Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Beschluss, 28. Apr. 2015 - 14 B 502/15.A
Gericht
Tenor
Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 12.11.2014 ‑ 17 L 2406/14.A ‑ wird geändert. Die aufschiebende Wirkung der Klage 17 K 6765/14.A VG Düsseldorf (14 A 50/15.A OVG NRW) wird hinsichtlich der Abschiebungsanordnung in Nr. 2 des Bescheides der Antragsgegnerin vom 17.9.2014 angeordnet.
Die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens trägt die Antragsgegnerin.
1
G r ü n d e :
2Der Senat kommt der Anregung des Antragstellers nach, von Amts wegen den im Tenor genannten Beschluss zu ändern (§ 80 Abs. 7 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung ‑ VwGO ‑), weil es für ein überwiegendes Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung der Klage hinreichend wahrscheinlich ist, dass die Voraussetzungen für die angefochtene Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 des Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG) nicht vorliegen. Danach soll dann, wenn der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a AsylVfG) abgeschoben werden soll, die Abschiebung angeordnet werden, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann.
3Vgl. zur Auslegung dieses Merkmals OVG NRW, Beschluss vom 3.3.2015 ‑ 14 B 102/15.A ‑, juris.
4Das beschließende Gericht hat aus dem Begriff "sobald" gefolgert, dass die Abschiebungsanordnung dann, aber auch erst dann zu erlassen ist, wenn die Rückführung in allernächster Zeit auch tatsächlich möglich ist. Daher muss die Rücknahmebereitschaft desjenigen Drittstaates, in den abgeschoben werden soll, geklärt sein.
5OVG NRW, Urteil vom 30.9.1996 ‑ 25 A 790/96.A ‑, NVwZ 1997, 1141 (1143) = NRWE Rn. 56 ff.
6Mit der Forderung, dass feststehen muss, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann, obliegt dem Bundesamt die Prüfung, dass weder zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernisse noch der Abschiebung entgegenstehende inlandsbezogenen Vollzugshindernisse, auch Duldungsgründe nach § 60a Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG), vorliegen.
7BVerfG, 3. Kammer des Zweiten Senats, Beschluss vom 17.9.2014 ‑ 2 BvR 1795/14 ‑, juris Rn. 9 f.; Schnell, Die Überstellung in den nach der Dublin-II Verordnung zuständigen Mitgliedstaat, NWVBl. 2013, 218 (226).
8Zu den tatsächlichen Vollzugshindernissen, die einen Duldungsanspruch auslösen, gehört der Umstand, dass die Abschiebung aus tatsächlichen Gründen unmöglich ist (§ 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG). Fehlende Übernahmebereitschaft des Staates, in den abgeschoben werden soll, ist ein solcher Umstand. Da die Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG nicht etwa nur zu unterlassen ist, wenn ein solcher Duldungsgrund vorliegt, sondern erst ergehen kann, wenn der Duldungsgrund ausgeschlossen ist ("feststeht, dass sie durchgeführt werden kann"), muss die Übernahmebereitschaft positiv geklärt sein.
9Funke-Kaiser in: GK AsylVfG 1992, Loseblattsammlung (Stand: November 2014), § 34a Rn. 20.
10Daran fehlt es hier. Bulgarien hat die Übernahme nach dem Dublin-System abgelehnt und auf einen Übernahmeantrag im Rahmen des Rückübernahmeabkommens verwiesen. Dass ein solcher gestellt und positiv beschieden worden wäre, ist nicht erkennbar.
11Angesichts dessen bestehen Bedenken gegen die Auffassung des Verwaltungsgerichts, wenn es das Tatbestandsmerkmal bejaht, weil aus der erfolgten Ablehnung der Übernahme durch Bulgarien nach dem Dublin-System kein Rückschluss dergestalt gezogen werden könne, Bulgarien habe die Übernahme grundsätzlich abgelehnt, und es seien keine einer Rückführung entgegenstehende Anhaltspunkte ersichtlich (S. 3 des Urteils 17 K 6765/14.A). Die Abschiebung erfordert, wie das Verwaltungsgericht zutreffend erkannt hat, die Übernahmebereitschaft Bulgariens in Form der Zustimmung Bulgariens zu einem Übernahmeersuchen Deutschlands (Art. 7 Abs. 3 des Rückübernahmeabkommens), wobei die Zustimmung auch durch Verschweigen erteilt werden kann (Art. 7 Abs. 2 Satz 2 und 4 des Rückübernahmeabkommens). Solange diese Zustimmung nicht vorliegt, steht nicht fest, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Der Umstand, dass keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass Bulgarien die Übernahme verweigern werde, ändert nichts daran, dass im Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides und auch heute noch eine Abschiebung mangels Zustimmung Bulgariens zur Übernahme nicht durchgeführt werden kann und somit allenfalls eine mehr oder weniger begründete Hoffnung darauf besteht, dass die Abschiebung in Zukunft durchgeführt werden kann.
12Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die Gerichtskosten ergibt sich aus § 83b AsylVfG.
13Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
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(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
- 1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1.
(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Soweit die Beurkundung der Anerkennung einer Vaterschaft oder der Zustimmung der Mutter für die Durchführung eines Verfahrens nach § 85a ausgesetzt wird, wird die Abschiebung des ausländischen Anerkennenden, der ausländischen Mutter oder des ausländischen Kindes ausgesetzt, solange das Verfahren nach § 85a nicht durch vollziehbare Entscheidung abgeschlossen ist.
(2a) Die Abschiebung eines Ausländers wird für eine Woche ausgesetzt, wenn seine Zurückschiebung oder Abschiebung gescheitert ist, Abschiebungshaft nicht angeordnet wird und die Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer Rechtsvorschrift, insbesondere des Artikels 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/110/EG des Rates vom 25. November 2003 über die Unterstützung bei der Durchbeförderung im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luftweg (ABl. EU Nr. L 321 S. 26), zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Die Aussetzung darf nicht nach Satz 1 verlängert werden. Die Einreise des Ausländers ist zuzulassen.
(2b) Solange ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 1 besitzt, minderjährig ist, soll die Abschiebung seiner Eltern oder eines allein personensorgeberechtigten Elternteils sowie der minderjährigen Kinder, die mit den Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in familiärer Lebensgemeinschaft leben, ausgesetzt werden.
(2c) Es wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.
(2d) Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach Absatz 2c unverzüglich vorzulegen. Verletzt der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. Legt der Ausländer eine Bescheinigung vor und ordnet die Behörde daraufhin eine ärztliche Untersuchung an, ist die Behörde berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen, wenn der Ausländer der Anordnung ohne zureichenden Grund nicht Folge leistet. Der Ausländer ist auf die Verpflichtungen und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtungen nach diesem Absatz hinzuweisen.
(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.
(4) Über die Aussetzung der Abschiebung ist dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen.
(5) Die Aussetzung der Abschiebung erlischt mit der Ausreise des Ausländers. Sie wird widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen. Der Ausländer wird unverzüglich nach dem Erlöschen ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben, es sei denn, die Aussetzung wird erneuert. Ist die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt, ist die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen; die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Aussetzung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Satz 4 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.
(6) Einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn
- 1.
er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen, - 2.
aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können oder - 3.
er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wurde, es sei denn, die Rücknahme erfolgte auf Grund einer Beratung nach § 24 Absatz 1 des Asylgesetzes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder ein Asylantrag nicht gestellt wurde.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.