Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Urteil, 17. Nov. 2015 - 15 A 16/11
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Aachen vom 19. November 2010 geändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens beider Instanzen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen
1
Tatbestand
2Die Klägerin nimmt die beklagte Stadt auf Erstattung von Kanalbaukosten in Anspruch, soweit diese der Grundstücksentwässerung zuzuordnen sind.
3Die Beteiligten schlossen am 15. März/25. April 1972 einen sogenannten Aufschließungsvertrag (im Folgenden: AV) für den Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 19 der Beklagten, in dem sich die Klägerin zur Erschließung des Plangebiets einschließlich der Herstellung von Mischwasserkanälen für die Straßen- und Grundstücksentwässerung verpflichtete. Im Plangebiet lagen sowohl Grundstücke im Eigentum der Klägerin bzw. ihres Schwesterunternehmens, der S. Wohnungs- und Betreuungsgesellschaft mbH, als auch solche im Eigentum Dritter.
4Der Vertrag lautet auszugsweise:
5§ 2Gegenstand u. Grundlagen des Vertrages
6(1) Die Stadt überträgt hiermit nach § 123 Abs. 3 des Bundesbaugesetzes (BBauG) die Erschließung des in § 1 Abs. 1 bezeichneten Gebietes auf den Erschließungsträger nach Maßgabe der näheren Bestimmungen dieses Vertrages. Der Erschließungsträger übernimmt die Erschließung im eigenen Namen und auf eigene Rechnung.…
7(2) …
8(3) …
9§ 3Erschließungs-, Abwasser-, Versorgungs- u. sonstige Anlagen
10(1) Der Erschließungsträger hat herzustellen oder herstellen zu lassen:
11a) folgende für öffentliche Zwecke vorgesehene Erschließungsanlagen (§ 127 Abs. 2 BBauG):
121. zum Anbau bestimmte Straßen, Wege und Plätze:Gem. Erschließungsplan die Straßen A, B, C und D
132. Parkflächen:
14Gem. Erschließungsplan die Straßen A, B, C und D
153. Beleuchtungseinrichtungen:Nach Abstimmung mit der Stadt
164. Straßenentwässerungsanlagen:
17Mischkanäle zur Straßen- u. Grundstücksentwässerung in den Straßen A, B, C und D
18b) folgende städtische Abwasseranlagen:Mischkanäle zur Straßen- und Grundstücksentwässerung in den Straßen A, B, C und D mit Anschlüssen vorhandener Kanäle in der U.---straße und T. Straße nach Abstimmung mit der Stadt.
19c) …
20d) …
21(2) …
22§ 4Kostentragung
231. Die Stadt trägt:
2410 v.H. des Erschließungsaufwands (Stadtanteil nach der Ortssatzung) für die in § 3 Abs. 1 Buchst. a) genannten Erschließungsanlagen, wobei als Bemessung für die Kosten der Straßenentwässerungsanlagen ein Kanal zugrundegelegt wird, der aus Zementrohren 30 cm in einer Tiefe von 1,20 m sowie je 50 lfdm. Kanal, einem kompletten Schacht und je 35 lfdm. Kanal, zwei Rinneneinläufen mit Tonrohranschlußleitung besteht.
252. Der einmalige Anschlußbeitrag wird mit den Kosten nach § 3 Abs. 1 Buchst. b) aufgerechnet.
263. Der Erschließungsträger übernimmt die Gesamtkosten der Aufschließung abzüglich der von der Stadt zu tragenden Kosten.
274. Soweit durch die Erschließung Grundstücke anderer Anlieger als S1. oder eine ihrer Schwesterfirmen baureif werden, wird die Stadt die Veranlagung dieser Anlieger nach ihrer Satzung vornehmen und diese Beträge nach Eingang der S1. überweisen.
285. …
29§ 5Kostennachweis und Kostenerstattung
30(1) Der Erschließungsträger ist verpflichtet, den Kostenvoranschlag und die Schlußabrechnungen als Grundlage für die Kostenverteilung sorgfältig aufzustellen. Sowohl Kostenvoranschlag als auch die Schlußberechnungen sind der Stadt zur Prüfung vorzulegen. Kann zwischen den Vertragspartnern über einzelne Kostenansätze und Kostenzurechnungen kein Einvernehmen erzielt werden, entscheidet nach Anhörung einer von beiden Vertragsparteien zu benennenden Schiedsstelle die Stadt, wobei der Rechtsweg offen bleibt. Sollten sich die Vertragsparteien über die zu benennende Schiedsstelle nicht einigen, so bilden je ein Vertreter des Städtebundes und des Ministeriums für Landesplanung, Wohnungsbau und öffentliche Arbeiten die Schiedsstelle.
31(2) Der Erschließungsträger ist verpflichtet, spätestens drei Monate nach endgültiger oder nach abschnittsweise endgültiger Fertigstellung der in § 3 genannten Anlagen der Stadt die Aufschließungskosten für diese Anlagen in der sich aus Anlage II als Bestandteil des Vertrages ergebenden Kostengliederung nachzuweisen (Schlußabrechnungen).
32(3) Die Stadt ist verpflichtet, dem Erschließungsträger die von ihr nach § 4 zu tragenden Kosten spätestens drei Monate nach Eingang der in Abs. 2 genannten Schlußabrechnungen in vollem Umfang zu erstatten. Die Werte und Kaufpreise der von der Stadt nach § 6 Abs. 1 bereitgestellten Grundstücke sind anzurechnen.
33In der Folgezeit stellte die Klägerin die Erschließungsanlagen her; im März 1974 waren alle Anlagen fertiggestellt.
34Mit Bescheid vom 26. November 1974 zog die Beklagte die S. Wohnungs- und Betreuungsgesellschaft mbH für ihre im Plangebiet gelegenen Grundstücke zu einem Kanalanschlussbeitrag von insgesamt 21.176,22 DM heran. Nach Widerspruchseinlegung hob sie diesen Bescheid unter dem 20. Juli 1977 wieder auf. Zur Begründung führte sie aus, der Beitrag sei zwar zu Recht festgesetzt worden, vertragsgemäß jedoch nicht zu erheben. Die von der Widerspruchsführerin zu tragenden Herstellungskosten der städtischen Abwasseranlage von rund 408.000 DM überstiegen den geforderten Kanalanschlussbeitrag. Zur Vermeidung einer Doppelbelastung werde daher nach § 4 Nr. 2 AV von dessen Erhebung abgesehen.
35Unter dem 28. Juni 1977 und 12. Januar 1978 legte die Klägerin der Beklagten vertragsgemäß die Schlussabrechnungen vor.
36Mit Schreiben vom 21. Juli 1988 teilte die Beklagte der damaligen Komplementärin der Klägerin, der G. Bauunternehmung GmbH, mit, dass der Vertrag aus verschiedenen Gründen bislang noch nicht habe abgewickelt werden können, unter anderem sei der erforderliche Grunderwerb der Straßenflächen noch nicht abgeschlossen. Ausweislich der vorgelegten Rechnungen betrügen die Ausbaukosten 416.963 DM. Bei Übernahme der Erschließungsanlagen würde die Stadt diesen Betrag erstatten, wobei allerdings noch die auf die Grundstücksflächen der Klägerin entfallenden Anteile verrechnet werden müssten.
37In Juni 2003 übersandte die Beklagte der G. Bauunternehmung GmbH einen Zwischenbericht über die Prüfung der Schlussabrechnungen. Darin enthalten war der Hinweis, dass Teile der Kanalisation auf privaten Grundstücksflächen lägen und deshalb bei der Berechnung der Erstattung der Kanalbaukosten derzeit nicht zu berücksichtigen seien. Mit Blick darauf werde zunächst ein Abschlag in Höhe von 100.000 Euro überwiesen.
38Mit Schreiben vom 14. August 2003 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie die in der Vergangenheit gegenüber der G. Bauunternehmung GmbH in Aussicht gestellten Zahlungen aus der Abwicklung der Erschließungsmaßnahmen nicht leisten werde. Die dem in der Vergangenheit geführten Schriftverkehr zugrunde liegenden Überlegungen seien aufgrund einer rechtlichen Neubewertung der Vertragssituation obsolet. Davon abgesehen sei es nur mit Übereifer der Beitragsabteilung zu erklären, dass Gegenstand dieser Überlegungen nicht nur der eigentliche Erschließungsaufwand gewesen sei, sondern auch die Erstattung der auf die Grundstücksentwässerung entfallenden Kanalbaukosten. Hierzu habe von vornherein kein Anlass bestanden.
39Nachdem die Klägerin den Darlegungen der Beklagten mit Schreiben vom 22. August 2003 widersprochen hatte, forderte sie die Beklagte unter dem 15. Dezember 2003 auf, eine Erklärung zur Erstattung der Kosten für die Herstellung aller Erschließungsanlagen (Straße, Kanal, Beleuchtung) abzugeben.
40Unter dem 5. Juli 2004 übersandte die Beklagte der G. Bauunternehmung GmbH einen weiteren Zwischenbericht, in dem sie darauf hinwies, dass einer Erstattung der Erschließungskosten rechtlich nichts mehr im Wege stehe, sobald die noch ausstehende Widmung beschlossen sei. Als Erstattungsbeträge wurden für den Kanalbau 257.071,84 DM und für die Oberflächenentwässerung 121.707,84 DM genannt.
41Mit weiterem Schreiben vom 27. Oktober 2005 teilte die Beklagte schließlich mit, dass die Widmung inzwischen erfolgt sei, sodass nunmehr die Erstattung vorgenommen werden könne. An zu erstattenden Kanalbaukosten sind in dem Schreiben 131.438 Euro ausgewiesen.
42Mit Datum vom 21. Dezember 2005 erklärte die Beklagte, dass sie die Aussagen in den Schreiben vom 5. Juli 2005 und 27. Oktober 2005 widerrufe, soweit darin die Erstattung der Kanalbaukosten in Höhe von zuletzt 131.438 Euro avisiert worden sei. Der Verfasser beider Schreiben habe einerseits die bestehende Rechtslage verkannt und andererseits die bereits in dem Schreiben vom 14. August 2003 ausgesprochene Ablehnung der Übernahme dieser Kosten nicht beachtet.
43Daraufhin forderte die Klägerin die Beklagte mit Schreiben vom 1. Februar 2006 zur Zahlung von 120.610,77 Euro bis zum 28. Februar 2006 auf. Der geforderte Betrag entspreche den auch seitens der Beklagten festgestellten Kanalbaukosten von 131.438 Euro abzüglich des seinerzeit geltend gemachten Kanalanschlussbeitrags von umgerechnet 10.827,23 Euro. Nach § 3 Abs. 1 Buchst. b AV werde der einmalige Anschlussbeitrag mit den Kosten der Abwasseranlagen, soweit sie der Grundstücksentwässerung dienten, aufgerechnet. Diese Regelung setze das Bestehen wechselseitiger Ansprüche voraus. Da ihre Forderung die der Beklagten übersteige, ergebe sich zu ihren Gunsten ein Anspruch auf Auszahlung des überschießenden Betrags.
44Diesen Anspruch wies die Beklagte mit Schreiben vom 24. Februar 2006 unter Schilderung der Ausgangssituation bei Vertragsschluss zurück. Der Begriff "Aufrechnung" sei nicht im Sinne des § 389 BGB zu verstehen. Vielmehr habe zwischen den Vertragsparteien mit Blick auf die von der Stadt angestrebte größtmögliche Kostenneutralität Einigkeit bestanden, dass die wechselseitigen Ansprüche unbeschadet ihrer jeweiligen Höhe gegeneinander aufgehoben werden sollten. Zudem werde auf das Problem der Verjährung hingewiesen. Anschließend bekräftigte die Klägerin unter dem 6. April 2006 erneut ihre gegenteilige Rechtsauffassung. Anders als von der Beklagten angedeutet, sei der Anspruch nicht verjährt, da von der Beklagten zunächst die Schlussabrechnungen zu prüfen gewesen seien. Dies sei erst mit dem Schreiben vom 27. Oktober 2005 geschehen, mit dem dann auch die endgültige beitragsrechtliche Abrechnung verbunden gewesen sei.
45Die Klägerin hat am 4. Mai 2006 Klage erhoben, mit der sie ihre bereits vorprozessual eingenommene Position weiter vertieft hat.
46Sie hat beantragt,
47die Beklagte zu verurteilen, an sie 120.610,77 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
48Die Beklagte ist der Klage unter näherer Erläuterung ihrer bisherigen Ausführungen entgegengetreten und hat beantragt,
49die Klage abzuweisen.
50Mit Urteil vom 19. November 2010 hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es im Kern ausgeführt: Der geltend gemachte Zahlungsanspruch folge aus § 5 Abs. 3 i. V. m. § 4 Nr. 2 des als Vorfinanzierungsvertrag zu qualifizierenden Vertrags. Bei verständiger Würdigung handele es sich bei den Kosten für die Erstellung der Grundstücksentwässerung um eine Verpflichtung der Beklagten. Anderenfalls hätte es der Regelung des § 4 Nr. 2 AV nicht bedurft, weil die Kosten dann bereits nach der Gesamtkostenregelung in § 4 Nr. 3 AV auf die Klägerin entfallen wären. Ausreichend wäre in diesem Fall eine Regelung dergestalt gewesen, dass der einmalige Kanalanschlussbeitrag mit den vom Erschließungsträger zu tragenden Gesamtkosten in irgendeiner Weise verrechnet werde. Wollte man mit der Beklagten auch in den grundstücksbezogenen Kanalbaukosten eine Verpflichtung der Klägerin sehen, wäre nicht nachvollziehbar, warum die Vertragsparteien ausdrücklich eine Aufrechnungsregelung getroffen hätten. Diese liefe im Ergebnis leer, da letztlich beide Verpflichtungen ‑ Kanalbaukosten und Kanalanschlussbeitrag ‑ auf die Klägerin entfielen, sodass nichts aufgerechnet oder verrechnet bzw. angerechnet werden könne. Gegen die Sichtweise der Beklagten spreche zudem, dass der Vertrag auch ansonsten Kosten, die ohne gesonderte Regelung nicht von ihr zu tragen wären, explizit der Klägerin zuweise. Dies betreffe zum einen die Kosten des städtischen Eigentumserwerbs an für die öffentlichen Erschließungsanlagen erforderlichen Grundflächen und zum anderen Kosten für eventuell aufzuwendenden Schadensersatz. Eine vergleichbare Regelung finde sich für die Kosten nach § 3 Abs. 1 Buchst. b AV hingegen nicht, was die Annahme rechtfertige, dass diese Kosten nach dem Willen der Vertragsparteien nicht der Klägerin, sondern der Beklagten zuzuordnen seien. Weiterhin liege ausgehend von der Verwendung des Begriffs der Aufrechnung nahe, dass auch eine Aufrechnung im technischen Sinne gewollt gewesen sei, für deren Durchführung mangels näherer vertraglicher Regelungen auf die gesetzliche Definition des § 389 BGB zurückzugreifen sei, wonach eine Verrechnung erfolge, soweit sich die Ansprüche deckten. Dementsprechend könne nicht angenommen werden, dass die wechselseitigen Ansprüche unbeschadet ihrer jeweiligen Höhe gegeneinander aufgehoben werden sollten. Bereits zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses sei den Beteiligten klar gewesen, dass die Kanalbaukosten weitaus höher anzusetzen seien als der auf die Klägerin entfallende Kanalanschlussbeitrag. Hätten die Beteiligten eine differenzlose Aufrechnung gewollt, hätte dies angesichts der eklatanten Differenz einer eigenständigen Regelung bedurft. Schließlich sei der Anspruch nicht verjährt. Nach § 5 AV hänge die Kostenerstattung vom Kostennachweis und der Prüfung durch die Stadt ab. Eine endgültige Abrechnung habe die Beklagte aber erst mit Schriftsatz vom 27. Oktober 2005 vorgenommen.
51Zur Begründung ihrer vom Senat zugelassenen Berufung trägt die Beklagte unter Bezugnahme auf ihr Vorbringen im Berufungszulassungsverfahren vor:
52Der Klägerin stehe der behauptete Anspruch nicht zu. Sie habe nach § 2 Abs. 1 AV die Erschließung im eigenen Namen und auf eigene Rechnung übernommen. Dieser Grundsatz sei bei der Auslegung des gesamten Vertrags und namentlich der in § 4 AV getroffenen Kostentragungsregelung zu berücksichtigen. Die dortigen Bestimmungen seien in einer Zusammenschau zu sehen. Während Nr. 1 den Anteil der Beklagten betreffe, lege Nr. 3 fest, dass die Klägerin die Gesamtkosten der Aufschließung abzüglich der von der Beklagten zu tragenden Kosten übernehme. Gleichsam dazwischen enthalte Nr. 2 eine Verfahrensregelung, wonach eine Aufrechnung des Anschlussbeitrags mit den auf die Beklagte entfallenden Kosten erfolge. Hätten die Vertragsparteien insoweit eine Erweiterung der von der Beklagten zu tragenden Kosten beabsichtigt, wäre eine entsprechende Regelung bereits in Nr. 1 erfolgt. Vor diesem Hintergrund habe mit Nr. 2 lediglich sichergestellt werden sollen, dass die Klägerin nicht zusätzlich mit Kanalanschlussbeiträgen belastet werde. Da diese keinen Ersatz für die tatsächlichen Kosten der Verlegung von Kanalisationsleitungen im Vertragsgebiet darstellten und die Gemeinde deshalb selbst dann zur Geltendmachung ihrer Beitragsansprüche gehalten sei, wenn die Herstellungskosten vom Unternehmer übernommen würden, habe es einer gesonderten Regelung bedurft, um eine Doppelbelastung der Klägerin zu vermeiden.
53Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts laufe § 4 Nr. 2 AV bei diesem Verständnis nicht leer. Die erstinstanzliche Auslegung berücksichtige nicht hinreichend, dass die Kanalbaukosten Kosten seien, die der Klägerin entweder selbst oder durch die Begleichung der Rechnung des beauftragten Unternehmens entstünden. Der Anschlussbeitrag sei hingegen eine öffentlich-rechtliche Forderung der Beklagten gegenüber jedem betroffenen Grundstückseigentümer und damit auch gegenüber der Klägerin. Da die Klägerin den Anschlussbeitrag insoweit nicht zu entrichten habe, als ihr Kosten für die Errichtung der städtischen Abwasseranlage entstanden seien, habe eine "Aufrechnungslage" bestanden, ohne dass der Klägerin ein Zahlungsanspruch gegenüber der Beklagten zustehe.
54Gegen die Auslegung des Verwaltungsgerichts spreche auch die Regelung in § 4 Nr. 4 AV. Weil von dieser Bestimmung auch die von Fremdanliegern gezahlten Kanalanschlussbeiträge erfasst würden, müssten die Kosten insoweit zuvor von der Klägerin übernommen worden sein, um nicht ungewollt eine doppelte Vergütung der Klägerin entstehen zu lassen.
55Aufrechnung setze überdies eine Forderung voraus, könne sie jedoch nicht begründen. Allein die Formulierung, dass der einmalige Anschlussbeitrag mit den Kosten nach § 3 Abs. 1 Buchst. b AV aufgerechnet werde, gebe daher keinen Hinweis darauf, in welcher Höhe die Forderung der Klägerin zur Aufrechnung stehe. Auch erfordere die Aufrechnung nach den §§ 387 ff. BGB die Fälligkeit der Gegenforderung. Fällig solle die Forderung nach Auffassung der Klägerin jedoch erst im Jahr 2006 geworden sein. Ausgehend von der Vertragsauslegung des Verwaltungsgerichts wäre die Klägerin daher bei Erlass des Beitragsbescheids zunächst zur Zahlung verpflichtet gewesen, was die Beteiligten offensichtlich nicht gewollt hätten.
56Darüber hinaus müsse das eigene Vertragsverständnis der Klägerin berücksichtigt werden, wie es im Rahmen ihres Widerspruchs gegen den Veranlagungsbescheid vom 6. November 1974 zum Ausdruck komme. Die Klägerin habe damals selbst nicht geltend gemacht, dass im Ergebnis die Beklagte zur Kostenübernahme verpflichtet sei, sondern sich im Gegenteil zur Abwendung der Beitragsforderung lediglich darauf berufen, dass die Herstellung der Kanalleitungen nicht auf Kosten der Stadt erfolgt sei.
57Der Hinweis des Verwaltungsgerichts auf die Systematik des Aufschließungsvertrags übersehe die in § 4 Nr. 3 AV getroffene Regelung. Zu den Gesamtkosten der Aufschließung seien ‑ anders als die vom Verwaltungsgericht angeführten Kosten des Grunderwerbs und Kosten für eventuell aufzuwendenden Schadensersatz ‑ auch die Kosten für die städtische Abwasseranlage im Vertragsgebiet zu rechnen. Deshalb sei auch lediglich für diese Kosten eine Sonderregelung erforderlich gewesen.
58Weiterhin sei der Aufschließungsvertrag nicht individuell erstellt worden, sondern unter Rückgriff auf Bestimmungen eines Mustervertrags. Auf Seiten der Beklagten sei zudem kein Jurist beteiligt gewesen. Eine Vermutung, dass der Begriff der Aufrechnung strikt im Sinne von § 389 BGB zu verstehen sei, bestehe damit nicht.
59Ältere, von der Klägerin in Bezug genommene Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 23. August 1991 ‑ 8 C 61.90 ‑), wonach eine Gemeinde durch Erschließungsvertrag nicht mehr an Erschließungskosten auf den Vertragspartner habe abwälzen dürfen, als sie selbst auf der Grundlage entsprechenden Ortsrechts dem Grundstückseigentümer an kommunalen Beiträgen habe auferlegen können, sei durch die nachfolgende Änderung des § 124 BauGB und die darauf reagierende neuere Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 27. Juni 1997 ‑ 8 C 23.96 ‑) überholt.
60Schließlich sei die Forderung der Klägerin verjährt. Nach dem Vertrag seien die entsprechenden Zahlungen spätestens drei Monate nach Eingang der Schlussabrechnungen zu leisten. Die Fälligkeit werde damit an den Eingang der Schlussabrechnungen und nicht an deren Prüfung geknüpft. Schon aus der Vereinbarung der langen Frist von drei Monaten ergebe sich, dass die Fälligkeit mit Ablauf dieser Frist eintreten solle, zumal sie ausreichend bemessen sei, um die Abrechnungen zu prüfen.
61Die Beklagte beantragt,
62das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.
63Die Klägerin beantragt,
64die Berufung zurückzuweisen.
65Zur Begründung verteidigt sie das erstinstanzliche Urteil. Ergänzend führt sie aus:
66Die Reduzierung des § 4 Nr. 2 AV auf eine rein technische Abwicklungsbestimmung trage weder dem Wortlaut noch der Systematik Rechnung. Wenn es tatsächlich der Wille der Vertragsparteien gewesen wäre, damit lediglich eine Doppelbelastung auszuschließen, hätte es einer solchen Aufrechnungsvereinbarung nicht bedurft. Vielmehr hätte eine schlichte Formulierung des Inhalts genügt, dass mit dem Vertrag die Verpflichtung zur Zahlung eines Kanalanschlussbeitrags für die im Vertragsgebiet liegenden Grundstücke des Erschließungsträgers abgegolten werde. Eine solche Regelung hätten die Beteiligten aber gerade nicht gewählt. Daraus folge, dass eine andere Zielsetzung dahingehend gewünscht gewesen sei, dass die in § 3 Abs. 1 Buchst. b genannten Anlagen im Wege einer Aufrechnung abgerechnet werden sollten.
67Im Übrigen erschließe sich nicht, warum mit dem Begriff der Aufrechnung etwas anderes gemeint sein solle, als es die Regelung in § 389 BGB vorsehe. Dies bedeute dann aber im Ergebnis, dass derjenige, dessen Forderung die Forderung der Gegenseite übersteige, die Erstattung des überschießenden Teils verlangen könne. Dem stehe auch das Vorbringen der Beklagten nicht entgegen, wonach dort bei Vertragsabschluss kein Jurist beteiligt gewesen sei. Der Begriff der Aufrechnung sei im allgemeinen Geschäftsverkehr gängig und nicht mit einem übermäßigen juristischen Schwierigkeitsgrad behaftet.
68Nicht nachvollziehbar seien die Ausführungen der Beklagten im Zusammenhang mit § 4 Nr. 4 AV. Eine Überweisung von für Fremdanliegergrundstücke erhobenen Kanalanschlussbeiträgen sei bislang nicht erfolgt und offensichtlich auch nicht beabsichtigt.
69Die Beklagte gehe auch rechtsirrig davon aus, dass die klägerseitige Rechtsauffassung, nach der zum Zeitpunkt des Abschlusses des Aufschließungsvertrags die vertragliche Kostenbelastung eines Erschließungsträgers mit den Aufwendungen für die Grundstücksentwässerung rechtlich unzulässig gewesen wäre, durch die Neufassung des § 124 Abs. 2 BauGB überholt sei. Die 1993 erfolgte BauGB-Novellierung, wodurch erstmals ein Erschließungsträger auch mit den Kosten für die Herstellung solcher Anlagen, die nicht unter § 127 BauGB fielen, habe belastet werden dürfen, sei nicht einschlägig. Denn hier gehe es um einen Vertrag aus dem Jahr 1972. Die Rückwirkungsanordnung in § 242 Abs. 8 BauGB, nach der die Neufassung des § 124 Abs. 2 Satz 2 BauGB auch für vor dem 1. Mai 1993 vereinbarte Kostenregelungen gelte, greife nicht ein, weil sie nur Erschließungsverträge betreffe. Hier gehe es aber nicht um einen Erschließungsvertrag, sondern um einen sogenannten Vorfinanzierungsvertrag, dem wesentliche Elemente eines Erschließungsvertrags fehlten. Insoweit stelle sich die Frage, ob in einem solchen Vorfinanzierungsvertrag aus dem Jahr 1972 eine Regelung rechtmäßig sein könne, die entsprechend der Auslegung der Beklagten den Erschließungsträger in vollem Umfang mit den Kosten der Grundstücksentwässerung belaste. Bei ihrer Beantwortung müsse die Rechtslage in den Blick genommen werden, die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses gegolten habe. Nach der damaligen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei eine Gemeinde nicht berechtigt gewesen, die Kosten für die Herstellung der Abwasserbeseitigungsanlage im Rahmen eines Erschließungsvertrags vollständig dem Erschließungsunternehmer aufzuerlegen; insoweit habe ein Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot mit der Folge der Teilnichtigkeit vorgelegen. Da es sich hier nicht um einen Erschließungsvertrag handele, sei diese Rechtsprechung zwar nicht unmittelbar anzuwenden. Wenn aber ein Erschließungsvertrag eine solche Kostenbelastung des Erschließungsträgers ausgeschlossen habe, müsse dies erst recht für Verträge der vorliegenden Art gelten, die lediglich der Vorfinanzierung dienten.
70Das Verwaltungsgericht habe schließlich eine Verjährung des streitigen Anspruchs zu Recht verneint. Die gegenteilige Ansicht der Beklagten übersehe die in § 5 Abs. 3 Satz 2 AV vorgenommene Einschränkung, wonach die Werte und Kaufpreise der von der Stadt nach § 6 Abs. 1 AV bereitgestellten Grundstücke auf den Erstattungsanspruch anzurechnen seien. Dies berücksichtigend habe Fälligkeit erst eintreten können, sobald festgestanden habe, welche Beträge in Abzug zu bringen gewesen seien. Der städtische Straßenlanderwerb habe aber erhebliche Zeit in Anspruch genommen und erst im Jahr 2005 abgeschlossen werden können.
71Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug genommen.
72Entscheidungsgründe
73Die Berufung der Beklagten hat Erfolg.
74Die zulässige Leistungsklage ist unbegründet. Der Klägerin steht der geltend gemachte Erstattungsanspruch nicht zu. Das angefochtene Urteil ist entsprechend zu ändern und die Klage abzuweisen.
75I. 1. Aus § 5 Abs. 3 i. V. m. § 4 Nr. 2 AV folgt keine Verpflichtung der Beklagten, der Klägerin die für die Erstellung der Grundstücksentwässerung entstandenen Kosten nach Abzug der auf ihre Grundstücke entfallenden Kanalanschlussbeiträge zu erstatten.
76Für die Auslegung öffentlich-rechtlicher Verträge gelten die zivilrechtlichen Auslegungsgrundsätze entsprechend (vgl. § 62 Satz 2 VwVfG NRW). Vertragliche Willenserklärungen sind demnach so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern (§ 157 BGB). Maßgebend ist dabei der wirkliche Wille der Vertragsparteien (§ 133 BGB), bei dessen Ermittlung neben dem Erklärungswortlaut die beiderseits bekannten Umstände wie insbesondere die Art und Weise des Zustandekommens der Vereinbarung, deren Zweck sowie die Interessenlage der Vertragsparteien heranzuziehen sind.
77Vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Januar 1990 ‑ 4 C 21.89 -, juris, Rn. 36 (= NJW 1990, 1926); OVG NRW, Urteil vom 19. März 2002 ‑ 15 A 4043/00 ‑, juris, Rn. 3 ff. (= KStZ 2003, 73); BGH, Urteil vom 11. November 2014 ‑ VI ZR 18/14 ‑, juris, Rn. 9 (= NJW 2015, 1246).
78a) In Anwendung dieser Grundsätze ist davon auszugehen, dass die Vertragsparteien mit § 4 Nr. 2 AV lediglich eine vertragliche Aufrechnungsvereinbarung (Verrechnungsvereinbarung) zur Vermeidung einer Doppelbelastung der Klägerin mit Kanalanschlussbeiträgen getroffen haben.
79Nach allgemeiner Auffassung kann die mit der Aufrechnung einhergehende wechselseitige Forderungstilgung (§ 389 BGB) statt durch einseitige Erklärung auch mittels eines ‑ bei zukünftigen Forderungen aufschiebend bedingten ‑ Vertrags bewirkt werden.
80Vgl. dazu BFH, Urteil vom 8. Juni 2010 ‑ VII R 39/09 ‑, juris, Rn. 27 (= NJW 2011, 175); Bay. VGH, Beschluss vom 12. März 2010 ‑ 4 ZB 08.2455 ‑, juris, Rn. 10; E. Wagner, in: Erman, BGB, 13. Aufl. 2011, § 388 Rn. 18 ff.; Grüneberg, in: Palandt, BGB, 74. Aufl. 2015, § 387 Rn. 19 f.; Schlüter, in: MüKo, BGB, 6. Aufl. 2012, § 387 Rn. 51.
81Für diese Auslegung sprechen neben dem Wortlaut sowohl der Zweck der Regelung als auch die Interessenlage der Vertragsparteien.
82Die Beteiligten sind sich darin einig, dass die Bestimmung des § 4 Nr. 2 AV jedenfalls dem Zweck dient, eine doppelte Kostenbelastung der Klägerin (bzw. ihrer Schwesterunternehmen) zu vermeiden. Wenn Vertragsgegenstand ‑ wie hier ‑ etwa auch die Anlagen zur Grundstücksentwässerung sind und der Erschließungsunternehmer auch diese im Ausgangspunkt auf seine Kosten herstellt, birgt das für ihn die Gefahr einer unangemessenen Doppelbelastung. Mit der betriebsfertigen Herstellung der leitungsgebundenen Anlagen zur Abwasserbeseitigung entstehen für die Baugrundstücke im Vertragsgebiet kraft Gesetzes Beitragsansprüche nach § 8 KAG NRW i. V. m. den einschlägigen ortsrechtlichen Vorschriften. Der zu entrichtende Kanalanschlussbeitrag stellt keinen Ersatz für die Kosten der tatsächlich hergestellten Einzelanlage vor den jeweiligen Grundstücken im Vertragsgebiet dar, vielmehr beteiligen sich die Beitragspflichtigen mit ihm an dem Investitionsaufwand für die Herstellung der Abwasseranlage in ihrer Gesamtheit.
83Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 27. März 1998 ‑ 15 A 3421/94 ‑, juris, Rn. 18 (= KStZ 2001, 55), und vom 1. März 2013 ‑ 15 A 2170/12 ‑, juris, Rn. 4 (= KStZ 2013, 135).
84Die Gemeinde ist daher auch bei Übernahme der vollen Herstellungskosten für das Kanalsystem im Baugebiet durch den Erschließungsunternehmer gehalten, zusätzlich noch ihre Beitragsansprüche geltend zu machen. Vor diesem Hintergrund würde die uneingeschränkte Überbürdung der Herstellungskosten auf den Erschließungsunternehmer diesen in nicht hinnehmbarer Weise benachteiligen. Erforderlich im Interesse einer wirksamen Vertragsgestaltung ist deshalb eine Lösung, die einerseits der Gemeinde ihren Beitragsanspruch belässt, andererseits aber den Erschließungsunternehmer wirtschaftlich vor der zusätzlichen Belastung mit Anschlussbeiträgen für seine Grundstücke im Vertragsgebiet bewahrt.
85Vgl. dazu Döring, NVwZ 1994, 853, 854; Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Aufl. 2012, § 6 Rn. 44; Fischer/Korbmacher,in: Hoppenberg/de Witt, Handbuch des öffentlichen Baurechts, Kapitel F Rn. 52b f.; Schmauck, KStZ 1999, 164, 165; Quaas, BauR 1995, 780, 786.
86Dieses Ziel kann durch eine vertragliche Regelung dergestalt erreicht werden, dass mit der Übernahme der entsprechenden Kosten durch den Unternehmer die Anschlussbeitragspflicht für seine Grundstücke im Erschließungsgebiet abgelöst wird.
87Zur Zulässigkeit von Ablösevereinbarungen über Beitragsforderungen nach § 8 KAG NRW vgl. OVG NRW, Urteil vom 27. September 1988 ‑ 2 A 2433/86 , juris, Rn. 5 ff. (= NWVBl. 1989, 280).
88Alternativ kann eine Kostenvereinbarung getroffen werden, die anstelle einer Ablösung vorsieht, dass dem Unternehmer im Hinblick auf den übernommenen Herstellungsaufwand ein Erstattungsanspruch zustehen soll, der mit den gegen ihn entstandenen Beitragsforderungen verrechnet wird.
89Vgl. zum Ganzen Döring, NVwZ 1994, 853, 854; Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Aufl. 2012, § 6 Rn. 44; Grziwotz, Baulanderschließung, 1993, S. 324; Fischer/Korbmacher, in: Hoppenberg/de Witt, Handbuch des öffentlichen Baurechts, Kapitel F Rn. 52c; Quaas, BauR 1995, 780, 786.
90Vorliegend haben sich die Vertragsparteien für Letzteres entschieden. Zwar ist ein Erstattungsanspruch der Klägerin in § 4 Nr. 2 AV nicht ausdrücklich angesprochen. Eine Aufrechnung (oder Verrechnung) macht allerdings ‑ worauf das Verwaltungsgericht zutreffend hingewiesen hat ‑ nur dann Sinn, wenn auch eine Gegenforderung besteht, deren Existenz deshalb in die Regelung hineinzulesen ist.
91b) Damit ist für sich genommen indes noch nichts über die Höhe dieser Gegenforderung gesagt. Aufrechnung setzt wechselseitige Forderungen voraus und begründet sie nicht. Allein aus der Aufrechnungsvereinbarung auf eine Erstattungspflicht der Beklagten im vollen Umfang der von der Klägerin getragenen Herstellungskosten der Grundstücksentwässerung zu schließen, greift daher zu kurz. Hierfür bedürfte es vielmehr sonstiger Anhaltspunkte. Daran fehlt es jedoch. Im Gegenteil spricht im Ergebnis alles dafür, dass der Klägerin lediglich ein auf die Höhe der gemeindlichen Beitragsforderung begrenzter Erstattungsanspruch zustehen soll.
92Für die Richtigkeit dieser Annahme streitet zunächst schon die erkennbare Zielrichtung des § 4 Nr. 2 AV, eine Doppelbelastung der Klägerin zu vermeiden. Hierzu ist es erforderlich, zugleich aber auch ausreichend, dass die Klägerin die Erstattung der grundstücksbezogenen Kanalbaukosten (maximal) in Höhe der auf ihre Grundstücke im Vertragsgebiet entfallenden Anschlussbeiträge verlangen kann.
93Auch wäre für den Fall eines unbegrenzten (offenen) Erstattungsanspruchs zu erwarten, dass die Vertragsparteien darüber eine ausdrückliche Regelung getroffen hätten. Das Verwaltungsgericht ist insoweit mit Recht davon ausgegangen, dass bereits zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses kein Zweifel daran bestehen konnte, dass die voraussichtlichen Kanalbaukosten die auf die Klägerin entfallenden Kanalanschlussbeiträge deutlich übersteigen würden. Dementsprechend hätte den Beteiligten klar vor Augen stehen müssen, dass ein vollumfänglicher Erstattungsanspruch nicht lediglich zu einer Verrechnung, sondern zu einer "echten" Zahlungsverpflichtung der Beklagten führt. Dann aber hätte es nicht zuletzt mit Blick auf Wortlaut und Systematik der vertraglichen Vorgaben über die Kostentragung und -erstattung in den §§ 4 Nr. 1 und 3, 5 Abs. 3 AV sehr nahe gelegen, diese Zahlungsverpflichtung unmittelbar zu regeln und nicht nur mittelbar ‑ gleichsam verdeckt ‑ im Rahmen einer Aufrechnungsvereinbarung. So bestimmt § 4 Nr. 1 AV, dass die Stadt 10 % des Erschließungsaufwands für die in § 3 Abs. 1 Buchst. a AV genannten Anlagen trägt. Hierauf wiederum nimmt begrifflich § 4 Nr. 3 AV Bezug, wonach im Grundsatz der Erschließungsträger die Gesamtkosten der Aufschließung übernimmt und davon lediglich die von der Stadt zu tragenden Kosten ausgenommen sind. Schließlich verpflichtet § 5 Abs. 3 Satz 1 AV die Stadt anknüpfend an die in § 4 Nr. 1 und 3 AV verwendeten Formulierungen, dem Erschließungsträger die von ihr nach § 4 zu tragenden Kosten spätestens drei Monate nach Eingang der Schlussabrechnungen zu erstatten. Mit diesem nach Wortlaut und Systematik in sich geschlossenen Regelungsgefüge lässt sich die Vorstellung der Klägerin, aus der Aufrechnungsvereinbarung des § 4 Nr. 2 AV ergäben sich zusätzliche im Sinne einer Zahlungsverpflichtung von der Beklagten zu tragende Kosten, nur schwerlich vereinbaren.
94Der gegenläufige Gedanke, es hätte angesichts der eklatanten Differenz von Kanalbaukosten und Kanalanschlussbeitrag gerade umkehrt für den Fall einer von den Beteiligten gewollten differenzlosen Aufrechnung einer expliziten Regelung im Vertrag bedurft, verfängt nicht. Eine solche Regelung war nicht erforderlich, weil insoweit zwangslos die Grundregel des § 4 Nr. 3 AV greift, derzufolge die Klägerin für alle Kosten der Aufschließung aufzukommen hat, es sei denn, dass ausnahmsweise eine Kostentragung der Beklagten vorgesehen ist. Aus letztlich demselben Grund leuchtet auch die weitere Erwägung des Verwaltungsgerichts nicht ein, dass der Vertrag auch ansonsten Kosten, die ohne gesonderte Regelung nicht von ihr zu tragen wären, im Rahmen der Gesamtkosten der Klägerin zuweise (vgl. §§ 6 Abs. 1, 9 Abs. 3 AV), eine solche Bestimmung sich jedoch für die Kosten nach § 3 Abs. 1 Buchst. b AV nicht finde. Diese Argumentation übersieht, dass es sich bei den Kosten nach § 3 Abs. 1 Buchst. b AV um Kosten der Aufschließung im Sinne von § 4 Nr. 3 AV handelt, mithin eine Sonderregelung nicht erforderlich war.
95Schließlich ist für die Auffassung der Beklagten und gegen die Annahme eines Anspruchs der Klägerin auf Erstattung des kompletten finanziellen Aufwands für die Erstellung der Grundstücksentwässerung (abzüglich Kanalanschlussbeiträge) anzuführen, dass beide Beteiligten den Vertrag offenbar zunächst selbst nicht so verstanden haben. Die Hinweise der Beklagten auf die Erläuterungen zu dem Ratsbeschluss vom 29. Februar 1972 und die Niederschrift zu der Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses vom 22. Februar 1972 zeigen, dass die Beklagte unmittelbar vor Vertragsschluss der Meinung war, ihre Zahlungspflicht werde sich ‑ wie in § 4 Nr. 1 AV geregelt ‑ auf den Gemeindeanteil in Höhe von 10% des beitragsfähigen Erschließungsaufwands beschränken. Dementsprechend hat auch die Klägerin augenscheinlich ursprünglich keine weitergehende Zahlungsverpflichtung der Beklagten in dem nunmehr propagierten Sinne angenommen. Das Schwesterunternehmen der Klägerin, die S. Wohnungs- und Betreuungsgesellschaft mbH, hatte gegen die Heranziehung zu Kanalanschlussbeiträgen für ihre im Plangebiet gelegenen Grundstücke durch Bescheid der Beklagten vom 26. November 1974 Widerspruch eingelegt. Begründet wurde der Widerspruch von dem damaligen Geschäftsführer der Klägerin, Herrn L. , der die Klägerin auch bei Abschluss des Vertrags vertreten hatte. In dem Begründungsschreiben vom 16. April 1975 ist unter ausdrücklichem Verweis darauf, dass in dieser Form "auch der § 4 unseres Erschließungsvertrages" auszulegen sei, ausgeführt, der Veranlagungsbescheid sei nicht gerechtfertigt, da Herstellung und Erweiterung der öffentlichen Abwasseranlage an der betreffenden Straße nicht auf Kosten der Beklagten durchgeführt worden seien. Diese Erwägung ist zwar ohne Relevanz für das Bestehen gemeindlicher Beitragsansprüche. Sie deutet jedoch nachdrücklich darauf hin, dass die Klägerin in Person ihres seinerzeitigen Geschäftsführers nicht von einer letztendlichen Zahlungsverpflichtung der Beklagten hinsichtlich der von ihr übernommenen Kanalbaukosten gemäß § 3 Abs. 1 Buchst. b AV ausgegangen ist. Wäre das der Fall gewesen, hätte es sich förmlich aufgedrängt, sich im Zusammenhang mit der Aufrechnungsvereinbarung des § 4 Nr. 2 AV hierauf zu berufen, anstatt ‑ ohne jeden Hinweis auf eine bloße Vorfinanzierung ‑ auf die eigene Kostentragung der Klägerin abzustellen.
962. Die vorgenommene Auslegung hat entgegen der Auffassung der Klägerin nicht die (Teil-)Nichtigkeit zur Folge.
97Soweit sich die Klägerin auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts beruft, wonach die Gemeinden durch Erschließungsvertrag einem Unternehmer nur in dem Umfang Kosten überbürden konnten, wie es ihnen abgabenrechtlich gestattet wäre, sie auf die Abgabepflichtigen abzuwälzen,
98vgl. Urteil vom 23. August 1991 ‑ 8 C 61.90 ‑, juris, Leitsatz und Rn. 11 ff. (= BVerwGE 89, 7),
99ist bereits nicht ersichtlich, inwieweit gegen diesen Grundsatz vorliegend verstoßen worden ist.
100Davon abgesehen ist die angeführte Rechtsprechung seit der mit dem Gesetz zur Erleichterung von Investitionen und der Ausweisung und Bereitstellung von Wohnbauland (Investitionserleichterungs- und Wohnbaulandgesetz) vom 22. April 1993 (BGBl. I S. 466) eingeführten Neuregelung in § 124 Abs. 2 Satz 2 BauGB überholt. Die dort getroffene Regelung gilt auch für sog. Altverträge. Denn nach § 242 Abs. 8 Satz 1 BauGB in der Fassung des Gesetzes vom 11. Juni 2013 (BGBl. I S. 1548) ist § 124 Absatz 2 Satz 2 in der bis zum 21. Juni 2013 geltenden Fassung auch auf Kostenvereinbarungen in Erschließungsverträgen anzuwenden, die vor dem 1. Mai 1993 geschlossen worden sind. § 124 Abs. 2 Satz 2 BauGB in der genannten Fassung bestimmt, dass der Erschließungsunternehmer sich gegenüber der Gemeinde verpflichten kann, die Erschließungskosten ganz oder teilweise zu tragen, und zwar unabhängig davon, ob die Erschließungsanlagen nach Bundes- oder Landesrecht beitragsfähig sind. Zu den über den Katalog des § 127 Abs. 2 BauGB hinausgehenden "Erschließungsanlagen" im Sinne von § 124 Abs. 2 BauGB können auch ‑ im Falle der Beitragserhebung ‑ nach Landesrecht abzurechnende leitungsgebundene Anlagen fallen, die der Entwässerung sowohl der Straße als auch der Anliegergrundstücke dienen einschließlich der zugehörigen Grundstücksanschlussleitungen. Zudem ist auch der Begriff der "Erschließungskosten" bewusst weiter gefasst als der des "Erschließungsaufwands" im Sinne von §§ 127 Abs. 1, 128 BauGB. § 124 Abs. 2 Satz 2 BauGB erlaubt daher gerade die vertragliche Überbürdung auch solcher Kosten, die eine Gemeinde im Beitragswege nicht hätte abrechnen können.
101Vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 10. August 2011 ‑ 9 C 6.10 ‑, juris, Rn. 20 ff., 29 (= BVerwGE 140, 209); zur Verfassungsmäßigkeit der mit Rückwirkung verbundenen Übergangsregelung des § 242 Abs. 8 Satz 1 BauGB siehe bereits BVerwG, Urteil vom 27. Juni 1997 ‑ 8 C 23.96 ‑, juris, Rn. 23 f. (= NJW 1997, 3257); zum Ganzen auch Fischer/Korbmacher, in: Hoppenberg/de Witt, Handbuch des öffentlichen Baurechts, Kapitel F Rn. 44 f.
102Die genannten Regelungen finden auch auf den vorliegenden Vertrag Anwendung. Der "echte" Erschließungsvertrag ist dadurch gekennzeichnet, dass der Erschließungsunternehmer die vertraglich geschuldete Erschließung vollständig selbst finanziert und die hergestellten Erschließungsanlagen der Gemeinde ‑ gegebenenfalls mit Ausnahme des gemeindlichen Eigenanteils gemäß § 129 Abs. 1 Satz 3 BauGB, dessen Verbleib bei der Gemeinde für vor dem 1. Mai 1993 abgeschlossene Erschließungsverträge nicht abdingbarer, notwendiger Vertragsbestandteil ist (vgl. § 242 Abs. 8 Satz 2 BauGB) ‑ ohne Kostenerstattung überträgt. Demgegenüber sieht § 4 Nr. 4 AV hier zusätzlich vor, dass, soweit durch die Erschließung Grundstücke anderer Anlieger als der Klägerin oder einer ihrer Schwesterfirmen baureif werden, die Beklagte diese nach ihrer Satzung veranlagt und die eingenommenen Beträge an die Klägerin überweist. Intention dieser Bestimmung war es offenbar, eine Belastung der sogenannten Fremdanlieger mit den auf ihre Grundstücke entfallenden Erschließungskosten zu ermöglichen, mit der Folge, dass der Erschließungsaufwand insoweit im Ergebnis nicht endgültig beim Erschließungsträger verbleibt. Es mag dahinstehen, ob dieses Ziel allein mit der gewählten Formulierung erreicht werden konnte, die zumindest nicht ausdrücklich einen beitragsfähigen Erschließungsaufwand der Beklagten begründet, sondern vielmehr voraussetzt.
103Vgl. in diesem Zusammenhang Nds. OVG,Beschluss vom 22. November 2006 ‑ 9 ME 269/06 ‑, juris, Rn. 3, 11 (= NVwZ-RR 2007, 341).
104Jedenfalls bleibt auch ein um eine solche Kostenabrede ergänzter Vertrag gemäß der Rechtsprechung seiner Qualität nach ein Erschließungsvertrag, der den Regeln des § 124 BauGB unterliegt,
105vgl. BVerwG, Urteil vom 22. März 1996 ‑ 8 C 17.94 ‑, juris, Rn. 34 (= NVwZ 1996, 794), bestätigt durch Urteil vom 30. Januar 2013 ‑ 9 C 11.11 ‑, juris, Rn. 11 ff. (= NVwZ-RR 2013, 479); Fischer/Korbmacher, in: Hoppenberg/de Witt, Handbuch des öffentlichen Baurechts, Kapitel F Rn. 37,
106wobei lediglich die Bezeichnung variiert. Während das Bundesverwaltungsgericht in den vorzitierten Entscheidung von einem "modifizierten" Erschließungsvertrag spricht, hat das erkennende Gericht ‑ und ihm augenscheinlich folgend auch das Verwaltungsgericht ‑ in diesem Zusammenhang den Begriff "Vorfinanzierungsvertrag" verwendet.
107Vgl. OVG NRW, Urteile vom 25. Januar 1994 ‑ 3 A 1721/89 ‑, OVG RSE, § 123 BBauG/§ 124 BauGB, und vom 29. September 2004 ‑ 3 A 2427/01 ‑, juris, Rn. 24.
108An dieser rechtlichen Einordnung ändert sich schließlich nicht allein dadurch etwas, dass sich die Beklagte im Interesse des Erschließungsträgers zum Erwerb von Erschließungsflächen verpflichtet hat, da auch dieser Erwerb im Ergebnis auf Kosten des Erschließungsträgers erfolgen sollte (vgl. §§ 6 Abs. 1, 5 Abs. 3 Satz 2 AV).
109II. Auf die Frage der Verjährung kommt es nach alledem nicht an.
110Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
111Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 709 Satz 2, 711 ZPO.
112Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.
ra.de-Urteilsbesprechung zu Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Urteil, 17. Nov. 2015 - 15 A 16/11
Urteilsbesprechung schreiben0 Urteilsbesprechungen zu Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Urteil, 17. Nov. 2015 - 15 A 16/11
Referenzen - Gesetze
Referenzen - Urteile
Urteil einreichenOberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Urteil, 17. Nov. 2015 - 15 A 16/11 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).
(1) Die Gemeinden erheben zur Deckung ihres anderweitig nicht gedeckten Aufwands für Erschließungsanlagen einen Erschließungsbeitrag nach Maßgabe der folgenden Vorschriften.
(2) Erschließungsanlagen im Sinne dieses Abschnitts sind
- 1.
die öffentlichen zum Anbau bestimmten Straßen, Wege und Plätze; - 2.
die öffentlichen aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen mit Kraftfahrzeugen nicht befahrbaren Verkehrsanlagen innerhalb der Baugebiete (z. B. Fußwege, Wohnwege); - 3.
Sammelstraßen innerhalb der Baugebiete; Sammelstraßen sind öffentliche Straßen, Wege und Plätze, die selbst nicht zum Anbau bestimmt, aber zur Erschließung der Baugebiete notwendig sind; - 4.
Parkflächen und Grünanlagen mit Ausnahme von Kinderspielplätzen, soweit sie Bestandteil der in den Nummern 1 bis 3 genannten Verkehrsanlagen oder nach städtebaulichen Grundsätzen innerhalb der Baugebiete zu deren Erschließung notwendig sind; - 5.
Anlagen zum Schutz von Baugebieten gegen schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes, auch wenn sie nicht Bestandteil der Erschließungsanlagen sind.
(3) Der Erschließungsbeitrag kann für den Grunderwerb, die Freilegung und für Teile der Erschließungsanlagen selbständig erhoben werden (Kostenspaltung).
(4) Das Recht, Abgaben für Anlagen zu erheben, die nicht Erschließungsanlagen im Sinne dieses Abschnitts sind, bleibt unberührt. Dies gilt insbesondere für Anlagen zur Ableitung von Abwasser sowie zur Versorgung mit Elektrizität, Gas, Wärme und Wasser.
Die Aufrechnung bewirkt, dass die Forderungen, soweit sie sich decken, als in dem Zeitpunkt erloschen gelten, in welchem sie zur Aufrechnung geeignet einander gegenübergetreten sind.
Hat die Gemeinde einen Bebauungsplan im Sinne des § 30 Absatz 1 erlassen und lehnt sie das zumutbare Angebot zum Abschluss eines städtebaulichen Vertrags über die Erschließung ab, ist sie verpflichtet, die Erschließung selbst durchzuführen.
Die Aufrechnung bewirkt, dass die Forderungen, soweit sie sich decken, als in dem Zeitpunkt erloschen gelten, in welchem sie zur Aufrechnung geeignet einander gegenübergetreten sind.
Hat die Gemeinde einen Bebauungsplan im Sinne des § 30 Absatz 1 erlassen und lehnt sie das zumutbare Angebot zum Abschluss eines städtebaulichen Vertrags über die Erschließung ab, ist sie verpflichtet, die Erschließung selbst durchzuführen.
(1) Die Gemeinden erheben zur Deckung ihres anderweitig nicht gedeckten Aufwands für Erschließungsanlagen einen Erschließungsbeitrag nach Maßgabe der folgenden Vorschriften.
(2) Erschließungsanlagen im Sinne dieses Abschnitts sind
- 1.
die öffentlichen zum Anbau bestimmten Straßen, Wege und Plätze; - 2.
die öffentlichen aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen mit Kraftfahrzeugen nicht befahrbaren Verkehrsanlagen innerhalb der Baugebiete (z. B. Fußwege, Wohnwege); - 3.
Sammelstraßen innerhalb der Baugebiete; Sammelstraßen sind öffentliche Straßen, Wege und Plätze, die selbst nicht zum Anbau bestimmt, aber zur Erschließung der Baugebiete notwendig sind; - 4.
Parkflächen und Grünanlagen mit Ausnahme von Kinderspielplätzen, soweit sie Bestandteil der in den Nummern 1 bis 3 genannten Verkehrsanlagen oder nach städtebaulichen Grundsätzen innerhalb der Baugebiete zu deren Erschließung notwendig sind; - 5.
Anlagen zum Schutz von Baugebieten gegen schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes, auch wenn sie nicht Bestandteil der Erschließungsanlagen sind.
(3) Der Erschließungsbeitrag kann für den Grunderwerb, die Freilegung und für Teile der Erschließungsanlagen selbständig erhoben werden (Kostenspaltung).
(4) Das Recht, Abgaben für Anlagen zu erheben, die nicht Erschließungsanlagen im Sinne dieses Abschnitts sind, bleibt unberührt. Dies gilt insbesondere für Anlagen zur Ableitung von Abwasser sowie zur Versorgung mit Elektrizität, Gas, Wärme und Wasser.
(1) Für vorhandene Erschließungsanlagen, für die eine Beitragspflicht auf Grund der bis zum 29. Juni 1961 geltenden Vorschriften nicht entstehen konnte, kann auch nach diesem Gesetzbuch kein Beitrag erhoben werden.
(2) Soweit am 29. Juni 1961 zur Erfüllung von Anliegerbeitragspflichten langfristige Verträge oder sonstige Vereinbarungen, insbesondere über das Ansammeln von Mitteln für den Straßenbau in Straßenbaukassen oder auf Sonderkonten bestanden, können die Länder ihre Abwicklung durch Gesetz regeln.
(3) § 125 Absatz 3 ist auch auf Bebauungspläne anzuwenden, die vor dem 1. Juli 1987 in Kraft getreten sind.
(4) § 127 Absatz 2 Nummer 2 ist auch auf Verkehrsanlagen anzuwenden, die vor dem 1. Juli 1987 endgültig hergestellt worden sind. Ist vor dem 1. Juli 1987 eine Beitragspflicht nach Landesrecht entstanden, so verbleibt es dabei.
(5) Ist für einen Kinderspielplatz eine Beitragspflicht bereits auf Grund der vor dem 1. Juli 1987 geltenden Vorschriften (§ 127 Absatz 2 Nummer 3 und 4 des Bundesbaugesetzes) entstanden, so verbleibt es dabei. Die Gemeinde soll von der Erhebung des Erschließungsbeitrags ganz oder teilweise absehen, wenn dies auf Grund der örtlichen Verhältnisse, insbesondere unter Berücksichtigung des Nutzens des Kinderspielplatzes für die Allgemeinheit, geboten ist. Satz 2 ist auch auf vor dem 1. Juli 1987 entstandene Beiträge anzuwenden, wenn
- 1.
der Beitrag noch nicht entrichtet ist oder - 2.
er entrichtet worden, aber der Beitragsbescheid noch nicht unanfechtbar geworden ist.
(6) § 128 Absatz 1 ist auch anzuwenden, wenn der Umlegungsplan (§ 66 des Bundesbaugesetzes) oder die Vorwegregelung (§ 76 des Bundesbaugesetzes) vor dem 1. Juli 1987 ortsüblich bekannt gemacht worden ist (§ 71 des Bundesbaugesetzes).
(7) Ist vor dem 1. Juli 1987 über die Stundung des Beitrags für landwirtschaftlich genutzte Grundstücke (§ 135 Absatz 4 des Bundesbaugesetzes) entschieden und ist die Entscheidung noch nicht unanfechtbar geworden, ist § 135 Absatz 4 dieses Gesetzbuchs anzuwenden.
(8) § 124 Absatz 2 Satz 2 in der bis zum 21. Juni 2013 geltenden Fassung ist auch auf Kostenvereinbarungen in Erschließungsverträgen anzuwenden, die vor dem 1. Mai 1993 geschlossen worden sind. Auf diese Verträge ist § 129 Absatz 1 Satz 3 weiterhin anzuwenden.
(9) Für Erschließungsanlagen oder Teile von Erschließungsanlagen in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrags genannten Gebiet, die vor dem Wirksamwerden des Beitritts bereits hergestellt worden sind, kann nach diesem Gesetz ein Erschließungsbeitrag nicht erhoben werden. Bereits hergestellte Erschließungsanlagen oder Teile von Erschließungsanlagen sind die einem technischen Ausbauprogramm oder den örtlichen Ausbaugepflogenheiten entsprechend fertiggestellten Erschließungsanlagen oder Teile von Erschließungsanlagen. Leistungen, die Beitragspflichtige für die Herstellung von Erschließungsanlagen oder Teilen von Erschließungsanlagen erbracht haben, sind auf den Erschließungsbeitrag anzurechnen. Die Landesregierungen werden ermächtigt, bei Bedarf Überleitungsregelungen durch Rechtsverordnung zu treffen.
Hat die Gemeinde einen Bebauungsplan im Sinne des § 30 Absatz 1 erlassen und lehnt sie das zumutbare Angebot zum Abschluss eines städtebaulichen Vertrags über die Erschließung ab, ist sie verpflichtet, die Erschließung selbst durchzuführen.
Soweit sich aus den §§ 54 bis 61 nichts Abweichendes ergibt, gelten die übrigen Vorschriften dieses Gesetzes. Ergänzend gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs entsprechend.
Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Tatbestand:
- 1
- Die Beklagte betreibt den Internetauftritt www.bild.de. Am 13. Oktober 2009 veröffentlichte sie dort unter dem Titel "H. Hier radelt die Ex-RAFTerroristin in den Freigang" ein Foto von Frau H., das heimlich aufgenommen worden war. Bild und Nachricht konnten von den RSS-Feed-Abonnenten der Beklagten bezogen werden. Frau H. beauftragte die nun aus abgetretenem Recht klagenden Rechtsanwälte mit der Wahrnehmung ihrer Interessen und diese nahmen im Namen von Frau H. die Beklagte auf Unterlassung der Ver- breitung des Bildes in Anspruch. Die Beklagte gab daraufhin am 13. Oktober 2009 folgende schriftliche Erklärung ab: "Die Bild Digital GmbH & Co. KG (frühere Firma der Beklagten) verpflichtet sich ohne Präjudiz für die Sach- und Rechtslage und ohne Anerkennung einer Rechtspflicht, gleichwohl rechtsverbindlich , gegenüber Frau H., es bei Meidung einer für den Fall der schuldhaften Zuwiderhandlung von Frau H. festzusetzenden, im Streitfall der Höhe nach vom zuständigen Gericht zu überprüfenden und an Frau H. zu zahlenden Vertragsstrafe, es zukünftig zu unterlassen, das nachfolgende Bildnis von Frau H. erneut zu verbreiten [Darstellung des Bildes] wie in der Bild vom 13.10.2009 unter der Überschrift "Hier radelt die Ex-RAF-Terroristin in den Freigang" geschehen." Am 13. Oktober 2009 löschte die Beklagte das Bild aus ihrem Internet2 auftritt, versah es mit einem Sperrvermerk und verbreitete diesen Sperrvermerk an die Adressaten eines in ihrem Haus eingerichteten "großen Verteilers". Sie stellte den Antrag auf Löschung im Google-Cache. Mit Schreiben vom 14. Oktober 2009 erklärte Frau H., vertreten durch die Kläger, die Annahme der Unterlassungserklärung. Die in Luxemburg ansässige Betreiberin eines deutschsprachigen Informationsportals - die W.S.A. - hatte als Abonnentin des RSS-Feeds vor der Sperrung von der Beklagten den Informationsblock mit dem Bild bereits bezogen, so dass das Bild mit der Überschrift "Ex-RAF-Terroristin H. radelt in den Freigang" am 16. Oktober 2009 auf ihrer Website noch zu sehen war. Im Auftrag von Frau H. nahmen die Kläger auch die W.S.A. auf Unterlassung in Anspruch. Diese entfernte das Bild, die Überschrift und den Begleittext von ihrer Website, verweigerte aber die Zahlung der durch die Inanspruchnahme der klagenden Rechtsanwälte entstanden Rechtsanwaltskosten, die die Kläger aus abgetretenem Recht von Frau H. gegen sie erfolglos geltend machten. Insoweit wird auf das Urteil des erkennenden Senats vom 27. März 2012 (VI ZR 144/11, NJW 2012, 2345) Bezug genommen.
- 3
- Im vorliegenden Rechtsstreit begehren die Kläger aus abgetretenem Recht der Frau H. von der Beklagten den Ersatz der Kosten ihrer Tätigkeit gegenüber dem Informationsportal W.S.A., die Kosten für das Aufforderungsschreiben an die Beklagte hinsichtlich dieser Ersatzforderung sowie die Zahlung einer Vertragsstrafe wegen Verletzung der strafbewehrten Unterlassungserklärung , weil das Bild noch am 16. Oktober 2009 in dem Informationsportal sichtbar war.
- 4
- Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung der Kläger hat das Landgericht zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihr Zahlungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
- 5
- Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Beklagte habe dem Unterlassungsgebot nicht schuldhaft zuwidergehandelt. Zwar habe der Beklagten als Unterlassungsschuldnerin grundsätzlich die Pflicht oblegen, jeden aufgrund ihres Verhaltens drohenden Verletzungsfall nach Kräften abzuwenden und dabei in angemessenem und zumutbarem Umfang auch auf außerhalb ihrer Betriebsorganisation stehende Dritte einzuwirken. Die Verbreitung eines Sperrvermerks via RSS-Feed an alle, die es angehe, und zwangsläufig auch an diejenigen, die es nicht angehe, sei ihr nicht abzuverlangen gewesen, käme dies doch einer Presseerklärung bzw. öffentlich verbreiteten Unterlassungserklärung gleich, die die Beklagte nicht schulde. Es sei ihr nicht zumutbar gewesen, vorsorglich je- den Abonnenten darüber zu informieren, dass ein RSS-Feed wegen einer geltend gemachten Rechtsverletzung aus dem Netz genommen worden sei. Die Überprüfung aller Bezieher ihres kostenlosen RSS-Feeds dahingehend, ob zwischenzeitlich von dem "Pull-Angebot" Gebrauch gemacht und das Bild von dort aus verbreitet worden sei, sei ihr nicht abzuverlangen und kurzfristig wohl auch nicht möglich gewesen. Mangels Verschuldens der Beklagten scheitere auch der geltend gemachte Kostenerstattungsanspruch.
II.
- 6
- Die Revision ist teilweise begründet.
- 7
- 1. Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Annahme des Berufungsgerichts , die Kläger könnten von der Beklagten nicht die Zahlung der versprochenen Vertragsstrafe verlangen.
- 8
- a) Allerdings geht das Berufungsgericht zutreffend davon aus, dass mit der Annahmeerklärung der Frau H., vertreten durch die Kläger, vom 14. Oktober 2009 zwischen Frau H. und der Beklagten ein Unterlassungsvertrag zustande gekommen ist (vgl. BGH, Urteil vom 18. Mai 2006 - I ZR 32/03, GRUR 2006, 878 Rn. 14 ff.).
- 9
- b) Die Parteien sind in der inhaltlichen Ausgestaltung eines Unterlassungsvertrages grundsätzlich frei (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juli 1997 - I ZR 40/95, WRP 1997, 3087). Die Auslegung eines Unterlassungsvertrages richtet sich nach den allgemeinen für die Vertragsauslegung geltenden Regeln (BGH, Urteile vom 17. Juli 1997 - I ZR 40/95, WRP 1997, 1067, 1069; vom 13. Februar 2003 - I ZR 281/01, GRUR 2003, 545; vom 20. Juni 1991 - I ZR 277/89, NJWRR 1991, 1318, 1319). Maßgebend ist demnach der wirkliche Wille der Ver- tragsparteien (§§ 133, 157 BGB), bei dessen Ermittlung neben dem Erklärungswortlaut die beiderseits bekannten Umstände wie insbesondere die Art und Weise des Zustandekommens der Vereinbarung, deren Zweck sowie die Interessenlage der Vertragsparteien heranzuziehen sind (BGH, Urteile vom 18. Mai 2006 - I ZR 32/03, GRUR 2006, 878 Rn. 18; vom 18. September 1997 - I ZR 71/95, GRUR 1998, 471, 472; vom 3. Juli 2003 - I ZR 297/00, NJW-RR 2003, 1278).
- 10
- c) Die Auslegung der einzelvertraglichen Regelung durch das Berufungsgericht kann vom Revisionsgericht darauf überprüft werden, ob gesetzliche Auslegungsregeln, anerkannte Auslegungsgrundsätze, Denkgesetze, Erfahrungssätze oder Verfahrensvorschriften verletzt worden sind (vgl. nur BGH, Urteile vom 13. Februar 2003 - I ZR 281/01, GRUR 2003, 545; vom 5. Juni 1997 - X ZR 73/95, NJW 1997, 3377, 3378; Senatsurteil vom 10. Februar 2009 - VI ZR 28/08, NJW 2009, 1482 Rn. 17). Die gesetzlichen Auslegungsvorschriften der §§ 133, 157 BGB verlangen nicht nur, dass der Tatrichter alle für die Auslegung erheblichen Umstände umfassend würdigt, sondern außerdem, dass er seine Erwägungen in den Entscheidungsgründen nachvollziehbar darlegt. Zumindest die wichtigsten für und gegen eine bestimmte Auslegung sprechenden Umstände sind in ihrer Bedeutung für das Auslegungsergebnis zu erörtern und gegeneinander abzuwägen. Ist die Begründung in diesem Sinne lückenhaft , so leidet die Entscheidung an einem rechtlichen Mangel und bindet das Revisionsgericht nicht (BGH, Urteil vom 16. Oktober 1991 - VIII ZR 140/90, NJW 1992, 170).
- 11
- d) Die Revision beanstandet zu Recht, dass die Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erkennen lässt, ob es bei der Bestimmung der Unterlassungspflichten der Beklagten davon ausgegangen ist, dass die Grundlage für die Frage nach einem Verstoß gegen Unterlassungspflichten zunächst die ver- tragliche Unterlassungsvereinbarung ist und deshalb gemäß §§ 133, 157 BGB für die Auslegung vom Wortlaut dieser Vereinbarung auszugehen ist. Das Berufungsgericht geht im Ansatz davon aus, dass grundsätzlich eine Verpflichtung der Beklagten zur Benachrichtigung und Einwirkung auf die RSS-FeedAbonnentin bestanden hat. Es hat, ohne den Unterlassungsvertrag auszulegen, die Ablehnung darauf gestützt, dass die Information und Einwirkung der Beklagten nicht zumutbar sei.
- 12
- Der Senat kann die von Seiten des Berufungsgerichts unterbliebene Auslegung selbst vornehmen, weil keine weiteren tatsächlichen Feststellungen zu erwarten sind (vgl. BGH, Urteile vom 5. Januar 1995 - IX ZR 101/94, NJW 1995, 959, 960; vom 5. Juni 1997 - X ZR 73/95, NJW 1997, 3377, 3378; vom 3. November 1993 - VIII ZR 106/93, NJW 1994, 188, 189). Danach hat sich die Beklagte in dem Unterlassungsvertrag nicht verpflichtet, RSS-FeedAbonnenten , die den RSS-Feed - wie im Streitfall die W.S.A. - vor der seitens der Beklagten am 13. Oktober 2009 erfolgten Sperrung bezogen haben, von der Beanstandung der Klägerin und der eigenen Unterlassungserklärung zu benachrichtigen oder in sonstiger Weise auf diese zur Verhinderung der Weiterverbreitung einzuwirken.
- 13
- Die Beklagte hat sich verpflichtet, es "zukünftig zu unterlassen, das [beanstandete ] Bildnis von Frau H. erneut zu verbreiten" wie in der Bild vom 13. Oktober 2009 geschehen. Indem auf die Art des Verbreitens am 13. Oktober 2009 Bezug genommen wird, ist damit die Veröffentlichung auf der Website wie auch die Bereitstellung für Abonnenten des RSS-Feeds gemeint. Die Wahl des Wortes "erneut" bringt für den Empfänger der Erklärung, Frau H., zum Ausdruck, dass die Beklagte das Bild nach dessen Löschung aus ihrem Internetauftritt und nach der Beendigung der Abrufbarkeit als RSS-Feed nicht wieder in dieser Form zugänglich machen wird. Dass die Beklagte auch die Verpflichtung übernommen hat, auf die RSS-Feed-Abonnenten, die das Bild vor dieser Löschungs- und Sperraktion abgerufen haben, einzuwirken, um sie von einer weiteren Veröffentlichung oder Verbreitung abzuhalten, lässt sich dem Wortlaut nicht entnehmen. Da der Abruf der W.S.A. vor dem Abschluss dieses Unterlassungsvertrages erfolgt ist, ist er keine Folge eines erneuten Zugänglichmachens des Bildes durch die Beklagte. Ansprüche aus der strafbewehrten Unterlassungserklärung auf Zahlung der Vertragsstrafe kann der Gläubiger aber grundsätzlich allein für ab dem Zeitpunkt des Vertragsabschlusses begangene Verstöße geltend machen. Dass die Vertragsparteien im Streitfall die rückwirkende Verpflichtung zur Zahlung der Vertragsstrafe für vor diesem Zeitpunkt liegende Verstöße gewollt haben, findet im Wortlaut der Vereinbarung keine Stütze (vgl. BGH, Urteil vom 18. Mai 2006 - I ZR 32/03, GRUR 2006, 878 Rn. 19).
- 14
- Auch Sinn und Zweck der durch ein Vertragsstrafeversprechen gesicherten Unterlassungsverpflichtung gebieten keine weitergehende Auslegung. Eine Einwirkung auf die RSS-Feed-Abonnentin war im Streitfall nicht erforderlich, um das hauptsächliche Ziel einer strafbewehrten Unterwerfung, die Beseitigung der Wiederholungsgefahr, sicherzustellen. Der für die Beseitigung der Wiederholungsgefahr erforderliche ernsthafte Unterlassungswille, der in der Unterwerfungserklärung und deren Strafsicherungsangebot sichtbaren Ausdruck finden muss (vgl. BGH, Urteil vom 10. Dezember 1992 - I ZR 186/90, BGHZ 121, 13, 19), wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass die strafbewehrte Verpflichtung sich nicht auch auf die Beseitigung der durch die Erstveröffentlichung und Abrufbarkeit Dritten ermöglichten weiteren Verbreitung oder öffentlichen Zurschaustellung erstreckt.
- 15
- Ebenso wenig bietet die Berücksichtigung des Zwecks der Vereinbarung und der Interessenlage der Vertragsparteien dem Vertragsverständnis der Re- vision eine Stütze. Bei der Auslegung eines Vertragsstrafeversprechens in einem Unterlassungsvertrag kann, wenn die Parteien nichts anderes vereinbart haben, nicht auf die Grundsätze zurückgegriffen werden, die für die Verhängung von Ordnungsmitteln bei der Unterlassungsvollstreckung nach § 890 ZPO maßgebend sind. Den Parteien kann ohne besondere Anhaltspunkte nicht der Wille unterstellt werden, bei der Regelung eines Unterlassungsvertrages eine Regelung gewollt zu haben, die der Rechtslage nach Erlass eines gleichlautenden Unterlassungstitels entspricht (BGH, Urteile vom 25. Januar 2001 - I ZR 323/98, BGHZ 146, 318, 323 f.; vom 20. Juni 1991 - I ZR 277/89, NJW-RR 1991, 1318, 1319).
- 16
- Aus der Sicht des Schuldners soll eine durch ein Vertragsstrafeversprechen gesicherte Unterlassungsverpflichtung sicherstellen, dass für von ihr erfasste Handlungen weder eine Wiederholungsgefahr noch eine Erstbegehungsgefahr besteht. Aus der Sicht des Gläubigers geht es in erster Linie um die Sicherung seines als schutzwürdig angesehenen Interesses am Unterbleiben weiterer Zuwiderhandlungen. Außerdem dient die strafbewehrte Unterlassungserklärung aus der Sicht des Gläubigers dazu, einen gerichtlichen Unterlassungstitel zu ersetzen. Es wird deshalb im Allgemeinen weder dem Interesse des Gläubigers noch dem Interesse des Schuldners entsprechen, durch die Unterlassungsverpflichtung schlechter gestellt zu werden als durch einen entsprechenden Titel (vgl. BGH, Urteile vom 18. Mai 2006 - I ZR 32/03, GRUR 2006, 878 Rn. 21, und vom 25. Januar 2001 - I ZR 323/98, BGHZ 146, 318, 325 f.). Damit ist zu beachten, dass es anerkannten Rechts ist, dass sich eine titulierte Unterlassungsverpflichtung nicht in bloßem Nichtstun erschöpft. Sie umfasst vielmehr auch die Vornahme von Handlungen zur Beseitigung eines zuvor geschaffenen Störungszustands, wenn allein dadurch dem Unterlassungsgebot Folge geleistet werden kann (BGH, Urteil vom 22. Oktober 1992 - IX ZR 36/92, BGHZ 120, 73, 76 f. mwN).
- 17
- So liegt der Fall hier aber nicht. Für ein solches Verständnis der Unterlassungserklärung ist angesichts des Wortlauts kein Raum. Durch die Verwendung des Wortes "erneut" haben die Vertragsparteien klargestellt, dass die Beklagte sich nur verpflichtet hat, das Bild nicht erneut zu verbreiten.
- 18
- 2. a) Soweit die Revision die Auffassung vertritt, einen Anspruch auf Schadensersatz in Gestalt der Rechtsanwaltskosten für das Abmahnschreiben gegenüber der W.S.A. sowie für das Aufforderungsschreiben gegenüber der Beklagten gemäß § 280 Abs. 1 BGB auf die Verletzung des Unterlassungsvertrags stützen zu können, bleibt ihr mangels einer Verletzung von Pflichten dieses Vertrags der Erfolg versagt.
- 19
- b) Die Revision hat allerdings insoweit Erfolg, als das Landgericht einen Erstattungsanspruch auf Ersatz der Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.425,98 € abgelehnt hat. In Betracht kommt ein Schadensersatzanspruch gemäß § 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 22, 23 KUG. Dies hat das Berufungsgericht nicht geprüft.
- 20
- aa) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist das Bild von Frau H. heimlich aufgenommen worden. Wenn das von der W.S.A. in ihr Informationsportal übernommene Bild wie das ursprünglich von der Beklagten veröffentlichte Bild erkennbar das äußere Erscheinungsbild von Frau H. wiedergibt (vgl. BGH, Urteil vom 10. November 1961 - I ZR 78/60, GRUR 1962, 211), handelt es sich um ein Bildnis im Sinne von § 22 Satz 1 KUG. Die Zulässigkeit der Veröffentlichung beurteilte sich in diesem Fall nach dem abgestuften Schutzkonzept der §§ 22, 23 KUG (vgl. grundlegend Senatsurteile vom 6. März 2007 - VI ZR 51/06, BGHZ 171, 275 Rn. 9 ff.; vom 18. Oktober 2011 - VI ZR 5/10, VersR 2012, 116 Rn. 8 f.; vom 22. November 2011 - VI ZR 26/11, VersR 2012, 192 Rn. 23 f.; vom 18. September 2012 - VI ZR 291/10, VersR 2012, 1403 Rn. 25 f. und vom 28. Mai 2013 - VI ZR 125/12, VersR 2013, 1178 Rn. 10, jeweils mwN), das sowohl mit verfassungsrechtlichen Vorgaben (vgl. BVerfGE 120, 180, 201 ff.) als auch mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Einklang steht (vgl. EGMR NJW 2004, 2647; 2006, 591 sowie NJW 2012, 1053 und 1058). Danach dürfen Bildnisse einer Person grundsätzlich nur mit deren Einwilligung verbreitet werden (§ 22 Satz 1 KUG). Hiervon besteht allerdings gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG eine Ausnahme, wenn es sich um Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt. Diese Ausnahme gilt aber nicht für die Verbreitung, durch die berechtigte Interessen des Abgebildeten verletzt werden (§ 23 Abs. 2 KUG; vgl. Senatsurteil vom 8. April 2014 - VI ZR 197/13, VersR 2014, 890 Rn. 8 mwN). Dazu hat das Berufungsgericht Feststellungen nicht getroffen.
- 21
- bb) Die - hier unterstellte - Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in der Form des Rechts am eigenen Bild von Frau H. wäre der Beklagten zuzurechnen, auch wenn sie erst durch die Weiterverbreitung des Ursprungsbildes durch Dritte wie hier durch eine Veröffentlichung seitens des RSS-FeedAbonnenten im Internet entstanden wäre. Der Senat hat im Urteil vom 17. September 2013 (VI ZR 211/12, BGHZ 199, 237, Rn. 55 f.) ausgeführt, dass die durch die Weiterverbreitung des Ursprungsbeitrags verursachten Rechtsverletzungen sowohl äquivalent als auch adäquat-kausal auf die Erstveröffentlichung zurückzuführen sind, da Meldungen im Internet typischerweise von Dritten verlinkt und kopiert werden. Der Zusammenhang wäre auch nicht deshalb zu verneinen, weil die Persönlichkeitsrechtsverletzung erst durch das selbständige Dazwischentreten Dritter verursacht worden ist. Wirken in der Rechtsgutsverletzung die besonderen Gefahren fort, die durch die erste Ursache gesetzt wurden, kann der haftungsrechtliche Zurechnungszusammenhang nicht verneint werden. So läge es im Streitfall bezogen auf die Erstveröffentlichung des Bildes von Frau H. im Internetportal der Beklagten. Auch wenn die W.S.A. sich das Bild erst durch den von der Beklagten angebotenen RSS-Feed verschafft und in ihr Informationsportal eingestellt hat, stellte dies eine Verwirklichung der von der Beklagten geschaffenen internettypischen Gefahr dar.
- 22
- cc) Ausgehend von einem rechtswidrigen schuldhaften Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht in der Form des Rechts am eigenen Bild stünde Frau H. dem Grunde nach ein Erstattungsanspruch hinsichtlich der Rechtsverfolgungskosten gegen die Beklagte aus § 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 22, 23 KUG zu, da die Einschaltung eines Rechtsanwalts zur Wahrnehmung ihrer Rechte grundsätzlich notwendig war (vgl. Senatsurteil vom 12. Dezember 2006 - VI ZR 175/05, NJW-RR 2007, 856 Rn. 10; BGH, Urteil vom 31. Januar 2012 - VIII ZR 277/11, NZM 2012, 607 Rn. 9 mwN). Die im Streitfall bestehende Besonderheit , dass ein Dritter zur Unterlassung aufgefordert wurde, dessen etwaige Haftung erst durch einen Hinweis auf eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts durch die Veröffentlichung des Bildes ausgelöst werden konnte (vgl. dazu Senatsurteil vom 27. März 2012 - VI ZR 144/11, NJW 2012, 2345 Rn. 19), führte nicht zu einer anderen Beurteilung, da es sich hierbei um grundsätzlich ersatzfähige Aufwendungen zur Schadensabwehr handelt (vgl. Senatsurteil vom 15. November 1977 - VI ZR 101/76, BGHZ 70, 39, 43 f.; vgl. Burkhardt in Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., Kap. 14 Rn. 37 ff.).
- 23
- c) Das Berufungsurteil ist danach insoweit aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Für eine abschließende Ent- scheidung sind weitere Feststellungen zu den Voraussetzungen des möglichen Schadensersatzanspruchs erforderlich.
Offenloch Oehler
Vorinstanzen:
AG Berlin-Tempelhof-Kreuzberg, Entscheidung vom 09.07.2013 - 4 C 587/12 -
LG Berlin, Entscheidung vom 05.12.2013 - 27 S 16/13 -
Die Aufrechnung bewirkt, dass die Forderungen, soweit sie sich decken, als in dem Zeitpunkt erloschen gelten, in welchem sie zur Aufrechnung geeignet einander gegenübergetreten sind.
Tatbestand
- 1
-
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist ein Versicherungsunternehmen. Zur Sicherung eines von ihr mit Vertrag vom 13. Juni 2001 gewährten Darlehens trat der Darlehensnehmer (A) am 3. Januar 2002 seinen erwarteten Anspruch auf Investitionszulage 2001, die ihm auf seinen Antrag vom 10. Januar 2002 mit Bescheid vom 8. April 2002 in Höhe von 1.334.607 € gewährt worden ist, an die Klägerin ab. Die Klägerin übersandte dem seinerzeit zuständigen Finanzamt H mit Telefax vom 13. Februar 2002 die Abtretungsanzeige.
- 2
-
Der A schuldete zu diesem Zeitpunkt Abgaben, die ihm das Finanzamt H zu einem erheblichen Teil auf seine, dem Investitionszulageantrag beigefügten Anträge hin gestundet hatte. In diesen Anträgen hatte der A --wie schon in Vorjahren-- unter Verwendung des Begriffs "Verrechnungsstundung" gebeten, von Vollstreckungsmaßnahmen abzusehen und keine Säumniszuschläge anzufordern, bis das Guthaben aus der Investitionszulage 2001 zur Verrechnung zur Verfügung stehen werde.
- 3
-
Nach diversen Verrechnungen mit Abgabenrückständen und zinslosen Verrechnungsstundungen, u.a. hinsichtlich Umsatzsteuer in Höhe von 536.126,10 € bis zum 30. April 2002 (Stundungsverfügungen vom 21. Dezember 2001 und 22. Januar 2002), überwies das Finanzamt H in den Jahren 2002 und 2003 in Teilbeträgen insgesamt 444.361,76 € an die Klägerin.
- 4
-
Gegen die Auskunft des Finanzamts H über die zur Verrechnung mit dem Guthaben aus der Investitionszulage verwendeten Abgabenschulden legte die Klägerin "Einspruch" ein, mit dem sie sich gegen die Verrechnung der an sie abgetretenen Investitionszulage mit nicht fälligen Steuerforderungen wandte und die Zahlung weiterer 578.372,70 € forderte. Das zuständig gewordene Finanzamt T (Beklagter und Revisionskläger --FA--) rügte zunächst, dass die Abtretungsanzeige nicht im Original vorliege, und erließ --nachdem die Klägerin das Original zwischenzeitlich vorgelegt hatte-- am 14. Juli 2004 einen Rückforderungsbescheid nach § 37 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) über 444.361,76 € wegen Unwirksamkeit der seinerzeit nur in Kopie vorgelegten Abtretungsanzeige. Der Einspruch der Klägerin, der zum einen mit dem Fehlen eines für die Rückforderung erforderlichen Abrechnungsbescheids nach § 218 Abs. 2 AO, zum anderen mit der Formwirksamkeit der durch Telefax übermittelten Abtretungsanzeige und schließlich damit begründet war, das FA könne sich nach Treu und Glauben nicht auf die Formunwirksamkeit berufen, da das Finanzamt H die Anzeige am 18. Februar 2002 nicht beanstandet, sondern bestätigt habe, blieb erfolglos.
- 5
-
Am Tage der Einspruchsentscheidung erließ das FA einen Abrechnungsbescheid gemäß § 218 Abs. 2 AO, in dem es die Zahlung der geforderten weiteren 578.372,70 € wegen Formunwirksamkeit der Abtretungsanzeige ablehnte. Das Klageverfahren ist noch beim Finanzgericht (FG) anhängig.
- 6
-
Der Klage gegen den Rückforderungsbescheid hat das FG stattgegeben. Es ist anders als der erkennende Senat im Urteil vom 13. Oktober 1987 VII R 166/84 (BFH/NV 1988, 416) der Auffassung, dass die per Telefax übermittelte Abtretungsanzeige formwirksam sei. Der Zweck der nach § 46 Abs. 3 Satz 2 AO geforderten Unterschrift des A, ihm die Bedeutung seiner Erklärung vor Augen zu führen, bedeute nicht, dass die Unterschrift im Original eingehen müsse, sondern dass sich deren Bedeutung dem Erklärenden bereits durch den Vollzug der eigenhändigen Unterschrift erschließe. Auch lasse sich den Geboten der Verwendung des amtlich vorgeschriebenen Vordrucks, der Schriftlichkeit und der Feststellung der Urheberschaft der Erklärung und deren Wirkung für den Rechtsverkehr nicht nur anhand des Originals Rechnung tragen; vielmehr könnten sich diese ebenso gut aus einer per Telefax übermittelten Kopie ergeben. Auch das am 10. Januar 2002 zugestellte vorläufige Zahlungsverbot und der von einer Bank erwirkte Pfändungs- und Überweisungsbeschluss der Investitionszulage in Höhe von 675.097,01 € stünden der wirksamen Abtretung schon deshalb nicht entgegen, weil auch unter Berücksichtigung dieser Pfändung von der Investitionszulage noch ein überschüssiger Betrag von 659.509,99 € habe wirksam abgetreten werden können. Das FA könne einen Rückzahlungsanspruch auch nicht aus den von ihm genannten Aufrechnungen herleiten. Denn hinsichtlich der Forderungen, mit denen das Finanzamt H aufgerechnet habe, habe zu einem hier entscheidenden Teil am 13. Februar 2002 keine Aufrechnungslage bestanden. Dies betreffe u.a. die bis zum 30. April 2002 gestundeten 536.126,10 € Umsatzsteuer, die am 13. Februar 2002 somit nicht fällig gewesen seien. Das Finanzamt H habe demnach nur mit den übrigen am 13. Februar 2002 fälligen Forderungen in Höhe von 172.317,69 € wirksam aufrechnen können. Daraus ergebe sich rechnerisch ein verbleibender Anspruch der Klägerin in Höhe von 487.192,30 € (1.334.607 € Investitionszulage minus 675.097,01 € Bankpfändung minus 172.317,69 € berechtigte Aufrechnung des FA). Der Betrag liege unter dem vom Finanzamt H an die Klägerin ausgezahlten und zurückgeforderten Betrag von 444.361,76 €. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2009, 1614 veröffentlicht.
- 7
-
Das FA begründet seine Revision zum einen damit, dass die Übermittlung einer Abtretungsanzeige per Telefax nicht dem Formerfordernis des § 46 Abs. 3 AO entspreche und dass an der vom Bundesfinanzhof (BFH) vertretenen Rechtsauffassung dazu festzuhalten sei. Zum anderen hält es die Auffassung des FG für rechtsfehlerhaft, dass die zur Aufrechnung mit der Investitionszulage gestellten Umsatzsteuerrückstände wegen der bei Erlass des Investitionszulagebescheids fortbestehenden Stundung nicht fällig gewesen seien und das Finanzamt H deshalb damit nicht rechtswirksam habe aufrechnen können.
- 8
-
Die Klägerin hält die Abtretung für wirksam, weil auch durch die Übermittlung der Anzeige per Fax das mit dem Formerfordernis der eigenhändigen Unterschrift verfolgte Ziel, den unerfahrenen Steuerpflichtigen davor zu schützen, seine Ansprüche unüberlegt, zu unangemessenen Bedingungen oder an unseriöse Zessionare abzutreten, gewahrt werde und die neuere Rechtsprechung und Gesetzgebung zur Anwendung neuer Kommunikationsmittel eine Änderung der Rechtsprechung betreffend die Formwirksamkeit von Abtretungsanzeigen per Fax rechtfertige. Irrig sei die Annahme, die Finanzbehörde könne bei Faxübermittlung durch den Zessionar nicht erkennen, ob der A die Abtretungsanzeige tatsächlich habe in den Verkehr bringen wollen oder ob er sich zu diesem Zeitpunkt vom Zessionar das Original bereits habe aushändigen lassen, um es zu vernichten. Dies sei nicht möglich. Reiche nämlich der Zessionar nicht das Original ein, so habe das FA nach der Rechtsprechung des BFH unabhängig von der Vorlage der Anzeige durch Fax eine Prüfung der Bevollmächtigung zur Einreichung der Anzeige vorzunehmen, weil diese nur bei Vorlage der Originalabtretungsanzeige als nachgewiesen gelte. Für das FA sei daher sehr wohl erkennbar, dass der Sachverhalt weiter zu prüfen sei.
- 9
-
Richtig sei auch, dass die Aufrechnung des Finanzamts H wegen der fortbestehenden Stundung der Steuerrückstände unwirksam gewesen sei. Für ein Abweichen von der in § 406 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) geforderten gleichzeitigen Fälligkeit von Haupt- und Gegenforderung bestehe ebenso wie in den vom BFH zu § 406 BGB entschiedenen Fällen keine Veranlassung. Das FA habe bei der Gewährung der Stundung selbst alle Gestaltungsmittel in der Hand, sich bei Entstehung der Hauptforderung durch Aufrechnung von der Auszahlung der Investitionszulage zu befreien. Dass es diese Möglichkeit nicht genutzt, sondern durch Stundung selbst vereitelt habe, könne nicht zulasten der Klägerin gehen.
Entscheidungsgründe
- 10
-
II. Die Revision ist unbegründet. Das Urteil des FG entspricht dem Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
- 11
-
Der Rückforderungsbescheid ist rechtswidrig. Das FA hat keinen Anspruch auf Rückzahlung des an die Klägerin ausgezahlten Betrages von 444.361,76 €.
- 12
-
1. Die Rückforderung ist nicht --wie das FA meint-- schon deshalb berechtigt, weil die Abtretung am 13. Februar 2002 wegen der Übersendung der Abtretungsanzeige per Telefax nicht wirksam geworden ist.
- 13
-
Gemäß § 46 Abs. 2 und 3 AO wird die Abtretung erst wirksam, wenn sie der Gläubiger der zuständigen Finanzbehörde unter Angabe des Abtretenden, des Abtretungsempfängers sowie der Art und Höhe des abgetretenen Anspruchs und des Abtretungsgrundes auf einem vom Abtretenden und vom Abtretungsempfänger unterschriebenen amtlich vorgeschriebenen Vordruck anzeigt. Der Senat schließt sich der Rechtsauffassung des FG an, dass eine durch Telefax übersandte Abtretungsanzeige diesen Anforderungen genügt. An der in seiner Entscheidung in BFH/NV 1988, 416 geäußerten Rechtsauffassung, dass die Abtretungsanzeige i.S. des § 46 AO nur bei Vorlage des eigenhändig unterschriebenen Originals rechtswirksam sei, hält der Senat nicht mehr fest.
- 14
-
Die formalisierte Abtretungsanzeige soll die Zedenten davor schützen, ihre Erstattungsansprüche unüberlegt, zu unangemessenen Bedingungen oder an unseriöse Zessionare abzutreten; darüber hinaus soll sie der Finanzbehörde die Bearbeitung der Erstattungsanträge erleichtern (Urteile des Senats vom 6. Dezember 1988 VII R 206/83, BFHE 155, 40, BStBl II 1989, 223; vom 25. Juni 1985 VII R 195/82, BFHE 144, 2, 5, BStBl II 1985, 572, m.w.N.). Bei den Anforderungen an die Wahrung der Formerfordernisse des § 46 Abs. 3 AO ist zu beachten, dass deren Schutzfunktion für den Abtretenden die Regelung des § 46 Abs. 5 AO gegenübersteht. Danach müssen Abtretender und Abtretungsempfänger der Finanzbehörde gegenüber die angezeigte Abtretung gegen sich gelten lassen, auch wenn sie nicht erfolgt, nicht wirksam oder nichtig ist. Durch diese der Vorschrift des § 409 Abs. 1 BGB nachgebildete Regelung soll das durch die Abtretungsanzeige des Gläubigers erzeugte Vertrauen des Schuldners, hier des FA, darauf, dass die Forderung abgetreten ist, geschützt werden. Nach der Rechtsprechung des Senats braucht die Finanzbehörde die Wirksamkeit der Abtretung nicht zu prüfen und kann, wenn ihr die Abtretung angezeigt ist, grundsätzlich auch dann mit befreiender Wirkung an den Abtretungsempfänger leisten, wenn sie positiv weiß, dass die Abtretungsanzeige nicht der vorgeschriebenen Form entspricht oder die Abtretung aus sonstigen Gründen unwirksam ist (vgl. Beschluss vom 24. April 2006 VII B 322/05, BFH/NV 2006, 1442, m.w.N.). Diese einschneidenden Wirkungen misst der Senat allerdings nur einer Abtretungsanzeige zu, die der Abtretende oder sein Vertreter selbst unterschrieben hat; bei fehlender oder gefälschter Unterschrift kann das FA als Schuldner nicht beanspruchen, mit befreiender Wirkung an den in der Anzeige angegebenen Abtretungsempfänger leisten zu können (Beschluss vom 19. März 2009 VII B 45/08, BFH/NV 2009, 1236). Nach den Feststellungen des FG haben Zessionarin (durch ihren gesetzlichen Vertreter) und Zedent jedoch im Streitfall die Abtretungsanzeige eigenhändig unterzeichnet.
- 15
-
In seiner Entscheidung in BFH/NV 1988, 416 hat der Senat dem FA den Schutz des § 46 Abs. 5 AO aber dann versagt, wenn ihm die Anzeige lediglich durch Telefax übermittelt worden ist. Zur Begründung heißt es dort, die nach § 46 Abs. 2 und 3 AO vorgesehene formalisierte Anzeige sei nur in ihrer formgerechten Verkörperung im Original zugangsfähig. Die Anzeige müsse daher demjenigen, an den sie gerichtet ist, in eben der vorgeschriebenen Form zugehen. Es genüge nicht den Anforderungen des § 46 Abs. 2 und 3 AO, wenn die Anzeige dem FA lediglich gezeigt, aber nicht übergeben oder eine Ablichtung davon übersandt werde.
- 16
-
Nach nochmaliger Überprüfung gelangt der Senat zu der Auffassung, dass diese Einschränkung des durch § 46 Abs. 5 AO geschützten Schuldnerinteresses nicht gerechtfertigt ist. Der mit den Formvorschriften des § 46 Abs. 2 und 3 AO bezweckte Schutz des Zedenten vor einer unüberlegten, die Tragweite der Entscheidung verkennenden Abtretung wird allein durch die Faxübermittlung der auf einem amtlichen Vordruck von Zessionar und Zedenten unterschriebenen Anzeige nicht beeinträchtigt. Der Wortlaut des § 46 Abs. 2 und 3 AO verlangt, dass der Gläubiger die Abtretung in der vorgeschriebenen Form, also "unter Angabe des Abtretenden, des Abtretungsempfängers sowie der Art und Höhe des abgetretenen Anspruchs und des Abtretungsgrundes auf einem amtlich vorgeschriebenen Vordruck" und vom Abtretenden und vom Abtretungsempfänger unterschrieben anzeigt. Auch die Faxkopie des amtlichen Vordrucks erfüllt diese Voraussetzung der Anzeige "auf einem amtlich vorgeschriebenen Vordruck", auch wenn es sich nicht mehr um den Originalvordruck, sondern um ein Bild davon handelt. Zwar mag der Wortlaut für sich genommen nahelegen, dass die Übersendung des Originalvordrucks verlangt wird. Da der Gesetzgeber aber in --soweit ersichtlich-- allen anderen, die Nutzung eines amtlichen Vordrucks anordnenden Regelungen die Formulierung gewählt hat, dass die Erklärung "nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck" abzugeben ist (§ 138 AO Anzeigen über die Erwerbstätigkeit, § 150 AO Form und Inhalt der Steuererklärungen, § 6 des Außensteuergesetzes, Besteuerung des Vermögenszuwachses etc.) und sich aus der Gesetzesbegründung (vgl. BTDrucks 7/2852, § 159 der Reichsabgabenordnung --RAO--, S. 47) keine Hinweise auf eine absichtsvolle abweichende Wortwahl ergeben, ist davon auszugehen, dass diesem Wortlaut allein keine entscheidende Bedeutung beizumessen ist. Im Übrigen hat der Senat bereits zur Verwendung eines überholten Anzeigevordrucks geurteilt, dass die Vordrucke keinen Selbstzweck haben; mit ihnen soll lediglich die Warn- und Schutzfunktion zugunsten des Abtretenden und eine Bearbeitungserleichterung zugunsten der Verwaltung sichergestellt werden. Werden diese Zwecke erreicht, so ist auch die Verwendung eines nicht mehr "amtlichen" Anzeigevordrucks für die Frage der Wirksamkeit der Abtretung unschädlich (Urteile vom 26. September 1995 VII R 29/95, BFH/NV 1996, 385, und vom 5. Oktober 2004 VII R 37/03, BFHE 208, 1, BStBl II 2005, 238). Diese Auffassung wird in Rechtsprechung und Literatur weitgehend geteilt (vgl. die Nachweise im Urteil des Niedersächsischen FG vom 30. November 2009 9 K 73/07, EFG 2010, 540).
- 17
-
Auch die Gefahr einer vom Zedenten nicht gewollten Übermittlung der Anzeige, etwa einer unberechtigt gezogenen Kopie oder eines vorbereiteten, aber noch nicht zur Weitergabe vorgesehenen Vordrucks, rechtfertigt es trotz der weitreichenden Folgen, die sich aus der Übermittlung der Anzeige nach § 46 Abs. 5 AO ergeben, nicht, die per Fax übermittelte Abtretungsanzeige als (form-)unwirksam anzusehen. Denn der Schutz des Zedenten soll nach § 46 Abs. 2 und 3 AO durch das Ausfüllen und Unterschreiben des amtlichen Vordrucks sichergestellt werden. Die Art der Übermittlung dieses Vordrucks --im Original per Post oder durch Telefax-- erfüllt danach keine Schutzfunktion. Gelangt die Anzeige --auf welchem Weg auch immer-- in den Bereich des FA, so greift vielmehr der Schuldnerschutz des § 46 Abs. 5 AO. Dementsprechend hat der Senat bereits ausgeführt, dass der Abtretende, der eine formgerechte Abtretungsanzeige unterzeichnet und sie dem Abtretungsempfänger in der Weise überlassen hat, dass dieser zumindest tatsächlich in die Lage versetzt wurde, die Anzeige der Finanzbehörde zu übermitteln, sich dem FA gegenüber auch dann nicht auf die Unwirksamkeit der Abtretung berufen könne, wenn es an der Bevollmächtigung zur Anzeige der Abtretung durch den Abtretungsempfänger bzw. zur Übermittlung der Abtretungsanzeige durch diesen als Boten fehle. Denn der Schuldnerschutz greift nach dem Wortlaut des § 46 Abs. 5 AO generell ein, wenn die angezeigte Abtretung "nicht erfolgt oder nicht wirksam oder... nichtig ist". Die Unwirksamkeit einer Abtretung im Sinne dieser Vorschrift kann sich danach gemäß § 46 Abs. 2 AO auch daraus ergeben, dass die vorgeschriebene Anzeige an das FA zwar im tatsächlichen Sinne erfolgt, aber rechtlich nicht wirksam ist, weil es an der Bevollmächtigung des hierzu nach dem Gesetz nicht ermächtigten Abtretungsempfängers durch den Abtretenden fehlt (Senatsurteil vom 22. März 1994 VII R 117/92, BFHE 174, 112, BStBl II 1994, 789). Hat aber die Nichtberechtigung zur Übermittlung der Original-Abtretungsanzeige keinen Einfluss auf die Anwendbarkeit des § 46 Abs. 5 AO, so erschließt sich nicht, weshalb dies bei nicht autorisierter Übermittlung einer Kopie der Abtretungsanzeige per Fax anders sein sollte. Das bei der Regelung des § 46 Abs. 5 AO im Vordergrund stehende Ziel der Bearbeitungserleichterung für das FA gebietet vielmehr nicht zuletzt im Hinblick auf die fortgeschrittene Entwicklung der elektronischen Datenübermittlung, die Wirksamkeit der Faxübermittlung nicht an den theoretischen Möglichkeiten der unrechtmäßigen Nutzung einer ausgefüllten Abtretungsanzeige scheitern zu lassen.
- 18
-
2. Die Rückforderung des der Klägerin vom Finanzamt H ausgezahlten Betrags von 444.361,76 € ist rechtswidrig, weil der Anspruch des A auf die Investitionszulage 2001 bei Zugang der Abtretungsanzeige beim Finanzamt H jedenfalls in Höhe des an die Klägerin ausgezahlten Betrags noch bestand und nicht durch Verrechnung gegenüber dem A oder Aufrechnung gegenüber der Klägerin erloschen war. Die Auszahlung an die Klägerin ist mithin mit Rechtsgrund erfolgt, so dass das FA nicht nach § 37 Abs. 2 Satz 1 AO berechtigt ist, den Betrag zurückzufordern.
- 19
-
Nach den Feststellungen des FG ergab sich rechnerisch ein verbleibender Anspruch aus der abgetretenen Investitionszulage in Höhe von 487.192,30 € (1.334.607 € Investitionszulage minus 675.097,01 € vorrangige Bankpfändung, minus 172.317,69 € nach Auffassung des FG berechtigte Aufrechnung des FA). Dabei hat das FG --im Ergebnis zu Recht-- verneint, dass auch die rückständigen Umsatzsteuern in Höhe von 536.126,10 € mit der Investitionszulage verrechnet worden sind.
- 20
-
Nach § 226 Abs. 1 AO gelten für die Aufrechnung gegen Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis sinngemäß die Vorschriften des bürgerlichen Rechts. Gemäß § 387 BGB können Forderungen, die ihrem Gegenstand nach gleichartig sind, gegeneinander aufgerechnet werden, sobald die eine Leistung gefordert und die andere Leistung bewirkt werden kann. Die Aufrechnung bewirkt, dass die Forderungen, soweit sie sich decken, als in dem Zeitpunkt erloschen gelten, in welchem sie zur Aufrechnung geeignet einander gegenübergetreten sind (§ 389 BGB).
- 21
-
Die Aufrechnungslage bestand hinsichtlich der Umsatzsteuern in Höhe von 536.126,10 € bis zur Stundung am 22. Januar 2002. Diese Steuern waren nach den finanzgerichtlichen Feststellungen sämtlich fällig und das FA konnte die ihm obliegende Leistung, die Investitionszulage 2001, bewirken. Der Aufrechnende kann die ihm obliegende Leistung bewirken, wenn seine Schuld existiert. Auf den Zeitpunkt der Festsetzung oder Fälligkeit kommt es nicht an (BFH-Urteil vom 3. Mai 1991 V R 105/86, BFH/NV 1992, 77, m.w.N.). Der Anspruch auf Investitionszulage ist mit Ablauf des Wirtschaftsjahres, in dem die Investitionen vorgenommen worden sind, hier also zum 31. Dezember 2001, entstanden (§ 38 AO; vgl. BFH-Urteil vom 20. September 1999 III R 33/97, BFHE 190, 266, BStBl II 2000, 208, m.w.N.).
- 22
-
a) Gegenüber dem A hat das FA jedoch vor Eingang der Abtretungsanzeige nicht aufgerechnet.
- 23
-
aa) Gegen die Annahme einer Aufrechnung spricht zwar nicht von vornherein, dass das Finanzamt H in der Folgezeit den jetzt zurückgeforderten Betrag an die Klägerin ausgezahlt hat. Allein daraus kann nicht geschlossen werden, dass das Finanzamt H selbst nicht von einer Auf- oder Verrechnung der offenen Umsatzsteuerschuld ausgegangen ist. Denn die Auszahlungen sind ersichtlich darauf zurück zu führen, dass die vorrangige Pfändung einer Bank in Höhe von 675.097,01 € bis dahin übersehen worden war und das Finanzamt H deshalb von einem nach Verrechnung verbleibenden Restbetrag aus der Investitionszulage 2001 ausging.
- 24
-
bb) Im Urteil des FG ist eine Erklärung der Aufrechnung des Finanzamts H gegenüber dem A indes nicht festgestellt. Nach den in Bezug genommenen Teilen der Verwaltungsakten lässt sich eine Aufrechnungserklärung nicht entnehmen. Allerdings hat die höchstrichterliche Rechtsprechung an die Form der Aufrechnungserklärung keine strengen Anforderungen gestellt; sie hat sogar schlüssige Handlungen genügen lassen, wenn der Wille zur Tilgung und Verrechnung klar und unzweideutig erkennbar war (BFH-Urteil vom 21. November 1995 VII R 30/95, BFH/NV 1996, 387). Jedoch spricht im Streitfall die Stundungsverfügung vom 22. Januar 2002 gerade gegen eine Aufrechnung zu diesem Zeitpunkt, da die Steuerforderungen mit der Aufrechnung erlöschen und eine Stundung ins Leere gegangen wäre.
- 25
-
Ob eine antragsgemäß gewährte Verrechnungsstundung konkludent als aufschiebend bedingte Aufrechnungserklärung des FA gewertet werden könnte, bedarf keiner Erörterung, da eine Aufrechnungserklärung gemäß § 388 BGB unwirksam ist, wenn sie unter einer Bedingung abgegeben wird.
- 26
-
cc) Dem vorliegenden Schriftverkehr ist auch nicht zu entnehmen, dass das Finanzamt H mit A einen Aufrechnungs- oder Verrechnungsvertrag geschlossen hat.
- 27
-
Durch Aufrechnungs- oder Verrechnungsvertrag können die Voraussetzungen der einseitigen Aufrechnung weitgehend abbedungen werden (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 1992, 77). Insbesondere kann eine aufschiebend bedingte Verrechnung vereinbart werden (Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs --BayVGH-- vom 12. März 2010 4 ZB 08.2455, juris, Rz 10). Dabei ist zu unterscheiden zwischen dem obligatorischen Verrechnungsvertrag, aufgrund dessen das FA einseitig verrechnen darf, und dem verfügenden Verrechnungsvertrag, durch den die Verrechnung aufschiebend bedingt, aber unmittelbar, d.h. ohne weitere Verfügung --und zwar rückwirkend auf den Zeitpunkt der erstmals bestehenden Aufrechnungslage (§ 389 BGB)-- erfolgt (vgl. BFH-Urteil vom 11. Dezember 1984 VIII R 263/82, BFHE 143, 1, BStBl II 1985, 278; BFH-Urteil in BFH/NV 1992, 77; Beschluss des BayVGH vom 12. März 2010 4 ZB 08.2455, juris; Staudinger/ Gursky, Vorbemerkungen zu §§ 387 ff. Rz 66; Erman/Wagner, BGB, 12. Aufl., § 388 Rz 18 und 21). Eine solche Aufrechnungsvereinbarung ist, auch wenn sie im Hinblick auf eine bereits bestehende Aufrechnungslage objektiv überflüssig wäre, als Ausfluss der Vertragsfreiheit rechtlich zulässig (vgl. Staudinger/Gursky, a.a.O.).
- 28
-
A hat mit seinem Antrag auf Stundung (bezeichnet als "Verrechnungsstundung") der Umsatzsteuern 2001 vom 10. Januar 2002 mitgeteilt, dass diese Umsatzsteuern mit der für 2001 auszuzahlenden Investitionszulage verrechnet werden sollten. Das Finanzamt H hat dem Antrag mit der Stundungsverfügung vom 22. Januar 2002, von der A Kenntnis hatte, entsprochen. In der Verfügung vom 22. Januar 2002 ist auch handschriftlich auf den Zulagenantrag vom 10. Januar 2002 Bezug genommen. Gleichwohl finden sich keine hinreichenden Anzeichen für einen über Antrag und Gewährung einer Stundung hinausgehenden auf eine Verrechnungsvereinbarung gerichteten Bindungswillen der Beteiligten. Nach Form und Inhalt waren vielmehr sowohl Antrag als auch Gewährung auf Erlass einer --hoheitlichen-- Stundungsverfügung gerichtet, wie sie nach der Rechtsprechung des BFH in Fällen, in denen der Steuerpflichtige in Kürze mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit mit einem Gegenanspruch rechnen kann, als sog. technische Stundung oder Verrechnungsstundung unter Verzicht auf Stundungszinsen zu gewähren ist (vgl. BFH-Urteile vom 24. März 1998 I R 120/97, BFHE 186, 98, BStBl II 1999, 3; vom 7. März 1985 IV R 161/81, BFHE 143, 397, BStBl II 1985, 449; Beschluss vom 29. November 1984 V B 44/84, BFHE 142, 418, BStBl II 1985, 194; AO-Kartei § 222 Karte 3 Tz 3). Dementsprechend sind die Finanzämter angewiesen, Verrechnungsstundungen regelmäßig bis zu der im Stundungsantrag genannten Festsetzung des Gegenanspruchs, längstens bis zu einem besonders benannten Zeitpunkt auszusprechen (AO-Kartei § 222 Karte 3 Tz 7).
- 29
-
Im Streitfall hat sich das Finanzamt H antragsgemäß und entsprechend der Verwaltungsanweisung verhalten, was sich nicht zuletzt daran zeigt, dass die Stundung im Hinblick auf die ausstehende Festsetzung der Investitionszulage zinslos gewährt worden ist.
- 30
-
Auch seitens des A kann ein auf einen Verrechnungsvertrag gerichteter Erklärungswille nicht unterstellt werden. Denn nach den Feststellungen des FG hatte er den Anspruch auf Investitionszulage bereits am 3. Januar 2002 an die Klägerin abgetreten. Wenn diese Abtretung dem FA gegenüber auch erst mit Zugang der Abtretungsanzeige wirksam wurde, war sie doch im Innenverhältnis zwischen A und der Klägerin wirksam, so dass eine nachfolgende Verrechnungsvereinbarung mit dem FA in diesem Verhältnis Schadenersatzansprüche hätte auslösen können. Ohne konkrete Anhaltspunkte, die vom FG nicht festgestellt sind und zu deren ergänzenden Ermittlung auch nach Aktenlage kein Anlass besteht, kann deshalb allein aus dem Stundungsantrag nicht auf einen weitergehenden Bindungswillen geschlossen werden.
- 31
-
b) Das FA kann sich auch nicht darauf berufen, dass die Klägerin mit der Abtretung des Investitionszulageanspruchs in die Gläubigerstellung des Zedenten A gerückt ist und deshalb ihr gegenüber habe aufgerechnet werden können. Allerdings kann nach § 406 BGB der Schuldner mit einer ihm gegen den bisherigen Gläubiger (Altgläubiger, Zedenten) zustehenden Forderung auch dem neuen Gläubiger (Neugläubiger, Zessionar) gegenüber aufrechnen, es sei denn, dass er beim Erwerb der Forderung von der Abtretung Kenntnis hatte oder dass die Forderung erst nach Erlangung der Kenntnis und später als die abgetretene Forderung fällig geworden ist. Der allgemeine Rechtsgedanke dieser Vorschrift und der in ihr zum Ausdruck kommende Grundsatz, dass die Abtretung einer Forderung nicht die rechtliche Stellung des Schuldners beeinträchtigen darf, gelten auch im öffentlichen Recht und damit auch für die Aufrechnung nach § 226 Abs. 1 AO (Senatsurteil vom 25. April 1989 VII R 36/87, BFHE 156, 392, BStBl II 1990, 352). Die Anwendung dieser Vorschrift scheitert aber bereits daran, dass das FG --für den Senat bindend-- nicht festgestellt hat, dass das Finanzamt H gegenüber der Klägerin die Aufrechnung erklärt hat. Es bedarf deshalb keiner Erörterung, ob die im Streitfall verfügte Stundung der Umsatzsteuern bis zum 30. April 2002 zum Ausschluss der Aufrechnung gegenüber der Klägerin i.S. des § 406 BGB (zweite Ausschlussalternative) führt, weil sie die Fälligkeit der Umsatzsteuer auf einen Zeitpunkt nach Eingang der Abtretungsanzeige hinausgeschoben hat, oder ob der Zessionar eine Aufrechnungslage, die vor Zugang der Abtretungsanzeige schon einmal bestanden hat, stets gegen sich gelten lassen muss.
- 32
-
c) Nach alledem sind der Klägerin die vom FA zurückgeforderten Beträge infolge wirksamer Abtretung und mangels Aufrechnungserklärung zu Recht ausgezahlt worden. Einen Anspruch auf Rückzahlung nach § 37 Abs. 2 AO hat das FA nicht.
Hat die Gemeinde einen Bebauungsplan im Sinne des § 30 Absatz 1 erlassen und lehnt sie das zumutbare Angebot zum Abschluss eines städtebaulichen Vertrags über die Erschließung ab, ist sie verpflichtet, die Erschließung selbst durchzuführen.
(1) Für vorhandene Erschließungsanlagen, für die eine Beitragspflicht auf Grund der bis zum 29. Juni 1961 geltenden Vorschriften nicht entstehen konnte, kann auch nach diesem Gesetzbuch kein Beitrag erhoben werden.
(2) Soweit am 29. Juni 1961 zur Erfüllung von Anliegerbeitragspflichten langfristige Verträge oder sonstige Vereinbarungen, insbesondere über das Ansammeln von Mitteln für den Straßenbau in Straßenbaukassen oder auf Sonderkonten bestanden, können die Länder ihre Abwicklung durch Gesetz regeln.
(3) § 125 Absatz 3 ist auch auf Bebauungspläne anzuwenden, die vor dem 1. Juli 1987 in Kraft getreten sind.
(4) § 127 Absatz 2 Nummer 2 ist auch auf Verkehrsanlagen anzuwenden, die vor dem 1. Juli 1987 endgültig hergestellt worden sind. Ist vor dem 1. Juli 1987 eine Beitragspflicht nach Landesrecht entstanden, so verbleibt es dabei.
(5) Ist für einen Kinderspielplatz eine Beitragspflicht bereits auf Grund der vor dem 1. Juli 1987 geltenden Vorschriften (§ 127 Absatz 2 Nummer 3 und 4 des Bundesbaugesetzes) entstanden, so verbleibt es dabei. Die Gemeinde soll von der Erhebung des Erschließungsbeitrags ganz oder teilweise absehen, wenn dies auf Grund der örtlichen Verhältnisse, insbesondere unter Berücksichtigung des Nutzens des Kinderspielplatzes für die Allgemeinheit, geboten ist. Satz 2 ist auch auf vor dem 1. Juli 1987 entstandene Beiträge anzuwenden, wenn
- 1.
der Beitrag noch nicht entrichtet ist oder - 2.
er entrichtet worden, aber der Beitragsbescheid noch nicht unanfechtbar geworden ist.
(6) § 128 Absatz 1 ist auch anzuwenden, wenn der Umlegungsplan (§ 66 des Bundesbaugesetzes) oder die Vorwegregelung (§ 76 des Bundesbaugesetzes) vor dem 1. Juli 1987 ortsüblich bekannt gemacht worden ist (§ 71 des Bundesbaugesetzes).
(7) Ist vor dem 1. Juli 1987 über die Stundung des Beitrags für landwirtschaftlich genutzte Grundstücke (§ 135 Absatz 4 des Bundesbaugesetzes) entschieden und ist die Entscheidung noch nicht unanfechtbar geworden, ist § 135 Absatz 4 dieses Gesetzbuchs anzuwenden.
(8) § 124 Absatz 2 Satz 2 in der bis zum 21. Juni 2013 geltenden Fassung ist auch auf Kostenvereinbarungen in Erschließungsverträgen anzuwenden, die vor dem 1. Mai 1993 geschlossen worden sind. Auf diese Verträge ist § 129 Absatz 1 Satz 3 weiterhin anzuwenden.
(9) Für Erschließungsanlagen oder Teile von Erschließungsanlagen in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrags genannten Gebiet, die vor dem Wirksamwerden des Beitritts bereits hergestellt worden sind, kann nach diesem Gesetz ein Erschließungsbeitrag nicht erhoben werden. Bereits hergestellte Erschließungsanlagen oder Teile von Erschließungsanlagen sind die einem technischen Ausbauprogramm oder den örtlichen Ausbaugepflogenheiten entsprechend fertiggestellten Erschließungsanlagen oder Teile von Erschließungsanlagen. Leistungen, die Beitragspflichtige für die Herstellung von Erschließungsanlagen oder Teilen von Erschließungsanlagen erbracht haben, sind auf den Erschließungsbeitrag anzurechnen. Die Landesregierungen werden ermächtigt, bei Bedarf Überleitungsregelungen durch Rechtsverordnung zu treffen.
Hat die Gemeinde einen Bebauungsplan im Sinne des § 30 Absatz 1 erlassen und lehnt sie das zumutbare Angebot zum Abschluss eines städtebaulichen Vertrags über die Erschließung ab, ist sie verpflichtet, die Erschließung selbst durchzuführen.
(1) Die Gemeinden erheben zur Deckung ihres anderweitig nicht gedeckten Aufwands für Erschließungsanlagen einen Erschließungsbeitrag nach Maßgabe der folgenden Vorschriften.
(2) Erschließungsanlagen im Sinne dieses Abschnitts sind
- 1.
die öffentlichen zum Anbau bestimmten Straßen, Wege und Plätze; - 2.
die öffentlichen aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen mit Kraftfahrzeugen nicht befahrbaren Verkehrsanlagen innerhalb der Baugebiete (z. B. Fußwege, Wohnwege); - 3.
Sammelstraßen innerhalb der Baugebiete; Sammelstraßen sind öffentliche Straßen, Wege und Plätze, die selbst nicht zum Anbau bestimmt, aber zur Erschließung der Baugebiete notwendig sind; - 4.
Parkflächen und Grünanlagen mit Ausnahme von Kinderspielplätzen, soweit sie Bestandteil der in den Nummern 1 bis 3 genannten Verkehrsanlagen oder nach städtebaulichen Grundsätzen innerhalb der Baugebiete zu deren Erschließung notwendig sind; - 5.
Anlagen zum Schutz von Baugebieten gegen schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes, auch wenn sie nicht Bestandteil der Erschließungsanlagen sind.
(3) Der Erschließungsbeitrag kann für den Grunderwerb, die Freilegung und für Teile der Erschließungsanlagen selbständig erhoben werden (Kostenspaltung).
(4) Das Recht, Abgaben für Anlagen zu erheben, die nicht Erschließungsanlagen im Sinne dieses Abschnitts sind, bleibt unberührt. Dies gilt insbesondere für Anlagen zur Ableitung von Abwasser sowie zur Versorgung mit Elektrizität, Gas, Wärme und Wasser.
Hat die Gemeinde einen Bebauungsplan im Sinne des § 30 Absatz 1 erlassen und lehnt sie das zumutbare Angebot zum Abschluss eines städtebaulichen Vertrags über die Erschließung ab, ist sie verpflichtet, die Erschließung selbst durchzuführen.
(1) Die Gemeinden erheben zur Deckung ihres anderweitig nicht gedeckten Aufwands für Erschließungsanlagen einen Erschließungsbeitrag nach Maßgabe der folgenden Vorschriften.
(2) Erschließungsanlagen im Sinne dieses Abschnitts sind
- 1.
die öffentlichen zum Anbau bestimmten Straßen, Wege und Plätze; - 2.
die öffentlichen aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen mit Kraftfahrzeugen nicht befahrbaren Verkehrsanlagen innerhalb der Baugebiete (z. B. Fußwege, Wohnwege); - 3.
Sammelstraßen innerhalb der Baugebiete; Sammelstraßen sind öffentliche Straßen, Wege und Plätze, die selbst nicht zum Anbau bestimmt, aber zur Erschließung der Baugebiete notwendig sind; - 4.
Parkflächen und Grünanlagen mit Ausnahme von Kinderspielplätzen, soweit sie Bestandteil der in den Nummern 1 bis 3 genannten Verkehrsanlagen oder nach städtebaulichen Grundsätzen innerhalb der Baugebiete zu deren Erschließung notwendig sind; - 5.
Anlagen zum Schutz von Baugebieten gegen schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes, auch wenn sie nicht Bestandteil der Erschließungsanlagen sind.
(3) Der Erschließungsbeitrag kann für den Grunderwerb, die Freilegung und für Teile der Erschließungsanlagen selbständig erhoben werden (Kostenspaltung).
(4) Das Recht, Abgaben für Anlagen zu erheben, die nicht Erschließungsanlagen im Sinne dieses Abschnitts sind, bleibt unberührt. Dies gilt insbesondere für Anlagen zur Ableitung von Abwasser sowie zur Versorgung mit Elektrizität, Gas, Wärme und Wasser.
Hat die Gemeinde einen Bebauungsplan im Sinne des § 30 Absatz 1 erlassen und lehnt sie das zumutbare Angebot zum Abschluss eines städtebaulichen Vertrags über die Erschließung ab, ist sie verpflichtet, die Erschließung selbst durchzuführen.
(1) Für vorhandene Erschließungsanlagen, für die eine Beitragspflicht auf Grund der bis zum 29. Juni 1961 geltenden Vorschriften nicht entstehen konnte, kann auch nach diesem Gesetzbuch kein Beitrag erhoben werden.
(2) Soweit am 29. Juni 1961 zur Erfüllung von Anliegerbeitragspflichten langfristige Verträge oder sonstige Vereinbarungen, insbesondere über das Ansammeln von Mitteln für den Straßenbau in Straßenbaukassen oder auf Sonderkonten bestanden, können die Länder ihre Abwicklung durch Gesetz regeln.
(3) § 125 Absatz 3 ist auch auf Bebauungspläne anzuwenden, die vor dem 1. Juli 1987 in Kraft getreten sind.
(4) § 127 Absatz 2 Nummer 2 ist auch auf Verkehrsanlagen anzuwenden, die vor dem 1. Juli 1987 endgültig hergestellt worden sind. Ist vor dem 1. Juli 1987 eine Beitragspflicht nach Landesrecht entstanden, so verbleibt es dabei.
(5) Ist für einen Kinderspielplatz eine Beitragspflicht bereits auf Grund der vor dem 1. Juli 1987 geltenden Vorschriften (§ 127 Absatz 2 Nummer 3 und 4 des Bundesbaugesetzes) entstanden, so verbleibt es dabei. Die Gemeinde soll von der Erhebung des Erschließungsbeitrags ganz oder teilweise absehen, wenn dies auf Grund der örtlichen Verhältnisse, insbesondere unter Berücksichtigung des Nutzens des Kinderspielplatzes für die Allgemeinheit, geboten ist. Satz 2 ist auch auf vor dem 1. Juli 1987 entstandene Beiträge anzuwenden, wenn
- 1.
der Beitrag noch nicht entrichtet ist oder - 2.
er entrichtet worden, aber der Beitragsbescheid noch nicht unanfechtbar geworden ist.
(6) § 128 Absatz 1 ist auch anzuwenden, wenn der Umlegungsplan (§ 66 des Bundesbaugesetzes) oder die Vorwegregelung (§ 76 des Bundesbaugesetzes) vor dem 1. Juli 1987 ortsüblich bekannt gemacht worden ist (§ 71 des Bundesbaugesetzes).
(7) Ist vor dem 1. Juli 1987 über die Stundung des Beitrags für landwirtschaftlich genutzte Grundstücke (§ 135 Absatz 4 des Bundesbaugesetzes) entschieden und ist die Entscheidung noch nicht unanfechtbar geworden, ist § 135 Absatz 4 dieses Gesetzbuchs anzuwenden.
(8) § 124 Absatz 2 Satz 2 in der bis zum 21. Juni 2013 geltenden Fassung ist auch auf Kostenvereinbarungen in Erschließungsverträgen anzuwenden, die vor dem 1. Mai 1993 geschlossen worden sind. Auf diese Verträge ist § 129 Absatz 1 Satz 3 weiterhin anzuwenden.
(9) Für Erschließungsanlagen oder Teile von Erschließungsanlagen in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrags genannten Gebiet, die vor dem Wirksamwerden des Beitritts bereits hergestellt worden sind, kann nach diesem Gesetz ein Erschließungsbeitrag nicht erhoben werden. Bereits hergestellte Erschließungsanlagen oder Teile von Erschließungsanlagen sind die einem technischen Ausbauprogramm oder den örtlichen Ausbaugepflogenheiten entsprechend fertiggestellten Erschließungsanlagen oder Teile von Erschließungsanlagen. Leistungen, die Beitragspflichtige für die Herstellung von Erschließungsanlagen oder Teilen von Erschließungsanlagen erbracht haben, sind auf den Erschließungsbeitrag anzurechnen. Die Landesregierungen werden ermächtigt, bei Bedarf Überleitungsregelungen durch Rechtsverordnung zu treffen.
(1) Zur Deckung des anderweitig nicht gedeckten Erschließungsaufwands können Beiträge nur insoweit erhoben werden, als die Erschließungsanlagen erforderlich sind, um die Bauflächen und die gewerblich zu nutzenden Flächen entsprechend den baurechtlichen Vorschriften zu nutzen (beitragsfähiger Erschließungsaufwand). Soweit Anlagen nach § 127 Absatz 2 von dem Eigentümer hergestellt sind oder von ihm auf Grund baurechtlicher Vorschriften verlangt werden, dürfen Beiträge nicht erhoben werden. Die Gemeinden tragen mindestens 10 vom Hundert des beitragsfähigen Erschließungsaufwands.
(2) Kosten, die ein Eigentümer oder sein Rechtsvorgänger bereits für Erschließungsmaßnahmen aufgewandt hat, dürfen bei der Übernahme als gemeindliche Erschließungsanlagen nicht erneut erhoben werden.
(1) Für vorhandene Erschließungsanlagen, für die eine Beitragspflicht auf Grund der bis zum 29. Juni 1961 geltenden Vorschriften nicht entstehen konnte, kann auch nach diesem Gesetzbuch kein Beitrag erhoben werden.
(2) Soweit am 29. Juni 1961 zur Erfüllung von Anliegerbeitragspflichten langfristige Verträge oder sonstige Vereinbarungen, insbesondere über das Ansammeln von Mitteln für den Straßenbau in Straßenbaukassen oder auf Sonderkonten bestanden, können die Länder ihre Abwicklung durch Gesetz regeln.
(3) § 125 Absatz 3 ist auch auf Bebauungspläne anzuwenden, die vor dem 1. Juli 1987 in Kraft getreten sind.
(4) § 127 Absatz 2 Nummer 2 ist auch auf Verkehrsanlagen anzuwenden, die vor dem 1. Juli 1987 endgültig hergestellt worden sind. Ist vor dem 1. Juli 1987 eine Beitragspflicht nach Landesrecht entstanden, so verbleibt es dabei.
(5) Ist für einen Kinderspielplatz eine Beitragspflicht bereits auf Grund der vor dem 1. Juli 1987 geltenden Vorschriften (§ 127 Absatz 2 Nummer 3 und 4 des Bundesbaugesetzes) entstanden, so verbleibt es dabei. Die Gemeinde soll von der Erhebung des Erschließungsbeitrags ganz oder teilweise absehen, wenn dies auf Grund der örtlichen Verhältnisse, insbesondere unter Berücksichtigung des Nutzens des Kinderspielplatzes für die Allgemeinheit, geboten ist. Satz 2 ist auch auf vor dem 1. Juli 1987 entstandene Beiträge anzuwenden, wenn
- 1.
der Beitrag noch nicht entrichtet ist oder - 2.
er entrichtet worden, aber der Beitragsbescheid noch nicht unanfechtbar geworden ist.
(6) § 128 Absatz 1 ist auch anzuwenden, wenn der Umlegungsplan (§ 66 des Bundesbaugesetzes) oder die Vorwegregelung (§ 76 des Bundesbaugesetzes) vor dem 1. Juli 1987 ortsüblich bekannt gemacht worden ist (§ 71 des Bundesbaugesetzes).
(7) Ist vor dem 1. Juli 1987 über die Stundung des Beitrags für landwirtschaftlich genutzte Grundstücke (§ 135 Absatz 4 des Bundesbaugesetzes) entschieden und ist die Entscheidung noch nicht unanfechtbar geworden, ist § 135 Absatz 4 dieses Gesetzbuchs anzuwenden.
(8) § 124 Absatz 2 Satz 2 in der bis zum 21. Juni 2013 geltenden Fassung ist auch auf Kostenvereinbarungen in Erschließungsverträgen anzuwenden, die vor dem 1. Mai 1993 geschlossen worden sind. Auf diese Verträge ist § 129 Absatz 1 Satz 3 weiterhin anzuwenden.
(9) Für Erschließungsanlagen oder Teile von Erschließungsanlagen in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrags genannten Gebiet, die vor dem Wirksamwerden des Beitritts bereits hergestellt worden sind, kann nach diesem Gesetz ein Erschließungsbeitrag nicht erhoben werden. Bereits hergestellte Erschließungsanlagen oder Teile von Erschließungsanlagen sind die einem technischen Ausbauprogramm oder den örtlichen Ausbaugepflogenheiten entsprechend fertiggestellten Erschließungsanlagen oder Teile von Erschließungsanlagen. Leistungen, die Beitragspflichtige für die Herstellung von Erschließungsanlagen oder Teilen von Erschließungsanlagen erbracht haben, sind auf den Erschließungsbeitrag anzurechnen. Die Landesregierungen werden ermächtigt, bei Bedarf Überleitungsregelungen durch Rechtsverordnung zu treffen.
Hat die Gemeinde einen Bebauungsplan im Sinne des § 30 Absatz 1 erlassen und lehnt sie das zumutbare Angebot zum Abschluss eines städtebaulichen Vertrags über die Erschließung ab, ist sie verpflichtet, die Erschließung selbst durchzuführen.
(1) Die Erschließung ist Aufgabe der Gemeinde, soweit sie nicht nach anderen gesetzlichen Vorschriften oder öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen einem anderen obliegt.
(2) Die Erschließungsanlagen sollen entsprechend den Erfordernissen der Bebauung und des Verkehrs kostengünstig hergestellt werden und spätestens bis zur Fertigstellung der anzuschließenden baulichen Anlagen benutzbar sein.
(3) Ein Rechtsanspruch auf Erschließung besteht nicht.
(4) Die Unterhaltung der Erschließungsanlagen richtet sich nach landesrechtlichen Vorschriften.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.
(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.
(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.