Verwaltungsgericht Düsseldorf Urteil, 11. Feb. 2016 - 18 K 5820/14
Gericht
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % der auf Grund des Urteils vollstreckbaren Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % der jeweils vollstreckbaren Kosten leistet.
1
Tatbestand:
3Der am 00.00.2003 geborene Kläger besuchte nach Abschluss der Grundschulzeit während der Schuljahre 2012/2013 sowie 2013/2014 das D. gymnasium in E. . Schon nach kurzer Zeit fiel er dort wiederholt durch sein Verhalten auf. Im Rahmen der Erprobungsstufenkonferenz am 29. Oktober 2012 wurde festgestellt, dass der Kläger häufig den Unterricht so massiv störe, dass dieser unterbrochen werden müsse, der Kläger sich ferner oft nicht an die Regeln halte und den Anweisungen der Lehrkräfte oft nicht folge. Darüber hinaus ärgere er andere Kinder und schrecke auch vor körperlichen Auseinandersetzungen nicht zurück. In der Folgezeit erhielt der Kläger zahlreiche Tadel.
4(Auch) Vor diesem Hintergrund wurde ein Verfahren zur Feststellung sonderpädagogischen Förderbedarfs eingeleitet. Mit Bescheid vom 11. Juli 2013 wurde festgestellt, dass bei dem Kläger ein sonderpädagogischer Förderbedarf mit dem Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung vorliegt. Aus dem dieser Feststellung zu Grunde liegenden Gutachten geht hervor, dass der Kläger eine diagnostizierte Hochbegabung aufweist.
5Wegen der Verhaltensauffälligkeiten des Klägers wurden folgende schulische Ordnungsmaßnahmen erlassen: Am 9. Januar 2013 wurde der Kläger für die Dauer von fünf Schultagen vom Unterricht ausgeschlossen, weil er während eines Spielturniers zwei Mitschüler sowie eine Lehrerin geschlagen und getreten haben soll, die dem Kläger Einhalt habe gebieten wollen. Später wurde der Kläger mit Bescheid vom 16. Juli 2013 in eine parallele Lerngruppe überwiesen, und zwar mit Wirkung zum folgenden Schuljahr. Zur Begründung gab das D. gymnasium an, der Kläger verhalte sich nach wie vor aggressiv gegenüber Mitschülern, greife sie physisch an und verletzte sie vorsätzlich. Er bedrohe Lehrkräfte und folge deren Anweisungen vielfach nicht. Häufig störe er den Unterricht so massiv, dass ein geregelter Unterricht nicht mehr möglich sei. Unzählige Versuche pädagogischer Einwirkungen auf verschiedenen Ebenen seien bereits erfolgt. Wegen physischer Attacken des Klägers gegen zwei Mitschülerinnen am 2. Oktober 2013 wurde der Kläger ferner mit Bescheid vom 9. Oktober 2013 von einer Klassenfahrt ausgeschlossen.
6Aufgrund eines entsprechenden Beschlusses der Teilkonferenz vom gleichen Tag sprach das D. gymnasium am 28. April 2014 gegenüber dem Kläger die Androhung der Entlassung von der Schule aus. Hintergrund war ein Vorfall am 8. April 2014 in der Französischstunde. Der Kläger hatte eine Zeichnung gefertigt, auf der Mitschüler(innen) als Schweine dargestellt waren. Dazu soll er laut einige Namen mit entsprechendem Zusatz gerufen haben (z.B. „Beamtenschwein“). Nachdem ihm die Mitschülerin U. die genannte Zeichnung weggenommen hatte, soll der Kläger U. heftig in den Rücken geschlagen haben. Im Anschluss an diesen Vorfall wurde der Unterricht durch langes und lautes Schreien des Klägers gestört.
7Den dagegen eingelegten Widerspruch vom 5. Mai 2014 wies die Bezirksregierung E. mit Bescheid vom 1. August 2014 (dem Kläger zugestellt am 4. August 2014) zurück. Zur Begründung führte sie aus: Die Ordnungsmaßnahme sei trotz der geltend gemachten Hochbegabung des Klägers verhältnismäßig. Zahlreiche vorhergehende erzieherische Einwirkungen sowie andere Ordnungsmaßnahmen hätten keinen Erfolg gezeigt. Ferner müsse es auch einem Schüler, dessen Entwicklung im sozial-emotionalen Bereich nicht altersentsprechend ausgebildet ist, einleuchten, dass man andere Kinder nicht schlagen, würgen oder verletzen dürfe.
8Bereits Ende Mai/Anfang Juni 2014 hatten die Eltern des Klägers einen Schulwechsel geplant und sich zu diesem Zwecke unter anderem bei dem G. D1. Gymnasium und dem D2. gymnasium in E. erkundigt. Am 20. August 2014 wurde der Kläger vom D. gymnasium abgemeldet. Seit dem 25. August 2014 besuchte er die ‑ private ‑ j. Schule am S. (J1. O. ).
9Gegen die vom D. gymnasium ausgesprochene Androhung der Entlassung von der Schule hat der Kläger am 4. September 2014 Klage erhoben. Er macht zunächst geltend, er sei im Hinblick auf seine Hochbegabung von dem D. gymnasium nicht ausreichend gefördert worden. So beruhe das dem angefochtenen Bescheid zu Grunde liegende Fehlverhalten auf der durch die Hochbegabung bedingten Unterforderung. Ferner trägt er vor, auch die zuvor ausgesprochenen Ordnungsmaßnahmen, insbesondere der Ausschluss vom Unterricht sowie die Überweisung in eine parallele Lerngruppe, seien unangemessen gewesen. Denn sein Verhalten habe sich während der letzten zwei Jahre insgesamt verbessert. Insoweit solle eine Schule versuchen, ein Kind zu unterstützen und nicht ständig zu pönalisieren. Die angefochtene Androhung der Entlassung erweise sich insgesamt als nicht verhältnismäßig. Vor dem Hintergrund der Hochbegabung sowie des Bestehens eines sonderpädagogischen Förderbedarfs sei bereits die Geeignetheit der Maßnahme fraglich. Im Übrigen seien mildere Maßnahmen, insbesondere Erziehungsmaßnahmen und/oder eine Intensivierung der Förderung der Hochbegabung sowie Maßnahmen zur Stärkung der Kompetenzen im sozial emotionalen Bereich vorrangig zu ergreifen. Schließlich stehe die Androhung der Entlassung von der Schule außer Verhältnis zum geahndeten Verhalten. Der Kläger macht ferner geltend, unabhängig von der angegriffenen Ordnungsmaßnahme sei er mit der Schule nicht zufrieden gewesen und habe sich ohnehin abmelden wollen. Er habe nur wegen des laufenden Verfahrens zur Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs auf der Schule bleiben müssen. Auch wäre ein Schulwechsel innerhalb der Probestufe sehr kompliziert gewesen. Später hat der Kläger auf entsprechende Nachfrage betreffend sein Feststellungsinteresse vorgetragen, andere öffentliche Schulen hätten den Kläger inoffiziell abgelehnt, weil sie Kenntnis von der verhängten Androhung der Entlassung von der Schule erhalten hätten.
10Der Kläger beantragt,
11festzustellen, dass der Bescheid des D. gymnasiums vom 28. April 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung E. vom 1. August 2014 rechtswidrig gewesen ist.
12Der Beklagte beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Er macht geltend, die angefochtene Maßnahme sei rechtmäßig gewesen. Sie sei nach erneuten schweren Verstößen des Klägers gegen die Schulordnung insbesondere notwendig gewesen, nachdem andere Ordnungsmaßnahmen in der Vergangenheit kein verändertes Verhalten erzielt hätten. Darüber hinaus sei der Kläger auch hinreichend gefördert worden. Mit Blick auf seine Hochbegabung hätten die Lehrkräfte in beiden Schuljahren stets anspruchsvolle und fordernde Zusatzaufgaben für den Kläger bereitgehalten, die er habe erledigen dürfen, wenn er mit seinem Pensum fertig gewesen sei. Schließlich sei zu beachten, dass der Kläger die Schule nunmehr freiwillig gewechselt habe. Insoweit habe die Bezirksregierung E. dem Kläger auch alternative öffentliche Schulen im Bereich E. angeboten. Der Vater des Klägers habe sich aber entschieden, den Kläger an einer privaten Schule anzumelden.
15In der mündlichen Verhandlung am 11. Februar 2016 hat der Vater des Klägers mitgeteilt, dass der Kläger erneut die Schule gewechselt habe und nunmehr seit dem 1. Dezember 2015 die private I. -Schule in N. besuche. Hintergrund sei, dass die zuvor besuchte j. Schule am S. (J1. O. ) vom Finanzamt nicht anerkannt worden sei.
16Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach‑ und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
17Entscheidungsgründe:
18Die Klage hat keinen Erfolg.
19Sie ist bereits unzulässig. Die Klage ist zwar als Fortsetzungsfeststellungsklage im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthaft. Denn die streitgegenständliche Androhung der Entlassung von der Schule hat sich durch den Schulwechsel des Klägers zum Schuljahr 2014/2015 erledigt. Aus der genannten Androhung können wegen des Schulwechsels keine Rechtsfolgen (mehr) gezogen werden. Denn die Regelungswirkung einer schulischen Ordnungsmaßnahme, wie sie hier in Streit steht, ist beschränkt auf das konkrete Schulverhältnis. Ist dieses ‑ wie hier ‑ beendet, entfällt automatisch auch die Regelungswirkung.
20Jedoch hat der Kläger kein berechtigtes Interesse an der Feststellung, dass die genannte ordnungsrechtliche Maßnahme rechtswidrig gewesen ist. Im Bereich schulischer Maßnahmen bejaht die höchst- und obergerichtliche Rechtsprechung - der die Einzelrichterin folgt - ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse dann, wenn die streitgegenständlichen (Ordnungs)Maßnahmen den Schüler in seiner Ausbildung und zukünftigen beruflichen Entwicklung benachteiligen können, insbesondere im Einzelfall nachteilige Auswirkungen der Maßnahme auf die weitere schulische oder berufliche Laufbahn des Schülers nicht ausgeschlossen werden können.
21Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 11. September 2012 - 19 A 928/10 -, juris, Rn. 21 ff. m.w.N.
22Dass der Kläger durch die verfügte Androhung der Entlassung von der Schule in seiner Ausbildung bzw. künftigen beruflichen Entwicklung benachteiligt werden kann, ist nicht ersichtlich. Insbesondere ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass die vom Kläger im Anschluss an das D. gymnasium besuchte j. Schule am S. (J1. O. ) oder die nunmehr besuchte I. -Schule in N. Kenntnis von dieser Ordnungsmaßnahme erlangt haben und dem Kläger hieraus Nachteile erwachsen. Insoweit enthält insbesondere das aus Anlass des Schulwechsels vom D. gymnasium ausgestellte Überweisungszeugnis keinerlei Angaben zu an diesem Gymnasium verhängten Ordnungsmaßnahmen. Das entspricht den Vorgaben des § 6 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die zu verarbeitenden zugelassenen Daten von Schülerinnen, Schülern und Eltern (VO-DV I NRW). Danach werden Daten aus dem sonstigen Datenbestand (z.B. solche über schulordnungsrechtliche Maßnahmen) der neuen Schule nur übermittelt, soweit sie für die weitere Schulausbildung des Schülers erforderlich sind.
23Soweit der Kläger geltend macht, dass (zwei) andere von ihm zum Zwecke des Schulwechsels konsultierte öffentliche Schulen von den Ordnungsmaßnahmen am D. gymnasium Kenntnis erlangt hätten (was Einfluss auf die Aufnahmebereitschaft betreffend den Kläger gehabt habe) ist Folgendes zu bemerken: Ob das D. gymnasium oder die Bezirksregierung Informationen über die gegen den Kläger verhängte Ordnungsmaßnahme der Androhung der Entlassung von der Schule an diese anderen Schulen weitergegeben haben - was zwischen den Beteiligten streitig ist - kann offen bleiben. Dass dies der Fall gewesen ist, ist überdies nicht ohne Weiteres ersichtlich. Gegenstand potentieller Kontakte bzw. Informationen könnte auch der festgestellte sonderpädagogische Förderbedarf gewesen sein, was sich als zulässige Datenübermittlung darstellen dürfte (§ 6 Abs. 2 Nr. 2 VO-DV I NRW). Jedenfalls wäre ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse auch dann nicht zu bejahen, wenn etwa die Schulleiter der (zwei) zum Zwecke des Schulwechsels konsultierten anderen Schulen tatsächlich Kenntnis von der gegen den Kläger verhängten Ordnungsmaßnahme erlangt hätten. Denn inwieweit diese Kenntnisse die künftige berufliche Entwicklung des Klägers, der nunmehr eine andere Schule besucht, nachteilig beeinflussen können, ist nicht erkennbar. Insbesondere hat der Kläger auch nicht geltend gemacht, sich an diesen (zwei) Schulen (erneut) vorstellen bzw. anmelden zu wollen. Im Übrigen ist wenig wahrscheinlich, dass diese dienstlich erlangten Kenntnisse (überhaupt) einem größeren Personenkreis zugänglich werden.
24Vgl. zu diesem Themenkomplex ausführlich: Urteil des erkennenden Gerichts vom 27. November 2013 - 18 K 5831/13 -, juris, Rn. 16 ff.
25Die Klage ist darüber hinaus unbegründet. Der Bescheid des D. gymnasiums vom 28. April 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung E. vom 1. August 2014 war rechtmäßig.
26Ermächtigungsgrundlage für die gegenüber dem Kläger ausgesprochene Ordnungsmaßnahme der Androhung der Entlassung von der Schule sind die §§ 53 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 Nr. 4 und Abs. 4 Satz 1 SchulG NRW. Nach § 53 Abs. 1 Satz 1 SchulG NRW dienen erzieherische Einwirkungen und Ordnungsmaßnahmen der geordneten Unterrichts‑ und Erziehungsarbeit der Schule sowie dem Schutz von Personen und Sachen. Bei ihrer Verhängung ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten (Satz 3 der Vorschrift); Ordnungsmaßnahmen sind nur zulässig, wenn erzieherische Einwirkungen nicht ausreichen (Satz 4 der Vorschrift). Die in § 53 Abs. 3 Nr. 4 SchulG NRW als Ordnungsmaßnahme erwähnte Androhung der Entlassung von der Schule ist gemäß § 53 Abs. 4 Satz 1 SchulG NRW nur zulässig, wenn die Schülerin oder der Schule durch schweres oder wiederholtes Fehlverhalten die Erfüllung der Aufgaben der Schule oder die Rechte anderer ernstlich gefährdet oder verletzt hat. In formeller Hinsicht sind die in § 53 Abs. 7 SchulG NRW enthaltenen Vorgaben zu beachten.
27Gemessen daran erweist sich die vom D. gymnasium ausgesprochene Androhung der Entlassung als rechtmäßig. Zunächst ist weder dargetan noch ersichtlich, dass den sich aus § 53 Abs. 7 SchulG NRW ergebenden formellen Anforderungen nicht Genüge getan ist.
28Auch materiell-rechtlich ist die Androhung der Entlassung von der Schule nicht zu beanstanden. Ein Fehlverhalten des Klägers im Sinne des § 53 Abs. 4 Satz 1 SchulG NRW liegt vor. Erforderlich ist insoweit ein schweres oder wiederholtes Fehlverhalten, das die Erfüllung der Aufgaben der Schule oder die Rechte anderer ernstlich gefährdet oder verletzt hat. Ein solches Fehlverhalten ist mit Blick auf den Vorfall am 8. April 2014 festzustellen. Aufgrund der hier vorliegenden Unterlagen geht das Gericht davon aus, dass es an diesem Tag zu einem körperlichen Übergriff des Klägers auf die Mitschülerin U. gekommen ist, nachdem diese ihm eine Zeichnung mit (potenziell) beleidigender Darstellung weggenommen hatte, und der Kläger im Anschluss den Unterricht (durch Schreien) gestört hat. Dabei bedarf keiner Aufklärung, ob es sich bei dem gegen den Rücken der Mitschülerin geführten Übergriff um ein kräftiges Schlagen bzw. Boxen oder ‑ wie der Kläger meint ‑ Schubsen gehandelt hat. Denn dieses Verhalten erfüllt auch im Falle eines (kräftigen) Schubsens die Anforderungen des § 53 Abs. 4 Satz 1 SchulG NRW, weil es sich zum einen als wiederholtes Fehlverhalten darstellt und zum anderen sowohl die Rechte anderer ernstlich gefährdet als auch die Erfüllung der Aufgaben der Schule erheblich beeinträchtigt.
29Dass der Kläger sich am 8. April 2014 nicht zum ersten Mal fehlerhaft verhalten hat, ergibt sich zum einen aus dem Umstand, dass gegen ihn bereits andere Erziehungs‑ und Ordnungsmaßnahmen ergriffen worden sind. Dabei lagen sämtlichen ‑ im Übrigen bestandskräftigen ‑ Ordnungsmaßnahmen (jedenfalls unter anderem) körperliche Übergriffe auf Mitschüler und zum Teil sogar Lehrer zu Grunde. Zum anderen lässt sich einer vom D. gymnasium gefertigten tabellarischen Übersicht mit der Überschrift „Nach der Ordnungsmaßnahme ´Ausschluss von der Klassenfahrt´“ entnehmen, dass der Kläger auch nach Verhängung dieser zuletzt ergangenen Ordnungsmaßnahme mehrfach körperliche Gewalt gegen Mitschüler ausgeübt hat. Hierin ist ebenso wie in dem Übergriff auf U. am 8. April 2014 unzweifelhaft eine ernstliche Gefährdung der Rechte anderer zu sehen. Darüber hinaus hat der Kläger mit seinem Verhalten auch die Erfüllung der Aufgaben der Schule ernstlich gefährdet, die unter anderem in der Verwirklichung der allgemeinen Bildungs‑ und Erziehungsziele (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 2 SchulG NRW) bestehen. Denn wie sich aus den Verwaltungsvorgängen ergibt, hat er den Unterricht derart häufig und nachhaltig gestört, dass ein sinnvolles Arbeiten oft nicht mehr möglich gewesen ist. Auch nach dem Vorfall mit U. am 8. April 2014 ist ein geordneter Unterricht nicht mehr möglich gewesen.
30Die aufgrund dieses Fehlverhaltens ausgesprochene Ordnungsmaßnahme der Androhung der Entlassung von der Schule genügt ferner dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Soweit § 53 Abs. 1 S. 4 SchulG NRW zunächst explizit bestimmt, dass Ordnungsmaßnahmen nur zulässig sind, wenn erzieherische Einwirkungen nicht ausreichen, ist diesem Erfordernis Genüge getan. Der hier angefochtenen Androhung der Entlassung von der Schule gingen sowohl erzieherische Einwirkungen als auch mehrere Ordnungsmaßnahmen voraus. Auch mit Blick auf den Katalog der unterschiedlichen Ordnungsmaßnahmen in § 53 Abs. 3 SchulG NRW erweist sich die streitgegenständliche Maßnahme als verhältnismäßig.
31Hier ist zunächst festzuhalten, dass Ordnungsmaßnahmen im Sinne des § 53 Abs. 3 SchulG NRW auch im konkreten Fall des Klägers grundsätzlich geeignete Mittel sind, seinem Verhalten zu begegnen. Insoweit scheidet die Verhängung von Ordnungsmaßnahmen nur dann aus (und kommen ggf. Maßnahmen nach § 54 Abs. 4 SchulG NRW in Betracht), wenn eine Verhaltensstörung mit derartigem Krankheitswert vorliegt, dass der Schüler sein Verhalten nicht kontrollieren und deshalb dafür nicht verantwortlich gemacht werden kann und aus diesem Grund die Ordnungsmaßnahme den ihr u.a. zukommenden Zweck, nämlich eine Verhaltensänderung zu erreichen, von vorneherein nicht erfüllen kann.
32Vgl. dazu OVG NRW, Beschluss vom 19. Februar 1997 - 19 B 3073/6 90 -, Bl. 5 des Beschlussabdrucks.
33Eine derartige Verhaltensstörung mit Krankheitswert ist bei dem Kläger nicht festzustellen. Die bei ihm diagnostizierte Hochbegabung an sich stellt keine Krankheit dar.
34Im Fall einer Hochbegabung unproblematisch die Möglichkeit der Verhängung von Ordnungsmaßnahmen (konkret einer Entlassung) annehmend: VG Ansbach, Urteil vom 23. Oktober 2008 ‑ AN 2K 08.01422 -, juris.
35Soweit bei dem Kläger ein sonderpädagogischer Förderbedarf festgestellt worden ist, impliziert dies ebenfalls nicht die Ungeeignetheit von Ordnungsmaßnahmen. Nach dem zu diesem Zweck angefertigten Erstgutachten vom 12. Juni 2013 liegt bei dem Kläger zwar eine Erziehungsschwierigkeit nach § 5 Abs. 3 der damals geltenden Fassung der Verordnung über die sonderpädagogische Förderung, den Hausunterricht und die Schule für Kranke (AO-SF a.F.) vor, was dem heutigen Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung entspricht (vergleiche § 4 Abs. 4 AO-SF). Jedoch ergeben sich aus dem Gutachten keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger für sein Verhalten nicht verantwortlich gemacht werden kann, etwa weil er Recht und Unrecht nicht unterscheiden kann. Im Gegenteil wird explizit ausgeführt, dass er auf der einen Seite von Anfang an selbst Regeln missachtet hat, auf der anderen Seite Regelverstöße seiner Mitschüler jedoch sehr genau wahrgenommen und sie z.B. im Klassenrat auch benannt hat.
36Auch aus den vom Kläger eingereichten ärztlichen Bescheinigungen, etwa der des Herrn X. vom 2. Dezember 2014 ‑ der als Diagnose eine sonstige kombinierte Störung des Sozialverhaltens und der Emotionen nennt (F92.8) ‑ bzw. des Dr. I1. vom 7. Dezember 2014, lässt sich nicht entnehmen, dass der Kläger für sein Verhalten nicht verantwortlich gemacht werden kann. Auch hier finden sich insbesondere keine Hinweise auf eine fehlende Fähigkeit, Unrecht zu erkennen. Aus ihnen wird vielmehr deutlich, dass im häuslichen Bereich betreffend das Fehlverhalten des Klägers durchaus Erfolge erzielt worden sind. Das belegt, dass der Kläger grundsätzlich in der Lage ist, Regeln nicht nur zu erkennen, sondern sie auch zu befolgen.
37Stehen die beim Kläger vorliegenden Spezifika (Hochbegabung, sonderpädagogischer Förderbedarf etc.) daher der Geeignetheit einer Ordnungsmaßnahme nicht entgegen, erweist sich die verfügte Androhung der Entlassung von der Schule auch im Übrigen als verhältnismäßig. Insoweit hat die Schule die Entscheidung über die Art der Ordnungsmaßnahmen und ihren Umfang in Ausübung des ihr obliegenden pädagogischen Ermessens je nach Art und Schwere des Fehlverhaltens und der Persönlichkeit des Schülers, insbesondere seiner Einsichtsfähigkeit zu treffen.
38Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 17. Juni 2014 - 19 B 679/14 -, juris, Rn. 11 unter Hinweis auf OVG NRW, Beschluss vom 23. Februar 2007 - 19 B 306/07 -, juris, Rn. 5.
39Diesen Anforderungen genügt die Entscheidung des D. gymnasiums in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung. Sie berücksichtigt zunächst das vorangegangene, übermäßig oft aufgetretene Fehlverhalten des Klägers. So hat der Kläger von Anfang an Regeln missachtet und den Unterricht häufig massiv gestört. Dabei verhielt er sich sowohl gegenüber Schülern als auch gegenüber Lehrern und Betreuern oft respektlos, arrogant und frech. Darüber hinaus kam es bereits im Vorfeld der hier zu überprüfenden Ordnungsmaßnahme zu mehreren körperlichen Übergriffen auf Schüler und zum Teil sogar Lehrer, auf die das D. gymnasium zuvor mit milderen Ordnungsmaßnahmen reagiert hatte. Nach der insoweit zuletzt ergangenen Ordnungsmaßnahme ´Ausschluss von der Klassenfahrt´ sind für den Zeitraum zwischen dem 12. Dezember 2013 und dem 6. Mai 2014 achtundvierzig Vorfälle mit auffälligem (Fehl)Verhalten des Klägers dokumentiert, von denen sieben körperlicher Art waren. Vor dem Hintergrund dieser Vorgeschichte erweist sich die Androhung der Entlassung von der Schule selbst dann als erforderlich und angemessen, wenn man der Einschätzung des Klägers folgt, dass es sich bei dem Vorfall am 8. April 2014 nicht um eine (besonders) schwerwiegende Einzelverfehlung handelt.
40Der Verhältnismäßigkeit der angefochtenen Ordnungsmaßnahme steht auch nicht die besondere Situation des Klägers entgegen, der hochbegabt ist und bei dem ein sonderpädagogischer Förderbedarf besteht. Denn auch diesen Aspekten haben das D. gymnasium und die mit dem Widerspruch befasste Bezirksregierung ‑ insbesondere mit Blick auf die Angemessenheit der Maßnahme ‑ Rechnung getragen. Es gab regelmäßigen Kontakt zu den Eltern des Klägers. Ferner hat das D. gymnasium, um die Fördermöglichkeiten für den Kläger zu verbessern, selbst das Verfahren zur Feststellung sonderpädagogischen Förderbedarfs eingeleitet. Darüber hinaus sind im Schuljahr 2013/2014 über die sonderpädagogische Förderung hinausgehende Sondervereinbarungen zwischen dem Kläger, seinen Eltern und dem D. gymnasium getroffen worden, die die individuelle Förderung des Klägers mit Blick auf seine Hochbegabung zum Gegenstand hatten. So ist es dem Kläger beispielsweise gestattet worden, sich anderen Beschäftigungen zuzuwenden, wenn er seine Aufgaben bzw. sein Pensum im Unterricht erledigt hatte. Auch wurde ihm die Möglichkeit eingeräumt, während des Unterrichts Bilder zu malen, solange er dabei die anderen Kinder nicht stört. Dass das D. gymnasium aufgrund der besonderen Situation des Klägers nicht von der Verhängung der Ordnungsmaßnahme ´Androhung der Entlassung von der Schule´ abgesehen hat, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Denn neben den Interessen und Spezifika des Klägers durfte und musste es auch die Belange der Mitschüler und Lehrer im Blick haben sowie die Sicherstellung des von ihm zu leistenden Bildungsauftrags. Insoweit war das D. gymnasium insbesondere nicht gehalten, die durch den Kläger verursachte fortdauernde Beeinträchtigung des Unterrichts und der Rechte der Mitschüler zu dulden.
41Im Ergebnis ebenso: VG Ansbach, Urteil vom 23. Oktober 2008 - AN 2K 08.01422 -, juris, Rn. 43.
42Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
43Beschluss:
44Der Streitwert wird auf 5.000,‑ Euro festgesetzt.
45Gründe:
46Die Festsetzung des Streitwertes ist nach § 52 Abs. 2 GKG erfolgt.
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Annotations
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
Gesetz ist jede Rechtsnorm.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.
(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.
(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.
(4) In Verfahren
- 1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro, - 2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro, - 3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und - 4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.
(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert
- 1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist, - 2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.
(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.