Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 07. Dez. 2016 - 8 A 10482/16

ECLI:ECLI:DE:OVGRLP:2016:1207.8A10482.16.0A
07.12.2016

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 14. April 2016 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Trier wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass sie einen aromatisierten weinhaltigen Cocktail, der mit der Angabe „Hugo mit Chardonnay-Sekt mit natürlichem Holunderblütensaft, aromatisierter weinhaltiger Cocktail mit mindestens 51 % Chardonnay-Sekt“ versehen ist, vertreiben darf.

2

Die Klägerin betreibt eine Sektkellerei. In diesem Rahmen stellt sie auch aromatisierte Weinerzeugnisse her. Hierzu gehört ein aromatisierter weinhaltiger Cocktail, der zu 51 % aus Chardonnay-Sekt besteht. Dem Produkt werden darüber hinaus 0,5 % Holunderblütensirup und weitere Aromen zugesetzt. Das Getränk ist allgemein unter der Bezeichnung „Hugo“ bekannt. Das Vorderetikett trägt die Aufschrift „Hugo mit Chardonnay-Sekt und natürlichem Holunderblütensirup“. Auf dem Rückenetikett der Getränkeflaschen findet sich ebenfalls die Angabe „Hugo mit Chardonnay-Sekt und natürlichem Holunderblütensirup“. Darunter ist in kleinerer Schrift ausgeführt: „Aromatisierter weinhaltiger Cocktail mit mindestens 51 % Chardonnay-Sekt“.

3

Mit Schreiben vom 25. Januar 2016 wandte sich der Prozessbevollmächtigte der Klägerin an den Beklagten und wies darauf hin, dass er die entsprechende Ausstattung der Klägerin gegenüber freigegeben habe. Die Auffassung des Beklagten, dass aromatisierte Weinerzeugnisse ein Zutatenverzeichnis tragen müssten, wenn in der Etikettierung nicht nur auf die Hauptgeschmacksrichtung hingewiesen werde, sondern einzelne Zutaten benannt würden, sei ihm nicht bekannt gewesen. Mit Schreiben vom 3. Februar 2016 verwies der Beklagte unter Hinweis auf den Schriftwechsel bezüglich des Produktes „F...“ darauf, dass der Klägerin die Anforderungen an die Etikettierung vor Abfüllung des Produktes „Hugo“ bekannt gewesen seien. Unter der Bezeichnung „F...“ vertreibt die Klägerin einen aromatisierten weinhaltigen Cocktail, der neben Sekt als Zutat Holunderblüte, Himbeere oder Erdbeere enthält. Hierzu hatte der Beklagte ihr gegenüber im September 2015 die Auffassung vertreten, dass bei Aufzählung mehrerer Zutaten auf dem Vorderetikett ein Zutatenverzeichnis erforderlich sei, das alle Zutaten in absteigender Menge bezeichne. Bezüglich des Produkts „Hugo“ könne er daher einem unbeschränkten Abverkauf nicht zustimmen. Zudem habe er seine Rechtsauffassung in einem Schreiben vom 25. September 2015 an den Bundeskellereienverband dargelegt. Da er in einem unvollständigen Zutatenverzeichnis die Möglichkeit einer Irreführung sehe, behalte er sich die Abgabe des Falles an die Staatsanwaltschaft vor. Die Klägerin vertrat demgegenüber mit Schreiben vom 11. Februar 2016 die Auffassung, dass nicht jede Angabe einer oder mehrerer Zutaten ein Zutatenverzeichnis im Sinne der Lebensmittelinformationsverordnung darstelle. Die Benennung einzelner Zutaten lasse kein Zutatenverzeichnis entstehen, soweit es sich um freiwillige zusätzliche Informationen handele.

4

Am 22. Februar 2016 hat die Klägerin Klage erhoben, zu deren Begründung sie dargelegt hat, die Rechtsauffassung des Beklagten sei unzutreffend. Für das von ihr hergestellte Produkt „Hugo“ sei ein Zutatenverzeichnis nicht erforderlich. Es unterliege lediglich dem Erfordernis der mengenmäßigen Angabe von Zutaten. Durch diese Angabe entstehe aber kein unvollständiges Zutatenverzeichnis, das nur dann vorliege, wenn sämtliche Zutaten des Lebensmittels in absteigender Reihenfolge aufgezählt würden. Die Ausstattung des Produktes führe auch nicht zu einer Irreführung des Verbrauchers. Die Lebensmittelinformationsverordnung erwähne die Benennung einer oder mehrerer Zutaten in unterschiedlichen Zusammenhängen. So sei in der Verordnung einerseits vom Verzeichnis der Zutaten die Rede. Andererseits kenne die Verordnung die Angabe der „Menge bestimmter Zutaten oder Klassen von Zutaten“. Nicht jede Erwähnung einer oder mehrerer Zutaten lasse ein verkapptes Zutatenverzeichnis entstehen. Unstreitig sei, dass bei Angabe eines „Zutatenverzeichnisses“ auf dem Etikett dieses vollständig sein müsse. Gerade bei alkoholischen Getränken habe der Verordnungsgeber indessen keine Notwendigkeit für die Angabe eines Zutatenverzeichnisses gesehen. Daher spielten in diesem Zusammenhang weder der Gesundheitsschutz noch das Informationsbedürfnis des Verbrauchers eine Rolle.

5

Die Klägerin hat beantragt,

6

festzustellen, dass der Beklagte nicht berechtigt ist, die Ausstattung eines aromatisieren weinhaltigen Cocktails zu beanstanden, der mit der Angabe „Hugo mit Chardonnay-Sekt und natürlichem Holunderblütensirup, aromatisierter weinhaltiger Cocktail mit mindestens 51 % Chardonnay-Sekt“ gekennzeichnet ist, aber über kein ein Zutatenverzeichnis verfügt.

7

Der Beklagte hat beantragt,

8

die Klage abzuweisen.

9

Er vertritt die Auffassung, dass die freiwillige Angabe von Zutaten in gleicher Weise erfolgen müsse, wie die entsprechende Pflichtinformation. Die Lebensmittelinformationsverordnung kenne keine beschränkte Zutatenaufzählung. Ein Zutatenverzeichnis liege hiernach bereits dann vor, wenn eine Aufzählung von mindestens zwei Zutaten erfolge.

10

Das Verwaltungsgericht hat die beantragte Feststellung mit Urteil vom 14. April 2016 getroffen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Klage als allgemeine Feststellungsklage zulässig sei. Die Klage sei auch begründet. Die Lebensmittelinformationsverordnung enthalte keine normative Vorgabe dahingehend, dass bei Benennung von zwei Bestandteilen eines aromatisierten weinhaltigen Cocktails die Auflistung sämtlicher verwendeter Zutaten erforderlich sei. Ein Zutatenverzeichnis müsse für alkoholische Getränke ab 1,2 % vol. grundsätzlich nicht angebracht werden. Bei den von der Klägerin verwendeten Angaben handele es sich nicht um eine Pflichtinformation. Sie habe auch kein Zutatenverzeichnis erstellt. Die selektive Angabe zweier Bestandteile sei kein Zutatenverzeichnis. Die Verordnung sehe die Nennung einzelner Zutaten beispielsweise bei der Mengenangabe von Zutaten vor. Sie enthalte hingegen keine Regelung, wonach die Nennung einzelner Bestandteile die Pflichtangabe des Zutatenverzeichnisses auslöse. Die Etiketten und die Aufmachung des Produktes erwiesen sich auch nicht als irreführend. Der verständige Verbraucher werte die Angaben auf dem Etikett des Getränks nicht als Zutatenverzeichnis. Er erwarte auch nicht, dass das Produkt lediglich aus Sekt und Holunderblütensirup bestehe.

11

Am 23. Mai 2016 hat der Beklagte die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt. Er führt zur Begründung aus, dass die Ausstattung des von der Klägerin hergestellten aromatisierten weinhaltigen Cocktails nicht vollständig gewesen sei. Die freiwillige Angabe einer ansonsten obligatorischen Information müsse den Anforderungen an die verpflichtenden Angaben genügen. Sobald Zutaten aufgezählt würden, handele es sich um ein Zutatenverzeichnis, das den Anforderungen der Lebensmittelinformationsverordnung entsprechen müsse. Ein Zutatenverzeichnis sei immer dann anzunehmen, wenn eine Aufzählung von Zutaten vorliege. Dies sei indessen bei der Benennung von mindestens zwei Zutaten stets der Fall. Die aufgeworfene Rechtsfrage bedürfe einer Klärung durch den Europäischen Gerichtshof in einem Vorabentscheidungsverfahren.

12

Der Beklagte beantragt,

13

unter Abänderung des aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 14. April 2016 ergangenen Urteils des Verwaltungsgerichts Trier die Klage abzuweisen.

14

Die Klägerin beantragt,

15

die Berufung zurückzuweisen.

16

Sie stellt darauf ab, dass maßgeblich sei, ob bei der Etikettierung das „Zutatenverzeichnis“ angegeben sei. Ein solches Verzeichnis liege nicht bereits bei Angabe einzelner Zutaten vor. Für die Nährwertdeklaration treffe Art. 30 Abs. 4 Lebensmittelinformationsverordnung eine Sonderregelung, die für das Zutatenverzeichnis nicht existiere.

17

Das Zutatenverzeichnis sei zudem in der Lebensmittelinformationsverordnung derart definiert, dass es aus einer Aufzählung sämtlicher Zutaten des Lebensmittels bestehe. Die Verordnung sehe als Korrektiv vor, dass freiwillige Angaben nicht irreführend sein dürften.

18

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie die Verwaltungsakte verwiesen, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.

Entscheidungsgründe

19

Die zulässige Berufung bleibt erfolglos.

20

Das Verwaltungsgericht hat dem zulässigerweise geltend gemachten Feststellungsbegehren der Klägerin zu Recht stattgegeben.

21

1. Die von der Klägerin erhobene Feststellungsklage ist zulässig.

22

a) Die Feststellungsklage ist nach § 43 Abs. 1 VwGO statthaft. Nach § 43 Abs. 1 kann durch Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat.

23

Die Klägerin begehrt die Feststellung des Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses. Unter einem solchen Rechtsverhältnis ist die rechtliche Beziehung einer Person zu einer anderen Person oder zu einer Sache zu verstehen (W.-R. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl. 2016, § 43 Rn. 11 m.w.N.). Die Klägerin will festgestellt wissen, dass das von ihr hergestellte und vertriebene Produkt „Hugo mit Chardonnay-Sekt und natürlichem Holunderblütensirup“ nicht mit einem vollständigen Zutatenverzeichnis zu versehen ist, und zielt damit auf das Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses ab.

24

b) Ihr steht auch das Rechtsschutzinteresse zu, eine vorbeugende Feststellungsklage zu erheben.

25

Das Rechtsschutzinteresse für eine derartige Klage ist ausnahmsweise dann gegeben, wenn der Betroffene nicht in zumutbarerer Weise auf den von der Verwaltungsgerichtsordnung als grundsätzlich angemessen und ausreichend angesehenen nachträglichen Rechtsschutz verwiesen werden kann. Der Verweis auf ein repressives Verfahren kommt vor dem Hintergrund der Garantie wirksamen Rechtsschutzes in Art. 19 Abs. 4 GG insbesondere dann nicht in Betracht, wenn der Kläger damit auf die ihm zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfe in einem eingeleiteten Straf- oder Bußgeldverfahren verwiesen würde. Es ist ihm nicht zuzumuten, die Klärung verwaltungsrechtlicher Zweifelsfragen „von der Anklagebank herab“ zu führen. In diesem Fall besteht ein als schutzwürdig anzuerkennendes Interesse, den Verwaltungsrechtsweg als sachnähere und fachspezifische Rechtsschutzform einzuschlagen (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 7. April 2003 – 1 BvR 2129/02 –, NVwZ 2003, 856 und juris, Rn. 14; BVerwG, Beschluss vom 8. August 1988 – 3 B 91.87 –, LRE 22, 341 und juris, Rn. 4; Beschluss vom 24. Oktober 2013 – 7 C 13.12 –, LRE 67, 16 und juris, Rn. 41; VGH BW, Urteil vom 11. Februar 2010 – 9 S 1130/08 –, VBl. BW 2010, 325 und juris, Rn. 16; Pietzcker, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 31. EL 2016, § 43 Rn. 9 und 40; W.-R. Schenke, a.a.O., § 43 Rn. 24). Der Beklagte sieht den Tatbestand einer Strafvorschrift nach den §§ 48 und 49 WeinG oder zumindest einer Ordnungswidrigkeit nach § 50 WeinG verwirklicht, wenn die Klägerin den von ihr hergestellten aromatisierten weinhaltigen Cocktail mit der bisherigen Aufmachung in Verkehr bringen sollte, da er der Verwendung des aus seiner Sicht unvollständigen Zutatenverzeichnisses irreführenden Charakter beimisst. Der Klägerin ist es vor diesem Hintergrund aber nicht zuzumuten, den Ausgang eines Straf- oder Bußgeldverfahrens abzuwarten, um die von dem Beklagten aufgeworfene Rechtsfrage zu klären.

26

2. Die Klage ist auch begründet.

27

Das Verwaltungsgericht hat die von der Klägerin beantragte Feststellung zu Recht getroffen. Die Klägerin war nicht verpflichtet, den von ihr hergestellten aromatisierten weinhaltigen Cocktail, der mit der Angabe „Hugo mit Chardonnay-Sekt und natürlichem Holunderblütensirup“ vertrieben wird, mit einem vollständigen Zutatenverzeichnis auszustatten.

28

a) Für dieses Produkt bestand auf der Grundlage des Art. 16 Abs. 4 der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel – Lebensmittelinformationsverordnung – LMIV – (ABl. L 304 vom 22.11.2011, S 18) grundsätzlich keine Verpflichtung, ein Zutatenverzeichnis nach Art. 9 Abs. 1 Buchstabe b LMIV anzugeben. Nach dieser Bestimmung sind die Angaben des Verzeichnisses der Zutaten (Art. 9 Abs. 1 Buchstabe b LMIV) und die Nährwertdeklaration (Art. 9 Abs. 1 Buchstabe l LMIV) nicht verpflichtend für Getränke mit einem Alkoholgehalt von mehr als 1,2 % vol. Der von der Klägerin hergestellte aromatisierte weinhaltige Cocktail weist einen Alkoholgehalt von 5,9 % vol auf.

29

Das Produkt der Klägerin unterfällt auch der LMIV. Nach Art. 1 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 251/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die Begriffsbestimmung, Beschreibung, Aufmachung und Etikettierung von aromatisierten Weinerzeugnissen sowie den Schutz geografischer Angaben für aromatisierte Weinerzeugnisse – VO (EU) Nr. 251/2014 – (ABl. L 84 vom 20.März 2014, S. 14) gilt die LMIV für die Aufmachung und Etikettierung aromatisierter Weinerzeugnisse, soweit in der VO (EU) Nr. 251/2014 keine abweichenden Bestimmungen festgelegt sind. Bei dem von der Klägerin hergestellten Getränk handelt es sich um einen aromatisierten weinhaltigen Cocktail i.S.v. Art. 3 Abs. 4 VO (EU) Nr. 251/2014 und damit um ein aromatisiertes Weinerzeugnis im Sinne dieser Vorschrift.

30

b) Besteht hiernach grundsätzlich keine Verpflichtung, für das von der Klägerin hergestellte aromatisierte Weinerzeugnis ein Zutatenverzeichnis anzugeben, so ergibt sich eine derartige Verpflichtung auch nicht aus anderen Vorschriften der LMIV.

31

aa) Die Verpflichtung zur Angabe eines Zutatenverzeichnisses ergibt sich insbesondere nicht aus Art. 36 Abs. 1 LMIV.

32

Art. 36 Abs. 1 LMIV sieht vor, dass Informationen über Lebensmittel, die gemäß den Art. 9 und 10 LMIV freiwillig bereitgestellt werden, den Anforderungen des Kapitels IV Abschnitte 2 und 3 der Verordnung entsprechen müssen. Eine Verpflichtung der Klägerin, ein vollständiges Zutatenverzeichnis zu erstellen, besteht indessen deshalb nicht, weil sie kein „Verzeichnis der Zutaten“ im Sinne von Art. 9 Abs. 1 Buchstabe b LMIV freiwillig bereitgestellt hat.

33

Ein Zutatenverzeichnis ist nach Art. 18 Abs. 1 LMIV dadurch gekennzeichnet, dass ihm eine Überschrift oder eine geeignete Bezeichnung vorangestellt wird, in der das Wort „Zutaten“ erscheint. Zudem besteht das Zutatenverzeichnis aus einer Aufzählung sämtlicher Zutaten des Lebensmittels in absteigender Reihenfolge ihres Gewichtsanteils zum Zeitpunkt ihrer Verwendung bei der Herstellung des Lebensmittels. Hiernach kann von der freiwilligen Angabe eines Zutatenverzeichnisses nur dann gesprochen werden, wenn der Begriff „Zutaten“ in der Überschrift oder in einer dem Verzeichnis vorangestellten geeigneten Bezeichnung verwandt wird oder wenn ansonsten aus Sicht des Verbrauchers der Eindruck entsteht, dass der Lebensmittelunternehmer mit den bereitgestellten Informationen sämtliche Zutaten des Lebensmittels angegeben hat. Die Annahme eines freiwillig angegebenen Zutatenverzeichnisses kann entgegen der Auffassung der Klägerin nicht auf den Fall beschränkt werden, dass tatsächlich alle Zutaten eines Lebensmittels in absteigender Reihenfolge ihres Gewichtsanteils aufgeführt werden.

34

Vielmehr ist auf den Verständnishorizont des Verbrauchers abzustellen, der mit den Angaben auf dem Etikett konfrontiert wird. Die Bestimmungen der LMIV sollen gerade der Information des Verbrauchers dienen. Er soll sich umfassend insbesondere über die gesundheitlichen Auswirkungen eines Produktes informieren können zwecks Vorbereitung einer fundierten Entscheidung für den Erwerb eines Produktes auf der Grundlage der für ihn hierfür maßgeblichen Erwägungen, die etwa gesundheitsbezogen, wirtschaftlich, umweltbezogen, sozial oder ethisch sein können (vgl. Art. 3 Abs. 1 LMIV und Erwägungsgrund Nr. 3 zur LMIV). Zudem sollen die Etiketten von Lebensmitteln klar und verständlich sein, um dem Verbraucher die erforderlichen Informationen als Grundlage seiner Entscheidung für bestimmte Lebensmittel und die gewünschte Ernährungsweise zu verschaffen (vgl. Erwägungsgrund Nr. 26 zur LMIV). Dieser auf den Verbraucher zugeschnittene und auf seine klare und umfassende Information abstellende Ansatz der LMIV legt es aber nahe, bei der Frage, ob ein freiwillig bereitgestelltes Zutatenverzeichnis gemäß Art. 36 Art. LMIV vorliegt, auf den Empfängerhorizont des – informierten und verständigen – Durchschnittsverbrauchers abzustellen (vgl. Voit/Grube, LMIV, 2. Aufl. 2016 Art. 7, Rn. 48 f.). Liegt aus seiner Sicht eines der Kriterien des Art. 18 Abs. 1 LMIV für ein Zutatenverzeichnis vor, so muss die Aufzählung insgesamt den Anforderungen dieser Vorschrift genügen. Nur so kann im Interesse des Verbrauchers die von Art. 36 Abs. 1 LMIV geforderte Einhaltung der Anforderungen insbesondere des 2. Abschnitts des Kapitels IV der LMIV sichergestellt werden.

35

Insoweit ist aber nicht allein auf das in Art. 36 Abs. 2 LMIV vorgesehene Irreführungsverbot abzustellen. Vielmehr handelt es sich hierbei um eine allgemeine Anforderung an die Informationen über Lebensmittel, die neben spezielle, konkret formulierte Anforderungen an bestimmte Angaben über Lebensmittel treten. Dies wird auch an der Systematik der LMIV bei den verpflichtenden Angaben deutlich. Dem entsprechenden Kapitel IV werden in Kapitel III allgemeine Anforderungen an die Informationen über Lebensmittel vorangestellt, zu denen nach Art. 7 Abs. 1 LMIV auch das Irreführungsverbot gehört.

36

Stellt man hiernach auf den Verständnishorizont eines verständigen Verbrauchers ab, so ist hinsichtlich der von der Klägerin verwendeten Angaben nicht von der freiwilligen Bereitstellung eines „Verzeichnisses der Zutaten“ auszugehen.

37

Die Klägerin hat weder eine den Begriff der Zutaten enthaltende Überschrift verwandt. Noch entsteht aus Verbrauchersicht der Eindruck, dass sie sämtliche Zutaten des von ihr hergestellten aromatisierten weinhaltigen Getränks angegeben hat. Die beiden benannten Bestandteile des aromatisierten weinhaltigen Cocktails „Hugo“, nämlich Chardonnay-Sekt und Holunderblütensirup, lassen angesichts des Umstandes, dass der Anteil des Chardonnay-Sektes mit 51 % des Gesamtproduktes angegeben wird, nicht die Erwartung entstehen, dass der Holunderblütensirup in nahezu entsprechender Menge (49 %) vorhanden ist. Vielmehr entsteht bei einem informierten Verbraucher die Vorstellung, dass der Holunderblütensirup lediglich als Zugabe zur Geschmacksgebung verwendet wurde. Hierfür spricht auch der Umstand, dass bei der Benennung dieser Zutaten die Präposition „mit“ verwendet wurde. Diese Präposition bringt unmissverständlich zum Ausdruck, dass die beiden genannten Zutaten neben anderen Zutaten verwendet wurden.

38

Der Angabe von Chardonnay-Sekt und Holunderblütensirup kommt hiernach lediglich die Funktion zu, einzelne Bestandteile des Getränks hervorzuheben. Insoweit findet die der Rechtsauffassung des Beklagten zugrunde liegende pauschalierende Überlegung, dass bei Benennung von mehr als einem Bestandteil eines Produkts stets ein (unvollständiges) Zutatenverzeichnis vorliegt, in der Lebensmittelinformationsverordnung keine Stütze.

39

Gegen eine solche Annahme lässt sich wiederum die Systematik der LMIV anführen. So kennt diese Verordnung in Art. 9 Abs. 1 LMIV neben dem Zutatenverzeichnis weitere verpflichtende Angaben in Bezug auf Zutaten, ohne dass damit ein Zutatenverzeichnis erstellt würde. Art. 9 Abs. 1 Buchstabe d LMIV bestimmt etwa, dass die Menge bestimmter Zutaten oder Klassen von Zutaten verpflichtend anzugeben ist. Hiernach legt aber die Verordnung losgelöst vom Begriff des Zutatenverzeichnisses fest, dass auch mehrere Bestandteile eines Produktes als Zutaten angegeben werden können, ohne dass damit ein Zutatenverzeichnis erstellt wird. Die Angabe der Menge einer Zutat hat nach Art. 22 LMIV u.a. dann zu erfolgen, wenn die betreffende Zutat oder Zutatenklasse auf der Kennzeichnung durch Worte, Bilder oder eine grafische Darstellung hervorgehoben ist (Buchstabe b). Auf der Grundlage dieser Bestimmung war die Klägerin verpflichtet, die Menge des bei der Herstellung ihres aromatisierten weinhaltigen Cocktails „Hugo“ verwendeten Chardonnay-Sektes anzugeben, da dieser auf den Etiketten besonders erwähnt und drucktechnisch hervorgehoben wird. Nach übereinstimmender Auffassung der Beteiligten war eine Mengenangabe für den Holunderblütensirup, der in gleicher Weise hervorgehoben wird, gemäß Art. 22 Abs. 2 i.V.m. Anhang 8 LMIV nicht erforderlich, da es sich um eine Zutat handelt, die in kleinen Mengen zur Geschmacksgebung verwendet wird (Nr. 1 Buchstabe a, Nr. iii).

40

Im Übrigen ist der pauschalierende Ansatz des Beklagten, wonach ein Zutatenverzeichnis immer bei der Benennung von mindestens zwei Bestandteilen eines Produkts vorliegt, auch im Hinblick auf Art. 19 Abs. 1 Buchstabe e LMIV nicht zwingend. Hiernach ist ein Zutatenverzeichnis – ausnahmsweise – nicht erforderlich bei Lebensmitteln, die aus einer einzigen Zutat bestehen, soweit die Bezeichnung des Lebensmittels mit der Zutatenbezeichnung identisch ist oder die Bezeichnung des Lebensmittels eindeutig auf die Art der Zutat schließen lässt. Aus dieser Vorschrift kann demnach gefolgert werden, dass auch Zutatenverzeichnisse vorstellbar sind, wenn ein Produkt lediglich aus einer Zutat besteht und die genannten Voraussetzungen nicht vorliegen.

41

bb) Ein vollständiges Zutatenverzeichnis ist im Falle der Klägerin auch nicht im Hinblick nach Art. 36 Abs. 2 Buchstabe a LMIV erforderlich. Hiernach dürfen freiwillig bereitgestellte Informationen über Lebensmittel für die Verbraucher nicht irreführend i.S.d. Art. 7 LMIV sein. Art. 7 Abs. 1 Buchstabe a LMIV bezieht diese Vorgabe insbesondere auf die Eigenschaften des Lebensmittels. Es ist indessen nicht erkennbar, dass die Angaben auf den Etiketten des von der Klägerin vertriebenen Produktes „Hugo“ im Hinblick auf dessen Eigenschaften irreführend wären.

42

Was die Frage der Irreführung angeht, so ist auf die mutmaßliche Erwartung eines normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers abzustellen, die dieser in Bezug auf den Ursprung, die Herkunft und die Qualität des Lebensmittels hegt, wobei es hauptsächlich darauf ankommt, dass der Verbraucher nicht irregeführt und nicht zu der irrtümlichen Annahme verleitet wird, dass das Erzeugnis einen anderen Ursprung, eine andere Herkunft oder eine andere Eigenschaft als in Wirklichkeit hat (vgl. EuGH, Urteil vom 4. Juni 2015, Rechtssache C-195/14 [Amtsbl. C 236 vom 20. Juli 2015, S. 16, Rn. 36]; BVerwG, Beschluss vom 20. Juni 2012 – 3 B 87.11 –, LRE 64, 17 und juris, Rn. 4; VGH BW, Urteil vom 11. Februar 2010, a.a.O., juris, Rn. 31).

43

Nach dem oben Gesagten unterliegt der informierte und verständige Durchschnittsverbraucher keinem Irrtum in dem Sinne, dass die Vorstellung hervorgerufen wird, der aromatisierte weinhaltige Cocktail „Hugo“ bestehe ausschließlich aus den angegebenen Zutaten Chardonnay-Sekt und Holunderblütensirup. Zudem liegt keine Irreführung dahingehend vor, dass eine Fehlvorstellung über die Qualität der nicht erwähnten Zutaten und damit über die Wertigkeit des Gesamtproduktes hervorgerufen würde. Vielmehr wird der Verbraucher über die Zutaten informiert, die er als Bestandteile eines unter der Bezeichnung „Hugo“ vertriebenen Produktes erwartet, nämlich Sekt und Holunderblütensirup. Dass darüber hinaus eine Erwartung an bestimmte Eigenschaften und damit an die Qualität weiterer Zutaten besteht, die nicht ausdrücklich erwähnt werden, ist hingegen nicht ersichtlich.

44

3. Der Senat sieht auch keine Veranlassung, die streitgegenständliche Rechtsfrage dem Europäischen Gerichtshof gemäß Art. 267 AEUV vorzulegen.

45

Nach dieser Vorschrift entscheidet der Gerichtshof im Wege der Vorabentscheidung über die Auslegung der Verträge (Buchstabe a) und über die Gültigkeit und Auslegung der Handlungen der Organe, Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Union (Buchstabe b). Dabei kann ein Gericht des Mitgliedsstaates, dem eine derartige Frage gestellt wird, diese Frage dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Entscheidung vorlegen, wenn es eine Entscheidung darüber für erforderlich hält. Eine Verpflichtung zur Vorlage besteht bei einem einzelstaatlichen Gericht, dessen Entscheidungen selbst nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechtes angefochten werden können. Im Falle der von dem Beklagten aufgeworfenen Frage, ob ein Zutatenverzeichnis immer dann anzunehmen ist, wenn mindestens zwei Zutaten eines Produktes genannt werden, bestand indessen kein Erfordernis für eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften, da die richtige Anwendung des Europäischen Rechts offenkundig und zweifelsfrei ist. Hiernach besteht kein Raum für einen vernünftigen Zweifel an der Entscheidung (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Dezember 2005, Rechtssache C-461/03, Rn. 16; Karpenstein, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Stand: Juli 2016, Art. 267 AEUV, Rn. 57 f.).

46

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

47

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 ff. ZPO.

48

Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der hierfür in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.

Beschluss

49

Der Wert des Streitgegenstandes für das Berufungsverfahren wird auf 10.000,00 € festgesetzt (§§ 47, 52 Abs. 1 GKG).

ra.de-Urteilsbesprechung zu Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 07. Dez. 2016 - 8 A 10482/16

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 07. Dez. 2016 - 8 A 10482/16

Referenzen - Gesetze

Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 07. Dez. 2016 - 8 A 10482/16 zitiert 9 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 47 Rechtsmittelverfahren


(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, inn

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 132


(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulas

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 19


(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 43


(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungskla

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 07. Dez. 2016 - 8 A 10482/16 zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).

Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 07. Dez. 2016 - 8 A 10482/16 zitiert 1 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 11. Feb. 2010 - 9 S 1130/08

bei uns veröffentlicht am 11.02.2010

Tenor Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 2. April 2008 - 2 K 2080/07 - geändert. Es wird festgestellt, dass der fehlende Hinweis auf einen Surimi-Anteil in der Verkehrsbezeichnung der Meeresfrüchte-Mis
3 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 07. Dez. 2016 - 8 A 10482/16.

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 11. Mai 2017 - 20 B 16.203

bei uns veröffentlicht am 11.05.2017

Tenor I. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 30. April 2015 wird geändert. Es wird festgestellt, dass der Beklagte nicht berechtigt ist, dem Kläger zu untersagen, zur Kennzeichnung der auf seinen Rebflächen erzeugten und i

Verwaltungsgericht Trier Urteil, 03. Mai 2018 - 2 K 14789/17.TR

bei uns veröffentlicht am 03.05.2018

weitere Fundstellen ... Tenor Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hint

Verwaltungsgericht Trier Urteil, 01. Feb. 2018 - 2 K 12306/17.TR

bei uns veröffentlicht am 01.02.2018

Es wird festgestellt, dass der Beklagte nicht berechtigt ist, dem Kläger zu untersagen, bei der Etikettierung von deutschem Qualitätswein des Anbaugebietes „Pfalz" die Angaben „K.B." oder „Sankt Paul” bzw. „S.P." zu verwenden, wenn auf dem Rückenetik

Referenzen

(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).

(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 2. April 2008 - 2 K 2080/07 - geändert. Es wird festgestellt, dass der fehlende Hinweis auf einen Surimi-Anteil in der Verkehrsbezeichnung der Meeresfrüchte-Mischung, die Gegenstand der Beanstandung des Landratsamts Ortenaukreis vom 7. Mai 2007 war, nicht als Irreführung im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 LFGB bewertet werden kann.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen tragen die Klägerin und der Beklagte je zur Hälfte.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Rechtsstreit betrifft die Frage, ob eine „Meeresfrüchte-Mischung“ auch „Surimi“ enthalten darf oder diese Zutat in der Verkehrsbezeichnung kenntlich gemacht werden muss.
Die Klägerin ist eine Import- und Vertriebsgesellschaft für Tiefkühlkost und vertreibt u.a. das von der Firma … in Frankreich hergestellte Produkt „Frutti di Mare ‚ROYAL‘ - Meeresfrüchte-Mischung, gekocht, glasiert, servierfertig, tiefgekühlt“. Ausweislich des auf der Packung befindlichen Zutatenverzeichnisses enthält das Produkt: „Tintenfisch, Surimi (Krebsfleisch-Imitat aus Fischmuskeleiweiß geformt (Weizen, Ei, Fisch, Krustentiere, Soja, Stabilisatoren: E450, E451, E420; Aroma, Farbstoff: Paprika, Karamell)), Miesmuscheln, Warmwassergarnelen, King Prawns, Venusmuscheln, kann Antioxidationsmittel: Natriummetabisulfit, enthalten“. Zwischen den Beteiligten ist seit längerem streitig, ob die enthaltenen Surimi-Bestandteile in der Verkehrsbezeichnung selbst kenntlich gemacht werden müssen. Vorangegangene Bußgeldverfahren wegen nicht vollständiger Verkehrsbezeichnung sind vom Landratsamt Ortenaukreis mit Bescheiden vom 08.02.1999 und vom 26.11.1999 eingestellt worden.
Mit Gutachten vom 12.07.2005 kam das Chemische und Veterinäruntersuchungsamt Freiburg erneut zu dem Ergebnis, dass das von der Klägerin vertriebene Produkt unzureichend gekennzeichnet und die Verkehrsbezeichnung irreführend sei. Das Landratsamt übersandte den Vorgang der Polizei und ersuchte um Strafanzeige. Die Staatsanwaltschaft Offenburg teilte der Klägerin die Absicht mit, das Verfahren wegen geringer Schuld nach § 153 Abs. 1 StPO einzustellen; gleichzeitig wurde aber darauf verwiesen, dass in Zukunft weitere Verstöße strafrechtlich verfolgt würden. Eine fachliche Stellungnahme der Klägerin, wonach eine unzulässige Verkehrsbezeichnung nicht vorliege, wies die Staatsanwaltschaft mit Schreiben vom 17.07.2006 zurück und kündigte für den Fall künftiger Beanstandungen eine Strafanklage an. Eine gleichzeitig von der Staatsanwaltschaft angeregte erneute Überprüfung der Produkte führte zu einem zweiten Gutachten des Chemischen und Veterinäruntersuchungsamtes Freiburg vom 27.02.2007, in dem erneut eine unzutreffende Verkehrsbezeichnung sowie eine irreführende Werbung attestiert wurden. Mit Schriftsatz vom 07.05.2007 unterrichtete das Landratsamt Ortenaukreis die Klägerin über das Gutachten und forderte sie auf, die rechtlichen Vorgaben des Kennzeichnungsrechts umzusetzen. Gleichzeitig wurde mitgeteilt, dass der Vorgang zur weiteren Entscheidung der Staatsanwaltschaft Offenburg vorgelegt werde.
Am 09.10.2007 hat die Klägerin daraufhin Klage zum Verwaltungsgericht Freiburg erhoben und beantragt, festzustellen, dass die beanstandete Meeresfrüchte-Mischung erstens nicht gegen § 3 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 der Verordnung über die Kennzeichnung von Lebensmitteln in der Fassung vom 15.12.1999 (BGBl. I S. 2464 - LMKV -) und zweitens nicht gegen § 11 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 des Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuches vom 01.09.2005 (BGBl. I S. 2205; zwischenzeitlich in der Fassung vom 24.07.2009, BGBl. I S. 2205, geändert durch VO vom 03.08.2009, BGBl. I S. 2630, - LFGB -) verstößt. Das staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren ist daraufhin mit Verfügung vom 20.11.2007 bis zum erstinstanzlichen Abschluss der Verwaltungsrechtsstreitigkeit ausgesetzt worden.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom 2. April 2008 abgewiesen. Zwar erweise sich die vorbeugende Feststellungsklage als zulässig, weil der Klägerin angesichts der drohenden Strafverfolgung nicht zugemutet werden könne, den lebensmittelrechtlichen Streit „auf der Anklagebank“ zu führen. Die Klage sei jedoch unbegründet. Die Bezeichnung entspreche nicht den kennzeichnungsrechtlichen Vorgaben aus § 4 Abs. 1 Nr. 1 LMKV, da Surimi nach allgemeiner Verkehrsanschauung nicht als Meeresfrucht anzusehen sei. Ebenso wenig könne festgestellt werden, dass es allgemeiner Verkehrsauffassung entspreche, dass in einer Meeresfrüchte-Mischung Surimi enthalten sei. Die Zulässigkeit der Verkehrsbezeichnung ergebe sich auch nicht aus § 4 Abs. 1 Nr. 2 LMKV, weil der erhebliche und von der Klägerin mit 20 % des Abtropfgewichts bezifferte Anteil von Surimi einen ergänzenden Hinweis erforderlich mache. Das insoweit bestehende Informationsbedürfnis des Verbrauchers werde durch die Angaben im Zutatenverzeichnis, das überdies in geschätzter 7-Punkte-Schrift abgefasst sei, nicht befriedigt. Schließlich müsse die Deklaration auch als irreführende Werbung im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 LFGB eingestuft werden. Denn die Gesamtaufmachung des Produkts erwecke beim Verbraucher die Fehlvorstellung, es handle sich um ein ausschließlich aus verschiedenen Meeresfrüchten bestehendes Lebensmittel. Insbesondere die ausführliche Beschreibung „Meeresfrüche-Mischung, gekocht, glasiert, servierfertig, tiefgekühlt“ suggeriere, dass sämtliche im Hinblick auf das konkrete Produkt erforderlichen Angaben enthalten seien. Angesichts der Tatsache, dass auf dem deutschen Markt zahlreiche Meeresfrüchte-Mischungen ohne Surimi oder mit einer entsprechenden Kenntlichmachung der Zugabe von Surimi im Verkehr seien und dies auch für andere Produkte der Firma XXX gelte, sei die Deklarierung vorliegend zur Irreführung des Verbrauchers geeignet.
Am 22.04.2008 hat die Klägerin die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt und diese nach gewährter Fristverlängerung mit Schriftsatz vom 09.07.2008 begründet. Entgegen der vom Verwaltungsgericht vertretenen Auffassung umfasse der Begriff der „Meeresfrüchte“ auch Fischbestandteile und damit Surimi. Angesichts der Tatsache, dass das Verwaltungsgericht selbst entsprechende Quellen benannt habe, sei die Annahme einer entgegenstehenden allgemeinen Verkehrsauffassung nicht nachvollziehbar und auch als Verstoß gegen die Amtsermittlungspflicht zu bewerten. Unabhängig hiervon folge aus der Bezeichnung als „Mischung“, dass auch andere Zutaten beigefügt seien; andernfalls sei der Begriffsbestandteil überflüssig. Surimi erweise sich aber nach Aussehen, Geschmack und Verwendungsmöglichkeit den Meeresfrüchten ähnlich. Angesichts der Tatsache, dass alle Zutaten im Zutatenverzeichnis aufgeführt seien, erfülle die Verkehrsbezeichnung jedenfalls die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Nr. 2 LMKV. Dementsprechend sei auch auf der 4. Lemgoer Lebensmittelrechtstagung vom 07.04.2008 einstimmig die Auffassung vertreten worden, dass die Kennzeichnung der Zutat „Surimi“ in der Verkehrsbezeichnung einer Meeresfrüchte-Mischung nicht erforderlich sei. Schließlich habe das Verwaltungsgericht zu Unrecht allein auf den deutschen Sprachraum abgestellt, da es gemäß § 4 Abs. 2 LMKV bereits ausreiche, dass das Erzeugnis in anderen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union zulässigerweise angeboten werde. Schließlich verkenne das Verwaltungsgericht, dass es gängige Praxis und Handelsbrauch sei, Meeresfrüchte-Mischungen mit Surimi-Anteilen zu versehen. Jedenfalls in dem relevanten Marktsegment des Großhandels und der Cash&Carry-Märkte werde der weitaus überwiegende Anteil von Meeresfrüchte-Mischungen mit Surimi-Anteilen in den Markt gebracht, ohne dass dies gesondert in der Verkehrsbezeichnung kenntlich gemacht sei. Ein non-liquet habe im Übrigen zu Lasten der Beklagten gewertet werden müssen, weil eine positive Verkehrsanschauung durch das Verwaltungsgericht nicht festgestellt worden sei. Schließlich weiche die Entscheidung von obergerichtlichen Entscheidungen ab.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 2. April 2008 - 2 K 2080/07 - zu ändern und
1. festzustellen, dass die Bezeichnung „Frutti di Mare ‚ROYAL‘-Meeresfrüchte-Mischung gekocht, glasiert, servierfertig, tiefgekühlt“ für das Erzeugnis, das Gegenstand der Beanstandungen des Beklagten vom 7. Mai 2007 ist, in objektiver Hinsicht nicht gegen § 3 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 LMKV verstößt;
2. festzustellen, dass die Bezeichnung “Frutti di Mare ‚ROYAL‘-Meeresfrüchte-Mischung gekocht, glasiert, servierfertig, tiefgekühlt“ für das Erzeugnis, das Gegenstand der Beanstandungen des Beklagten vom 7. Mai 2007 ist, in objektiver Hinsicht nicht gegen § 11 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 LFGB verstößt.
Das beklagte Land beantragt,
10 
die Berufung zurückzuweisen.
11 
Es bekräftigt die bereits in erster Instanz vorgetragene Auffassung, wonach die Klage unzulässig sei. Hinsichtlich der Begründetheit wird auf das angefochtene Urteil und den Vortrag in erster Instanz verwiesen. Darüber hinaus wird eine Liste der im Verkehr befindlichen Meeresfrüchte-Mischungen vorgelegt, nach welcher der weit überwiegende Anteil der Produkte kein Surimi enthält. Soweit die Klägerin auf eine jahrzehntelange Praxis verwiesen habe, wird betont, dass die streitgegenständlichen Produkte zumindest seit dem Jahr 1997 beanstandet würden.
12 
Dem Senat liegen die Behördenakten des Beklagten (1 Leitz-Ordner) sowie die Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts und des erkennenden Senats vor. Auf diese wird hinsichtlich weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
13 
Die vom Verwaltungsgericht zugelassene und den Anforderungen des § 124a Abs. 2 und 3 VwGO entsprechend erhobene Berufung hat teilweise Erfolg. Die von der Klägerin zulässigerweise als vorbeugende Feststellungsklage erhobene Klage (I.) ist begründet, soweit sich die Klägerin gegen den Vorwurf der Irreführung wendet (III.). Zu Recht hat das Verwaltungsgericht dagegen entschieden, dass eine den erheblichen Surimi-Anteil nicht aufführende Verkehrsbezeichnung den Vorgaben der Lebensmittel-Kennzeichnungsverordnung nicht entspricht (II.).
14 
I. Die gegen das Land gerichtete Feststellungsklage ist zulässig.
15 
Allerdings ist der verwaltungsgerichtliche Rechtsschutz grundsätzlich nicht vorbeugend konzipiert. Um den Grundsatz der Gewaltenteilung und das der Verwaltung zugewiesene Handlungsfeld nicht übermäßig und „anlasslos“ zu beeinträchtigen, setzt die den Gerichten übertragene Kontrollfunktion gegen regulierende Maßnahmen der Behörden grundsätzlich erst nachgelagert ein. Die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes gegen behördliche Regulierungen setzt daher regelmäßig den Erlass eines Verwaltungsaktes voraus, der nachfolgend Gegenstand gerichtlicher Überprüfung ist. Vorbeugender Rechtsschutz gegen erwartete oder befürchtete Anordnungen der Verwaltung ist daher grundsätzlich unzulässig.
16 
Etwas anderes gilt indes dann, wenn dem Bürger ein weiteres Zuwarten, ob und wie die Behörde tätig werden wird, nicht zugemutet werden kann und daher ein schutzwürdiges Interesse an einer alsbaldigen gerichtlichen Klärung besteht. Eine derartige Ausnahmekonstellation liegt hier vor. Die Klägerin hat ein schutzwürdiges Interesse an der alsbaldigen Feststellung der streitigen Fragen des Lebensmittelrechts. Dies folgt zunächst bereits daraus, dass sie auf gesicherte Rechtsverhältnisse angewiesen ist, um ihren Vertrieb und damit ihre wirtschaftlichen Dispositionen entsprechend einstellen zu können. Insbesondere aber verstieße es gegen die Garantie wirkungsvollen Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 GG, die Klägerin auf die ihr zur Verfügung stehenden Rechtsmittel im eingeleiteten Straf- oder Bußgeldverfahren zu verweisen. Denn es ist der Klägerin nicht zuzumuten, die Klärung verwaltungsrechtlicher Zweifelsfragen „von der Anklagebank herab“ führen zu müssen. Sie hat vielmehr ein als schutzwürdig anzuerkennendes Interesse daran, den Verwaltungsrechtsweg als sachnähere und „fachspezifischere“ Rechtsschutzform einzuschlagen, wenn ihr wegen verwaltungsrechtlicher Fragen ein Straf- oder Ordnungswidrigkeitenverfahren droht (vgl. dazu auch BVerfG, Beschluss vom 07.04.2003 - 1 BvR 2129/02 -, NVwZ 2003, 856, Rn. 14). Es ist weder sinnvoll noch zumutbar, dem Bürger in einem derartigen Schwebezustand die Möglichkeit der verbindlichen Klärung streitiger Fragen des öffentlichen Rechts zu verwehren. Dies gilt umso mehr, als Kern und Anlass der Auseinandersetzung im öffentlichen Recht wurzeln und ein Verweis auf die Rechtsschutzmöglichkeiten der ordentlichen Gerichtsbarkeit gegen etwaige Ermittlungsmaßnahmen daher auch nicht sachdienlich erscheint.
17 
Die vom Beklagten benannten Entscheidungen des 6. Senats des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg stehen dem nicht entgegen. Dort ist vielmehr ausdrücklich entschieden, dass zur Klärung streitiger verwaltungsrechtlicher Vorfragen die Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO grundsätzlich eröffnet ist (vgl. etwa VGH Bad.-Württ., Urteil vom 25.04.2007 - 6 S 46/05 -). Soweit der 6. Senat in den vom Beklagten benannten Entscheidungen ein Feststellungsinteresse verneint hatte, war diese Annahme darin begründet, dass die Ermittlungsmaßnahmen bereits beendet und hinreichende Anhaltspunkte für ein ordnungswidrigkeitenrechtliches Einschreiten damit nicht mehr gegeben waren (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 25.04.2007 - 6 S 129/05 -). Eine entsprechende Konstellation liegt hier aber nicht vor. Die Klägerin war nicht nur in der Vergangenheit (wiederholt) mit ordnungswidrigkeitsrechtlichen Ermittlungsverfahren konfrontiert worden, vielmehr hat die Staatsanwaltschaft Offenburg in ihren Schreiben vom 04.01.2006 und 18.04.2006 unmissverständlich mit der Einleitung eines Strafverfahrens gedroht, sofern die vom Landratsamt festgestellten Verstöße gegen das Lebensmittelrecht nicht abgestellt würden. Das insoweit noch laufende Ermittlungsverfahren ist nur im Hinblick auf die verwaltungsgerichtliche Klage ausgesetzt worden. Es liegt daher nicht nur unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr sondern aus Anlass eines unmittelbar drohenden Ermittlungsverfahrens ein berechtigtes Interesse an einer gerichtlichen Feststellung vor.
18 
Entgegen der Auffassung des Beklagten kann ihm - als dem Rechtsträger der zuständigen Lebensmittelüberwachungsbehörde nach § 38 Abs. 1 Satz 1 LFGB i.V.m. §§ 19 Abs. 1, 18 Abs. 4 AG-LMBG, § 15 Abs. 1 Nr. 1 LVG – das ordnungsrechtliche Einschreiten auch zugerechnet werden. Dies ergibt sich jedenfalls daraus, dass das Landratsamt die Klägerin mit Schreiben vom 07.05.2007 zur Umsetzung ihrer Vorstellungen des Lebensmittelrechts aufgefordert und den Vorgang zur weiteren Entscheidung der Staatsanwaltschaft vorgelegt hat. Damit war aus der maßgeblichen Empfängersicht eindeutig, dass die Behörde eine weitere Klärung der zwischen den Beteiligten streitigen Rechtsfrage nicht durch Erlass eines - der Anfechtungsklage vor den Verwaltungsgerichten zugänglichen - Verwaltungsakts klären würde, sondern dass die weitere Auseinandersetzung über die unterschiedliche Auslegung des Lebensmittelrechts vor einem Strafgericht stattfinden würde. Die Klageerhebung zum Verwaltungsgericht war damit vom Beklagten veranlasst und zur abschließenden Klärung der lebensmittelrechtlichen Streitigkeit auch sachdienlich.
19 
Die Beteiligten streiten somit aus Anlass einer vom Beklagten veranlassten Begutachtung um die Verkehrsfähigkeit der von der Klägerin in Deutschland vertriebenen Produkte und insbesondere um die mit den Feststellungsanträgen benannten Fragen der zutreffenden Kennzeichnung und Bezeichnung. Damit wird dem Verwaltungsgericht keine abstrakte Rechtsfrage zur Entscheidung unterbreitet, die Feststellungsanträge betreffen vielmehr den zwischen der Klägerin als Lebensmittelhändlerin und dem Beklagten als Lebensmittelüberwachungsbehörde aus Anlass konkreter Beanstandungen bestehenden Streit um Umfang und Ausmaß der lebensmittelrechtlichen Bezeichnungspflicht für surimihaltige Meeresfrüchte-Mischungen. Ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO ist mithin gegeben (vgl. zu einer ähnlichen Fallgestaltung auch Hess. VGH, Urteil vom 17.12.1985 - 9 UE 2162/85 -, NVwZ 1988, 445).
20 
II. Das In-Verkehr-Bringen einer Meeresfrüchte-Mischung mit einem Surimi-Anteil von 20 % ohne entsprechende Kenntlichmachung in der Verkehrsbezeichnung verstößt gegen die Vorgaben aus § 4 Abs. 1 LMKV. Hinsichtlich des ersten Feststellungsantrags sind Klage und Berufung daher unbegründet.
21 
1. Ob die Verkehrsbezeichnung den Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 LMKV entsprechen könnte, wie im Berufungsschriftsatz vorgetragen, ist nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits. Denn die Klägerin hat das Feststellungsbegehren in Bezug auf die Verkehrsbezeichnung ausdrücklich auf Verstöße gegen § 3 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 LMKV bezogen. Folgerichtig hat auch das Verwaltungsgericht zu § 4 Abs. 2 LMKV weder tatsächliche Feststellungen getroffen noch rechtliche Ausführungen gemacht.
22 
Unabhängig hiervon kann dem Vortrag der Klägerin auch nicht entnommen werden, dass das von ihr in Deutschland vertriebene Produkt in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union - und damit angesichts der deutschsprachigen Bezeichnung wohl allenfalls in Österreich - „rechtmäßig“ in den Verkehr gebracht würde. Selbst wenn das von der Firma XXX hergestellte Produkt mit derselben Verpackung und Bezeichnung in Österreich verkauft würde, ergäbe sich hieraus nicht bereits die vorausgesetzte Rechtmäßigkeit des entsprechenden In-Verkehr-Bringens - wie gerade die langjährige Beanstandung der Tätigkeit der Klägerin auf dem deutschen Markt zeigt. Allein aus dem Umstand, dass das Produkt in Österreich mit derselben Bezeichnung im Verkehr aufgefunden werden kann, könnte daher nicht geschlossen werden, dass diese Verkehrsbezeichnung dort auch zulässig und die Etikettierung damit rechtmäßig wäre.
23 
Soweit die Klägerin darauf verwiesen hat, dass ähnliche Produkte in EU-Mitgliedstaaten ohne ausdrückliche Kennzeichnung des Surimi-Zusatzes in den Verkehr gebracht würden, ist dies für den Tatbestand des § 4 Abs. 2 Satz 1 LMKV nicht ausreichend. Denn der grenzüberschreitende Bezug, der Bezugspunkt für die Warenverkehrsfreiheit und dementsprechend auch Tatbestandsmerkmal in Art. 5 Abs. 1 Buchstabe b) der maßgeblichen „Etikettierungs“-Richtlinie 2000/13/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. März 2000 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Etikettierung und Aufmachung von Lebensmitteln sowie die Werbung hierfür (ABl.EG L 109 S. 29) ist, muss hinsichtlich des streitgegenständlichen Produktes vorliegen. Im Übrigen sind die Verkehrsbezeichnungen der von der Klägerin vorgelegten Etiketten auch nicht mit derjenigen der streitgegenständlichen Waren identisch.
24 
2. Die den Surimi-Anteil nicht ausweisende Verkehrsbezeichnung einer Meeresfrüchte-Mischung kann auch nicht als nach allgemeiner Verkehrsauffassung übliche Bezeichnung im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 1 LMKV betrachtet werden.
25 
a) Entgegen der von der Klägerin vorgetragenen Auffassung besteht insoweit keine Beweislast des Beklagten dafür, dass eine Meeresfrüchte-Mischung nach allgemeiner Verkehrsauffassung Surimi nicht enthalten dürfe. Vielmehr ergibt sich aus der Regelungssystematik des § 4 LMKV, dass in den Fällen, in denen eine verkehrsübliche Bezeichnung nicht festgestellt werden kann, eine beschreibende Bezeichnung nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 LMKV zu erfolgen hat (vgl. Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Stand: 07/09, C 110 § 4 Rn. 11; Hagenmeyer, LMKV-Kommentar 2001, § 4 Rn. 10 sowie Rn. 3). Die Nichterweislichkeit einer allgemeinen Verkehrsauffassung hätte deshalb nicht die Zulässigkeit der praktizierten Deklarierung zur Folge, sondern führte nur zu einer Prüfung der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Nr. 2 LMKV.
26 
b) Zu Recht und mit zutreffender Begründung, auf die der Senat verweist (vgl. § 130b Satz 2 VwGO), hat das Verwaltungsgericht erkannt, dass eine allgemeine Verkehrsauffassung, nach der Meeresfrüchte-Mischungen auch Surimi enthalten, nicht festgestellt werden kann. Die hiergegen mit der Berufung vorgetragenen Erwägungen rechtfertigen keine abweichende Beurteilung.
27 
aa) Das folgt zunächst schon daraus, dass Surimi selbst nach in Deutschland allgemeiner Verkehrsauffassung nicht als Meeresfrucht, sondern als Fischerzeugnis angesehen wird. Insoweit kann auf die nach § 15 LFGB beschlossenen Leitsätze der Deutschen Lebensmittelbuch-Kommission verwiesen werden. Diese stellen zwar keine Rechtsvorschriften dar, die aufgelisteten Bezeichnungen bringen aber regelmäßig die nach allgemeiner Verkaufsauffassung üblichen Bezeichnungen zum Ausdruck (vgl. Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Stand: 07/09, C 110 § 4 Rn. 7; Hagenmeyer, LMKV-Kommentar, 2001, § 4 Rn. 12 m.w.N.). Nach den insoweit maßgeblichen „Leitsätzen für Fische, Krebs- und Weichtiere und Erzeugnisse daraus“ ist Surimi aber ein Fischteil (Nr. I.A.4.j) und muss auch als „Fischzubereitung aus Fischmuskeleiweiß“ bezeichnet werden (Nr. II.N.2).
28 
Fischteile und -erzeugnisse gehören nach allgemein üblichem Sprachgebrauch aber nicht zu den Meeresfrüchten. Diese Formulierung wird – anders als die englische Bezeichnung „seafood“ - regelmäßig vielmehr gerade zur Abgrenzung der Fische (und Wale) von den übrigen essbaren Meerestieren verwendet (vgl. stellvertretend etwa die Definition in Wikipedia). Andernfalls könnte unter der Bezeichnung eines Meeresfrüchte-Tellers auch bloßer Fisch serviert werden, was offenkundig nicht der allgemeinen Verbrauchererwartung entspricht. Dass gelegentlich auch abweichende Definitionen anzutreffen sind, stellt dieses Ergebnis nicht in Frage. Die benannten Fundstellen führen nicht dazu, dass eine allgemeine Verkehrsauffassung des Inhalts festgestellt werden könnte, dass unter dem Begriff der Meeresfrüchte auch Fische zu subsumieren wären.
29 
Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht zutreffend darauf verwiesen, dass es sich bei Surimi auch nicht um Fisch im ursprünglichen Sinne und dem Verständnis der allgemeinen Verkehrsauffassung handelt, sondern um ein in einem technischen Verarbeitungsprozess entstehendes Erzeugnis aus herausgelösten Fischeiweißfraktionen und weiteren Zutaten, die nach den Ausführungen der Tierärztin des Chemischen und Veterinäruntersuchungsamtes Freiburg in der mündlichen Verhandlung vielfach den Rohsurimianteil übersteigen. Selbst die von der Klägerin vorgelegte Beschlussfassung der 4. Lemgoer Lebensmittelrechtstagung vom 07.04.2008 hat insoweit ausdrücklich darauf verwiesen, dass die Fischzubereitung aus Fischmuskeleiweiß „insoweit nicht den Meeresfrüchten unterfällt“ (vgl. Fleischwirtschaft Nr. 9/2008, S. 72).
30 
bb) Surimi ist auch kein nach allgemeiner Verkehrsauffassung in einer Meeresfrüchte-Mischung zu erwartender Bestandteil.
31 
Entgegen der mit der Berufung vorgetragenen Auffassung reicht zunächst die im Handel übliche Bezeichnung für sich genommen nicht zur Begründung einer verkehrsüblichen Bezeichnung aus. Denn § 4 Abs. 1 Nr. 1 LMKV stellt hierfür nicht auf die einseitige Produzentensicht ab, sondern auf die Verkehrsauffassung und damit insbesondere die Sicht der Verbraucher. Bei der Feststellung einer allgemeinen Verkehrsauffassung im Bereich des Lebensmittelrechts ist deshalb maßgeblich auf die mutmaßliche Erwartung eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers abzustellen (vgl. EuGH, Urteil vom 04.04.2000 - C-465/98 -, Slg. 2000, I-2297, Rn. 20). Der damit angesprochene Referenzverbraucher wird durch die Frage bestimmt, welcher Verbraucherkreis das Produkt wahrscheinlich erwerben wird (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18.10.2000 - 1 B 45/00 -, LRE 40, 166, Rn. 4).
32 
Zugunsten der Klägerin geht der Senat insoweit davon aus, dass ihr Produkt überwiegend im Großhandel und in Cash&Carry-Märkten vertrieben wird. Auch bei Berücksichtigung dieses - regelmäßig besser als im Einzelhandel informierten - Käuferkreises lässt sich die geltend gemachte Verkehrsauffassung indes nicht feststellen. Vielmehr ergibt sich aus den nachvollziehbaren Feststellungen des Verwaltungsgerichts, die sich der Senat zu eigen macht, sowie der vom Beklagten mit Schriftsatz vom 02.10.2008 vorgelegten Übersicht, dass auch in diesem Marktsegment ein erheblicher Anteil der erhältlichen Meeresfrucht-Produkte Surimi nicht enthält. Selbst die Firma XXX, die das streitgegenständliche und von der Klägerin vertriebene Produkt herstellt, hält in ihrem Angebot eine Meeresfrüchte-Mischung bereit, die ohne Surimi hergestellt wird. Eine allgemeine Verkehrsauffassung, nach der ein Meeresfrüchte-Cocktail auch Surimi enthält, kann damit offenkundig nicht festgestellt werden. Sie entspricht weder dem vorhandenen Handelsbrauch noch dem allgemeinen Sprachgebrauch oder der üblichen Verbrauchererwartung.
33 
Aus den Äußerungen der 4. Lemgoer Lebensmittelrechtstagung vom 07.04. 2008 (vgl. Fleischwirtschaft Nr. 9/2008, S. 72) ergibt sich nichts anderes. Denn die dort vertretene Auffassung, in der Verkehrsbezeichnung einer Meeresfrüchte-Mischung müsse Surimi nicht aufgeführt werden, da der richtige Ort der Zutatenkennzeichnung auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung stets die Zutatenliste sei, nimmt nicht auf eine behauptete Verkehrsanschauung Bezug, sondern bringt eine Einschätzung des Diskussionsforum hinsichtlich der bestehenden Rechtslage zum Ausdruck. Insoweit kommt der Lemgoer Lebensmittelrechtstagung aber keine präjudizierende Meinungsträgerschaft zu.
34 
Anhaltspunkte für das Bestehen einer allgemeinen Verkehrsauffassung, nach der eine Meeresfrüchte-Mischung auch Surimi enthalte, sind nach Auffassung des Senats damit nicht erkennbar, sodass auch eine weitere Aufklärung, die auch von der Klägerin nicht beantragt worden ist, nicht erforderlich erscheint. Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass in den Leitsätzen der Deutschen Lebensmittelbuch-Kommission für Meeresfrüchte eine Bezeichnung, die für eine allgemeine Verkehrsauffassung sprechen könnte, nicht aufgeführt wird.
35 
3. Auf Basis der damit erforderlich werdenden beschreibenden Verkehrsbezeichnung nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 LMKV ist die Kennzeichnung des Surimi-Anteils indes angezeigt, um das Produkt von verwechselbaren Erzeugnissen unterscheiden zu können.
36 
a) Nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 LMKV muss das Lebensmittel so beschrieben sein, dass der Verbraucher sowohl die Art des Lebensmittels genau erkennen als auch das Lebensmittel von verwechselbaren Erzeugnissen eindeutig unterscheiden kann. Eine vollständige Beschreibung der Bestandteile ist danach zwar grundsätzlich nicht erforderlich; diese Funktion erfüllt vielmehr primär das Zutatenverzeichnis. Die beschreibende Verkehrsbezeichnung muss aber hinreichend genau sein, um es dem Verbraucher zu ermöglichen, die tatsächliche Art des Lebensmittels zu erkennen (vgl. EuGH, Urteil vom 09.02.1999 - C-383/97 -, Slg. I-731, Rn. 31); insoweit kann das Verzeichnis der Zutaten nach § 6 LMKV die Beschreibung nicht ersetzen (vgl. Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Stand: 07/09, C 110 § 4 Rn. 12). Soweit die Angabe daher erforderlich ist, um die charakteristischen Eigenschaften des Lebensmittels - und damit insbesondere die wertbestimmenden und geschmacksbildenden Bestandteile – offen zu legen und eine Unterscheidung mit verwechselbaren Erzeugnissen zu ermöglichen, sind die Zutaten bereits in der Verkehrsbezeichnung selbst zu deklarieren (vgl. Hagenmeyer, LMKV-Kommentar, 2001, § 4 Rn. 14 f.).
37 
b) Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist vorliegend zur Beschreibung des von der Klägerin vertriebenen Lebensmittels ein Hinweis auf die Zugabe von Surimi in der Verkehrsbezeichnung erforderlich. Denn bei Surimi handelt es sich nach dem bereits Dargelegten nicht um eine Meeresfrucht, sodass das von der Klägerin vertriebene Produkt angesichts des erheblichen Anteils von 20 % Surimi ohne entsprechenden Hinweis nicht hinreichend präzise beschrieben ist. Dies folgt insbesondere daraus, dass auf dem deutschen Markt - in allen Käufersegmenten - Meeresfrüchte-Mischungen ohne Surimi und Meeresfrüchte-Mischungen mit Surimi-Anteil zu finden sind. Um die Art des Lebensmittels erkennen und es von verwechselbaren Erzeugnissen unterscheiden zu können, bedarf es daher einer entsprechenden Deklarierung. Dem steht die Angabe des Surimi-Anteils im Zutatenverzeichnis nach § 6 LMKV nicht entgegen. Denn hierdurch wird den Erfordernissen einer hinreichend abgrenzbaren Bezeichnung nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 LMKV nicht entsprochen.
38 
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der in der Bezeichnung des streitgegenständlichen Produkts aufgenommen Formulierung der „Mischung“. Denn aus diesem Zusatz lässt sich nicht entnehmen, dass in der Mischung auch andere Bestandteile als Meeresfrüchte enthalten sind. Vielmehr bestünde insoweit die Gefahr der Verwechslung und Irreführung, weil die Bezeichnung jedenfalls auch - und wohl näher liegend - so verstanden werden kann, dass mit ihr zum Ausdruck gebracht werden soll, dass in dem Produkt unterschiedliche Meeresfrüchte, wie etwa Tintenfisch, Muscheln oder Krebse enthalten sind. Nach Art. 5 Abs. 1 Buchstabe a der Etikettierungs-RL 2000/13/EG muss die Verkehrsbezeichnung eines Lebensmittels aber hinreichend genau sein, um es von Erzeugnissen zu unterscheiden, mit denen es verwechselt werden könnte. Gerade ein Irrtum über Beschaffenheit und Zusammensetzung des Lebensmittels (vgl. Art. 2 Abs. 1 Buchstabe a der Etikettierungs-RL 2000/13/EG) muss damit vermieden werden. Die Beifügung von 20 % Surimi, das selbst als „Fischzubereitung aus Fischmuskeleiweiß“ nicht zu den Meeresfrüchten gehört und im Hinblick auf seine verkehrswesentlichen Eigenschaften von den nach der verkehrsüblichen Bezeichnung zu erwartenden Weich- und Krustentieren zu unterscheiden ist, bedarf daher der klarstellenden Etikettierung.
39 
Auch das mit der Berufung zitierte Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 07.08.1996 (- 13 A 7606/95 -, NWVBl 1997, 104) rechtfertigt keine andere Einschätzung. Dies folgt zunächst schon daraus, dass es in dieser Entscheidung nicht primär um die Voraussetzungen der Verkehrsbezeichnung nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 LMKV, sondern um die verkehrsübliche Bezeichnung nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 LMKV und um den Problemkreis der Irreführung ging. Im Übrigen hat das Oberverwaltungsgericht in dieser Entscheidung selbst ausdrücklich darauf hingewiesen, dass möglicherweise anders zu entscheiden sein könnte, wenn der dort maßgebliche Geflügelfleischanteil in Frikadellen mehr als 5 % betragen sollte. Bei einem vierfach höheren Anteil und der Tatsache, dass Surimi selbst keine Meeresfrucht darstellt, unterscheidet sich die Konstellation daher grundsätzlich von dem durch das nordrhein-westfälische Oberverwaltungsgericht entschiedenen Fall. Schließlich handelt es sich bei Frikadellen um ein gefertigtes Erzeugnis, bei dem sich der Verbraucher der Tatsache bewusst sein muss, dass es aus unterschiedlichen Zutaten hergestellt ist, die im Einzelnen der Verkehrsbezeichnung nicht zu entnehmen sind.
40 
Angesichts der beschriebenen Verwechslungsgefahr mit im Markt befindlichen Meeresfrüchte-Mischungen ohne Surimi-Anteile ist nach Auffassung des Senats damit ein ergänzender Hinweis zur ordnungsgemäßen Verkehrsbezeichnung nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 LMKV erforderlich (vgl. dazu auch die vom Beklagten im Verfahren erster Instanz vorgelegten Unterlagen der 58. Arbeitstagung des Arbeitskreises der auf dem Gebiet der Lebensmittelhygiene und der vom Tier stammenden Lebensmittel tätigen Sachverständigen).
41 
III. Zu Recht macht die Klägerin indes geltend, dass eine irreführende Bezeichnung im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 LFGB nicht angenommen werden kann.
42 
1. Zutreffend ist allerdings, dass sich eine Irreführung auch aus einem Unterlassen ergeben kann (vgl. Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Stand: 07/09, C 102 § 11 Rn. 84). Hinsichtlich fehlender Zutatenangaben in der Bezeichnung ist indes zu berücksichtigen, dass sich die Zutaten im Einzelnen aus dem Verzeichnis ergeben und ein bloßes Unterlassen daher grundsätzlich nicht geeignet ist, den Tatbestand des § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 LFGB zu erfüllen. Denn nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs kann von Irreführung eines Verbrauchers in Bezug auf die Zusammensetzung eines Lebensmittels regelmäßig dann nicht ausgegangen werden, wenn hierauf im Zutatenverzeichnis des Lebensmittels ordnungsgemäß hingewiesen wird (vgl. EuGH, Urteil vom 04.04.2000 - C-465/98 -, Slg I-2297, Rn. 22). Grundsätzlich müsse davon ausgegangen werden, dass Verbraucher, die sich in ihrer Kaufentscheidung nach der Zusammensetzung des Erzeugnisses richten, zunächst das Zutatenverzeichnis lesen (vgl. EuGH, Urteil vom 26.10.1995 - C-51/94 -, Slg. I-3599, Rn. 34).
43 
Die Voraussetzungen des § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 LFGB setzen daher mehr als ein bloßes Nichtdeklarieren etwaiger Zutaten voraus. Eine Irreführung kommt demnach nur dann in Betracht, wenn die sonstige Aufmachung des Produkts mit den zutreffenden Angaben im Zutatenverzeichnis in Widerspruch steht und bei einer Gesamtschau eine unzutreffende Erwartung des durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers hervorzurufen in der Lage ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18.10.2000 - 1 B 45/00 -, LRE 40, 166, Rn. 8; Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Stand: 07/09, C 102 § 11 Rn. 177).
44 
2. Entgegen der vom Verwaltungsgericht vertretenen Auffassung kann von einem derartigen Ausnahmefall hier nach Einschätzung des erkennenden Senats nicht ausgegangen werden.
45 
a) Zwar trifft zu, dass mit den in der Verkehrsbezeichnung erfolgten Beschreibungen „gekocht, glasiert, servierfertig, tiefgekühlt“ weitere ergänzende Angaben enthalten sind. Diese beziehen sich jedoch nicht auf die enthaltenen Zutaten, sondern betreffen den Zustand des Lebensmittels und die besondere Behandlung, die es erfahren hat, und damit durchgängig Angaben, zu denen Art. 5 Abs. 3 Satz 1 der Etikettierungs-RL 2000/13/EG grundsätzlich verpflichtet. Eine Irreführung oder Widersprüchlichkeit hinsichtlich der Zutaten kann darin nicht gesehen werden.
46 
b) Auch aus Art und Platzierung der Kennzeichnung kann nicht entnommen werden, dass die Information des Verbrauchers beeinträchtigt wäre.
47 
Dass das Zutatenverzeichnis unter einem Rezeptvorschlag angebracht ist, beeinträchtigt die gute Sichtbarkeit der Informationen nicht (vgl. § 3 Abs. 3 Satz 1 LMKV). Vielmehr ist der „Zutaten-Block“ durch einen Absatz getrennt und die Überschrift durch einen größeren Schriftgrad deutlich kenntlich gemacht. Auch bei einem flüchtigen Blick auf die Verpackung bereitet die Gestaltung daher keinerlei Mühe, das Zutatenverzeichnis aufzufinden und zur Kenntnis zu nehmen (vgl. hierzu Hagenmeyer, LMKV-Kommentar, 2001, § 3 Rn. 18; Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Stand: 07/09, C 110 § 3 Rn. 48). Schließlich ist die vom Verwaltungsgericht auf eine Sieben-Punkt-Schrift geschätzte Schriftgröße nicht zu beanstanden (vgl. BGH, Beschluss vom 24.11.1988 - I ZR 144/86 -, NJW-RR 1989, 301) und gewährleistet die erforderliche „deutliche Lesbarkeit“ noch in ausreichender Weise.
48 
Sonstige Umstände, die trotz der ordnungsgemäßen Ausweisung von Surimi in der Zutatenliste eine hiervon widersprüchliche Aufmachung begründen könnten, sind der Verpackung nicht zu entnehmen. Das im Regelfall das Informationsbedürfnis des durchschnittlichen Verbrauchers befriedigende Zutatenverzeichnis erfüllt daher den gesetzlich intendierten Schutzzweck.
49 
c) Etwas anderes folgt schließlich auch nicht daraus, dass die Firma XXX auch Produkte anbietet, die kein Surimi enthalten. Dieser Gesichtspunkt ist zwar bei der Erforderlichkeit eines Zusatzes in der Verkehrsbezeichnung nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 LMKV zu berücksichtigen; er ergibt aber keinen Anknüpfungspunkt für die vom Verwaltungsgericht angenommene Widersprüchlichkeit der konkreten Produktgestaltung.
50 
Auch bei Berücksichtigung der Gesamtaufmachung des beanstandeten Produktes und anderer durch die Firma XXX vertriebenen Waren sind daher keine ausreichenden Anhaltspunkte für die Annahme eines Ausnahmefalles ersichtlich, die es rechtfertigen könnten, eine Irreführung anzunehmen. Hinsichtlich des zweiten Feststellungsantrages hat die Berufung der Klägerin daher Erfolg.
51 
IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
52 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil ein in § 132 Abs. 2 VwGO hierfür vorausgesetzter Zulassungsgrund nicht vorliegt.
53 
Beschluss vom 11. Februar 2010
54 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000,- -EUR festgesetzt (vgl. § 47 Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 25.2 des Streitwertkatalogs der Verwaltungsgerichtsbarkeit, NVwZ 2004, 1327). Konkrete Anhaltspunkte für die zu erwartende wirtschaftliche Auswirkung sind von den Beteiligten weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich.
55 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
13 
Die vom Verwaltungsgericht zugelassene und den Anforderungen des § 124a Abs. 2 und 3 VwGO entsprechend erhobene Berufung hat teilweise Erfolg. Die von der Klägerin zulässigerweise als vorbeugende Feststellungsklage erhobene Klage (I.) ist begründet, soweit sich die Klägerin gegen den Vorwurf der Irreführung wendet (III.). Zu Recht hat das Verwaltungsgericht dagegen entschieden, dass eine den erheblichen Surimi-Anteil nicht aufführende Verkehrsbezeichnung den Vorgaben der Lebensmittel-Kennzeichnungsverordnung nicht entspricht (II.).
14 
I. Die gegen das Land gerichtete Feststellungsklage ist zulässig.
15 
Allerdings ist der verwaltungsgerichtliche Rechtsschutz grundsätzlich nicht vorbeugend konzipiert. Um den Grundsatz der Gewaltenteilung und das der Verwaltung zugewiesene Handlungsfeld nicht übermäßig und „anlasslos“ zu beeinträchtigen, setzt die den Gerichten übertragene Kontrollfunktion gegen regulierende Maßnahmen der Behörden grundsätzlich erst nachgelagert ein. Die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes gegen behördliche Regulierungen setzt daher regelmäßig den Erlass eines Verwaltungsaktes voraus, der nachfolgend Gegenstand gerichtlicher Überprüfung ist. Vorbeugender Rechtsschutz gegen erwartete oder befürchtete Anordnungen der Verwaltung ist daher grundsätzlich unzulässig.
16 
Etwas anderes gilt indes dann, wenn dem Bürger ein weiteres Zuwarten, ob und wie die Behörde tätig werden wird, nicht zugemutet werden kann und daher ein schutzwürdiges Interesse an einer alsbaldigen gerichtlichen Klärung besteht. Eine derartige Ausnahmekonstellation liegt hier vor. Die Klägerin hat ein schutzwürdiges Interesse an der alsbaldigen Feststellung der streitigen Fragen des Lebensmittelrechts. Dies folgt zunächst bereits daraus, dass sie auf gesicherte Rechtsverhältnisse angewiesen ist, um ihren Vertrieb und damit ihre wirtschaftlichen Dispositionen entsprechend einstellen zu können. Insbesondere aber verstieße es gegen die Garantie wirkungsvollen Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 GG, die Klägerin auf die ihr zur Verfügung stehenden Rechtsmittel im eingeleiteten Straf- oder Bußgeldverfahren zu verweisen. Denn es ist der Klägerin nicht zuzumuten, die Klärung verwaltungsrechtlicher Zweifelsfragen „von der Anklagebank herab“ führen zu müssen. Sie hat vielmehr ein als schutzwürdig anzuerkennendes Interesse daran, den Verwaltungsrechtsweg als sachnähere und „fachspezifischere“ Rechtsschutzform einzuschlagen, wenn ihr wegen verwaltungsrechtlicher Fragen ein Straf- oder Ordnungswidrigkeitenverfahren droht (vgl. dazu auch BVerfG, Beschluss vom 07.04.2003 - 1 BvR 2129/02 -, NVwZ 2003, 856, Rn. 14). Es ist weder sinnvoll noch zumutbar, dem Bürger in einem derartigen Schwebezustand die Möglichkeit der verbindlichen Klärung streitiger Fragen des öffentlichen Rechts zu verwehren. Dies gilt umso mehr, als Kern und Anlass der Auseinandersetzung im öffentlichen Recht wurzeln und ein Verweis auf die Rechtsschutzmöglichkeiten der ordentlichen Gerichtsbarkeit gegen etwaige Ermittlungsmaßnahmen daher auch nicht sachdienlich erscheint.
17 
Die vom Beklagten benannten Entscheidungen des 6. Senats des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg stehen dem nicht entgegen. Dort ist vielmehr ausdrücklich entschieden, dass zur Klärung streitiger verwaltungsrechtlicher Vorfragen die Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO grundsätzlich eröffnet ist (vgl. etwa VGH Bad.-Württ., Urteil vom 25.04.2007 - 6 S 46/05 -). Soweit der 6. Senat in den vom Beklagten benannten Entscheidungen ein Feststellungsinteresse verneint hatte, war diese Annahme darin begründet, dass die Ermittlungsmaßnahmen bereits beendet und hinreichende Anhaltspunkte für ein ordnungswidrigkeitenrechtliches Einschreiten damit nicht mehr gegeben waren (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 25.04.2007 - 6 S 129/05 -). Eine entsprechende Konstellation liegt hier aber nicht vor. Die Klägerin war nicht nur in der Vergangenheit (wiederholt) mit ordnungswidrigkeitsrechtlichen Ermittlungsverfahren konfrontiert worden, vielmehr hat die Staatsanwaltschaft Offenburg in ihren Schreiben vom 04.01.2006 und 18.04.2006 unmissverständlich mit der Einleitung eines Strafverfahrens gedroht, sofern die vom Landratsamt festgestellten Verstöße gegen das Lebensmittelrecht nicht abgestellt würden. Das insoweit noch laufende Ermittlungsverfahren ist nur im Hinblick auf die verwaltungsgerichtliche Klage ausgesetzt worden. Es liegt daher nicht nur unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr sondern aus Anlass eines unmittelbar drohenden Ermittlungsverfahrens ein berechtigtes Interesse an einer gerichtlichen Feststellung vor.
18 
Entgegen der Auffassung des Beklagten kann ihm - als dem Rechtsträger der zuständigen Lebensmittelüberwachungsbehörde nach § 38 Abs. 1 Satz 1 LFGB i.V.m. §§ 19 Abs. 1, 18 Abs. 4 AG-LMBG, § 15 Abs. 1 Nr. 1 LVG – das ordnungsrechtliche Einschreiten auch zugerechnet werden. Dies ergibt sich jedenfalls daraus, dass das Landratsamt die Klägerin mit Schreiben vom 07.05.2007 zur Umsetzung ihrer Vorstellungen des Lebensmittelrechts aufgefordert und den Vorgang zur weiteren Entscheidung der Staatsanwaltschaft vorgelegt hat. Damit war aus der maßgeblichen Empfängersicht eindeutig, dass die Behörde eine weitere Klärung der zwischen den Beteiligten streitigen Rechtsfrage nicht durch Erlass eines - der Anfechtungsklage vor den Verwaltungsgerichten zugänglichen - Verwaltungsakts klären würde, sondern dass die weitere Auseinandersetzung über die unterschiedliche Auslegung des Lebensmittelrechts vor einem Strafgericht stattfinden würde. Die Klageerhebung zum Verwaltungsgericht war damit vom Beklagten veranlasst und zur abschließenden Klärung der lebensmittelrechtlichen Streitigkeit auch sachdienlich.
19 
Die Beteiligten streiten somit aus Anlass einer vom Beklagten veranlassten Begutachtung um die Verkehrsfähigkeit der von der Klägerin in Deutschland vertriebenen Produkte und insbesondere um die mit den Feststellungsanträgen benannten Fragen der zutreffenden Kennzeichnung und Bezeichnung. Damit wird dem Verwaltungsgericht keine abstrakte Rechtsfrage zur Entscheidung unterbreitet, die Feststellungsanträge betreffen vielmehr den zwischen der Klägerin als Lebensmittelhändlerin und dem Beklagten als Lebensmittelüberwachungsbehörde aus Anlass konkreter Beanstandungen bestehenden Streit um Umfang und Ausmaß der lebensmittelrechtlichen Bezeichnungspflicht für surimihaltige Meeresfrüchte-Mischungen. Ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO ist mithin gegeben (vgl. zu einer ähnlichen Fallgestaltung auch Hess. VGH, Urteil vom 17.12.1985 - 9 UE 2162/85 -, NVwZ 1988, 445).
20 
II. Das In-Verkehr-Bringen einer Meeresfrüchte-Mischung mit einem Surimi-Anteil von 20 % ohne entsprechende Kenntlichmachung in der Verkehrsbezeichnung verstößt gegen die Vorgaben aus § 4 Abs. 1 LMKV. Hinsichtlich des ersten Feststellungsantrags sind Klage und Berufung daher unbegründet.
21 
1. Ob die Verkehrsbezeichnung den Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 LMKV entsprechen könnte, wie im Berufungsschriftsatz vorgetragen, ist nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits. Denn die Klägerin hat das Feststellungsbegehren in Bezug auf die Verkehrsbezeichnung ausdrücklich auf Verstöße gegen § 3 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 LMKV bezogen. Folgerichtig hat auch das Verwaltungsgericht zu § 4 Abs. 2 LMKV weder tatsächliche Feststellungen getroffen noch rechtliche Ausführungen gemacht.
22 
Unabhängig hiervon kann dem Vortrag der Klägerin auch nicht entnommen werden, dass das von ihr in Deutschland vertriebene Produkt in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union - und damit angesichts der deutschsprachigen Bezeichnung wohl allenfalls in Österreich - „rechtmäßig“ in den Verkehr gebracht würde. Selbst wenn das von der Firma XXX hergestellte Produkt mit derselben Verpackung und Bezeichnung in Österreich verkauft würde, ergäbe sich hieraus nicht bereits die vorausgesetzte Rechtmäßigkeit des entsprechenden In-Verkehr-Bringens - wie gerade die langjährige Beanstandung der Tätigkeit der Klägerin auf dem deutschen Markt zeigt. Allein aus dem Umstand, dass das Produkt in Österreich mit derselben Bezeichnung im Verkehr aufgefunden werden kann, könnte daher nicht geschlossen werden, dass diese Verkehrsbezeichnung dort auch zulässig und die Etikettierung damit rechtmäßig wäre.
23 
Soweit die Klägerin darauf verwiesen hat, dass ähnliche Produkte in EU-Mitgliedstaaten ohne ausdrückliche Kennzeichnung des Surimi-Zusatzes in den Verkehr gebracht würden, ist dies für den Tatbestand des § 4 Abs. 2 Satz 1 LMKV nicht ausreichend. Denn der grenzüberschreitende Bezug, der Bezugspunkt für die Warenverkehrsfreiheit und dementsprechend auch Tatbestandsmerkmal in Art. 5 Abs. 1 Buchstabe b) der maßgeblichen „Etikettierungs“-Richtlinie 2000/13/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. März 2000 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Etikettierung und Aufmachung von Lebensmitteln sowie die Werbung hierfür (ABl.EG L 109 S. 29) ist, muss hinsichtlich des streitgegenständlichen Produktes vorliegen. Im Übrigen sind die Verkehrsbezeichnungen der von der Klägerin vorgelegten Etiketten auch nicht mit derjenigen der streitgegenständlichen Waren identisch.
24 
2. Die den Surimi-Anteil nicht ausweisende Verkehrsbezeichnung einer Meeresfrüchte-Mischung kann auch nicht als nach allgemeiner Verkehrsauffassung übliche Bezeichnung im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 1 LMKV betrachtet werden.
25 
a) Entgegen der von der Klägerin vorgetragenen Auffassung besteht insoweit keine Beweislast des Beklagten dafür, dass eine Meeresfrüchte-Mischung nach allgemeiner Verkehrsauffassung Surimi nicht enthalten dürfe. Vielmehr ergibt sich aus der Regelungssystematik des § 4 LMKV, dass in den Fällen, in denen eine verkehrsübliche Bezeichnung nicht festgestellt werden kann, eine beschreibende Bezeichnung nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 LMKV zu erfolgen hat (vgl. Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Stand: 07/09, C 110 § 4 Rn. 11; Hagenmeyer, LMKV-Kommentar 2001, § 4 Rn. 10 sowie Rn. 3). Die Nichterweislichkeit einer allgemeinen Verkehrsauffassung hätte deshalb nicht die Zulässigkeit der praktizierten Deklarierung zur Folge, sondern führte nur zu einer Prüfung der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Nr. 2 LMKV.
26 
b) Zu Recht und mit zutreffender Begründung, auf die der Senat verweist (vgl. § 130b Satz 2 VwGO), hat das Verwaltungsgericht erkannt, dass eine allgemeine Verkehrsauffassung, nach der Meeresfrüchte-Mischungen auch Surimi enthalten, nicht festgestellt werden kann. Die hiergegen mit der Berufung vorgetragenen Erwägungen rechtfertigen keine abweichende Beurteilung.
27 
aa) Das folgt zunächst schon daraus, dass Surimi selbst nach in Deutschland allgemeiner Verkehrsauffassung nicht als Meeresfrucht, sondern als Fischerzeugnis angesehen wird. Insoweit kann auf die nach § 15 LFGB beschlossenen Leitsätze der Deutschen Lebensmittelbuch-Kommission verwiesen werden. Diese stellen zwar keine Rechtsvorschriften dar, die aufgelisteten Bezeichnungen bringen aber regelmäßig die nach allgemeiner Verkaufsauffassung üblichen Bezeichnungen zum Ausdruck (vgl. Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Stand: 07/09, C 110 § 4 Rn. 7; Hagenmeyer, LMKV-Kommentar, 2001, § 4 Rn. 12 m.w.N.). Nach den insoweit maßgeblichen „Leitsätzen für Fische, Krebs- und Weichtiere und Erzeugnisse daraus“ ist Surimi aber ein Fischteil (Nr. I.A.4.j) und muss auch als „Fischzubereitung aus Fischmuskeleiweiß“ bezeichnet werden (Nr. II.N.2).
28 
Fischteile und -erzeugnisse gehören nach allgemein üblichem Sprachgebrauch aber nicht zu den Meeresfrüchten. Diese Formulierung wird – anders als die englische Bezeichnung „seafood“ - regelmäßig vielmehr gerade zur Abgrenzung der Fische (und Wale) von den übrigen essbaren Meerestieren verwendet (vgl. stellvertretend etwa die Definition in Wikipedia). Andernfalls könnte unter der Bezeichnung eines Meeresfrüchte-Tellers auch bloßer Fisch serviert werden, was offenkundig nicht der allgemeinen Verbrauchererwartung entspricht. Dass gelegentlich auch abweichende Definitionen anzutreffen sind, stellt dieses Ergebnis nicht in Frage. Die benannten Fundstellen führen nicht dazu, dass eine allgemeine Verkehrsauffassung des Inhalts festgestellt werden könnte, dass unter dem Begriff der Meeresfrüchte auch Fische zu subsumieren wären.
29 
Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht zutreffend darauf verwiesen, dass es sich bei Surimi auch nicht um Fisch im ursprünglichen Sinne und dem Verständnis der allgemeinen Verkehrsauffassung handelt, sondern um ein in einem technischen Verarbeitungsprozess entstehendes Erzeugnis aus herausgelösten Fischeiweißfraktionen und weiteren Zutaten, die nach den Ausführungen der Tierärztin des Chemischen und Veterinäruntersuchungsamtes Freiburg in der mündlichen Verhandlung vielfach den Rohsurimianteil übersteigen. Selbst die von der Klägerin vorgelegte Beschlussfassung der 4. Lemgoer Lebensmittelrechtstagung vom 07.04.2008 hat insoweit ausdrücklich darauf verwiesen, dass die Fischzubereitung aus Fischmuskeleiweiß „insoweit nicht den Meeresfrüchten unterfällt“ (vgl. Fleischwirtschaft Nr. 9/2008, S. 72).
30 
bb) Surimi ist auch kein nach allgemeiner Verkehrsauffassung in einer Meeresfrüchte-Mischung zu erwartender Bestandteil.
31 
Entgegen der mit der Berufung vorgetragenen Auffassung reicht zunächst die im Handel übliche Bezeichnung für sich genommen nicht zur Begründung einer verkehrsüblichen Bezeichnung aus. Denn § 4 Abs. 1 Nr. 1 LMKV stellt hierfür nicht auf die einseitige Produzentensicht ab, sondern auf die Verkehrsauffassung und damit insbesondere die Sicht der Verbraucher. Bei der Feststellung einer allgemeinen Verkehrsauffassung im Bereich des Lebensmittelrechts ist deshalb maßgeblich auf die mutmaßliche Erwartung eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers abzustellen (vgl. EuGH, Urteil vom 04.04.2000 - C-465/98 -, Slg. 2000, I-2297, Rn. 20). Der damit angesprochene Referenzverbraucher wird durch die Frage bestimmt, welcher Verbraucherkreis das Produkt wahrscheinlich erwerben wird (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18.10.2000 - 1 B 45/00 -, LRE 40, 166, Rn. 4).
32 
Zugunsten der Klägerin geht der Senat insoweit davon aus, dass ihr Produkt überwiegend im Großhandel und in Cash&Carry-Märkten vertrieben wird. Auch bei Berücksichtigung dieses - regelmäßig besser als im Einzelhandel informierten - Käuferkreises lässt sich die geltend gemachte Verkehrsauffassung indes nicht feststellen. Vielmehr ergibt sich aus den nachvollziehbaren Feststellungen des Verwaltungsgerichts, die sich der Senat zu eigen macht, sowie der vom Beklagten mit Schriftsatz vom 02.10.2008 vorgelegten Übersicht, dass auch in diesem Marktsegment ein erheblicher Anteil der erhältlichen Meeresfrucht-Produkte Surimi nicht enthält. Selbst die Firma XXX, die das streitgegenständliche und von der Klägerin vertriebene Produkt herstellt, hält in ihrem Angebot eine Meeresfrüchte-Mischung bereit, die ohne Surimi hergestellt wird. Eine allgemeine Verkehrsauffassung, nach der ein Meeresfrüchte-Cocktail auch Surimi enthält, kann damit offenkundig nicht festgestellt werden. Sie entspricht weder dem vorhandenen Handelsbrauch noch dem allgemeinen Sprachgebrauch oder der üblichen Verbrauchererwartung.
33 
Aus den Äußerungen der 4. Lemgoer Lebensmittelrechtstagung vom 07.04. 2008 (vgl. Fleischwirtschaft Nr. 9/2008, S. 72) ergibt sich nichts anderes. Denn die dort vertretene Auffassung, in der Verkehrsbezeichnung einer Meeresfrüchte-Mischung müsse Surimi nicht aufgeführt werden, da der richtige Ort der Zutatenkennzeichnung auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung stets die Zutatenliste sei, nimmt nicht auf eine behauptete Verkehrsanschauung Bezug, sondern bringt eine Einschätzung des Diskussionsforum hinsichtlich der bestehenden Rechtslage zum Ausdruck. Insoweit kommt der Lemgoer Lebensmittelrechtstagung aber keine präjudizierende Meinungsträgerschaft zu.
34 
Anhaltspunkte für das Bestehen einer allgemeinen Verkehrsauffassung, nach der eine Meeresfrüchte-Mischung auch Surimi enthalte, sind nach Auffassung des Senats damit nicht erkennbar, sodass auch eine weitere Aufklärung, die auch von der Klägerin nicht beantragt worden ist, nicht erforderlich erscheint. Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass in den Leitsätzen der Deutschen Lebensmittelbuch-Kommission für Meeresfrüchte eine Bezeichnung, die für eine allgemeine Verkehrsauffassung sprechen könnte, nicht aufgeführt wird.
35 
3. Auf Basis der damit erforderlich werdenden beschreibenden Verkehrsbezeichnung nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 LMKV ist die Kennzeichnung des Surimi-Anteils indes angezeigt, um das Produkt von verwechselbaren Erzeugnissen unterscheiden zu können.
36 
a) Nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 LMKV muss das Lebensmittel so beschrieben sein, dass der Verbraucher sowohl die Art des Lebensmittels genau erkennen als auch das Lebensmittel von verwechselbaren Erzeugnissen eindeutig unterscheiden kann. Eine vollständige Beschreibung der Bestandteile ist danach zwar grundsätzlich nicht erforderlich; diese Funktion erfüllt vielmehr primär das Zutatenverzeichnis. Die beschreibende Verkehrsbezeichnung muss aber hinreichend genau sein, um es dem Verbraucher zu ermöglichen, die tatsächliche Art des Lebensmittels zu erkennen (vgl. EuGH, Urteil vom 09.02.1999 - C-383/97 -, Slg. I-731, Rn. 31); insoweit kann das Verzeichnis der Zutaten nach § 6 LMKV die Beschreibung nicht ersetzen (vgl. Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Stand: 07/09, C 110 § 4 Rn. 12). Soweit die Angabe daher erforderlich ist, um die charakteristischen Eigenschaften des Lebensmittels - und damit insbesondere die wertbestimmenden und geschmacksbildenden Bestandteile – offen zu legen und eine Unterscheidung mit verwechselbaren Erzeugnissen zu ermöglichen, sind die Zutaten bereits in der Verkehrsbezeichnung selbst zu deklarieren (vgl. Hagenmeyer, LMKV-Kommentar, 2001, § 4 Rn. 14 f.).
37 
b) Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist vorliegend zur Beschreibung des von der Klägerin vertriebenen Lebensmittels ein Hinweis auf die Zugabe von Surimi in der Verkehrsbezeichnung erforderlich. Denn bei Surimi handelt es sich nach dem bereits Dargelegten nicht um eine Meeresfrucht, sodass das von der Klägerin vertriebene Produkt angesichts des erheblichen Anteils von 20 % Surimi ohne entsprechenden Hinweis nicht hinreichend präzise beschrieben ist. Dies folgt insbesondere daraus, dass auf dem deutschen Markt - in allen Käufersegmenten - Meeresfrüchte-Mischungen ohne Surimi und Meeresfrüchte-Mischungen mit Surimi-Anteil zu finden sind. Um die Art des Lebensmittels erkennen und es von verwechselbaren Erzeugnissen unterscheiden zu können, bedarf es daher einer entsprechenden Deklarierung. Dem steht die Angabe des Surimi-Anteils im Zutatenverzeichnis nach § 6 LMKV nicht entgegen. Denn hierdurch wird den Erfordernissen einer hinreichend abgrenzbaren Bezeichnung nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 LMKV nicht entsprochen.
38 
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der in der Bezeichnung des streitgegenständlichen Produkts aufgenommen Formulierung der „Mischung“. Denn aus diesem Zusatz lässt sich nicht entnehmen, dass in der Mischung auch andere Bestandteile als Meeresfrüchte enthalten sind. Vielmehr bestünde insoweit die Gefahr der Verwechslung und Irreführung, weil die Bezeichnung jedenfalls auch - und wohl näher liegend - so verstanden werden kann, dass mit ihr zum Ausdruck gebracht werden soll, dass in dem Produkt unterschiedliche Meeresfrüchte, wie etwa Tintenfisch, Muscheln oder Krebse enthalten sind. Nach Art. 5 Abs. 1 Buchstabe a der Etikettierungs-RL 2000/13/EG muss die Verkehrsbezeichnung eines Lebensmittels aber hinreichend genau sein, um es von Erzeugnissen zu unterscheiden, mit denen es verwechselt werden könnte. Gerade ein Irrtum über Beschaffenheit und Zusammensetzung des Lebensmittels (vgl. Art. 2 Abs. 1 Buchstabe a der Etikettierungs-RL 2000/13/EG) muss damit vermieden werden. Die Beifügung von 20 % Surimi, das selbst als „Fischzubereitung aus Fischmuskeleiweiß“ nicht zu den Meeresfrüchten gehört und im Hinblick auf seine verkehrswesentlichen Eigenschaften von den nach der verkehrsüblichen Bezeichnung zu erwartenden Weich- und Krustentieren zu unterscheiden ist, bedarf daher der klarstellenden Etikettierung.
39 
Auch das mit der Berufung zitierte Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 07.08.1996 (- 13 A 7606/95 -, NWVBl 1997, 104) rechtfertigt keine andere Einschätzung. Dies folgt zunächst schon daraus, dass es in dieser Entscheidung nicht primär um die Voraussetzungen der Verkehrsbezeichnung nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 LMKV, sondern um die verkehrsübliche Bezeichnung nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 LMKV und um den Problemkreis der Irreführung ging. Im Übrigen hat das Oberverwaltungsgericht in dieser Entscheidung selbst ausdrücklich darauf hingewiesen, dass möglicherweise anders zu entscheiden sein könnte, wenn der dort maßgebliche Geflügelfleischanteil in Frikadellen mehr als 5 % betragen sollte. Bei einem vierfach höheren Anteil und der Tatsache, dass Surimi selbst keine Meeresfrucht darstellt, unterscheidet sich die Konstellation daher grundsätzlich von dem durch das nordrhein-westfälische Oberverwaltungsgericht entschiedenen Fall. Schließlich handelt es sich bei Frikadellen um ein gefertigtes Erzeugnis, bei dem sich der Verbraucher der Tatsache bewusst sein muss, dass es aus unterschiedlichen Zutaten hergestellt ist, die im Einzelnen der Verkehrsbezeichnung nicht zu entnehmen sind.
40 
Angesichts der beschriebenen Verwechslungsgefahr mit im Markt befindlichen Meeresfrüchte-Mischungen ohne Surimi-Anteile ist nach Auffassung des Senats damit ein ergänzender Hinweis zur ordnungsgemäßen Verkehrsbezeichnung nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 LMKV erforderlich (vgl. dazu auch die vom Beklagten im Verfahren erster Instanz vorgelegten Unterlagen der 58. Arbeitstagung des Arbeitskreises der auf dem Gebiet der Lebensmittelhygiene und der vom Tier stammenden Lebensmittel tätigen Sachverständigen).
41 
III. Zu Recht macht die Klägerin indes geltend, dass eine irreführende Bezeichnung im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 LFGB nicht angenommen werden kann.
42 
1. Zutreffend ist allerdings, dass sich eine Irreführung auch aus einem Unterlassen ergeben kann (vgl. Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Stand: 07/09, C 102 § 11 Rn. 84). Hinsichtlich fehlender Zutatenangaben in der Bezeichnung ist indes zu berücksichtigen, dass sich die Zutaten im Einzelnen aus dem Verzeichnis ergeben und ein bloßes Unterlassen daher grundsätzlich nicht geeignet ist, den Tatbestand des § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 LFGB zu erfüllen. Denn nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs kann von Irreführung eines Verbrauchers in Bezug auf die Zusammensetzung eines Lebensmittels regelmäßig dann nicht ausgegangen werden, wenn hierauf im Zutatenverzeichnis des Lebensmittels ordnungsgemäß hingewiesen wird (vgl. EuGH, Urteil vom 04.04.2000 - C-465/98 -, Slg I-2297, Rn. 22). Grundsätzlich müsse davon ausgegangen werden, dass Verbraucher, die sich in ihrer Kaufentscheidung nach der Zusammensetzung des Erzeugnisses richten, zunächst das Zutatenverzeichnis lesen (vgl. EuGH, Urteil vom 26.10.1995 - C-51/94 -, Slg. I-3599, Rn. 34).
43 
Die Voraussetzungen des § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 LFGB setzen daher mehr als ein bloßes Nichtdeklarieren etwaiger Zutaten voraus. Eine Irreführung kommt demnach nur dann in Betracht, wenn die sonstige Aufmachung des Produkts mit den zutreffenden Angaben im Zutatenverzeichnis in Widerspruch steht und bei einer Gesamtschau eine unzutreffende Erwartung des durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers hervorzurufen in der Lage ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18.10.2000 - 1 B 45/00 -, LRE 40, 166, Rn. 8; Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Stand: 07/09, C 102 § 11 Rn. 177).
44 
2. Entgegen der vom Verwaltungsgericht vertretenen Auffassung kann von einem derartigen Ausnahmefall hier nach Einschätzung des erkennenden Senats nicht ausgegangen werden.
45 
a) Zwar trifft zu, dass mit den in der Verkehrsbezeichnung erfolgten Beschreibungen „gekocht, glasiert, servierfertig, tiefgekühlt“ weitere ergänzende Angaben enthalten sind. Diese beziehen sich jedoch nicht auf die enthaltenen Zutaten, sondern betreffen den Zustand des Lebensmittels und die besondere Behandlung, die es erfahren hat, und damit durchgängig Angaben, zu denen Art. 5 Abs. 3 Satz 1 der Etikettierungs-RL 2000/13/EG grundsätzlich verpflichtet. Eine Irreführung oder Widersprüchlichkeit hinsichtlich der Zutaten kann darin nicht gesehen werden.
46 
b) Auch aus Art und Platzierung der Kennzeichnung kann nicht entnommen werden, dass die Information des Verbrauchers beeinträchtigt wäre.
47 
Dass das Zutatenverzeichnis unter einem Rezeptvorschlag angebracht ist, beeinträchtigt die gute Sichtbarkeit der Informationen nicht (vgl. § 3 Abs. 3 Satz 1 LMKV). Vielmehr ist der „Zutaten-Block“ durch einen Absatz getrennt und die Überschrift durch einen größeren Schriftgrad deutlich kenntlich gemacht. Auch bei einem flüchtigen Blick auf die Verpackung bereitet die Gestaltung daher keinerlei Mühe, das Zutatenverzeichnis aufzufinden und zur Kenntnis zu nehmen (vgl. hierzu Hagenmeyer, LMKV-Kommentar, 2001, § 3 Rn. 18; Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Stand: 07/09, C 110 § 3 Rn. 48). Schließlich ist die vom Verwaltungsgericht auf eine Sieben-Punkt-Schrift geschätzte Schriftgröße nicht zu beanstanden (vgl. BGH, Beschluss vom 24.11.1988 - I ZR 144/86 -, NJW-RR 1989, 301) und gewährleistet die erforderliche „deutliche Lesbarkeit“ noch in ausreichender Weise.
48 
Sonstige Umstände, die trotz der ordnungsgemäßen Ausweisung von Surimi in der Zutatenliste eine hiervon widersprüchliche Aufmachung begründen könnten, sind der Verpackung nicht zu entnehmen. Das im Regelfall das Informationsbedürfnis des durchschnittlichen Verbrauchers befriedigende Zutatenverzeichnis erfüllt daher den gesetzlich intendierten Schutzzweck.
49 
c) Etwas anderes folgt schließlich auch nicht daraus, dass die Firma XXX auch Produkte anbietet, die kein Surimi enthalten. Dieser Gesichtspunkt ist zwar bei der Erforderlichkeit eines Zusatzes in der Verkehrsbezeichnung nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 LMKV zu berücksichtigen; er ergibt aber keinen Anknüpfungspunkt für die vom Verwaltungsgericht angenommene Widersprüchlichkeit der konkreten Produktgestaltung.
50 
Auch bei Berücksichtigung der Gesamtaufmachung des beanstandeten Produktes und anderer durch die Firma XXX vertriebenen Waren sind daher keine ausreichenden Anhaltspunkte für die Annahme eines Ausnahmefalles ersichtlich, die es rechtfertigen könnten, eine Irreführung anzunehmen. Hinsichtlich des zweiten Feststellungsantrages hat die Berufung der Klägerin daher Erfolg.
51 
IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
52 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil ein in § 132 Abs. 2 VwGO hierfür vorausgesetzter Zulassungsgrund nicht vorliegt.
53 
Beschluss vom 11. Februar 2010
54 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000,- -EUR festgesetzt (vgl. § 47 Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 25.2 des Streitwertkatalogs der Verwaltungsgerichtsbarkeit, NVwZ 2004, 1327). Konkrete Anhaltspunkte für die zu erwartende wirtschaftliche Auswirkung sind von den Beteiligten weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich.
55 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.