Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz Beschluss, 24. Feb. 2012 - 6 B 11492/11

ECLI:ECLI:DE:OVGRLP:2012:0224.6B11492.11.0A
bei uns veröffentlicht am24.02.2012


Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Trier vom 6. Dezember 2011 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 989,21 € festgesetzt.

Gründe

1

Die Beschwerde des Antragstellers hat keinen Erfolg. Die von ihm dargelegten Gründe, die gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO allein Gegenstand der Überprüfung durch den Senat sind, führen nicht zu einer von dem angefochtenen Beschluss abweichenden Interessenabwägung. Dem Verwaltungsgericht ist vielmehr darin zuzustimmen, dass an der Rechtmäßigkeit der Heranziehung des Antragstellers zu einem wiederkehrenden Beitrag durch Bescheid vom 6. Juni 2011 keine ernstlichen Zweifel im Sinne des § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO bestehen.

2

Insbesondere hält der Senat an seiner bereits in den Urteilen vom 20. November 2007 (6 C 10601/07.OVG, AS 35, 209, DVBl 2008, 135, ESOVGRP, juris) und vom 10. Juni 2008 (6 C 10255/08, AS 36, 195, KStZ 2009, 37, ESOVGRP, juris) ausführlich begründeten Auffassung fest, dass die in § 10a KAG getroffene Neuregelung zur Erhebung wiederkehrender Beiträge für den Ausbau von Verkehrsanlagen verfassungsgemäß ist. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Vorlagebeschlusses des Verwaltungsgerichts Koblenz an das Bundeverfassungsgericht vom 1. August 2011 - 4 K 1392/10.KO -, soweit dessen Begründung vom Antragsteller im Rahmen des Beschwerdeverfahrens in Bezug genommen worden ist.

3

So bleibt trotz der in § 10a KAG zur Erhebung wiederkehrender Beiträge eingeräumte Möglichkeit, eine aus allen Anbaustraßen in der Gemeinde oder einzelnen, voneinander abgrenzbarer Gebietsteilen bestehende einheitliche öffentliche Einrichtung zu bilden, die für die Beitragserhebung unerlässliche Verknüpfung zwischen Abgabenlast und Sondervorteil erhalten (vgl. hierzu BVerfG, 1 BvL 1/58, BVerfGE 9, 291 [297]; BVerfG, 2 BvR 591/95, NVwZ 2003, 467).

4

Soweit mit der Beschwerde geltend gemacht wird, die einheitliche öffentliche Einrichtung aller Anbaustraßen ermögliche keine Abgrenzung zwischen Sondervorteil und beitragsfreiem Allgemeingebrauch, verkennt sie, dass der mit einem Straßenausbau verbundene Sondervorteil, der die Beitragserhebung rechtfertigt, keineswegs in einem über den Gemeingebrauch an Straßen hinausgehenden Sondernutzungsrecht besteht. Sowohl bei der Erhebung von Einmalbeiträgen als auch bei der Erhebung wiederkehrender Straßenausbaubeiträge geht es nicht um den Vorteil der Straßenbenutzung. Denn diese Möglichkeit steht auch Ortsfremden sowie nicht beitragspflichtigen Einwohnern offen. Der die Beitragserhebung rechtfertigende Sondervorteil liegt für den Eigentümer eines qualifiziert nutzbaren Grundstücks beim einmaligen Beitrag in der unmittelbaren Zugangs- bzw. Zufahrtsmöglichkeit zu der ausgebauten Verkehrsanlage (§ 10 Abs. 5 KAG) und beim wiederkehrenden Beitrags nach § 10a Abs. 1 Satz 2 KAG in der rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeit einer Zufahrt oder eines Zugangs zu einer der Verkehrsanlagen der einheitlichen öffentlichen Einrichtung, die von allen zum Anbau bestimmten Verkehrsanlagen gebildet wird. Diese Zugangs- bzw. Zufahrtsmöglichkeit stellt für ein Grundstück einen Sondervorteil dar, wenn es gerade wegen dieser wegemäßigen Erschließung qualifiziert (baulich und/oder gewerblich) nutzbar ist bzw. bleibt (vgl. OVG RP, 6 A 10158/06, AS 33, 260, KStZ 2006, 171, ESOVGRP, juris). Dass diese Zugänglichkeit und damit die qualifizierte Nutzbarkeit eines Grundstücks gesichert wird, rechtfertigt die Erhebung von Beiträgen für den Straßenausbau.

5

Dabei darf – worauf der Senat (6 C 10601/07.OVG, AS 35, 209, DVBl 2008, 135, ESOVGRP, juris) bereits hingewiesen hat – nicht übersehen werden, dass die Zugänglichkeit zu einem Grundstück keineswegs allein durch die Straße, an der es gelegen ist, vermittelt wird, sondern zusätzlich durch andere Verkehrsanlagen, die den Anschluss ans übrige Straßennetz herstellen. Diese Abhängigkeit von weiteren Verkehrsanlagen wird von dem Sondervorteil, der durch den Ausbau einer Anbaustraße innerhalb der einheitlichen öffentlichen Einrichtung entsteht, erfasst. Das vom Senat (6 C 10601/07.OVG, AS 35, 209, DVBl 2008, 135, ESOVGRP, juris) in diesem Zusammenhang erwähnte Beispiel einer mehr als 100 m langen, selbständigen Sackgasse belegt diese Abhängigkeit ungeachtet der Frage, unter welchen Umständen eine Erschließungseinheit aus einer solchen Sackgasse und der Hauptstraße, auf die sie angewiesen ist, gebildet werden kann.

6

Der Sondervorteil eines qualifiziert nutzbaren Grundstücks in einer von allen zum Anbau bestimmten Verkehrsanlagen gebildeten einheitlichen öffentlichen Einrichtung durch den Ausbau einer entfernt liegenden Anbaustraße setzt keinen räumlichen und funktionalen Zusammenhang der Verkehrsanlagen in der Einrichtung voraus. Denn der Gesetzgeber hat dem § 10a KAG einen neuen Anlagen- und Vorteilsbegriff zugrunde gelegt, der vom bisherigen in wesentlicher Hinsicht abweicht und nicht mehr vom Vorliegen eines räumlichen und funktionalen Zusammenhangs der Verkehrsanlagen in der Abrechnungseinheit abhängt. Abgesehen davon war der durch die räumlich und funktional zusammenhängende Abrechnungseinheit nach bisherigem Beitragsrecht vermittelte Vorteil nicht „konkreter“ als der Sondervorteil, den die einheitliche öffentliche Einrichtung gemäß § 10a KAG in ihrer Gesamtheit als einheitliches Straßensystem bietet (OVG RP, 6 C 10601/07.OVG, AS 35, 209, DVBl 2008, 135, ESOVGRP, juris). Denn auch der Umstand, dass die Bildung einer einzigen Abrechnungseinheit nach bisherigem Recht grundsätzlich nur in kleineren Gemeinden oder in Ortsteilen vergleichbarer Größe möglich war (OVG RP, 6 C 10580/02.OVG, AS 30, 291, ESOVGRP; 6 A 10631/03.OVG, ESOVGRP, juris), lässt nicht den Schluss zu, der wiederkehrende Beitrag habe nach dem bisherigen Recht eine größere „Nähe zum Aufwand“ gehabt (vgl. Kube, LKRZ 2007, 93 f.; von Mutius, Verfassungsrechtliche Anforderungen an eine Novellierung des kommunalen Beitragsrechts, 1985, S. 46; Schoch, Verfassungsrechtliche Anforderungen an die Erhebung „wiederkehrender Beiträge“ für Verkehrsanlagen, 2005, S. 59, 65).

7

So sieht § 10a Abs. 1 Satz 2 KAG die Möglichkeit vor, in einzelnen, voneinander abgrenzbaren Gebietsteilen einer Gemeinde eigenständige öffentliche Einrichtungen von Anbaustraßen zu schaffen und damit dem Gesichtspunkt der Nähe zum Aufwand in besonderer Weise Rechnung zu tragen. Der Gesetzgeber wollte mit dieser "Auftrennung" (Landtags-Drucks. 15/318, S. 7) des Gemeindegebiets ermöglichen, dass besonderen örtlichen Gegebenheiten Rechnung getragen wird (vgl. OVG RP, 6 C 10255/08.OVG, AS 36, 195, KStZ 2009, 37, ESOVGRP). Dementsprechend bestimmt § 10a Abs. 1 Satz 3 KAG, dass die Gemeinde die Entscheidung über die eine Einheit bildenden Verkehrsanlagen "in Wahrnehmung ihres Selbstverwaltungsrechts unter Beachtung der örtlichen Gegebenheiten" trifft. Solche örtliche Gegebenheiten, die die Bildung einer einzigen öffentlichen Einrichtung von Anbaustraßen im gesamten Gemeindegebiet rechtfertigen, werden regelmäßig in kleineren oder mittelgroßen Gemeinden vorliegen. Hingegen wird in größeren Gemeinden und insbesondere in Großstädten die Bildung mehrerer Einrichtungen naheliegen, um eine Nähe des Beitragspflichtigen zum Aufwand zu gewährleisten (so schon OVG RP, 6 A 10505/10.OVG, ESOVGRP, juris). Der so durch § 10a KAG den Gemeinden eingeräumte Entscheidungsspielraum gestattet es daher, im Einzelfall Einheiten von Verkehrsanlagen zu bilden, die den Beitragspflichtigen einen hinreichenden Sondervorteil vermitteln.

8

Der Systemwechsel vom bisherigen wiederkehrenden Beitrag in einer räumlich und funktional zusammenhängenden Abrechnungseinheit zum wiederkehrenden Beitrag in grundsätzlich einer einheitlichen öffentlichen Einrichtung der Anbaustraßen, also zu dem neuen Anlagen- und Vorteilsbegriff des § 10a KAG, ist im Gesetzgebungsverfahren auch zu Recht mit dem Feld-, Weinbergs- und Waldwegenetz einer Gemeinde verglichen worden. Dass dieses meist weitmaschiger ist als das Anbaustraßennetz in einer Gemeinde, bedeutet nicht, dass einem qualifiziert nutzbaren Grundstück in einer von allen zum Anbau bestimmten Verkehrsanlagen gebildeten einheitlichen öffentlichen Einrichtung durch den Ausbau einer von diesem Grundstück entfernt liegenden Anbaustraße kein Sondervorteil zuteil wird. Der beitragsrechtlich relevante Vorteil, den die Beitragspflichtigen sowohl in der Gemeindeeinrichtung „Feld-, Weinbergs- und Waldwegenetz“ (vgl. OVG RP, 6 A 11246/03, ESOVGRP) als auch in einheitlichen öffentlichen Einrichtung der Anbaustraßen haben, besteht in der Erhaltung, Verbesserung oder Erweiterung des Wege- bzw. Straßensystems durch entsprechende Ausbaumaßnahmen der Gemeinde (Gesetzesbegründung zu § 10a KAG, LT-Drucks. 15/318 S. 7). Der Senat (6 C 10601/07.OVG, AS 35, 209, DVBl 2008, 135, ESOVGRP, juris) hat bereits entschieden und hält daran fest, dass der mit der Bildung einer einheitlichen öffentlichen Einrichtung verbundene Sondervorteil auch in der grundsätzlichen Verpflichtung der Gemeinde zum Ausdruck kommt, diese Einrichtung funktionsfähig zu halten.

9

Dieser Systemwechsel ist auch nicht wegen der Wahlmöglichkeit der Gemeinden zwischen einmaligen und wiederkehrenden Beiträgen im Straßenausbaubeitragsrecht verfassungsrechtlich zu beanstanden. Denn auch der mit dem einmaligen Beitrag korrespondierende Vorteilsbegriff bleibt unvollkommen; auch er vermag den Vorzug, den der beitragspflichtige Grundstückseigentümer durch den Straßenausbau erfährt, nicht präzise abzubilden. So lässt die bloße Anknüpfung an die Zugänglichkeit zu der ausgebauten Verkehrsanlage beim einmaligen Beitrag unberücksichtigt, dass zur wegemäßigen Erschließung eines bestimmten Grundstücks allein die Straße, an der es gelegen ist, keineswegs ausreicht, sondern erst über andere Verkehrsanlagen der Anschluss an das übrige Straßennetz vermittelt wird (OVG RP, 6 C 10601/07.OVG, AS 35, 209, DVBl 2008, 135, ESOVGRP, juris). Diesem Aspekt wird der oben dargelegte Vorteilsbegriff, der den wiederkehrenden Beitrag im Sinne des § 10a KAG kennzeichnet, eher gerecht.

10

Der Beschluss des VG Koblenz vom 1. August 2011(4 K 1392/10.KO, juris) gibt auch aus anderen Gründen keine Veranlassung, an der Verfassungsmäßigkeit der Neuregelung des § 10a KAG zu zweifeln. Insbesondere hat die satzungsrechtliche Konstituierung einer einheitlichen öffentlichen Einrichtung der Anbaustraßen in der Gemeinde nicht zur Folge, dass sämtliche einbezogenen Straßen ihre aufgrund anderer Normen bestehende rechtliche Klassifizierung und Eigenständigkeit verlieren. Dennoch wird dadurch eine neue einheitliche öffentliche Gemeindeeinrichtung geschaffen.

11

Dabei unterliegt eine öffentliche Straße, die zum Anbau bestimmt ist, vielfältigen Regelungen unterschiedlicher Rechtsgebiete: Das Grundstück (Wegeparzelle), auf dem die Straße verläuft, steht im Eigentum einer oder mehrerer natürlicher oder juristischer Personen und kann zugunsten eines anderen Rechtssubjekts auf bürgerlich-rechtlicher Grundlage belastet sein. Nach dem öffentlichen Sachenrecht, nämlich dem Straßenrecht, bestimmt sich die Widmung der Straße und die Trägerschaft der Baulast. Aufgrund des (Bundes-)Straßenverkehrsrechts kann die Straßenverkehrsbehörde Regelungen des Verkehrs auf der Straße treffen. Das Erschließungsbeitragsrecht ermöglicht die Erhebung von Erschließungsbeiträgen für die erstmalige endgültige Herstellung der Straße, während nach dem Kommunalabgabenrecht Ausbaubeiträge für die Erneuerung, die Erweiterung, die Verbesserung oder den Umbau der Straße erhoben werden können. Mit der satzungsrechtlichen Konstituierung einer einheitlichen öffentlichen Einrichtung der Anbaustraßen in der Gemeinde zum Zwecke der Erhebung wiederkehrender Ausbaubeiträge wird weder der bundesrechtliche Vorrang der Erhebung von Erschließungsbeiträgen für die erstmalige endgültige Herstellung einer Straße berührt noch straßenverkehrsrechtliche Anordnungen und auch nicht die straßenrechtliche Widmung oder Straßenbaulast. Die Schaffung einer Einrichtung nach § 10a KAG hat auch nicht zur Folge, dass die einbezogenen Ortsdurchfahrten ihre straßenrechtliche Klassifizierung als Bundes-, Landes- oder Kreisstraßen oder ihre Eigenständigkeit als Grundstück im bürgerlich-rechtlichen Sinn verlieren. Die Frage, ob der Landesgesetzgeber die Ortsdurchfahrt einer Bundesstraße zu einem (unselbständigen) Bestandteil einer kommunalen Einrichtung machen darf, stellt sich deshalb nicht. Ebenso wenig führt das Fortbestehen der Selbständigkeit der Straßen in der einheitlichen öffentlichen Einrichtung der Anbaustraßen zu einem Widerspruch in der Rechtsprechung des Senats. Die vom Verwaltungsgericht Koblenz insoweit angeführten Entscheidungen im Verfahren 6 C 10580/02.OVG (NVwZ-RR 2003, 591, ESOVGRP, juris) und im Verfahren 6 A 33/75 (AS 14, 364) ergingen zur früheren, nicht mehr geltenden beitragsrechtlichen Rechtslage.

12

Obwohl sämtliche einbezogenen Straßen ihre aufgrund anderer Normen bestehende rechtliche Klassifizierung und Eigenständigkeit behalten, wird mit der satzungsrechtlichen Konstituierung einer öffentlichen Einrichtung der Anbaustraßen in der Gemeinde eine neue einheitliche öffentliche Gemeindeeinrichtung zur Erhaltung, Verbesserung oder Erweiterung des Anbaustraßensystems durch entsprechende Ausbaumaßnahmen der in der Baulast der Gemeinde stehenden Straßen bzw. Teileinrichtungen geschaffen (vgl. Gesetzesbegründung zu § 10a KAG, LT-Drucks. 15/318 S. 7). Denn eine Anbaustraße in einer Gemeinde kann gleichzeitig mehreren Zwecken dienen und dementsprechend jeweils unterschiedlichen rechtlichen Regelungen unterliegen. Beispielsweise kann die Ortsdurchfahrt einer Bundesstraße sowohl dem überörtlichen als auch dem innerörtlichen Verkehr dienen. Sie kann, was die einzelnen Teileinrichtungen angeht, in der Baulast unterschiedlicher Träger stehen. Dass Ortsdurchfahrten von Bundesstraßen deshalb mehr Aufgaben als Gemeindestraßen haben, ist unerheblich. Denn einerseits ist die Zweckbestimmung von Gemeindestraßen ebenfalls unterschiedlich, je nach dem, ob sie – wie Sackgassen – nur dem Anliegerverkehr oder ob sie – wie Durchgangsstraßen – auch der Verbindung zu anderen Straßen dienen. Hinzu kommen Unterschiede straßenverkehrsrechtlicher Art: Auch Gemeindestraßen, die als verkehrsberuhigte Zonen festgesetzt sind, gehören zur einheitlichen öffentlichen Einrichtung, sofern sie zum Anbau bestimmt sind.

13

Die Einheitlichkeit der öffentlichen Einrichtung der Anbaustraßen wird zudem bei der satzungsrechtlichen Festlegung des Gemeindeanteils gemäß § 10a Abs. 3 KAG deutlich. Denn dabei muss der Satzungsgeber sämtliche in der Baulast der Gemeinde stehenden Verkehrsanlagen und -teile innerhalb der öffentlichen Einrichtung von Anbaustraßen in den Blick nehmen und insgesamt das Verhältnis von Anlieger- und Durchgangsverkehr gewichten, wobei der gesamte von Anliegergrundstücken innerhalb der öffentlichen Einrichtung ausgehende bzw. dorthin führende Verkehr als Anliegerverkehr zu bewerten ist (OVG RP, 6 A 11146/09.OVG, ESOVGRP, juris; 6 C 11187/10.OVG, ESOVGRP, juris).

14

Vor dem Hintergrund der grundsätzlichen Verpflichtung der Gemeinde, diese Einrichtung insgesamt funktionsfähig zu halten, besteht ihr Zweck ferner in der Refinanzierung der Ausbaumaßnahmen durch die Erhebung wiederkehrender Beiträge.

15

Angesichts dessen muss nicht erörtert werden, ob das Erschließungsbeitragsrecht auf die Kosten zur Baureifmachung eines Grundstücks oder Baugebiets beschränkt ist und ob das Wegenetz einer Stadt eine Erschließungseinheit darstellen kann.Auch aus dem Umstand, dass straßenrechtlich zwar die allgemeine Straßenbaulast der Gemeinden geregelt, aber keine Kostenabwälzung auf die Anlieger vorgesehen ist, lässt sich nicht schließen, die kommunalabgabenrechtliche Erhebung von Straßenausbaubeiträgen für Ausbaumaßnahmen in einer einheitlichen öffentlichen Einrichtung der Anbaustraßen sei auch bei Vorliegen eines Sondervorteils ausgeschlossen.

16

Soweit in dem Beschluss des VG Koblenz vom 1. August 2011(4 K 1392/10.KO, juris) Schwierigkeiten im Zusammenhang mit dem Sanierungsbetragsrecht und mit der Festlegung der Verkehrsanlagen, die zur einheitlichen öffentlichen Einrichtung gehören, angesprochen werden, sind sie durch Auslegung lösbar und führen nicht zu durchgreifenden Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit der Neuregelung des § 10a KAG.

17

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

18

Die Wertfestsetzung beruht auf §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 GKG.

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(1) Gegen die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters, die nicht Urteile oder Gerichtsbescheide sind, steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht zu, soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist.

(2) Prozeßleitende Verfügungen, Aufklärungsanordnungen, Beschlüsse über eine Vertagung oder die Bestimmung einer Frist, Beweisbeschlüsse, Beschlüsse über Ablehnung von Beweisanträgen, über Verbindung und Trennung von Verfahren und Ansprüchen und über die Ablehnung von Gerichtspersonen sowie Beschlüsse über die Ablehnung der Prozesskostenhilfe, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe verneint, können nicht mit der Beschwerde angefochten werden.

(3) Außerdem ist vorbehaltlich einer gesetzlich vorgesehenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision die Beschwerde nicht gegeben in Streitigkeiten über Kosten, Gebühren und Auslagen, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands zweihundert Euro nicht übersteigt.

(4) Die Beschwerde gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (§§ 80, 80a und 123) ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen. Das Verwaltungsgericht legt die Beschwerde unverzüglich vor; § 148 Abs. 1 findet keine Anwendung. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.

(5) u. (6) (weggefallen)

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.


Tenor

Das Verfahren wird ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt, um eine Entscheidung zur Verfassungsmäßigkeit der §§ 10 und 10a des rheinland-pfälzischen Kommunalabgabengesetzes in der Fassung des zweiten Landesgesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 12. Dezember 2006 (GVBl S. 401) einzuholen.

Gründe

1

Sachverhalt

2

Der Kläger wendet sich gegen drei Bescheide über wiederkehrende Ausbaubeiträge für das Jahr 2007.

3

Der Kläger ist zusammen mit seiner Ehefrau seit dem 10. Juli 2007 Miteigentümer der Grundstücke in der Gemarkung S., Flur …, Nrn. ..., … und … (Gesamtfläche 1.119 qm). Das bebaute Eckgrundstück Nr. ... (Größe 326 qm) grenzt an die O. Straße und an die Straße „…“. Die Wohnbebauung ragt mit der Bodenplatte für den ehemaligen Wintergarten auch in die rückwärtige Parzelle … (Größe 426 qm) hinein, welche nur an die Straße „…“ angrenzt. Dieses Grundstück ist mit einer Garage und mit einem Schuppen bebaut, der in die Parzelle … (Größe 367 qm) hineinragt. Die zuletzt genannte Parzelle ist im Mittel 10,50 m breit und 35 m lang und grenzt an keine Straße. Sie liegt zwischen den bebauten Wohngrundstücken … und ..., …, die nicht dem Kläger gehören. Ein Bebauungsplan besteht nicht.

4

Die Beklagte erhebt wiederkehrende Ausbaubeiträge gemäß der Satzung vom 16. Februar 2007, geändert durch Satzung vom 19. Dezember 2007. Die Satzung ist auf der Grundlage des Art. 2 des zweiten Änderungsgesetzes zum Kommunalabgabengesetz vom 12. Dezember 2006 – KAG – ergangen. Demnach bilden sämtliche zum Anbau bestimmten Verkehrsanlagen des Gemeindegebiets (mit ca. 10 km Straßenlänge) eine einheitliche öffentliche Einrichtung. Der beitragsfähige Aufwand wird nach den jährlichen Investitionsaufwendungen ermittelt und auf alle baulich, gewerblich oder in ähnlicher Weise nutzbaren Grundstücke des Abrechnungsgebiets (hier des gesamten von Anbaustraßen erschlossenen Gemeindegebiets) verteilt, die die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit einer Zufahrt oder eines Zugangs zu einer der in der Abrechnungseinheit liegenden Verkehrsanlage haben.

5

Seit dem Jahre 2005 plant die Beklagte den Ausbau der B.-Straße. Diese dient unter anderem als Zufahrt zu dem als Wohnhaus genutzten ehemaligen Bahnhofsgebäude. In ihrer Verlängerung tritt sie in den Außenbereich und dient dort als Zufahrt zum Start- und Zielpunkt der vom Landkreis betriebenen Draisinenbahn. Der Plan sieht eine Ausbaulänge von 305 m mit versetzten einseitigen Gehwegen, einem Busparkplatz und einer nach Süden abknickenden Anbindung an die D.-Straße vor. Für das Jahr 2007 ermittelte die Beklagte Investitionsaufwendungen in Höhe von 65.040,98 €. Nach Abzug des in der Satzung festgelegten Gemeindeanteils von 40 % verblieb ein Ausbauaufwand von 39.024,59 €, der auf eine Gesamtfläche von 298.309 qm verteilt wurde. Das ergab einen Beitragssatz von 0,13081935 €/qm.

6

Der Kläger wurde bereits mit Bescheid vom 8. Januar 2008 zu einem wiederkehrenden Beitrag für das Jahr 2007 wegen des Ausbaus der B.-Straße in Höhe von 117,08 € herangezogen. Damals wurden seine Grundstücke als wirtschaftliche Einheit (1.119 qm) zusammengefasst und mit einer Geschossflächenzahl von 0,8 und dem oben genannten Beitragssatz multipliziert. Das ergab eine einheitliche Beitragsforderung von 117,08 €. Nach erfolglosem Vorverfahren hob die Kammer den Bescheid mit Urteil vom 7. September 2009 – 4 K 384/09.KO – auf, weil die Voraussetzungen für eine wirtschaftliche Einheit nicht vorlägen und weil eine einfache Umrechnung in separate Beiträge nicht möglich sei. Das Urteil enthielt auch den Satz, dass ein Beitrag für die Parzelle ... ohnehin nicht in Betracht komme. Zusätzlich wurde darauf hingewiesen, dass die Klage im Übrigen auch dann Erfolg gehabt hätte, wenn der Bescheid inhaltlich bestimmt genug oder bestimmbar gewesen wäre. Insoweit wurde auf die Urteile der Kammer in den Parallelverfahren 4 K 108/09.KO, 4 K 123/09.KO, 4 K 124/09.KO und 4 K 125/09.KO vom gleichen Tage verwiesen. Das Urteil 4 K 384/09.KO wurde rechtskräftig.

7

In den genannten Parallelverfahren (4 K 108/09.KO, 4 K 123/09.KO, 4 K 124/09.KO, 4 K 125/09.KO) hatte die Kammer die dortigen Beitragsbescheide für die Jahre 2006 und 2007 aufgehoben. Zur Begründung wurde – unter Zurückstellung verfassungsrechtlicher Bedenken – im Wesentlichen ausgeführt, dass das Gesetz einen neuen Anlagenbegriff, nämlich die „einheitliche öffentliche Einrichtung“, eingeführt habe, der unter bestimmten Voraussetzungen auch auf das Jahr 2006 anzuwenden sei. Daraus folge, dass der Begriff des Ausbaus nunmehr auf das Anbaustraßennetz als solches zu beziehen sei. Der Ausbau der B.straße sei in Bezug auf die einheitliche öffentliche Einrichtung lediglich eine nicht beitragsfähige Unterhaltungsmaßnahme. Das OVG Rheinland-Pfalz trennte die Berufung gegen das Urteil 4 K 124/09.KO in zwei Verfahren ab und änderte die genannten Entscheidungen mit Urteilen vom 16. März 2010 (6 A 10070/10.OVG, 6 A 11146/10.OVG, 6 A 11147/10.OVG, 6 A 11148/10.OVG, 6 A 11149/10.OVG). Der Senat legte dar, für die Anwendung des § 10a KAG genügten wie bisher Ausbaumaßnahmen an einzelnen Verkehrsanlagen. Er machte ferner Ausführungen zur Satzung, zum Gemeindeanteil, zum beitragsfähigen Aufwand, und zu den beitragspflichtigen Flächen. In dem Urteil 6 A 10070/10.OVG stellte das Oberverwaltungsgericht ausdrücklich fest, dass im Jahre 2007 ein Beitragssatz von 0,12856679 €/qm gegolten habe.

8

Noch bevor die Berufungsurteile des OVG Rheinland-Pfalz ergangen waren, zog die Beklagte den Kläger erneut zu wiederkehrenden Beiträgen für das Jahr 2007 heran. Diesmal ergingen für jedes Grundstück des Klägers getrennte Bescheide. Während alle übrigen Parameter unverändert blieben, wurde die Parzelle ... mit einer Geschossflächenzahl von 0,5 gewichtet. Deshalb verringerte sich die Gesamtfläche auf 298.198,90 qm. Der Beitragssatz betrug 0,13086765 €/qm. Mit Bescheiden vom 16. Oktober 2009 wurden die Parzelle … mit 34,12 € und die Parzelle … mit 44,59 € veranlagt. wurden Für die Parzelle … wurde in einem zusätzlichen Bescheid vom 19. Oktober 2009 ein wiederkehrender Beitrag von 24,01 € festgesetzt.

9

Der hiergegen am 10. November 2009 eingelegte Widerspruch hatte nur in geringem Umfang Erfolg. Der Kreisrechtsausschuss des Landkreises Bad Kreuznach hob die Ausgangsbescheide mit Widerspruchsbescheid vom 4. November 2010 insoweit auf, als für die Parzelle ... mehr als 33,53 €, für die Parzelle … mehr als 43,82 € und für die Parzelle … mehr als 23,59 € festgesetzt wurden. Im Übrigen wurde der Widerspruch kostenpflichtig zurück gewiesen. Zur Begründung war ausgeführt, das rechtskräftige Urteil der Kammer (4 K 384/09.KO) stehe einer erneuten Veranlagung nicht entgegen, denn der entscheidungstragende Gesichtspunkt sei damals nur die unzulässige wirtschaftliche Einheit gewesen. Diesen Fehler habe die Beklagte inzwischen korrigiert. Der Widerspruchsbescheid legte ferner dar, dass die Grundstücke des Klägers beitragspflichtig seien und dass auch sonst dem Grunde nach alles rechtmäßig sei. Wegen der Entscheidung des OVG Rheinland-Pfalz vom 16. März 2010 – 6 A 10070/10.OVG – betrage der Beitragssatz jedoch nur 0,12856679 €/qm. Dies führe zu der jeweiligen Reduzierung der Beitragsforderungen.

10

Am 17. November 2010 hat der Kläger Klage erhoben. Er beruft sich auf die stattgebenden Entscheidungen der Kammer in seinem Verfahren und in den genannten Parallelverfahren. Er trägt ergänzend vor, das Abrechnungsgebiet und der Gemeindeanteil seien fehlerhaft und die Kosten seien zumindest teilweise nicht beitragsfähig. Insoweit bezieht er sich auf die Ausführungen in einem Einstellungsbeschluss der Staatsanwaltschaft vom 8. November 2010.

11

Der Kläger beantragt,

12

die Bescheide vom 16. und 19. Oktober 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. November 2010 aufzuheben.

13

Die Beklagte beantragt,

14

die Klage abzuweisen.

15

Sie nimmt Bezug auf die Entscheidungen des OVG Rheinland-Pfalz vom 16. März 2010. Hierin seien die Kosten, die Flächen und der Gemeindeanteil für das Jahr 2007 bereits abschließend geprüft worden. Deshalb habe sich der Kreisrechtsausschuss an dem vom OVG ermittelten Beitragssatz orientieren dürfen. Die Rügen des Klägers seien entweder bereits widerlegt oder unsubstantiiert.

16

Das Gericht hat den Beteiligten schon in der ursprünglichen Ladung vom 12. April 2011 vorsorglich Gelegenheit gegeben, zur Verfassungsmäßigkeit des § 10a KAG Stellung zu nehmen. Hiervon haben die Beteiligten, auch in der mündlichen Verhandlung, keinen Gebrauch gemacht.

17

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift, auf die beigezogenen Verwaltungsakten und die Gerichtsakte 4 K 384/09.KO Bezug genommen.

18

Entscheidungserheblichkeit der Vorlage

19

Nach Art. 100 Abs. 1 GG ist das Verfahren auszusetzen und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts oder des für Verfassungsstreitigkeiten zuständigen Gericht eines Landes einzuholen, wenn ein Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig hält. Im vorliegenden Fall kommt es für den Bescheid vom 19. Oktober 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids nicht auf die Verfassungswidrigkeit an, denn der diesbezügliche Teil der Klage hat schon aus einfachgesetzlichen Gründen Erfolg (1). Für die beiden Bescheide vom 16. Oktober 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids kommt es jedoch auf die Gültigkeit des § 10a KAG n.F. an (2). Das Gericht hat von einer in seinem Ermessen stehenden Trennung der Verfahren abgesehen, um den Sachverhalt nicht noch komplizierter zu machen.

20

(1) Der Bescheid vom 19. Oktober 2009 betrifft die Parzelle … Er ist bereits nach einfachgesetzlichen Vorschriften rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO).

21

Dabei kann dahin stehen, ob der Satz in dem rechtskräftigen Urteil 4 K 384/09.KO, wonach eine Beitragspflicht für dieses Grundstück ohnehin nicht in Betracht kommt, ein bloßes „obiter dictum“ darstellt, oder ob er als zusätzliches Begründungselement an der Rechtskraft des Urteils teilnimmt. Sollte Letzteres der Fall ist, durfte die Beklagte wegen der Bindungswirkung des § 121 Nr. 1 VwGO keinen neuen Bescheid für die Parzelle … erlassen. Sollte es sich jedoch um ein „obiter dictum“ handeln, dann hält das Gericht nach erneuter Prüfung gleichwohl an diesem Ergebnis fest.

22

Zum einen steht rechtskräftig fest, dass die Voraussetzungen für eine wirtschaftliche Einheit nicht vorliegen. Zum andern ist die Parzelle ... kein beitragspflichtiges Hinterliegergrundstück, denn es war nicht qualifiziert nutzbar. Hierzu hat das OVG Rheinland-Pfalz mit Urteil vom 20. November 2007 – 6 C 10601/07.OVG – (S. 13) folgendes entschieden:

23

„Zwar ist in § 10a Abs. 1 Satz 2 KAG – anders als in § 10 Abs. 6 Satz 2 KAG a.F. – von der qualifizierten Nutzbarkeit nicht die Rede, indem lediglich normiert wird, dass Beiträge von den Grundstücken erhoben werden können, welche die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit einer Zufahrt oder eines Zugangs zu einer der Verkehrsanlagen innerhalb der einheitlichen öffentlichen Einrichtung haben. Nach wie vor setzt jedoch auch die Erhebung des wiederkehrenden Beitrags – neben der Zugangs- bzw. Zufahrtsmöglichkeit – die bauliche oder in ähnlicher Weise qualifizierte Nutzbarkeit des Grundstücks voraus.“

24

Eine qualifizierte Nutzbarkeit war im Jahre 2007 nicht gegeben. Zwar lag (und liegt) das Grundstück im unbeplanten Innenbereich. Da aber die maßgebende Umgebungsbebauung überwiegend durch eine offene Bauweise geprägt ist und die beiden Nachbargrundstücke links und rechts jeweils einen Grenzabstand einhalten, war (und ist) das ca. 10,50 x 35 m große Grundstück zu schmal, um baulich oder in ähnlicher Weise beitragsrelevant genutzt zu werden. Selbst bei der von der Beklagten angenommenen eingeschossigen Bebaubarkeit mit einer Geschossflächenzahl (GFZ) von 0,5 müsste der Grundriss eines eingeschossigen Wohngebäudes (vgl. § 6 Abs. 3 Nr. 4 a ABS) 183,50 qm betragen. Dies würde nach Abzug der seitlichen Abstandsflächen einen Grundriss von 4,5 x 40,77 m voraussetzen. Dies ist schon deshalb nicht möglich, weil das Grundstück nur 35 m lang ist, und weil auch ein rückwärtiger Grenzabstand einzuhalten wäre. Selbst unter Berücksichtigung des beitragsrechtlichen Verminderungszwangs würde kein wirtschaftlich vernünftiger Eigentümer einen derartigen „Wohnkasten“ errichten. Eine Nutzbarkeit als Garagengrundstück, für das gemäß § 6 Abs. 3 Nr. 7 ABS ebenfalls eine GFZ von 0,5 anzusetzen wäre, scheitert schon daran, dass kein Bebauungsplan besteht, der festsetzt, dass hier nur Garagen oder Stallplätze zulässig sind. Im Übrigen hat die Beklagte keinen Bedarf an Garagengrund-stücken nachgewiesen (zu diesem Erfordernis vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 27.03.2006 – 6 A 11652/05.OVG –). Eine gewerbliche Nutzung ohne Bebauung, z.B. als Lagerplatz (§ 6 Abs. 3 Nr. 5 b ABS), scheitert ebenfalls an dem fehlenden Bebauungsplan.

25

Gegen dieses Ergebnis kann die Beklagte nicht einwenden, das OVG Rheinland-Pfalz habe in den parallelen Berufungsverfahren die Rechtmäßigkeit der Beitragserhebung dem Grunde und der Höhe nach bestätigt. Denn jene Berufungsurteile sind nicht zum Verfahren 4 K 384/09.KO ergangen. Folglich erzeugen sie keine Rechtskraftbindung nach § 121 Nr. 1 VwGO.

26

(2) Die Bescheide vom 16. Oktober 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids betreffen die Parzellen 461/22 und 477/23. Diese Bescheide sind nach den einfachgesetzlichen Regelungen des § 10a KAG und der Satzung der Beklagten – jedenfalls in der Auslegung, die diese Vorschriften durch das OVG Rheinland-Pfalz erfahren haben – dem Grunde nach nicht zu beanstanden. Deshalb kommt es insoweit auf die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes an.

27

Zunächst steht die Rechtskraft des Urteils vom 7. September 2009 (4 K 384/09.KO) der erneuten Veranlagung der beiden Parzellen für das Jahr 2007 nicht entgegen, denn jenes Urteil betraf einen anderen Streitgegenstand (§ 121 VwGO). Damals erging ein Bescheid für eine aus drei Grundstücken bestehende (angebliche) wirtschaftliche Einheit. Diesmal sind separate Bescheide für jedes einzelne Grundstück ergangen. Insoweit hat die Beklagte den tragenden Urteilsgründen Rechnung getragen und den ursprünglichen Fehler (zumindest für die hier streitigen beiden Parzellen) korrigiert. Soweit das Urteil 4 K 384/09.KO am Ende auch auf die Entscheidungen der Kammer in den übrigen Parallelverfahren verwiesen hatte, handelte es sich um ein obiter dictum („Im Übrigen hätte die Klage auch dann Erfolg gehabt, wenn …“), welches nicht zu den tragenden Urteilsgründen gehörte und schon deshalb nicht an einer etwaigen Rechtskraftbindung teilnehmen konnte.

28

Das OVG Rheinland-Pfalz hat in den oben genannten Parallelverfahren in zweiter Instanz entschieden, dass für die im Jahre 2007 angefallenen Kosten für Straßenbaumaßnahmen in der B.-Straße dem Grunde nach wiederkehrende Ausbaubeiträge erhoben werden durften. Ein beitragsfähiger Ausbau sei auch im Hinblick auf die einheitliche öffentliche Einrichtung gegeben. Die entgegenstehende Auffassung der Kammer (4 K 108/09.KO, 4 K 123/09.KO, 4 K 124/09.KO, 4 K 125/09.KO) wurde vom OVG Rheinland-Pfalz ausdrücklich abgelehnt (6 A 11146/10.OVG, 6 A 11147/10.OVG, 6 A 11148/10.OVG, 6 A 11149/10.OVG). Zwar betrafen die Entscheidungen des OVG Rheinland-Pfalz nicht das rechtkräftig gewordene Urteil der Kammer vom 7. September 2009 (4 K 384/09.KO), so dass insoweit keine Rechtskraftbindung gegenüber dem Gericht und den Beteiligten des vorliegenden Verfahrens eingetreten ist (§ 121 VwGO). Die Kammer ist jedoch nicht länger bereit, ihre damals nur zurückgestellten verfassungsrechtlichen Bedenken auch weiterhin zurück zu stellen.

29

Legt man die Auffassung des OVG Rheinland-Pfalz zu Grunde, ist der wiederkehrende Beitrag für die Parzellen 461/22 und 477/23 im Jahre 2007 dem Grunde nach entstanden. Aus der Sicht des OVG Rheinland-Pfalz ist die Satzung gültig, der Aufwand ist dem Grunde nach beitragsfähig und die genannten Grundstücke sind beitragspflichtig. Letzteres entspricht auch der Auffassung der Kammer, denn das Eckgrundstück … ist mit einem Wohnhaus bebaut und auf der Parzelle ... befindet sich die Garage des Klägers. In beiden Fällen wird ein beitragsrelevanter Ziel- und Quellverkehr zu der „einheitlichen öffentlichen Einrichtung“ ausgelöst. Der Kläger war spätestens im Zeitpunkt der Entstehung der wiederkehrenden Beiträge am 31. Dezember 2007 (Mit)Eigentümer der Grundstücke.

30

Es mag zwar sein, dass noch gewisse Zweifel an der Höhe der Beitragsforderung bestehen. Dies ändert aber nichts daran, dass die Klage gegen die Bescheide vom 16. Oktober 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids dem Grunde nach nur dann Erfolg hat, wenn § 10a KAG verfassungswidrig ist. Andernfalls ist die Klage insoweit, möglicherweise nach weiterer Aufklärung, ganz oder teilweise abzuweisen.

31

Nach Überzeugung der Kammer ist die gesetzliche Neuregelung verfassungswidrig, so dass die Entscheidung eines Verfassungsgerichts einzuholen ist (Art. 100 Abs. 1 GG).

32

Verfassungswidrigkeit des 2. KAG-Änderungsgesetzes vom 12. Dezember 2006

33

Ausgangspunkt der Überlegungen ist, dass ein Grundstück von der nächstgelegenen, selbstständigen Erschließungsanlage erschlossen wird. Deshalb geht das Beitragsrecht von der straßenweisen Einzelabrechnung aus. Sollen mehrere Erschließungsstraßen zu einer Einheit zusammengefasst und einheitlich abgerechnet werden, dann ist dies im Erschließungsbeitragsrecht nur unter den Voraussetzungen des § 130 Abs. 2 Satz 3 BauGB und der hierzu ergangenen Rechtsprechung des BVerwG zur funktionellen Abhängigkeit möglich (BVerwG, Urteile vom 22.05.1992, – 8 C 4.92 –, NVwZ 1993, 1202 und – 8 C 57.90 –, BVerwGE 90, 208). Im rheinland-pfälzischen Straßenausbaubeitragsrecht war eine Einheitsbildung zunächst nicht möglich.

34

Änderungshistorie

35

Erst das KAG vom 5. Mai 1986 (GVBl S. 103) sah in § 14 Abs. 8 die Bildung von Abrechnungseinheiten und zugleich die Erhebung von wiederkehrenden Beiträgen vor. Eine ähnliche Fassung enthielt sodann auch § 10 Abs. 3 KAG vom 20. Juni 1995 (GVBl S. 175). Die letzte Fassung des § 10 KAG 1995 lautete:

§ 10

36

(1) Die Gemeinden können für die Herstellung und den Ausbau öffentlicher Straßen, Wege und Plätze sowie selbständiger Parkflächen und Grünanlagen (Verkehrsanlagen) einmalige oder wiederkehrende Beiträge erheben, soweit diese innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile, im Geltungsbereich eines Bebauungsplans oder in Gebieten liegen, für die die Gemeinde beschlossen hat, einen Bebauungsplan aufzustellen. Die §§ 123 bis 135 des Baugesetzbuches bleiben unberührt. Beiträge für Kinderspielplätze können nicht erhoben werden.

37

(2) Die einmaligen Beiträge können für die einzelne Verkehrsanlage oder für bestimmte Abschnitte der Verkehrsanlage nach den tatsächlich entstandenen Investitionsaufwendungen erhoben werden. Stehen die Verkehrsanlagen des gesamten Gebietes oder einzelner Gebietsteile der Gemeinde in einem räumlichen und funktionalen Zusammenhang, so kann die Satzung bestimmen, dass das gesamte Gebiet oder die einzelnen Gebietsteile als Abrechnungseinheit anzusehen sind. In diesen Fällen wird der einmalige Beitrag als Durchschnittssatz aus den Investitionsaufwendungen der zu einer Abrechnungseinheit zusammengefassten Verkehrsanlagen erhoben.

38

(3) Anstelle der Erhebung einmaliger Beiträge können die Gemeinden in der Satzung festlegen, dass die jährlichen Investitionsaufwendungen für die Verkehrsanlagen ihres gesamten Gebietes oder einzelner Abrechnungseinheiten als wiederkehrender Beitrag auf alle in dem Gebiet der Abrechnungseinheit gelegenen baulich oder in ähnlicher Weise nutzbare Grundstücke verteilt werden. Anstelle der jährlichen kann vom Durchschnitt der im Zeitraum bis zu fünf Jahren zu erwartenden Investitionsaufwendungen ausgegangen werden. Weichen nach Ablauf dieses Zeitraumes die tatsächlichen von den im Durchschnitt erwarteten Investitionsaufwendungen ab, so ist das Beitragsaufkommen der folgenden Jahre entsprechend auszugleichen.

39

(4) Bei der Ermittlung der Beiträge bleibt ein dem Vorteil der Allgemeinheit entsprechender Teil (Gemeindeanteil) außer Ansatz, der dem nicht den Beitragsschuldnern zuzurechnenden Verkehrsaufkommen entspricht.

40

(5) Der Beitragssatz wird ermittelt, indem die Investitionsaufwendungen der einzelnen Verkehrsanlage, des Abschnitts oder aller zu einer Abrechnungseinheit zusammengefasster Verkehrsanlagen auf die Grundstücke verteilt werden, die der Beitragspflicht unterliegen. Wird der einmalige Beitrag als Durchschnittssatz aus den Investitionsaufwendungen der zu einer Abrechnungseinheit zusammengefassten Verkehrsanlagen erhoben, ist der Beitragssatz abweichend von Satz 1 zu ermitteln, indem die Investitionsaufwendungen auf alle baulich oder in ähnlicher Weise nutzbare Grundstücke verteilt werden, die die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit einer Zufahrt oder eines Zuganges zu einer in der Abrechnungseinheit gelegenen Verkehrsanlage haben. Die Ermittlung des Beitragssatzes nach Satz 2 setzt nicht voraus, dass die tatsächlichen Investitionsaufwendungen oder die tatsächlichen Maßstabsdaten aller Grundstücke feststehen.

41

(6) Beim einmaligen Beitrag unterliegen der Beitragspflicht alle baulich oder in ähnlicher Weise nutzbare Grundstücke, die die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit einer Zufahrt oder eines Zuganges zu der hergestellten oder ausgebauten Verkehrsanlage haben. Beim wiederkehrenden Beitrag besteht die Beitragspflicht für alle baulich oder in ähnlicher Weise nutzbare Grundstücke, die die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit einer Zufahrt oder eines Zuganges zu einer in der Abrechnungseinheit gelegenen Verkehrsanlage haben. Bei der Einzelabrechnung einer selbständigen Parkfläche oder Grünanlage werden die beitragspflichtigen Grundstücke durch Satzung bestimmt.

42

(7) Der Anspruch auf den einmaligen Beitrag entsteht, wenn die Bauarbeiten an der einzelnen Verkehrsanlage abgeschlossen sind und, sofern der einmalige Beitrag nach den tatsächlichen Investitionsaufwendungen ermittelt wird, der entstandene Aufwand feststellbar ist. Für wiederkehrende Beiträge gilt § 7 Abs. 4 entsprechend. Für Teile der Verkehrsanlage sowie für die Kosten des Erwerbs und der Freilegung der Flächen kann ein Teilbeitrag erhoben werden; in diesem Falle entsteht die Beitragsschuld mit dem Abschluss der Teilmaßnahme. Wird der einmalige Beitrag als Durchschnittssatz aus den Investitionsaufwendungen der zu einer Abrechnungseinheit zusammengefassten Verkehrsanlagen erhoben, können auch Teilbeiträge nach Durchschnittssätzen erhoben werden.

43

(8) Erheben die Gemeinden wiederkehrende Beiträge nach Absatz 3 Satz 1, können sie in der Satzung festlegen, dass Grundstücke, für die in den vergangenen Jahren Ansprüche auf Erschließungsbeiträge nach dem Baugesetzbuch oder einmalige Ausbaubeiträge entstanden sind, für einen bestimmten Zeitraum bei der Ermittlung des wiederkehrenden Beitrags nicht berücksichtigt und nicht beitragspflichtig werden. Der nach Satz 1 durch Satzung zu bestimmende Zeitraum soll unter Berücksichtigung der üblichen Nutzungsdauer der Verkehrsanlage, für die die einmaligen Beiträge erhoben wurden, sowie des Beitragsumfangs hierfür bemessen werden.

44

9) Die Gemeinden können für die Herstellung und den Ausbau öffentlicher Immissionsschutzanlagen einmalige Beiträge erheben, soweit sie in der Baulast der Gemeinden stehen und nicht Bestandteil der Verkehrsanlage sind. Die einmaligen Beiträge werden nach den tatsächlich entstandenen Investitionsaufwendungen erhoben. Die der Beitragspflicht unterliegenden Grundstücke werden durch Satzung bestimmt.

45

(10) Im Übrigen gelten § 7 Abs. 3 Satz 3 und Abs. 5 bis 7 sowie § 9 Abs. 1, 2 und 4 entsprechend.

46

Die hier genannten Abrechnungseinheiten waren nach dem Grundsatzurteil des OVG Rheinland-Pfalz („Pirmasens-Urteil“ vom 18.03.2003 – 6 C 10580/02.OVG – NVwZ-RR 2003, 591) „aus verfassungsrechtlichen Gründen“ nur unter den Voraussetzungen eines räumlich-funktionalen Zusammenhangs möglich:

47

„Damit der Erhebung wiederkehrender Ausbaubeiträge ein greifbarer beitragsrechtlicher Vorteil … gegenüber steht, müssen die zulässigerweise zu einer Abrechnungseinheit zusammengefassten Verkehrsanlagen als Straßensystem zum Zwecke der verkehrlichen Erschließung in einer besonderen Beziehung zu den Grundstücken innerhalb der Abrechnungseinheit stehen. … Dieser Grundstücksbezug des Straßensystems, der über die Benutzungsmöglichkeit der Allgemeinheit hinausgehen muss, wird deshalb durch das Erfordernis des „räumlichen und funktionalen Zusammenhangs“ der Verkehrsanlagen hergestellt. Nur unter diesen Voraussetzungen ist die Erhebung wiederkehrender Beiträge gemäß § 10 Abs. 3 KAG verfassungsmäßig nicht zu beanstanden.“

48

In einem weiteren Urteil („Saarburg-Urteil“ vom 25.11.2003 - 6 A 10631/03.OVG -) präzisierte das OVG Rheinland-Pfalz den räumlich-funktionalen Zusammenhang schon in den Leitsätzen wie folgt:

49

„Der erforderliche räumliche Zusammenhang der Verkehrsanlagen wird grundsätzlich nur in kleineren Gemeinden oder in Ortsteilen vergleichbarer Größe vorliegen. …

50

Der von § 10 Abs. 2 Satz 2 KAG geforderte funktionale Zusammenhang der Verkehrsanlagen in einer Abrechnungseinheit liegt vor dem Hintergrund des beitragsrechtlichen Vorteilsbegriffs nur dann vor, wenn sämtliche Grundstücke innerhalb der Abrechnungseinheit in jeder Richtung auf dieselbe Straße mit stärkerer Verkehrsbedeutung angewiesen sind, um Anschluss an das übrige Verkehrsnetz zu finden. Diese Straßen mit Bündelungsfunktion müssen innerhalb der Abrechnungseinheit liegen und zum Anbau bestimmt sein.“

51

Ein derartiger Zusammenhang war praktisch nur bei kleineren Gemeinden bis etwa 3.500 Einwohnern gegeben, denn in größeren Gemeinden und Städten gibt es in Regel stets mehrere Straßen, die den Verkehr in eine jeweilige Hauptrichtung bündeln (zustimmend Schoch, Verfassungsrechtliche Anforderungen an die Erhebung wiederkehrender Beiträge für Verkehrsanlagen, S. 26, 59, 60).

52

Um auch in größeren Gemeinden wiederkehrende Beiträge erheben zu können, wurde mit dem zweiten Landesgesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 12.Dezember 2006 (GVBl S. 401) § 10 geändert und § 10a eingeführt. Die neuen Vorschriften lauten:

§ 10

53

(1) Die Gemeinden können für die Herstellung und den Ausbau öffentlicher Straßen, Wege und Plätze sowie selbständiger Parkflächen und Grünanlagen (Verkehrsanlagen) einmalige Beiträge erheben, soweit diese innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile, im Geltungsbereich eines Bebauungsplans oder in Gebieten liegen, für die die Gemeinde beschlossen hat, einen Bebauungsplan aufzustellen. Die §§ 123 bis 135 des Baugesetzbuches bleiben unberührt. Beiträge für Kinderspielplätze können nicht erhoben werden.

54

(2) Die einmaligen Beiträge können für die einzelne Verkehrsanlage oder für bestimmte Abschnitte der Verkehrsanlage nach den tatsächlich entstandenen Investitionsaufwendungen erhoben werden. In der Satzung kann bestimmt werden, dass sämtliche zum Anbau bestimmten Verkehrsanlagen des gesamten Gebiets oder einzelner, voneinander abgrenzbarer Gebietsteile der Gemeinde eine einheitliche öffentliche Einrichtung (Einheit) bilden. In diesen Fällen wird der einmalige Beitrag als Durchschnittssatz aus den Investitionsaufwendungen der eine Einheit bildenden Verkehrsanlagen erhoben.

55

(3) Bei der Ermittlung der Beiträge bleibt ein dem Vorteil der Allgemeinheit entsprechender Teil (Gemeindeanteil) außer Ansatz, der dem nicht den Beitragsschuldnern zuzurechnenden Verkehrsaufkommen entspricht.

56

(4) Der Beitragssatz wird ermittelt, indem die Investitionsaufwendungen der einzelnen Verkehrsanlage, des Abschnitts oder aller eine Einheit bildenden Verkehrsanlagen auf die Grundstücke verteilt werden, die der Beitragspflicht unterliegen. Wird der einmalige Beitrag als Durchschnittssatz aus den Investitionsaufwendungen der eine Einheit bildenden Verkehrsanlagen erhoben, ist der Beitragssatz abweichend von Satz 1 zu ermitteln, indem die Investitionsaufwendungen auf alle baulich oder in ähnlicher Weise nutzbaren Grundstücke verteilt werden, die die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit einer Zufahrt oder eines Zugangs zu einer dieser Verkehrsanlagen haben. Die Ermittlung des Beitragssatzes nach Satz 2 setzt nicht voraus, dass die tatsächlichen Investitionsaufwendungen oder die tatsächlichen Maßstabsdaten aller Grundstücke feststehen.

57

(5) Beim einmaligen Beitrag unterliegen der Beitragspflicht alle baulich oder in ähnlicher Weise nutzbare Grundstücke, die die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit einer Zufahrt oder eines Zuganges zu der hergestellten oder ausgebauten Verkehrsanlage haben. Bei der Einzelabrechnung einer selbständigen Parkfläche oder Grünanlage werden die beitragspflichtigen Grundstücke durch Satzung bestimmt.

58

(6) Der Anspruch auf den einmaligen Beitrag entsteht, wenn die Bauarbeiten an der einzelnen Verkehrsanlage abgeschlossen sind und, sofern der einmalige Beitrag nach den tatsächlichen Investitionsaufwendungen ermittelt wird, der entstandene Aufwand feststellbar ist. Für Teile der Verkehrsanlage sowie für die Kosten des Erwerbs und der Freilegung der Flächen kann ein Teilbeitrag erhoben werden; in diesem Falle entsteht die Beitragsschuld mit dem Abschluss der Teilmaßnahme. Wird der einmalige Beitrag als Durchschnittssatz aus den Investitionsaufwendungen der eine Einheit bildenden Verkehrsanlagen erhoben, können auch Teilbeiträge nach Durchschnittssätzen erhoben werden.

59

(7) Die Gemeinden können für die Herstellung und den Ausbau öffentlicher Immissionsschutzanlagen einmalige Beiträge erheben, soweit sie in der Baulast der Gemeinden stehen und nicht Bestandteil der Verkehrsanlage sind. Die einmaligen Beiträge werden nach den tatsächlich entstandenen Investitionsaufwendungen erhoben. Die der Beitragspflicht unterliegenden Grundstücke werden durch Satzung bestimmt.

60

(8) Im Übrigen gelten § 7 Abs. 3 Satz 3 und Abs. 5 bis 7 sowie § 9 Abs. 1, 2 und 4 entsprechend.

61

§ 10a

62

(1) Die Gemeinden können durch Satzung bestimmen, dass an Stelle der Erhebung einmaliger Beiträge (§ 10) die jährlichen Investitionsaufwendungen für Verkehrsanlagen nach Abzug des Gemeindeanteils (Absatz 3) als wiederkehrender Beitrag auf die beitragspflichtigen Grundstücke verteilt werden. In der Satzung kann geregelt werden, dass sämtliche zum Anbau bestimmten Verkehrsanlagen des gesamten Gebiets oder einzelner, voneinander abgrenzbarer Gebietsteile der Gemeinde eine einheitliche öffentliche Einrichtung bilden, für deren Ausbau (§ 9 Abs. 1 Satz 2) vorteilbezogene Beiträge von Grundstücken erhoben werden können, welche die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit einer Zufahrt oder eines Zugangs zu einer dieser Verkehrsanlagen haben. Die Entscheidung über die eine Einheit bildenden Verkehrsanlagen trifft die Gemeinde in Wahrnehmung ihres Selbstverwaltungsrechts unter Beachtung der örtlichen Gegebenheiten. Einer weitergehenden Begründung bedarf die Entscheidung nur, wenn statt sämtlicher Verkehrsanlagen des gesamten Gebiets der Gemeinde lediglich Verkehrsanlagen einzelner, voneinander abgrenzbarer Gebietsteile als einheitliche öffentliche Einrichtung bestimmt werden. Die Begründung ist der Satzung beizufügen.

63

(2) Bei der Ermittlung des Beitragssatzes kann an Stelle der jährlichen Investitionsaufwendungen vom Durchschnitt der im Zeitraum von bis zu fünf Jahren zu erwartenden Aufwendungen ausgegangen werden. Weichen nach Ablauf dieses Zeitraums die tatsächlichen von den im Durchschnitt erwarteten Aufwendungen ab, ist das Beitragsaufkommen der folgenden Jahre entsprechend auszugleichen.

64

(3) Bei der Ermittlung des wiederkehrenden Beitrags bleibt ein dem Vorteil der Allgemeinheit entsprechender Anteil (Gemeindeanteil) außer Ansatz. Der Gemeindeanteil ist in der Satzung festzulegen. Er muss dem Verkehrsaufkommen entsprechen, das nicht den Beitragsschuldnern zuzurechnen ist, und beträgt mindestens 20 vom Hundert.

65

(4) Die Beitragsschuld entsteht jeweils mit Ablauf des 31. Dezember für das abgelaufene Jahr. Auf die Beitragsschuld können ab Beginn des Kalenderjahres angemessene Vorauszahlungen verlangt werden.

66

(5) Durch Satzung können die Gemeinden Überleitungsregelungen für die Fälle, in denen Erschließungsbeiträge, Ausbaubeiträge oder Ausgleichsbeträge nach dem Baugesetzbuch oder Kosten der erstmaligen Herstellung aufgrund von Verträgen zu leisten sind, treffen. Entsprechendes gilt, wenn von einmaligen Beiträgen nach § 10 auf wiederkehrende Beiträge oder von wiederkehrenden auf einmalige Beiträge umgestellt wird. Die Überleitungsregelungen sollen vorsehen, dass die betroffenen Grundstücke für einen Zeitraum von höchstens 20 Jahren seit der Entstehung des Beitragsanspruchs bei der Ermittlung des wiederkehrenden Beitrags nicht berücksichtigt und auch nicht beitragspflichtig werden. Bei der Bestimmung des Zeitraums nach Satz 3 sollen die übliche Nutzungsdauer der Verkehrsanlagen und der Umfang der einmaligen Belastung berücksichtigt werden.

67

(6) Stellen Gemeinden von wiederkehrenden Beiträgen auf einmalige Beiträge nach § 10 um, sind vor der Umstellung geleistete Beiträge auf den nächsten Beitrag anzurechnen. In der Satzung ist der Umfang der Anrechnung nach Satz 1 zu bestimmen; dabei ist der Zeitraum der üblichen Nutzungsdauer der Verkehrsanlagen zu berücksichtigen. Entsteht nach dem Zeitpunkt der Umstellung kein neuer Beitrag bis zum Ablauf des 20. Jahres nach der ersten Entstehung des wiederkehrenden Beitrags, kann die Gemeinde durch Satzung bestimmen, dass die wiederkehrenden Beiträge bis zum Ablauf dieses Zeitraums in der zuletzt festgesetzten Höhe weiter zu entrichten sind. Der Gesamtbetrag der wiederkehrenden Beiträge ist durch die Höhe des Betrags begrenzt, der dem wirtschaftlichen Vorteil entspricht, der durch die Leistung eines einmaligen Beitrags für den letzten Ausbau der Verkehrsanlagen abzugelten gewesen wäre.

68

(7) Im Übrigen gelten § 7 Abs. 3 Satz 3, Abs. 5 Satz 3 und Abs. 6 und 7 sowie § 9 Abs. 1, 2 und 4 entsprechend.

69

Mit diesen Vorschriften wurde in § 10a Abs. 1 und in § 10 Abs. 2 KAG 2006 ein neuer, alternativ angebotener Anlagenbegriff der „einheitlichen öffentlichen Einrichtung“ eingeführt. Die amtliche Begründung zum Gesetzentwurf (LT-Drucks. 15/318) betont, dass es sich bei der einheitlichen öffentlichen Einrichtung um eine „qualitativ selbstständige Gemeindeeinrichtung“ handele. Diese verstehe sich „nicht lediglich als Abrechnungseinheit, deren Bedeutung sich in einem abrechnungstechnischen Verbund erschöpft“. Die Gesetzesänderung nehme vielmehr „eine konzeptionelle Fortentwicklung und Neubestimmung des Beitragsrechts für Verkehrsanlagen vor, die sich vom bisher geltenden Anlagenbegriff weitgehend löst“ (a.a.O. S. 6). Weiter heißt es: „Auf den nach bisheriger Rechtslage noch erforderlichen räumlichen und funktionalen Zusammenhang, auf den bewusst verzichtet wird, kommt es nicht mehr an“, denn dieser Zusammenhang verliere „durch den Verzicht auf Bildung von Abrechnungseinheiten“ weitgehend an Bedeutung (a.a.O. S. 7). Die „gesetzliche Neudefinition der maßgebenden öffentlichen Anlage“ (a.a.O. S. 1) sei bewusst an die in § 11 Abs. 2 für Feld-, Weinbergs- und Waldwege getroffene Regelung angelehnt (a.a.O. S. 6).

70

Diese Neuregelung war zunächst bundesweit einmalig. Sie wurde erst mit Wirkung vom 7. April 2011 im Wesentlichen inhaltsgleich durch § 7a Abs. 3 KAG-Thüringen übernommen. Die Länder Saarland und Sachsen-Anhalt, die neben Rheinland-Pfalz und Thüringen ebenfalls wiederkehrende Beiträge eingeführt haben, verlangen nach wie vor einen räumlich-funktionalen Zusammenhang (§ 8a Abs. 2 KAG-Saarland und § 6a Abs. 3 KAG-Sachsen-Anhalt). Die anderen Bundesländer kennen keine wiederkehrenden Straßenausbaubeiträge.

71

Der neue Anlagenbegriff umfasst das Anbaustraßennetz als solches. Dies hat nach Auffassung des Gerichts zur Folge, dass alle Straßen, die zu diesem Anbaustraßennetz gehören, unselbstständige Bestandteile der einheitlichen Einrichtung werden, wie dies schon im preußischen Recht der Fall war (vgl. PrOVGE 36, 99, 104: „… einer als selbstständig gedachten Straße, die in Wirklichkeit nur einen unselbstständigen Teil des Straßennetzes bildet“).

72

Die Einführung des neuen Anlagenbegriffs mit der darauf bezogenen Ausbaubeitragspflicht aller hiervon erschlossenen, baulich oder gewerblich nutzbaren Grundstücke ist nach Überzeugung der Kammer verfassungswidrig. Die gesetzliche Neuregelung verstößt gegen Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG, Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 31 GG und Art. 72 GG.

73

Fehlende Gesetzgebungskompetenz (Art. 72, Art. 74 Nr. 22 GG)

74

Es kann dahin stehen, ob der Landesgesetzgeber die Ortsdurchfahrten von Landes- oder Kreisstraßen zu Bestandteilen einer einheitlichen öffentlichen Einrichtung der Gemeinde machen kann. Jedenfalls fehlt ihm die Gesetzgebungskompetenz zur Einbeziehung von Ortsdurchfahrten der Bundesstraßen in das kommunale Anbaustraßennetz.

75

In nahezu allen größeren Gemeinden (und gerade für diese wurde die Gesetzesänderung beschlossen) gibt es Ortsdurchfahrten von Bundesstraßen, die zum Anbau bestimmt sind. Auch wenn die Bundesstraßen gemäß Art. 90 Abs. 2 GG von den Ländern im Auftrag des Bundes verwaltet werden, bedeutet dies nicht, dass der Landesgesetzgeber die Ortsdurchfahrt einer Bundesstraße zu einem (unselbstständigen) Bestandteil einer kommunalen Einrichtung machen darf. Nicht einmal die in der Baulast der Gemeinden stehenden Nebenanlagen der Ortsdurchfahrt, die in § 10a KAG nicht eigens erwähnt werden, können in die einheitliche öffentliche Einrichtung der Gemeinde einbezogen werden, denn auch sie gehören zur Ortsdurchfahrt. Im Übrigen hat der Bund von der konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit für die Fernstraßen des Bundes abschließend Gebrauch gemacht (Art. 72 Abs. 1 i.V.m. Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 GG: „Landstraßen für den Fernverkehr“, vgl. hierzu zuletzt BVerfG, Urteil vom 03.07.2000 – 2 BvG 1/96 – NVwZ 2000, 1162). In § 5 FStrG hat er die Rechtsnatur der Ortsdurchfahrten geregelt. Dort steht jedoch nicht, dass die Ortsdurchfahrten oder ihre Nebenanlagen Bestandteile einer kommunalen Einrichtung sind oder dazu gemacht werden dürfen. Das Bundesverfassungsgericht hat schon mit Beschluss vom 08.11.1972 (– 1 BvL 15/68 u.a. –, BVerfGE 34,139) entschieden: „Rechtlich ist die Ortsdurchfahrt dadurch charakterisiert, dass eine innerhalb einer Ortschaft verlaufende Straße des überörtlichen Verkehrs nicht den Zusammenhang der Bundes- oder Landstraße unterbricht, sondern Teil dieser Straße bleibt; sie wird also nicht Gemeindestraße“. Deshalb ist für eine davon abweichende Regelung durch den Landesgesetzgeber kein Raum (Umkehrschluss aus Art. 72 Abs. 3 GG).

76

Dieser Aspekt wird von den Autoren, die die Gesetzgebungskompetenz des Landes bejahen, völlig übersehen (vgl. z.B. Perne, Auslotung verfassungsrechtlicher Spielräume bei der gesetzgeberischen Fortentwicklung des Einrichtungsbegriffs für Verkehrsanlagen, LKRZ 2007, 133).

77

Insoweit lässt sich auch nicht einwenden, dass die Einbeziehung der Ortsdurchfahrten in die einheitliche öffentliche Einrichtung nur zum Zwecke der Beitragserhebung geschehe und im Übrigen – d.h. vor und nach der Beitragserhebung – keine rechtlichen Konsequenzen habe. Denn die oben zitierte amtliche Begründung lässt nach Überzeugung des Gerichts keine Zweifel daran, dass es sich um einen völlig neuen Anlagenbegriff handelt. Die „einheitliche öffentliche Einrichtung“ wird nicht zum Zwecke der Beitragserhebung „gebildet“ und im Übrigen weggedacht, sondern sie existiert kraft Satzung auf unabsehbare Zeit. Es tritt folglich genau der Zustand ein, der im Recht der leitungsgebundenen Abgaben anerkannt ist, nämlich dass eine Anlage ihre Selbstständigkeit verliert, wenn sie in einem neuen System aufgeht, das nach Lage, räumlicher Ausdehnung und Leistungskapazität mit der bisherigen Anlage nicht mehr vergleichbar ist (vgl. die Zusammenfassung der Rechtsprechung im Urteil des OVG RP vom 28.04.2009 – 6 A 11113/08.OVG –, AS 37, 254).

78

Verstoß gegen Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG

79

Sowohl der einmalige als auch der wiederkehrende Ausbaubeitrag werden für den Ausbau von Verkehrsanlagen, d.h. für bereits erstmals hergestellte öffentliche Anbaustraßen erhoben (§§ 10, 10a KAG). Zum Ausbau zählen alle Maßnahmen, die der Erneuerung, Erweiterung, Verbesserung und dem Umbau der genannten Straßen dienen (§ 10a Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 9 Abs. 1 Satz 2 KAG). Letztlich dient der Ausbaubeitrag in Rheinland-Pfalz der Aufrechterhaltung oder Verbesserung der straßenmäßigen Erschließungssituation. Er ist daher – ebenso wie der Erschließungsbeitrag – verfassungsrechtlich nur gerechtfertigt, wenn und soweit er eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG darstellt. Das Bundesverfassungsgericht hat den Zusammenhang zwischen Grundstückseigentum, Baufreiheit, Erschließung und Erschließungsbeitrag in dem oben zitierten Beschluss vom 8. November 1972 (– 1 BvL 15/68 u.a. –, BVerfGE 34, 139) wie folgt erläutert: Ein Eigentümer, der sein Grundstück in Ausübung der von Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützten Baufreiheit bebauen möchte, wäre an sich verpflichtet, für die Baureifmachung, d.h. für die Erschließung, selbst zu sorgen. Wenn stattdessen die Gemeinde in Erfüllung ihrer gesetzlichen Erschließungslast die Erschließung durchführt, mit der Folge, dass der Grundstückseigentümer dies dulden und über Beiträge finanzieren muss, dann sind die beitragsrechtlichen Vorschriften nur dann zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmungen im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG, wenn und soweit es um die Baureifmachung des Grundstücks bzw. des Baugebiets geht. Letzteres ist jedoch nicht der Fall, soweit die Gemeinde in Erfüllung der ihr durch die Straßengesetze übertragenen Straßenbaulast „für die Allgemeinheit ein funktionsfähiges Verkehrsnetz“ schafft oder aufrechterhält. Denn das hat mit der Baureifmachung von Grundstücken nichts zu tun. Die Erschließungslast umfasst „lediglich die Herstellung derjenigen Straßen, die zur Baureifmachung eines zur Bebauung vorgesehenen Baugebiets erforderlich sind; zugleich ist hierdurch die Kostenregelung, das heißt das Erschließungsbeitragsrecht, sachlich begrenzt, da das Recht, einen Beitrag zu den Kosten dieser Straßen zu erheben, nicht weiter gehen kann, als die Erschließungslast reicht“ (BVerfG, a.a.O.).

80

Auch wenn die zitierte Entscheidung zu der Frage erging, ob es verfassungsrechtlich geboten oder verboten ist, die Fahrbahnkosten einer Ortsdurchfahrt erschließungsbeitragsrechtlich abzurechnen, lässt sich die verfassungsrechtliche Argumentation des Bundesverfassungsgerichts dennoch verallgemeinern. Das bedeutet, dass die Aufrechterhaltung eines für die Allgemeinheit funktionsfähigen Verkehrsnetzes keine Aufgabe ist, die zur Inhalts- und Schrankenbestimmung des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG gehört. Daraus folgt weiter, dass die Aufrechterhaltung eines (wenn auch nur auf die Anbaustraßen beschränkten) Verkehrsnetzes keine beitragsfähige Maßnahme darstellt. Vielmehr fällt dies in die allgemeine Straßenbaulast der Gemeinden. Die Straßengesetze sehen keine Kostenabwälzung auf die Anlieger vor.

81

Dem lässt sich nicht entgegenhalten, dass die Aufrechterhaltung des Anbaustraßennetzes nicht nur der Allgemeinheit, sondern auch den Grundstückseigentümern in der Gemeinde zu Gute komme. Abgesehen davon, dass dieser Einwand nichts an der Zuordnung zu den (straßenrechtlich nicht abwälzbaren) allgemeinen Kosten der Straßenbaulast ändert, trifft er auch inhaltlich nicht zu. Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 5. Juli 1972 (– 2 BvL 6/66 u.a. –, NJW 1972, 1851) entschieden, dass das Wegenetz einer Stadt keine Einheit im Sinne des § 130 Abs. 2 BBauG darstellt, weil nicht sämtliche Straßen in einem engen räumlichen und funktionalen Zusammenhang zu den herangezogenen Grundstücken stehen. Auch wenn dies für eine Erschließungseinheit nach dem Bundesbaugesetz entschieden wurde, ist das OVG Rheinland-Pfalz dieser Argumentation mit Urteil vom 6. Dezember 1976 (– 6 A 33/75 –, AS 14, 364) für das damalige Ausbaubeitragsrecht unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gefolgt: „Das Straßennetz einer Gemeinde bildet nämlich beitragsrechtlich keine Einheit (vgl. BVerfG, NJW 1972, 1851,1854).“

82

Wenn dem so ist, dann können die Kosten für den Ausbau einer einzelnen Straße weder als einmaliger Beitrag (§ 10 Abs. 2 KAG n.F.) noch als wiederkehrender Beitrag (§ 10a Abs. 1 KAG n.F.) von allen Grundstückseigentümern in der Gemeinde erhoben werden. Zulässig war seit dem KAG 1986 allenfalls die Bildung einer Abrechnungseinheit aus mehreren selbstständigen Anbaustraßen, sofern sie über den gesetzlich vorgeschriebenen räumlich-funktionalen Zusammenhang verfügten. Die vorliegend zu beurteilende Gesetzesänderung verzichtet jedoch sowohl auf die Bildung einer Abrechnungseinheit als auch auf den räumlich-funktionalen Zusammenhang. Stattdessen ermächtigt sie die Kommunen zur satzungsmäßigen Einführung einer „einheitlichen öffentlichen Einrichtung“, die alle durch das Anbaustraßennetz erschlossenen Grundstücke beitragspflichtig macht, wenn irgendeine Anbaustraße innerhalb dieses Netzes ausgebaut wird. Das ist von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG nicht gedeckt, sofern man – wie das OVG Rheinland-Pfalz – an der rechtlichen Selbstständigkeit der einzelnen Straßen innerhalb des Netzes festhält (dazu noch weiter unten).

83

Normenwahrheit und Normenklarheit (Art. 20 Abs. 3 GG)

84

Die Neuregelung verstößt auch gegen den aus Art. 20 Abs. 3 GG abgeleiteten Grundsatz der Normenwahrheit (1) und Normenklarheit (2).

85

(1) Die Normenwahrheit gehört zur Normenklarheit (BVerfG, Urteil vom 09.03.2003 – 2 BvL 9/98 u.a. –, NVwZ 2003, 715). Eine der Sachlage zuwiderlaufende Gesetzesgestaltung verstößt gegen das Rechtsstaatsprinzip (BVerfG, Beschluss vom 07.04.1964 – 1 BvL 12/63 –, NJW 1964, 1219). Daraus folgt, dass der Gesetzgeber nicht etwas mit normativer Geltungskraft bestimmen kann, was die Wirklichkeit auf den Kopf stellt. Er kann nicht einmal im Wege der Fiktion unterstellen, dass der Rhein von der Nordsee zum Bodensee fließt, um daran irgendwelche Rechtsfolgen, etwa für den Hochwasserschutz, anzuknüpfen. Ebenso wenig kann er beschließen, dass sämtliche zum Anbau bestimmten Verkehrsanlagen des gesamten Gemeindegebiets oder abgrenzbarer Gebietsteile eine „einheitliche“ öffentliche Einrichtung bilden, um daran die Beitragspflicht aller hiervon erschlossenen Baugrundstücke zu knüpfen. Denn es ist einfach nicht wahr, dass alle Anbaustraßen einer Gemeinde eine „einheitliche“ Einrichtung darstellen.

86

Ausgangspunkt ist, dass Einrichtungen und Anlagen nur dann als eine Einrichtung zu behandeln sind, wenn sie zur Erfüllung derselben Aufgaben dienen (§ 7 Abs. 1 S. 5 KAG). Daraus wird abgeleitet, dass die zu dieser Aufgabenerfüllung gehörenden Sachen und Rechte „unter einheitlicher Verwaltung nach haushalts- oder eigenbetriebsrechtlichen Vorschriften“ stehen müssen (Kohlhaas/Tutschapsky, Kommunalabgabenrecht in Rheinland-Pfalz, § 7 KAG, Rdnr 15). Letzteres ist im Vergleich zwischen den zum Anbau bestimmten Gemeindestraßen und den zum Anbau bestimmten Ortsdurchfahrten klassifizierter Straßen nicht der Fall. Denn bei Ortsdurchfahrten gibt es unterschiedliche Baulastträger hinsichtlich der Fahrbahn und der Nebenanlagen (§ 5 Abs. 3 FStrG, § 12 Abs. 9 LStrG). Außerdem dienen die Ortsdurchfahrten nicht nur der Erschließung der angrenzenden Grundstücke sondern auch der Verknüpfung des Ortstraßennetzes (§ 5 Abs. 4 FStrG, § 12 Abs. 6 LStrG). Als klassifizierte Straßen dienen sie ferner dem überörtlichen Verkehr. Sie erfüllen also nicht dieselben Aufgaben wie Gemeindestraßen. Da nach § 3 Nr. 2 LStrG jede Gemeinde wenigstens mit einer nicht in ihrer Baulast stehenden Straße an das überörtliche Verkehrsnetz angeschlossen sein muss, ist davon auszugehen, dass es in jeder Gemeinde mindestens eine Ortsdurchfahrt einer klassifizierten Straße gibt. In größeren Städten – und gerade für sie wurde die Gesetzesänderung geschaffen – gibt es in der Regel sogar mehrere Ortsdurchfahrten. Die zum Anbau bestimmten Ortsdurchfahrten stehen somit einer einheitlichen Einrichtung entgegen.

87

Außerdem ist daran zu erinnern, dass das Wegenetz einer Gemeinde laut Bundesverfassungsgericht ohnehin keine Einheit im Sinne des § 130 Abs. 2 BauGB darstellt, weil nicht sämtliche Straßen in einem engen räumlichen und funktionalen Zusammenhang zu den herangezogenen Grundstücken stehen (BVerfG, Beschluss vom 05.07.1972 – 2 BvL 6/66 u.a. –, NJW 1972, 1851). Dem ist das OVG Rheinland-Pfalz, wie erwähnt, für das frühere KAG ausdrücklich gefolgt (Urteil vom 06.12.1976 – 6 A 33/75 –, AS 14, 364). Der Landesgesetz-geber will diese Rechtsprechung nun dadurch umgehen, dass er nicht mehr auf die Bildung einer Abrechnungseinheit, sondern auf eine per Satzung konstituierte einheitliche Einrichtung abstellt. Damit stellt er sich erkennbar in Widerspruch zu der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts. An dieser Stelle sei klargestellt, dass das Land Rheinland-Pfalz nicht von seiner Kompetenz zu Regelungen über Erschließungsbeiträge Gebrauch gemacht hat. Folglich gelten die §§ 123 ff. BauGB in Rheinland-Pfalz als Bundesrecht fort (vgl. Art. 125a ff. GG).

88

Es besteht auch keine Einheitlichkeit innerhalb der zum Anbau bestimmten befahrbaren Straßen und der zum Anbau bestimmten, aber nicht befahrbaren Wohnwege und Fußgängerzonen. Gerade die Fußgängerzonen unterscheiden sich rechtlich von befahrbaren Straßen so sehr, dass sogar eine besondere (Um-)Widmung erforderlich ist, wenn ein Teil der befahrbaren Straße in eine Fußgängerzone umgebaut wird (OVG RP, Urteil vom 18.03.2003 – 6 A 11867/02.OVG –, AS 30, 287).

89

Auch diejenigen Straßen, die in einem förmlich festgesetzten Sanierungsgebiet liegen, sind nach Auffassung der Kammer keine Bestandteile der einheitlichen öffentlichen Einrichtung. Das OVG Rheinland-Pfalz hatte zum KAG 1995 mit Urteil vom 9. August 2005 – 6 A 10656/05.OVG – (AS 32, 312) folgenden Leitsatz aufgestellt:

90

„Ein förmlich festgelegtes Sanierungsgebiet kann nicht Teil einer Abrechnungseinheit zur Erhebung wiederkehrender Straßenausbaubeiträge sein“.

91

Begründet wurde dies einerseits mit § 154 Abs. 1 S. 3 BauGB, wonach die Erhebung von Beiträgen für die Erneuerung und Verbesserung von Straßen innerhalb eines förmlichen Sanierungsgebiets unzulässig ist. Andererseits wurde in diesem Urteil jedoch darauf hingewiesen, dass die Grundstücke innerhalb eines förmlich festgelegten Sanierungsgebiets für wiederkehrende Maßnahmen außerhalb des Sanierungsgebiets beitragspflichtig seien (was dem Leitsatz widerspricht), zumal § 10 Abs. 8 KAG 1995 keine Ermächtigung für eine „Verschonungsregelung“ in Sanierungsgebieten enthielt.

92

Die Neuregelung in § 10a Abs. 5 KAG enthält jetzt unter anderem auch eine Verschonungsmöglichkeit für Grundstücke in Sanierungsgebieten. Das setzt denknotwendig voraus, dass der Gesetzgeber die Anbaustraßen in einem förmlich festgesetzten Sanierungsgebiet als Bestandteile der einheitlichen öffentlichen Einrichtung betrachtet, denn andernfalls hätte es keiner Verschonungsreglung bedurft. Auch das OVG Rheinland-Pfalz hat inzwischen entschieden, dass die im förmlich festgelegten Sanierungsgebiet liegenden Grundstücke „gleichzeitig innerhalb der einheitlichen öffentlichen Einrichtung sämtlicher zum Anbau bestimmter Verkehrsanlagen i.S.d. § 10a Abs. 1 KAG liegen“. Deshalb könnten sie zu wiederkehrenden Beiträgen für den Ausbau von Straßen außerhalb des Sanierungsgebiets veranlagt werden, sofern nicht die Verschonungsregelung eingreift (Urteil vom 10.06.2008 – 6 C 10255/08.OVG –, NVwZ-RR 2008, 727). Da nach Auffassung des OVG Rheinland-Pfalz einerseits die Grundstücke im förmlich festgelegten Sanierungsgebiet für Maßnahmen außerhalb des Sanierungsgebiets zu wiederkehrenden Beiträgen heran gezogen werden dürfen, andererseits die Grundstücke außerhalb des Sanierungsgebiets im Regelfall nicht für Straßenausbaumaßnahmen innerhalb des Sanierungsgebiets heran gezogen werden (vgl. OVG RP, Urteil vom 09.08.2005 – 6 A 10656/05.OVG –, AS 32, 312), ist die „Einheitlichkeit“ der öffentlichen Einrichtung insoweit zumindest durchbrochen. Dies gilt erst recht, wenn von der Verschonungsregelung des § 10a Abs. 5 KAG Gebrauch gemacht wird. Im Übrigen würde dem Land auch die Gesetzgebungskompetenz für die Einbeziehung der Anbaustraßen des Sanierungsgebiets in das Rechtsregime der wiederkehrenden Ausbaubeiträge fehlen.

93

Soweit die amtliche Begründung die einheitliche öffentliche Einrichtung mit dem Feld- und Waldwegenetz des § 11 Abs. 2 KAG vergleicht (a.a.O., S. 7), gibt dieser Vergleich für die „Einheitlichkeit“ des Anbaustraßennetzes nichts her. Denn zu dem Feld- und Waldwegenetz gehören von vorneherein nur Wege, die in der Baulast der Gemeinde stehen und ausschließlich demselben Zweck, nämlich der Bewirtschaftung der land- und forstwirtschaftlichen Grundstücke dienen. Dementsprechend stehen sie in der Regel nur dem land- und forstwirtschaftlichen Verkehr offen. Eine anderweitige Nutzung ist eher die Ausnahme. Sie bedarf einer besonderen rechtlichen Gestattung und kann, wenn eine gewisse Erheblichkeitsschwelle überschritten wird, beitragsrechtlich über den Gemeindeanteil ausgeglichen werden. Es kommt bei den Feld- und Waldwegen weder darauf an, ob die Wege erstmals hergestellt oder nachträglich ausgebaut werden noch darauf, ob sie überhaupt ausgebaut („Investitionsaufwendungen“) oder nur unterhalten („Unterhaltungskosten“) werden (vgl. § 11 Abs. 1 KAG). Hinzu kommt, dass öffentliche Straßen, die durch den Außenbereich der Gemeinde verlaufen, schon per Definition keine Bestandteile des Feld- und Waldwegenetzes sind. Das gilt erst recht für klassifizierte Straßen im Außenbereich. Bislang wurden solche Straßen jedenfalls von keinem Gericht als Bestandteile des Feld- und Waldwegesystems angesehen. Wegen diesen Besonderheiten kann die neu eingeführte einheitliche öffentliche Einrichtung nicht unter Hinweis auf das Feld- und Waldwegenetz gerechtfertigt werden.

94

Es ist auch nicht möglich, die „Einheitlichkeit“ des Anbaustraßennetzes mit der Einheitlichkeit des Kanalnetzes zu vergleichen. Denn das Kanalnetz ist eine geschlossene Einrichtung, die in einheitlicher Trägerschaft steht, keinen anderen Aufgaben dient und auch keine andere Benutzung durch die Allgemeinheit ermöglicht.

95

(2) Der Grundsatz der Normenklarheit ist ebenfalls verletzt, denn es ist durch Auslegung nicht eindeutig zu ermitteln, welche Verkehrsanlagen zu der einheitlichen öffentlichen Einrichtung gehören.

96

Der Wortlaut („sämtliche“ zum Anbau bestimmten Verkehrsanlagen) ist bereits insoweit zu weit gefasst, als darunter auch die zum Anbau bestimmten Privatstraßen verstanden werden könnten, die – jedenfalls nach § 10 Abs. 1 KAG – nicht ausbaubeitragsfähig sind. Gerade im Hinblick auf § 10 Abs. 1 KAG liegt es jedoch näher, den zu weit geratenen Wortlaut durch teleologische Reduktion auf die öffentlichen, zum Anbau bestimmten Verkehrsanlagen zu beschränken. Es sind jedenfalls keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass § 10a Abs. 1 KAG insoweit bewusst von § 10 Abs. 1 KAG abweichen wollte.

97

Soweit demgegenüber die amtliche Begründung (LT-Drucks. 15/318) an mehreren Stellen von dem „gesamten öffentlichen Verkehrsnetz“ der Gemeinde (S. 2, 6, 8) oder von „allen öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen“ (S. 9) oder schlichtweg von dem „Gesamtverkehrssystem“ (S. 7) spricht, hat dies im Wortlaut des Gesetzes keinen Ausdruck gefunden. Das Gesetz beschränkt sich vielmehr auf die Anbaustraßen.

98

Der amtlichen Begründung kann auch in folgenden Fällen nicht gefolgt werden: Da der Begriff der zum Anbau bestimmten Verkehrsanlage offenbar dem § 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB nachgebildet ist, fallen Sammelstraßen im Sinne des § 127 Abs. 2 Nr. 3 BauGB nicht hierunter, denn Letztere sind kraft Gesetzes nicht zum Anbau bestimmt. Andererseits sollen sie aber offenbar nicht zwangsläufig die einheitliche öffentliche Einrichtung unterbrechen, denn die Einführung von mehreren einheitlichen öffentlichen Einrichtungen ist nur bei abgrenzbaren Gebietsteilen und unter Beachtung der örtlichen Gegebenheiten möglich (§ 10a Abs. 1 Satz 2 und 3 KAG). Das bedeutet, dass eine einheitliche öffentliche Einrichtung in einer Gemeinde mit Sammelstraßen, die nicht zwischen abgrenzbaren Gebietsteilen verlaufen, durch Straßen vernetzt ist, von denen unklar ist, ob sie zur einheitlichen öffentlichen Einrichtung gehören oder nicht. Gegebenenfalls müsste man annehmen, dass die Anbaustraßen, die an beiden Seiten in die Sammelstraße einmünden, insoweit durch „Luft“ vernetzt sind.

99

Selbst bei Anbaustraßen sind diejenigen Teilstrecken nicht zum Anbau bestimmt, die mit 1/5 ihrer Länge und mit mehr als 100 Meter durch den Außenbereich führen. Das hat zur Folge, dass eine derartige Straße beitragsrechtlich in zwei Straßen zerfällt (BVerwG, Urteil vom 06.12.1996 – 8 C 32.95 –, BVerwGE 102, 294). Dasselbe gilt für den so genannten Verknüpfungsbereich einer Ortsdurchfahrt, der ebenfalls nicht zur Erschließung bestimmt ist (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 15.03.2005 – 6 A 12088/04.OVG–, AS 32, 149). Dennoch sollen diese Umstände nicht zur Unterbrechung bzw. Aufteilung der einheitlichen öffentlichen Einrichtung zwingen, so dass das Anbaustraßennetz Strecken umfasst, von denen unklar ist, ob sie dazu gehören.

100

Es wurde bereits festgestellt, dass die nicht befahrbaren Wohnwege (§ 127 Abs. 2 Nr. 2 BauGB) und die Fußgängerzonen wegen ihres anderen Widmungsinhalts nicht zusammen mit befahrbaren Straßen als eine einheitliche Einrichtung betrachtet werden können. Selbst wenn aber die Formulierung („sämtliche“ zum Anbau bestimmten Verkehrsanlagen) darauf hindeuten würde, dass befahrbare und unbefahrbare öffentliche Verkehrsanlagen gleichzeitig zu einer „einheitlichen“ Einrichtung gehören sollen, würde dies nur beweisen, dass insoweit gerade keine Einheitlichkeit gegeben ist.

101

Sonstiger Verstoß gegen Bundesrecht (Art. 31 GG)

102

Da die einheitliche öffentliche Einrichtung eine neue, eigenständige Anlage ist, kollidiert die gesetzliche Regelung auch mit § 127 Abs. 1 BauGB und dem bundesrechtlichen Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung. Insoweit kann die Neuregelung gemäß Art. 31 GG keinen Bestand haben (zur Nichtigkeitsfolge eines Verstoßes gegen Art. 31 GG vgl. BVerfG, Urteil vom 30.07.2008 – 1 BvR 3262/07 –, NJW 2008, 2409).

103

Gegenstand der Ausbaumaßnahmen nach § 10a KAG ist nach Auffassung der Kammer stets die einheitliche öffentliche Einrichtung als solche. Damit diese ausgebaut werden kann, muss sie zuvor bereits endgültig fertig gewesen sein. Deshalb führt die Herstellung jeder neuen Anbaustraße automatisch zur Erweiterung des vorhandenen Anbaustraßennetzes (vgl. § 9 Abs. 1 Satz 2 KAG). Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des OVG Rheinland-Pfalz für die flächenmäßige Erweiterung eines einheitlichen Kanalnetzes (vgl. Beschluss vom 19.02.1991 - 12 B 12690/90.OVG -; Urteil vom 14.03.2008 - 6 A 11228/07.OVG -, AS 36, 107, 121). Bei der Erweiterung des Anbaustraßennetzes müssten also einerseits Ausbaubeiträge und andererseits Erschließungsbeiträge erhoben werden. Denn die bundesrechtliche Pflicht zur Erhebung von Erschließungs-beiträgen (§ 127 Abs. 1 BauGB) lässt sich nicht durch landesrechtliche Vorschriften unterlaufen. Insbesondere können die bundesrechtlichen Begriffe der (einzelnen) Erschließungsanlage und der Erschließungseinheit nicht durch den landesrechtlichen Begriff der „einheitlichen öffentlichen Einrichtung“ verdrängt werden. Die gleichzeitige Erhebung von Erschließungs- und Ausbaubeiträgen für ein und dieselbe Maßnahme würde aber gegen den Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung verstoßen. Ein Verzicht auf Ausbaubeiträge ist für solche Fälle in § 10a KAG nicht vorgesehen. Die „Verschonungsregelung“ in § 10a Abs. 5 KAG enthält lediglich eine Satzungsermächtigung zu dem Zweck, Grundstücke, die in der Vergangenheit für separat abgerechnete Einzelstraßen beitragspflichtig waren, in den nächsten 20 Jahren nicht zu wiederkehrenden Beiträgen für Ausbaumaßnahmen an anderen Stellen des Anbaustraßennetzes heranzuziehen. Diese Regelung lässt sich nicht auf Fälle übertragen, in denen das Anbaustraßennetz künftig durch die erstmalige Herstellung einer Anbaustraße erweitert wird.

104

Verfassungskonforme Auslegung gescheitert

105

Im Hinblick auf den Begriff der “einheitlichen öffentlichen Einrichtung“ hat die Kammer in den eingangs genannten Parallelverfahren, unter anderem mit Urteil vom 7. September 2009 – 4 K 124/09.KO –, unter ausdrücklicher Zurückstellung sonstiger verfassungsrechtlicher Bedenken vergeblich eine verfassungskonforme Auslegung mit folgender Argumentation versucht: Wenn die einheitliche öffentliche Einrichtung aus der Gesamtheit aller zum Anbau bestimmten Verkehrsanlagen besteht, dann verlieren die einzelnen Straßen ihre bisherige rechtliche Selbstständigkeit und verschmelzen zu dem Anbaustraßennetz (vgl. die obigen Ausführungen zum neuen Anlagenbegriff). Für diese neue Einrichtung bedarf es keiner Bildung einer Abrechnungseinheit und folglich keines räumlich-funktionalen Zusammenhangs. Allerdings ist es dann eine logische Folge, dass der Begriff des Ausbaus (Erneuerung, Erweiterung, Verbesserung, vgl. Porz in Kohlhaas/ Tutschapsky, § 9 KAG, Rn 53. ff.) – wie im leitungsgebundenen Beitragsrecht ebenfalls – auf das Netz als solches bezogen werden muss. Eine Maßnahme, die für eine Einzelstraße ohne Weiteres als Ausbau zu qualifizieren wäre, wäre dann in Bezug auf das gesamte Anbaustraßennetz im Regelfall nur eine nicht beitragsfähige Unterhaltungsmaßnahme.

106

Das OVG Rheinland-Pfalz hat diese Entscheidung in den bereits zitierten Parallelverfahren aufgehoben. Es hat festgestellt, es sei verfassungsrechtlich nicht geboten, sämtliche Straßen in der einheitlichen öffentlichen Einrichtung als unselbstständige Bestandteile des Anbaustraßennetzes zu betrachten. Das Verfassungsrecht verlange vielmehr die hinreichende Verknüpfung zwischen Abgabenlast und Sondervorteil. Im Einzelnen hat es zu dem Verhältnis der einheitlichen öffentlichen Einrichtung zu den einzelnen Anbaustraßen folgendes ausgeführt:

107

„Die Funktionsfähigkeit des Straßensystems insgesamt tritt bei der Entscheidung über Ausbaumaßnahmen gegenüber der bisherigen Einzelbetrachtung der Straßen in den Vordergrund. Sie überlagert als übergeordnete Zweckbestimmung der einheitlichen Einrichtung den der einzelnen Verkehrsanlage als solcher zukommenden Zweck. Dementsprechend darf der Blick nicht - wie bisher - allein auf die auszubauende Straße gerichtet werden, sondern gleichzeitig auf die Erhaltung, Verbesserung oder Erweiterung des Gesamtstraßensystems (vgl. OVG RP, 6 C 10601/07.OVG, AS 35, 209, ESOVGRP). Daraus folgt jedoch nicht, dass der verfassungsrechtlich erforderliche Sondervorteil, der die Erhebung des wiederkehrenden Beitrags rechtfertigt, den Verlust der Selbständigkeit der einzelnen Anbaustraßen voraussetzt.“

108

Wenn es bei der rechtlichen Selbstständigkeit der einzelnen Anbaustraßen innerhalb der einheitlichen öffentlichen Einrichtung verbleiben soll, dann widerspricht das dem oben zitierten „Pirmasens-Urteil“ des OVG Rheinland-Pfalz (a.a.O., NVwZ-RR 2003, 591), wonach eine Abrechnungseinheit aus mehreren (selbstständigen) Straßen nur bei einem räumlich-funktionalen Zusammenhang verfassungsrechtlich zulässig ist.

109

Hinzu kommt nunmehr Folgendes: Einerseits soll die Funktionsfähigkeit des „Straßensystems insgesamt“ (was schon vom Ansatz her nicht von § 10a Abs. 1 Satz 2 KAG gedeckt ist) in den Vordergrund treten, wobei der Blick auf den Ausbau, d.h. auf die Erhaltung, Verbesserung oder Erweiterung des „Gesamtstraßensystems“ zu richten sei (obwohl nur das gesamte Anbaustraßennetz in den Blick zu nehmen ist). Andererseits sollen die Einzelstraßen aber weiterhin selbstständig bleiben und für die Abgrenzung zwischen Ausbau und Unterhaltung maßgebend sein. Gerechtfertigt wird dieses Spannungsverhältnis mit der „Überlagerung“ der einzelnen Verkehrsanlagen durch die „übergeordnete Zweckbestimmung“ der einheitlichen Einrichtung, zu der „auch“ die grundsätzliche Verpflichtung der Gemeinde gehöre, die einheitliche öffentliche Einrichtung funktionsfähig zu halten. Es wird jedoch nicht erläutert, worin die übergeordnete Zweckbestimmung ansonsten noch besteht und inwiefern sie die bestehenden Verkehrsanlagen „überlagert“. Die grundsätzliche Verpflichtung der Gemeinde zur Aufrechterhaltung der einheitlichen öffentlichen Einrichtung ist nämlich nicht anders zu sehen als die Verpflichtung der Gemeinde zum Ausbau von solchen Verkehrsanlagen, für die keine einheitliche öffentliche Einrichtung beschlossen wurde. Jeder Ausbau steht unter dem beitragsrechtlichen Vorbehalt der Erforderlichkeit und den Haushaltsgrundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit. Die Anlieger an einer einheitlichen öffentlichen Einrichtung können nicht den Ausbau „ihrer“ Straße verlangen, nur weil sie bereits seit Jahrzehnten zum Ausbau anderer Straßen beigetragen haben. Solange „ihre“ Straße trotz des Ablaufs von 20, 30 oder noch mehr Jahren noch nicht erneuerungsbedürftig ist (was bei verkehrsarmen Straßen in reinen Wohngebieten vorkommen kann), besteht kein Grund für den Ausbau „ihrer“ Straße. Ein gleichwohl erfolgter, aber nicht erforderlicher Ausbau geht zu Lasten der übrigen Anlieger und im Falle einer Klage zu Lasten der Gemeindekasse.

110

Die Kammer geht zwar nach wie vor davon aus, dass die einheitliche öffentliche Einrichtung nur aus unselbständigen (Straßen-)Bestandteilen besteht und dass sich der Ausbau folglich auf das Anbaustraßennetz insgesamt beziehen muss. Sie betrachtet dies jedoch nicht mehr als verfassungskonforme Auslegung, denn die bisher dargestellten und noch im Folgenden darzustellenden Verfassungsverstöße stehen dem eindeutig entgegen.

111

Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG

112

Der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verbietet es, gleiche Sachverhalte ungleich und ungleiche Sachverhalte gleich zu behandeln, wenn keine sachliche Rechtfertigung für die Differenzierung besteht. Nach § 10a Abs. 1 Satz 2 KAG in Verbindung mit einer entsprechenden kommunalen Satzung können alle Grundstücke, die Zufahrt oder Zugang zu einer Verkehrsanlage in der einheitlichen öffentlichen Einrichtung haben, zu wiederkehrenden Beiträgen herangezogen werden, unabhängig davon, wo die Ausbaumaßnahme erfolgt. In der Praxis werden hierfür in erster Linie die Grundstückseigentümer (manchmal auch die dinglich Berechtigten) herangezogen. Als Rechtfertigung dient der Hinweis auf den Vorteil, den die Grundstückseigentümer durch die Aufrechterhaltung des Anbaustraßennetzes hätten. Umgekehrt werden die nur schuldrechtlich Berechtigten (z.B. Mieter) und Dritte (z.B. Besucher, Geschäftskunden, Berufspendler, Touristen, etc.) nicht zu Beiträgen herangezogen, obwohl die Aufrechterhaltung des Anbaustraßennetzes für diese Personengruppen theoretisch von gleichem Vorteil sein müsste. Insoweit wird auf den kostenlosen Gemeingebrauch hingewiesen. Bei näherer Betrachtung erweisen sich die genannten Rechtfertigungen als unhaltbar. Der angebliche Ausbauvorteil ist in Wahrheit nicht vorhanden (1) und er lässt sich auch nicht über die Filterwirkung des Gemeindeanteils konstituieren (2).

113

(1) Zum Vorteilsbegriff

114

Geht man davon aus, dass der Ausbauvorteil in der Aufrechterhaltung des Erschließungsvorteils liegt, dann kann der landesrechtliche Ausbauvorteil nicht weiter gehen als der bundesrechtliche Erschließungsvorteil. Das Bundesverwaltungsgericht sieht das Wesen der straßenmäßigen Erschließung nicht schon in der Zugänglichkeit eines Grundstücks (die indirekt durch alle Straßen einer Gemeinde vermittelt wird), sondern darin, „einem Grundstück die Erreichbarkeit der Erschließungsanlage in einer auf die bauliche oder gewerbliche Nutzbarkeit des Grundstücks gerichteten Funktion zu vermitteln“ (Urteil vom 27.09.2006 – BVerwG 9 C 4.05 –, BVerwGE 126, 378 und Beschluss vom 14.12.2010 – 9 B 58/10 –, NVwZ-RR 2011, 209). Demzufolge besteht der Erschließungsvorteil darin, „dass das Grundstück gerade mit Blick auf die abzurechnende Erschließungsanlage … bebaubar wird, also eine Baugenehmigung nicht mehr unter Hinweis auf die fehlende verkehrliche Erschließung abgelehnt werden darf.“ (Beschluss vom 14.12.210, a.a.O.). Die Bebaubarkeit eines bestimmten Grund-stücks wird aber gerade nicht durch alle Anbaustraßen in der Gemeinde vermittelt. Deshalb wird der Erschließungsvorteil nicht dadurch aufrechterhalten, dass irgendwo eine andere Anbaustraße ausgebaut wird.

115

Selbst wenn man den landesrechtlichen Ausbauvorteil unabhängig vom bundesrechtlichen Erschließungsvorteil sieht, verstößt die Neuregelung gegen das Vorteilsprinzip. Das Vorteilsprinzip besagt, dass ein Beitrag nur als Gegenleistung für einen Sondervorteil und nicht für einen Gemeinvorteil erhoben werden darf. Es ist nicht erkennbar, inwiefern allen Eigentümern, deren bebaubare Grundstücke an das Anbaustraßennetz angrenzen, ein „Sondervorteil“ durch den Ausbau der einheitlichen Einrichtung erwächst. Denn wenn nahezu alle Grundstückseigentümer in der Gemeinde einen „Sondervorteil“ erhalten (ausgenommen sind nur diejenigen Eigentümer, deren Grundstücke nicht bebaubar sind oder nicht an eine zum Anbau bestimmte Straße angrenzen), dann erfolgt die Abgrenzung zum Gemeinvorteil im Wesentlichen nur noch gegenüber den Nichteigentümern bzw. den nicht dinglich Berechtigten (Mieter, Pächter, Berufspendler, Schüler, von auswärts kommende Geschäftskunden und Gewerbetreibende – auch mit rollenden Einkaufsläden –, Touristen, etc.). Die zuletzt genannten Personengruppen benutzen das Anbaustraßennetz aber zumindest im gleichen Umfang, wenn nicht sogar noch intensiver, ohne dafür zahlen zu müssen.

116

Die amtliche Begründung sieht den Vorteil „in der durch die Verkehrsanlage vermittelten Möglichkeit der Zufahrt oder des Zugangs zu dem die öffentliche Einrichtung bildenden Gesamtverkehrssystem“ bzw. „in der Aufrechterhaltung oder Verbesserung des Gesamtverkehrssystems als solchem, zu welchem die Zufahrts- und Zugangsmöglichkeit besteht“. Abgesehen davon, dass das Gesetz nicht auf ein „Gesamtverkehrssystem“ abstellt, wird nicht erläutert, inwiefern die in vielen Jahrzehnten nach und nach und oft planlos entstandenen Anbaustraßen überhaupt ein „System“ bilden, d.h. nach welchen Ordnungsmerkmalen hier etwas organisiert worden ist (vgl. Duden, Bedeutungswörterbuch, Stichwort: System). Weiter heißt es in der amtlichen Begründung, dass die Eigentümer und dinglich Nutzungsberechtigten „aus dem Vorhalten aller öffentlichen Verkehrsanlagen abstrakte Vorteile ziehen, indem diese eine Einheit bildende Einrichtung zur gebrauchswertsteigernden Benutzbarkeit zur Verfügung gestellt wird….. In der Erhaltung, Verbesserung oder Erweiterung dieses Straßensystems seitens der Gemeinde durch entsprechende Ausbaumaßnahmen an den einzelnen Verkehrsanlagen liegt der verfassungsrechtlich erforderliche, durch wiederkehrende Beiträge abgegoltene Sondervorteil aller beitragspflichtigen Grundstücke“ (a.a.O., S. 7). Schließlich heißt es: „Verfassungsrechtlich ist die Erhebung wiederkehrender Beiträge gerechtfertigt durch den besonderen Vorteil, der den beitragspflichtigen Grundstücken dadurch vermittelt wird, dass sie durch die einzelnen Verkehrsanlagen gleichsam 'erschlossen' sind und insoweit auch an dem überörtlichen Verkehrsnetz partizipieren können“ (a.a.O., S. 8).

117

Die Kammer vermag dem nicht zu folgen. Die ausdrückliche Bezugnahme auf das Vorhalten der gesamten Einrichtung macht deutlich, dass hinsichtlich der wiederkehrenden Beiträge wieder an den Rechtszustand des KAG 1986 angeknüpft wird. Dies ist schon deshalb unzulässig, weil durch das Vorhalten des Straßennetzes auch nicht baulich nutzbare Gartengrundstücke und landwirtschaftliche Grundstücke betroffen würden. Derartige Grundstücke sind aber nach § 10 Abs. 5 und § 10a Abs. 1 Satz 2 KAG gerade nicht beitragspflichtig.

118

Selbst ein bebaubares Grundstück erfährt nicht automatisch eine „gebrauchswertsteigernde Benutzbarkeit“ dadurch, dass die einheitliche Einrichtung (in beitragsrelevantem Umfang) irgendwo ausgebaut wird. Zur Vermeidung von Missverständnissen sei klargestellt, dass der Ausbauvorteil nicht von der tatsächlichen, sondern von der möglichen und wahrscheinlichen Inanspruchnahme einer Straße abhängt. Deshalb bestand der Sondervorteil in einer Abrechnungseinheit nach dem KAG 1986 auch nicht darin, dass ein Grundstück nur über ganz bestimmte Straßen erreichbar war, sondern darin, dass es an einer Straße lag, die ihrerseits zu einem Straßensystem gehörte, welches dadurch charakterisiert war, dass es den Verkehr bündeln und in jeweils eine Hauptrichtung leiten konnte (OVG Rheinland-Pfalz, „Saarburg-Urteil“ vom 25.11.2003 – 6 A10631/03 – S. 15 ff.). Es kam also nicht darauf an, ob bestimmte Straßen auf dem Weg von und zu einem Grundstück tatsächlich benutzt wurden, sondern ob eine unmittelbar angrenzende Erschließungsstraße in Verbindung mit den übrigen Straßen der Abrechnungseinheit auf eine Straße mit Bündelungsfunktion angewiesen war, um in eine der Hauptrichtungen weiterfahren oder von dort zu dem Grundstück gelangen zu können. Innerhalb eines derartigen Systems war es unerheblich, ob die eine oder andere Straße benutzt wurde, solange nur die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit der Benutzung bestand.

119

Dieser Sondervorteil lässt sich nicht dadurch auf das gesamte Anbaustraßennetz der Gemeinde übertragen, dass man unter Verzicht auf die räumlich-funktionale Abhängigkeit der einzelnen Verkehrsanlagen einen neuen Anlagenbegriff einführt, der nach Auffassung der Kammer nur noch aus unselbstständigen Straßenbestandteilen und nach Auffassung des OVG Rheinland-Pfalz weiterhin aus selbstständigen Straßen besteht. Denn von diesem Anlagenbegriff wird letztlich nur behauptet, er sei für alle Baugrundstücke von Vorteil. Das Einzige, was dieses „Netz“ zusammenhält, ist die Abgrenzung zum Außenbereich. Innerhalb des Anbaustraßennetzes gibt es jedoch kein Kriterium, das einen Bezug zu einem bestimmten Baugrundstück aufweist. Wenn die Erreichbarkeit eines Grundstücks über jede beliebige Anbaustraße genügen soll, dann besteht der „Vorteil“ nur in der Teilnahme am innerörtlichen Straßenverkehr, der im Rahmen des Gemeingebrauchs ohnehin jedem kostenlos gestattet ist (§ 34 Abs. 1 LStrG). Es ist ein Widerspruch in sich selbst, wenn in der Teilnahme an einem Gemeinvorteil zugleich ein Sondervorteil gesehen wird. (vgl. Wilke, Gebührenrecht und Grundgesetz, S. 135: „Die bloße Teilnahme am Gemeinvorteil begründet jedoch keinen Sondervorteil“. Im Ergebnis ebenso Halter, Der wiederkehrende Straßenausbaubeitrag, Dissertation, Halle 2006, S. 115: „Das bloße 'Vorhalten' eines bestimmten Straßennetzes führt zu keinem über den Gemeingebrauch hinausgehenden Sondervorteil der Anlieger dieses Straßennetzes gegenüber der Allgemeinheit“).

120

Wenn die an das Anbaustraßennetz angrenzenden Grundstücke von jeder Straße mittelbar erschlossen wären, dann wären sie auch mittelbare „Anliegergrundstücke“ an jeder anderen Straße. Diese Auffassung wird jedoch im Straßenverkehrsrecht ausdrücklich abgelehnt (BVerwG, Urteil vom 15.02.2000 – 3 C 14/99 –, NVwZ 2000, 2121):

121

„Die Anliegereigenschaft wird nämlich durch rechtliche Beziehungen zu den an den gesperrten Straßen anliegenden (bebauten oder unbebauten) Grundstücken oder den auf ihnen errichteten Anlagen bestimmt (BGH, a.a.O., S. 243). Dieser Bereich der geschützten rechtlichen Beziehungen würde verlassen, genügte gewissermaßen ein Netz bzw. eine Kette aneinander bzw. hintereinander geknüpfter Anliegerstraßen beliebiger Anzahl, um jedem Verkehrsteilnehmer, der sich in bezug auf irgendeine dieser Straßen berechtigterweise einer Anliegereigenschaft berühmt, die auf sämtliche Straßen des Netzes bzw. der Kette bezogene Anliegereigenschaft zu vermitteln.“

122

Letzteres schließt es aus, dass Nichtanlieger durch eine Straße fahren dürfen, die nur für Anlieger frei ist. Der Ausbau einer solchen Straße ist für alle Nichtanlieger von vorne herein ohne Vorteil (es sei denn, sie wollten jemanden in dieser Straße aufsuchen, was nur für einen vernachlässigbar kleinen Teil der Grundstückseigentümer einer Gemeinde zutreffen dürfte).

123

Im Übrigen ergibt sich aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Beitragsfähigkeit von selbstständigen Grünanlagen, Parkanlagen oder Lärmschutzanlagen, dass der Vorteil generell mit zunehmender Entfernung abnimmt (vgl. BVerwG, Urteile vom 24.09.1987 – 8 C 75/86 –, NVwZ 1988, 359, vom 09.12.1994 – 8 C 6/93 –, ZMR 1995, 135 und vom 13.08.1993 – 8 C 51/87 –, NVwZ 1989, 566). Dasselbe muss nach Auffassung der Kammer im Prinzip für alle Straßen gelten, die von dem Grundstück weit entfernt sind und nicht einmal einen indirekten Grundstücksbezug aufweisen.

124

Schließlich ist es auch im Recht der Straßenreinigungsgebühren unzulässig, den Aufwand für eine gereinigte Straße auf die Grundstückseigentümer an allen reinigungspflichtigen Straßen der Gemeinde umzulegen, obwohl sich insoweit ebenfalls behaupten ließe, dass alle Grundstückseigentümer einen „Vorteil“ von der Reinigung aller Straßen hätten. Stattdessen gibt es bei den Straßenreinigungsgebühren nur die straßenweise Einzelabrechnung (OVG RP, Urteil vom 07.03.2006 – 7 A 11436/05.OVG –: „Jeder kehre vor seiner Tür“).

125

Insoweit lässt sich auch nicht einwenden, dass in kleineren Gemeinden nach wie vor vielfach ein räumlich-funktionaler Zusammenhang gegeben ist. Denn wenn § 10a Abs. 1 und § 10 Abs. 2 Satz 2 KAG bewusst auf diesen Zusammenhang verzichten, dann kann die Verfassungsmäßigkeit nicht davon abhängen, ob im Einzelfall gleichwohl ein derartiger Zusammenhang gegeben ist.

126

Hinzu kommt Folgendes: Das OVG Rheinland-Pfalz hat zum alten Ausbaubeitragsrecht entschieden, dass der Vorteil „in der Aufrechterhaltung oder Verbesserung des durch die erstmalige Herstellung einer Erschließungsanlage hervorgerufenen Erschließungszustands“ liege. Erschlossen werde ein Grundstück im Allgemeinen nur durch die Straße, von der es unmittelbar erreicht werden könne. „Denn die Beteiligung des Grundstückseigentümers an den Kosten der erstmaligen Herstellung einer Straße findet ihre Rechtfertigung darin, dass sein Grundstück durch die Zugangsmöglichkeit zur Straße über diese mit dem übrigen Verkehrsnetz verbunden wird. Aus diesem Grunde gereichen beim Straßenausbau grundsätzlich nur solche Baumaßnahmen dem Grundstückseigentümer zum Vorteil, die in derjenigen Straße durchgeführt worden sind, die den unmittelbaren Anschluss an das übrige Verkehrsnetz vermitteln“ (OVG RP, Urteil vom 06.12.1976 – 6 A 33/75 –, AS 14, 364).

127

Wenn das Ausbaubeitragsrecht in Rheinland-Pfalz der Aufrechterhaltung des Erschließungszustands von baulich nutzbaren Grundstücken dient, wäre das Anbaustraßennetz nur dann eine ausbaubeitragsfähige Einrichtung, wenn es als solches für die Erschließung aller Grundstücke notwendig wäre. Dies ist jedoch nach der oben zitierten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (a.a.O., NJW 1972, 1851) gerade nicht der Fall. Und wenn der Ausbauvorteil darin besteht, dass das einzelne Grundstück über die unmittelbar angrenzende (ausbaubeitragsfähige) Straße mit dem übrigen Straßennetz verbunden wird, dann hat es damit sein Bewenden. Das übrige Straßennetz begründet dann keinen zusätzlichen Sondervorteil für das jeweilige Grundstück. Solange kein räumlich-funktionaler Zusammenhang vorliegt, fehlt dem übrigen Straßennetz mithin der verfassungsrechtlich erforderliche Grundstücksbezug (vgl. Schoch, a.a.O.).

128

Der Sondervorteil lässt sich auch nicht mit einem (schon oben abgelehnten) Vergleich mit dem Feld- und Waldwegenetz oder mit dem Kanalnetz begründen. Denn im Gegensatz zu einem Feld- und Waldwegesystem oder einem Kanalsystem dienen die Anbaustraßen keineswegs nur den jeweils angrenzenden Grundstücken und deren Eigentümern bzw. ihren dinglich Nutzungsberechtigten. Sie dienen vielmehr auch der Allgemeinheit in Gestalt von ortsansässigen Mietern und auswärtigen Besuchern, Geschäftskunden, Berufstätigen, Touristen, usw. Die theoretische Möglichkeit, dass ein Grundstückseigentümer die weiter entfernt liegenden Anbaustraßen der „einheitlichen Einrichtung“ benutzen könnte, ist nicht signifikant größer als die Benutzung durch die Allgemeinheit. In Wahrheit wird der Ausbaubeitrag den Grundstückseigentümern an der einheitlichen öffentlichen Einrichtung nicht auferlegt, weil sie eine individuell zurechenbare Leistung erhalten, sondern weil sie an der Aufrechterhaltung des Straßennetzes teilhaben, indem sie am innerörtlichen Verkehr teilnehmen – so wie jeder andere auch, allerdings mit dem Unterschied, dass nicht jeder andere auch zu Beiträgen herangezogen wird.

129

(2) Zum Gemeindeanteil

130

Der angebliche Sondervorteil für alle erschlossenen Grundstücke an der einheitlichen öffentlichen Einrichtung lässt sich auch nicht über den Gemeindeanteil nach § 10a Abs. 3 KAG von dem Gemeinvorteil abgrenzen. Deshalb bleibt es dabei, dass die Neuregelung mangels greifbaren Sondervorteils gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt.

131

Nach § 10a Abs. 3 KAG n.F., der dem § 10 Abs. 3 KAG a.F. nachgebildet ist, bleibt ein dem Vorteil der Allgemeinheit entsprechender Anteil (mindestens 20 %) außer Ansatz. Bei einmaligen Beiträgen wird der Vorteil der Allgemeinheit darin gesehen, dass die Straße (auch) den Durchgangsverkehr für Fahrzeuge und Fußgänger ermöglicht, während der Vorteil für die Beitragsschuldner in der Gewährung des Anliegerverkehrs für Fahrzeuge und Fußgänger besteht (grundlegend OVG RP, Beschluss vom 15.12.2005 – 6 A 11220/05.OVG –, NVwZ-RR 2006, 285). Die Situationsgebundenheit der Grundstücke führt nämlich dazu, dass der gesamte Ziel- und Quellverkehr in einer bestimmten Straße den dortigen Grundstückseigentümern als Anliegerverkehr zuzurechnen ist. Für die wiederkehrenden Beiträge nach dem KAG 1986 musste das Verhältnis von Anlieger- und Durchgangsverkehr deshalb zunächst für jede einzelne Straße ermittelt und auf der Grundlage der Längen der einzelnen Verkehrsanlagen gewichtet werden (OVG RP, Urteil vom 29.04.1999 – 6 A 12701/98.OVG –).

132

Diese Grundsätze lassen sich nach Überzeugung der Kammer nicht auf § 10a Abs. 3 KAG übertragen. Denn dann müsste der gesamte Ziel- und Quellverkehr von und zu der einheitlichen öffentlichen Einrichtung als Quasi-Anliegerverkehr allen Grundstückseigentümern zugerechnet werden. Der Gemeindeanteil könnte nur noch den überörtlichen Durchgangsverkehr innerhalb der einheitlichen öffentlichen Einrichtung erfassen. Soweit der überörtliche Durchgangsverkehr vorhandene Sammelstraßen benutzt, ist nach den obigen Ausführungen zur Normenklarheit unklar, ob dieser Verkehr überhaupt berücksichtigt werden kann. Hinzu kommt Folgendes: Je größer eine Stadt und je gewichtiger ihre landesplanerische Bedeutung ist, desto größer ist ihre „Sogwirkung“. Deshalb wäre das Verkehrsaufkommen tendenziell überwiegend dem Ziel- und Quellverkehr und damit dem Anliegerverkehr in der einheitlichen Einrichtung zuzurechnen. Der Gemeindeanteil würde deshalb in der Regel auf 20 % schrumpfen (§ 10a Abs. 3 S. 2 KAG). Das widerspricht dem Grundsatz der Abgabengerechtigkeit und dem Willkürverbot. Denn die Grundstückseigentümer am Rande einer großen einheitlichen öffentlichen Einrichtung brauchen sich nicht den Ziel- und Quellverkehr im Gemeindezentrum anrechnen zu lassen. Aus Art. 14 GG folgt keineswegs, dass sich die Situationsgebundenheit eines Grundstücks auf das gesamte Anbaustraßennetz bezieht. Insoweit ist erneut an den bereits zitierten Beschluss des Bundes-verfassungsgerichts zur Erschließungseinheit vom 5. Juli 1972 (– 2 BvL 6/66 u.a. –, NJW 1972, 1851) zu erinnern: „Das Wegenetz einer ganzen Gemeinde bildet keine Einheit in diesem Sinne, weil nicht sämtliche Straßen in einem derart engen räumlichen und funktionellen Zusammenhang zu den herangezogenen Grundstücken stehen“. Deshalb ist der Hinweis auf die „Solidargemeinschaft“ aller Grundstückseigentümer in einer Gemeinde eine bloße Behauptung, die durch nichts belegt ist (so aber Perne, a.a.O., S. 135).

133

Das OVG Rheinland-Pfalz hat im Urteil vom 16. März 2010 – 6 A 11146/09.OVG – (NVwZ-RR 2010, 62) die Auffassung vertreten, dass den Beitragsschuldnern der gesamte Anliegerverkehr in der eine Einheit bildenden Einrichtung zuzurechnen sei; nur der Durchgangsverkehr sei ihnen nicht zuzurechnen. Es sei sogar zulässig, den erhöhten Durchgangsverkehr – etwa in einer Hauptstraße - mit dem niedrigen Durchgangsverkehr in abseits der Hauptstraßen gelegenen Wohnstraßen in Beziehung zu setzen, womit im Ergebnis eine Saldierung gemeint sein dürfte. Jedenfalls stellte das OVG ausdrücklich fest, dass der Gemeindeanteil in einer einheitlichen öffentlichen Einrichtung nicht mehr – wie früher – auf der Grundlage der Längen und der Verkehrsbedeutung der einzelnen Verkehrs-anlagen ermittelt werden müsse.

134

Nach Auffassung der Kammer widerspricht sich das OVG Rheinland-Pfalz damit selbst, denn in dem gleichen Urteil hat es eingangs festgestellt, dass die einzelnen Anbaustraßen in der einheitlichen öffentlichen Einrichtung ihre Selbstständigkeit behalten und dass die Abgrenzung zwischen Ausbau und Unterhaltung an Hand der jeweils ausgebauten oder auszubauenden Einzelstraßen (und nicht an Hand der gesamten öffentlichen Einrichtung) vorzunehmen sei. Dagegen hält es bei der Festlegung des Gemeindeanteils den Blick auf die gesamte öffentliche Einrichtung für geboten. Außerdem enthält das Urteil außer einem knappen Verweis auf die amtliche Begründung keine nähere Begründung dafür, weshalb den Beitragsschuldnern einerseits der gesamte Anliegerverkehr in allen Anbaustraßen zuzurechnen ist, dem andererseits nur der „saldierte“ Durchgangsverkehr (der zum Teil auch auf Sammelstraßen stattfindet) gegenüber zu stellen ist.

135

In dem jüngsten Urteil vom 15. März 2011 – 6 C 11187/10.OVG – vertritt das OVG Rheinland-Pfalz die Auffassung, dass zwar das Verhältnis des Anlieger- und Durchgangsverkehrs in der einheitlichen öffentlichen Einrichtung insgesamt zu ermitteln sei, dass dabei aber nur die in der Baulast der Gemeinde stehenden Anbaustraßen zu berücksichtigen seien. Von einer Saldierung ist keine Rede mehr. Stattdessen werden die Ortsdurchfahrten der klassifizierten Straßen – soweit sie Anbaubestimmung haben – einerseits zur einheitlichen öffentlichen Einrichtung gezählt und andererseits bei der Ermittlung des Gemeindeanteils nicht berücksichtigt, weil die Fahrbahnen insoweit nicht in der Baulast der Gemeinde stehen. Die Ortsdurchfahrten sollen also die Beitragspflicht der insoweit erschlossenen Baugrundstücke begründen und den Anliegerverkehr mitbestimmen, aber der Kraftfahrzeugsdurchgangsverkehr auf diesen Straßen soll (wie bei einmaligen Beiträgen auch, bei denen es aber nur um den Ausbau von Nebenanlagen in der Ortsdurchfahrt und nicht um den Ausbau der Fahrbahnen in anderen Straßen geht) von vorneherein ausgeblendet werden. Nach Ansicht der Kammer ist diese Argumentation ebenfalls in sich widersprüchlich. Sie ist nur ein weiterer Beleg für die bereits oben gewonnene Erkenntnis, dass das Anbaustraßennetz gerade keine „einheitliche“ öffentliche Einrichtung ist.

136

Aufrechterhaltung mit anderer rechtlicher Begründung

137

Es ist auch nicht möglich, den wiederkehrenden Beitrag als Steuer, Zwecksteuer, Sonderabgabe, Abschöpfungsabgabe oder als eine sonstige Abgabenart aufrecht zu erhalten. Insoweit macht sich die Kammer die sorgfältige Analyse von Halter (Der wiederkehrende Straßenausbaubeitrag, Dissertation, Halle 2006, S. 116 ff) zu Eigen.

138

Hilfserwägung: unvollständiger Systemwechsel (Art. 20 GG)

139

Selbst wenn die Einführung der „einheitlichen öffentlichen Einrichtung“ als solche verfassungsgemäß wäre, würde die Neuregelung gegen die Grundsätze zum Systemwechsel verstoßen.

140

Die dem Gesetzgeber zustehende Gestaltungsfreiheit umfasst die Befugnis, neue Regeln einzuführen, ohne an frühere Grundentscheidungen gebunden zu sein. Das setzt allerdings voraus, dass wirklich ein neues Regelwerk geschaffen wird. Dieses muss umfassend und widerspruchsfrei sein, andernfalls ließe sich jede Ausnahmeregelung als Beginn einer Neukonzeption deklarieren (vgl. BVerfG zur Pendlerpauschale, Urteil vom 09.12.2008 – 2 BvL 1/07 u.a. –, BVerfGE 122, 210). Hiergegen würde die Neuregelung auf jeden Fall verstoßen, sofern sie überhaupt zulässig wäre. Denn sie ist gerade nicht an die Stelle der bisherigen straßenweisen Einzelabrechnung und an die bisherige Zusammenfassung mehrerer räumlich-funktional abhängiger Einzelstraßen zu einer Abrechnungs-einheit getreten, sondern sie wird neben der straßenweisen Einzelabrechnung und anstelle der alten Abrechnungseinheit als neue Möglichkeit angeboten, deren Einführung allein vom politischen Willen der jeweiligen Gemeinde abhängt und die nur vage an die örtlichen Gegebenheiten gebunden ist. Dies führt dazu, dass es im rheinland-pfälzischen Straßenausbaubeitragsrecht landesweit zwei verschie-dene Rechtsregime gibt, nämlich einmalige Beiträge für Einzelstraßen und wieder-kehrende Beiträge für die einheitliche öffentliche Einrichtung. Nach einem Urteil des OVG Rheinland-Pfalz vom 25. August 2010 – 6 A 10505/10.OVG – (NVwZ-RR 2010, 938) ist sogar ein Nebeneinander von einmaligen und wiederkehrenden Beiträgen innerhalb ein und derselben Gemeinde zulässig, sofern abgrenzbare Gebietsteile vorhanden sind. Nach Auffassung der Kammer ist dies mit dem oben zitierten Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Dezember 2008 zur Pendlerpauschale (a.a.O.) unvereinbar.

141

Besonders deutlich wird der Systembruch im Falle des § 10 Abs. 2 Satz 2 KAG n.F. Nach dieser Vorschrift kann eine Gemeinde einmalige Beiträge für den Ausbau einer einzelnen Straße erheben (wenn auch nur in Form von Durchschnitts-sätzen), indem sie den beitragsfähigen Aufwand auf alle Grundstücke in der einheitlichen öffentlichen Einrichtung verteilt. Hierfür muss die Gemeinde eine Satzung zur Erhebung einmaliger Beiträge erlassen, die zugleich auch eine einheitliche öffentliche Einrichtung einführt. Dies führt zu unlösbaren Widersprüchen. Entweder gibt es in dieser Gemeinde nach wie vor selbstständige Einzelstraßen oder es gibt nur noch die einheitliche öffentliche Einrichtung. Es erscheint jedenfalls logisch ausgeschlossen, dass eine Satzung für die Erhebung einmaliger Beiträge einerseits auf die einzelne Straße und andererseits auf das gesamte Anbaustraßennetz abstellt.

142

Ein weiterer Systembruch besteht darin, dass jede Gemeinde, die von der Neuregelung Gebrauch macht, in einen Konflikt mit dem Landesstraßengesetz gerät. Denn wenn es in dieser Gemeinde nur noch unselbstständige Straßen gibt, die Bestandteile der einheitlichen öffentlichen Einrichtung sind, kann die Gemeinde keine Straßenreinigungsgebühren nach § 17 Abs. 3 Satz 2 LStrG erheben. Im Recht der Straßenreinigungsgebühren werden die Straßen – wie bereits erwähnt – als selbstständige Einzelstraßen vorausgesetzt. Es fehlt insbesondere an einer Ermächtigungsgrundlage für die Zusammenfassung mehrerer Straßen zu einer Abrechnungseinheit (so ausdrücklich OVG RP, Urteil vom 22.04.2004 – 12 A 11902/03.OVG –, AS 31, 271).

143

Auseinandersetzung mit anderen Auffassungen

144

Soweit dies nicht schon erfolgt ist, soll noch auf andere Rechtsauffassungen in Literatur und Rechtsprechung eingegangen werden.

145

a) Schoch vertritt in seinem im Auftrag des rheinland-pfälzischen Innenministeriums erstellten Gutachten „Verfassungsrechtliche Anforderungen an die Erhebung 'wiederkehrender Beiträge' für Verkehrsanlagen“ vom März 2005 dezidiert die Auffassung, dass Verkehrsanlagen nur dann zu einer Abrechnungseinheit zusammengefasst werden können, wenn sie in einem räumlich-funktionalen Zusammenhang stehen. Insoweit folgt er ausdrücklich der Rechtsprechung des OVG Rheinland-Pfalz zum KAG 1986. Um diese Bedenken zu entkräften, hat der Landesgesetzgeber absichtlich auf die Bildung von Abrechnungseinheiten verzichtet (LT-Drucks. 15/318, S. 7), so dass die Kammer auf die Ausführungen von Schoch – denen sie grundsätzlich zustimmt - nicht weiter eingehen muss.

146

b) Driehaus (Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 7. Aufl. 2004, § 1 Rdn. 6) vertritt die Auffassung, dass der wiederkehrende Beitrag gegen den Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung verstoße. Dem folgt die Kammer nicht, weil es keinen bundesrechtlich feststehenden Beitragsbegriff gibt und weil das Bundesverfassungsgericht auch eine laufende Erhebung von Beiträgen anerkannt hat (BVerfG, Beschluss vom 26.05.1976 – 2 BvR 995/75 –, BVerfGE 42, 223). Soweit Driehaus (Sogenannte wiederkehrende Beiträge in Hessen, KStZ 2011, 21) annimmt, dass es sich um eine Steuer handele, für die dem Land die Gesetzgebungsbefugnis fehle, folgt ihm die Kammer nur insoweit, als nach § 10a Abs. 2 KAG die Möglichkeit besteht, anstelle der jährlichen Investitions-aufwendungen den Durchschnitt der im Zeitraum von bis zu fünf Jahren zu erwartenden Aufwendungen zugrunde zu legen. Denn wenn in einem Fünfjahres-zeitraum wiederkehrende Beiträge ohne Rücksicht darauf erhoben werden dürfen, ob in einem bestimmten Jahr überhaupt Aufwendungen angefallen sind, dann fehlt es an der Gegenleistung, wenn in einem bestimmten Jahr tatsächlich keine Kosten angefallen sind. Ein Beitrag „für nichts“ ist in Wahrheit eine Steuer.

147

c) Kube (Verfassungsrechtliche Probleme der pauschalierenden Erhebung von Beiträgen für den Straßenausbau, LKRZ 2007, 93) hält die wiederkehrenden Beiträge für verfassungswidrig, weil sie trotz ihres „formalen“ Gegenleistungsbezugs eine bedenkliche Nähe zu Zwecksteuern aufweisen und wegen ihrer möglichen Gleichartigkeit mit der Grundsteuer kompetenzrechtliche Probleme nach Art. 105 GG aufwürfen. Dem folgt die Kammer nur bedingt. Denn eine Steuer, insbesondere eine Zwecksteuer wie beispielsweise die Kirchensteuer, wird stets unabhängig von einer bestimmten Gegenleistung erhoben. Der wiederkehrende Beitrag wird aber – zumindest auf der Basis von jährlich angefallenen Aufwendungen – für bestimmte Gegenleistungen erhoben. Eine Ausnahme ist lediglich für den soeben genannten Fall des § 10a Abs. 2 KAG zu machen. Soweit Kube den individuell zurechenbaren Sondervorteil bezweifelt, teilt die Kammer die Bedenken.

148

d) Von Mutius (Verfassungsrechtliche Anforderungen an eine Novellierung des kommunalen Beitragsrechts, 1985, S. 46) weist darauf hin, dass durch die Einbeziehung von Straßen, die vom beitragspflichtigen Grundstück weit entfernt liegen, die Nähe zum Aufwand verloren gehe. Dies entspricht auch der Auffassung der Kammer.

149

e) Halter (Der wiederkehrende Straßenausbaubeitrag, Dissertation, Halle 2006) kommt zu dem Ergebnis, dass schon das rheinland-pfälzische KAG 1986 und das KAG 1995 trotz des dort vorgesehenen räumlich-funktionalen Zusammenhangs verfassungswidrig waren (a.a.O. S. 167). Der Wegfall des räumlich-funktionalen Zusammenhangs in § 10a KAG n.F. wäre aus seiner Sicht erst recht verfassungswidrig.

150

f) Ministerialrat Perne (Auslotung verfassungsrechtlicher Spielräume bei der gesetzgeberischen Fortentwicklung des Einrichtungsbegriffs für Verkehrsanlagen, LKRZ 2007, 133) ist einer der Wenigen, die die Verfassungsmäßigkeit der Neuregelung bejahen. Die Kammer folgt seinen Ausführungen schon deshalb nicht, weil sie zu Unrecht auf „sämtliche Verkehrsanlagen“ bzw. auf das „gemeindliche Gesamtverkehrssystem“ abstellen. Hinzu kommt, dass er die Gesetzgebungskompetenz nur im Hinblick auf die Abgrenzung zwischen Steuern und Beiträgen untersucht, dass er den zurechenbaren Sondervorteil für die (angebliche) Solidargemeinschaft aller Grundstückseigentümer darin erblickt, dass der Gemeindeanteil abgezogen wird, und dass er den Vergleich mit den leitungsgebundenen Einrichtungen und dem Wirtschaftswegenetz für schlüssig erachtet. Dem hält das Gericht die obigen, wesentlich weiter gehenden Ausführungen entgegen.

151

In einem weiteren Aufsatz (Fortentwicklung gewagt, Rechtssicherheit und Praktikabilität gewonnen – Zur Verfassungsmäßigkeit des neuen Vorteilsbegriffs des § 10a RhPfKAG, LKRZ 2008, 46) stellt Perne die Behauptung auf, es sei wahrscheinlich, „dass die Gemeindeeinwohner die gesamte gemeindliche Infrastruktur nutzen, um z.B. den Kindergarten, die Schule, das Lebensmittelgeschäft, die Arztpraxis, die Apotheke oder kulturelle Einrichtungen zu erreichen“. Auch dem ist nicht zu folgen. Bei § 10a KAG geht es weder um die Nutzung der „gemeindlichen Infrastruktur“ noch geht es um die Nutzung der Infrastruktur durch die „Gemeindeeinwohner“. Entscheidend für den Wahrscheinlichkeitsmaßstab ist allein die Nutzung des Anbaustraßennetzes durch die Eigentümer der von den Bestandteilen dieses Netzes erschlossenen Grundstücke. Selbst in kleineren Gemeinden gibt es heute immer weniger Lebensmittelgeschäfte, Schulen, Arztpraxen, Apotheken oder kulturelle Einrichtungen, so dass die Wahrscheinlichkeitsprognose von Perne schon insoweit zweifelhaft erscheint. Erst recht gibt er keinen Erfahrungssatz, dass in großen Städten – und gerade für diese wurde das Gesetz geändert – die Grundstückseigentümer das gesamte Anbaustraßennetz benutzen, um die von Perne genannten Ziele zu erreichen. Jedenfalls ist die Benutzungswahrscheinlichkeit durch die Grundstückseigentümer nicht größer als durch andere Einwohner, die nicht zu dem Kreis der erschlossenen Grundstückseigentümer gehören (um von den auswärtigen Straßenbenutzern ganz zu schweigen).

152

g) Soweit einzelne Veröffentlichungen von Vertretern der Kommunen und der kommunalen Spitzenverbände bekannt wurden, die die Einführung des § 10a KAG aus politischer Sicht befürworten (z.B. Thielmann, Gemeinde und Stadt, 2003, 294; Gebhardt, Gemeinde und Stadt, 2003, 300; Wieder/Matheis, Gemeinde und Stadt, 2003, 297), enthalten diese gegenüber dem soeben erörterten Aufsatz von Perne keine weiter führenden Aspekte. Aus politisch-pragmatischer Sicht hat Driehaus (Sogenannte wiederkehrende Beiträge in Hessen, KStZ 2011, 21) eine überzeugende Widerlegung geliefert, der sich die Kammer voll inhaltlich anschließt.

153

h) Schließlich ist nochmals im Einzelnen auf die Rechtsprechung des OVG Rheinland-Pfalz einzugehen. Jenes Gericht hat bisher mehrere Entscheidungen zu den wiederkehrenden Beiträgen nach § 10 a KAG getroffen und die Verfassungsmäßigkeit der Neuregelung bejaht (insbesondere: Urteile vom 20.11.2007 – 6 C 10601/07.OVG –, DVBl. 2008, 135; vom 10.06.2008 – 6 C 10255/08.OVG – , NVwZ-RR 2008, 722 und vom 16.03.2010 – 6 A 11146/09.OVG –, NVwZ-RR 2010, 62). In dem zweiten Urteil nimmt es jedoch nur Bezug auf das voraus-gegangene erste Urteil. Das dritte Urteil beschäftigt sich mit Spezialfragen.

154

In dem ersten Urteil hat es ausgeführt:

155

- es sei nicht systemwidrig oder gar widersprüchlich, den Gemeinden unter Beachtung der örtlichen Gegebenheiten die Wahl zwischen einmaligen und wiederkehrenden Beiträgen zu überlassen, denn die jeweils zugrundeliegenden Vorteilsbegriffe seien beide unvollkommen;

156

- der Ausbau der einheitlichen Einrichtung sei auch für weiter entfernt liegende Grundstücke vorteilhaft, denn insoweit sei es auch bei der alten Abrechnungseinheit nicht auf einen unmittelbaren Grundstücksvorteil angekommen und außerdem liege dem neuen Recht ein anderer Vorteilsbegriff zugrunde;

157

- durch den Systemwechsel werde der abzuschöpfende Sondervorteil von dem rein abrechnungstechnischen Verbund mehrerer einzelner öffentlicher Verkehrsanlagen gelöst und in einen ähnlichen Gesamtzusammenhang gestellt, wie dies bei dem Feld- und Waldwegenetz der Fall sei;

158

- die Funktionsfähigkeit des Straßensystems insgesamt trete gegenüber der bisherigen Einzelbetrachtung der Straßen in den Vordergrund;

159

- die Erwartung der Grundstückseigentümer, dass die Straßen, auf deren Benutzung sie angewiesen seien, bei Bedarf in üblicher und angemessener Weise ausgebaut würden, sei bei der Entscheidung der Gemeinde zu berücksichtigen;

160

- die Nutzung dieses Straßensystems durch nicht beitragspflichtige Personen werde durch den Gemeindeanteil abgeschöpft;

161

- ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG liege nicht vor, denn die Beschränkung der Beitragspflicht auf Eigentümer und andere in § 7 Abs. 2 Satz 1 KAG aufgeführte Berechtigte finde ihre Rechtfertigung in dem Sondervorteil, den sie im Vergleich zu den Eigentümern von Außenbereichsgrundstücken und sonstigen Straßenbenutzern hätten.

162

Die Kammer hält diese Argumentation nicht für überzeugend. Der wiederkehrende Beitrag ist nicht schon deshalb verfassungsgemäß, weil (angeblich) sowohl der einmalige Beitrag als auch der wiederkehrende Beitrag „unvollkommene“ Vorteilsbegriffe enthalten, die den Vorzug durch den Straßenausbau nicht präzise abbilden könnten. Wenn in diesem Zusammenhang auf die Abhängigkeit einer selbstständigen Stichstraße von der Hauptstraße hingewiesen wird, so hilft dies nicht weiter. Denn während § 130 Abs. 2 Satz 3 BauGB die Bildung einer Erschließungseinheit nur zulässt, wenn eine selbstständige Stichstraße auf die Hauptstraße angewiesen ist (und die übrigen Voraussetzungen erfüllt sind), erlaubt § 10a KAG die Einführung einer einheitlichen öffentlichen Einrichtung für sämtliche zum Anbau bestimmten Straßen, und zwar unabhängig von dem Grad ihrer Abhängigkeit.

163

Soweit das OVG Rheinland-Pfalz ausführt, dass auch die alte Abrechnungseinheit – anders als bei der straßenweisen Einzelabrechnung – keinen „unmittelbaren“ Vorteil für ein Grundstück vorausgesetzt habe, wird auf die obigen Ausführungen zum Vorteilsbegriff verwiesen. Es trifft zwar zu, dass ein „mittelbarer“ Grund-stücksbezug durch ein räumlich-funktional abhängiges Straßensystem auch für weiter entfernt liegende Grundstücke begründet wird. Daraus folgt aber nicht automatisch, dass ein mittelbarer Grundstücksbezug durch jede beliebige Anbau-straße begründet wird, die keinen räumlich-funktionalen Zusammenhang mit anderen Straßen aufweist und lediglich per Satzung zum Bestandteil einer (angeb-lich) einheitlichen Einrichtung erklärt worden ist.

164

Ein Vergleich des Anbaustraßennetzes mit dem Feld- und Waldwegenetz ist schon deshalb nicht möglich, weil das Anbaustraßennetz, wie oben ausgeführt, in Wahrheit keine einheitliche Einrichtung ist. Unter Vorteilsgesichtspunkten kommt hinzu, dass die land- und forstwirtschaftlichen Grundstücke, sofern sie nicht über öffentliche Straßen erreichbar sind (die per Definition nicht zum Feld- und Waldwegenetz gehören), grundsätzlich nur über ein relativ weitmaschiges Wegenetz erreicht werden können. Demgegenüber sind die innerörtlichen Baugrundstücke in der Regel über ein dichtes Anbaustraßennetz zu erreichen. Wer zu einem bestimmten Baugrundstück will, hat regelmäßig eine größere Auswahl hinsichtlich der Streckenführung als derjenige, der zu einem bestimmten Außenbereichsgrundstück will. Gerade die bei generalisierender Betrachtungsweise festzustellende geringere Infrastrukturdichte im Außenbereich rechtfertigt es, den Land- und Forstwirten ein objektives Interesse an der Aufrechterhaltung des gesamten Wegenetzes zu unterstellen. Deshalb ist es potentiell für alle Landwirte von Vorteil, wenn irgendwo ein Weg hergestellt oder ausgebaut wird. Für den innerörtlichen Bereich lässt sich ein vergleichbarer Vorteil durch den Ausbau irgendeiner Straße nur unter den Voraussetzungen eines räumlich-funktionalen Zusammenhangs begründen.

165

Zu der in den Vordergrund tretenden Funktionsfähigkeit des „Straßensystems insgesamt“ und zu der „zu berücksichtigenden Erwartungshaltung“ der Grundstückseigentümer wurde bereits oben im Zusammenhang mit der gescheiterten verfassungskonformen Auslegung Stellung genommen.

166

Den Ausführungen des OVG Rheinland-Pfalz zur Abschöpfung des Vorteils der Allgemeinheit durch den von der Gemeinde zu tragenden Eigenanteil folgt die Kammer aus den ebenfalls bereits genannten Gründen nicht.

167

Soweit das OVG Rheinland-Pfalz meint, § 10a KAG beschränke die Beitragspflicht in zulässiger Weise auf die Eigentümer und die anderen in § 7 Abs. 2 Satz 1 KAG genannten Personen, trifft dies schon im Ausgangspunkt nicht zu. § 10a Abs. 7 KAG verweist nämlich gerade nicht auf § 7 Abs. 2 KAG.

168

Soweit das OVG Rheinland-Pfalz ausführt, dass die unterschiedliche Regelung der Beitragspflicht für bebaute bzw. bebaubare Grundstücke an Anbaustraßen und für bebaute Grundstücke im Außenbereich nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG bzw. 17 LV verstoße, stimmt die Kammer dem ausdrücklich zu. Allerdings betrifft dieses Detail nicht die hier untersuchte Problematik.

169

i) Soweit die Verwaltungsgerichte Trier, Mainz und Neustadt die Verfassungsmäßigkeit der Neuregelung bejaht haben, verweisen sie lediglich auf die Rechtsprechung des OVG Rheinland-Pfalz, ohne einen eigenen Begründungsansatz zu liefern.

170

Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts

171

Nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 und 2 GG muss die Kammer eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einholen, wenn das entscheidungserhebliche und für verfassungswidrig erachtete Gesetz gegen das Grundgesetz verstößt. Dasselbe gilt, wenn es sich um die Unvereinbarkeit eines Landesgesetzes mit einem Bundesgesetz handelt. Nur wenn es sich um die Verletzung der Verfassung eines Landes handelt, ist die Entscheidung des für Verfassungsstreitigkeiten zuständigen Gerichts des Landes einzuholen.

172

Vorliegend handelt es sich nach Auffassung der Kammer nicht nur um Verstöße gegen Grundrechte, die weitgehend inhaltsgleich auch in der Landesverfassung geregelt sind, sondern darüber hinaus auch um Verstöße gegen Art. 20, 31 und 72 GG. Deshalb ist eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen. Eine Vorlage an den Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz kommt nicht in Betracht.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.