Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Beschluss, 17. Juni 2014 - 19 B 679/14
Gericht
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 2.500 Euro festgesetzt.
1
Gründe:
2Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.
3Die mit der Beschwerde dargelegten Gründe, auf die die Prüfung des Senats gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen es nicht, den angefochtenen Beschluss zu ändern und dem Antrag der Antragsteller auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen die Schulordnungsmaßnahme der Städtischen Gemeinschaftsgrundschule C. X. in E. vom 20. Mai 2014 stattzugeben, mit der der Schulleiter die Antragstellerin zu 3. von der Klassenfahrt vom 23. bis 26. Juni 2014 ausgeschlossen hat.
4Fehl geht der Beschwerdeeinwand, im Bescheid vom 20. Mai 2014 fehle es an der Begründung des öffentlichen Vollzugsinteresses. Denn die strittige Ordnungsmaßnahme nach § 53 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SchulG NRW ist nach Satz 2 in Verbindung mit § 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO kraft Gesetzes sofort vollziehbar. Dies und die Gründe für die sofortige Vollziehbarkeit musste der Schulleiter demgemäß nicht dartun; die schriftliche Begründung des besonderen Interesses an der sofortigen Vollziehung schreibt § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO nur für den Fall der behördlichen Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO vor.
5Der Regelung in § 53 Abs. 3 Satz 2 SchulG NRW liegt die Wertung des Gesetzgebers zugrunde, dass bei den erfassten Ordnungsmaßnahmen generell ein öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung besteht, das grundsätzlich das entgegenstehende Aufschubinteresse des Betroffenen überwiegt. Für eine gegenteilige gerichtliche Interessenabwägung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO müssen daher im konkreten Einzelfall besondere Umstände vorliegen, die gemessen an dem Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 GG eine ausnahmsweise Aussetzung der Vollziehung rechtfertigen. Letzteres kommt umso eher in Betracht, je schwerwiegender die dem Betroffenen auferlegte Belastung ist und je mehr die sofortige Vollziehung der Maßnahme Unabänderliches bewirkt.
6Puttler, in Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl., 2014, § 80 Rdn. 140.
7Das Verwaltungsgericht hat im Ergebnis zutreffend entschieden, dass das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Ordnungsmaßnahme das Aufschubinteresse der Antragsteller überwiegt. Dies gilt auch unter Berücksichtigung dessen, dass die sofortige Vollziehung des Ausschlusses von der ab dem 23. Juni 2014 angesetzten viertägigen Klassenfahrt für die Antragstellerin zu 3. Unabänderliches bewirkt. Die strittige Ordnungsmaßnahme erweist sich nach Aktenlage voraussichtlich als offensichtlich rechtmäßig, und die Durchsetzung des Ausschlusses liegt im überwiegenden öffentlichen Interesse an der Verwirklichung des schulischen Erziehungsauftrags im konkreten Fall.
8Die Antragstellerin zu 3. hat im Sinne von § 53 Abs. 1 Satz 2 SchulG NRW durch wiederholtes Fehlverhalten ihre Pflicht als Schülerin, daran mitzuarbeiten, dass die erzieherische Aufgabe der Schule erfüllt werden kann (§ 42 Abs. 3 SchulG NRW) und hierzu alles zu unterlassen, was eine ihrem Erziehungsauftrag (§ 2 SchulG NRW) dienende geordnete Erziehungsarbeit stört, schwerwiegend dadurch verletzt, dass sie in einem Zeitraum von etwa einer Woche bis zum 8. Mai 2014 in der Schule 14 Mitschülerinnen und Mitschülern ein Video „mit stark jugendgefährdendem pornografischem Inhalt“ gezeigt hat, das auf ihrem internetfähigen Handy (Smartphone) gespeichert war. Die diesem Vorwurf zugrunde liegenden Tatsachen hat die Schule ausweislich der von ihr im Beschwerdeverfahren vorgelegten Vermerke über ihre Erhebungen durch Ansicht des Videos, in Anhörungen der Antragsteller, in Gesprächen mit betroffenen Mitschülern der Klasse 3b (als Zeugen) und teilweise in Kontakten mit deren Eltern festgestellt. Ein tauglicher Anhalt dafür, dass diese Feststellungen unrichtig sind oder unzutreffend festgehalten worden sind, ist nicht ersichtlich.
9Die Einwände der Antragsteller greifen nicht durch.
10Ihr Einwand, die 9-jährige Antragstellerin zu 3. habe – „gerichtsnaher Lebenserfahrung“ zuwider – nicht bewusst das Pornovideo auf ihr Smartphone heruntergeladen, vielmehr sei „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit diese Datei in Form eines Virus auf das Gerät am 14. 04. 14“ gelangt, geht schon am der Ordnungsmaßnahme zugrunde gelegten Vorwurf vorbei; dieser zielt auf das aktive Zeigen des auf ihrem Handy gespeicherten Videos in der Schule. Davon abgesehen ist der Vortrag unglaubhaft. Er steht in direktem Widerspruch zu den Angaben, die die Antragsteller bei ihrer Anhörung durch den Schulleiter gemacht haben. Die Antragstellerin zu 3. hat auf dessen Befragen am 14. Mai 2014 angegeben, ein Freund ihres Bruders habe ihr gezeigt, wie man „so etwas“ speichere, sie habe es dann selber gemacht, eigentlich habe sie es nicht gewollt, der Film sei dann schon drauf gewesen. Die Antragsteller zu 1. und 2. haben am 20. Mai 2014 angegeben, die Antragstellerin zu 1. selber habe das Video „downgeloaded“. Die Angabe der Antragstellerin zu 2. in ihrer eidesstattlichen Versicherung vom 3. Juni 2014, ihre Tochter habe ihr mitgeteilt, dass sie Anfang Mai eine ihr unbekannte Datei auf ihrem Smartphone festgestellt, diese geöffnet und ein Video mit pornografischem Inhalt gefunden habe, hat keinen erheblichen Beweiswert; denn sie gibt lediglich eine ihrer Mutter gegenüber geäußerte Version der Antragstellerin zu 3. wieder, der diese schon mit ihrer Aussage gegenüber dem Schulleiter die Grundlage entzogen hatte.
11Ebenso wenig glaubhaft ist das in der Antragsschrift und der vorgenannten eidesstattlichen Versicherung, beide vom 3. Juni 2014, sinngemäße Abstreiten, die Antragstellerin zu 3. habe das Video Mitschülern aktiv gezeigt, nämlich der Vortrag, nach dem Feststellen des Videos auf dem Smartphone seien auch weitere um sie herum versammelte Mitschüler auf das Video aufmerksam geworden und hätten es unbedingt sehen wollen, was dann auch „geschehen“ sei. Dieser verharmlosenden Version hat die Antragstellerin zu 3. selbst den Boden entzogen, indem sie auf Befragen des Schulleiters am 14. Mai 2014 angegeben hat, zuerst habe sie den Kindern den Film „so gezeigt“, dann hätten sie danach gefragt.
12Dass die Antragstellerin zu 3., indem sie das Video Mitschülern in der Schule zeigte, nicht im altersgemäßen Sinne wusste, was sie tat, ist nicht anzunehmen. Unerheblich für den Pflichtverstoß ist, dass sie, wie sie geltend macht, nicht die Absicht verfolgte, Mitschüler zu gefährden.
13Die strittige Ordnungsmaßnahme erweist sich auch als offensichtlich verhältnismäßig. Insbesondere war der Schulleiter nicht gehalten, wegen des gravierenden Fehlverhaltens eine weniger eingreifende Ordnungsmaßnahme zu wählen und sich etwa bei dem zugleich angeordneten vorübergehenden Unterrichtsausschluss vom 26. bis 28. Mai 2014 zu beschränken. Die Entscheidung über die Art der Ordnungsmaßnahme und ihren Umfang hat die Schule in Ausübung des ihr obliegenden pädagogischen Ermessens je nach Art und Schwere des Fehlverhaltens und der Persönlichkeit des Schülers, insbesondere seiner Einsichtsfähigkeit zu treffen.
14OVG NRW, Beschluss vom 23. Februar 2007 – 19 B 306/07 -, juris, Rdn. 5.
15Gemessen daran erweist sich die pädagogische Ermessensentscheidung des Schulleiters, neben dem Unterrichtsausschluss auch den Ausschluss der Antragstellerin zu 3. von der Klassenfahrt anzuordnen, als geeignet und erforderlich. Zu Recht hat er Pflichtverletzung der Antragstellerin zu 3. als schwerwiegend eingestuft. Diese war geeignet, die Erfüllung des Auftrags der Schule zur Erziehung im Bereich der Sexualität, nämlich zu alters- und entwicklungsgemäßen Vorstellungen von Sexualität, zu einem selbstbestimmten und selbstbewussten Umgang mit der eigenen Sexualität und zum Leitbild eines verantwortungsvollen Umgangs mit Partnern in sexueller Hinsicht (vgl. § 33 SchulG NRW), nachhaltig zu stören und auf diese Erziehungsziele bezogene Rechte der betroffenen Mitschüler zu gefährden. Das aktive und insbesondere ungefragte und unvorbereitete Zeigen des 10-minütigen Videos – ganz oder in Ausschnitten - mit seinem stark jugendgefährdenden pornografischen Inhalt, u. a. schon in der Anfangsszene mit eindeutigen Sexpraktiken, konnte bei betroffenen Mitschülern des dritten Jahrgangs zu einer verstörenden Konfrontation mit je nach Entwicklungsstand bedrohlich erfahrenen Darstellungen führen und sich so auch auf das Recht der Eltern betroffener Mitschüler auf Sexualerziehung des eigenen Kindes nachteilig auswirken.
16Auf diese erzieherischen Belange bezogen haben ausweislich der Gesprächsvermerke der Schule weder die Antragstellerin zu 3. selbst noch ihre Eltern Einsicht gezeigt. Insbesondere die Antragstellerin zu 3. hat bei ihrer Anhörung durch den Schulleiter am 14. Mai 2014 nicht in altersgemäßer Form zu ihrem Fehlverhalten gestanden und zudem hinsichtlich des behaupteten Einbehaltens des Handys durch ihren Vater, der Übergabe an die Mutter und des Löschens des Videos die Unwahrheit gesagt; denn noch am 12. Mai 2014 hatte sie das Handy mit dem gespeicherten Video in der Schule bei sich, das im Verlauf des Gesprächs zwischen Antragstellerin zu 2., Klassenlehrerin und Schulsozialarbeiterin vom Handy gelöscht wurde, nachdem die Antragstellerin zu 3. den ihrer Mutter unbekannten Zugangscode eingegeben hatte.
17Angesichts dessen und des Umstandes, dass die Antragstellerin zu 3. bei ihrer Anhörung am 14. Mai 2014 eingeräumt hat, sie habe solche Filme schon gekannt, ist die pädagogische Einschätzung des Schulleiters, sie bedürfe auch im Hinblick auf die Klassenfahrt einer intensiven erzieherischen Einwirkung, damit sie ihr Verhalten reflektieren und verändern könne, was die erzieherische Einwirkung von Seiten der Eltern und die allgemeine Erziehungsarbeit der Schule nicht vergleichbar effektiv leisten könne, nachvollziehbar und lässt Ermessenfehler nicht erkennen. Entsprechendes gilt für den mit der Ermessenserwägung des bezweckten Schutzes der Mitschüler angesprochenen generalpräventiven Aspekt.
18Diese - neben den auf die Klassenfahrt selbst bezogenen situativen Aspekten („größere Freiräume“) – selbständig tragenden Ermessenserwägungen hat der Schulleiter mit der Beschwerdeerwiderung in das gerichtliche Verfahren eingeführt, und sie sind den Antragstellern mit der Folge jedenfalls der Heilung eines anfänglichen Begründungsmangels (§ 3 Abs. 3 Nr. 3, § 45 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG NRW) bekannt gegeben worden.
19Nach Art und Schwere des Pflichtenverstoßes der Antragstellerin zu 3. und dem Gewicht der erzieherischen Belange trifft der Ausschluss von der Klassenfahrt die Antragstellerin zu 3. auch nicht unzumutbar hart. Dabei verkennt der Senat nicht, dass für sie die viertägige Klassenfahrt als Gemeinschaftserlebnis große Bedeutung hat und die Teilnahme daran ein „Herzenswunsch“ ist. Für die Antragstellerin zu 3. gehen aber die Bildungs- und Erziehungsarbeit in der Grundschule und das Lernen wie auch das Gemeinschaftserleben in der Klasse auch nach der Klassenfahrt weiter. Der mit dem Ausschluss empfundenen Ausgrenzung entgegenzuwirken ist – selbstverständlich - pädagogische Aufgabe der Schule, obliegt aber auch der Antragstellerin zu 3. und ihren Eltern.
20Auch die weiteren Einwände der Antragsteller dringen nicht durch. Auf die von ihnen herangezogene Entscheidung des Verwaltungsgerichts Karlsruhe können sie sich nicht mit Erfolg berufen. Hier geht es um den vorliegenden Einzelfall der Antragstellerin zu 3. Es ist nicht ersichtlich, dass die genannte Entscheidung eine mit dem vorliegenden Sachverhalt auch hinsichtlich der individuellen Ermessenserwägungen vergleichbare Konstellation betraf. Der Hinweis auf die fehlende Schuldfähigkeit der 9-jährigen Antragstellerin zu 3. nach § 19 StGB verfängt nicht, weil schulische Ordnungsmaßnahmen ihrem Zweck gemäß § 53 Abs. 1 Satz 1 SchulG NRW zufolge keine Strafen sind.
21OVG NRW, Beschluss vom 11. September 2012 – 19 B 935/12 -.
22Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
23Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.
24Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 66 Abs. 3 Satz 3, 68 Abs. 1 Satz 5 GKG).
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(1) Gegen die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters, die nicht Urteile oder Gerichtsbescheide sind, steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht zu, soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist.
(2) Prozeßleitende Verfügungen, Aufklärungsanordnungen, Beschlüsse über eine Vertagung oder die Bestimmung einer Frist, Beweisbeschlüsse, Beschlüsse über Ablehnung von Beweisanträgen, über Verbindung und Trennung von Verfahren und Ansprüchen und über die Ablehnung von Gerichtspersonen sowie Beschlüsse über die Ablehnung der Prozesskostenhilfe, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe verneint, können nicht mit der Beschwerde angefochten werden.
(3) Außerdem ist vorbehaltlich einer gesetzlich vorgesehenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision die Beschwerde nicht gegeben in Streitigkeiten über Kosten, Gebühren und Auslagen, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands zweihundert Euro nicht übersteigt.
(4) Die Beschwerde gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (§§ 80, 80a und 123) ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen. Das Verwaltungsgericht legt die Beschwerde unverzüglich vor; § 148 Abs. 1 findet keine Anwendung. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.
(5) u. (6) (weggefallen)
(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
- 1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.
(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.
(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.
(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.
(1) Örtlich zuständig ist
- 1.
in Angelegenheiten, die sich auf unbewegliches Vermögen oder ein ortsgebundenes Recht oder Rechtsverhältnis beziehen, die Behörde, in deren Bezirk das Vermögen oder der Ort liegt; - 2.
in Angelegenheiten, die sich auf den Betrieb eines Unternehmens oder einer seiner Betriebsstätten, auf die Ausübung eines Berufs oder auf eine andere dauernde Tätigkeit beziehen, die Behörde, in deren Bezirk das Unternehmen oder die Betriebsstätte betrieben oder der Beruf oder die Tätigkeit ausgeübt wird oder werden soll; - 3.
in anderen Angelegenheiten, die - a)
eine natürliche Person betreffen, die Behörde, in deren Bezirk die natürliche Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat oder zuletzt hatte, - b)
eine juristische Person oder eine Vereinigung betreffen, die Behörde, in deren Bezirk die juristische Person oder die Vereinigung ihren Sitz hat oder zuletzt hatte;
- 4.
in Angelegenheiten, bei denen sich die Zuständigkeit nicht aus den Nummern 1 bis 3 ergibt, die Behörde, in deren Bezirk der Anlass für die Amtshandlung hervortritt.
(2) Sind nach Absatz 1 mehrere Behörden zuständig, so entscheidet die Behörde, die zuerst mit der Sache befasst worden ist, es sei denn, die gemeinsame fachlich zuständige Aufsichtsbehörde bestimmt, dass eine andere örtlich zuständige Behörde zu entscheiden hat. Sie kann in den Fällen, in denen eine gleiche Angelegenheit sich auf mehrere Betriebsstätten eines Betriebs oder Unternehmens bezieht, eine der nach Absatz 1 Nr. 2 zuständigen Behörden als gemeinsame zuständige Behörde bestimmen, wenn dies unter Wahrung der Interessen der Beteiligten zur einheitlichen Entscheidung geboten ist. Diese Aufsichtsbehörde entscheidet ferner über die örtliche Zuständigkeit, wenn sich mehrere Behörden für zuständig oder für unzuständig halten oder wenn die Zuständigkeit aus anderen Gründen zweifelhaft ist. Fehlt eine gemeinsame Aufsichtsbehörde, so treffen die fachlich zuständigen Aufsichtsbehörden die Entscheidung gemeinsam.
(3) Ändern sich im Lauf des Verwaltungsverfahrens die die Zuständigkeit begründenden Umstände, so kann die bisher zuständige Behörde das Verwaltungsverfahren fortführen, wenn dies unter Wahrung der Interessen der Beteiligten der einfachen und zweckmäßigen Durchführung des Verfahrens dient und die nunmehr zuständige Behörde zustimmt.
(4) Bei Gefahr im Verzug ist für unaufschiebbare Maßnahmen jede Behörde örtlich zuständig, in deren Bezirk der Anlass für die Amtshandlung hervortritt. Die nach Absatz 1 Nr. 1 bis 3 örtlich zuständige Behörde ist unverzüglich zu unterrichten.
(1) Eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften, die nicht den Verwaltungsakt nach § 44 nichtig macht, ist unbeachtlich, wenn
- 1.
der für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderliche Antrag nachträglich gestellt wird; - 2.
die erforderliche Begründung nachträglich gegeben wird; - 3.
die erforderliche Anhörung eines Beteiligten nachgeholt wird; - 4.
der Beschluss eines Ausschusses, dessen Mitwirkung für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderlich ist, nachträglich gefasst wird; - 5.
die erforderliche Mitwirkung einer anderen Behörde nachgeholt wird.
(2) Handlungen nach Absatz 1 können bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden.
(3) Fehlt einem Verwaltungsakt die erforderliche Begründung oder ist die erforderliche Anhörung eines Beteiligten vor Erlass des Verwaltungsaktes unterblieben und ist dadurch die rechtzeitige Anfechtung des Verwaltungsaktes versäumt worden, so gilt die Versäumung der Rechtsbehelfsfrist als nicht verschuldet. Das für die Wiedereinsetzungsfrist nach § 32 Abs. 2 maßgebende Ereignis tritt im Zeitpunkt der Nachholung der unterlassenen Verfahrenshandlung ein.
Schuldunfähig ist, wer bei Begehung der Tat noch nicht vierzehn Jahre alt ist.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.
(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.
(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.
(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.
(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.
(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.
(4) In Verfahren
- 1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro, - 2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro, - 3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und - 4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.
(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert
- 1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist, - 2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.
(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.
(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.
(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.
(1) Über Erinnerungen des Kostenschuldners und der Staatskasse gegen den Kostenansatz entscheidet das Gericht, bei dem die Kosten angesetzt sind. Sind die Kosten bei der Staatsanwaltschaft angesetzt, ist das Gericht des ersten Rechtszugs zuständig. War das Verfahren im ersten Rechtszug bei mehreren Gerichten anhängig, ist das Gericht, bei dem es zuletzt anhängig war, auch insoweit zuständig, als Kosten bei den anderen Gerichten angesetzt worden sind. Soweit sich die Erinnerung gegen den Ansatz der Auslagen des erstinstanzlichen Musterverfahrens nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz richtet, entscheidet hierüber das für die Durchführung des Musterverfahrens zuständige Oberlandesgericht.
(2) Gegen die Entscheidung über die Erinnerung findet die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde ist auch zulässig, wenn sie das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zulässt.
(3) Soweit das Gericht die Beschwerde für zulässig und begründet hält, hat es ihr abzuhelfen; im Übrigen ist die Beschwerde unverzüglich dem Beschwerdegericht vorzulegen. Beschwerdegericht ist das nächsthöhere Gericht. Eine Beschwerde an einen obersten Gerichtshof des Bundes findet nicht statt. Das Beschwerdegericht ist an die Zulassung der Beschwerde gebunden; die Nichtzulassung ist unanfechtbar.
(4) Die weitere Beschwerde ist nur zulässig, wenn das Landgericht als Beschwerdegericht entschieden und sie wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zugelassen hat. Sie kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Verletzung des Rechts beruht; die §§ 546 und 547 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Über die weitere Beschwerde entscheidet das Oberlandesgericht. Absatz 3 Satz 1 und 4 gilt entsprechend.
(5) Anträge und Erklärungen können ohne Mitwirkung eines Bevollmächtigten schriftlich eingereicht oder zu Protokoll der Geschäftsstelle abgegeben werden; § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. Für die Bevollmächtigung gelten die Regelungen der für das zugrunde liegende Verfahren geltenden Verfahrensordnung entsprechend. Die Erinnerung ist bei dem Gericht einzulegen, das für die Entscheidung über die Erinnerung zuständig ist. Die Erinnerung kann auch bei der Staatsanwaltschaft eingelegt werden, wenn die Kosten bei dieser angesetzt worden sind. Die Beschwerde ist bei dem Gericht einzulegen, dessen Entscheidung angefochten wird.
(6) Das Gericht entscheidet über die Erinnerung durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter; dies gilt auch für die Beschwerde, wenn die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter oder einem Rechtspfleger erlassen wurde. Der Einzelrichter überträgt das Verfahren der Kammer oder dem Senat, wenn die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist oder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Das Gericht entscheidet jedoch immer ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter. Auf eine erfolgte oder unterlassene Übertragung kann ein Rechtsmittel nicht gestützt werden.
(7) Erinnerung und Beschwerde haben keine aufschiebende Wirkung. Das Gericht oder das Beschwerdegericht kann auf Antrag oder von Amts wegen die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen; ist nicht der Einzelrichter zur Entscheidung berufen, entscheidet der Vorsitzende des Gerichts.
(8) Die Verfahren sind gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.