Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Beschluss, 08. Juni 2015 - 14 A 1233/15.A
Tenor
Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Antragsverfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
1
G r ü n d e :
2Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe ist mangels hinreichender Aussicht auf Erfolg des Zulassungsantrags (§ 166 der Verwaltungsgerichtsordnung ‑ VwGO - i.V.m. § 114 Satz 1 der Zivilprozessordnung) abzulehnen, wie sich aus den nachfolgenden Ausführungen ergibt.
3Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg, weil der geltend gemachte Zulassungsgrund grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 des Asylverfahrensgesetzes ‑ AsylVfG ‑) nicht vorliegt. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne dieser Vorschrift hat eine Rechtssache nur, wenn sie eine bisher höchstrichterlich nicht beantwortete Rechtsfrage aufwirft, die sich in dem erstrebten Berufungsverfahren stellen würde und die im Interesse der einheitlichen Auslegung und Anwendung oder der Fortentwicklung des Rechts der Klärung bedarf, oder wenn sie eine tatsächliche Frage aufwirft, deren in der Berufungsentscheidung zu erwartende Klärung verallgemeinerungsfähige Auswirkungen hat. Verallgemeinerungsfähige Auswirkungen hat die Klärung einer Tatsachenfrage, wenn sich diese Frage nicht nur in dem zu entscheidenden Fall, sondern darüber hinaus auch noch für einen nicht überschaubaren Personenkreis in nicht absehbarer Zukunft stellt.
4Danach begründet die aufgeworfene Frage,
5ob in den Fällen, in denen einem Asylbewerber bereits in einem anderen Staat internationaler Schutz, also die Flüchtlingseigenschaft oder subsidiärer Schutz, zuerkannt worden ist, das Bundesamt dann ‑ über eine teleologische Reduktion des § 60 Abs. 1 Satz 3 AufenthG ‑ verpflichtet ist, ein Asylverfahren durchzuführen, wenn eine Abschiebung in diesen anderen Staat nicht möglich ist, da eine Abschiebungsandrohung vom Bundesamt für Migration u. Flüchtlinge nicht erlassen worden bzw. diese vom Gericht aufgehoben worden ist,
6keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, da sie sich in einem durchzuführenden Berufungsverfahren nicht stellen würde. Entgegen der Annahme der Kläger ist nämlich eine Abschiebung nach Bulgarien möglich, so dass sich die von ihnen aufgezeigte Problematik ständigen Verbleibs im Bundesgebiet ohne Entscheidung über den Asylantrag nicht stellt.
7Hier ist internationaler Schutz in Bulgarien gewährt worden und auf den in Deutschland gestellten Asylantrag ‑ zutreffend ‑,
8vgl. OVG NRW, Beschluss vom 11.5.2015 ‑ 14 A 926/15.A ‑, NRWE Rn. 9 ff.,
9die Entscheidung nach §§ 26a, 31 Abs. 4 AsylVfG ergangen, dass dem Ausländer kein Asylrecht in Deutschland zusteht. Wird in einem solchen Fall trotz Ablehnung Bulgariens zu einer Übernahme nach der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.6.2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist, (Dublin III‑VO) eine Abschiebungsanordnung nach § 34a Satz 1 AsylVfG erlassen, so ist diese rechtswidrig, weil entgegen der Voraussetzung dieser Vorschrift nicht feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann.
10Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 28.4.2015 ‑ 14 B 502/15.A ‑; Beschluss vom 3.3.2015 ‑ 14 B 102/15.A ‑, juris.
11Das schließt aber den späteren Erlass einer Abschiebungsanordnung nach § 34a AsylVfG nicht aus, sobald Bulgarien seine Übernahmebereitschaft nach dem bilateralen Rückübernahmeabkommen erklärt hat. Auf die Möglichkeit, eine solche Übernahme zu beantragen, hat Bulgarien in der Ablehnung der Übernahme nach der Dublin III‑VO hier sogar hingewiesen.
12Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die Gerichtskosten ergibt sich aus § 83b AsylVfG.
13Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
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(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozesskostenhilfe sowie § 569 Abs. 3 Nr. 2 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmächtigter, Wirtschaftsprüfer oder vereidigter Buchprüfer beigeordnet werden. Die Vergütung richtet sich nach den für den beigeordneten Rechtsanwalt geltenden Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.
(2) Die Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach den §§ 114 bis 116 der Zivilprozessordnung einschließlich der in § 118 Absatz 2 der Zivilprozessordnung bezeichneten Maßnahmen, der Beurkundung von Vergleichen nach § 118 Absatz 1 Satz 3 der Zivilprozessordnung und der Entscheidungen nach § 118 Absatz 2 Satz 4 der Zivilprozessordnung obliegt dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des jeweiligen Rechtszugs, wenn der Vorsitzende ihm das Verfahren insoweit überträgt. Liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hiernach nicht vor, erlässt der Urkundsbeamte die den Antrag ablehnende Entscheidung; anderenfalls vermerkt der Urkundsbeamte in den Prozessakten, dass dem Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Prozesskostenhilfe gewährt werden kann und in welcher Höhe gegebenenfalls Monatsraten oder Beträge aus dem Vermögen zu zahlen sind.
(3) Dem Urkundsbeamten obliegen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ferner die Bestimmung des Zeitpunkts für die Einstellung und eine Wiederaufnahme der Zahlungen nach § 120 Absatz 3 der Zivilprozessordnung sowie die Änderung und die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach den §§ 120a und 124 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 der Zivilprozessordnung.
(4) Der Vorsitzende kann Aufgaben nach den Absätzen 2 und 3 zu jedem Zeitpunkt an sich ziehen. § 5 Absatz 1 Nummer 1, die §§ 6, 7, 8 Absatz 1 bis 4 und § 9 des Rechtspflegergesetzes gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Rechtspflegers der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle tritt.
(5) § 87a Absatz 3 gilt entsprechend.
(6) Gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten nach den Absätzen 2 und 3 kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe die Entscheidung des Gerichts beantragt werden.
(7) Durch Landesgesetz kann bestimmt werden, dass die Absätze 2 bis 6 für die Gerichte des jeweiligen Landes nicht anzuwenden sind.
(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.
(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Klägerin trägt die Kosten des Antragsverfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
1
G r ü n d e :
2Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg, weil der geltend gemachte Zulassungsgrund grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 des Asylverfahrensgesetzes ‑ AsylVfG ‑) nicht vorliegt. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne dieser Vorschrift hat eine Rechtssache nur, wenn sie eine bisher höchstrichterlich nicht beantwortete Rechtsfrage aufwirft, die sich in dem erstrebten Berufungsverfahren stellen würde und die im Interesse der einheitlichen Auslegung und Anwendung oder der Fortentwicklung des Rechts der Klärung bedarf, oder wenn sie eine tatsächliche Frage aufwirft, deren in der Berufungsentscheidung zu erwartende Klärung verallgemeinerungsfähige Auswirkungen hat. Verallgemeinerungsfähige Auswirkungen hat die Klärung einer Tatsachenfrage, wenn sich diese Frage nicht nur in dem zu entscheidenden Fall, sondern darüber hinaus auch noch für einen nicht überschaubaren Personenkreis in nicht absehbarer Zukunft stellt.
3Die insoweit auf geworfene Frage
4"Ist in einem Fall, in dem einem Ausländer in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union der Flüchtlingsstatus im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention zuerkannt worden ist und dieser Schutzsuchende sodann einen weiteren Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland stellt, die Ablehnung des Asylantrags gemäß § 26a mit der Feststellung gemäß § 31 Abs. 4 AsylVfG, dass dem Ausländer kein Asylrecht zustehe, wobei zugleich gemäß derselben Vorschrift von der Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen wird, sowie der auf dieser Entscheidung basierende Erlass einer Abschiebungsanordnung gemäß § 34a Abs. 1 S. 1 AsylVfG rechtmäßig?"
5ist nicht klärungsbedürftig, da sie auch ohne Durchführung eines Berufungsverfahrens ohne Weiteres im bejahenden Sinne beantwortet werden kann.
6Ist einem Asylbewerber in einem dem Dublin-Verfahren unterworfenen Mitgliedstaat der Union internationaler Schutz gewährt worden und stellt er in einem anderen Mitgliedstaat einen weiteren Asylantrag, spricht alles dafür, dass die Regelungen der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.6.2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist, (Dublin III‑VO) nicht anwendbar sind.
7Vgl. BVerwG, Urteil vom 17.6.2014 ‑ 10 C 7.13 ‑, NVwZ 2014, 1460 Rn. 26; Funke-Kaiser in: GK‑AsylVfG, Loseblattsammlung (Stand: November 2014), § 27a Rn. 34.
8Das kann aber hier dahin stehen, da Bulgarien als das Land des ersten Asylantrags das Aufnahmegesuch nach Art. 25 Dublin III‑VO abgelehnt hat, weil es der Klägerin bereits internationalen Schutz gewährt hat. Das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats nach der Dublin III‑VO ist damit (negativ) beendet. Die Voraussetzung des § 27a AsylVfG, dass "ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist", liegt damit nicht vor, so dass diese Vorschrift nicht anwendbar ist.
9Anwendbar ist allerdings § 26a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG, wonach ein Ausländer, der aus einem Drittstaat im Sinne des Artikels 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes (sicherer Drittstaat) eingereist ist, sich nicht auf Artikel 16a Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) berufen kann. Dass dies nur für den Fall gelten soll, dass dem Ausländer in dem sicheren Drittstaat kein internationaler Schutz gewährt worden ist, kann weder dem Wortlaut noch dem Sinn der Vorschrift entnommen werden. Soweit sich der Kläger auf eine abweichende Auffassung eines Verwaltungsgerichts in einem Eilverfahren beruft,
10VG Aachen, Beschluss vom 11.3.2015 ‑ 5 L 736/14.A ‑, NRWE Rn. 33 ff.,
11kann dies keine Klärungsbedürftigkeit der Frage begründen, da die Auffassung offensichtlich fehlsam ist. Der Umstand, dass der Gesetzgeber bei der Schaffung des Konzepts sicherer Drittstaaten anerkannte Flüchtlinge nicht "im Blick" gehabt haben soll, ist für den Inhalt des Art 16a Abs. 2 Satz 1 GG unerheblich. Das Konzept sicherer Drittstaaten beruht auf dem Gedanken, dass in Deutschland keine Schutzbedürftigkeit besitzt, wer in einem sicheren Drittstaat Schutz hätte finden können.
12Vgl. BVerfG, Urteil vom 14.5.1996 ‑ 2 BvR 1938, 2315/93 ‑, BVerfGE 94, 49 (87); Gnatzy in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, 13. Aufl., Art. 16a Rn. 13.
13Diese Schutzbedürftigkeit fehlt erst recht, wenn der Asylbewerber nicht nur Schutz hätte finden können, sondern sogar Schutz gefunden hat. Der Umstand, dass es Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG für das Entfallen der Schutzbedürftigkeit ausreichen lässt, dass der Asylbewerber im sicheren Drittstaat die Gelegenheit hatte, Schutz zu erlangen, ungeachtet dessen, ob diese Gelegenheit genutzt wurde,
14vgl. v. Arnauld in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 1, 6. Aufl., Art. 16a Rn. 41; Becker in: Starck, GG, Bd. 1, 6. Aufl., Art. 16a Abs. 2 Rn. 170,
15kann daher kein Grund sein, den Anwendungsbereich des Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG entgegen Wortlaut und Sinn auf Fälle zu beschränken, in denen der sichere Drittstaat keinen internationalen Schutz gewährt hat.
16Die Beklagte hat daher zu Recht entschieden, dass der Klägerin, die aus Bulgarien ‑ einem Mitgliedstaat der Europäischen Union - und damit aus einem sicheren Drittstaat (Art. 16 Abs. 2 Satz 1 GG) eingereist ist, in Deutschland kein Asylrecht zusteht (§ 31 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG), und die Abschiebung dorthin angeordnet (§ 34a Satz 1 AsylVfG).
17Entgegen der Auffassung der Klägerin ist § 29 AsylVfG nicht anwendbar, da diese Vorschrift sich auf Verfolgungssicherheit "in einem sonstigen Drittstaat", also nicht in "sicheren Drittstaaten" i.S. von § 26a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG bezieht.
18Funke-Kaiser in: GK‑AsylVfG, Loseblattsammlung (Stand: November 2014), § 29 Rn. 11 und § 27 Rn. 34.
19Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die Gerichtskosten ergibt sich aus § 83b AsylVfG.
20Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
Tenor
Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 12.11.2014 ‑ 17 L 2406/14.A ‑ wird geändert. Die aufschiebende Wirkung der Klage 17 K 6765/14.A VG Düsseldorf (14 A 50/15.A OVG NRW) wird hinsichtlich der Abschiebungsanordnung in Nr. 2 des Bescheides der Antragsgegnerin vom 17.9.2014 angeordnet.
Die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens trägt die Antragsgegnerin.
1
G r ü n d e :
2Der Senat kommt der Anregung des Antragstellers nach, von Amts wegen den im Tenor genannten Beschluss zu ändern (§ 80 Abs. 7 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung ‑ VwGO ‑), weil es für ein überwiegendes Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung der Klage hinreichend wahrscheinlich ist, dass die Voraussetzungen für die angefochtene Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 des Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG) nicht vorliegen. Danach soll dann, wenn der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a AsylVfG) abgeschoben werden soll, die Abschiebung angeordnet werden, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann.
3Vgl. zur Auslegung dieses Merkmals OVG NRW, Beschluss vom 3.3.2015 ‑ 14 B 102/15.A ‑, juris.
4Das beschließende Gericht hat aus dem Begriff "sobald" gefolgert, dass die Abschiebungsanordnung dann, aber auch erst dann zu erlassen ist, wenn die Rückführung in allernächster Zeit auch tatsächlich möglich ist. Daher muss die Rücknahmebereitschaft desjenigen Drittstaates, in den abgeschoben werden soll, geklärt sein.
5OVG NRW, Urteil vom 30.9.1996 ‑ 25 A 790/96.A ‑, NVwZ 1997, 1141 (1143) = NRWE Rn. 56 ff.
6Mit der Forderung, dass feststehen muss, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann, obliegt dem Bundesamt die Prüfung, dass weder zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernisse noch der Abschiebung entgegenstehende inlandsbezogenen Vollzugshindernisse, auch Duldungsgründe nach § 60a Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG), vorliegen.
7BVerfG, 3. Kammer des Zweiten Senats, Beschluss vom 17.9.2014 ‑ 2 BvR 1795/14 ‑, juris Rn. 9 f.; Schnell, Die Überstellung in den nach der Dublin-II Verordnung zuständigen Mitgliedstaat, NWVBl. 2013, 218 (226).
8Zu den tatsächlichen Vollzugshindernissen, die einen Duldungsanspruch auslösen, gehört der Umstand, dass die Abschiebung aus tatsächlichen Gründen unmöglich ist (§ 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG). Fehlende Übernahmebereitschaft des Staates, in den abgeschoben werden soll, ist ein solcher Umstand. Da die Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG nicht etwa nur zu unterlassen ist, wenn ein solcher Duldungsgrund vorliegt, sondern erst ergehen kann, wenn der Duldungsgrund ausgeschlossen ist ("feststeht, dass sie durchgeführt werden kann"), muss die Übernahmebereitschaft positiv geklärt sein.
9Funke-Kaiser in: GK AsylVfG 1992, Loseblattsammlung (Stand: November 2014), § 34a Rn. 20.
10Daran fehlt es hier. Bulgarien hat die Übernahme nach dem Dublin-System abgelehnt und auf einen Übernahmeantrag im Rahmen des Rückübernahmeabkommens verwiesen. Dass ein solcher gestellt und positiv beschieden worden wäre, ist nicht erkennbar.
11Angesichts dessen bestehen Bedenken gegen die Auffassung des Verwaltungsgerichts, wenn es das Tatbestandsmerkmal bejaht, weil aus der erfolgten Ablehnung der Übernahme durch Bulgarien nach dem Dublin-System kein Rückschluss dergestalt gezogen werden könne, Bulgarien habe die Übernahme grundsätzlich abgelehnt, und es seien keine einer Rückführung entgegenstehende Anhaltspunkte ersichtlich (S. 3 des Urteils 17 K 6765/14.A). Die Abschiebung erfordert, wie das Verwaltungsgericht zutreffend erkannt hat, die Übernahmebereitschaft Bulgariens in Form der Zustimmung Bulgariens zu einem Übernahmeersuchen Deutschlands (Art. 7 Abs. 3 des Rückübernahmeabkommens), wobei die Zustimmung auch durch Verschweigen erteilt werden kann (Art. 7 Abs. 2 Satz 2 und 4 des Rückübernahmeabkommens). Solange diese Zustimmung nicht vorliegt, steht nicht fest, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Der Umstand, dass keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass Bulgarien die Übernahme verweigern werde, ändert nichts daran, dass im Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides und auch heute noch eine Abschiebung mangels Zustimmung Bulgariens zur Übernahme nicht durchgeführt werden kann und somit allenfalls eine mehr oder weniger begründete Hoffnung darauf besteht, dass die Abschiebung in Zukunft durchgeführt werden kann.
12Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die Gerichtskosten ergibt sich aus § 83b AsylVfG.
13Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.