bundesrechnungshof als Teil der Bundesexekutive anzusehen ist (vgl. zum Streitstand Groß, VerwArch 95 <2004>, S. 194 <200 ff.> m.w.N.).

129

aa) Art. 114 Abs. 2 Satz 1 GG schließt Erhebungen des Bundesrechnungshofs im Länderbereich nicht grundsätzlich aus. Angesichts der Verflechtung von Bundes- und Länderfinanzen in verschiedenen Teilbereichen der Finanzverfassung, namentlich bei den Gemeinschaftsaufgaben und den Finanzhilfen, bedarf der Bundesrechnungshof eines Instrumentariums der Informationsbeschaffung, um seine Aufgabe der Prüfung der Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes zu erfüllen. Mit diesem Interesse des Bundes muss jedoch die Haushaltsautonomie der Länder (Art. 109 Abs. 1 GG) in Ausgleich gebracht werden (vgl. Kube, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 114 Rn. 85 ; Schwarz, NdsVBl 2010, S. 7 <8>). Die Grenzen der Befugnisse des Bundesrechnungshofs im Verhältnis zu den Ländern sind der Verfassung zu entnehmen und daher Gegenstand der Auslegung des Art. 114 Abs. 2 Satz 1 GG. Der Gesetzgeber kann im Rahmen von Regelungen nach Art. 114 Abs. 2 Satz 3 GG diese Grenzen lediglich nachvollziehen. Dies hat auch deshalb zu gelten, weil Art. 114 Abs. 2 Satz 3 GG - etwa im Gegensatz zu Art. 104a Abs. 5 GG - kein Zustimmungserfordernis des Bundesrates kennt, so dass eine institutionelle Sicherung gegen eine Überbewertung der Bundesinteressen fehlt.

130

Der Bundesrechnungshof prüft gemäß Art. 114 Abs. 2 Satz 1 GG die Rechnung (Rechnungsprüfung) sowie die Wirtschaftlichkeit und Ordnungsmäßigkeit der Haushalts- und Wirtschaftsführung (rechnungsunabhängige Prüfung); im Übrigen werden seine Befugnisse durch Bundesgesetz geregelt (Art. 114 Abs. 2 Satz 3 GG). Auch wenn sich die Finanzkontrolle durch Rechnungshöfe in den letzten Jahrzehnten gewandelt hat (siehe unten C. II. 2. b) bb) <3>), hat die Gegenüberstellung des Interesses des Bundesrechnungshofs an effektiver Aufgabenerfüllung mit dem Anliegen der Länder an Wahrung ihrer Haushaltsautonomie von der seit 1969 unveränderten Aufgabenstellung in Art. 114 Abs. 2 GG auszugehen.

131

bb) Jedenfalls für die Finanzkontrolle hinsichtlich der Gewährung von Finanzhilfen ist die Befugnis des Bundesrechnungshofs zu Erhebungen im Länderbereich akzessorisch zur Kompetenz der Bundesverwaltung zu bestimmen (vgl. Blasius, DÖV 1992, S. 18 <22 f.>; Brockmeyer, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein/Hofmann/ Hopfauf, GG, 11. Aufl. 2008, Art. 114 Rn. 12d; Dittrich, BHO, § 91 Anm. 5 ; Eggeling, Finanzkontrolle im Bundesstaat, 1986, S. 85 f., 100; Kube, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 114 Rn. 88, 92 ; von Mutius/Nawrath, in: Heuer/Engels/Eibelshäuser, Kommentar zum Haushaltsrecht, Art. 114 GG Rn. 31 ; Nebel, in: Piduch, Bundeshaushaltsrecht, Art. 114 GG Rn. 23 ; Reger, DÖH 9 <1967/1968>, S. 129 <141 ff.>; Ruge, DÖV 1977, S. 523 <524>; Schwarz, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, 5. Aufl. 2005, Art. 114 Rn. 57 f.; Schwarz, NdsVBl 2010, S. 7 <8>).

132

(1) Der Bundesrechnungshof ist zum ersten mit der Prüfung der vom Bundesminister der Finanzen gemäß Art. 114 Abs. 1 GG gelegten Rechnung beauftragt. Unter den Maßstäben der Finanzkontrolle hat dabei die Ordnungsmäßigkeit besondere Bedeutung (vgl. Kube, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 114 Rn. 65 ; Schwarz, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, 5. Aufl. 2005, Art. 114 Rn. 81 ff.; Siekmann, in: Sachs, GG, 5. Aufl. 2009, Art. 114 Rn. 11). Diese Aufgabe des Bundesrechnungshofs ist nicht nur durch die Verfassung selbst festgelegt, sie hat auch besonderes rechtliches Gewicht. Denn während die Funktion des Haushaltskreislaufs im Übrigen von der Aufgabenerfüllung des Bundesrechnungshofs prinzipiell unabhängig ist, ist die Rechnungsprüfung Voraussetzung der Entlastung der Bundesregierung durch Bundestag und Bundesrat gemäß Art. 114 Abs. 1 GG.

133

Die Bedeutung der Rechnungsprüfung könnte weitreichende Einschränkungen der Haushaltsautonomie der Länder rechtfertigen. Indes ist nicht erkennbar, dass bei der Rechnungsprüfung Erhebungen bei Ländern und Kommunen nötig sein könnten, die über diejenigen Informationsrechte hinausgehen, die auch der Exekutive des Bundes gegenüber den Ländern zur Verfügung stehen. Bei der Rechnungsprüfung geht es allein um die Fehlerfreiheit der Rechnungslegung. Wo die Bundesexekutive keine Befugnisse zur Informationsbeschaffung im Länderbereich hatte, ist nicht zu erwarten, dass es zu Fehlern der Bundesexekutive hinsichtlich ihrer Rechnungslegung gekommen ist.

134

(2) Der ebenfalls mit Verfassungsrang ausgestattete Auftrag des Bundesrechnungshofs zur rechnungsunabhängigen Prüfung betrifft die Prüfung der gesamten Haushalts- und Wirtschaftsführung am Maßstab der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit, die sich auch auf die der Mittelbewirtschaftung vorausgehenden Verwaltungsentscheidungen bezieht. Adressat ist die Bundesexekutive. Nicht Prüfungsadressat der rechnungsunabhängigen Prüfung ist hingegen der Gesetzgeber hinsichtlich des Inhalts der von ihm erlassenen Gesetze (vgl. Dittrich, BHO, § 88 Anm. 9.1 ; Lange, in: Böning/von Mutius, Finanzkontrolle im repräsentativ-demokratischen System, 1990, S. 83 <85 ff.>; Reus/Mühlhausen, VR 2010, S. 1 <5>; S. Tiemann, Die staatsrechtliche Stellung der Finanzkontrolle des Bundes, 1974, S. 112; a.A. von Arnim, Wirtschaftlichkeit als Rechtsprinzip, 1988, S. 82 ff.; Degenhardt, VVDStRL 55 <1996>, S. 190 <205 f.>; Schulze-Fielitz, VVDStRL 55 <1996>, S. 231 <246>; alle m.w.N.). Die Festlegung des Gesetzesinhalts ist nicht Teil der Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes. Die Auswirkungen gesetzlicher Regelungen können lediglich Inhalt von Beratungen nach § 88 Abs. 2 BHO sein (vgl. Kube, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 114 Rn. 98 ; Nebel, in: Piduch, Bundeshaushaltsrecht, § 88 BHO Rn. 5 ). Daher bezieht sich insbesondere die Wirtschaftlichkeitskontrolle im Rahmen der rechnungsunabhängigen Prüfung auf die Ergebnisse der Tätigkeit der Bundesverwaltung und nicht auf die Wirtschaftlichkeit von Gesetzesinhalten.

135

Bei der rechnungsunabhängigen Prüfung sind zwar Erhebungen im Länderbereich eher denkbar als bei der Rechnungsprüfung, jedoch kann ihnen keine erhebliche Bedeutung beigemessen werden, so dass der Ausgleich des Finanzkontrollinteresses des Bundes mit der Haushaltsautonomie der Länder im Ergebnis lediglich verwaltungsakzessorische Befugnisse des Bundesrechnungshofs rechtfertigt. Die rechnungsunabhängige Prüfung ist in der Verfassung selbst vorgesehen und für eine demokratisch verantwortete Haushalts- und Wirtschaftsführung unabdingbar; sie hat daher hohes Gewicht. Andererseits ist die rechnungsunabhängige Prüfung von vornherein offener als die in den Haushaltskreislauf eingeschaltete Rechnungsprüfung und kann bereits aus Kapazitäts- und Praktikabilitätsgründen nicht auf Vollständigkeit angelegt sein, weshalb für die Berücksichtigung von Länderinteressen Raum ist, ohne dass auf Seiten des Bundes schwerwiegende Einbußen drohen.

136

Für die Ordnungsmäßigkeitsprüfung genügen überwiegend Erhebungen des Bundesrechnungshofs bei der Bundesverwaltung. Es ist zwar denkbar, dass Rechtsverstöße erst anhand von Unterlagen zutage treten, die bei Landesbehörden vorhanden sind. Die in ihnen enthaltenen Informationen werden aber in aller Regel der Bundesverwaltung im Rahmen ihrer Aufsichtsbefugnisse, die zumindest die Rechtsaufsicht nach Art. 84 Abs. 3 GG umfassen, zur Verfügung stehen. Der zusätzlich zu erwartende Nutzen, der durch den Zugriff auf weitere Informationen und durch die unmittelbare Erhebung bei nachgeordneten Landesbehörden und Kommunen zu erwarten ist, erscheint marginal und rechtfertigt nicht, die darin liegenden Eingriffe in die Zuständigkeit der Länder.

137

Nichts anderes gilt im Ergebnis für die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Verwaltung auf Bundesebene einschließlich der Erfolgskontrolle. Auch insoweit spricht nichts dafür, dass die auch der Bundesverwaltung zur Verfügung stehenden Mittel nicht ausreichen, um Informationen zu beschaffen. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass die Finanzkontrolle in nennenswertem Umfang von Informationen abhängig sein könnte, die bei den Ländern vorhanden sind und auf die die Bundesverwaltung keinen Zugriff hat. Selbst wenn insoweit Informationslücken verbleiben sollten, ist jedenfalls das resultierende Prüfungsdefizit zur Wahrung der Haushaltsautonomie der Länder hinzunehmen.

138

(3) Gemäß Art. 114 Abs. 2 Satz 3 GG kann der Gesetzgeber dem Bundesrechnungshof weitere Aufgaben übertragen. Dazu gehört insbesondere die Beratung (§ 88 Abs. 2 BHO) des Parlaments, die vor dem Hintergrund der 1969 eingeführten jährlichen Berichtspflicht gegenüber Bundestag und Bundesrat gemäß Art. 114 Abs. 2 Satz 2 GG und der damit verbundenen stärkeren Orientierung des Bundesrechnungshofs auf die gesetzgebenden Körperschaften hin zu sehen ist. Die Beratung kann die Wirtschaftlichkeit von Gesetzesinhalten zum Gegenstand haben und damit einen bedeutsamen Beitrag zur Gesetzesfolgenabschätzung leisten. Ein solcher Beitrag kann vor allem angesichts des in den letzten Jahrzehnten zu verzeichnenden Wandels der Rechnungshofkontrolle erwartet werden. Insoweit werden als Tendenzen genannt: von der Beleg- und Sparsamkeitsprüfung zur rechnungsunabhängigen Funktionsprüfung ganzer Verwaltungsabläufe, Organisationsformen und Betriebsstrukturen; von der Vollzugsprüfung zur Programmprüfung; von der Vollzugskritik zur Staatsaufgabenkritik; von der prüfenden Kritik zur gezielten Beratung der Politik; von der Vergangenheits- zur Zukunftsorientierung des Prüfungsauftrags; von der punktuellen zur prozesshaften Kritik; von der Erfolgskontrolle hin zum Institutionendesign (vgl. Hoffmann-Riem, in: Schmidt-Aßmann/Hoffmann-Riem, Verwaltungskontrolle, 2001, S. 73 <74 f.>; Schulze-Fielitz, VVDStRL 55 <1996>, S. 231 <245 ff.>). Auch wenn dem Bundesrechnungshof damit die Erarbeitung und Vermittlung von Themen, die für eine gute Gesetzgebung wesentlich sind, obliegen, gilt es für die Beantwortung der Frage, ob dies eigenständige Ingerenzrechte gegenüber den Ländern rechtfertigt, doch zu berücksichtigen, dass die Beratungsaufgabe des Bundesrechnungshofs, anders als die in Art. 114 Abs. 2 Satz 1 GG genannten Aufgaben, nicht von der Verfassung vorgegeben und damit von geringerem Gewicht ist als diese (vgl. Stern, Staatsrecht, Bd. 2, 1980, § 34 III. 1., S. 427). Vor diesem Hintergrund schafft die Verwaltungsakzessorietät der Bundesrechnungshofskompetenz im Hinblick auf Finanzhilfen einen angemessenen Ausgleich mit der Haushaltsautonomie der Länder.

139

Die Wirksamkeit der Finanzhilfen kann ohnehin nicht allein oder auch nur in erster Linie durch den Bundesrechnungshof bewertet werden. Die Gesetzesziele ergeben sich auf einer ersten Ebene aus Art. 104b Abs. 1 GG. Die Finanzhilfe dient der Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts, dem Ausgleich unterschiedlicher Wirtschaftskraft im Bundesgebiet oder der Förderung des wirtschaftlichen Wachstums; der Gesetzgeber konkretisiert diese Ziele im Hinblick auf die einzelnen Finanzhilfen. Eine diesbezügliche Erfolgskontrolle, ein Vorher-Nachher-Vergleich auf globaler, regionaler oder sektoraler Ebene, kann nur mit Methoden der empirischen Wirtschaftsforschung und angewandten Ökonometrie geleistet werden. Der Bundesrechnungshof betreibt nach eigener Bekundung aber keine empirische Wirtschaftsforschung (Bundesrechnungshof, Leitlinien für die Prüfung der Maßnahmen der Konjunkturpakete I und II, S. 3; Bundesrechnungshof, Basiskonzept Flächenerhebung - Kommunale Investorenebene -, Stand 25. Juni 2009, S. 5).

140

Auf einer zweiten Ebene ist es zwar von nicht geringer Bedeutung, ob die bei der Gewährung der Finanzhilfen rechtlich verbindlich festgelegten Vergabekriterien eingehalten worden sind. Erkenntnisse darüber können etwa für die Struktur und nähere Ausgestaltung künftiger Finanzhilfen hilfreich sein. Indes fehlt es an Anhaltspunkten dafür, dass die Informationen, die dem Bundesrechnungshof für die Prüfung der Wirtschaftlichkeit und Ordnungsmäßigkeit der Haushalts- und Wirtschaftsführung zur Verfügung stehen, insoweit nicht hinreichend aussagekräftig sind. Selbst wenn aber dem Bund durch die Beschränkung der Erhebungsbefugnisse des Bundesrechnungshofs bestimmte Daten nicht zugänglich sein sollten, ist zu bedenken, dass deren Berücksichtigung über die notwendige Beteiligung der Länder an der zukünftigen Gewährung von Finanzhilfen (Art. 104b Abs. 2 Satz 1 GG) ermöglicht wird.

141

Kommt dem Bundesinteresse an einer Datenerhebung des Bundesrechnungshofs zur Überprüfung von Finanzhilfen im Interesse künftiger Gesetzgebung demnach keine herausragende Bedeutung zu, stellt es einen angemessenen Ausgleich dar, wenn die Erhebungsbefugnisse des Bundesrechnungshofs auch insoweit auf den Umfang beschränkt werden, den die Informationsrechte der Bundesverwaltung haben. Die Verwaltungsakzessorietät fügt sich in den für die Rechnungsprüfung und die rechnungsunabhängige Prüfung gefundenen Ausgleich ein. Wirtschaftlichkeits- und Erfolgskontrollen sind grundsätzlich möglich. Die Informationsrechte, die die Bundesverwaltung und der Bundesrechnungshof haben, sind zwar nach Zweck und Mitteln begrenzt, aber keineswegs bedeutungslos. Andererseits bleibt die Eigenstaatlichkeit der Länder im Hinblick auf die Pflicht zur Information des Bundes in praktisch bedeutsamer Weise gewahrt.

142

cc) Die für weitergehende Erhebungsbefugnisse des Bundesrechnungshofs angeführten Gründe greifen nicht durch.

143

(1) Die Bestimmung der Reichweite der aus Art. 114 Abs. 2 Satz 1 GG abzuleitenden Befugnisse kann sich nicht allein von dem Ziel größtmöglicher Effektivität der Tätigkeit des Bundesrechnungshofs leiten lassen.

144

Es mag zutreffen, dass eine intensivere Überwachung der nachgeordneten Verwaltungsstellen die Anzahl der Verstöße gegen die gesetzliche Zweckbestimmung noch weiter verringert, als bei Ausnutzung der zu den Verwaltungskompetenzen des Bundes akzessorischen Befugnisse erreicht werden kann. Eine Datenerhebung nach einheitlichen, vom Bundesrechnungshof gesetzten und praktizierten Maßstäben dürfte es auch erleichtern, ein Gesamtbild von der Art und Weise des Gesetzesvollzuges zu gewinnen. Ferner wird eine frühere Beratung des Bundestages durch den Bundesrechnungshof realisierbar sein, wenn dieser die Prüfungsabläufe selbst festlegt. Dass die Landesrechnungshöfe die bundespolitisch motivierten Prüfinteressen nicht befriedigten und kein Interesse daran hätten, durch Prüfungen das Risiko einer Rückforderung der Finanzmittel zu begründen, erscheint zwar möglich, ist aber vor allem wegen des Eigenanteils der Länder an der Finanzierung nicht ohne Weiteres plausibel (zu Effektivitätsgesichtspunkten s. auch BVerwG, Beschluss vom 5. Juli 2010 - 7 VR 5/10 -, Rn. 14; Heuer, in: Zavelberg, Die Kontrolle der Staatsfinanzen, 1989, S. 181 <186>; Kammer, in: Heuer/Engels/Eibelshäuser, Kommentar zum Haushaltsrecht, § 91 BHO Rn. 7 ; Kammer, DVBl 1990, S. 555 <557>; Schäfer, in: Gedächtnisschrift für Friedrich Klein, 1977, S. 450 <459>). Es kann dahingestellt bleiben, in welchem Umfang diese Annahmen zutreffen - der Gesetzgeber des Zukunftsinvestitionsgesetzes hat sich jedenfalls von ihnen nicht leiten lassen, sondern in § 6a Satz 3 ZuInvG die gemeinsame Prüfung mit dem jeweiligen Landesrechnungshof vorgesehen -, denn es kommt nicht auf eine isolierte Würdigung von Effektivitätssteigerungen bei der Prüfung durch den Bundesrechnungshof an.

145

Bei der Auslegung des Art. 114 Abs. 2 Satz 1 GG ist, wie dargelegt, ein Ausgleich der Bundesinteressen mit der Haushaltsautonomie der Länder herbeizuführen. Das verbietet es, allein auf das Bundesinteresse abzustellen und einseitig die Effektivität der Bundesrechnungshofstätigkeit zu maximieren. In der bundesstaatlichen Kompetenzordnung können Effektivitätsgesichtspunkte nur dann ausschlaggebend sein, wenn die auszulegende Kompetenzvorschrift und ihr Zusammenhang mit weiteren Vorschriften hierfür ausreichende Anhaltspunkte bieten. Das ist bei Art. 114 Abs. 2 Satz 1 GG nicht der Fall. Den Aufgaben des Bundesrechnungshofs steht die verfassungsrechtliche Absicherung gegenläufiger Länderinteressen durch Art. 109 Abs. 1 GG gegenüber, ohne dass den Vorschriften eine Vorrangregel entnommen werden könnte. Der "Generalauftrag" für eine effektive Finanzkontrolle, den das Bundesverwaltungsgericht Art. 114 Abs. 2 Satz 1 GG entnimmt (vgl. BVerwGE 116, 92 <98>), bezeichnet daher nur eine der beiden zum Ausgleich zu bringenden Positionen. Aus dieser Qualifizierung folgt noch nicht, wie der Ausgleich zu erfolgen hat. Er kann daher bei den Finanzhilfen anders als bei der Bundesauftragsverwaltung ausfallen, bei der zudem eine weiterreichende Verwaltungskompetenz des Bundes besteht (vgl. Mähring, DÖV 2006, S. 195 <202>).

146

Ferner ist es nicht möglich, bei der Bestimmung der Zuständigkeiten des Bundesrechnungshofs im Sinne ihrer Effektuierung "großzügig" zu verfahren, weil dieser keine Entscheidungsbefugnisse habe und das Ausschließlichkeitsprinzip des Kompetenzrechts uneingeschränkt nur für staatliches Handeln mit Entscheidungscharakter gelte (vgl. Heintzen, in: von Münch/Kunig, GG, Bd. 3, 5. Aufl. 2003, Art. 114 Rn. 9). Dieser Ansatz verfehlt bereits Sinn und Zweck der Trennung der Verwaltungsräume von Bund und Ländern und die in Art. 109 Abs. 1 GG verankerte Selbständigkeit und Unabhängigkeit ihrer Haushaltswirtschaft. Jedenfalls greift er im Falle gesetzlicher Regelungen nicht, nach denen der Bundesrechnungshof befugt ist, Rechtspflichten der Landesbehörden und Kommunen zur Informationsherausgabe und zur Duldung von Erhebungen durch Verwaltungsakt (vgl. zu § 6a Satz 4 ZuInvG BVerwG, Beschluss vom 5. Juli 2010 - 7 VR 5/10 -, Rn. 11) zu begründen, also verbindlich zu entscheiden.

147

(2) Zu anderen Ergebnissen kann auch nicht die Ansicht führen, dass die Kompetenzen des Bundesrechnungshofs nicht von der Verwaltungs-, sondern von der Finanzierungskompetenz des Bundes her definiert werden müssten. Nach dieser Auffassung wird im Abschnitt X des Grundgesetzes ein ganzer Sachbereich mit Gesetzgebung, Verwaltung, Rechtsprechung, Haushaltsminister und Finanzkontrolle geregelt, der zusammengefasst als Finanzgewalt zu verstehen ist. Diese nehme Teile der drei herkömmlichen staatlichen Funktionen auf, gehe aber auch über sie hinaus, wie sich vor allem an der Institution des Bundesrechnungshofs zeige. Wo die Finanzierungskompetenz des Bundes, wie bei den Finanzhilfen, über seine Verwaltungskompetenzen hinausgehe, müsse die Erhebungskompetenz des Bundesrechnungshofs dem folgen (vgl. Kammer, DVBl 1990, S. 555 <558 f.>; Mähring, DÖV 2006, S. 195 <203>).

148

Dem ist entgegenzuhalten, dass es nicht entscheidend auf die Zuordnung der Tätigkeit des Bundesrechnungshofs zu den herkömmlichen Staatsfunktionen oder zu einer Finanzgewalt ankommt. Grundlage der Tätigkeit des Bundesrechnungshofs ist unabhängig davon Art. 114 Abs. 2 GG (vgl. auch Brockmeyer, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein/Hofmann/Hopfauf, GG, 11. Aufl. 2008, Art. 114 Rn. 12). Für die Bestimmung der Reichweite seiner Befugnisse gibt die Annahme einer Finanzgewalt nichts her. Insbesondere ergibt sich daraus nicht, dass der Bund Erhebungsbefugnisse im Hinblick auf die Gesamtheit der föderalen Finanzströme haben müsste (vgl. Eggeling, Finanzkontrolle im Bundesstaat, 1986, S. 86; Ruge, DÖV 1977, S. 523 <524>). Die Behauptung des Bestehens einer eigenständigen und gesondert zu würdigenden Finanzgewalt ist erkennbar von dem Anliegen getragen, die Kompetenzen des Bundesrechnungshofs möglichst effektiv zu gestalten. Im Hinblick auf die Effektivität der Rechnungshofstätigkeit gilt aber, dass deren verfassungsrechtliche Grenze unter Berücksichtigung des Informationsinteresses der Bundesorgane einerseits und der Länderautonomie andererseits sachangemessen und ausgewogen gezogen werden muss.

149

dd) Die Kompetenz des Bundes, durch seinen Rechnungshof Erhebungen im Länderbereich durchzuführen, folgt im Hinblick auf Finanzhilfen nach Art. 104b GG demnach den Verwaltungskompetenzen des Bundes gemäß Art. 84 Abs. 3 und Art. 104a Abs. 5 Satz 1 2. Halbsatz GG. Da die Verwaltungsakzessorietät als abstraktes Kriterium der Kompetenzbegrenzung dient, können dem Bundesrechnungshof dementsprechende Befugnisse unabhängig davon eingeräumt werden, welche konkreten Handlungsmöglichkeiten das Gesetz den Bundesbehörden eröffnet und ob diese hiervon Gebrauch machen.

150

(1) Der Bundesrechnungshof hat zunächst - akzessorisch zu Art. 84 Abs. 3 GG - die Befugnis, zum Zwecke der Feststellung von Rechtsverletzungen seitens der Landesbehörden bei den obersten Landesbehörden - nur mit deren Zustimmung oder Zustimmung des Bundesrates auch bei nachgeordneten Behörden - Erhebungen durchzuführen und Berichte anzufordern. Er kann sich von diesen Behörden Akten übersenden lassen, wenn konkrete Anhaltspunkte für einen Rechtsverstoß vorliegen. Diese Erhebungen müssen die Prüfung der Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes oder die Beratung des Bundesgesetzgebers bezwecken.

151

Zur Aufsichtskompetenz der Bundesverwaltung gemäß Art. 84 Abs. 3 GG gehört insbesondere die Möglichkeit der Aktenanforderung. Diese ist allerdings auf Fälle beschränkt, in denen es Anhaltspunkte für einen Rechtsverstoß gibt. Anders als Art. 85 Abs. 4 Satz 2 GG regelt Art. 84 Abs. 3 GG die Aktenvorlage nicht ausdrücklich. Zur Vermeidung eines mit der Ausführung der Bundesgesetze durch die Länder als eigene Angelegenheit (Art. 83 GG) unvereinbaren routinemäßigen Aktenvorlagewesens bedarf es der Eingrenzung des Rechts auf Aktenanforderung auf konkrete Verdachtsfälle (vgl. Hermes, in: Dreier, GG, Bd. 3, 2. Aufl. 2008, Art. 84 Rn. 98; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 10. Aufl. 2009, Art. 84 Rn. 19). Es hat damit nicht den gleichen Umfang wie bei der Bundesauftragsverwaltung (a.A. wohl Dittmann, in: Sachs, GG, 5. Aufl. 2009, Art. 84 Rn. 37), ist aber auch bei der Landeseigenverwaltung Teil der ungeschriebenen Informationsrechte zur Mängelfeststellung (a.A. Groß, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar zum GG, Art. 84 Rn. 45 ; Lerche, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 84 Rn. 164 ; Trute, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, 5. Aufl. 2005, Art. 84 Rn. 50). Die Akteneinsicht vor Ort durch den gemäß Art. 84 Abs. 3 Satz 2 GG entsandten Beauftragten bleibt hiervon unberührt.

152

(2) Entsprechend der Verwaltungskompetenz, die aus Art. 104a Abs. 5 Satz 1 2. Halbsatz GG abzuleiten ist, kann der Bundesrechnungshof außerdem zum Zwecke der Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen eines in einem Gesetz nach Art. 104a Abs. 5 Satz 2 GG bestimmten Haftungsanspruchs und unter der Bedingung, dass aufgrund von Tatsachen ein solcher Anspruch möglich erscheint, bei den Landesverwaltungen Berichte anfordern, Akten beiziehen und Unterlagen einsehen; dazu kann er sich unmittelbar an nachgeordnete Behörden und Kommunalverwaltungen wenden und örtliche Erhebungen durchführen.

153

(3) Aus den allgemeinen Einwirkungsmöglichkeiten der Bundesverwaltung bei der Gewährung von Finanzhilfen (siehe oben C. I. 2. a) cc) ergeben sich keine hierüber hinausgehenden Erhebungsrechte. Die Anwendbarkeit der zu Art. 104a GG a.F. entwickelten Grundsätze unterstellt, gilt insoweit, dass die Landesbehörden beim administrativen Vollzug der Bundesförderung der parlamentarischen Kontrolle und der Kontrolle des Rechnungshofs des Landes unterliegen, während die parlamentarische Kontrolle des Bundestages und die des Bundesrechnungshofs nur bis zur Hingabe der Finanzhilfen der Länder reicht. Prüfungszuständigkeiten des Bundes, die sich auf Planung, Durchführung und Auswirkungen des einzelnen Projektes beziehen, ergeben sich daraus nicht (BVerfGE 39, 96 <127>).

154

ee) Soweit die in § 6a Satz 4 ZuInvG vorgesehenen Erhebungen den Rahmen der Bundeskompetenz überschreiten, ist die Norm verfassungswidrig.

155

Kompetenzrechtlich unbedenklich ist es allerdings, dass Erhebungen, wie der Zusammenhang mit § 6a Satz 3 ZuInvG ergibt, zur Prüfung der zweckentsprechenden Verwendung der Finanzhilfen durchzuführen sind. Der Gesetzgeber hat dabei nicht auf allgemeine Zweckmäßigkeitsaspekte abgestellt. Der Zweck der Finanzhilfen nach dem Zukunftsinvestitionsgesetz ergibt sich vielmehr aus den Kriterien der Mittelvergabe, insbesondere aus den Förderbereichen gemäß § 3 Abs. 1 ZuInvG. Die zweckentsprechende Verwendung betrifft also einen Ausschnitt der Rechtmäßigkeit des Mitteleinsatzes. Diesbezügliche Erhebungen sind akzessorisch zur Rechtsaufsicht des Bundes, können aber auch mit einem Rückforderungsanspruch in Zusammenhang stehen. Allerdings müssen sie mit dieser Zielsetzung vorgenommen werden.

156

Diesen Vorgaben entsprechende örtliche Erhebungen sind bei den obersten Landesbehörden uneingeschränkt zulässig (vgl. Art. 84 Abs. 3 Satz 2 GG). § 6a Satz 4 ZuInvG beschränkt sich allerdings nicht auf derartige Erhebungen, sondern ermächtigt schlechthin zu Erhebungen. Die damit grundsätzlich ermöglichte Aktenanforderung überschreitet die Bundeskompetenz, soweit sie ohne konkrete Anhaltspunkte für einen Rechtsverstoß erfolgen kann und auch nicht auf tatsächliche Anhaltspunkte für einen Rückforderungsanspruch gestützt ist.

157

Erhebungen unmittelbar bei nachgeordneten Landesbehörden und Kommunen können dem Bundesrechnungshof von Verfassungs wegen nur dann gestattet werden, wenn entweder die Zustimmung der obersten Landesbehörde vorliegt beziehungsweise durch den Bundesrat ersetzt wurde (vgl. Art. 84 Abs. 3 Satz 2 2. Halbsatz GG) oder wenn aufgrund konkreter Tatsachen das Bestehen eines Anspruchs im Sinne des Art. 104a Abs. 5 Satz 1 2. Halbsatz GG möglich erscheint. Soweit § 6a Satz 4 ZuInvG auch ohne das Vorliegen einer dieser Voraussetzungen zu Erhebungen ermächtigt, fehlt die erforderliche Bundeskompetenz.

158

3. Aus Art. 28 Abs. 2 GG ergibt sich keine weitergehende Verfassungswidrigkeit des § 6a Satz 4 ZuInvG. Soweit die Vorschrift verfassungsgemäß ist, stellt sie keine unverhältnismäßige Beschränkung des Rechts auf kommunale Selbstverwaltung dar.

III.

159

Die teilweise Verfassungswidrigkeit des § 6a Satz 1 und 4 ZuInvG führt zur Erklärung der Teilnichtigkeit der Bestimmung nach Maßgabe der Entscheidungsformel (§ 78 Satz 1 BVerfGG). Mit dem Ausspruch der Teilnichtigkeit werden die Regelungsabsichten des Gesetzgebers, soweit wie möglich, respektiert, ohne dass ein von seinem Willen nicht gedeckter Regelungstorso entstünde (vgl. BVerfGE 88, 203 <333>).

Gründe

A.

1

Die Vorlage betrifft die Frage, ob die in § 104a Abs. 3 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes - AufenthG - getroffene Regelung, wonach Aufenthaltserlaubnisse nach § 104a Abs. 1 Satz 1 AufenthG Ausländern nicht erteilt werden, deren Familienmitglieder zu bestimmten Strafen verurteilt worden sind, mit Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 GG vereinbar ist.

I.

2

Nach § 104a Abs. 1 Satz 1 AufenthG soll einem geduldeten Ausländer abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn er sich zum 1. Juli 2007 seit mindestens acht Jahren oder, falls er zusammen mit einem oder mehreren minderjährigen Kindern in häuslicher Gemeinschaft lebt, seit mindestens sechs Jahren ununterbrochen geduldet, gestattet oder mit einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen im Bundesgebiet aufgehalten hat und die weiteren - in den Nummern 1 bis 6 bezeichneten - Voraussetzungen erfüllt sind. Unter anderem darf der Ausländer nicht wegen einer im Bundesgebiet begangenen vorsätzlichen Straftat verurteilt worden sein, wobei Geldstrafen von insgesamt bis zu 50 Tagessätzen oder bis zu 90 Tagessätzen wegen Straftaten, die nach dem Aufenthaltsgesetz oder dem Asylverfahrensgesetz nur von Ausländern begangen werden können, grundsätzlich außer Betracht bleiben (§ 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 AufenthG). Hat ein in häuslicher Gemeinschaft lebendes Familienmitglied solche Straftaten begangen, führt dies nach § 104a Abs. 3 Satz 1 AufenthG zur Versagung der Aufenthaltserlaubnis für andere Familienmitglieder. Dies gilt nach § 104a Abs. 3 Satz 2 AufenthG nicht für den Ehegatten des Ausländers, der die Straftaten begangen hat, wenn der Ehegatte die Voraussetzungen des § 104a Abs. 1 AufenthG im Übrigen erfüllt und es zur Vermeidung einer besonderen Härte erforderlich ist, ihm den weiteren Aufenthalt zu ermöglichen. Nach § 104b AufenthG kann einem am 1. Juli 2007 mindestens vierzehn Jahre alten minderjährigen ledigen Kind im Fall der Ausreise seiner Eltern oder des allein personensorgeberechtigten Elternteils, denen oder dem eine Aufenthaltserlaubnis nicht nach § 104a AufenthG erteilt oder verlängert wird, unter bestimmten Voraussetzungen eine eigenständige Aufenthaltserlaubnis erteilt werden.

II.

3

1. Die Kläger des Ausgangsverfahrens sind albanische Volkszugehörige aus dem Kosovo. Die 1976 geborene Klägerin zu 1. kam 1995 nach Deutschland, beantragte erfolglos Asyl und wird seit November 1998 geduldet. Sie schloss im August 2000 die Ehe mit dem Kläger zu 4. Die gemeinsamen Kinder, eine im Dezember 2000 geborene Tochter und ein im November 2004 geborener Sohn, sind die Kläger zu 2. und 3. Asylanträge der Kinder blieben 2005 ohne Erfolg. Die Familie lebt gemeinsam in Stuttgart.

4

2. Der 1974 geborene Kläger zu 4. reiste 1991 in das Bundesgebiet ein und stellte einen Asylantrag, der 1994 zur Anerkennung als Asylberechtigter und in der Folge zu einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis führte. Zwischen 1993 und 1996 wurde er drei Mal wegen Beihilfe zum Diebstahl, gemeinschaftlichen Betrugs und uneidlicher Falschaussage zu Geldstrafen in Höhe von 20, 35 und 90 Tagessätzen verurteilt. Wegen einer im August 1997 begangenen gefährlichen Körperverletzung wurde er 1998 in Albanien, wohin er zunächst geflohen war, festgenommen, nach Deutschland ausgeliefert und im September 1999 zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Im Jahr 2001 widerrief das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge die Asylanerkennung. Die im März 2002 verfügte Ausweisung ist seit Januar 2006 unanfechtbar.

5

3. Im Jahr 2002 gestellte Anträge der Klägerinnen zu 1. und 2. auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis sind abgelehnt worden; die Ablehnung ist seit November 2004 bestandskräftig. Ein Ersuchen der gesamten Familie an die Härtefallkommission des Landes Baden-Württemberg blieb 2006 ohne Erfolg.

6

4. Im Dezember 2006 beantragten die Kläger die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen nach der Bleiberechtsanordnung des Landes Baden-Württemberg, im November 2007 auch nach § 104a AufenthG. Die Ausländerbehörde lehnte die Anträge mit Verfügungen vom 10. Januar 2008 ab: Dem Ehemann und Vater stehe aufgrund Nummer 3.3 der Bleiberechtsanordnung kein Bleiberecht zu, da er wegen einer vorsätzlich begangenen Straftat verurteilt worden sei. Die Straftaten stellten auch einen Ausschlussgrund nach § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 AufenthG dar. Ehefrau und Kinder müssten sich diese Straftaten nach Nummer 3.5 der Bleiberechtsanordnung beziehungsweise § 104a Abs. 3 Satz 1 AufenthG als Ausschlussgrund zurechnen lassen. Eine besondere Härte nach § 104a Abs. 3 Satz 2 AufenthG liege hinsichtlich der Ehefrau nicht vor. Hinsichtlich der Kinder seien die Voraussetzungen des § 104b AufenthG nicht erfüllt. Die Widerspruchsbehörde wies die Widersprüche zurück und führte ergänzend aus, eine Ausreise des Ehemanns und Vaters führe nicht dazu, dass den anderen Familienmitgliedern eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden könne.

7

5. Das Verwaltungsgericht wies die Klagen mit Urteil vom 20. Januar 2009 ab. Hiergegen legten die Kläger die zugelassene Berufung ein, die sie im Wesentlichen damit begründeten, dass § 104a Abs. 3 Satz 1 AufenthG verfassungsrechtlich bedenklich sei. Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 24. Juni 2009 trennte der Verwaltungsgerichtshof das Verfahren des Klägers zu 4. ab und ordnete dessen Ruhen an.

8

6. Der Verwaltungsgerichtshof hat das Verfahren der Kläger zu 1. bis 3. nach Art. 100 Abs. 1 GG ausgesetzt und die Sache dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung der Frage vorgelegt, ob § 104 Abs. 3 Satz 1 AufenthG mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Der Verwaltungsgerichtshof sei von der Verfassungswidrigkeit der Norm überzeugt; sie verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 GG. Die aufgeworfenen Fragen seien auch entscheidungserheblich.

9

a) aa) § 104a Abs. 3 Satz 1 AufenthG erfasse seinem Wortlaut nach zwar auch volljährige Kinder und Geschwister, die noch in häuslicher Gemeinschaft mit den Eltern lebten. Das volljährige verheiratete Kind und seinen Ehegatten habe man aber aus systematischen Erwägungen aus dessen Anwendungsbereich herauszunehmen. Gehe man davon aus, dass § 104a Abs. 2 Satz 1 AufenthG eine Privilegierung für volljährige ledige Kinder darstelle, sei zudem eine verfassungskonforme Auslegung dahin möglich, dass eine Zurechnung zu Lasten der Volljährigen nicht erfolgen solle; in der umgekehrten Richtung sei die Zurechnung des strafbaren Verhaltens eines volljährigen Kindes jedoch zwingend.

10

In Fällen nicht-ehelicher häuslicher Lebensgemeinschaften finde eine Zurechnung von Straftaten nicht statt; anderes gelte nur, wenn es um solche Lebensgemeinschaften mit gemeinsamen Kindern gehe, oder im Verhältnis zwischen dem leiblichen Elternteil und seinen Kindern.

11

Lebenspartner gälten zwar nach § 11 Abs. 1 des Lebenspartnerschaftsgesetzes - LPartG - vom 16. Februar 2001 (BGBl I S. 266) als Familienangehörige, soweit keine spezialgesetzliche Regelung getroffen sei. Für Kapitel 2 Abschnitt 6 des Aufenthaltsgesetzes enthalte jedoch § 27 Abs. 2 AufenthG eine einschränkend abweichende Regelung, die eine Gleichstellung von Lebenspartnern in den sonstigen Bereichen, so auch im Kontext des § 104a AufenthG, ausschließe. Die in der Gesetzesbegründung dargelegte Auffassung, die ausländerrechtliche Zurechnung von Straftaten zwischen Lebenspartnern und eheähnlichen Gemeinschaften solle im Rahmen des Ermessens erfolgen, habe weder im Wortlaut noch in der Systematik einen genügenden Niederschlag gefunden. Jedenfalls führte sie zur Einräumung eines Regelanspruchs, so dass eine umfassende Ermessensentscheidung zu treffen wäre.

12

bb) Dieser Zurechnungsmechanismus verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 GG.

13

Zur Rechtfertigung einer familieneinheitlichen Betrachtungsweise könne nicht darauf abgestellt werden, dass bei einer anderen Sichtweise aus Art. 6 GG Ansprüche des straffälligen Familienmitglieds auf Legalisierung seines Aufenthalts erwachsen könnten. Stelle man die autonome Entscheidungsfreiheit der Ehegatten hinsichtlich der Gestaltung der ehelichen Lebensführung in den Vordergrund, ergäben sich dahingehende Ansprüche weder aus dem Aufenthaltsgesetz noch aus Art. 6 GG oder Art. 8 EMRK, weil die Ehe beziehungsweise die Familieneinheit ohne Weiteres im gemeinsamen Herkunftsland hergestellt werden könne. Die vorhandenen Ermessensspielräume könnten in Anbetracht des Umstandes, dass der Gesetzgeber grundsätzlich nicht zur Einräumung eines Aufenthaltsrechts verpflichtet sei, zu Lasten des straffälligen Ausländers ausgeübt werden.

14

In Fällen, in denen Ehegatten mit minderjährigen Kindern in häuslicher Gemeinschaft lebten, habe sich der Gesetzgeber zwar möglicherweise davon leiten lassen dürfen, dass die Kinder unter der gemeinsamen Personensorge der Eltern stünden und von daher eine einheitliche Betrachtung nicht fern liege. Bei der Zurechnung strafbaren Verhaltens des Volljährigen zu Lasten der Eltern und der minderjährigen Geschwister sowie umgekehrt eines strafbaren Verhaltens der Eltern oder eines minderjährigen Familienmitglieds zu Lasten des Volljährigen trage der Ansatz, die Familie als rechtliche und soziale Schicksalsgemeinschaft zu sehen, jedoch nicht als Rechtfertigungsgrund. Die rechtliche Autonomie des Volljährigen werde missachtet. Die Ungleichbehandlung gegenüber den volljährigen Kindern, die nicht mehr in der häuslichen Gemeinschaft leben, sei mangels ausreichend tragfähiger und einleuchtender Gründe nicht mehr sachlich gerechtfertigt.

15

Da Lebenspartner und bestimmte Konstellationen nicht-ehelicher Lebensgemeinschaften vom Zurechnungsmechanismus nicht erfasst würden, liege zudem eine mit Art. 6 Abs. 1 GG unvereinbare Diskriminierung der Ehe vor. Das gelte selbst dann, wenn man in Fällen einer Strafbarkeit innerhalb einer solchen Gemeinschaft von einer Atypik ausgehen wollte, da dann eine Ermessensentscheidung und nicht die zwingende Versagung - wie bei Ehegatten - die Folge wäre. Die Ungleichbehandlung finde statt zu nicht-ehelichen Lebensgemeinschaften mit nicht gemeinsamen Kindern im Verhältnis zum anderen Partner, der nicht Elternteil des Kindes sei. Im Falle der Straffälligkeit eines verheirateten Ehegatten beziehungsweise Elternteils mit Kindern liege eine Diskriminierung gegenüber der nicht-ehelichen Lebensgemeinschaft ohne Kinder vor. Denn Ehegatten dürften nicht schlechter gestellt werden, nur weil sie auch noch Kinder hätten; wenn sie keine hätten, würden sie offensichtlich in unzulässiger Weise schlechter behandelt. In Fällen kinderloser, in ehelicher Gemeinschaft Lebender sei die spezifisch geschützte autonome Entscheidungsfreiheit der Ehegatten hinsichtlich der Eheführung und deren räumlicher Ausgestaltung verletzt. Es gebe keinen rechtfertigenden Grund dafür, diese Entscheidungsfreiheit nicht anzuerkennen. Es werde auch als völlig selbstverständlich angesehen, dass Ehegatten ihr Nachzugsrecht aus § 30 AufenthG nicht ausnutzen müssten, und dass dies ohne Einfluss auf das Aufenthaltsrecht des im Bundesgebiet lebenden Ehegatten sei.

16

Einer verfassungskonformen Auslegung der Norm stünden - von dem Fall der Zurechnung beim Volljährigen abgesehen - der klare Wortlaut und der verlautbarte Wille des Gesetzgebers entgegen.

17

b) Die aufgeworfenen Fragen seien entscheidungserheblich. Die Kläger erfüllten alle übrigen Voraussetzungen für die Erteilung eines Titels nach § 104a AufenthG jedenfalls in der Weise, dass die Ausländerbehörde eine erneute (Ermessens-) Entscheidung zu treffen habe. Da der Kläger zu 4. den zwingenden Versagungsgrund des § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 AufenthG erfülle und mit den Klägern zu 1. bis 3. in häuslicher Gemeinschaft lebe, sei die Klage wegen § 104a Abs. 3 Satz 1 AufenthG abzuweisen, wenn die Norm anzuwenden wäre.

18

Dass die Kläger nicht im Besitz gültiger Pässe seien und auch keine beantragt hätten, erfülle den zwingenden Versagungsgrund des § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG nicht, da die Klägerin zu 1. von der Behörde nicht wiederholt zur Passbeschaffung aufgefordert worden sei. Von der Passpflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG könne im Ermessenswege nach § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG, der auf Aufenthaltstitel nach § 104a Abs. 1 Satz 3 AufenthG anwendbar sei, abgesehen werden.

19

Unschädlich sei auch, dass der Lebensunterhalt der Kläger bislang nur bei Berücksichtigung der Beiträge des Klägers zu 4. gesichert gewesen sei und diese Beiträge zukünftig entfallen könnten. Denn bis zum 31. Dezember 2009 sei die Aufenthaltserlaubnis auch dann zu erteilen, wenn der Lebensunterhalt noch nicht gesichert sei. Zwar sei davon eine Ausnahme zu machen, wenn bereits zum Zeitpunkt der erstmaligen Erteilung prognostiziert werden könne, dass im Jahre 2009 keine überwiegende eigenständige Sicherung erfolge oder jedenfalls nach dem 31. Dezember 2011 keine eigenständige Sicherung möglich sein und auch kein Härtefall im Sinne des § 104a Abs. 6 AufenthG vorliegen werde; die Ausländerbehörde müsse dann nach Ermessen entscheiden. Entscheidend gegen einen solchen Ausnahmefall spreche jedoch, dass der Klägerin zu 1. aufgrund der gesetzlichen Bestimmung nicht hinreichend deutlich gewesen sei, den Familienunterhalt sicherstellen zu müssen, was ihr nunmehr aber möglich und zumutbar sein werde, da der Kläger zu 3. vier Jahre alt sei; die Klägerin zu 1. habe durch Aufnahme der Erwerbstätigkeit erste Schritte in diese Richtung unternommen. Was die spätere Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis angehe, spreche alles dafür, aus Gründen der Systemgerechtigkeit und der Gewährung effektiven Rechtsschutzes die Anforderungen nach § 104a Abs. 5 Satz 2 AufenthG grundlegend zu modifizieren, wenn der erstmalige Titel aufgrund gerichtlichen Rechtsschutzes erst im Jahre 2009 oder sogar noch viele Jahre später erteilt werde. In Anbetracht des Erwerbseinkommens der Klägerin zu 1. könne nicht hinreichend sicher ausgeschlossen werden, dass im künftigen Verlängerungsfall mit einem bloß vorübergehenden und ergänzenden Sozialhilfebezug die Voraussetzungen des § 104a Abs. 6 Satz 2 Nr. 2 AufenthG vorliegen würden.

20

Ein Härtefall im Sinne des § 104a Abs. 3 Satz 2 AufenthG, der eine Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis an die Klägerin zu 1. erlaubte, liege nicht vor. Den Klägern stehe auch nach anderen Vorschriften kein Aufenthaltstitel zu.

B.

21

Die Vorlage ist unzulässig. Sie verfehlt die Begründungsanforderungen des § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG.


I.

22

Ein Gericht kann eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungsmäßigkeit einer gesetzlichen Vorschrift nach Art. 100 Abs. 1 GG nur einholen, wenn es zuvor sowohl die Entscheidungserheblichkeit der Vorschrift als auch ihre Verfassungsmäßigkeit sorgfältig geprüft hat (vgl. BVerfGE 86, 71 <76>). Das vorlegende Gericht muss hierzu zum einen mit hinreichender Deutlichkeit darlegen, dass es im Falle der Gültigkeit der für verfassungswidrig gehaltenen Rechtsvorschrift zu einem anderen Ergebnis kommen würde als im Falle ihrer Ungültigkeit und wie es dieses Ergebnis begründen würde (vgl. BVerfGE 7, 171 <173 f.>; 121, 233 <237 f.>; stRspr). Zum anderen muss es die für seine Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit der Norm maßgeblichen Erwägungen nachvollziehbar und erschöpfend darlegen (vgl. BVerfGE 78, 165 <171 f.>; 86, 71 <78>; 88, 70 <74>; 88, 198 <201>; 93, 121 <132>). Es muss deutlich machen, mit welchem verfassungsrechtlichen Grundsatz die zur Prüfung gestellte Regelung seiner Ansicht nach nicht vereinbar ist und aus welchen Gründen es zu dieser Auffassung gelangt ist. Dabei muss es sich intensiv mit der einfachen Rechtslage auseinandersetzen, auf naheliegende tatsächliche und rechtliche Gesichtspunkte eingehen und die in Rechtsprechung und Schrifttum vertretenen Auffassungen ebenso verarbeiten wie die Entstehungsgeschichte der betreffenden Norm (vgl. BVerfGE 86, 71 <77 f.>; 88, 198 <201>; 89, 329 <336 f.>; 97, 49 <60>; 105, 48 <56>).

II.

23

Diesen Anforderungen genügt der Vorlagebeschluss nicht.

24

1. Der Verwaltungsgerichtshof legt bereits nicht hinreichend dar, dass es für die Entscheidung des Ausgangsverfahrens auf die Gültigkeit des § 104a Abs. 3 Satz 1 AufenthG ankäme. Seine Behauptung, die Kläger erfüllten alle übrigen Voraussetzungen für die Erteilung eines Titels nach § 104a AufenthG jedenfalls in der Weise, dass die Beklagte eine erneute Entscheidung zu treffen und dabei das ihr eingeräumte Ermessen auszuüben haben werde, lässt sich nicht in der gebotenen Weise nachvollziehen.

25

a) Es fehlen Feststellungen zu den tatbestandlichen Voraussetzungen ausreichenden Wohnraums (§ 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG), hinreichender Deutschkenntnisse (§ 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG) und des Nachweises tatsächlichen Schulbesuchs der schulpflichtigen Klägerin zu 2. (§ 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG; §§ 72, 73 SchulG BW). Dass diese Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104a Abs. 1 AufenthG erfüllt wären, kann auch nicht ohne Weiteres den beigefügten Akten entnommen werden. Sollten sie nicht erfüllt sein, wäre die Berufung zurückzuweisen, ohne dass es auf die Zurechnung von Straftaten nach § 104a Abs. 3 Satz 1 AufenthG ankäme.

26

b) Ferner hat sich der Verwaltungsgerichtshof nicht mit der 2008 erfolgten Verurteilung der Klägerin zu 1. wegen unerlaubten Aufenthalts ohne Pass oder Ausweisersatz zu einer Geldstrafe von 15 Tagessätzen und deren Relevanz für die Erfüllung des Tatbestands von § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 AufenthG auseinandergesetzt. Der Verurteilung liegt eine Straftat nach dem Aufenthaltsgesetz zugrunde, die nur von Ausländern begangen werden kann (§ 95 Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 3 Abs. 1, § 48 Abs. 2 AufenthG). Sie bleibt deshalb nach § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 AufenthG grundsätzlich außer Betracht. Für die Darlegung der Entscheidungserheblichkeit des § 104a Abs. 3 Satz 1 AufenthG hätte es einer Auseinandersetzung mit der Bedeutung dieser Rechtsfolgeanordnung bedurft. Sollte der Gesetzgeber mit dem Wort "grundsätzlich" ein Regel-Ausnahme-Verhältnis bestimmt haben, hätte der Verwaltungsgerichtshof das Vorliegen eines Regelfalls bejahen müssen. Auch wenn naheliegt, dass die Straftat hier außer Betracht zu bleiben hat, kann das Bundesverfassungsgericht diese Aussage nicht selbst treffen (vgl. BVerfGE 97, 49 <62>).

27

2. Der Vorlagebeschluss entspricht zudem nicht den Anforderungen des § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG an die Begründung der Verfassungswidrigkeit der Norm.

28

a) Soweit der Verwaltungsgerichtshof zur Darlegung der angenommenen Verstöße gegen Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 6 Abs. 1 GG Vergleichsgruppen bildet, denen die Kläger des Ausgangsverfahrens nicht angehören, fehlt es an Ausführungen dazu, dass diesbezügliche Grundrechtsverletzungen zur Unanwendbarkeit des § 104a Abs. 3 Satz 1 AufenthG im Ausgangsverfahren führen müssten. Es versteht sich nicht von selbst, dass die ungerechtfertigte Benachteiligung bestimmter Personen im Vergleich zu anderen die gänzliche Unanwendbarkeit der Bestimmung nach sich zieht.

29

Der Grundsatz der Normerhaltung (vgl. BVerfGE 49, 148 <157>; 119, 247 <274>) gebietet es, die Nichtigerklärung eines Gesetzes auf dessen verfassungswidrigen Teil zu beschränken. Dies bedeutet nicht nur, dass einzelne nichtige Vorschriften die Nichtigkeit weiterer Bestimmungen des Gesetzes nur ausnahmsweise nach sich ziehen, wenn sie mit diesen eine untrennbare Einheit bilden, die lediglich um den Preis von Sinnverlust, Rechtfertigungswegfall oder Verfälschung der gesetzgeberischen Intention in ihre Bestandteile zerlegt werden könnte (stRspr seit BVerfGE 8, 274 <301>; vgl. BVerfGE 53, 1 <23 f.>; 61, 149 <206 f.>). Auch eine Rechtsnorm, deren Wortlaut mehrere inhaltlich abgrenzbare, textlich aber nicht isolierbare Regelungen umfasst, erklärt das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung grundsätzlich nur hinsichtlich des verfassungswidrigen Norminhalts für nichtig, ohne dabei den Normtext zu verändern (vgl. BVerfGE 12, 296 <307>; 62, 117; 107, 104 <133>). Wie die verschiedenen im Vorlagebeschluss gebildeten Vergleichsgruppen zeigen, geht der Verwaltungsgerichtshof davon aus, dass es sich bei § 104a Abs. 3 Satz 1 AufenthG um eine solche Rechtsnorm handelt. Um aufzuzeigen, dass Grundrechtsverletzungen in Bezug auf Vergleichsgruppen, denen die Kläger des Ausgangsverfahrens nicht angehören, die Bestimmung gänzlich unanwendbar machen, hätte der Verwaltungsgerichtshof deshalb darlegen müssen, dass und warum eine auf einzelne Fallkonstellationen beschränkte Teilnichtigerklärung nicht in Frage kommt, etwa weil kein sinnvoller oder mit der gesetzgeberischen Intention zu vereinbarender Anwendungsrest verbliebe (vgl. BVerfGE 21, 292 <305 f.>). Der Vorlagebeschluss äußert sich hierzu nicht.

30

Der Vorlagebeschluss erweist sich aus diesem Grunde als unzureichend begründet, soweit der Verwaltungsgerichtshof § 104a Abs. 3 Satz 1 AufenthG deshalb für verfassungswidrig hält, weil eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung volljähriger Kinder, die mit ihren Eltern in häuslicher Gemeinschaft leben, gegenüber solchen, die die häusliche Gemeinschaft bereits verlassen haben, vorliege. Die Zurechnung der Verurteilung eines volljährigen Kindes zulasten der Eltern und minderjähriger Geschwister oder umgekehrt einer Verurteilung der Eltern oder minderjähriger Geschwister zulasten eines volljährigen Kindes steht im konkreten Fall, in dem der Ehemann und Vater verurteilt worden ist und beide Kinder noch minderjährig sind, nicht im Raum. Ebenso wenig ist die Vergleichsgruppe betroffen, in der Ehegatten, deren Kind straffällig geworden ist, Ledigen mit gemeinsamen und nicht gemeinsamen Kindern gegenübergestellt werden. Schließlich fehlt es an der Darlegung der entscheidungserheblichen Verfassungswidrigkeit, soweit im Vorlagebeschluss die durch Art. 6 Abs. 1 GG spezifisch geschützte autonome Entscheidungsfreiheit der Ehegatten, die keine Kinder haben, als verletzt angesehen wird.

31

b) Die Überzeugung des Verwaltungsgerichtshofs, Ehegatten würden unter Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 GG gegenüber eingetragenen Lebenspartnern im Sinne des Lebenspartnerschaftsgesetzes ungleich behandelt, beruht auf einer unzureichenden Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten verfassungskonformer Auslegung.

32

aa) Im Rahmen seiner Überzeugungsbildung hat das vorlegende Gericht das vorrangige Gebot der verfassungskonformen Auslegung zu berücksichtigen. Kann es im Rahmen methodisch vertretbarer Gesetzesauslegung zu dem Ergebnis gelangen, das Gesetz sei mit dem Grundgesetz vereinbar, so hat es diese Interpretation seiner Entscheidung zugrunde zu legen (vgl. BVerfGE 22, 373 <377>; 90, 145 <170>). Allerdings darf einem nach Wortlaut und Sinn eindeutigen Gesetz nicht im Wege der Auslegung ein entgegengesetzter Sinn verliehen, der normative Gehalt der auszulegenden Norm nicht grundlegend neu bestimmt oder das gesetzgeberische Ziel nicht in einem wesentlichen Punkt verfehlt werden (vgl. BVerfGE 18, 97 <111>; 54, 277 <299 f.>; 71, 81 <105>; 121, 30 <68>). Voraussetzung einer hinreichenden Überzeugungsbildung im Sinne von Art. 100 Abs. 1 GG ist mithin, dass das vorlegende Gericht zunächst versucht hat, die betroffene Gesetzesvorschrift verfassungskonform auszulegen, dies aber nach keiner Auslegungsmethode gelungen ist (vgl. BVerfGE 85, 329 <333>; 96, 315 <324 f.>).

33

bb) Die Darlegungen des Verwaltungsgerichtshofs, wonach eingetragene Lebenspartner trotz der gesetzlichen Anordnung in § 11 Abs. 1 LPartG nicht als Familienmitglieder im Sinne des § 104a Abs. 3 Satz 1 AufenthG angesehen werden können, verfehlen diese Anforderungen.

34

Nach § 11 Abs. 1 LPartG gilt ein Lebenspartner als Familienangehöriger des anderen Lebenspartners, soweit nicht etwas anderes bestimmt ist. Der Verwaltungsgerichtshof sieht eine solche andere Bestimmung in § 27 Abs. 2 AufenthG. Aus der darin angeordneten Anwendung bestimmter Vorschriften des Aufenthaltsgesetzes auf die lebenspartnerschaftliche Gemeinschaft folgert er, dass eine Gleichstellung von Lebenspartnern in den sonstigen Bereichen, so auch im Kontext des § 104a AufenthG, nicht stattfinde; andernfalls hätte es mit Rücksicht auf die in § 11 Abs. 1 LPartG getroffene generelle Gleichstellung der Regelung des § 27 Abs. 2 AufenthG nicht bedurft. Dass keine umfassende Gleichstellung gewollt gewesen sei, entspreche auch dem Willen des Gesetzgebers.

35

Mit diesem Ansatz hat der Verwaltungsgerichtshof nicht hinreichend dargelegt, dass eine verfassungskonforme Auslegung von § 104a Abs. 3 Satz 1 AufenthG dahingehend, dass Lebenspartner als Familienmitglieder im Sinne der Vorschrift zu behandeln sind, nicht möglich ist. Einer solchen Auslegung stehen weder der Wortlaut des Gesetzes noch ein eindeutig anderslautender Wille des Gesetzgebers entgegen.

36

Dem Verwaltungsgerichtshof ist zwar zuzugeben, dass die dem Regierungsentwurf beigegebene Begründung Lebenspartnerschaften als von § 104a Abs. 3 Satz 1 AufenthG nicht erfasst angesehen hat; Straftaten des anderen Lebenspartners im Sinne von § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 AufenthG sind danach im Rahmen der Soll-Regelung des § 104a Abs. 1 Satz 1 AufenthG regelmäßig zu berücksichtigen (vgl. BTDrucks 16/5065, S. 202). Hieraus kann indes nicht gefolgert werden, dass jede andere Auslegung dem gesetzgeberischen Willen zuwider liefe. Die Begründung des Regierungsentwurfs lässt vielmehr die Absicht erkennen, die Regelung für die Lebenspartnerschaft an diejenige der ehelichen Lebensgemeinschaft anzugleichen. Dass die Möglichkeit nicht gesehen wurde, die beabsichtigte Angleichung bereits dadurch zu erreichen, dass Lebenspartner nach § 11 Abs. 1 LPartG als Familienmitglieder im Sinne des § 104a Abs. 3 Satz 1 AufenthG behandelt werden, bedeutet nicht, dass eine solche Auslegung dem Willen des Gesetzgebers widerspräche.

37

Der Anwendung von § 11 Abs. 1 LPartG im Rahmen des § 104a AufenthG steht nicht zwingend entgegen, dass § 27 Abs. 2 AufenthG anordnet, bestimmte Vorschriften des Aufenthaltsgesetzes auf die lebenspartnerschaftliche Gemeinschaft entsprechend anzuwenden. Der Vorlagebeschluss zieht bei seiner Deutung, damit werde eine generelle Gleichstellung von Lebenspartnern ausgeschlossen, nicht in Betracht, dass § 27 Abs. 2 AufenthG anders gedeutet werden kann und wird.

38

Für Kapitel 2 Abschnitt 6 des Aufenthaltsgesetzes bedarf es der Anordnung in § 27 Abs. 2 AufenthG, weil § 27 Abs. 1 AufenthG als Grundnorm für den Familiennachzug bestimmt, dass die Aufenthaltserlaubnis zur Herstellung und Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft zum Schutz von Ehe und Familie gemäß Art. 6 GG erteilt und verlängert wird. Da der Schutz der Ehe in Art. 6 Abs. 1 GG der eingetragenen Lebenspartnerschaft nicht zugute kommt (vgl. BVerfGE 105, 313 <345 f.>), begründete demnach allein die Anordnung, dass ein Lebenspartner als Familienangehöriger des anderen Partners gilt, keine Ansprüche des Lebenspartners aus den §§ 27 bis 31 AufenthG. § 9 Abs. 3 AufenthG muss auf lebenspartnerschaftliche Gemeinschaften für entsprechend anwendbar erklärt werden, weil die Vorschrift in ihrem unmittelbaren Anwendungsbereich Ehegatten, die in ehelicher Lebensgemeinschaft leben, betrifft. Gleiches gilt für § 9c Satz 2 und § 51 Abs. 2 AufenthG. In keinem der in § 27 Abs. 2 AufenthG angesprochenen Fälle geht es also darum, ob Lebenspartner Familienangehörige im Sinne des Aufenthaltrechts sind.

39

Es liegt daher nicht fern, § 27 Abs. 2 AufenthG lediglich den dargestellten engen Regelungsgehalt zu entnehmen, so dass die Vorschrift nicht ausschließt, Lebenspartner in anderen aufenthaltsrechtlichen Zusammenhängen als Familienangehörige zu behandeln. Dieses Verständnis von § 27 Abs. 2 AufenthG findet sich auch im Schrifttum (Zeitler, HTK-AuslR / § 27 AufenthG / zu Abs. 2 07/2006 Nr. 1) und wird in der fachgerichtlichen Rechtsprechung vertreten (vgl. OVG des Saarlandes, Urteil vom 15. Oktober 2009 - 2 A 329/09 -, juris Rn. 55). In dessen Konsequenz wären Lebenspartner als Familienmitglieder im Sinne des § 104a Abs. 3 Satz 1 AufenthG anzusehen, so dass sich die aufgeworfenen Fragen der Gleichbehandlung insoweit nicht stellten. Dem Verwaltungsgerichtshof hätte deshalb eine Auseinandersetzung mit dieser Norminterpretation oblegen.

40

c) Die Darlegungen des Verwaltungsgerichtshofs zum Vorliegen eines Verfassungsverstoßes sind auch insoweit unzureichend, als er eine mit Art. 6 Abs. 1 GG unvereinbare Schlechterstellung von Ehe und Familie gegenüber anderen Lebens- und Erziehungsgemeinschaften für gegeben hält. Soweit der Verwaltungsgerichtshof die ungerechtfertigte Benachteiligung von Ehe und Familie dadurch zu verdeutlichen sucht, dass er das Vorhandensein von Kindern als einen die Diskriminierung verstärkenden Umstand hervorhebt, vermag die Kammer die Erwägungen nicht nachzuvollziehen. Für die im Ausgangsverfahren zu beurteilende Fallgestaltung kommt es entscheidend allein auf den Umstand der Verheiratung an, weil die einen Aufenthaltstitel ausschließende Straftat vom Ehemann und Vater begangen worden ist.

41

aa) Art. 6 Abs. 1 GG enthält einen besonderen Gleichheitssatz, der es verbietet, Ehegatten im Vergleich zu Ledigen allein deshalb schlechter zu stellen, weil sie verheiratet sind (vgl. BVerfGE 69, 188 <205>; 114, 316 <333>; BVerfGK 11, 179 <183>). Die eheliche Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft kann zwar zum Anknüpfungspunkt (wirtschaftlicher) Rechtsfolgen genommen werden. Jedoch müssen sich für eine Differenzierung zu Lasten Verheirateter aus der Natur des geregelten Lebensverhältnisses einleuchtende Sachgründe ergeben (BVerfGE 28, 324 <347>). Die Berücksichtigung der durch die eheliche Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft gekennzeichneten besonderen Lage der Ehegatten darf gerade bei der konkreten Maßnahme die Ehe nicht diskriminieren (BVerfGE 114, 316 <333>; stRspr).

42

bb) Der Verwaltungsgerichtshof hält es für offensichtlich, dass Verheiratete gemäß § 104a Abs. 3 Satz 1 AufenthG in unzulässiger Weise schlechter als in nicht-ehelicher Lebensgemeinschaft lebende Paare behandelt werden. Auf die in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts anerkannten allgemeinen Rechtfertigungsgründe für eine Ungleichbehandlung von Ehegatten im Verhältnis zu Ledigen geht er nicht ein.

43

Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts hat mehrfach ausgesprochen, dass eine Regelung, die Verheiratete anders als Ledige behandelt, mit Art. 6 Abs. 1 GG vereinbar sei, soweit sie ihren Grund in der durch die eheliche Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft gekennzeichneten besonderen Situation von Ehegatten hat und deren Berücksichtigung gerade in dem konkreten Sachverhalt den Gerechtigkeitsvorstellungen der Allgemeinheit entspricht (vgl. BVerfGE 75, 361 <366> m.w.N.). Eine Schlechterstellung von Ehegatten sei insbesondere hinzunehmen, wenn die allgemeine Tendenz des Gesetzes auf Gleichbehandlung ausgeht und die Ehegatten teilweise begünstigt, teilweise benachteiligt werden, die gesetzliche Regelung im Ganzen sich aber vorteilhaft oder "ehe-neutral" auswirkt (vgl. BVerfGE 32, 260 <269>; 75, 361 <366 f.>). Dem Verwaltungsgerichtshof hätte oblegen, die Frage der Rechtfertigung der angenommenen Ungleichbehandlung anhand dieser Maßstäbe zu prüfen oder aber darzulegen, weshalb sie überholt sind oder nunmehr aufzugeben sein könnten. Es erscheint bereits nicht von vornherein ausgeschlossen, dass eine wechselseitige Zurechnung von Straftaten der in häuslicher Gemeinschaft lebenden Ehegatten mit der Folge, dass ein Aufenthaltstitel, zu deren Erteilung nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs keine Verpflichtung aufgrund höherrangigen Rechts oder nach Völkerrecht besteht, ausgeschlossen ist, den Gerechtigkeitsvorstellungen der Allgemeinheit entspricht. Vor allem aber knüpft der Gesetzgeber in anderen Bereichen des Aufenthaltsrechts, namentlich bei den begünstigenden Regelungen zum Familiennachzug (§§ 27 ff. AufenthG), an das Bestehen einer formalisierten Partnerschaft - entweder der Ehe oder der eingetragenen Lebenspartnerschaft - an, zu dem freilich das Bestehen oder die Herstellung einer ehelichen oder familiären Lebensgemeinschaft hinzutreten muss, und greift damit auch auf die rechtlich gesicherte Verbundenheit der Partner zurück (vgl. dazu BVerfGE 117, 316 <327 f.>; 124, 199 <225>). Deshalb hätte es nahegelegen, diese Grundentscheidung des Aufenthaltsgesetzes bei der verfassungsrechtlichen Würdigung des § 104a Abs. 3. Satz 1 AufenthG in den Blick zu nehmen.

44

Dem hat der Verwaltungsgerichtshof nicht dadurch genügt, dass er das Selbstbestimmungsrecht der Ehegatten durch § 104a Abs. 3 Satz 1 AufenthG für verletzt ansieht und ausführt, er sehe keinen Grund, die Entscheidungsfreiheit der Ehegatten hinsichtlich ihrer Eheführung und insbesondere deren räumlicher Ausgestaltung nicht anzuerkennen, so wie es als völlig selbstverständlich angesehen werde, dass das Aufenthaltsrecht eines Ehegatten nicht dadurch in Frage gestellt werde, dass der andere von seinem Recht auf Familiennachzug keinen Gebrauch mache. Mit seinen Ausführungen geht der Verwaltungsgerichtshof gerade nicht auf die zu erörternde Einbettung der für verfassungswidrig gehaltenen Regelung in das Gesamtkonzept des Aufenthaltsgesetzes und deren Konsequenzen für die verfassungsrechtliche Würdigung ein. Der Umstand, dass er in diesem Zusammenhang die Härtefallregelung für Ehegatten in § 104a Abs. 3 Satz 2 AufenthG übergeht, belegt ebenso wie der Vergleich mit dem fortdauernden Aufenthaltsstatus des Ausländers im Fall zulässigen, aber nicht wahrgenommenen Ehegattennachzugs, dass der Verwaltungsgerichtshof bei seiner verfassungsrechtlichen Würdigung das Anliegen des Gesetzgebers bei Schaffung der Altfallregelung des § 104a AufenthG nicht hinreichend verarbeitet hat.

45

cc) Zudem hat der Verwaltungsgerichtshof das Ziel des Gesetzgebers, zu verhindern, dass das straffällige Familienmitglied im Falle der Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen nach § 104a Abs. 1 AufenthG an die übrigen Familienmitglieder unter Berufung auf Art. 6 Abs. 1, 2 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK ein Aufenthaltsrecht oder eine Duldung erhält, unzureichend gewürdigt. Der Verwaltungsgerichtshof meint, diese Erwägung könne eine Ungleichbehandlung von Ehe und Familie gegenüber anderen Lebensgemeinschaften nicht rechtfertigen, da gesetzliche Ermessensspielräume erlaubten, dem straffälligen Familienmitglied das begehrte Aufenthaltsrecht zu versagen, und ein rechtliches Abschiebungshindernis aus Art. 6 GG, Art. 8 EMRK wegen der Möglichkeit, die Ehe beziehungsweise Familieneinheit im gemeinsamen Herkunftsland herzustellen, voraussetzungsgemäß nicht vorliegen könne.

46

Diese Argumentation berücksichtigt die aufenthaltsrechtlichen Schutzwirkungen, die Art. 6 Abs. 1, 2 GG als wertentscheidende Grundsatznorm entfaltet, nicht hinreichend. Auch wenn Art. 6 GG grundsätzlich keinen unmittelbaren Anspruch auf Aufenthalt gewährt, müssen die Ausländerbehörden bei der Entscheidung über ein Aufenthaltsbegehren die bestehenden familiären Bindungen des Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, berücksichtigen und angemessen in ihren Erwägungen zur Geltung bringen; der Grundrechtsträger hat einen Anspruch auf eine solche angemessene Berücksichtigung seiner familiären Bindungen (vgl. BVerfGE 76, 1 <49 ff.>; 80, 81 <93>; BVerfGK 2, 190 <193 f.>; 7, 49 <55>). Dabei ist grundsätzlich eine Betrachtung der tatsächlichen Verhältnisse des Einzelfalls geboten (vgl. BVerfGK 2, 190 <194>). Die pauschale Aussage im Vorlagebeschluss, dass Ehe und Familieneinheit ohne Weiteres im Herkunftsland hergestellt werden könnten, blendet aus, dass im Einzelfall - so möglicherweise auch im Ausgangsverfahren - Feststellungen dazu, ob Kinder auf die weitere Anwesenheit des straffälligen Elternteils angewiesen sind (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 23. Januar 2006 - 2 BvR 1935/05 -, NVwZ 2006, S. 682 <683>), oder zu den Bedingungen für einen Umzug der gesamten Familie in das Herkunftsland erforderlich sein können und gegebenenfalls einer Aufenthaltsbeendigung des straffälligen Ausländers entgegen stehen (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 10. Mai 2008 - 2 BvR 588/08 -, InfAuslR 2008, S. 347 <348>). Es wäre daher zu erläutern gewesen, aus welchen Gründen der Gesetzgeber, der nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofs grundsätzlich nicht verpflichtet war, dem betroffenen Personenkreis überhaupt Aufenthaltsrechte einzuräumen, bei der Ausgestaltung der Altfallregelung derartige Fallgestaltungen nicht berücksichtigen durfte, auch wenn sie möglicherweise eher selten gegeben sein dürften.

47

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Tatbestand

1

Der 1946 geborene Kläger stand als Polizist im Dienst des Landes Schleswig-Holstein. Mit Wirkung vom 1. Dezember 2004 wurde er zum Ersten Polizeihauptkommissar (BesGr A 13 BBesO) befördert. Einen diesem Amt entsprechenden Dienstposten hatte der Kläger bereits seit Januar 2002 inne. Mit Ablauf des 30. Juni 2006 trat der Kläger entsprechend der besonderen Altersgrenze für Polizeivollzugsbeamte in den Ruhestand.

2

Unter Berufung darauf, dass der Kläger erst 19 Monate vor dem Eintritt in den Ruhestand befördert worden war, setzte der Beklagte die Versorgungsbezüge des Klägers nach den ruhegehaltfähigen Dienstbezügen des Amtes der BesGr A 12 BBesO fest.

3

Nachdem das Bundesverfassungsgericht durch Beschluss vom 20. März 2007 - 2 BvL 11/04 - (BVerfGE 117, 372) die dreijährige Wartefrist nach § 5 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG für nichtig erklärt hatte, beantragte der Kläger, die bestandskräftige Versorgungsfestsetzung aufzugreifen und seine Versorgungsbezüge nach den ruhegehaltfähigen Dienstbezügen des Amtes der BesGr A 13 BBesO neu festzusetzen. Der Antrag und der Widerspruch des Klägers blieben erfolglos.

4

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit im Wesentlichen folgender Begründung abgewiesen: Das Bundesverfassungsgericht habe auch entschieden, dass die Wartefrist von zwei Jahren noch verfassungsgemäß sei. Nach der Gesetzeslage sei es unerheblich, dass der Kläger das zuletzt innegehabte Amt der BesGr A 13 BBesO erheblich länger als zwei Jahre tatsächlich wahrgenommen habe.

5

Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen und zur Begründung auf das Urteil des Verwaltungsgerichts verwiesen. Ergänzend hat es ausgeführt: Aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts ergebe sich im Umkehrschluss, dass es die Wartefrist von zwei Jahren auch unter Wegfall der Möglichkeit der Anrechnung der Zeiten der tatsächlichen Wahrnehmung eines Beförderungsamtes für verfassungsrechtlich zulässig erachtet habe. Da die Entscheidung Gesetzeskraft habe, könne sich der Kläger nicht mit Erfolg auf die früher im Gesetz enthaltene Anrechnungsmöglichkeit berufen.

6

Hiergegen richtet sich die vom Oberverwaltungsgericht zugelassene Revision des Klägers, mit der er beantragt,

die Urteile des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 20. Mai 2011 und des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts vom 3. März 2010 sowie den Bescheid des Beklagten vom 18. September 2007 und dessen Widerspruchsbescheid vom 28. August 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Festsetzungsbescheid vom 22. Juni 2006 für den Zeitraum ab Mai 2007 aufzuheben und die Versorgungsbezüge des Klägers für den Zeitraum ab Mai 2007 auf der Grundlage der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge aus dem Amt des Ersten Polizeihauptkommissars, BesGr A 13 BBesO, festzusetzen.

7

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

8

Der Vertreter des Bundesinteresses verteidigt das Berufungsurteil.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision ist begründet. Das Berufungsurteil verletzt Bundesrecht und revisibles Landesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 und 2 VwGO). Der Kläger hat einen Anspruch darauf, dass der Beklagte den Versorgungsfestsetzungsbescheid für den Zeitraum ab Mai 2007 aufhebt und seine Versorgungsbezüge für diesen Zeitraum auf der Grundlage der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge aus dem Amt des Ersten Polizeihauptkommissars, BesGr A 13 BBesO, festsetzt.

10

Der Anspruch des Klägers auf Aufhebung des Festsetzungsbescheids, soweit in diesem für den Zeitraum ab Mai 2007 die Festsetzung der Versorgungsbezüge des Klägers auf der Grundlage der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge eines höheren Amtes als der BesGr A 12 BBesO abgelehnt worden ist, ergibt sich aus § 118a Abs. 5 und § 116 Abs. 1 Satz 1 des Allgemeinen Verwaltungsgesetzes für das Land Schleswig-Holstein (- LVwG -) in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Juni 1992 (GVOBl Schl.-H. S. 243). Nach diesen Vorschriften kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Entsprechend der für den Zeitraum ab Mai 2007 bestehenden Rechtslage sind die Versorgungsbezüge des Klägers sodann auf der Grundlage der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge aus dem Amt BesGr A 13 BBesO festzusetzen. Bei der maßgeblichen Wartefrist von zwei Jahren ist auch die Zeit zu berücksichtigen, in der der Kläger vor seiner Ernennung die höherwertigen Funktionen des ihm später übertragenen Amtes des Ersten Polizeihauptkommissars tatsächlich wahrgenommen hat.

11

Der Versorgungsfestsetzungsbescheid ist im Zeitraum ab Mai 2007 insoweit rechtswidrig, als in die Wartefrist nicht die Zeit eingerechnet worden ist, in der der Kläger vor der Amtsübertragung die Aufgaben des höherwertigen Amtes erfüllt hat. Da der Kläger die Aufgaben des Amtes eines Ersten Polizeihauptkommissars bereits seit Januar 2002 wahrgenommen hat, hat er bei Eintritt in den Ruhestand mit Ablauf des Juni 2006 die für die Festlegung der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge maßgebliche Wartefrist von zwei Jahren erfüllt. Damit sind für die Bestimmung der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge des Klägers die Bezüge des Amtes des Ersten Polizeihauptkommissars, BesGr A 13 BBesO, maßgebend (1). Das dem Beklagten nach § 116 Abs. 1 Satz 1 LVwG eröffnete Ermessen ist zu Gunsten des Klägers dahingehend reduziert, dass der Beklagte den bestandskräftigen Versorgungsfestsetzungsbescheid für den Zeitraum ab Mai 2007 mit der Folge aufheben muss, dass die Versorgungsbezüge ab diesem Zeitpunkt nach dem höheren Amt festzusetzen sind (2).

12

1. Bei dem bestandskräftig gewordenen Versorgungsfestsetzungsbescheid handelt es sich um einen Dauerverwaltungsakt. Er ist darauf gerichtet, eine laufende Geldleistung zu gewähren und damit dauerhaft Rechtswirkungen zu entfalten. Nach dem durch § 49 Abs. 1 BeamtVG vorgegebenen Regelungsgehalt ist dieser Bescheid die gesetzlich vorgeschriebene, rechtsverbindliche Mitteilung über die Höhe der Versorgungsbezüge. Wird festgestellt, dass der Bescheid in Bezug auf die Festsetzung der Versorgungsbezüge wegen eines nachträglich eingetretenen Umstandes rechtswidrig geworden ist, sind für die Aufhebung des Bescheids die Vorschriften über die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts, hier § 116 Abs. 1 Satz 1 LVwG, maßgebend (Urteile vom 16. November 1989 - BVerwG 2 C 43.87 - BVerwGE 84, 111 <113 f.> = Buchholz 232 § 87 BBG Nr. 64 S. 2 und vom 28. Juni 2012 - BVerwG 2 C 13.11 - Rn. 12 bis 15 ).

13

Da der Kläger mit Ablauf des 30. Juni 2006 in den Ruhestand getreten ist, bestimmt sich sein Ruhegehalt nach den Vorschriften des Beamtenversorgungsgesetzes, die zu diesem Zeitpunkt galten. Danach ist für die Festlegung der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge des Klägers, aus denen sich nach § 4 Abs. 3 BeamtVG das Ruhegehalt berechnet, grundsätzlich § 5 BeamtVG in der Fassung des Professorenbesoldungsreformgesetzes vom 16. Februar 2002 (- BeamtVG F2002 -, BGBl I S. 686) maßgeblich. Die vom Land Schleswig-Holstein erlassenen versorgungsrechtlichen Vorschriften, zum einen das Gesetz zur Überleitung des Bundesbesoldungsgesetzes, des Beamtenversorgungsgesetzes und ergänzender Vorschriften sowie Änderung dienstrechtlicher Vorschriften vom 12. Dezember 2008 (GVOBl Schl.-H. S. 785) und zum anderen das Gesetz zur Neuregelung des Besoldungs- und Beamtenversorgungsrechts in Schleswig-Holstein vom 26. Januar 2012 (GVOBl Schl.-H. S. 153), sind auf die Festsetzung des Ruhegehalts von Landesbeamten, die bereits mit Ablauf des Juni 2006 in den Ruhestand getreten sind, nicht anwendbar.

14

Zwar sah § 5 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG F2002 vor, dass ruhegehaltfähig nur die Bezüge des vorher bekleideten Amtes sind, sofern ein Beamter aus einem Amt in den Ruhestand getreten ist, das nicht der Eingangsbesoldungsgruppe seiner Laufbahn angehört, und er die Dienstbezüge dieses oder eines mindestens gleichwertigen Amtes vor dem Eintritt in Ruhestand nicht mindestens drei Jahre erhalten hat. Das Bundesverfassungsgericht hat aber mit Beschluss vom 20. März 2007 (- 2 BvL 11/04 - BVerfGE 117, 372) die Ausdehnung der Wartefrist auf drei Jahre als mit Art. 33 Abs. 5 GG unvereinbar und § 5 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. März 1999 (BGBl I S. 322) für nichtig erklärt.

15

Entgegen der Annahme des Oberverwaltungsgerichts hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 20. März 2007 (- 2 BvL 11/04 - a.a.O. S. 384 ff.) aber nicht mit Gesetzeskraft (§ 31 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG) entschieden, dass die Kombination aus einer Wartefrist von zwei Jahren und dem Wegfall der Einrechnung von Zeiten der tatsächlichen Wahrnehmung der Aufgaben eines höherwertigen Amtes verfassungsrechtlich zulässig ist. Denn eine solche gesetzliche Regelung stand, weil sie vor dieser Entscheidung nie in Kraft war, nicht zur verfassungsrechtlichen Prüfung an.

16

Aus § 79 Abs. 2 BVerfGG, der die Folgen der Nichtigerklärung einer gesetzlichen Regelung durch das Bundesverfassungsgericht für die auf dieser Norm beruhenden unanfechtbaren Entscheidungen regelt, ergibt sich die grundlegende Annahme des Gesetzgebers, dass die Rechtsfolge der Nichtigkeit eines Gesetzes mit Wirkung ex tunc eintritt (BVerfG, Beschluss vom 6. Dezember 2005 - 1 BvR 1905/02 - BVerfGE 115, 51 <62>). Danach konnte das nichtige Gesetz die zuvor bestehende gesetzliche Regelung nicht aufheben, so dass diese - unerkannt - in Geltung geblieben ist (BVerfG, Beschlüsse vom 19. Juli 2000 - 1 BvR 539/96 - BVerfGE 102, 197 <208> und vom 21. November 2001 - 1 BvL 19/93, 1 BvR 1318, 1513, 2358/94, 308/95 - BVerfGE 104, 126 <149 f.>; Schlaich/Korioth, Das Bundesverfassungsgericht, 9. Aufl., Rn. 457 f.).

17

Nach den allgemeinen Kollisionsregeln gilt für die Fortgeltung der scheinbar verdrängten Normen zum einen, dass eine generelle Norm, der die nichtige spezielle Norm nach dem Grundsatz lex specialis zuvor - scheinbar - vorging, wieder anwendbar ist. Zum anderen sind ältere (auch spezielle) Vorschriften, die von der nichtigen jüngeren (ebenfalls speziellen) Vorschrift sinngemäß oder ausdrücklich aufgehoben worden sind, unverändert anzuwenden (vgl. Graßhof, in: Umbach/Clemens/Dollinger, BVerfGG, 2. Aufl., § 78 Rn. 17; Pestalozza, Verfassungsprozessrecht, 3. Aufl., § 20 Rn. 127).

18

Nach diesen Grundsätzen ist infolge der Nichtigerklärung durch den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 20. März 2007 (- 2 BvL 11/04 - a.a.O.) für die Bestimmung der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge des Klägers nicht die allgemeine Vorschrift des § 5 Abs. 1 BeamtVG, sondern die früher geltende, spezielle Vorschrift der zweijährigen Wartefrist des § 5 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG in der Fassung des Reformgesetzes vom 24. Februar 1997 (- BeamtVG F1997 -, BGBl I S. 322) maßgeblich. Ein Ausnahmefall, bei dem sich aus dem nichtigen Reformgesetz ergibt, dass der Gesetzgeber den alten Zustand nicht lediglich verbessern, sondern auf jeden Fall abschaffen wollte, so dass mangels Gültigkeit der neuen Regelung keine spezielle Regelung besteht, liegt hier nicht vor (vgl. Graßhof, a.a.O.; Bethge, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu, BVerfGG, § 78 Rn. 51). Aus den Materialien zum Versorgungsreformgesetz 1998 vom 29. Juni 1998 (- BeamtVG F1998 -, BGBl I S. 1666), durch das die Wartefrist auf drei Jahre verlängert wurde, ist zu entnehmen, dass der Gesetzgeber an der Wartefrist grundsätzlich festhalten wollte (Gesetzentwurf der Bundesregierung, BTDrucks 13/9527, S. 37 zu Art. 6 Nr. 4).

19

Neben der generellen Regelung der Wartefrist von zwei Jahren des § 5 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG F1997 sind auch die darauf bezogenen Ausnahmen und Anrechnungsregelungen dieser Fassung anzuwenden. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht im Beschluss vom 20. März 2007 (- 2 BvL 11/04 - a.a.O.) die Ausnahmen und Anrechnungsregelungen des § 5 Abs. 3 Satz 3 und 4 BeamtVG F 1998 nicht für nichtig erklärt. Diese Regelungen sehen im Gegensatz zu § 5 Abs. 3 Satz 4 BeamtVG F1997 die Anrechnung von Beschäftigungszeiten auf Beförderungsdienstposten vor der Beförderung auf die Wartezeit nicht mehr vor. Nach ihrem Wortlaut beziehen sie sich jedoch auf die Wartefrist von drei Jahren und haben, weil diese Regelung infolge der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 20. März 2007 (- 2 BvL 11/04 - a.a.O.) von Anfang an nichtig ist, keinen Anwendungsbereich.

20

Die infolge der Nichtigerklärung des Bundesverfassungsgerichts maßgebliche Regelung der zweijährigen Wartefrist (§ 5 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG F1997) steht mit den Ausnahmevorschriften und den Anrechnungsregelungen der Absätze 3 bis 5 dieser Fassung in einem einheitlichen Regelungszusammenhang. Sie beruhen auf einer einheitlichen gesetzgeberischen Entscheidung, so dass neben der generellen Wartefrist von zwei Jahren auch wiederum die darauf bezogenen Anrechnungsregelungen maßgeblich sind.

21

Die Grundsätze über die Teilnichtigkeit eines Gesetzes sind auf die hier vorliegende Konstellation nicht in der Weise übertragbar, dass Teilelemente aus verschiedenen Fassungen einer gesetzlichen Regelung von den Gerichten eigenverantwortlich zu einer Gesamtregelung zusammengefügt werden können (anders VGH München, Beschluss vom 17. Januar 2012 - 3 BV 08.1947 - juris Rn. 52). Bei der Teilnichtigkeit ist entscheidend, ob von der gesetzlichen Regelung trotz der Nichtigkeit eines Teils ein Anwendungsrest bestehen bleibt, der für sich genommen ein sinnvolles Regelungsgefüge darstellt und dessen Geltung ohne den nichtigen Teil dem hypothetischen Willen des Normgebers entspricht (BVerfG, Beschluss vom 16. Dezember 2010 - 2 BvL 16/09 - NVwZ-RR 2011, 387, Rn. 29). Kennzeichen des Grundsatzes der Teilnichtigkeit ist aber, dass die Norm, die teilweise aufrechterhalten wird, von einem einheitlichen gesetzgeberischen Willen getragen ist. Demgegenüber würden bei einer gleichzeitigen Anwendung der zweijährigen Wartefrist des § 5 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG F1997 und der Anrechnungsregelungen des § 5 Abs. 3 Satz 3 und Abs. 4 BeamtVG F1998 Elemente aus verschiedenen gesetzgeberischen Entscheidungen miteinander kombiniert. Es ist aber nicht die Aufgabe von Gerichten, aus verschiedenen, vom Gesetzgeber zu unterschiedlichen Zeitpunkten geschaffenen Teilregelungen eine gesetzliche Gesamtregelung zusammenzustellen, die als solche nie erlassen wurde und daher nicht von einem einheitlichen Willen des Gesetzgebers getragen ist. Die Schaffung eines aufeinander abgestimmten Systems von Wartefrist und Ausnahme- oder Anrechnungsregelungen ist allein Sache des Gesetzgebers. Diesem Regelungsauftrag ist der Bundesgesetzgeber durch das Dienstrechtsneuordnungsgesetz vom 5. Februar 2009 (Art. 4 Nr. 5 Buchst. b und c, BGBl I S. 160) auch nachgekommen. Auch das Land Schleswig-Holstein hat durch die oben genannten gesetzlichen Vorschriften die Wartefrist umfassend neu geregelt.

22

Im Übrigen hat der Gesetzgeber mit einer Wartefrist nach § 5 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG von zwei Jahren unter Anrechnung von Zeiten der Wahrnehmung der Aufgaben des Beförderungsamtes die Grenze, bis zu der der Gesetzgeber nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts den gemäß Art. 33 Abs. 5 GG zu beachtenden Grundsatz der Versorgung aus dem letzten Amt einschränken kann, ausgeschöpft (BVerfG, Beschlüsse vom 7. Juli 1982 - 2 BvL 14/78, 2/79 und 7/82 - BVerfGE 61, 43 und vom 20. März 2007 - 2 BvL 11/04 - a.a.O.).

23

Die danach anzuwendende Vorschrift des § 5 Abs. 3 Satz 4 BeamtVG F1997 bestimmt, dass Zeiten, in denen der Beamte vor der Amtsübertragung die höherwertigen Funktionen des ihm später übertragenen Amtes tatsächlich wahrgenommen hat, in die Zweijahresfrist einzurechnen sind. Deshalb hat der Kläger, weil die Zeiten der tatsächlichen Wahrnehmung der höherwertigen Funktionen des Amtes des Ersten Polizeihauptkommissars seit Januar 2002 einzurechnen sind, die maßgebliche Wartefrist erfüllt.

24

2. Das dem Beklagten nach § 116 Abs. 1 Satz 1 LVwG eröffnete Ermessen ist infolge des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 20. März 2007 dahingehend reduziert, dass er den bestandskräftigen Versorgungsfestsetzungsbescheid für den Zeitraum ab Mai 2007 aufheben muss. Als Folge hiervon muss der Beklagte die Versorgungsbezüge des Klägers ab Mai 2007 auf der Grundlage der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge aus dem Amt des Ersten Polizeihauptkommissars, BesGr A 13 BBesO, festsetzen.

25

Dies ergibt sich aus der in § 79 Abs. 2 BVerfGG zum Ausdruck kommenden gesetzgeberischen Wertung. Sofern der Gesetzgeber die Reaktion auf die Nichtigerklärung einer gesetzlichen Vorschrift durch das Bundesverfassungsgericht durch eine allgemeine Regel des Verwaltungsverfahrensrechts in das Ermessen der Behörde stellt, muss sich dieses Ermessen an den Vorgaben des § 79 Abs. 2 BVerfGG ausrichten, wenn sich aus dem jeweiligen Fachgesetz, wie hier, nichts anderes ergibt (Urteil vom 24. Februar 2011 - BVerwG 2 C 50.09 - Buchholz 316 § 51 VwVfG Nr. 58 Rn. 14 ff.). Danach kann der Betroffene für die Zukunft auch die Anpassung eines Dauerverwaltungsakts an die verfassungsrechtlich klargestellte Rechtslage verlangen (Bethge, a.a.O. § 79 Rn. 53 m.w.N.; Graßhof, a.a.O. § 79 Rn. 31; Lechner/Zuck, BVerfGG, 6. Aufl., § 79 Rn. 13; Löwer, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, 3. Aufl., Band III, § 70, Rn. 118 Fn. 912 m.w.N.).

26

Nach § 79 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG bleiben die nicht mehr anfechtbaren Entscheidungen, die auf einer gemäß § 78 BVerfGG für nichtig erklärten Norm beruhen, vorbehaltlich der Vorschrift des § 95 Abs. 2 BVerfGG oder einer besonderen gesetzlichen Regelung unberührt. Hierdurch hat der Gesetzgeber für die Vergangenheit, d.h. für die Zeit vor der Nichtigerklärung, der Rechtssicherheit den Vorrang vor der materiellen Gerechtigkeit eingeräumt. Unanfechtbare Entscheidungen sollen trotz feststehender anfänglicher Rechtswidrigkeit für die Vergangenheit rechtswirksam bleiben. Ein Verwaltungsakt, der auf einer für nichtig erklärten Norm beruht, ist unverändert Rechtsgrundlage für die von ihm geregelten Rechtsbeziehungen. Die Behörde kann weder die vor der Nichtigerklärung zu Unrecht gewährten Leistungen zurückverlangen noch kann der Begünstigte für diese Zeit nachträglich höhere als die festgesetzten Leistungen beanspruchen (BVerfG, Beschlüsse vom 11. Oktober 1966 - 1 BvR 164,178/64 - BVerfGE 20, 230 <235 f.> und vom 16. Januar 1980 - 1 BvR 127, 679/78 - BVerfGE 53, 115 <130>; Bethge, a.a.O. § 79 Rn. 44).

27

Demgegenüber erklärt § 79 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG die Vollstreckung aus unanfechtbaren Entscheidungen für unzulässig. Danach kann der Geltungsanspruch der nach Satz 1 unberührt bleibenden Entscheidung, wozu in erster Linie Verwaltungsakte gehören (vgl. BVerfG, Beschluss vom 11. Oktober 1966- 1 BvR 164, 178/64 - a.a.O. S. 236), gegen den Willen des Betroffenen nicht mehr durchgesetzt werden.

28

Somit stellt die Nichtigerklärung einer gesetzlichen Regelung durch das Bundesverfassungsgericht die zeitliche Grenze für den Geltungsanspruch der auf der für nichtig erklärten Vorschrift beruhenden unanfechtbaren Entscheidungen dar. Bis zur Nichtigerklärung der gesetzlichen Regelung gebührt der Rechtssicherheit der Vorrang. Für den Zeitraum danach setzt sich demgegenüber das Prinzip der materiellen Gerechtigkeit durch. Das Bundesverfassungsgericht hat dementsprechend aus den Regelungen des § 79 Abs. 2 BVerfGG den allgemeinen Rechtsgedanken abgeleitet, dass einerseits zwar unanfechtbar gewordene fehlerhafte Akte der öffentlichen Gewalt nicht rückwirkend aufgehoben und die in der Vergangenheit von ihnen ausgegangenen nachteiligen Wirkungen nicht beseitigt werden, andererseits jedoch zukünftige Folgen, die sich aus einer zwangsweisen Durchsetzung der verfassungswidrigen Entscheidung ergeben würden, abgewendet werden sollen (stRspr, BVerfG, Beschlüsse vom 27. November 1997 - 1 BvL 12/91 - BVerfGE 97, 35 <48> und vom 6. Dezember 2005 - 1 BvR 1905/02 - BVerfGE 115, 51 <63> m.w.N.).

29

Dieser Rechtsgedanke ist auf Dauerverwaltungsakte wie Versorgungsfestsetzungsbescheide, die nicht im engeren Sinne des § 79 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG vollstreckt werden, sondern die Grundlage für monatlich im Voraus zu zahlende Versorgungsbezüge bilden, zu übertragen. Ihre Bestandskraft wird nur für die Vergangenheit geschützt, so dass der Betroffene nicht unter Berufung auf die Nichtigerklärung einer gesetzlichen Regelung für die Vergangenheit höhere Leistungen beanspruchen kann. Demgegenüber gebührt für die Zukunft der materiellen Gerechtigkeit, nicht der Rechtssicherheit der Vorrang, so dass der Dauerverwaltungsakt an die Rechtslage anzupassen ist (Bethge, a.a.O. § 79 Rn. 53 m.w.N.; Graßhof, a.a.O. § 79 Rn. 31). Andernfalls müsste Dauerverwaltungsakten zeitlich unbegrenzte Geltung beigemessen werden, obwohl ihre gesetzliche Grundlage wegen der Nichtigerklärung weggefallen ist. Ihre nach dem Grundsatz der materiellen Gerechtigkeit gebotene Anpassung an die klargestellte Rechtslage hinge dann von Zufälligkeiten ab, d.h. vom Eintritt von Umständen, die die Behörde unabhängig von der Nichtigerklärung der gesetzlichen Grundlage durch das Bundesverfassungsgericht zur Abänderung des Dauerverwaltungsakts veranlassen.

30

Auch die verfassungsrechtliche Verankerung des Versorgungsanspruchs des Klägers spricht dafür, dass das nach § 116 Abs. 1 Satz 1 LVwG eröffnete Rücknahmeermessen nach dem Rechtsgedanken des § 79 Abs. 2 BVerfGG zu dessen Gunsten auf Null reduziert ist. Durch die bei Eintritt in den Ruhestand geltenden Regeln hat der Gesetzgeber den Gestaltungsspielraum ausgeübt, der ihm verfassungsrechtlich durch den Alimentationsgrundsatz eröffnet ist. Der sich daraus ergebende Versorgungsanspruch genießt verfassungsrechtlichen Schutz, weil ihn der Versorgungsberechtigte erdient hat (BVerfG, Beschluss vom 20. März 2007 - 2 BvL 11/04 - a.a.O. S. 387 m.w.N.). Der Dienstherr behält einen fiktiven Anteil der Dienstbezüge ein, um die Altersversorgung der Beamten zu finanzieren (Urteil vom 27. Januar 2011 - BVerwG 2 C 25.09 - Buchholz 449.4 § 55b SVG Nr. 1 Rn. 22 m.w.N.).

31

Dem Anspruch des Klägers auf Anpassung des bestandskräftigen Versorgungsfestsetzungsbescheids an die Nichtigerklärung ab Mai 2007 steht auch nicht die Aussage des Bundesverfassungsgerichts in seinem Beschluss vom 20. März 2007 (- 2 BvL 11/04 - a.a.O. S. 391) entgegen, wonach die auf der für nichtig erklärten Vorschrift beruhenden, im Zeitpunkt der Bekanntgabe der Entscheidung bereits bestandskräftigen Versorgungsfestsetzungsbescheide von der Entscheidung unberührt bleiben. Diese Aussage bezieht sich, wie dem Verweis auf den dort zitierten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 28. April 1999 (- 1 BvL 32/95, 1 BvR 2105/95 - BVerfGE 100, 1 <58 f.>) unmittelbar zu entnehmen ist, auf die Zeit vor der Bekanntgabe des Beschlusses.

32

Die hier beantragte Anpassung der Versorgungsbezüge des Klägers an die Nichtigerklärung der dreijährigen Wartefrist (§ 5 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG F1998) durch das Bundesverfassungsgericht für den Zeitraum ab Mai 2007 könnte ermessensfehlerfrei nur dann zeitlich hinausgeschoben werden, wenn hierfür ein gewichtiger Grund bestünde, der eine unverzügliche Anpassung als unangemessen erscheinen ließe (Urteil vom 24. Februar 2011 a.a.O. Rn. 24). Ein derartiger Grund liegt hier nicht vor.

33

Insbesondere kann die Anpassung des Versorgungsfestsetzungsbescheids nicht von einem entsprechenden Antrag des Ruhestandsbeamten abhängig gemacht werden. Das Antragserfordernis ist keine allgemeine ungeschriebene Voraussetzung für beamtenrechtliche Ansprüche. Ein Antrag im Sinne einer Rügeobliegenheit oder Hinweispflicht des Beamten kommt als ungeschriebene Anspruchsvoraussetzung nur in Betracht, wenn es um nicht normativ festgelegte Ansprüche geht. Der Versorgungsanspruch ist aber gesetzlich festgelegt und kann deshalb nicht an einen solchen Antrag geknüpft werden (Urteil vom 26. Juli 2012 - BVerwG 2 C 29.11 - juris Rn. 27 ).

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.