Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Beschluss, 25. Jan. 2018 - 1 LZ 782/17

bei uns veröffentlicht am25.01.2018

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 24. Oktober 2017 – 2 A 1525/17 – wird zugelassen.

Gründe

I.

1

Die Klägerin wendet sich gegen den Grundsteuerbescheid des Beklagten.

2

Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks W...-Str. ... in N... . Für dieses Grundstück setzte der Beklagte mit Änderungsbescheid vom 29. Mai 2017 die Grundsteuer B für die Jahre 2015, 2016 und 2017 auf jeweils 2.598,16 € fest. Als Berechnungsgrundlage führte der Bescheid den Messbetrag von 649,54 € und einen Hebesatz von 400 v. H. an. Diesen Betrag hatte das Finanzamt Waren zuvor mit Grundsteuermessbescheid vom 2. Mai 2017 festgesetzt.

3

Nach erfolglos durchgeführtem Widerspruchsverfahren hat die Klägerin Klage gegen den Grundsteuerbescheid des Beklagten erhoben, die das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 24. Oktober 2017 abgewiesen hat.

4

Nach Zustellung des erstinstanzlichen Urteils am 27. Oktober 2017 hat die Klägerin am 27. November 2017 rechtzeitig einen Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt (§ 124a Abs. 4 Satz 1 VwGO) und sich auf ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils berufen (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Zur Begründung führt die Klägerin aus, es sei unberücksichtigt geblieben, dass sie den Zugang des Steuermessbescheides des Finanzamtes bestritten habe. Sie nehme Bezug auf die Seite 2 ihrer Klagschrift. Mit Schreiben vom 20. Oktober 2017 habe sie dies nochmals wiederholt. Nach § 122 Abs. 2 AO müsse das Finanzamt den Zugang nachweisen. Einen solchen Nachweis habe das Finanzamt nicht geführt.

II.

5

Der Zulassungsantrag hat Erfolg. Der allein geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) ist hinreichend dargelegt.

6

Die Klägerin hat mit ihrem Vortrag, der Grundsteuermessbescheid des Finanzamtes Waren sei ihr nicht ordnungsgemäß bekanntgegeben worden, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung geweckt. Denn das Verwaltungsgericht hat diesen Bescheid für wirksam erachtet, weil das Finanzamt ausweislich des Absendevermerks den Bescheid am 2. Mai 2017 zur Post gegeben habe und die Bekanntgabe bei einer Übermittlung durch die Post im Inland gemäß § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO als am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als erfolgt gelte. Mit dem Vortrag der Klägerin hat sich das Verwaltungsgericht nicht auseinandergesetzt, obwohl § 12 KAG M-V i. v. m. § 122 Abs. 2 a. E. AO bestimmt, dass im Zweifel die Behörde den Zugang des Verwaltungsakts und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen hat (vgl. Aussprung in: Aussprung/Siemers/ Holz, KAG M-V, § 12 Erl. 28.3, [Seite 31 f.], m. w. N.).

7

Bestreitet der Adressat eines Steuerbescheides, diesen überhaupt erhalten zu haben, genügt regelmäßig schon dieser Umstand an sich, um Zweifel am Zugang im Sinne des § 122 Abs. 2 AO zu wecken. Anders als im Fall der Behauptung eines verspäteten Zugangs kann danach von einem Adressaten, der den Zugang überhaupt bestreitet, keine weitere Substantiierung verlangt werden. Wählt die Behörde statt der förmlichen Zustellung die Bekanntgabe des Bescheides durch einfachen Brief, trägt sie im Falle des Bestreitens das Risiko der Unerweislichkeit des Zugangs, ohne dass ihr die Erleichterungen des Anscheinsbeweises zugutekommen (BVerwG, Beschl. v. 15.06.2016 – 9 C 19/15 –, BVerwGE 155, 241-248, juris Rn. 18 m. w. Hinw. auf die ständige Rechtspr. des BFH, siehe nur BFH, Urt. v. 14. 03.1989 – VII R 75/85 –, BFHE 156, 66 <69 ff.>; vgl. auch OVG M-V, Urt. v. 24.03.2015 – 1 L 313/11 –, juris).

8

Besondere Umstände dafür, dass der Grundsteuermessbescheid der Klägerin ausnahmsweise dennoch bekannt gemacht worden und damit i. S. v. § 124 AO wirksam ist, sind von dem Beklagten weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich. Auch bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei der Behauptung der Klägerin um eine bloße Schutzbehauptung handelt (vgl. zu einem solchen Fall: VGH BaWü, Urt. v. 18.10.2017 – 2 S 114/17 –, juris). Im Gegenteil bestehen nach der Aktenlage sogar Indizien dafür, dass die Bekanntgabe nicht ordnungsgemäß erfolgte, weil der Grundsteuermessbescheid vom 2. Mai 2017 noch an eine Adresse der Klägerin in B... gerichtet ist, während der noch im selben Monat am 29. Mai 2017 datierende Grundsteuerbescheid die Adresse der Klägerin in A-Stadt trägt.

9

Nach der im Zulassungsverfahren nur vorzunehmenden summarischen Prüfung ist auch keine Heilung der fehlenden Bekanntgabe durch tatsächlichen Zugang im Sinne von § 8 Verwaltungszustellungsgesetz erfolgt. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat zwar über die Akteneinsicht in die vom Verwaltungsgericht beigezogene Steuerakte Kenntnis von dem Grundsteuermessbescheid erhalten, diese Akteneinsicht ist jedoch nicht von der Finanzbehörde, sondern vom Gericht veranlasst worden und diente nicht dem Zweck der Bekanntgabe, sodass es bereits am Bekanntgabewillen der zuständigen Behörde fehlt (vgl. zur entsprechenden Vorschrift des § 189 ZPO: OLG Braunschweig, Beschl. v. 10.11.2000 – 6 W 10/10, 6 W 11/10 –, juris; siehe auch OLG Brandenburg, Urt. v. 05.03.2008 – 3 U 13/07 -, juris, OLG München, Urt. v. 29.01.2004 – 23 U 3875/03 -, juris, OLG Dresden, Urt. v. 18.07.2007 – 8 U 730/07 –, juris).

10

Der Grundsteuermessbescheid wird auch nicht durch die Mitteilung der Finanzbehörde an die Gemeinde über die Besteuerungsgrundlage zur Festsetzung der Grundsteuer wirksam i. S. v. § 124 AO. Denn diese Mitteilung ist kein selbständiger Verwaltungsakt mit Außenwirkung, sondern lediglich eine verwaltungsinterne Maßnahme rein technischen Charakters (vgl. BFH, Urt. v. 25.11.2015 – I R 85/13 –, BFHE 252, 217, juris Rn. 18).

11

Die Voraussetzungen des § 155 Abs. 2 AO dafür, dass ein Steuerbescheid auch erteilt werden kann, wenn ein Grundlagenbescheid noch gar nicht wirksam erlassen wurde, liegen schon deshalb nicht vor, weil sich vorliegend der Grundsteuerbescheid auf einen der Gemeinde bereits mitgeteilten Grundsteuermessbescheid bezieht (vgl. VG Schwerin, Urt. v. 14. 05.2008 – 4 A 229/04 –, juris Rn. 38; vgl. zu den weiteren Voraussetzungen nur Klein, AO, 13. Aufl. § 155 Rn. 39).

12

Erst im Berufungsverfahren wird der Senat aufzuklären haben, ob der Absendevermerk des Finanzamtes von der sachbearbeitenden Stelle oder der Postausgangsstelle stammte (vgl. hierzu OVG M-V, Urt. v. 24.03.2015 – 1 L 313/11 –, juris).

13

Der Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 124


(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird. (2) Die B

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 124a


(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nic

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 152


(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochte

Abgabenordnung - AO 1977 | § 122 Bekanntgabe des Verwaltungsakts


(1) Ein Verwaltungsakt ist demjenigen Beteiligten bekannt zu geben, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird. § 34 Abs. 2 ist entsprechend anzuwenden. Der Verwaltungsakt kann auch gegenüber einem Bevollmächtigten bekannt gegeben werden

Zivilprozessordnung - ZPO | § 189 Heilung von Zustellungsmängeln


Lässt sich die formgerechte Zustellung eines Dokuments nicht nachweisen oder ist das Dokument unter Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften zugegangen, so gilt es in dem Zeitpunkt als zugestellt, in dem das Dokument der Person, an die die Zuste

Abgabenordnung - AO 1977 | § 155 Steuerfestsetzung


(1) Die Steuern werden, soweit nichts anderes vorgeschrieben ist, von der Finanzbehörde durch Steuerbescheid festgesetzt. Steuerbescheid ist der nach § 122 Abs. 1 bekannt gegebene Verwaltungsakt. Dies gilt auch für die volle oder teilweise Freistellu

Abgabenordnung - AO 1977 | § 124 Wirksamkeit des Verwaltungsakts


(1) Ein Verwaltungsakt wird gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird. Der Verwaltungsakt wird mit dem Inhalt wirksam, mit dem er bekannt gegeben wird.

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(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) Ein Verwaltungsakt ist demjenigen Beteiligten bekannt zu geben, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird. § 34 Abs. 2 ist entsprechend anzuwenden. Der Verwaltungsakt kann auch gegenüber einem Bevollmächtigten bekannt gegeben werden. Er soll dem Bevollmächtigten bekannt gegeben werden, wenn der Finanzbehörde eine schriftliche oder eine nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz elektronisch übermittelte Empfangsvollmacht vorliegt, solange dem Bevollmächtigten nicht eine Zurückweisung nach § 80 Absatz 7 bekannt gegeben worden ist.

(2) Ein schriftlicher Verwaltungsakt, der durch die Post übermittelt wird, gilt als bekannt gegeben

1.
bei einer Übermittlung im Inland am dritten Tage nach der Aufgabe zur Post,
2.
bei einer Übermittlung im Ausland einen Monat nach der Aufgabe zur Post,
außer wenn er nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsakts und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen.

(2a) Ein elektronisch übermittelter Verwaltungsakt gilt am dritten Tage nach der Absendung als bekannt gegeben, außer wenn er nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsakts und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen.

(3) Ein Verwaltungsakt darf öffentlich bekannt gegeben werden, wenn dies durch Rechtsvorschrift zugelassen ist. Eine Allgemeinverfügung darf auch dann öffentlich bekannt gegeben werden, wenn eine Bekanntgabe an die Beteiligten untunlich ist.

(4) Die öffentliche Bekanntgabe eines Verwaltungsakts wird dadurch bewirkt, dass sein verfügender Teil ortsüblich bekannt gemacht wird. In der ortsüblichen Bekanntmachung ist anzugeben, wo der Verwaltungsakt und seine Begründung eingesehen werden können. Der Verwaltungsakt gilt zwei Wochen nach dem Tag der ortsüblichen Bekanntmachung als bekannt gegeben. In einer Allgemeinverfügung kann ein hiervon abweichender Tag, jedoch frühestens der auf die Bekanntmachung folgende Tag bestimmt werden.

(5) Ein Verwaltungsakt wird zugestellt, wenn dies gesetzlich vorgeschrieben ist oder behördlich angeordnet wird. Die Zustellung richtet sich vorbehaltlich der Sätze 3 und 4 nach den Vorschriften des Verwaltungszustellungsgesetzes. Für die Zustellung an einen Bevollmächtigten gilt abweichend von § 7 Absatz 1 Satz 2 des Verwaltungszustellungsgesetzes Absatz 1 Satz 4 entsprechend. Erfolgt die öffentliche Zustellung durch Bekanntmachung einer Benachrichtigung auf der Internetseite oder in einem elektronischen Portal der Finanzbehörden, können die Anordnung und die Dokumentation nach § 10 Absatz 1 Satz 2 und Absatz 2 Satz 5 des Verwaltungszustellungsgesetzes elektronisch erfolgen.

(6) Die Bekanntgabe eines Verwaltungsakts an einen Beteiligten zugleich mit Wirkung für und gegen andere Beteiligte ist zulässig, soweit die Beteiligten einverstanden sind; diese Beteiligten können nachträglich eine Abschrift des Verwaltungsakts verlangen.

(7) Betreffen Verwaltungsakte

1.
Ehegatten oder Lebenspartner oder
2.
Ehegatten mit ihren Kindern, Lebenspartner mit ihren Kindern oder Alleinstehende mit ihren Kindern,
so reicht es für die Bekanntgabe an alle Beteiligten aus, wenn ihnen eine Ausfertigung unter ihrer gemeinsamen Anschrift übermittelt wird. Die Verwaltungsakte sind den Beteiligten einzeln bekannt zu geben, soweit sie dies beantragt haben oder soweit der Finanzbehörde bekannt ist, dass zwischen ihnen ernstliche Meinungsverschiedenheiten bestehen.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) Ein Verwaltungsakt ist demjenigen Beteiligten bekannt zu geben, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird. § 34 Abs. 2 ist entsprechend anzuwenden. Der Verwaltungsakt kann auch gegenüber einem Bevollmächtigten bekannt gegeben werden. Er soll dem Bevollmächtigten bekannt gegeben werden, wenn der Finanzbehörde eine schriftliche oder eine nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz elektronisch übermittelte Empfangsvollmacht vorliegt, solange dem Bevollmächtigten nicht eine Zurückweisung nach § 80 Absatz 7 bekannt gegeben worden ist.

(2) Ein schriftlicher Verwaltungsakt, der durch die Post übermittelt wird, gilt als bekannt gegeben

1.
bei einer Übermittlung im Inland am dritten Tage nach der Aufgabe zur Post,
2.
bei einer Übermittlung im Ausland einen Monat nach der Aufgabe zur Post,
außer wenn er nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsakts und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen.

(2a) Ein elektronisch übermittelter Verwaltungsakt gilt am dritten Tage nach der Absendung als bekannt gegeben, außer wenn er nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsakts und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen.

(3) Ein Verwaltungsakt darf öffentlich bekannt gegeben werden, wenn dies durch Rechtsvorschrift zugelassen ist. Eine Allgemeinverfügung darf auch dann öffentlich bekannt gegeben werden, wenn eine Bekanntgabe an die Beteiligten untunlich ist.

(4) Die öffentliche Bekanntgabe eines Verwaltungsakts wird dadurch bewirkt, dass sein verfügender Teil ortsüblich bekannt gemacht wird. In der ortsüblichen Bekanntmachung ist anzugeben, wo der Verwaltungsakt und seine Begründung eingesehen werden können. Der Verwaltungsakt gilt zwei Wochen nach dem Tag der ortsüblichen Bekanntmachung als bekannt gegeben. In einer Allgemeinverfügung kann ein hiervon abweichender Tag, jedoch frühestens der auf die Bekanntmachung folgende Tag bestimmt werden.

(5) Ein Verwaltungsakt wird zugestellt, wenn dies gesetzlich vorgeschrieben ist oder behördlich angeordnet wird. Die Zustellung richtet sich vorbehaltlich der Sätze 3 und 4 nach den Vorschriften des Verwaltungszustellungsgesetzes. Für die Zustellung an einen Bevollmächtigten gilt abweichend von § 7 Absatz 1 Satz 2 des Verwaltungszustellungsgesetzes Absatz 1 Satz 4 entsprechend. Erfolgt die öffentliche Zustellung durch Bekanntmachung einer Benachrichtigung auf der Internetseite oder in einem elektronischen Portal der Finanzbehörden, können die Anordnung und die Dokumentation nach § 10 Absatz 1 Satz 2 und Absatz 2 Satz 5 des Verwaltungszustellungsgesetzes elektronisch erfolgen.

(6) Die Bekanntgabe eines Verwaltungsakts an einen Beteiligten zugleich mit Wirkung für und gegen andere Beteiligte ist zulässig, soweit die Beteiligten einverstanden sind; diese Beteiligten können nachträglich eine Abschrift des Verwaltungsakts verlangen.

(7) Betreffen Verwaltungsakte

1.
Ehegatten oder Lebenspartner oder
2.
Ehegatten mit ihren Kindern, Lebenspartner mit ihren Kindern oder Alleinstehende mit ihren Kindern,
so reicht es für die Bekanntgabe an alle Beteiligten aus, wenn ihnen eine Ausfertigung unter ihrer gemeinsamen Anschrift übermittelt wird. Die Verwaltungsakte sind den Beteiligten einzeln bekannt zu geben, soweit sie dies beantragt haben oder soweit der Finanzbehörde bekannt ist, dass zwischen ihnen ernstliche Meinungsverschiedenheiten bestehen.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen einen Duldungsbescheid.

2

Eine aus der I. GmbH (im Folgenden: I. GmbH) und der J. GmbH (im Folgenden: J. GmbH) gebildete Gesellschaft bürgerlichen Rechts war seit dem Jahr 1994 Miteigentümerin des in Köln gelegenen Grundstücks S.-Straße 12. Die I. GmbH wurde durch einen am 1. Februar 2005 in das Handelsregister eingetragenen Beschluss des Amtsgerichts Neuwied aufgelöst.

3

Hinsichtlich des vorbezeichneten Grundstücks setzte die Beklagte mit Bescheid vom 14. August 2006 die anteilige Grundsteuer für die Jahre 2002 bis 2005 und mit weiterem Bescheid vom 10. April 2007 für das Jahr 2006 in Höhe von jährlich 871,50 € fest. Die Bescheide waren adressiert an Frau L. als Geschäftsführerin der J. GmbH. Als Abgabenschuldnerin war jeweils die aus der J. GmbH und der I. GmbH gebildete Gesellschaft bürgerlichen Rechts bezeichnet.

4

Bereits am 8. November 2006 waren hinsichtlich des erwähnten Miteigentumsanteils an dem Grundstück S.-Straße 12 der Kläger und eine P. GmbH als neue Miteigentümer in das Grundbuch eingetragen worden. Am 8. März 2010 wurde der Kläger als neuer alleiniger Inhaber des Miteigentumsanteils eingetragen.

5

Nachdem keine Zahlungen eingegangen waren, nahm die Beklagte mit Haftungsbescheiden vom 23. und 24. November 2010 die J. GmbH für die rückständige Grundsteuer der Jahre 2002 bis 2006 und den Kläger sowie die P. GmbH gesamtschuldnerisch für die Grundsteuer der Jahre 2005 und 2006 in Haftung. Auch die Haftungsschuldner leisteten in der Folgezeit keine Zahlungen.

6

Daraufhin verpflichtete die Beklagte den Kläger mit Duldungsbescheid vom 22. August 2011, die Zwangsvollstreckung in den Miteigentumsanteil wegen der rückständigen Grundsteuern der Gesellschaft bürgerlichen Rechts für die Jahre 2002 bis 2006 in Höhe von 4 357,50 € zu dulden.

7

Mit seiner Klage hat der Kläger eine wirksame Festsetzung sowohl der Grundsteuern als auch des Grundsteuermessbetrages mit Nichtwissen bestritten und sich auf Festsetzungsverjährung, hilfsweise auf Zahlungsverjährung berufen. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberverwaltungsgericht die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Zur Begründung hat das Oberverwaltungsgericht ausgeführt, der Duldungsbescheid sei rechtmäßig, insbesondere sei die Grundsteuer gegenüber der Steuerschuldnerin wirksam festgesetzt worden. Allein das Bestreiten mit Nichtwissen wecke noch keine Zweifel am Zugang der Steuerbescheide. Auch sonst weise der Sachverhalt keine Tatsachen auf, die eine Grundlage für solche Zweifel bilden könnten. Nichts anderes gelte für den der Grundsteuerforderung zugrunde liegenden Messbescheid, von dessen Bekanntgabe ebenfalls auszugehen sei.

8

Zur Begründung der vom Senat zugelassenen Revision macht der Kläger geltend, anerkanntermaßen könne der Adressat eines durch einfachen Brief übersandten Bescheides durch schlichtes Bestreiten des Zugangs Zweifel an der Bekanntgabe wecken und damit die Nachweispflicht der Behörde auslösen. Das gleiche müsse gelten, wenn - wie hier - ein Dritter den Zugang des Bescheides beim Adressaten mit Nichtwissen bestreite. Daher hätte das Oberverwaltungsgericht den Zugang sowohl der Grundsteuerbescheide als auch des Grundsteuermessbescheides positiv feststellen müssen. Diese Feststellung, für die die Akten des Finanzamtes hätten beigezogen werden müssen, sei zu Unrecht unterblieben. Die Bescheide hätten zudem beiden Gesellschaftern der Steuerschuldnerin bekannt gegeben werden müssen, falls nicht ein Gesellschafter als alleinvertretungsberechtigt bestimmt oder ein gemeinsamer Empfangsbevollmächtigter bestellt gewesen sei. Auch insoweit fehle es an den erforderlichen Feststellungen.

9

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 11. November 2014 zu ändern und den Duldungsbescheid der Beklagten vom 22. August 2011 aufzuheben,

hilfsweise: das Urteil des Oberverwaltungsgerichts aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen.

10

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

11

Sie verteidigt das Berufungsurteil.

Entscheidungsgründe

12

Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet. Das Oberverwaltungsgericht hat ohne Verstoß gegen Bundesrecht die Klageabweisung bestätigt. Der angefochtene Duldungsbescheid verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

13

1. Der Duldungsbescheid findet seine Rechtsgrundlage in § 1 Abs. 2 in Verbindung mit § 191 Abs. 1 Satz 1 und § 77 Abs. 2 Satz 1 AO. Nach der zuletzt genannten Norm hat der Eigentümer die Zwangsvollstreckung in den Grundbesitz wegen einer Steuer zu dulden, die als öffentliche Last auf dem Grundbesitz ruht; dies ist bei der Grundsteuer der Fall (§ 12 GrStG). Da die Duldungspflicht akzessorisch ist, setzt sie das Bestehen der Steuerschuld voraus. Der Steueranspruch muss entstanden und darf nicht wieder untergegangen, er muss festgesetzt, fällig und vollstreckbar sein (BVerwG, Urteil vom 13. Februar 1987 - 8 C 25.85 - Buchholz 401.0 § 77 AO Nr. 2 S. 3 f.).

14

Die Grundsteuerschuld ist zulasten der aus der J. GmbH und der I. GmbH gebildeten Gesellschaft bürgerlichen Rechts für alle fraglichen Steuerjahre mit dem Beginn des jeweiligen Kalenderjahres entstanden (§ 9 Abs. 2 GrStG). Die Steuerbescheide der Beklagten vom 14. August 2006 (für die Jahre 2002 bis 2005) und vom 10. April 2007 (für das Jahr 2006) wahrten die vierjährige Festsetzungsfrist (§ 169 Abs. 2 Nr. 2 AO), die mit dem Ablauf des jeweiligen Entstehungsjahres begonnen hatte (§ 170 Abs. 1 AO) und somit für die Grundsteuer 2002 erst Ende 2006 und für die Grundsteuer 2006 erst Ende 2010 abgelaufen ist. Einwände gegen die Steuerfestsetzungen bestehen auch nicht deshalb, weil eine der beiden Mitgliedsgesellschaften der Steuerschuldnerin, die I. GmbH, bei Erlass der Bescheide bereits aufgelöst war. Abgesehen davon, dass dem Tod einer natürlichen Person als Auflösungsgrund der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (§ 727 BGB) nicht schon die Auflösung, sondern erst die Vollbeendigung einer Mitgliedsgesellschaft gleichsteht (vgl. C. Schäfer, in: MünchKommBGB, 6. Aufl. 2013, § 727 Rn. 8 m.w.N.), war die Gesellschaft bürgerlichen Rechts ihrerseits steuerrechtlich so lange existent, wie noch Steueransprüche gegen sie geltend gemacht werden konnten (BFH, Urteile vom 24. März 1987 - X R 28/80 - BFHE 150, 293 <295> und vom 22. Januar 2015 - IV R 62/11 - BFH/NV 2015, 995 = juris Rn. 13).

15

2. Wirksam ist ein Steuerbescheid nur, wenn er dem Adressaten bekannt gegeben worden ist (§ 124 Abs. 1 AO). Hinsichtlich der hier in Rede stehenden Grundsteuerbescheide beziehen sich die Angriffe der Revision zum einen auf den Bekanntgabe-Adressaten (a) und zum anderen auf die Frage des tatsächlichen Zugangs (b). Unter keinem der beiden Gesichtspunkte greifen die Einwände gegen das Berufungsurteil durch.

16

a) Das Oberverwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Bekanntgabe der Steuerbescheide gegenüber der J. GmbH als einem der beiden Gesellschafter der Steuerschuldnerin ausreichend war. Gemäß § 122 Abs. 1 Satz 2 AO ist § 34 Abs. 2 AO auf die Bekanntgabe entsprechend anzuwenden. Danach haben die Mitglieder oder Gesellschafter einer nicht rechtsfähigen Personenvereinigung, soweit diese ohne Geschäftsführer ist, die steuerlichen Pflichten der Vereinigung zu erfüllen; hierzu gehört die Entgegennahme von Steuerbescheiden (BFH, Urteile vom 8. November 1995 - V R 64/94 - BFHE 179, 211 <215> und vom 13. Januar 2010 - V R 24/07 - BFHE 229, 378 Rn. 18). Auf die Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist unbeschadet der Anerkennung ihrer Teilrechtsfähigkeit § 34 Abs. 2 AO weiter anwendbar (BFH, Beschluss vom 19. August 2004 - II B 22/03 - BFH/NV 2005, 156 = juris Rn. 5). Eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts hat keinen Geschäftsführer im Sinne des § 34 Abs. 2 AO, wenn die Gesellschafter keine besondere Regelung über die Geschäftsführung getroffen haben, sodass diese gemäß § 709 Abs. 1 BGB allen Gesellschaftern gemeinschaftlich zusteht (BFH, Urteil vom 8. November 1995 a.a.O.). Das Oberverwaltungsgericht hat festgestellt, dass der Gesellschaftsvertrag der Steuerschuldnerin keinem einzelnen Gesellschafter die Befugnis zur Geschäftsführung zugesprochen hat. Soweit die Revision dieser Feststellung entgegengetreten sein sollte, kann sie jedenfalls nicht darlegen, wieso sich dem Oberverwaltungsgericht hierzu eine weitere Sachaufklärung hätte aufdrängen sollen, nachdem der Kläger selbst mit der Berufungsbegründung eine entsprechende Bestimmung im Gesellschaftsvertrag bestritten hatte. Demzufolge durfte es die Beklagte im vorliegenden Fall gemäß § 34 Abs. 2 AO bei der Bekanntgabe der Steuerbescheide an einen der beiden Gesellschafter bewenden lassen.

17

b) Nach § 122 Abs. 2 AO gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt, der durch die Post übermittelt wird, am dritten Tage nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben, außer wenn er nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsakts und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen. Erst wenn Zweifel am Zugang bestehen, die die widerlegliche Vermutung des § 122 Abs. 2 AO erschüttern, bedarf es für den Zugang des vollen Beweises, der von Amts wegen zu führen ist (§ 86 Abs. 1 VwGO) und für den die Behörde die objektive Beweislast trägt (vgl. Seer, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 122 AO Rn. 61, Stand Oktober 2015; Müller-Franken, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 122 AO Rn. 361, Stand Juni 2008; U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 41 Rn. 127, jeweils m.w.N.). Das Berufungsurteil beruht auf der zutreffenden Annahme, dass allein das bloße Bestreiten des Zugangs mit Nichtwissen durch eine Person, an die der Bescheid nicht gerichtet war, nicht ausreicht, um derartige Zweifel am Zugang auszulösen.

18

Falls der Adressat eines Steuerbescheides bestreitet, diesen überhaupt erhalten zu haben, genügt zwar nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs regelmäßig schon dieser Umstand an sich, um Zweifel am Zugang im Sinne des § 122 Abs. 2 AO zu wecken. Anders als im Fall der Behauptung eines verspäteten Zugangs kann danach von einem Adressaten, der den Zugang überhaupt bestreitet, keine weitere Substantiierung verlangt werden. Wählt die Behörde statt der förmlichen Zustellung die Bekanntgabe des Bescheides durch einfachen Brief, trägt sie im Falle des Bestreitens das Risiko der Unerweislichkeit des Zugangs, ohne dass ihr die Erleichterungen des Anscheinsbeweises zugutekommen (stRspr, vgl. BFH, Urteile vom 14. März 1989 - VII R 75/85 - BFHE 156, 66 <69 ff.> und vom 29. April 2009 - X R 35/08 - BFH/NV 2009, 1777 = juris Rn. 20; Beschluss vom 14. Februar 2008 - X B 11/08 - BFH/NV 2008, 743 = juris Rn. 4 ff.; vgl. auch Seer, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 122 AO Rn. 58, Stand Oktober 2015; Müller-Franken, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 122 AO Rn. 377 ff., Stand Juni 2008; U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 41 Rn. 128 f.).

19

Diese Rechtsprechung lässt sich aber entgegen der Auffassung des Klägers nicht ohne Weiteres auf den Fall übertragen, dass ein Dritter den Zugang des Verwaltungsaktes beim Adressaten mit Nichtwissen bestreitet. Die Regelung in § 138 Abs. 4 ZPO, wonach eine Erklärung mit Nichtwissen (nur) über Tatsachen zulässig ist, die weder eigene Handlungen der Partei noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind, ist in dem vom Untersuchungsgrundsatz geprägten Verwaltungsprozess (§ 86 Abs. 1 VwGO) nicht anwendbar. Vielmehr richtet sich das Maß der gerichtlichen Aufklärungspflicht hier wie auch sonst nach der Substanz des Vorbringens der Beteiligten (BVerwG, Urteil vom 2. August 2001 - 7 C 2.01 - Buchholz 428 § 6 VermG Nr. 45 S. 58; Beschluss vom 12. Januar 2009 - 5 B 48.08 - juris Rn. 4). Entscheidend ist danach, dass der Adressat, falls er den Zugang bestreitet, eine (negative) Tatsache aus seinem eigenen Einfluss- und Wahrnehmungsbereich bekundet, während sich der Dritte mangels eigener Erkenntnisse lediglich darauf berufen kann, dass die Frage des Zugangs offen sei (ebenso bereits OVG Münster, Urteil vom 28. November 1995 - 15 A 72/93 - NVwZ-RR 1997, 77 <78>; Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 23. Februar 2000 - 3 K 91/94 - EFG 2000, 904 <905>). In dieser Konstellation bedarf es daher weiterer tatsächlicher Umstände, um die gesetzliche Zugangsvermutung zu erschüttern und Zweifel am Zugang zu wecken (§ 122 Abs. 2 AO). Zu derartigen Umständen, die unter Berücksichtigung der Mitwirkungslasten der Beteiligten von Amts wegen zu ermitteln sind, kann neben etwaigen Anhaltspunkten aus den Akten vor allem ein Bestreiten des Zugangs durch den Adressaten selbst gehören (OVG Münster, Urteil vom 28. November 1995 a.a.O.). Von diesen Rechtsgrundsätzen ist das Oberverwaltungsgericht im vorliegenden Fall ausgegangen. Es hat die aus den Akten ersichtlichen Umstände, dass die verschiedenen an Frau L. gerichteten Schreiben und Bescheide der Beklagten nicht zurückgekommen sind und dass Frau L. darauf einerseits nicht reagiert, aber auch andererseits niemals geltend gemacht hat, Sendungen nicht erhalten zu haben, gewürdigt und im Ergebnis das Fehlen von Tatsachen festgestellt, die die Grundlage für Zweifel bilden könnten.

20

Erfolgreiche Verfahrensrügen hat die Revision in diesem Zusammenhang nicht erhoben. Soweit sie beanstandet, das Oberverwaltungsgericht habe die Nachweispflicht des § 122 Abs. 2 AO verkannt, wendet sie sich in Wahrheit gegen den materiellen Rechtsstandpunkt des Oberverwaltungsgerichts zur Auslegung dieser Norm. Dass dem Berufungsgericht auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung ein Verstoß gegen die Aufklärungspflicht oder den Überzeugungsgrundsatz unterlaufen wäre, lässt sich den Darlegungen der Revision nicht entnehmen.

21

Weitere Aufklärungsmöglichkeiten (§ 86 Abs. 1 VwGO) hätten dem Oberverwaltungsgericht zwar gegebenenfalls zur Verfügung gestanden, insbesondere durch Vernehmung der Frau L. als Zeugin zu der Frage, ob sie die Grundsteuerbescheide vom 14. August 2006 und 10. April 2007 seinerzeit erhalten hat. Der Kläger hat aber weder einen diesbezüglichen Beweisantrag gestellt, noch musste sich dem Berufungsgericht diese Beweisaufnahme von sich aus aufdrängen. Letzteres ist vor allem deshalb nicht der Fall, weil Frau L. es auch dann noch unterlassen hat, sich bei der Beklagten zu melden, insbesondere den seinerzeitigen Zugang der beiden ihr zunächst mit einfacher Post übersandten Bescheide zu bestreiten, als die Beklagte ihr die Bescheide nachträglich am 29. Oktober 2010 mit Postzustellungsurkunde förmlich zugestellt hatte. Jedenfalls von da an lag die Annahme fern, ihre Untätigkeit könne darauf zurückzuführen sein, dass sie in der Vergangenheit überhaupt keine Sendungen erhalten habe.

22

Ebenso wenig lassen sich dem Revisionsvorbringen Hinweise darauf entnehmen, dass das Oberverwaltungsgericht unter Verstoß gegen § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO bestimmte aus den Akten ersichtliche Umstände, deren Entscheidungserheblichkeit sich ihm hätte aufdrängen müssen, bei seiner Überzeugungsbildung übergangen habe. Insoweit hätte es konkreter Darlegungen bedurft, insbesondere einer genauen Bezeichnung der Aktenteile, aus denen der Verstoß hergeleitet wird (s. nur BVerwG, Beschluss vom 12. Februar 2001 - 9 B 3.01 - juris Rn. 7). Auch daran fehlt es.

23

3. Soweit die Revision geltend macht, der Kläger habe auch die ordnungsgemäße Bekanntgabe des den Steuerbescheiden zu Grunde liegenden Messbescheides vom 7. Juli 1997 mit Nichtwissen bestreiten dürfen, dringt sie ebenfalls nicht durch. Unter der Prämisse, dass sich der Kläger im Prozess gegen den Duldungsbescheid auf die etwaige Rechtswidrigkeit der - wirksamen und gegenüber der Steuerschuldnerin bestandskräftigen - Grundsteuerbescheide berufen kann (vgl. zu dieser Frage: Boeker, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 77 AO Rn. 55 f., Stand August 2011, § 191 AO Rn. 216 f. m.w.N., Stand März 2012), ist das Berufungsgericht von einer ordnungsgemäßen Bekanntgabe auch des Messbescheides ausgegangen. Auf der Grundlage seines - wie bereits ausgeführt - zutreffenden Normverständnisses des § 122 Abs. 2 AO hat es auch insoweit unter Hinweis auf seine Ausführungen zu den Grundsteuerbescheiden angenommen, dass Tatsachen fehlen, die eine Grundlage für Zugangszweifel bilden könnten. Auch dies steht mit Bundesrecht in Einklang.

24

Die Revision hält dem Oberverwaltungsgericht einen Verstoß gegen die Aufklärungspflicht vor, weil es die Beiziehung der Akte des Finanzamtes und sodann Feststellungen dazu, ob und an wen der Messbescheid durch das Finanzamt tatsächlich versandt worden war, verabsäumt habe. Dabei verkennt sie, dass das Gericht nach dem Sach- und Streitstand im Zeitpunkt der Berufungsverhandlung zu einer solchen Sachaufklärung jedenfalls von Amts wegen nicht verpflichtet war. Soweit der Kläger im Berufungsverfahren mit der Beiziehung der Finanzamtsakte hatte geklärt wissen wollen, ob die I. GmbH als Adressatin des Messbescheides laut Gesellschaftsvertrag alleinvertretungsberechtigt oder empfangsbevollmächtigt war, kam es darauf nach dem materiellen Rechtsstandpunkt des Oberverwaltungsgerichts nicht an. Soweit er den tatsächlichen Zugang (auch) des Messbescheides mit Nichtwissen bestritten hatte, berücksichtigt die Revision nicht hinreichend den schriftsätzlichen Vortrag der Beklagten, nach Auskunft des Finanzamtes sei der Messbescheid vom 7. Juli 1997 am 18. Juli 1997 an die I. GmbH für die Steuerschuldnerin zur Post gegeben worden; weder beim Finanzamt noch bei der Beklagten fänden sich Hinweise auf etwaige Bekanntgabefehler. Hätte der Kläger einen Beweisantrag gestellt, spricht zwar einiges dafür, dass ihn das Oberverwaltungsgericht nicht ohne Weiteres als unzulässigen Ausforschungs- bzw. Beweisermittlungsantrag hätte ablehnen dürfen; denn die (negative) Behauptung des Klägers, die nicht in seinen eigenen Erkenntnisbereich fiel, entbehrte auch unter Berücksichtigung des Schriftsatzes der Beklagten nicht von vornherein jeglicher Wahrscheinlichkeit (vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 22. Oktober 2014 - 8 B 99.13 - juris Rn. 40 m.w.N.). In Anbetracht des Beklagtenvorbringens mussten sich dem Oberverwaltungsgericht weitere Aufklärungsmaßnahmen aber nicht von Amts wegen aufdrängen.

25

4. Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Duldungsbescheides sind im Übrigen nicht ersichtlich. Der Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis war bei Erlass des Haftungsbescheides nicht durch Zahlungsverjährung erloschen. Denn die fünfjährige Verjährung (§ 228 AO) hatte erst mit Ablauf des Kalenderjahres der Steuerfestsetzung, also nicht vor 2007, begonnen (§ 229 Abs. 1 Satz 2 AO) und war daher bei Erlass des Duldungsbescheides vom 22. August 2011 noch nicht abgelaufen. Soweit die Revision die Ermessensausübung der Beklagten bei der Entscheidung, gegen den Kläger den Duldungsbescheid zu erlassen, wegen der behaupteten Unwirksamkeit des Grundsteuermessbescheids angreift, stellt sich diese Frage auf der Grundlage der vorstehenden Ausführungen nicht. Unbeschadet dessen lassen die in dem Bescheid vom 22. August 2011 angestellten Ermessenserwägungen erkennen, dass der Beklagten die Subsidiarität des Duldungsbescheides bewusst war. Sie ist davon ausgegangen, dass Vollstreckungsversuche gegenüber der Steuerschuldnerin, deren eine Gesellschafterin, die I. GmbH, bereits im Jahr 2005 aufgelöst worden war, ebenso wenig erfolgversprechend waren wie eine Inanspruchnahme der anderen Gesellschafterin, der J. GmbH, oder der Geschäftsführer der Gesellschafterinnen als Haftungsschuldner; die Revision stellt dies nicht in Frage. Schließlich gilt die Beschränkung auf den Teil der Grundsteuer, der für die Zeit seit dem Beginn des letzten vor der Übereignung liegenden Kalenderjahres zu entrichten ist, nur für die persönliche Haftung (§ 11 Abs. 2 GrStG), nicht aber für die dingliche Haftung gemäß § 12 GrStG.

26

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 25. Oktober 2011 – 3 A 1225/09 – geändert und festgestellt, dass die Straßenbaubeitragsbescheide des Amtsvorstehers des Amtes Darß/Fischland vom 11. Dezember 2008, Az. B. 1522.05 lfd. Nr. 11 und Az. B. 1522.05 lfd. Nr. 12, nicht wirksam geworden sind und die Klägerin nicht verpflichtet ist, die aufgrund der Bescheide geltend gemachten Beiträge zu entrichten.

Der Beklagte trägt die Kosten des gesamten Verfahrens.

Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Dem Vollstreckungsschuldner wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe der vollstreckbaren Kosten des Vollstreckungsgläubigers abzuwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Heranziehung der Klägerin zu Straßenbaubeiträgen.

2

Mit Bescheiden vom 11. Dezember 2008 zog der Beklagte die Klägerin als Eigentümerin der Grundstücke G1 und G2 in der Gemarkung D., P. Straße in D., zu Straßenbaubeiträgen für Baumaßnahmen in der P. Straße in der Gemeinde D. heran, für das Grundstück G1 in Höhe von 17.086,03 EUR (Az. B. 1522.05 – lfd. Nr.: 11) und für das Flurstück G2 in Höhe von 5.390,00 EUR (Az. B. 1522.05 – lfd. Nr.: 12). Die Abrechnung erfolgte auf der Grundlage der Straßenbaubeitragssatzung der Gemeinde D. vom 30. April 2003. Für die weiteren Einzelheiten der Beitragsberechnung wird auf die Begründung der Beitragsbescheide verwiesen. In den angefochtenen Bescheiden heißt es, die Anlage sei im Jahre 2004 endgültig hergestellt worden. In beiden Bescheiden ist als Sachbearbeiterin Frau R. ausgewiesen. Auf beiden bei den Verwaltungsvorgängen befindlichen Kopien der Bescheide ist jeweils handschriftlich unter dem Bescheiddatum vermerkt: „PA 12.12.08“. Die Bescheide sind im Adressfeld jeweils gerichtet an „Frau M. B., A. Weg, R.“.

3

Jeweils mit Schreiben vom 30. Januar 2009 mahnte der Beklagte gegenüber „Frau M. B.“ die Zahlung der offenen Beitragsforderungen an. Am 16. Februar 2009 ging daraufhin beim Beklagten das Schreiben der Klägerin – „M. L.“ – vom 11. Februar 2009 ein. In der Betreffzeile wird Bezug genommen auf die zwei Mahnungen vom 30. Januar 2009 (HHST-NR.: 19/6320.3500/00008, HHST-Nr.: 19/6320.3500/00009). In dem Schreiben heißt es, die Mahnungen habe die Klägerin durch eine private Briefbeförderung zugestellt bekommen. Die Mahnungen seien für sie vollkommen unverständlich, da sie die den Mahnungen zugrunde liegenden Bescheide nicht bekommen habe. Sie bitte um die Übersendung der den Mahnungen zugrunde liegenden Bescheide, um gegebenenfalls rechtliche Schritte unternehmen zu können.

4

Mit zwei Schreiben vom 23. Februar 2009 jeweils bezogen auf einen der beiden Ausgangsbescheide bestätigte der Beklagte gegenüber der Klägerin den Eingang ihres Schreibens vom 11. Februar 2009 und übersandte ihr jeweils „eine Kopie des Bescheides, der am 12.12.08 an sie versandt wurde“. Eine Rücksendung durch den Postzusteller habe man nicht erhalten, so dass davon ausgegangen werde, dass der Klägerin der Bescheid zugestellt worden sei.

5

Am 23. März 2009 erhob die Klägerin Widerspruch gegen beide Beitragsbescheide vom 11. Dezember 2008, „jeweils zugestellt am 23.02.2009“. Im Widerspruchsverfahren machte sie im Wesentlichen geltend, dass Festsetzungsverjährung eingetreten sei. Die Festsetzungsfrist sei nur gewahrt, wenn der vor Ablauf der Frist zur Post gegebene Steuerbescheid den Empfänger nach Fristablauf tatsächlich zugehe. Schlage der Bekanntgabeversuch fehl und werde der Bescheid später – nach Ablauf der Festsetzungsfrist – bekannt gegeben, werde er erst mit dieser Bekanntgabe wirksam.

6

Jeweils mit Widerspruchsbescheid vom 19. August 2009 wies der Beklagte die Widersprüche der Klägerin zurück und führte zur Begründung übereinstimmend im Wesentlichen aus: Der Widerspruch sei nicht innerhalb der Monatsfrist des § 70 VwGO erhoben und damit unzulässig. Der mit dem Widerspruch angegriffene Bescheid sei am 11. Dezember 2008 erstellt und laut schriftlichem Aufgabevermerk der Sachbearbeiterin am 12. Dezember 2008 der Post übergeben worden. Nach § 41 Abs. 2 VwVfG M-V gelte ein schriftlicher Verwaltungsakt, der durch die Post im Inland übermittelt werde, mit dem dritten Tage nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Diese gesetzliche Bekanntgabevermutung greife nur dann nicht, wenn berechtigte Zweifel daran bestünden, dass im konkreten Fall die auf den Erfahrungen des täglichen Lebens beruhende Vermutung, dass eine gewöhnliche Postsendung den Empfänger binnen weniger Tage erreiche, zutreffe. Das schlichte Bestreiten des Betroffenen, der Verwaltungsakt sei ihm nicht zugegangen, reiche regelmäßig nicht aus, um die Zugangsvermutung zu entkräften. Die von der Klägerin vorgebrachte einfache Behauptung, den Bescheid nicht erhalten zu haben, reiche nicht aus, die Zugangsvermutung zu erschüttern. Deshalb müsse davon ausgegangen werden, dass der Bescheid der Klägerin am 15. Dezember 2008 zugegangen sei. Die Widerspruchsfrist sei am 15. Januar 2009 abgelaufen, ohne dass bis dahin Widerspruch erhoben worden sei. Beide Widerspruchsbescheide wurden dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin gemäß jeweiligem Empfangsbekenntnis am 26. August 2009 zugestellt.

7

Am 23. September 2009 hat die Klägerin beim Verwaltungsgericht Greifswald Klage erhoben.

8

Zur Begründung hat sie im Wesentlichen vorgetragen,
ihre Heranziehung sei rechtswidrig. Die Klage sei zulässig und begründet. Insbesondere sei jeweils innerhalb der Monatsfrist Widerspruch eingelegt worden, da die Bescheide der Klägerin erst mit Schreiben des Beklagten vom 23. Februar 2009 bekanntgegeben worden seien. Insoweit sei die Festsetzungsfrist abgelaufen. Die Beitragspflicht sei 2004 entstanden, da am 26. Januar 2004 die letzte Unternehmerrechnung bei dem Beklagten eingegangen sei, so dass die Frist am 31. Dezember 2008 geendet habe. Vorliegend gehe es um die Anwendung des § 122 Abs. 2 AO. Wenn die in Frage stehenden Bescheide überhaupt nicht zugegangen seien, bleibe der Klägerin nichts anderes übrig, als den Zugang zu bestreiten. Es sei jedoch insbesondere der Umstand zu beachten, dass sie mit ihrem Schreiben vom 11. Februar 2009 selbst den Anstoß für die Überprüfung des Vorgangs gegeben habe. Hierin liege ein substantiiertes Bestreiten der Klägerin. Sie habe darüber hinaus um Übersendung der Bescheide gebeten. Damit lägen ernstliche Zweifel hinsichtlich des Zugangs der Bescheide am dritten Tage nach der Aufgabe zur Post vor. In der Akte sei offenbar lediglich ein Aufgabevermerk der Sachbearbeiterin vorhanden. Dieser Vermerk dokumentiere nur, dass die Sachbearbeiterin die Bescheide gefertigt und zum Versand bereitgelegt habe. Hinsichtlich der Postaufgabe sei anzunehmen, dass die Bescheide zunächst in den Räumlichkeiten des Beklagten verblieben, eingesammelt, zur Poststelle verbracht, dort frankiert und dem Beförderungsunternehmer übergeben worden seien. Der Aufgabevermerk der Sachbearbeiterin beweise lediglich, dass die Bescheide den Bereich des Bauamtes verlassen hätten. Es lägen somit viele Arbeitsschritte zwischen dem Aufgabevermerk und dem Verlassen der Amtsverwaltung vor, so dass es auch wahrscheinlich sei, dass die Bescheide untergegangen oder verloren gegangen seien. Was mit dem auf den Kopien der Bescheide aufgebrachten Vermerk „PA 12.12.2008“ gemeint sei, erschließe sich nicht ohne Weiteres. Sofern dieser Vermerk von der zuständigen Sachbearbeiterin gefertigt worden sei, werde der Vermerk so zu verstehen seien, dass die Sachbearbeiterin den Bescheid nicht selbst zur Post aufgegeben, sondern vielmehr der Poststelle des Amtes zur Versendung übergeben habe. Damit liege kein ausreichender Ab-Vermerk vor. Ein Postausgangsbuch führe der Beklagte offensichtlich nicht. Noch nicht einmal die Art der Versendung der Bescheide trage der Beklagte vor. Ob mit der Versendung von Beitragsbescheiden durch einen privaten Zustelldienst überhaupt eine Übermittlung der Bescheide „durch die Post“ im Sinne von § 122 Abs. 2 AO erfolgt wäre, sei bereits fraglich. Darüber hinaus sei auf den angefochtenen Bescheiden nicht der richtige Name der Klägerin vermerkt. Die Aussage des Beklagten, eine Rücksendung durch den Postzusteller sei nicht erfolgt, sei unerheblich. Nach alldem könne der Beklagte den Zugang der Bescheide nicht beweisen. Die Bescheide gelten gegenüber der Klägerin nicht als am 15. Dezember 2008 bekannt gegeben. Mangels Bekanntgabe habe die Widerspruchsfrist nicht zu laufen begonnen. Die Klägerin habe erst durch die Übersendung von Kopien Kenntnis von den Bescheiden erlangt. Es sei äußerst fraglich, ob mit der Übersendung der ursprünglichen Bescheide als Kopie überhaupt eine wirksame Bekanntgabe vorliege. Die Behörde habe insoweit keinen Bekanntgabewillen. Auch nicht wirksame Verwaltungsakte lösten als Äußerung einer mit staatlicher Autorität ausgestatteten Behörde Rechtswirkungen aus, so dass sie gleichwohl angefochten und aufgehoben werden könnten.

9

Die Klägerin hat beantragt,

10

die Straßenbaubeitragsbescheide des Beklagten vom 11.12.2008 – Az. B. 1522.05 lfd. Nr. 11 und Az. B. 1522.05 lfd. Nr. 12 – in Gestalt des jeweiligen Widerspruchsbescheides vom 19.08.2009 aufzuheben.

11

Der Beklagte hat beantragt,

12

die Klage abzuweisen.

13

Zur Begründung hat er auf seine Ausführungen in den Widerspruchsbescheiden Bezug genommen.

14

In der mündlichen Verhandlung am 23. September 2011 ist die Sachbearbeiterin Frau R. vom Verwaltungsgericht – informatorisch – befragt worden. Auf Nachfrage, was der Vermerk „PA 12.12.2008“ zu bedeuten habe, hat sie erklärt: „Ja, ich mache immer so einen Vermerk auf die Bescheide. PA heißt im Prinzip, ich habe den Bescheid gefertigt, habe ihn zur Unterschrift vorgelegt und dann gebe ich den Bescheid zur Poststelle in unserem Haus in die Kanzlei und da gehört es dann zum Tagesgeschäft, dass diese an dem gleichen Tag abgeschickt werden, PA heißt zur Poststelle am 12.12.2008“.

15

Mit Urteil vom 25. Oktober 2011 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen.

16

Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Klage sei bereits mangels Durchführung eines ordnungsgemäßen Vorverfahrens unzulässig. Die Klägerin habe erst am 23. März 2009 Widerspruch eingelegt, also außerhalb der Monatsfrist des § 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Widerspruchsfrist habe vorliegend gemäß § 57 Abs. 2 VwGO i. V. m. § 222 ZPO und §§ 187 ff. BGB am 16.Dezember 2008 zu laufen begonnen und mit Ablauf des 15. Januar 2009 geendet. Vorliegend stehe zur Überzeugung des Gerichts aufgrund des Vermerks „PA 12.12.2008“ auf den Bescheiden und den Ausführungen des Beklagten in der mündlichen Verhandlung fest, dass die Bescheide am 12. Dezember 2008 in den Postlauf gelangt seien, so dass die Zugangsvermutung des § 122 Abs. 2 Nr. 1 1. Halbsatz AO i. V. m. § 12 Abs. 1 KAG M-V eingreife. Die Sachbearbeiterin Frau R. habe in der mündlichen Verhandlung angegeben, dass sie immer dann einen solchen Vermerk auf einen Bescheid mache, wenn sie diesen zur Poststelle des Amtes gebe, wo es zum Tagesgeschäft gehöre, dass die Bescheide am gleichen Tag abgeschickt und demnach zur „Post“ gegeben würden. Zweifel daran, dass dies im vorliegenden Fall anders gewesen sein könnte, bestünden nicht. Auch die Klägerin habe keine substantiierten Tatsachen vorgetragen, welche die Behauptung einer späteren Absendung schlüssig erscheinen ließen. Die Bescheide hätten folglich am 15. Dezember 2008 als bekannt gegeben gegolten. Das Vorbringen der Klägerin sei nicht geeignet, die Zugangsvermutung zu erschüttern. Ob der Zugang entgegen der Vermutung des § 122 Abs. 2 Satz 1 1. Halbsatz AO nicht oder später eingetreten sei, sei grundsätzlich von Amts wegen zu ermitteln; Anlass gebe es hierzu jedoch nur, wenn der Empfänger den Nichtzugang bzw. den verspäteten Zugang behaupte. Dabei müsse der Adressat sein Vorbringen nach Lage des Einzelfalls derart substantiieren, dass zumindest ernsthafte Zweifel am Zugang bzw. dessen Zeitpunkt begründet würden. Das reine Behaupten eines unterbliebenen Zugangs reiche nicht aus, um Zweifel am Zugang zu wecken; erforderlich sei der substantiierte Vortrag eines atypischen Geschehensablaufs, sonst bleibe es bei der Fiktion. Vorliegend habe die Klägerin lediglich behauptet, die Bescheide nicht erhalten zu haben. Einen atypischen Geschehensablauf trage sie nicht vor. Die Bescheide wie auch die Mahnungen und weitere Schreiben des Beklagten wiesen als Anschrift immer den A. Weg in R. aus. Unter dieser Anschrift sei die Klägerin auch derzeit noch zu erreichen. Warum der Klägerin die Postsendung unter dieser Anschrift nicht zugegangen sein sollte, sei nicht nachvollziehbar. Etwas anderes ergebe sich auch nicht unter Berücksichtigung der im Jahr 2008/2009 erfolgten Nachnamensänderung der Klägerin von B. in L. Zum einen habe die Klägerin nicht substantiiert vorgetragen, wann die Namensänderung konkret erfolgt sei. Zum anderen sei zu berücksichtigen, dass sowohl die angefochtenen Beitragsbescheide als auch die Mahnungen an „Frau M. B.“ unter der oben genannten Anschrift adressiert gewesen seien, wobei der Klägerin jedenfalls die – zeitlich späteren – Mahnungen unstreitig übermittelt worden seien. Die Nachnamensänderung habe demnach einer Zusendung der Bescheide nicht entgegen gestanden.

17

Das Urteil ist der Klägerin am 02. November 2011 zugestellt worden. Mit am 28. November 2011 beim Verwaltungsgericht Greifswald eingegangenem Schriftsatz hat sie beantragt, die Berufung gegen das Urteil zuzulassen. Mit am 23. Dezember 2011 beim Oberverwaltungsgericht eingegangenem Schriftsatz hat sie ihren Zulassungsantrag begründet. Mit Beschluss vom 09. Juli 2012 hat der Senat die Berufung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zugelassen. Der Zulassungsbeschluss ist der Klägerin am 13. Juli 2012 zugestellt worden.

18

Mit am 13. August 2012 beim Oberverwaltungsgericht eingegangenem Schriftsatz hat sie die Berufung begründet und dazu im Wesentlichen ihr erstinstanzliches Vorbringen wiederholt.

19

Die Klägerin beantragt zuletzt,

20

unter Änderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 25. Oktober 2011 – 3 A 1225/09 – festzustellen, dass die Straßenbaubeitragsbescheide des Amtsvorstehers des Amts Darß/Fischland vom 11. Dezember 2008, Az.: B. 1522.05 lfd Nr. 11 und Az.: B. 1522.05 lfd Nr. 12 nicht wirksam geworden sind und die Klägerin nicht verpflichtet ist, die aufgrund der Bescheide geltend gemachten Beiträge zu entrichten,

21

hilfsweise,

22

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 25. Oktober 2011 – 3 A 1225/09 – die Straßenbaubeitragesbescheide des Beklagten vom 11. Dezember 2008 Az.: B. 1522.05 lfd Nr. 11 und Az.: B. 1522.05 lfd Nr. 12 und die Widerspruchsbescheide vom 19. August 2009 aufzuheben.

23

Der Beklagte beantragt,

24

die Berufung zurückzuweisen.

25

Der Beklagte trägt vor, er habe den Nachweis der Aufgabe der Bescheide zur Post am 12. Dezember 2008 geführt. Für den Zugang der Bescheide am 15. Dezember 2008 spreche folgerichtig die mit deren Aufgabe zur Post am 12. Dezember 2008 ausgelöste Fiktion des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO i. V. m. § 12 Abs. 1 KAG M-V. Ebenso beanstandungsfrei habe das Verwaltungsgericht das schlichte Bestreiten der Klägerin, die Beitragsbescheide nicht erhalten zu haben, als nicht ausreichend erachtet, die Zugangsvermutung zu erschüttern.

26

Mit gerichtlicher Verfügung vom 08. Januar 2015 ist der Beklagte um Stellungnahme gebeten worden, ob im Zeitpunkt der von ihm behaupteten Versendung der streitgegenständlichen Bescheide auf der Poststelle ein Postausgangsbuch geführt worden sei oder ob auf sonstige Weise der Nachweis geführt werden könne, dass der Bescheid die Poststelle verlassen habe. Ferner werde um Mitteilung gebeten, ob eine Anweisung oder Verwaltungsvorschrift für die Arbeit der Poststelle existiere; gegebenenfalls werde um deren Übersendung gebeten.

27

Zur Erledigung dieser Verfügung hat der Beklagte im Wesentlichen vorgetragen: Zur Arbeit in der Poststelle/Sekretariat werde die Dienstanweisung Nr. 26 vom 30. Januar 2001 – Registrierung des Postein- und Ausganges im Amt Darß/Fischland – sowie die Dienstanweisung zur Änderung der Dienstanweisung Nr. 26 vom 23. Oktober 2007 übersandt; für die weiteren Einzelheiten wird auf die beigefügten Dienstanweisungen verwiesen. Die Postein- und -ausgangsbücher würden in der Poststelle/Sekretariat handschriftlich geführt. Leider seien die Postein- und Ausgangsbücher des streitgegenständlichen Zeitraumes bei der Beräumung des Archivs aufgrund der abgelaufenen Aufbewahrungsfrist vernichtet worden. Aus einer im Weiteren übersandten Aufstellung zu sämtlichen am 02. Dezember 2008 vom Beklagten erstellten Straßenbaubeitragsbescheiden in Bezug auf den beauftragten Zustelldienst, den Postausgang (PA), Widersprüche, Stundungsanträge und Bezahlungen, sei zu entnehmen, dass von 48 Bescheiden 15 mit dem privaten Zustelldienst R. und 33 mit der Deutschen Post versandt worden seien. Auch die an die Klägerin gerichteten Bescheide seien am 03. Dezember 2008 zum ersten Mal in den Postlauf gelangt, über die Firma R.. Aufgrund einer dem Katasterverzeichnis entnommenen falschen Anschrift (K. Straße, R.) seien die Bescheide als nicht zustellbar zurückgekommen und mit korrigierter Anschrift (A. Weg, R.) am 11. Dezember 2008 neu erstellt und am 12. Dezember 2008 erneut in den Postlauf gegeben worden. Diese Bescheide seien vom Zustelldienst nicht zurückgelangt, so dass seitens des Beklagten von einer erfolgreichen Zustellung ausgegangen werde.

28

Für die weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsvorgänge des Beklagten, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind, verwiesen.

Entscheidungsgründe

29

Die Berufung der Klägerin ist zulässig (I.) und begründet (II.).

I.

30

Die Berufungsbegründungsfrist gemäß § 124a Abs. 6 Satz 1 VwGO ist gewahrt und das angefochtene Urteil in der Berufungsschrift hinreichend im Sinne von § 124a Abs. 2 Satz 2 VwGO bezeichnet. Auch die Anforderungen des § 124a Abs. 3 Satz 4 VwGO sind erfüllt. Die Begründung muss danach einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Die von der Klägerin übermittelte Berufungsbegründung genügt diesen Anforderungen, enthält insbesondere den erforderlichen Antrag. Zwar wiederholt sie im Wesentlichen – wortlautidentisch – ihr erstinstanzliches Vorbringen. Dies ist aber jedenfalls deshalb ausnahmsweise unschädlich, weil die Klägerin darin ausführlich die Frage der Aufgabe der Bescheide zur Post thematisiert und geltend gemacht hat, der Aufgabevermerk beweise lediglich, dass die Bescheide den Bereich des Bauamtes verlassen hätten, der Beklagte müsse aber den Beweis der Absendung erbringen. Da sich das Verwaltungsgericht hierzu nicht bzw. nur kursorisch und – wie noch zu zeigen sein wird – unzutreffend verhalten hat, ergibt sich aus der Wiederholung des umfänglichen erstinstanzlichen Vorbringens in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht im Einzelnen hinreichend deutlich, weshalb das angefochtene Urteil nach der Auffassung der Berufungsführerin unrichtig ist und geändert werden muss (vgl. OVG Greifswald, Urt. v. 03.05.2011 – 1 L 59/10 –, NordÖR 2011, 493).

II.

31

Die Berufung ist begründet. Die im Hauptantrag verfolgte Feststellungsklage der Klägerin ist zulässig (1.) und begründet (2.).

32

1. Soweit die Klägerin in der mündlichen Verhandlung bei unverändertem Klagegrund von ihrem zunächst angekündigten Anfechtungsantrag im Hauptsantrag auf eine Feststellungsklage übergegangen ist, ist dies nach Maßgabe von § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 264 Nr. 2 ZPO ohne Weiteres zulässig (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl., § 91 Rn. 9). Dies gilt auch in Ansehung der daraus wegen des im Falle der Feststellungsklage geltenden Rechtsträgerprinzips resultierenden Änderung des Passivrubrums. Im Übrigen hat der Beklagte seine Zustimmung zu einer in der Antragsumstellung etwaig zu erblickenden Klageänderung erklärt (§ 91 Abs. 1 VwGO).

33

Die Feststellungsklage – und nicht eine Anfechtungsklage – ist in Ansehung des zentralen Vortrags der Klägerin, die Abgabenbescheide seien ihr nicht zugegangen bzw. nicht wirksam bekanntgegeben worden, statthaft. Soweit in der finanzgerichtlichen Rechtsprechung angenommen wird, auch Nichtverwaltungsakte lösten als Äußerung einer mit staatlicher Autorität ausgestatteten Behörde scheinbar Rechtswirkungen aus und könnten deshalb aus praktischen Gründen gleichwohl angefochten und aufgehoben werden bzw. sei eine Anfechtungsklage statthaft (vgl. etwa FG Hamburg, Urt. v. 29.03.2007 – 1 K 258/06 – juris unter Bezugnahme auf BFH, Urt. v. 07.08.1985 – I R 309/82 –, BStBl II 1986, 42; ebenso Niedersächsisches FG, Urt. v. 23.02.2000 – 3 K 91/94 –, juris), folgt der Senat dem nicht.

34

Vielmehr ist die Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO statthaft bzw. zulässig. Durch Klage kann gemäß § 43 Abs. 1 VwGO die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage). Ebenso wie in dem Fall, dass der Kläger einen Bescheid für nichtig hält, gilt dies in gleicher Weise, soweit der Kläger einen Bescheid für nicht wirksam geworden hält. Wäre ein Abgabenbescheid gar nicht oder mit der Folge fehlerhaft bekanntgegeben worden, dass er nach § 124 Abs. 1 AO dem Adressaten gegenüber Wirksamkeit nicht erlangt hätte, handelte es sich um einen rechtlich nicht existent gewordenen Bescheid (Nichtakt), der in seiner rechtlichen Unwirksamkeit einem nichtigen Verwaltungsakt gleicht. Den Erfordernissen eines hinreichenden Rechtsschutzes entspricht es, auch mit Blick auf ihn die Feststellungsklage des § 43 Abs. 1 VwGO für statthaft zu halten. Die Frage der Wirksamkeit der Beitragsbescheide stellt namentlich ein Rechtsverhältnis dar, dessen Bestehen oder Nichtbestehen Gegenstand einer gerichtlichen Feststellung sein kann. Unter einem feststellungsfähigen Rechtsverhältnis sind die rechtlichen Beziehungen zu verstehen, die sich aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Norm für das Verhältnis von (natürlichen oder juristischen) Personen untereinander oder einer Person zu einer Sache ergeben, kraft deren eine der beteiligten Personen etwas Bestimmtes tun muss, kann oder darf oder nicht zu tun braucht. Rechtliche Beziehungen haben sich nur dann zu einem Rechtsverhältnis im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO verdichtet, wenn die Anwendung einer bestimmten Norm des öffentlichen Rechts auf einen bereits übersehbaren Sachverhalt streitig ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.01.1996 – 8 C 19.94 –, BVerwGE 100, 262 – zitiert nach juris). Mit einer solchen Feststellungsklage wird dann freilich nicht die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts – zweite Alternative des § 43 Abs. 1 VwGO –, sondern die Feststellung des Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses – erste Alternative des § 43 Abs. 1 VwGO – begehrt, und zwar die Feststellung, dass der Verwaltungsakt nicht wirksam (geworden) ist und deshalb die mit ihm beabsichtigte Regelung nicht erreicht hat (vgl. zum Ganzen BVerwG, Urt. v. 21.11.1986 – 8 C 127.84 –, NVwZ 1987, 330; VGH München, Urt. v. 24.11.2011 – 20 B 11.1659 –, NVwZ-RR 2013, 169 – jeweils zitiert nach juris; OVG Bautzen, Urt. v. 09.09.2014 – 2 A 56/12 –, juris, Rn. 25, 21 f.; OVG Schleswig, Urt. v. 17.08.2005 – 2 LB 59/04 –, juris; wohl auch VGH Mannheim, Beschl. v. 07.12.1990 – 10 S 2466/90 – juris (LS); VG Cottbus, Beschl. v. 08.02.2007 – 6 L 152/06 –, juris). Die Feststellungsklage der Klägerin ist nach diesem Maßstab statthaft. Sie begehrt die Feststellung des Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses in Gestalt der Feststellung, dass die Beitragsbescheide vom 11. Dezember 2008 nicht wirksam geworden sind und deshalb die mit ihnen beabsichtigte Regelung nicht erreicht bzw. die Klägerin durch sie nicht wirksam zur Beitragszahlung verpflichtet worden ist.

35

Das insoweit im Besonderen in den Blick zu nehmende Rechtsschutzinteresse (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.11.1986 – 8 C 127.84 –, NVwZ 1987, 330 – zitiert nach juris) der Klägerin ist jedenfalls mit Blick auf die an sie gerichteten Mahnungen ohne Weiteres zu bejahen, da diese offensichtlich von scheinbar rechtwirksam gewordenen Beitragsbescheiden ausgingen bzw. der Beklagte danach an letztere Rechtsfolgen knüpfen will.

36

Das in § 43 Abs. 1 VwGO geforderte berechtigte Interesse an der begehrten Feststellung liegt ebenfalls vor. Es ist nicht gleichbedeutend mit einem „rechtlichen Interesse“, sondern schließt darüber hinaus jedes als schutzwürdig anzuerkennende Interesse, insbesondere auch wirtschaftlicher oder ideeller Art, ein. Daraus folgt indessen nicht, dass jeder in diesem Sinne Interessierte auch ohne eigene Rechtsbetroffenheit Feststellungsklage erheben kann. Auf diese Klage ist vielmehr die Vorschrift des § 42 Abs. 2 VwGO entsprechend anzuwenden. Klagen auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses (§ 43 Abs. 1 1. Alt. VwGO) sind nur zulässig, wenn der Kläger geltend machen kann, in seinen Rechten verletzt zu sein, entweder weil er an dem festzustellenden Rechtsverhältnis selbst beteiligt ist oder weil von dem Rechtsverhältnis eigene Rechte abhängen. Diese Voraussetzungen liegen mit Blick auf die an die Frage der Wirksamkeit/Unwirksamkeit der Beitragsbescheide unmittelbar anknüpfenden belastenden oder eben nicht belastenden Folgen offensichtlich vor.

37

2. Die Feststellungsklage ist begründet. Die streitgegenständlichen Bescheide vom 11. Dezember 2008 für das Grundstück G1 in Höhe von 17.086,03 EUR (Az. B. 1522.05 – lfd. Nr.: 11) und für das Flurstück G2 in Höhe von 5.390,00 EUR (Az. B. 1522.05 – lfd. Nr.: 12) sind nicht wirksam geworden, die Klägerin ist nicht verpflichtet, die aufgrund der Bescheide geltend gemachten Beiträge zu entrichten.

38

Die Bescheide sind mangels Bekanntgabe gegenüber der Klägerin nicht wirksam geworden. Ein Verwaltungsakt wird gemäß § 124 Abs. 1 Satz 1 AO i.V.m. § 12 Abs. 1 KAG M-V gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird.

39

Der Beklagte macht durchgängig geltend, die streitgegenständlichen Bescheide seien zum Zwecke der Bekanntgabe am 12. Dezember 2008 an die Klägerin versandt worden. Die Klägerin bestreitet indes den Zugang und damit die Bekanntgabe der streitgegenständlichen Bescheide. Ihr Zugang konnte durch das Gericht im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht nach Ausschöpfung aller Beweismittel nicht festgestellt werden; der materiell beweispflichtige Beklagte konnte den Zugang nicht nachweisen. Dies geht nach Maßgabe des „Günstigkeitsprinzips“ zu seinen Lasten.

40

Ein Verwaltungsakt ist demjenigen Beteiligten bekannt zu geben, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird. Es entspricht allgemeiner Meinung, dass für die Bekanntgabe eines Verwaltungsakts § 130 BGB analog anzuwenden und darauf abzustellen ist, wann bei gewöhnlichem Verlauf und normaler Gestaltung der Verhältnisse des Empfängers mit der Kenntnisnahme durch ihn zu rechnen ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 22.02.1994 – 4 B 212/93 –, juris). Da die Behörde die Kenntnisnahme selbst nicht bewirken kann, reicht insoweit wie bei der zivilrechtlichen Willenserklärung die Möglichkeit der Kenntnisnahme aus. Zentrale Voraussetzung ist deshalb bei schriftlichen Verwaltungsakten ihr Zugang gemäß § 130 BGB. Ein Schriftstück ist bereits dann zugegangen, wenn es derart in den Machtbereich des Empfängers (Inhaltsadressaten) gelangt ist, dass dieser unter Ausschluss unbefugter Dritter von dem Schriftstück Kenntnis nehmen und diese Kenntnisnahme nach den allgemeinen Gepflogenheiten auch von ihm erwartet werden kann (vgl. BFH, Urt. v. 09.12.1999 – III R 37/97 –, juris; OVG Greifswald, Beschl. v. 14.05.2001 – 1 M 68/00 –, juris Rn. 43).

41

Die Klägerin bestreitet, dass ihr die angefochtenen Bescheide zugegangen bzw. in ihren Machtbereich gelangt sind. Tatsachen und insbesondere bestimmte Verhaltensweisen der Klägerin, aus denen (indiziell) zu schließen wäre, sie habe die Beitragsbescheide tatsächlich erhalten, konnte der Senat nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung (vgl. § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) nicht feststellen. Umstände, aus denen auf eine Zugangsvereitelung und auf Verstöße gegen Mitwirkungspflichten der Empfängerin (etwa im Zusammenhang mit der Namensänderung der Klägerin) geschlossen werden könnte, sind substantiiert weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich. Widersprüchliches Verhalten der abgabepflichtigen Klägerin ist ebenso wenig feststellbar (vgl. zu diesen Kriterien VGH München, Urt. v. 24.11.2011 – 20 B 11.1659 –, NVwZ-RR 2013, 169 – zitiert nach juris). Sie hat sich im Gegenteil insbesondere in Ansehung ihres Schreibens vom 11. Februar 2009 „folgerichtig“ verhalten. Nach Lage der Dinge ist der tatsächliche Zugang der streitgegenständlichen Bescheide bei der Klägerin für den Senat nicht aufklärbar; nach Ausschöpfung aller Aufklärungsmöglichkeiten sind keine weiteren Beweismittel benannt oder ersichtlich, die den Zugang als aufklärbar erscheinen ließen. Der Beklagte ist mit Blick auf die ihn treffende materielle Beweislast nicht dazu in der Lage, den tatsächlichen Zugang zu beweisen. Dies geht nach Maßgabe des „Günstigkeitsprinzips“ zu seinen Lasten.

42

Entgegen der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts liegen auch die Voraussetzungen für das Eingreifen der Zugangsfiktion nach § 122 Abs. 2 1. Halbsatz Nr. 1 AO i.V.m. § 12 Abs. 1 KAG M-V nicht vor. Soweit das Verwaltungsgericht ausgeführt hat, zu seiner Überzeugung stehe aufgrund des Vermerkes auf den Bescheiden „PA 12.12.2008“ und den Ausführungen des Beklagten in der mündlichen Verhandlung fest, dass die Bescheide am 12. Dezember 2008 in den Postlauf gelangt seien, so dass die Zugangsvermutung eingreife, vermag der Senat dem nicht zu folgen.

43

Ein schriftlicher Verwaltungsakt, der durch die Post übermittelt wird, gilt gemäß § 122 Abs. 2 1. Halbsatz Nr. 1 AO bei einer Übermittlung im Inland am dritten Tage nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben, außer wenn er nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsakts und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen.

44

Für das Eingreifen der Fiktion kommt es dabei grundsätzlich nicht darauf an, ob die Bescheide an die „Deutsche Post AG“ oder einem privaten Postdienstleister übergeben werden (vgl. BFH, Beschl. v. 18.04.2013 – X B 47/12 –, juris).

45

Die Bekanntgabefiktion des § 122 Abs. 2 1. Halbsatz Nr. 1 AO setzt nach dem eindeutigen Wortlaut der Bestimmung und der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs hierzu voraus, dass die Aufgabe zur Post erfolgt ist bzw. feststeht, an welchem Tag die Aufgabe zur Post erfolgt ist. Die Vermutung des Zuganges knüpft also an das Datum der Aufgabe des Bescheides zur Post an, die Vermutung des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO ist nicht anwendbar, wenn der Tag der Aufgabe des Verwaltungsakts nicht feststeht; dieses ergibt sich insbesondere nicht zwingend aus dem Bescheiddatum (vgl. BFH, Beschl. v. 06.07.2011 – III S 4/11 (PKH) –, BFH/NV 2011, 1717 – zitiert nach juris; Urt. v. 22.05.2002 – VIII R 53/00 –, juris; Urt. v. 03.05.2001 – III R 56/98 –, BFH/NV 2001, 1365, 1366 – zitiert nach juris). Insoweit ist die Behörde – materiell – beweispflichtig, dass der Abgabenbescheid ihren Bereich rechtzeitig bzw. zu dem von ihr behaupteten Datum verlassen hat (vgl. BFH, Urt. v. 28.09.2000 – III R 43/97 –, BFHE 193, 28, BStBl II 2001, 211 zitiert nach juris). Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob der Bescheid nach feststehender Aufgabe zur Post tatsächlich zugegangen ist. Nur in diesem Zusammenhang kann sich die weitere Frage stellen, ob insbesondere die Abgabenpflichtige den Zugang derart in Zweifel gezogen hat, dass die Nachweispflicht der Behörde gemäß § 122 Abs. 2 2. Halbsatz AO greift.

46

Diese Systematik hat das Verwaltungsgericht verkannt, wenn es ausführt, Zweifel daran, dass die Handhabung durch den Beklagten im vorliegenden Fall anders gewesen sein könnte als in der mündlichen Verhandlung geschildert, bestünden nicht, auch die Klägerin habe keine substantiierten Tatsachen vorgetragen, welche die Behauptung einer späteren Absendung schlüssig erscheinen ließen. Nicht die Klägerin muss entsprechend vortragen, vielmehr muss der Beklagte die Aufgabe zur Post bzw. das Aufgabedatum nachweisen.

47

Auch eine Behörde ist insoweit zu einer wirksamen Postausgangskontrolle verpflichtet (BFH, Beschl. v. 07.12.1982 – VIII R 77/79 –, BFHE 137, 221, BStBl II 1983, 229 – zitiert nach juris). Dafür reichen die einfache Zuleitung oder kommentarlose Übergabe des jeweiligen Schriftstücks an die amtsinterne Postausgangsstelle ebenso wenig aus wie ein bloßer Abgangsvermerk der Stelle, die das Schriftstück an diese Postausgangsstelle weiterleitet. Vielmehr ist regelmäßig ein Absendevermerk der Poststelle erforderlich. Liegt ein solcher Vermerk nicht vor, muss das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung beurteilen, ob es die rechtzeitige Absendung für nachgewiesen hält oder nicht (vgl. BFH, Beschl. v. 19.08.2002 – IX B 179/01 –, BFH/NV 2003, 138 – zitiert nach juris); die Regeln des Anscheinsbeweises sind insoweit nicht anwendbar (vgl. BFH, Urt. v. 28.09.2000 – III R 43/97 –, BFHE 193, 28, BStBl II 2001, 211; v. 16.01.2007 – IX R 41/05 –, BFH/NV 2007, 1508 – jeweils zitiert nach juris; vgl. zum Ganzen BFH, Beschl. v. 03.07.2009 – IX B 18/09 –, juris; Beschl. v. 06.07.2011 – III S 4/11 (PKH) –, BFH/NV 2011, 1717 – zitiert nach juris; vgl. auch zu § 41 Abs. 2 VwVfG und der Notwendigkeit eines ordnungsgemäßen Postaufgabevermerks auch Kopp/Ramsauer, VwVfG, 14. Aufl., § 41 Rn. 43; OVG Greifswald, Beschl. v. 19.10.2011 – 2 L 101/09 –, juris, Rn. 9; OVG Bautzen, Beschl. v. 05.09.2014 – 3 A 722/12 –, juris: „… durch den zuständigen Behördenmitarbeiter zu dokumentierenden Zeitpunkt der Aufgabe zur Post …“; vgl. auch VG Düsseldorf, Urt. v. 19.03.3012 – 23 K 5262 –, juris, Rn. 23; zu § 37 Abs. 2 SGB X VG Trier, Urt. v. 14.04.2011 – 2 K 1082/10.TR –, juris; OVG Münster, Beschl. v. 07.03.3001 – 19 A 4216/99 –, NVwZ 2001, 1171 – zitiert nach juris).

48

Unter Zugrundelegung dieses Maßstabes steht die Aufgabe bzw. der Tag der Aufgabe der streitgegenständlichen Bescheide zur Post nicht fest (insoweit liegt der Fall insbesondere anders als im Verfahren Az. 1 O 46/06, Beschl. v. 11.04.2006); folglich greift die Fiktion des § 122 Abs. 2 1. Halbsatz Nr. 1 AO nicht ein.

49

Auf Nachfrage des Verwaltungsgerichts, was der Vermerk „PA 12.12.2008“ zu bedeuten habe, hat die zuständige Sachbearbeiterin des Beklagten in der mündlichen Verhandlung erklärt: „Ja, ich mache immer so einen Vermerk auf die Bescheide. PA heißt im Prinzip ich hab den Bescheid gefertigt, hab ihn zur Unterschrift vorgelegt und dann gebe ich den Bescheid zur Poststelle in unserem Haus in die Kanzlei und da gehört es dann zum Tagesgeschäft, dass diese an dem gleichen Tag abgeschickt werden, PA heißt zur Poststelle am 12.12.2008“. Bei dem Vermerk „PA 12.12.2008“ handelt es sich hiervon ausgehend also um einen bloßen Abgangsvermerk der sachbearbeitenden Stelle beim Beklagten, die die Bescheide an die Postausgangsstelle weitergeleitet hat. Der anschließend regelmäßig erforderliche Absendevermerk der Postausgangsstelle fehlt hingegen. Der Erklärung der Sachbearbeiterin lässt sich auch nicht die Versicherung eines bestimmten Absendedatums entnehmen; sie teilt nur das Datum der Übergabe an die Poststelle mit.

50

Ein solcher Absendevermerk lässt sich auch nicht den beim Beklagten – nach Maßgabe einer Dienstanweisung vom 30. Oktober 2001 – geführten Postein- und -ausgangsbüchern entnehmen. Auf die gerichtliche Nachfrage, ob im Zeitpunkt der vom Beklagten behaupteten Versendung der streitgegenständlichen Bescheide auf der Poststelle ein Postausgangsbuch (vgl. dazu, ob und inwieweit der notwendige Nachweis mit einem Postausgangsbuch geführt werden kann, VGH München, Urt. v. 24.11.2011 – 20 B 11.1659 –, NVwZ-RR 2013, 169) geführt worden sei oder ob auf sonstige Weise der Nachweis geführt werden könne, dass die Bescheide die Poststelle verlassen haben, hat der Beklagte mitgeteilt, die Postein- und Ausgangsbücher würden in der Poststelle/Sekretariat handschriftlich geführt. Leider seien die Postein- und Ausgangsbücher des streitgegenständlichen Zeitraumes bei der Beräumung des Archivs aufgrund der abgelaufenen Aufbewahrungsfrist vernichtet worden. Damit hat sich der Beklagte der für an sich ohne Weiteres bestehenden Möglichkeit, die Absendung zu beweisen, selbst beraubt.

51

Der Vortrag, es gehöre in der Kanzlei zum Tagesgeschäft, dass die die dorthin gebrachten Bescheide am gleichen Tag abgeschickt werden, ist zu pauschal und unkonkret, um mit hinreichender Gewissheit annehmen zu können, die streitgegenständlichen Bescheide seien tatsächlich am 12. Dezember 2008 an den beauftragten Postdienstleister übergeben worden. Dazu ist anzumerken, dass insoweit z. B. offen geblieben ist, wie die Absendung am selben Tag bewerkstelligt wird, wenn die zu versendenden Bescheide erst am Ende des Arbeitstages („Dienstschluss“) auf der Kanzlei eingehen.

52

Im Hinblick auf die in Erledigung der erwähnten gerichtlichen Verfügung ferner übersandte – handschriftliche – Aufstellung zu sämtlichen am 02. Dezember 2008 vom Beklagten erstellten Straßenbaubeitragsbescheiden in Bezug auf den beauftragten Zustelldienst, den Postausgang (PA), Widersprüche, Stundungsanträge und Bezahlungen ist schon nicht ersichtlich, wann, von wem und zu welchem Zweck die Aufstellung gefertigt worden ist. Insbesondere sind die darin dokumentierten „Postausgangsdaten“ nicht nachvollziehbar. Gemeint sind hier offensichtlich wieder die Daten, unter denen die Bescheide an die Postausgangsstelle übergeben worden sind, also nicht etwa die tatsächlichen Absendedaten.

53

Zudem kann der Vortrag des Beklagten, auch die an die Klägerin gerichteten Bescheide seien am 03. Dezember 2008 zum ersten Mal in den Postlauf gelangt, aufgrund einer dem Katasterverzeichnis entnommenen falschen Anschrift seien die Bescheide als nicht zustellbar zurückgekommen und mit korrigierter Anschrift am 11. Dezember 2008 neu erstellt und am 12. Dezember 2008 erneut in den Postlauf gegeben worden, dahingehend bewertet werden, dass gerade in Ansehung dieser Bescheide nicht alles „normal“ gelaufen ist. Der Umstand für sich allein gesehen, dass es keinen Rücklauf seitens des beauftragten Postunternehmens gab, ist offensichtlich kein hinreichendes Indiz für eine erfolgte Absendung: Auch im Falle der unterbliebenen Absendung hätte es keinen Rücklauf geben können.

54

Weitere Beweismittel für eine Absendung sind vom Beklagten weder benannt worden noch wären solche ersichtlich. Schließlich handelte es sich bei der Beitragserhebung anlässlich der Ausbaumaßnahme nicht um ein Massenverfahren, das ggf. möglicherweise eine weniger strenge Betrachtung erforderte.

55

Nach Ausschöpfung aller Aufklärungsmöglichkeiten stehen demnach auch die Aufgabe der Bescheide zur Post und das behauptete Absendedatum nicht fest bzw. ist es dem insoweit materiell beweispflichtigen Beklagten nicht gelungen, den entsprechenden Beweis für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 122 Abs. 2 1. Halbsatz Nr. 1 AO bzw. der Zugangsvermutung zu erbringen. Auch dies wirkt sich unter Zugrundelegung des „Günstigkeitsprinzips“ zu Lasten des Beklagten aus.

56

Fehlt es damit bereits an den Voraussetzungen für das Eingreifen der Zugangsfiktion, kommt es auf die nachrangige Frage, ob eine Ausnahme von der Zugangsvermutung anzunehmen ist, weil es der Klägerin gelungen wäre, mit ihrem Vorbringen Zweifel an einem Zugang zu wecken, nicht mehr an.

57

Der nach alledem zugrunde zu legenden Bekanntgabemangel ist auch nicht durch den Erlass und die Zustellung der Widerspruchsbescheide vom 19. August 2009 geheilt worden, weil der Widerspruchsbescheid die Widersprüche der Klägerin ausschließlich als unzulässig zurückwies, sich daher nicht mit dem Inhalt der Beitragsbescheide befasst hat und jegliche inhaltliche Bezugnahme auf die nicht wirksam gewordene Beitragsfestsetzung, ggf. deren inhaltliche Wiederholung etc. vermissen lässt (vgl. VGH München, Urt. v. 24.11.2011 – 20 B 11.1659 –, NVwZ-RR 2013, 169 – zitiert nach juris; FG Hamburg, Urt. v. 29.03.2007 – 1 K 258/06 –, juris; BFH, Urt. v. vom 25.01.1994 – VIII R 45/92 –, BFHE 173, 213 – zitiert nach juris). Insoweit kann der erforderliche Bekanntgabewillen nicht festgestellt werden. Die Annahme eines solchen scheidet auch deshalb aus, weil der Beklagte ausweislich der Begründung der Beitragsbescheide (endgültige Herstellung der Anlage in 2004) und der Verwaltungsvorgänge (Eingang der letzten Unternehmerrechnung in 2004) offensichtlich selbst davon ausgegangen ist, eine Bekanntgabe im Zeitpunkt der Zustellung der Widerspruchsbescheide könne eine inzwischen eingetretene Festsetzungsverjährung nicht mehr beseitigen; folglich machte die Annahme eines Bekanntgabewillens gerade aus seiner Sicht keinen Sinn.

58

Eine Bekanntgabe der streitgegenständlichen Abgabenbescheide kann auch nicht in der Übersendung von Kopien der Bescheide an die Klägerin mit Schreiben des Beklagten vom 23. Februar 2009 erblickt werden (vgl. FG Hamburg, Urt. v. 29.03.2007 – 1 K 258/06 –, juris). Auch insoweit gilt, dass ein ohne Bekanntgabewillen zur Kenntnis gebrachter Verwaltungsakt keine Wirksamkeit erlangt (vgl. hierzu näher BVerwG, Urt. v. 18.04.1997 – 8 C 43.95 –, BVerwGE 104, 310; Urt. v. 25.04.2013 – 3 C 19.12 –, ZOV 2013, 128 – jeweils zitiert nach juris). Der Bekanntgabewille fehlt, wenn die Übersendung eines Schriftstücks nicht zu dem Zweck erfolgt, die an eine Bekanntgabe geknüpften Rechtsfolgen herbeizuführen, sondern nur der Information des Empfängers über den Inhalt eines bei den Akten befindlichen Schriftstücks dienen soll (vgl. BFH, Urt. v. 04.10.1989 – V R 39/84 – BFH/NV 1990, 409 – zitiert nach juris; vgl. auch BVerwG, Urt. v. 25.04.2013 – 3 C 19.12 –, ZOV 2013, 128 – jeweils zitiert nach juris). Ob die nochmalige Bekanntgabe einer behördlichen Verfügung als anfechtbarer Verwaltungsakt oder nur als Übersendung einer Zweitschrift ohne selbständig anfechtbare Regelung zu beurteilen ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls (vgl. BFH, Beschl. v. 24.11.1999 – V B 137/99 –, BFH/NV 2000, 550 – zitiert nach juris; vgl. zum Ganzen FG Hamburg, Urt. v. 29.03.2007 – 1 K 258/06 –, juris).

59

Nach Maßgabe dieser Grundsätze handelt es sich bei den übersandten Bescheidkopien weder um gesondert anfechtbare Verwaltungsakte noch sollte mit ihnen eine Bekanntgabe der streitgegenständlichen Bescheide nachgeholt bzw. ein Bekanntgabemangel geheilt werden. Der Beklagte hat dies schon äußerlich dadurch dokumentiert, dass er die Ablichtungen der Klägerin mit dem Begleitschreiben vom 23. Februar 2009 ausdrücklich als "Kopie" übersandte. Er hat insbesondere das Datum der Bescheide nicht auf den Tag der nochmaligen Versendung geändert. Zudem hat er zum Ausdruck gebracht, er gehe davon aus, dass die Bescheide der Klägerin bereits zuvor „zugestellt“ worden seien. Auch inhaltlich hat der Beklagte durch sein weiteres Vorgehen im Verwaltungsverfahren unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass die Übersendung der Kopien nicht zur Auslösung der an eine Bekanntgabe geknüpften Rechtsfolgen diente. Insbesondere wollte er keine neue Rechtsbehelfsfrist in Gang setzen, wie sich aus der nachfolgenden Widerspruchszurückweisung ergibt. Wären die mit Schreiben vom 23. Februar 2009 übersandten Bescheidkopien mit Bekanntgabewillen erfolgt, wäre der jeweils am 23. März 2009 offensichtlich binnen Monatsfrist (§ 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO) erhobene Widerspruch fristgerecht eingegangen und die Zurückweisung des Widerspruchs als unzulässig hätte nicht erfolgen dürfen/können. Die Annahme eines solchen Bekanntgabewillens scheidet auch in diesem Zusammenhang deshalb aus, weil der Beklagte wie ausgeführt ersichtlich selbst davon ausgegangen ist, eine Bekanntgabe im Zeitpunkt der Übersendung der Bescheidkopien könne eine inzwischen eingetretene Festsetzungsverjährung nicht mehr beseitigen; folglich machte die Annahme eines Bekanntgabewillens wiederum schon aus seiner eigenen Sicht keinen Sinn.

60

Materiell-rechtliche Fragen, insbesondere ob tatsächlich Festsetzungsverjährung eingetreten ist, sind nicht zu erörtern.

61

Da die Klägerin bereits mit ihrem Hauptantrag voll obsiegt hat und keine wirksamen und damit aufhebbaren Bescheide existieren, bedarf es keiner Entscheidung des Senats über den gestellten Hilfsantrag.

III.

62

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

63

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beurteilt sich nach § 167 Abs. 1, § 167 Abs. 2 analog VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

64

Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

(1) Ein Verwaltungsakt wird gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird. Der Verwaltungsakt wird mit dem Inhalt wirksam, mit dem er bekannt gegeben wird.

(2) Ein Verwaltungsakt bleibt wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist.

(3) Ein nichtiger Verwaltungsakt ist unwirksam.

Lässt sich die formgerechte Zustellung eines Dokuments nicht nachweisen oder ist das Dokument unter Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften zugegangen, so gilt es in dem Zeitpunkt als zugestellt, in dem das Dokument der Person, an die die Zustellung dem Gesetz gemäß gerichtet war oder gerichtet werden konnte, tatsächlich zugegangen ist.

(1) Ein Verwaltungsakt wird gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird. Der Verwaltungsakt wird mit dem Inhalt wirksam, mit dem er bekannt gegeben wird.

(2) Ein Verwaltungsakt bleibt wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist.

(3) Ein nichtiger Verwaltungsakt ist unwirksam.

Tenor

Revision der Klägerin gegen das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 18. Oktober 2013  12 K 1831/11 AO wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, wurde im Jahre 19.. von der X-AG-- gegründet und bis zum Jahre 2001 unmittelbar von dieser im Beteiligungsbesitz gehalten. Im Rahmen der Gewerbesteuerveranlagungsverfahren gingen die Klägerin und der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) davon aus, dass zwischen der Klägerin und der X-AG in den Erhebungszeiträumen 1999 und 2000 eine gewerbesteuerrechtliche Organschaft und im Erhebungszeitraum 2001 eine sog. Organschaftskette bestanden habe. Als Folge wurden die von der Klägerin erzielten Jahresergebnisse gewerbesteuerrechtlich der X-AG zugerechnet.

2

Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der X-AG versandte das FA am 11. November 2009 "Mitteilungen" an die Stadt A. Wesentlicher Inhalt dieser "Mitteilungen" ist, dass die X-AG in den Jahren 1999 bis 2001 auf dem Gemeindegebiet der Stadt A eine Betriebsstätte unterhalten habe. Des Weiteren weisen die "Mitteilungen" den jeweiligen Gewerbesteuermessbetrag sowie den auf die Stadt A entfallenden Zerlegungsanteil aus. Unter dem 10. Juni 2010 versandte das FA für die genannten Zeiträume geänderte "Mitteilungen". Die übermittelten Beträge entsprachen den gegenüber dem Insolvenzverwalter der X-AG berechneten Messbeträgen. Dieser gegenüber ergingen wegen des eröffneten Insolvenzverfahrens keine Gewerbesteuermessbescheide mehr.

3

Mit Schreiben vom 16. November 2010 wies die Stadt A die Klägerin darauf hin, dass nach § 73 der Abgabenordnung (AO) eine Organgesellschaft für solche Steuern des Organträgers hafte, für welche die Organschaft steuerlich von Bedeutung war. Eine solche Haftungsinanspruchnahme sei beabsichtigt: Die Haftungsvoraussetzungen seien im Verhältnis zwischen der Klägerin und der X-AG erfüllt. Deren Gewerbesteuerkonto bei der Stadt A weise für die Jahre 1999 bis 2001 Rückstände in Höhe von mehreren hunderttausend Euro aus. Im Hinblick auf das Insolvenzverfahren sei nicht mit einem Ausgleich der Forderung zu rechnen.

4

Im Rahmen mehrerer Erörterungen mit Vertretern der Stadt A vertrat die Klägerin die Auffassung, dass auf der Grundlage neuerer Rechtsprechung mangels organisatorischer Eingliederung, für das Jahr 2001 auch mangels finanzieller Eingliederung, ein Organschaftsverhältnis mit der X-AG zu verneinen sei. Demgegenüber vertrat die Stadt A die Auffassung, dass aufgrund der vom FA im November 2009 übersandten "Mitteilungen" von gegenüber der X-AG bestandskräftigen Gewerbesteuermessbescheiden und entsprechenden Folgebescheiden auszugehen sei, diese könne die Stadt A nicht in eigener Zuständigkeit in Frage stellen.

5

Mit Schreiben vom 23. Februar 2011 beantragte die Klägerin daraufhin beim FA, die Stadt A darüber zu informieren, dass jedenfalls auf Grundlage neuerer Rechtsprechung die Voraussetzungen einer Organschaft nicht gegeben, zumindest aber zweifelhaft seien. Das FA lehnte diesen Antrag ab, einen hiergegen gerichteten Einspruch verwarf es als unzulässig.

6

Mit ihrer daraufhin erhobenen Klage wandte sich die Klägerin gegen die "Mitteilungen" vom November 2009 und Juni 2010. Sie machte geltend, dass das FA verpflichtet sei, den bei der Stadt A erweckten unzutreffenden Eindruck, es habe ein Organschaftsverhältnis bestanden, zu korrigieren.

7

Das Finanzgericht (FG) Düsseldorf qualifizierte in seinem Urteil vom 18. Oktober 2013  12 K 1831/11 AO (Der Konzern 2014, 124) das Rechtsschutzbegehren als allgemeine Leistungsklage und wies diese mangels Rechtsschutzbedürfnisses als unzulässig ab.

8

Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer vom FG zugelassenen Revision.

9

Die Klägerin beantragt, das Urteil der Vorinstanz aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

10

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

11

II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat die Klage im Ergebnis zu Recht als unzulässig abgewiesen. Die Klägerin ist nicht i.S. des § 40 Abs. 2 FGO befugt, das FA auf die Erteilung einer geänderten "Mitteilung" zu verklagen.

12

1. Gemäß § 155 Satz 1 FGO i.V.m. § 17a Abs. 5 des Gerichtsverfassungsgesetzes überprüft der Senat die Zulässigkeit des Finanzrechtsweges, dessen Eröffnung das FG ausdrücklich bejaht hat, nicht (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 3. Juli 2008 V R 40/04, BFHE 221, 557, BStBl II 2009, 208).

13

2. a) Gemäß § 40 Abs. 1 FGO kann durch Klage u.a. die Verurteilung zu einer anderen Leistung begehrt werden (sog. allgemeine Leistungsklage). Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist diese Klage gemäß § 40 Abs. 2 FGO nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch die Ablehnung oder Unterlassung einer anderen Leistung in seinen Rechten verletzt zu sein. Wie aus dem Wortlaut des § 40 Abs. 2 FGO unmittelbar hervorgeht, muss die dort geregelte sog. Klagebefugnis auch bei einer allgemeinen Leistungsklage vorliegen (Senatsurteil vom 15. Oktober 1997 I R 10/92, BFHE 184, 212, BStBl II 1998, 63; Braun in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 40 FGO Rz 128; Gräber/Levedag, Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 40 Rz 77 f.).

14

Der Kläger ist dann klagebefugt, wenn die Rechtsordnung ein subjektives Recht kennt, das den geltend gemachten Anspruch in seiner Person tragen würde. Welche Rechtsnormen ein solches subjektiv-öffentliches Recht begründen, entscheidet sich nach der Rechtsprechung des BFH, des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) und der h.M. nach der Schutznormtheorie (Senatsurteil in BFHE 184, 212, BStBl II 1998, 63, m.w.N.; BVerwG-Urteil vom 10. April 2008  7 C 39.07, BVerwGE 131, 129, m.w.N., zu § 42 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung --VwGO--). Gefordert wird damit der Verstoß gegen eine Norm, die nicht ausschließlich im Interesse der Allgemeinheit, insbesondere im öffentlichen Interesse an der gesetzmäßigen Steuererhebung und Sicherung des Steueraufkommens erlassen wurde, sondern --zumindest auch-- dem Schutz der Interessen einzelner an dem betreffenden Steuerschuldverhältnis nicht beteiligter Dritter dient (sog. "drittschützende" Norm). Es genügt weder eine Verletzung lediglich wirtschaftlicher Interessen noch die Verletzung von Normen, durch die der einzelne Dritte nur aus Gründen des Interesses der Allgemeinheit begünstigt wird, die also reine Reflexwirkungen haben (vgl. Senatsurteil in BFHE 184, 212, BStBl II 1998, 63).

15

Die Voraussetzungen des § 40 Abs. 2 FGO sind erfüllt, wenn das Klagevorbringen es als zumindest möglich erscheinen lässt, dass die angefochtene Entscheidung eigene subjektiv-öffentliche Rechte des Klägers verletzt (sog. Möglichkeitstheorie, vgl. BVerwG-Urteile vom 29. Juni 1983  7 C 102.82, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht --NVwZ-- 1983, 610; vom 27. Januar 1993  11 C 35.92, BVerwGE 92, 32, zu § 42 Abs. 2 VwGO), bzw. die Klagebefugnis ist --umgekehrt gewendet-- nur dann nicht gegeben, wenn offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise die vom Kläger geltend gemachten Rechte bestehen oder ihm zustehen können (Senatsurteil vom 21. Oktober 1970 I R 81/68 u.a., BFHE 100, 295, BStBl II 1971, 30; BFH-Urteile vom 3. Februar 1987 VII R 116/82, BFHE 149, 362, BStBl II 1987, 346; vom 10. Oktober 2007 VII R 36/06, BFHE 218, 458, BFH/NV 2008, 181; BVerwG-Urteil vom 10. Juli 2001  1 C 35.00, BVerwGE 114, 356, m.w.N.; Eyermann/Happ, Verwaltungsgerichtsordnung, 14. Aufl., § 42 Rz 93; Braun in HHSp, § 40 FGO Rz 176; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 40 FGO Rz 92).

16

b) Nach diesen Maßstäben fehlt es für die auf eine geänderte Mitteilung gerichtete Klage an der Klagebefugnis. Denn subjektiv-öffentliche Rechte der Klägerin werden durch eine Mitteilung des FA im Gewerbesteuerverfahren der X-AG unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt tangiert.

17

aa) § 184 Abs. 3 AO verleiht der Klägerin keine Klagebefugnis. Diese Norm betrifft nicht das Besteuerungsverhältnis der Klägerin und hat auch keinen drittschützenden Charakter.

18

aaa) Im Land Nordrhein-Westfalen wurde gemäß Art. 108 Abs. 4 Satz 2 des Grundgesetzes (GG) i.V.m. § 1 des Gesetzes über die Zuständigkeit für die Festsetzung und Erhebung der Realsteuern (GV NRW 1981, 732) die Zuständigkeit für die Festsetzung und Erhebung der Gewerbesteuer den Gemeinden übertragen. Sie sind damit für den Erlass des Gewerbesteuerbescheids --und auch für den etwaigen Erlass von Haftungsbescheiden wegen Gewerbesteuer (Boeker in HHSp, § 191 AO Rz 90; R 5.3 Satz 2 der Gewerbesteuer-Richtlinien 2009)-- zuständig, während das FA als Landesfinanzbehörde für den Erlass des Gewerbesteuermessbescheids zuständig ist (vgl. Art. 108 Abs. 2 Satz 1 GG, § 17 Abs. 2 Satz 1 des Finanzverwaltungsgesetzes --FVG--). Aus dieser Kompetenzverteilung ergibt sich zwangsläufig die Notwendigkeit zur Zusammenarbeit zwischen den kommunalen und den staatlichen Behörden. Deshalb ordnet § 184 Abs. 3 AO an, dass die Finanzbehörden den Gemeinden den Inhalt des Steuermessbescheids mitzuteilen haben. Die Mitteilung nach § 184 Abs. 3 AO ist weder Teil des Steuermessbescheids noch selbständiger Verwaltungsakt, sondern eine durch die Kompetenzverteilung gebotene verwaltungsinterne Maßnahme rein technischen Charakters ohne unmittelbare Außenwirkung. Es handelt sich um eine schlichte Informationsweitergabe, die selbständig vom Steuerpflichtigen auch nicht angegriffen werden kann (vgl. Senatsurteil vom 14. November 1984 I R 151/80, BFHE 142, 544, BStBl II 1985, 607; Boeker in HHSp, § 184 AO Rz 86; Brandis in Tipke/Kruse, a.a.O., § 184 AO Rz 9; Frotscher in Schwarz/Pahlke, AO, § 184 Rz 24; vgl. auch Becker/Riewald/Koch, Reichsabgabenordnung, 9. Aufl. 1965, Bd. II, § 212b Anm. 2, zur Vorgängerregelung in § 212b Abs. 1 der Reichsabgabenordnung). Vor diesem Hintergrund ist es nicht erkennbar, dass der Klägerin, die als Dritte weder an dem Gewerbesteuerverfahren der X-AG beteiligt noch in den diesbezüglichen verwaltungsinternen Informationsaustausch zwischen Landesfinanzbehörde und Kommune eingebunden ist, aus § 184 Abs. 3 AO ein subjektiv-öffentliches Recht erwachsen könnte.

19

bbb) Soweit von der Revision und in der Literatur die Auffassung vertreten wird, ein Anspruch auf Berichtigung einer als fehlerhaft erachteten Mitteilung ergebe sich aus einer analogen Anwendung des § 184 Abs. 3 AO (Klomp, Die Unternehmensbesteuerung 2013, 617), so ist dem nicht zu folgen. Es handelt sich auch nicht um eine Frage, auf die erst im Rahmen der Begründetheit der Klage eine Antwort zu geben wäre (so Klomp, ebenda). Denn die Prüfung, ob sich der Kläger mit seinem Begehren auf ein in der Rechtsordnung abstrakt vorgesehenes subjektiv-öffentliches Recht berufen kann, betrifft die rechtliche Seite der Klagebefugnis und ist damit abschließend im Rahmen des § 40 Abs. 2 FGO vorzunehmen (BVerwG-Urteile vom 22. Februar 1994  1 C 24.92, BVerwGE 95, 133; vom 15. Dezember 2011  3 C 41.10, NVwZ 2012, 639; Eyermann/Happ, a.a.O., § 42 Rz 94; Braun in HHSp, § 40 FGO Rz 222; vgl. auch Beschluss des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 10. Juni 2009  1 BvR 198/08, NVwZ 2009, 1426). Wenn, wie gesehen, § 184 Abs. 3 AO schon in seinem unmittelbaren Anwendungsbereich keine subjektiv-öffentliche Rechtsposition und damit keine Ansprüche zugunsten der Klägerin begründen kann, dann kann dies auch nicht über die analoge Anwendung dieser Norm erreicht werden.

20

ccc) Ob die streitgegenständlichen Mitteilungen überhaupt eine Stellungnahme zu einem Organschaftsverhältnis enthielten, was das FA bestreitet, und ob die darin enthaltenen Angaben zutreffend waren, kann dahinstehen. Denn die Rechtswidrigkeit oder Fehlerhaftigkeit einer Maßnahme der Verwaltung kann nicht generell, sondern --zwecks Ausschlusses von sonst möglichen Popularklagen-- nur unter den einschränkenden Voraussetzungen des § 40 Abs. 2 FGO geltend gemacht werden. Auf eine Verletzung der etwaigen objektiven Rechtspflicht, fehlerfreie Mitteilungen gemäß § 184 Abs. 3 AO zu machen, könnte sich die Klägerin also nur dann berufen, wenn der Gesetzgeber mit dieser Norm auch Individualinteressen der Klägerin schützen wollte. Daran fehlt es jedoch.

21

ddd) Zwischen den Beteiligten ist zu Recht nicht umstritten, dass von einer Mitteilung an die Gemeinde gemäß § 184 Abs. 3 AO keine Bindungswirkung für das in der Hand der Gemeinde liegende Haftungsverfahren gemäß § 73 AO ausgeht. Die von der Klägerin erhoffte "faktische Bindungswirkung" einer korrigierten Mitteilung des FA an die Stadt A stellt allenfalls einen Rechtsreflex, also eine rein tatsächliche und nicht normativ von § 184 Abs. 3 AO intendierte begünstigende Wirkung dieser Regelung dar. Das genügt zur Bejahung der Klagebefugnis aber nicht (Eyermann/Happ, a.a.O., § 42 Rz 85, m.w.N.).

22

bb) Für Mitteilungen, die auf der Grundlage des § 31 Abs. 1 AO und des § 21 Abs. 3 FVG (dazu Drüen, Die öffentliche Verwaltung 2012, 493) gemacht werden, gilt das zu § 184 Abs. 3 AO Gesagte entsprechend. Die Normen über den behördeninternen Informationsaustausch dienen allein dem öffentlichen Interesse an einem funktionierenden Vollzug der Steuergesetze und vermitteln daher keine Klagebefugnis (vgl. Senatsurteil vom 23. Juli 1986 I R 306/82, BFHE 148, 1, BStBl II 1987, 92, zur Weiterleitung einer Kontrollmitteilung; BFH-Beschluss vom 11. Januar 2001 VIII B 83/00, BFH/NV 2001, 578, zu Mitteilungen zwischen Betriebs- und Wohnsitzfinanzämtern; vgl. Klein/ Rüsken, AO, 12. Aufl., § 30 Rz 224).

23

cc) Dass durch die aus Sicht der Klägerin fehlerhafte Mitteilung ihr subjektiv-öffentliches Recht auf Wahrung des Steuergeheimnisses (Klein/Rüsken, ebenda) verletzt worden sein könnte, behauptet die Klägerin zwar. Doch steht einem Anspruch an das FA, Mitteilungen an die Gemeinde zu unterlassen, bereits § 30 Abs. 4 Nr. 1 und Nr. 2 AO entgegen. Denn die Mitteilung ist gesetzlich ausdrücklich vorgesehen und dient der Durchführung des Verwaltungsverfahrens zur Festsetzung der Gewerbesteuer. Zudem ist die Klägerin nicht Beteiligte dieses Verfahrens. Sie kann als Dritte nicht darauf Einfluss nehmen, wie das FA und die Gemeinde das Besteuerungsverfahren gegen den betroffenen Steuerpflichtigen --im Streitfall die X-AG-- gestalten. Im Übrigen geht es der Klägerin ersichtlich auch nicht darum, dass die Gemeinde nichts über ihre steuerlichen Verhältnisse (Abschluss von Gewinnabführungsverträgen u.Ä.) erfährt. Vielmehr will sie als Dritte in ein sie nicht betreffendes Besteuerungsverfahren eindringen und das FA zwingen, die steuerlichen Verhältnisse in einer bestimmten Art und Weise rechtlich zu würdigen (keine Organschaft) und diese Rechtsauffassung sodann innerbehördlich weiterzugeben. Für ein solches Begehren bietet § 30 AO keine Rechtsgrundlage.

24

dd) Der --richterrechtlich entwickelte-- öffentlich-rechtliche Folgenbeseitigungsanspruch, auf den sich die Klägerin beruft, vermittelt ihr ebenfalls keine Klagebefugnis. Denn dieser Anspruch begründet kein subjektiv-öffentliches Recht, sondern setzt nach allgemeiner Meinung tatbestandlich gerade voraus, dass ein hoheitlicher Eingriff in ein bestehendes subjektiv-öffentliches Recht stattgefunden hat (vgl. z.B. BVerwG-Urteile vom 15. Juni 2011  9 C 4.10, BVerwGE 140, 34, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2012, 218, m.w.N.; Eyermann/ Schmidt, a.a.O., § 113 Rz 28; Pietzko, Der materiell-rechtliche Folgenbeseitigungsanspruch, S. 136, m.w.N.; Brugger, Juristische Schulung 1999, 625). Daran fehlt es im Streitfall aber. Die Rechtsordnung räumt der Klägerin im Hinblick auf die von ihr als fehlerhaft erachteten Mitteilungen des FA gegenüber der Gemeinde im Besteuerungsverfahren der X-AG gerade keine Abwehrposition ein.

25

3. Der Rechtsschutz der Klägerin ist gewahrt. Erlässt eine Gemeinde einen auf § 73 AO gestützten Haftungsbescheid, dann kann die Klägerin dagegen durch Klage zu den allgemeinen Verwaltungsgerichten vorgehen. Sie kann dort neben Einwendungen zum Vorliegen einer Organschaft insbesondere auch alle Einwendungen gegen die Steuerschuld vorbringen (vgl. BVerfG-Beschluss vom 29. November 1996  2 BvR 1157/93, BStBl II 1997, 415, m.w.N.; Klein/Rüsken, a.a.O., § 191 Rz 13). Die rechtsschutzbeschränkend wirkende Regelung des 166 AO scheidet im Streitfall aus. Gibt es mehrere Gemeinden als Steuergläubiger, dann muss sie in der Tat mehreren Prozessen ins Auge sehen. Die damit verbundenen Belastungen hat sie hinzunehmen.

26

4. Es kann dahinstehen, ob die Rüge, das FG habe nicht über das tatsächliche Klagebegehren entschieden, zulässig und begründet ist. Denn für die gerichtliche Geltendmachung des aus Sicht der Klägerin maßgeblichen Klagebegehrens (Verpflichtung des FA zum Erlass einer informellen Mitteilung an die Stadt A zwecks Beseitigung des durch frühere Mitteilungen erweckten Eindrucks) versagt die FGO in § 40 Abs. 2 den Klageerfolg.

27

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

(1) Die Steuern werden, soweit nichts anderes vorgeschrieben ist, von der Finanzbehörde durch Steuerbescheid festgesetzt. Steuerbescheid ist der nach § 122 Abs. 1 bekannt gegebene Verwaltungsakt. Dies gilt auch für die volle oder teilweise Freistellung von einer Steuer und für die Ablehnung eines Antrags auf Steuerfestsetzung.

(2) Ein Steuerbescheid kann erteilt werden, auch wenn ein Grundlagenbescheid noch nicht erlassen wurde.

(3) Schulden mehrere Steuerpflichtige eine Steuer als Gesamtschuldner, so können gegen sie zusammengefasste Steuerbescheide ergehen. Mit zusammengefassten Steuerbescheiden können Verwaltungsakte über steuerliche Nebenleistungen oder sonstige Ansprüche, auf die dieses Gesetz anzuwenden ist, gegen einen oder mehrere der Steuerpflichtigen verbunden werden. Das gilt auch dann, wenn festgesetzte Steuern, steuerliche Nebenleistungen oder sonstige Ansprüche nach dem zwischen den Steuerpflichtigen bestehenden Rechtsverhältnis nicht von allen Beteiligten zu tragen sind.

(4) Die Finanzbehörden können Steuerfestsetzungen sowie Anrechnungen von Steuerabzugsbeträgen und Vorauszahlungen auf der Grundlage der ihnen vorliegenden Informationen und der Angaben des Steuerpflichtigen ausschließlich automationsgestützt vornehmen, berichtigen, zurücknehmen, widerrufen, aufheben oder ändern, soweit kein Anlass dazu besteht, den Einzelfall durch Amtsträger zu bearbeiten. Das gilt auch

1.
für den Erlass, die Berichtigung, die Rücknahme, den Widerruf, die Aufhebung und die Änderung von mit den Steuerfestsetzungen sowie Anrechnungen von Steuerabzugsbeträgen und Vorauszahlungen verbundenen Verwaltungsakten sowie,
2.
wenn die Steuerfestsetzungen sowie Anrechnungen von Steuerabzugsbeträgen und Vorauszahlungen mit Nebenbestimmungen nach § 120 versehen oder verbunden werden, soweit dies durch eine Verwaltungsanweisung des Bundesministeriums der Finanzen oder der obersten Landesfinanzbehörden allgemein angeordnet ist.
Ein Anlass zur Bearbeitung durch Amtsträger liegt insbesondere vor, soweit der Steuerpflichtige in einem dafür vorgesehenen Abschnitt oder Datenfeld der Steuererklärung Angaben im Sinne des § 150 Absatz 7 gemacht hat. Bei vollständig automationsgestütztem Erlass eines Verwaltungsakts gilt die Willensbildung über seinen Erlass und über seine Bekanntgabe im Zeitpunkt des Abschlusses der maschinellen Verarbeitung als abgeschlossen.

(5) Die für die Steuerfestsetzung geltenden Vorschriften sind auf die Festsetzung einer Steuervergütung sinngemäß anzuwenden.

Tenor

Der Bescheid des Beklagten über die Heranziehung des Klägers zur Grundsteuer für die Jahre 1999 bis 2003 vom 05. Juni 2003 und der Widerspruchsbescheid vom 22. Dezember 2003 werden aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v.H. des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit von Grundsteuerfestsetzungen des Beklagten gegenüber dem Kläger betreffend die Veranlagungsjahre 1999 bis 2003.

2

Der Kläger ist als eingetragener Verein organisiert und unter der Registernummer VR ... im Vereinsregister des Amtsgerichts ... eingetragen. Auf der Grundlage verschiedener Generalpachtverträge mit mehr als 90 Eigentümern ist der Kläger zur Weiterverpachtung an Dritte, in der Regel Kleingartenvereine, zum Zwecke der kleingärtnerischen Nutzung berechtigt. Insgesamt pachtet der Kläger derzeit insgesamt circa 645 ha Land, bestehend aus 548 ha Kleingartenland und 96 ha Wege- und Gemeinschaftsflächen. Auch zwischen Kläger und Beklagtem wurde ein solcher Generalpachtvertrag am 19. Januar 1993 geschlossen, in dessen § 5 "Öffentliche Abgaben und Kosten" es unter anderem heißt:

3

"Die für die verpachteten Grundstücksflächen zu erhebenden Steuern sind in dem Pachtzins nach § 4 Abs.1 dieses Vertrages enthalten, sie werden von der Verpächterin abgeführt. Andere öffentliche Abgaben sowie die Anschluß- und Verbrauchskosten für Wasser und für Elektrizität trägt der Generalpächter über die bei ihm organisierten Kleingartenvereine."

4

Am 13. Dezember 1994 gab der Kläger gegenüber dem Finanzamt ... eine Erklärung zur Ermittlung des Ersatzwirtschaftswertes auf den 01. Januar 1993 ab, in welcher der Kläger als Nutzer der zu veranlagenden Grundstücke bezeichnet ist. Desweiteren ist in der Erklärung ausgeführt: "Der Grundsteuermeßbescheid soll bekanntgegeben werden: dem Bevollmächtigten oder gesetzlichen Vertreter H a n s e s t a d t R o s t o c k, Liegenschaftsamt,..". In der Folge setzte das Finanzamt ... mit Grundsteuermessbescheid vom 01. März 1995 gegenüber dem Kläger als Inhalts- und dem Beklagten als Bekanntgabeadressaten den Grundsteuermessbetrag auf den 01. Januar 1993 in Höhe von 12.626,40 DM und auf den 01. Januar 1994 in Höhe von 14.327,40 DM fest. Hierauf aufbauend setzte der Beklagte mit Bescheiden vom 31. März 1995, 05. Februar 1997 und 27. März 1998 die Grundsteuer A für das Jahr 1993 in Höhe von 27.778,08 DM, für die Jahre 1994, 1995 und 1997 in Höhe von jeweils 31.520,28 DM und für das Jahr 1998 in Höhe von 35.818,48 DM fest. Als Steuerpflichtiger ist der Kläger benannt; Bekanntgabeadressat ist der Beklagte.

5

Am 19. Januar 1999 gab der Kläger erneut eine Erklärung zur Ermittlung des Ersatzwirtschaftswertes ab, nun bezogen auf den 01. Januar 1999. Der Kläger ist auch in dieser Erklärung als Nutzer der zu veranlagenden Grundstücke angegeben. In der Erklärung heißt es weiter: "Der Grundsteuermeßbescheid soll bekanntgegeben werden: dem Bevollmächtigten oder gesetzlichen Vertreter d e n B o d e n e i g e n t ü m e r n". Der Erklärung war eine Anlage mit einer Aufzählung der Bodeneigentümer beigefügt. Hierauf erließ das Finanzamt ... am 18. Februar 1999 einen Grundsteuermessbescheid auf den 01. Januar 1999 und setzte auf der Grundlage eines Ersatzwirtschaftswertes von 2.963.000 DM den Grundsteuermessbetrag auf 17.778,00 DM fest. Bekanntgabe- und Inhaltsadressat dieses Bescheides ist der Kläger. Der hiergegen gerichtete Einspruch des Klägers vom 17. März 1999 führte am 21. Mai 1999 zur Aufhebung des Grundsteuermessbescheides vom 18. Februar 1999.

6

Mit Grundsteuermessbescheid vom 31. Mai 1999 änderte das Finanzamt ... den Grundsteuermessbetrag auf den 01. Januar 1995 auf einen Betrag in Höhe von 17.527,80 DM. Inhaltsadressat des Bescheides ist der Kläger. Die Bekanntgabe erfolgte an den Beklagten.

7

In der Folge erging am 11. Juni 1999 ein Änderungsbescheid Grundsteuer A für die Jahre 1994 bis 1999, am 27. Juli 2001 ein Bescheid Grundsteuer A 2001 und am 11. Januar 2002 ein Bescheid Grundsteuer A 2002, mit dem die Grundsteuer für die Jahre 1994 bis 1997 in Höhe von jeweils 38.561,16 DM (= Messbetrag in Höhe von 17.527,80 DM x Hebesatz in Höhe von 220 v.H.) und für die Jahre 1998, 1999 und 2001, 2002 in Höhe von jeweils 43.819,48 DM (= Messbetrag in Höhe von 17.527,80 DM x Hebesatz in Höhe von 250 v.H.) festgesetzt wurde. Inhaltsadressat des Bescheides ist der Kläger. Die Bekanntgabe erfolgte an den Beklagten.

8

Mit Bescheid vom 05. Juni 2003 hob der Beklagte zunächst die Grundsteuerfestsetzungen für die Jahre 1999 bis 2003 auf. Inhaltsadressat auch dieses Bescheides ist der Kläger. Die Bekanntgabe erfolgte an den Beklagten.

9

Mit Bescheid vom selben Tage, dem 05. Juni 2003, setzte der Beklagte sodann an den Kläger als Inhaltsadressaten die Grundsteuer A für die Jahre 1999 bis 2003 erneut fest; und zwar in Höhe von jeweils 43.819,49 DM (= Messbetrag in Höhe von 17.527,80 DM x Hebesatz in Höhe von 250 v.H.). Dieser Bescheid wurde an den Kläger bekannt gegeben und mit einem Begleitschreiben verbunden, in welchem der Beklagte die anteilige Erfüllung der festgesetzten Grundsteuern gemäß § 5 des Generalpachtvertrages ankündigte; und zwar für 1999 in Höhe von 3 6.757,50 DM, für 2000 in Höhe von 36.444,00 DM, für 2001 in Höhe von 36.715,50 DM, für 2002 in Höhe von 18.933,37 EUR und für 2003 in Höhe von 19.193,36 EUR, so dass sich das an den Kläger gerichtete Leistungsgebot auf einen Betrag in Höhe von insgesamt 17.696,28 EUR reduzierte.

10

Am 03. Juli 2003 legte der Kläger gegen den Bescheid vom 05. Juni 2003 Widerspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung.

11

Mit Bescheid vom 22. Dezember 2003, dem Kläger am 05. Januar 2004 zugestellt, wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück und lehnte den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ab.

12

Hiergegen hat der Kläger am 04. Februar 2004 Klage erhoben.

13

Zur Begründung trägt er vor, der der Veranlagung im Grundsteuerbescheid vom 05. Juni 2003 zugrunde liegende Grundsteuermessbescheid vom 31. Mai 1999 sei ihm nicht ordnungsgemäß bekanntgegeben worden und daher unwirksam. Ein wirksamer Grundlagenbescheid sei aber Voraussetzung für die Veranlagung der Grundsteuer.

14

Eine Empfangsbevollmächtigung des Beklagten habe zu keiner Zeit bestanden.

15

Die Empfangsbevollmächtigung könne schließlich nicht aus einem Telefaxschreiben des steuerlich Bevollmächtigten des Klägers an das Finanzamt ... vom 21. April 1999 hergeleitet werden, da in diesem allenfalls eine Empfangsbevollmächtigung für die Steuer- nicht aber die Grundlagenbescheide erteilt werde. Selbst wenn diese für die Grundlagenbescheide erteilt worden wäre, sei diese zudem wieder auf die Flächen des Beklagten beschränkt gewesen.

16

Der Kläger beantragt,

17

den Grundsteuerbescheid des Beklagten vom 05. Juni 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22. Dezember 2003 aufzuheben.

18

Der Beklagte beantragt,

19

die Klage abzuweisen.

20

Er meint, der Grundlagenbescheid vom 31. Mai 1999 sei wirksam bekanntgegeben; und zwar an den Beklagten als Bevollmächtigten. Die Bevollmächtigung ergäbe sich aus der Angabe des Klägers in der Erklärung zur Ermittlung des Ersatzwirtschaftswertes auf den 01. Januar 1993 vom 13. Dezember 1994, in der der Kläger selbst den Beklagten als Empfangsbevollmächtigten benannt habe. Dies sei zudem in einem Telefaxschreiben des steuerlich Bevollmächtigten des Klägers vom 21. April 1999 auch noch an das Finanzamt ... bestätigt worden.

21

Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird verwiesen auf die Verwaltungsvorgänge des Beklagten und die aus dem Verfahren 4 B 101/04 beigezogene Akte.

Entscheidungsgründe

22

Die Klage ist zulässig und begründet.

23

Der angefochtene Bescheid des Beklagten über die Heranziehung des Klägers zur Grundsteuer A für die Jahre 1999 bis 2003 vom 05. Juni 2003 und der Widerspruchsbescheid vom 22. Dezember 2003 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs.1 S.1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

I.

24

Die Gemeinden setzen die Grundsteuer gemäß §§ 13 Abs.1 S.1, 27 Abs.1, 46 des Grundsteuergesetzes (GrStG) ausgehend von einem Steuermessbetrag fest.

25

Den Grundsteuermessbetrag bestimmt das Lagefinanzamt (§§ 18 Abs.1 Nr.1, 22 der Abgabenordnung (AO)) durch Grundsteuermessbescheid, der verbindliche Grundlage für die Festsetzung der Grundsteuer durch die Gemeinde ist (§§ 182 Abs.1, 2, 171 Abs.10 AO) und mit dem außer über die Höhe des Messbetrages auch über die persönliche und sachliche Steuerpflicht entschieden wird (§ 184 Abs.1 S.2 AO).

26

Da der Grundsteuermessbescheid insoweit Grundlagenbescheid im Sinne der §§ 184 Abs.1, 182, 180 AO für den Grundsteuerbescheid ist, muss dieser gegenüber dem Steuerpflichtigen zumindest (vgl. zur Bindung der Gemeinde an die Festsetzungen im Grundsteuermessbescheid unabhängig von dessen Unanfechtbarkeit die Rechtsprechung der Kammer im Beschl. v. 19.01.2004, Az.: 4 B 60/03, und im Beschl. v. 05.08.2003, Az.: 4 B 501/03) wirksam geworden sein. Ein Steuerverwaltungsakt wird gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekanntgegeben wird, §§ 1 Abs.2 Nr.3, 124 Abs.1 S.1 AO. An dieser Wirksamkeit des Grundlagenbescheides fehlt es im vorliegenden Fall. Der dem streitgegenständlichen Grundsteuerbescheid vom 05. Juni 2003 zugrunde liegende Grundsteuermessbescheid des Finanzamtes ... vom 31. Mai 1999 wurde dem Kläger nicht wirksam bekanntgegeben (1.). Eine Bekanntgabe war auch nicht entbehrlich (2.).

1.

27

Ein Verwaltungsakt ist demjenigen Beteiligten bekannt zu geben, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird. Der Verwaltungsakt kann auch gegenüber einem Bevollmächtigten bekannt gegeben werden, §§ 1 Abs.2 Nr.3, 122 Abs.1 AO. Die Bekanntgabe setzt voraus, dass der Verwaltungsakt derart in den Machtbereich des Adressaten gelangen muss, dass diesem die Kenntnisnahme normalerweise möglich ist und unter gewöhnlichen Umständen auch erwartet werden darf (vgl. OVG Greifswald, Beschl. v. 14.05.2001, Az.: 1 M 68/00; Klein, AO, 7. Auflage, § 122 Rz. 6).

28

Inhaltsadressat des Grundsteuermessbescheides vom 31. Mai 1999 ist der Kläger. Dieser ist im Bescheid als "Steuerschuldner" bezeichnet.

29

Eine Bekanntgabe des Grundsteuermessbescheides vom 31. Mai 1999 gegenüber dem Kläger selbst ist, was zwischen den Beteiligten unstreitig ist, nicht erfolgt.

30

Der Grundsteuermessbescheid vom 31. Mai 1999 ist vom Finanzamt ... gegenüber dem Beklagten bekanntgegeben worden, wobei das Finanzamt ... den Beklagten als Empfangsbevollmächtigten des Klägers ansah. Im Bescheid heißt es: "Der Bescheid ergeht an Sie als Bevollmächtigte." Diese Bekanntgabe an den Beklagten führt nicht zur Wirksamkeit des Grundlagenbescheides gegenüber dem Kläger. Der Beklagte war zum Empfang des Grundsteuermessbescheides vom 31. Mai 1999 nicht bevollmächtigt.

31

Eine Empfangsvollmacht stellt eine grundsätzlich formfreie, verfahrensrechtliche Willenserklärung dar, deren Inhalt durch Auslegung unter Beachtung des Empfängerhorizonts zu ermitteln ist vgl. BFH, Urt. v. 05.10.2000, Az.: VII R 96/99, veröffentlicht in: NVwZ 2001, 473; BFH, Urt. v. 19.10.1994, Az.: II R 131/91, veröffentlicht in: BFH/NV 1995, 475; Kruse in: Tipke/Kruse, AO, 106.Lfg., § 80 Rz.6ff.).

32

Eine solche Empfangsvollmacht ist vom Kläger mit seiner Erklärung zur Ermittlung des Ersatzwirtschaftswertes auf den 01. Januar 1993 vom 13. Dezember 1994 für den Beklagten erteilt worden. Der Beklagte ist ausdrücklich als Empfangsbevollmächtigter für den Grundsteuermessbescheid bezeichnet, wenn es dort heißt: "Der Grundsteuermeßbescheid soll bekanntgegeben werden: dem Bevollmächtigten oder gesetzlichen Vertreter H a n s e s t a d t R o s t o c k, Liegenschaftsamt,..". Die Benennung eines Empfangsbevollmächtigten in einer Steuererklärung gilt aber grundsätzlich nur für den Steuerbescheid, die Steuerart und den Veranlagungszeitraum, auf den sich die Erklärung bezieht. Sie ist nicht als allgemeine Empfangsvollmacht für die Empfangnahme auch aller zukünftigen Steuerbescheide anzusehen (BFH, Urt. v. 19.10.1994, Az.: II R 131/91, veröffentlicht in: BFH/NV 1995, 475; FG Hamburg, Urt. v. 18.09.1985, Az.: III 212/84, veröffentlicht in: EFG 1986, 100; Klein, AO, 7.Auflage, § 122 Rz.42). Dem streitrelevanten Grundsteuermessbescheid vom 31. Mai 1999 liegt aber nicht die Erklärung zur Ermittlung des Ersatzwirtschaftswertes auf den 01. Januar 1993 vom 13. Dezember 1994 zugrunde, so dass aus dieser nicht auf eine Bevollmächtigung für den Empfang des hier streitrelevanten Grundlagenbescheides vom 31. Mai 1999 geschlossen werden kann.

33

Dies gilt umso mehr, als dass in der darauf folgenden Erklärung zur Ermittlung des Ersatzwirtschaftswertes auf den 01. Januar 1999 vom 19. Januar 1999 zur Empfangsvollmacht eine neue Bestimmung getroffen wurde, wenn es in der Erklärung des Klägers heißt: "Der Grundsteuermeßbescheid soll bekanntgegeben werden: dem Bevollmächtigten oder gesetzlichen Vertreter d e n B o d e n e i g e n t ü m e r n". Ausgehend davon, dass Inhalt und Umfang der Vollmacht durch Auslegung anhand des in der Vollmachtsurkunde zum Ausdruck kommenden Willens des Vollmachtgebers und des Horizontes des Erklärungsempfängers zu bestimmen sind (BFH, Urt. v. 17.12.1997, Az.: III R 8/94, veröffentlicht in: BFH/NV 1998, 935; Brockmeyer in: Klein, AO, 7. Auflage, § 80 Rz.5), ergibt sich aus dieser Erklärung mit der Bezeichnung der Bevollmächtigten als "den Bodeneigentümern" und dem Abweichen von der vorausgehenden Erklärung vom 13. Dezember 1994 mit der Bezeichnung der Bevollmächtigten als der "Hansestadt Rostock", dass jedenfalls nicht allein der Beklagte Empfangsvollmacht erhalten sollte. Unter Berücksichtigung der der Erklärung vom 19. Januar 1999 beiliegenden Anlage mit der Nennung aller Bodeneigentümer - Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung erstmals eine Fotokopie dieser Anlage vorgelegt. Für die Kammer bestehen indes keine Anhaltspunkte dafür, dass diese Anlage der Erklärung vom 19. Januar 1999 nicht beigefügt war. Auch der Beklagte hat dies nicht in Abrede gestellt. - konnten sich hier aus der Sicht des Finanzamtes ... als Erklärungsempfänger nur zwei Auslegungsmöglichkeiten ergeben. Zum einen eine gemeinsame Empfangsvollmacht für alle benannten Bodeneigentümer derart, dass der Grundsteuermessbescheid allen benannten Bodeneigentümern gegenüber bekannt gegeben werden soll. Zum anderen eine Empfangsvollmacht für jeden einzelnen Bodeneigentümer, aber nur bezogen auf die in seinem Eigentum stehenden, vom Grundsteuermessbescheid erfassten Flächen. Ungeachtet der Frage, ob die Bestellung mehrerer Empfangsvertreter nicht bereits an der Regelung des § 122 Abs.1 S.2 AO ("e i n e m Bevollmächtigten") scheitert und die begehrte Aufteilung des Grundsteuermessbescheides wegen der Ermittlung des Ersatzwirtschaftswertes für zusammengefasste Nutzungseinheiten gemäß § 40 GrStG überhaupt möglich gewesen wäre, konnte jedenfalls die Erklärung des Klägers vom 19. Januar 1999 nicht dahingehend verstanden werden, dass allein der Beklagte Empfangsvollmacht erhalten sollte.

34

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem an das Finanzamt ... im Einspruchsverfahren gegen den Grundsteuermessbescheid vom 18. Februar 1999 gerichteten Telefaxschreiben des Steuerberaters des Klägers vom 21. April 1999, in dem es heißt: "...auf das in vorbezeichneter Angelegenheit geführte Telefongespräch nehme ich Bezug. Es bestehen seitens der Einspruchsführerin keine Bedenken, dass die Bekanntgabe des Grundsteuerbescheids wie in der Vergangenheit gegenüber der Hansestadt Rostock als Empfangsbevollmächtigte erfolgt, soweit damit eine doppelte Grundsteuerbelastung des ... e.V. ... verhindert wird. Der eingelegte Rechtsbehelf findet dann mit Aufhebung des angefochtenen Steuerbescheids seine Erledigung". Erstens ist von den Beteiligten weder dargetan noch sonst für die Kammer ersichtlich, dass der Steuerberater des Klägers berechtigt gewesen wäre, dem Beklagten überhaupt eine (Unter-)Vollmacht für den Kläger zu erteilen. Zweitens wäre eine solche Vollmacht zumindest nach dem Wortlaut des Schreibens vom 21. April 1999 auf den Grundsteuerbescheid, nicht aber auf den hier relevanten Grundsteuermessbescheid, bezogen. Drittens gilt eine für ein konkretes Verwaltungsverfahren erteilte Empfangsvollmacht nach den oben dargestellten Grundsätzen nur für dieses Verfahren und ist mit dessen Abschluss "verbraucht". Hier wäre die Empfangsvollmacht mit Schreiben vom 21. April 1999 im Einspruchsverfahren gegen den Grundsteuermessbescheid vom 18. Februar 1999 erteilt worden. Ihre Wirkungen endeten mit Aufhebung dieses Grundsteuermessbescheides am 21. Mai 1999 und konnten daher nicht die Bekanntgabe des streitrelevanten Messbescheides vom 31. Mai 1999 an den Beklagten rechtfertigen. Schließlich wäre viertens die Empfangsvollmacht mit einer Einschränkung versehen, wonach der Beklagte nur insoweit zum Empfang eines Grundsteuermessbescheides berechtigt sein sollte, als dass "damit eine doppelte Grundsteuerbelastung des ... e.V. ... verhindert wird". Der Sinn dieser aus sich heraus unverständlichen Einschränkung wird deutlich, wenn man die Ausführungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 19. Januar 2006 zugrunde legt. Aufgrund einer verzögerten Veranlagung der Grundsteuer war es von ihm versäumt worden, diese von den Pachtzinszahlungen gemäß § 5 der geschlossenen Generalpachtverträge einzubehalten, so dass der Kläger als Pächter nun rein faktisch die Grundsteuer zu tragen hatte und nicht mehr auf die Verpächter meinte zurückgreifen zu können und sich so einer vermeintlichen Doppelbelastung ausgesetzt sah. Um diese zukünftig zu vermeiden, war vom Kläger eine Aufteilung der zur Nutzungseinheit zusammengefassten Pachtflächen und eine Bekanntgabe der Grundsteuermessbescheide an die jeweiligen Bodeneigentümer/Verpächter erstrebt worden. Vor diesem Hintergrund wäre die Beschränkung der Vollmacht im Telefaxschreiben vom 21. April 1999 dahingehend zu verstehen, dass eine Bekanntgabe an den Beklagten nur insoweit erfolgen sollte, als dass Flächen in seinem Eigentum von dem Messbescheid betroffen sind. Eine Empfangsvollmacht für den Messbescheid, in dem alle zur Nutzungseinheit zusammengefassten Pachtflächen des Klägers enthalten sind, wäre damit nicht erteilt worden. Selbst wenn das Finanzamt ... als Erklärungsempfänger der Einschränkung diesen Sinn nicht beimessen wollte oder konnte, durfte es aufgrund der enthaltenen Vollmachtsbeschränkung zumindest nicht von einer uneingeschränkten Empfangsvollmacht des Beklagten für den an den Kläger als Inhaltsadressaten gerichteten Grundsteuermessbescheid vom 31. Mai 1999 ausgehen.

35

Fehlt es damit an einer ausdrücklichen Empfangsbevollmächtigung des Beklagten durch den Kläger besteht grundsätzlich die Möglichkeit einer Anscheins- oder Duldungsvollmacht (vgl. zu den Anforderungen Kruse in: Tipke/Kruse, AO, 106. Lfg., § 80 Rz.10f. mit Nachweisen zur Rechtsprechung). Deren Voraussetzungen sieht die Kammer hier indes nicht als gegeben an. Die vom Wortlaut her wechselnden Vollmachtserklärungen des Klägers begründeten für das Finanzamt ... jedenfalls nicht den Rechtsschein einer (fortdauernden) Empfangsvollmacht für den Beklagten. Ebenso ist die Annahme einer Duldungsvollmacht dort verwehrt, wo der Vertretene keine Kenntnis von dem Handeln des Vertreters hat. Hier ist weder dargetan noch sonst ersichtlich, dass der Kläger vor Bekanntgabe des streitgegenständlichen Grundsteuerbescheides vom 05. Juni 2003 Kenntnis von der Bekanntgabe des Grundsteuermessbescheides an den Beklagten als seinen Bevollmächtigten hatte. Unmittelbar nach Erlangung dieser Kenntnis ist der Bekanntgabe an den Beklagten als Bevollmächtigten widersprochen worden.

36

Eine Heilung der damit mangelnden Bekanntgabe in entsprechender Anwendung des § 9 Abs.1 des Verwaltungszustellungsgesetzes (VwZG) ist nicht eingetreten. Es ist von den Beteiligten weder dargetan, noch für die Kammer aus den Verwaltungsvorgängen ersichtlich, dass eine vom Bekanntgabewillen des Finanzamtes ... als der den Grundsteuermessbescheid erlassenden Behörde getragene erneute Übermittlung des Bescheides an den Kläger erfolgt wäre.

2.

37

Nach §§ 1 Abs.2 Nr.4, 155 Abs.2 AO kann ein Steuer(-folge-)bescheid auch erteilt werden, wenn ein Grundlagenbescheid noch gar nicht (wirksam) erlassen wurde.

38

Die Kammer kann dahinstehen lassen, ob diese Regelung überhaupt auf das Verhältnis von Grundsteuer- und Grundsteuermessbescheid anzuwenden ist (bejahend VG Frankfurt, Urt. v. 10.03.2004, Az.: 10 E 235/02; verneinend VG Dessau, Urt. v. 21.09.2000, Az.: 2 A 419/98, veröffentlicht in: NVwZ-RR 2001, 536-537), da im vorliegenden Fall jedenfalls deren tatbestandliche Voraussetzungen nicht vorliegen. Nach § 155 Abs.2 AO kann ein Steuerbescheid erteilt werden, auch wenn ein Grundlagenbescheid noch nicht erlassen wurde. Voraussetzung ist, dass zum Zeitpunkt des Erlasses des Steuerbescheides ein Grundlagenbescheid fehlt und die durch den Grundlagenbescheid festzustellenden Besteuerungsgrundlagen durch die Gemeinde selbst ermittelt oder nach § 162 Abs.5 AO geschätzt wurden und sich dies aus dem Steuerbescheid ergibt. Daran fehlt es hier. Der angefochtene Grundsteuerbescheid vom 05. Juni 2003 nimmt ausdrücklich Bezug auf den Grundsteuermessbescheid des Finanzamtes ... vom 31. Mai 1999 und dokumentiert damit, dass der Beklagte keine eigene Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen und damit auch keine Schätzung vorgenommen hat.

39

Zudem eröffnet § 155 Abs.2 AO nur die Befugnis zu einer vorläufigen Maßnahme (Tipke in: Tipke/Kruse, AO, 106. Lfg., § 155 Rz.26). Die Gemeinde muss sich also sowohl der Notwendigkeit eines Grundlagenbescheides, als auch dessen Fehlens bewusst sein, wenn sie mit dem Ziel der Vermeidung von Verzögerungen des Steuereingangs die Besteuerungsgrundlagen selbst ermittelt. Für ein solches Handeln ist hier nichts ersichtlich, so dass die Anwendung des § 155 Abs.2 AO verwehrt ist.

40

Da folglich der angefochtene Grundsteuerbescheid vom 05. Juni 2003 nicht aufgrund eines wirksamen Grundsteuermessbescheides erlassen wurde, ist er rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Der Bescheid vom 05. Juni 2003 und der Widerspruchsbescheid vom 22. Dezember 2003 waren aufzuheben.

II.

41

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs.1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 25. Oktober 2011 – 3 A 1225/09 – geändert und festgestellt, dass die Straßenbaubeitragsbescheide des Amtsvorstehers des Amtes Darß/Fischland vom 11. Dezember 2008, Az. B. 1522.05 lfd. Nr. 11 und Az. B. 1522.05 lfd. Nr. 12, nicht wirksam geworden sind und die Klägerin nicht verpflichtet ist, die aufgrund der Bescheide geltend gemachten Beiträge zu entrichten.

Der Beklagte trägt die Kosten des gesamten Verfahrens.

Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Dem Vollstreckungsschuldner wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe der vollstreckbaren Kosten des Vollstreckungsgläubigers abzuwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Heranziehung der Klägerin zu Straßenbaubeiträgen.

2

Mit Bescheiden vom 11. Dezember 2008 zog der Beklagte die Klägerin als Eigentümerin der Grundstücke G1 und G2 in der Gemarkung D., P. Straße in D., zu Straßenbaubeiträgen für Baumaßnahmen in der P. Straße in der Gemeinde D. heran, für das Grundstück G1 in Höhe von 17.086,03 EUR (Az. B. 1522.05 – lfd. Nr.: 11) und für das Flurstück G2 in Höhe von 5.390,00 EUR (Az. B. 1522.05 – lfd. Nr.: 12). Die Abrechnung erfolgte auf der Grundlage der Straßenbaubeitragssatzung der Gemeinde D. vom 30. April 2003. Für die weiteren Einzelheiten der Beitragsberechnung wird auf die Begründung der Beitragsbescheide verwiesen. In den angefochtenen Bescheiden heißt es, die Anlage sei im Jahre 2004 endgültig hergestellt worden. In beiden Bescheiden ist als Sachbearbeiterin Frau R. ausgewiesen. Auf beiden bei den Verwaltungsvorgängen befindlichen Kopien der Bescheide ist jeweils handschriftlich unter dem Bescheiddatum vermerkt: „PA 12.12.08“. Die Bescheide sind im Adressfeld jeweils gerichtet an „Frau M. B., A. Weg, R.“.

3

Jeweils mit Schreiben vom 30. Januar 2009 mahnte der Beklagte gegenüber „Frau M. B.“ die Zahlung der offenen Beitragsforderungen an. Am 16. Februar 2009 ging daraufhin beim Beklagten das Schreiben der Klägerin – „M. L.“ – vom 11. Februar 2009 ein. In der Betreffzeile wird Bezug genommen auf die zwei Mahnungen vom 30. Januar 2009 (HHST-NR.: 19/6320.3500/00008, HHST-Nr.: 19/6320.3500/00009). In dem Schreiben heißt es, die Mahnungen habe die Klägerin durch eine private Briefbeförderung zugestellt bekommen. Die Mahnungen seien für sie vollkommen unverständlich, da sie die den Mahnungen zugrunde liegenden Bescheide nicht bekommen habe. Sie bitte um die Übersendung der den Mahnungen zugrunde liegenden Bescheide, um gegebenenfalls rechtliche Schritte unternehmen zu können.

4

Mit zwei Schreiben vom 23. Februar 2009 jeweils bezogen auf einen der beiden Ausgangsbescheide bestätigte der Beklagte gegenüber der Klägerin den Eingang ihres Schreibens vom 11. Februar 2009 und übersandte ihr jeweils „eine Kopie des Bescheides, der am 12.12.08 an sie versandt wurde“. Eine Rücksendung durch den Postzusteller habe man nicht erhalten, so dass davon ausgegangen werde, dass der Klägerin der Bescheid zugestellt worden sei.

5

Am 23. März 2009 erhob die Klägerin Widerspruch gegen beide Beitragsbescheide vom 11. Dezember 2008, „jeweils zugestellt am 23.02.2009“. Im Widerspruchsverfahren machte sie im Wesentlichen geltend, dass Festsetzungsverjährung eingetreten sei. Die Festsetzungsfrist sei nur gewahrt, wenn der vor Ablauf der Frist zur Post gegebene Steuerbescheid den Empfänger nach Fristablauf tatsächlich zugehe. Schlage der Bekanntgabeversuch fehl und werde der Bescheid später – nach Ablauf der Festsetzungsfrist – bekannt gegeben, werde er erst mit dieser Bekanntgabe wirksam.

6

Jeweils mit Widerspruchsbescheid vom 19. August 2009 wies der Beklagte die Widersprüche der Klägerin zurück und führte zur Begründung übereinstimmend im Wesentlichen aus: Der Widerspruch sei nicht innerhalb der Monatsfrist des § 70 VwGO erhoben und damit unzulässig. Der mit dem Widerspruch angegriffene Bescheid sei am 11. Dezember 2008 erstellt und laut schriftlichem Aufgabevermerk der Sachbearbeiterin am 12. Dezember 2008 der Post übergeben worden. Nach § 41 Abs. 2 VwVfG M-V gelte ein schriftlicher Verwaltungsakt, der durch die Post im Inland übermittelt werde, mit dem dritten Tage nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Diese gesetzliche Bekanntgabevermutung greife nur dann nicht, wenn berechtigte Zweifel daran bestünden, dass im konkreten Fall die auf den Erfahrungen des täglichen Lebens beruhende Vermutung, dass eine gewöhnliche Postsendung den Empfänger binnen weniger Tage erreiche, zutreffe. Das schlichte Bestreiten des Betroffenen, der Verwaltungsakt sei ihm nicht zugegangen, reiche regelmäßig nicht aus, um die Zugangsvermutung zu entkräften. Die von der Klägerin vorgebrachte einfache Behauptung, den Bescheid nicht erhalten zu haben, reiche nicht aus, die Zugangsvermutung zu erschüttern. Deshalb müsse davon ausgegangen werden, dass der Bescheid der Klägerin am 15. Dezember 2008 zugegangen sei. Die Widerspruchsfrist sei am 15. Januar 2009 abgelaufen, ohne dass bis dahin Widerspruch erhoben worden sei. Beide Widerspruchsbescheide wurden dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin gemäß jeweiligem Empfangsbekenntnis am 26. August 2009 zugestellt.

7

Am 23. September 2009 hat die Klägerin beim Verwaltungsgericht Greifswald Klage erhoben.

8

Zur Begründung hat sie im Wesentlichen vorgetragen,
ihre Heranziehung sei rechtswidrig. Die Klage sei zulässig und begründet. Insbesondere sei jeweils innerhalb der Monatsfrist Widerspruch eingelegt worden, da die Bescheide der Klägerin erst mit Schreiben des Beklagten vom 23. Februar 2009 bekanntgegeben worden seien. Insoweit sei die Festsetzungsfrist abgelaufen. Die Beitragspflicht sei 2004 entstanden, da am 26. Januar 2004 die letzte Unternehmerrechnung bei dem Beklagten eingegangen sei, so dass die Frist am 31. Dezember 2008 geendet habe. Vorliegend gehe es um die Anwendung des § 122 Abs. 2 AO. Wenn die in Frage stehenden Bescheide überhaupt nicht zugegangen seien, bleibe der Klägerin nichts anderes übrig, als den Zugang zu bestreiten. Es sei jedoch insbesondere der Umstand zu beachten, dass sie mit ihrem Schreiben vom 11. Februar 2009 selbst den Anstoß für die Überprüfung des Vorgangs gegeben habe. Hierin liege ein substantiiertes Bestreiten der Klägerin. Sie habe darüber hinaus um Übersendung der Bescheide gebeten. Damit lägen ernstliche Zweifel hinsichtlich des Zugangs der Bescheide am dritten Tage nach der Aufgabe zur Post vor. In der Akte sei offenbar lediglich ein Aufgabevermerk der Sachbearbeiterin vorhanden. Dieser Vermerk dokumentiere nur, dass die Sachbearbeiterin die Bescheide gefertigt und zum Versand bereitgelegt habe. Hinsichtlich der Postaufgabe sei anzunehmen, dass die Bescheide zunächst in den Räumlichkeiten des Beklagten verblieben, eingesammelt, zur Poststelle verbracht, dort frankiert und dem Beförderungsunternehmer übergeben worden seien. Der Aufgabevermerk der Sachbearbeiterin beweise lediglich, dass die Bescheide den Bereich des Bauamtes verlassen hätten. Es lägen somit viele Arbeitsschritte zwischen dem Aufgabevermerk und dem Verlassen der Amtsverwaltung vor, so dass es auch wahrscheinlich sei, dass die Bescheide untergegangen oder verloren gegangen seien. Was mit dem auf den Kopien der Bescheide aufgebrachten Vermerk „PA 12.12.2008“ gemeint sei, erschließe sich nicht ohne Weiteres. Sofern dieser Vermerk von der zuständigen Sachbearbeiterin gefertigt worden sei, werde der Vermerk so zu verstehen seien, dass die Sachbearbeiterin den Bescheid nicht selbst zur Post aufgegeben, sondern vielmehr der Poststelle des Amtes zur Versendung übergeben habe. Damit liege kein ausreichender Ab-Vermerk vor. Ein Postausgangsbuch führe der Beklagte offensichtlich nicht. Noch nicht einmal die Art der Versendung der Bescheide trage der Beklagte vor. Ob mit der Versendung von Beitragsbescheiden durch einen privaten Zustelldienst überhaupt eine Übermittlung der Bescheide „durch die Post“ im Sinne von § 122 Abs. 2 AO erfolgt wäre, sei bereits fraglich. Darüber hinaus sei auf den angefochtenen Bescheiden nicht der richtige Name der Klägerin vermerkt. Die Aussage des Beklagten, eine Rücksendung durch den Postzusteller sei nicht erfolgt, sei unerheblich. Nach alldem könne der Beklagte den Zugang der Bescheide nicht beweisen. Die Bescheide gelten gegenüber der Klägerin nicht als am 15. Dezember 2008 bekannt gegeben. Mangels Bekanntgabe habe die Widerspruchsfrist nicht zu laufen begonnen. Die Klägerin habe erst durch die Übersendung von Kopien Kenntnis von den Bescheiden erlangt. Es sei äußerst fraglich, ob mit der Übersendung der ursprünglichen Bescheide als Kopie überhaupt eine wirksame Bekanntgabe vorliege. Die Behörde habe insoweit keinen Bekanntgabewillen. Auch nicht wirksame Verwaltungsakte lösten als Äußerung einer mit staatlicher Autorität ausgestatteten Behörde Rechtswirkungen aus, so dass sie gleichwohl angefochten und aufgehoben werden könnten.

9

Die Klägerin hat beantragt,

10

die Straßenbaubeitragsbescheide des Beklagten vom 11.12.2008 – Az. B. 1522.05 lfd. Nr. 11 und Az. B. 1522.05 lfd. Nr. 12 – in Gestalt des jeweiligen Widerspruchsbescheides vom 19.08.2009 aufzuheben.

11

Der Beklagte hat beantragt,

12

die Klage abzuweisen.

13

Zur Begründung hat er auf seine Ausführungen in den Widerspruchsbescheiden Bezug genommen.

14

In der mündlichen Verhandlung am 23. September 2011 ist die Sachbearbeiterin Frau R. vom Verwaltungsgericht – informatorisch – befragt worden. Auf Nachfrage, was der Vermerk „PA 12.12.2008“ zu bedeuten habe, hat sie erklärt: „Ja, ich mache immer so einen Vermerk auf die Bescheide. PA heißt im Prinzip, ich habe den Bescheid gefertigt, habe ihn zur Unterschrift vorgelegt und dann gebe ich den Bescheid zur Poststelle in unserem Haus in die Kanzlei und da gehört es dann zum Tagesgeschäft, dass diese an dem gleichen Tag abgeschickt werden, PA heißt zur Poststelle am 12.12.2008“.

15

Mit Urteil vom 25. Oktober 2011 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen.

16

Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Klage sei bereits mangels Durchführung eines ordnungsgemäßen Vorverfahrens unzulässig. Die Klägerin habe erst am 23. März 2009 Widerspruch eingelegt, also außerhalb der Monatsfrist des § 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Widerspruchsfrist habe vorliegend gemäß § 57 Abs. 2 VwGO i. V. m. § 222 ZPO und §§ 187 ff. BGB am 16.Dezember 2008 zu laufen begonnen und mit Ablauf des 15. Januar 2009 geendet. Vorliegend stehe zur Überzeugung des Gerichts aufgrund des Vermerks „PA 12.12.2008“ auf den Bescheiden und den Ausführungen des Beklagten in der mündlichen Verhandlung fest, dass die Bescheide am 12. Dezember 2008 in den Postlauf gelangt seien, so dass die Zugangsvermutung des § 122 Abs. 2 Nr. 1 1. Halbsatz AO i. V. m. § 12 Abs. 1 KAG M-V eingreife. Die Sachbearbeiterin Frau R. habe in der mündlichen Verhandlung angegeben, dass sie immer dann einen solchen Vermerk auf einen Bescheid mache, wenn sie diesen zur Poststelle des Amtes gebe, wo es zum Tagesgeschäft gehöre, dass die Bescheide am gleichen Tag abgeschickt und demnach zur „Post“ gegeben würden. Zweifel daran, dass dies im vorliegenden Fall anders gewesen sein könnte, bestünden nicht. Auch die Klägerin habe keine substantiierten Tatsachen vorgetragen, welche die Behauptung einer späteren Absendung schlüssig erscheinen ließen. Die Bescheide hätten folglich am 15. Dezember 2008 als bekannt gegeben gegolten. Das Vorbringen der Klägerin sei nicht geeignet, die Zugangsvermutung zu erschüttern. Ob der Zugang entgegen der Vermutung des § 122 Abs. 2 Satz 1 1. Halbsatz AO nicht oder später eingetreten sei, sei grundsätzlich von Amts wegen zu ermitteln; Anlass gebe es hierzu jedoch nur, wenn der Empfänger den Nichtzugang bzw. den verspäteten Zugang behaupte. Dabei müsse der Adressat sein Vorbringen nach Lage des Einzelfalls derart substantiieren, dass zumindest ernsthafte Zweifel am Zugang bzw. dessen Zeitpunkt begründet würden. Das reine Behaupten eines unterbliebenen Zugangs reiche nicht aus, um Zweifel am Zugang zu wecken; erforderlich sei der substantiierte Vortrag eines atypischen Geschehensablaufs, sonst bleibe es bei der Fiktion. Vorliegend habe die Klägerin lediglich behauptet, die Bescheide nicht erhalten zu haben. Einen atypischen Geschehensablauf trage sie nicht vor. Die Bescheide wie auch die Mahnungen und weitere Schreiben des Beklagten wiesen als Anschrift immer den A. Weg in R. aus. Unter dieser Anschrift sei die Klägerin auch derzeit noch zu erreichen. Warum der Klägerin die Postsendung unter dieser Anschrift nicht zugegangen sein sollte, sei nicht nachvollziehbar. Etwas anderes ergebe sich auch nicht unter Berücksichtigung der im Jahr 2008/2009 erfolgten Nachnamensänderung der Klägerin von B. in L. Zum einen habe die Klägerin nicht substantiiert vorgetragen, wann die Namensänderung konkret erfolgt sei. Zum anderen sei zu berücksichtigen, dass sowohl die angefochtenen Beitragsbescheide als auch die Mahnungen an „Frau M. B.“ unter der oben genannten Anschrift adressiert gewesen seien, wobei der Klägerin jedenfalls die – zeitlich späteren – Mahnungen unstreitig übermittelt worden seien. Die Nachnamensänderung habe demnach einer Zusendung der Bescheide nicht entgegen gestanden.

17

Das Urteil ist der Klägerin am 02. November 2011 zugestellt worden. Mit am 28. November 2011 beim Verwaltungsgericht Greifswald eingegangenem Schriftsatz hat sie beantragt, die Berufung gegen das Urteil zuzulassen. Mit am 23. Dezember 2011 beim Oberverwaltungsgericht eingegangenem Schriftsatz hat sie ihren Zulassungsantrag begründet. Mit Beschluss vom 09. Juli 2012 hat der Senat die Berufung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zugelassen. Der Zulassungsbeschluss ist der Klägerin am 13. Juli 2012 zugestellt worden.

18

Mit am 13. August 2012 beim Oberverwaltungsgericht eingegangenem Schriftsatz hat sie die Berufung begründet und dazu im Wesentlichen ihr erstinstanzliches Vorbringen wiederholt.

19

Die Klägerin beantragt zuletzt,

20

unter Änderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 25. Oktober 2011 – 3 A 1225/09 – festzustellen, dass die Straßenbaubeitragsbescheide des Amtsvorstehers des Amts Darß/Fischland vom 11. Dezember 2008, Az.: B. 1522.05 lfd Nr. 11 und Az.: B. 1522.05 lfd Nr. 12 nicht wirksam geworden sind und die Klägerin nicht verpflichtet ist, die aufgrund der Bescheide geltend gemachten Beiträge zu entrichten,

21

hilfsweise,

22

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 25. Oktober 2011 – 3 A 1225/09 – die Straßenbaubeitragesbescheide des Beklagten vom 11. Dezember 2008 Az.: B. 1522.05 lfd Nr. 11 und Az.: B. 1522.05 lfd Nr. 12 und die Widerspruchsbescheide vom 19. August 2009 aufzuheben.

23

Der Beklagte beantragt,

24

die Berufung zurückzuweisen.

25

Der Beklagte trägt vor, er habe den Nachweis der Aufgabe der Bescheide zur Post am 12. Dezember 2008 geführt. Für den Zugang der Bescheide am 15. Dezember 2008 spreche folgerichtig die mit deren Aufgabe zur Post am 12. Dezember 2008 ausgelöste Fiktion des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO i. V. m. § 12 Abs. 1 KAG M-V. Ebenso beanstandungsfrei habe das Verwaltungsgericht das schlichte Bestreiten der Klägerin, die Beitragsbescheide nicht erhalten zu haben, als nicht ausreichend erachtet, die Zugangsvermutung zu erschüttern.

26

Mit gerichtlicher Verfügung vom 08. Januar 2015 ist der Beklagte um Stellungnahme gebeten worden, ob im Zeitpunkt der von ihm behaupteten Versendung der streitgegenständlichen Bescheide auf der Poststelle ein Postausgangsbuch geführt worden sei oder ob auf sonstige Weise der Nachweis geführt werden könne, dass der Bescheid die Poststelle verlassen habe. Ferner werde um Mitteilung gebeten, ob eine Anweisung oder Verwaltungsvorschrift für die Arbeit der Poststelle existiere; gegebenenfalls werde um deren Übersendung gebeten.

27

Zur Erledigung dieser Verfügung hat der Beklagte im Wesentlichen vorgetragen: Zur Arbeit in der Poststelle/Sekretariat werde die Dienstanweisung Nr. 26 vom 30. Januar 2001 – Registrierung des Postein- und Ausganges im Amt Darß/Fischland – sowie die Dienstanweisung zur Änderung der Dienstanweisung Nr. 26 vom 23. Oktober 2007 übersandt; für die weiteren Einzelheiten wird auf die beigefügten Dienstanweisungen verwiesen. Die Postein- und -ausgangsbücher würden in der Poststelle/Sekretariat handschriftlich geführt. Leider seien die Postein- und Ausgangsbücher des streitgegenständlichen Zeitraumes bei der Beräumung des Archivs aufgrund der abgelaufenen Aufbewahrungsfrist vernichtet worden. Aus einer im Weiteren übersandten Aufstellung zu sämtlichen am 02. Dezember 2008 vom Beklagten erstellten Straßenbaubeitragsbescheiden in Bezug auf den beauftragten Zustelldienst, den Postausgang (PA), Widersprüche, Stundungsanträge und Bezahlungen, sei zu entnehmen, dass von 48 Bescheiden 15 mit dem privaten Zustelldienst R. und 33 mit der Deutschen Post versandt worden seien. Auch die an die Klägerin gerichteten Bescheide seien am 03. Dezember 2008 zum ersten Mal in den Postlauf gelangt, über die Firma R.. Aufgrund einer dem Katasterverzeichnis entnommenen falschen Anschrift (K. Straße, R.) seien die Bescheide als nicht zustellbar zurückgekommen und mit korrigierter Anschrift (A. Weg, R.) am 11. Dezember 2008 neu erstellt und am 12. Dezember 2008 erneut in den Postlauf gegeben worden. Diese Bescheide seien vom Zustelldienst nicht zurückgelangt, so dass seitens des Beklagten von einer erfolgreichen Zustellung ausgegangen werde.

28

Für die weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsvorgänge des Beklagten, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind, verwiesen.

Entscheidungsgründe

29

Die Berufung der Klägerin ist zulässig (I.) und begründet (II.).

I.

30

Die Berufungsbegründungsfrist gemäß § 124a Abs. 6 Satz 1 VwGO ist gewahrt und das angefochtene Urteil in der Berufungsschrift hinreichend im Sinne von § 124a Abs. 2 Satz 2 VwGO bezeichnet. Auch die Anforderungen des § 124a Abs. 3 Satz 4 VwGO sind erfüllt. Die Begründung muss danach einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Die von der Klägerin übermittelte Berufungsbegründung genügt diesen Anforderungen, enthält insbesondere den erforderlichen Antrag. Zwar wiederholt sie im Wesentlichen – wortlautidentisch – ihr erstinstanzliches Vorbringen. Dies ist aber jedenfalls deshalb ausnahmsweise unschädlich, weil die Klägerin darin ausführlich die Frage der Aufgabe der Bescheide zur Post thematisiert und geltend gemacht hat, der Aufgabevermerk beweise lediglich, dass die Bescheide den Bereich des Bauamtes verlassen hätten, der Beklagte müsse aber den Beweis der Absendung erbringen. Da sich das Verwaltungsgericht hierzu nicht bzw. nur kursorisch und – wie noch zu zeigen sein wird – unzutreffend verhalten hat, ergibt sich aus der Wiederholung des umfänglichen erstinstanzlichen Vorbringens in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht im Einzelnen hinreichend deutlich, weshalb das angefochtene Urteil nach der Auffassung der Berufungsführerin unrichtig ist und geändert werden muss (vgl. OVG Greifswald, Urt. v. 03.05.2011 – 1 L 59/10 –, NordÖR 2011, 493).

II.

31

Die Berufung ist begründet. Die im Hauptantrag verfolgte Feststellungsklage der Klägerin ist zulässig (1.) und begründet (2.).

32

1. Soweit die Klägerin in der mündlichen Verhandlung bei unverändertem Klagegrund von ihrem zunächst angekündigten Anfechtungsantrag im Hauptsantrag auf eine Feststellungsklage übergegangen ist, ist dies nach Maßgabe von § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 264 Nr. 2 ZPO ohne Weiteres zulässig (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl., § 91 Rn. 9). Dies gilt auch in Ansehung der daraus wegen des im Falle der Feststellungsklage geltenden Rechtsträgerprinzips resultierenden Änderung des Passivrubrums. Im Übrigen hat der Beklagte seine Zustimmung zu einer in der Antragsumstellung etwaig zu erblickenden Klageänderung erklärt (§ 91 Abs. 1 VwGO).

33

Die Feststellungsklage – und nicht eine Anfechtungsklage – ist in Ansehung des zentralen Vortrags der Klägerin, die Abgabenbescheide seien ihr nicht zugegangen bzw. nicht wirksam bekanntgegeben worden, statthaft. Soweit in der finanzgerichtlichen Rechtsprechung angenommen wird, auch Nichtverwaltungsakte lösten als Äußerung einer mit staatlicher Autorität ausgestatteten Behörde scheinbar Rechtswirkungen aus und könnten deshalb aus praktischen Gründen gleichwohl angefochten und aufgehoben werden bzw. sei eine Anfechtungsklage statthaft (vgl. etwa FG Hamburg, Urt. v. 29.03.2007 – 1 K 258/06 – juris unter Bezugnahme auf BFH, Urt. v. 07.08.1985 – I R 309/82 –, BStBl II 1986, 42; ebenso Niedersächsisches FG, Urt. v. 23.02.2000 – 3 K 91/94 –, juris), folgt der Senat dem nicht.

34

Vielmehr ist die Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO statthaft bzw. zulässig. Durch Klage kann gemäß § 43 Abs. 1 VwGO die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage). Ebenso wie in dem Fall, dass der Kläger einen Bescheid für nichtig hält, gilt dies in gleicher Weise, soweit der Kläger einen Bescheid für nicht wirksam geworden hält. Wäre ein Abgabenbescheid gar nicht oder mit der Folge fehlerhaft bekanntgegeben worden, dass er nach § 124 Abs. 1 AO dem Adressaten gegenüber Wirksamkeit nicht erlangt hätte, handelte es sich um einen rechtlich nicht existent gewordenen Bescheid (Nichtakt), der in seiner rechtlichen Unwirksamkeit einem nichtigen Verwaltungsakt gleicht. Den Erfordernissen eines hinreichenden Rechtsschutzes entspricht es, auch mit Blick auf ihn die Feststellungsklage des § 43 Abs. 1 VwGO für statthaft zu halten. Die Frage der Wirksamkeit der Beitragsbescheide stellt namentlich ein Rechtsverhältnis dar, dessen Bestehen oder Nichtbestehen Gegenstand einer gerichtlichen Feststellung sein kann. Unter einem feststellungsfähigen Rechtsverhältnis sind die rechtlichen Beziehungen zu verstehen, die sich aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Norm für das Verhältnis von (natürlichen oder juristischen) Personen untereinander oder einer Person zu einer Sache ergeben, kraft deren eine der beteiligten Personen etwas Bestimmtes tun muss, kann oder darf oder nicht zu tun braucht. Rechtliche Beziehungen haben sich nur dann zu einem Rechtsverhältnis im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO verdichtet, wenn die Anwendung einer bestimmten Norm des öffentlichen Rechts auf einen bereits übersehbaren Sachverhalt streitig ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.01.1996 – 8 C 19.94 –, BVerwGE 100, 262 – zitiert nach juris). Mit einer solchen Feststellungsklage wird dann freilich nicht die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts – zweite Alternative des § 43 Abs. 1 VwGO –, sondern die Feststellung des Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses – erste Alternative des § 43 Abs. 1 VwGO – begehrt, und zwar die Feststellung, dass der Verwaltungsakt nicht wirksam (geworden) ist und deshalb die mit ihm beabsichtigte Regelung nicht erreicht hat (vgl. zum Ganzen BVerwG, Urt. v. 21.11.1986 – 8 C 127.84 –, NVwZ 1987, 330; VGH München, Urt. v. 24.11.2011 – 20 B 11.1659 –, NVwZ-RR 2013, 169 – jeweils zitiert nach juris; OVG Bautzen, Urt. v. 09.09.2014 – 2 A 56/12 –, juris, Rn. 25, 21 f.; OVG Schleswig, Urt. v. 17.08.2005 – 2 LB 59/04 –, juris; wohl auch VGH Mannheim, Beschl. v. 07.12.1990 – 10 S 2466/90 – juris (LS); VG Cottbus, Beschl. v. 08.02.2007 – 6 L 152/06 –, juris). Die Feststellungsklage der Klägerin ist nach diesem Maßstab statthaft. Sie begehrt die Feststellung des Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses in Gestalt der Feststellung, dass die Beitragsbescheide vom 11. Dezember 2008 nicht wirksam geworden sind und deshalb die mit ihnen beabsichtigte Regelung nicht erreicht bzw. die Klägerin durch sie nicht wirksam zur Beitragszahlung verpflichtet worden ist.

35

Das insoweit im Besonderen in den Blick zu nehmende Rechtsschutzinteresse (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.11.1986 – 8 C 127.84 –, NVwZ 1987, 330 – zitiert nach juris) der Klägerin ist jedenfalls mit Blick auf die an sie gerichteten Mahnungen ohne Weiteres zu bejahen, da diese offensichtlich von scheinbar rechtwirksam gewordenen Beitragsbescheiden ausgingen bzw. der Beklagte danach an letztere Rechtsfolgen knüpfen will.

36

Das in § 43 Abs. 1 VwGO geforderte berechtigte Interesse an der begehrten Feststellung liegt ebenfalls vor. Es ist nicht gleichbedeutend mit einem „rechtlichen Interesse“, sondern schließt darüber hinaus jedes als schutzwürdig anzuerkennende Interesse, insbesondere auch wirtschaftlicher oder ideeller Art, ein. Daraus folgt indessen nicht, dass jeder in diesem Sinne Interessierte auch ohne eigene Rechtsbetroffenheit Feststellungsklage erheben kann. Auf diese Klage ist vielmehr die Vorschrift des § 42 Abs. 2 VwGO entsprechend anzuwenden. Klagen auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses (§ 43 Abs. 1 1. Alt. VwGO) sind nur zulässig, wenn der Kläger geltend machen kann, in seinen Rechten verletzt zu sein, entweder weil er an dem festzustellenden Rechtsverhältnis selbst beteiligt ist oder weil von dem Rechtsverhältnis eigene Rechte abhängen. Diese Voraussetzungen liegen mit Blick auf die an die Frage der Wirksamkeit/Unwirksamkeit der Beitragsbescheide unmittelbar anknüpfenden belastenden oder eben nicht belastenden Folgen offensichtlich vor.

37

2. Die Feststellungsklage ist begründet. Die streitgegenständlichen Bescheide vom 11. Dezember 2008 für das Grundstück G1 in Höhe von 17.086,03 EUR (Az. B. 1522.05 – lfd. Nr.: 11) und für das Flurstück G2 in Höhe von 5.390,00 EUR (Az. B. 1522.05 – lfd. Nr.: 12) sind nicht wirksam geworden, die Klägerin ist nicht verpflichtet, die aufgrund der Bescheide geltend gemachten Beiträge zu entrichten.

38

Die Bescheide sind mangels Bekanntgabe gegenüber der Klägerin nicht wirksam geworden. Ein Verwaltungsakt wird gemäß § 124 Abs. 1 Satz 1 AO i.V.m. § 12 Abs. 1 KAG M-V gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird.

39

Der Beklagte macht durchgängig geltend, die streitgegenständlichen Bescheide seien zum Zwecke der Bekanntgabe am 12. Dezember 2008 an die Klägerin versandt worden. Die Klägerin bestreitet indes den Zugang und damit die Bekanntgabe der streitgegenständlichen Bescheide. Ihr Zugang konnte durch das Gericht im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht nach Ausschöpfung aller Beweismittel nicht festgestellt werden; der materiell beweispflichtige Beklagte konnte den Zugang nicht nachweisen. Dies geht nach Maßgabe des „Günstigkeitsprinzips“ zu seinen Lasten.

40

Ein Verwaltungsakt ist demjenigen Beteiligten bekannt zu geben, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird. Es entspricht allgemeiner Meinung, dass für die Bekanntgabe eines Verwaltungsakts § 130 BGB analog anzuwenden und darauf abzustellen ist, wann bei gewöhnlichem Verlauf und normaler Gestaltung der Verhältnisse des Empfängers mit der Kenntnisnahme durch ihn zu rechnen ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 22.02.1994 – 4 B 212/93 –, juris). Da die Behörde die Kenntnisnahme selbst nicht bewirken kann, reicht insoweit wie bei der zivilrechtlichen Willenserklärung die Möglichkeit der Kenntnisnahme aus. Zentrale Voraussetzung ist deshalb bei schriftlichen Verwaltungsakten ihr Zugang gemäß § 130 BGB. Ein Schriftstück ist bereits dann zugegangen, wenn es derart in den Machtbereich des Empfängers (Inhaltsadressaten) gelangt ist, dass dieser unter Ausschluss unbefugter Dritter von dem Schriftstück Kenntnis nehmen und diese Kenntnisnahme nach den allgemeinen Gepflogenheiten auch von ihm erwartet werden kann (vgl. BFH, Urt. v. 09.12.1999 – III R 37/97 –, juris; OVG Greifswald, Beschl. v. 14.05.2001 – 1 M 68/00 –, juris Rn. 43).

41

Die Klägerin bestreitet, dass ihr die angefochtenen Bescheide zugegangen bzw. in ihren Machtbereich gelangt sind. Tatsachen und insbesondere bestimmte Verhaltensweisen der Klägerin, aus denen (indiziell) zu schließen wäre, sie habe die Beitragsbescheide tatsächlich erhalten, konnte der Senat nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung (vgl. § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) nicht feststellen. Umstände, aus denen auf eine Zugangsvereitelung und auf Verstöße gegen Mitwirkungspflichten der Empfängerin (etwa im Zusammenhang mit der Namensänderung der Klägerin) geschlossen werden könnte, sind substantiiert weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich. Widersprüchliches Verhalten der abgabepflichtigen Klägerin ist ebenso wenig feststellbar (vgl. zu diesen Kriterien VGH München, Urt. v. 24.11.2011 – 20 B 11.1659 –, NVwZ-RR 2013, 169 – zitiert nach juris). Sie hat sich im Gegenteil insbesondere in Ansehung ihres Schreibens vom 11. Februar 2009 „folgerichtig“ verhalten. Nach Lage der Dinge ist der tatsächliche Zugang der streitgegenständlichen Bescheide bei der Klägerin für den Senat nicht aufklärbar; nach Ausschöpfung aller Aufklärungsmöglichkeiten sind keine weiteren Beweismittel benannt oder ersichtlich, die den Zugang als aufklärbar erscheinen ließen. Der Beklagte ist mit Blick auf die ihn treffende materielle Beweislast nicht dazu in der Lage, den tatsächlichen Zugang zu beweisen. Dies geht nach Maßgabe des „Günstigkeitsprinzips“ zu seinen Lasten.

42

Entgegen der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts liegen auch die Voraussetzungen für das Eingreifen der Zugangsfiktion nach § 122 Abs. 2 1. Halbsatz Nr. 1 AO i.V.m. § 12 Abs. 1 KAG M-V nicht vor. Soweit das Verwaltungsgericht ausgeführt hat, zu seiner Überzeugung stehe aufgrund des Vermerkes auf den Bescheiden „PA 12.12.2008“ und den Ausführungen des Beklagten in der mündlichen Verhandlung fest, dass die Bescheide am 12. Dezember 2008 in den Postlauf gelangt seien, so dass die Zugangsvermutung eingreife, vermag der Senat dem nicht zu folgen.

43

Ein schriftlicher Verwaltungsakt, der durch die Post übermittelt wird, gilt gemäß § 122 Abs. 2 1. Halbsatz Nr. 1 AO bei einer Übermittlung im Inland am dritten Tage nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben, außer wenn er nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsakts und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen.

44

Für das Eingreifen der Fiktion kommt es dabei grundsätzlich nicht darauf an, ob die Bescheide an die „Deutsche Post AG“ oder einem privaten Postdienstleister übergeben werden (vgl. BFH, Beschl. v. 18.04.2013 – X B 47/12 –, juris).

45

Die Bekanntgabefiktion des § 122 Abs. 2 1. Halbsatz Nr. 1 AO setzt nach dem eindeutigen Wortlaut der Bestimmung und der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs hierzu voraus, dass die Aufgabe zur Post erfolgt ist bzw. feststeht, an welchem Tag die Aufgabe zur Post erfolgt ist. Die Vermutung des Zuganges knüpft also an das Datum der Aufgabe des Bescheides zur Post an, die Vermutung des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO ist nicht anwendbar, wenn der Tag der Aufgabe des Verwaltungsakts nicht feststeht; dieses ergibt sich insbesondere nicht zwingend aus dem Bescheiddatum (vgl. BFH, Beschl. v. 06.07.2011 – III S 4/11 (PKH) –, BFH/NV 2011, 1717 – zitiert nach juris; Urt. v. 22.05.2002 – VIII R 53/00 –, juris; Urt. v. 03.05.2001 – III R 56/98 –, BFH/NV 2001, 1365, 1366 – zitiert nach juris). Insoweit ist die Behörde – materiell – beweispflichtig, dass der Abgabenbescheid ihren Bereich rechtzeitig bzw. zu dem von ihr behaupteten Datum verlassen hat (vgl. BFH, Urt. v. 28.09.2000 – III R 43/97 –, BFHE 193, 28, BStBl II 2001, 211 zitiert nach juris). Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob der Bescheid nach feststehender Aufgabe zur Post tatsächlich zugegangen ist. Nur in diesem Zusammenhang kann sich die weitere Frage stellen, ob insbesondere die Abgabenpflichtige den Zugang derart in Zweifel gezogen hat, dass die Nachweispflicht der Behörde gemäß § 122 Abs. 2 2. Halbsatz AO greift.

46

Diese Systematik hat das Verwaltungsgericht verkannt, wenn es ausführt, Zweifel daran, dass die Handhabung durch den Beklagten im vorliegenden Fall anders gewesen sein könnte als in der mündlichen Verhandlung geschildert, bestünden nicht, auch die Klägerin habe keine substantiierten Tatsachen vorgetragen, welche die Behauptung einer späteren Absendung schlüssig erscheinen ließen. Nicht die Klägerin muss entsprechend vortragen, vielmehr muss der Beklagte die Aufgabe zur Post bzw. das Aufgabedatum nachweisen.

47

Auch eine Behörde ist insoweit zu einer wirksamen Postausgangskontrolle verpflichtet (BFH, Beschl. v. 07.12.1982 – VIII R 77/79 –, BFHE 137, 221, BStBl II 1983, 229 – zitiert nach juris). Dafür reichen die einfache Zuleitung oder kommentarlose Übergabe des jeweiligen Schriftstücks an die amtsinterne Postausgangsstelle ebenso wenig aus wie ein bloßer Abgangsvermerk der Stelle, die das Schriftstück an diese Postausgangsstelle weiterleitet. Vielmehr ist regelmäßig ein Absendevermerk der Poststelle erforderlich. Liegt ein solcher Vermerk nicht vor, muss das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung beurteilen, ob es die rechtzeitige Absendung für nachgewiesen hält oder nicht (vgl. BFH, Beschl. v. 19.08.2002 – IX B 179/01 –, BFH/NV 2003, 138 – zitiert nach juris); die Regeln des Anscheinsbeweises sind insoweit nicht anwendbar (vgl. BFH, Urt. v. 28.09.2000 – III R 43/97 –, BFHE 193, 28, BStBl II 2001, 211; v. 16.01.2007 – IX R 41/05 –, BFH/NV 2007, 1508 – jeweils zitiert nach juris; vgl. zum Ganzen BFH, Beschl. v. 03.07.2009 – IX B 18/09 –, juris; Beschl. v. 06.07.2011 – III S 4/11 (PKH) –, BFH/NV 2011, 1717 – zitiert nach juris; vgl. auch zu § 41 Abs. 2 VwVfG und der Notwendigkeit eines ordnungsgemäßen Postaufgabevermerks auch Kopp/Ramsauer, VwVfG, 14. Aufl., § 41 Rn. 43; OVG Greifswald, Beschl. v. 19.10.2011 – 2 L 101/09 –, juris, Rn. 9; OVG Bautzen, Beschl. v. 05.09.2014 – 3 A 722/12 –, juris: „… durch den zuständigen Behördenmitarbeiter zu dokumentierenden Zeitpunkt der Aufgabe zur Post …“; vgl. auch VG Düsseldorf, Urt. v. 19.03.3012 – 23 K 5262 –, juris, Rn. 23; zu § 37 Abs. 2 SGB X VG Trier, Urt. v. 14.04.2011 – 2 K 1082/10.TR –, juris; OVG Münster, Beschl. v. 07.03.3001 – 19 A 4216/99 –, NVwZ 2001, 1171 – zitiert nach juris).

48

Unter Zugrundelegung dieses Maßstabes steht die Aufgabe bzw. der Tag der Aufgabe der streitgegenständlichen Bescheide zur Post nicht fest (insoweit liegt der Fall insbesondere anders als im Verfahren Az. 1 O 46/06, Beschl. v. 11.04.2006); folglich greift die Fiktion des § 122 Abs. 2 1. Halbsatz Nr. 1 AO nicht ein.

49

Auf Nachfrage des Verwaltungsgerichts, was der Vermerk „PA 12.12.2008“ zu bedeuten habe, hat die zuständige Sachbearbeiterin des Beklagten in der mündlichen Verhandlung erklärt: „Ja, ich mache immer so einen Vermerk auf die Bescheide. PA heißt im Prinzip ich hab den Bescheid gefertigt, hab ihn zur Unterschrift vorgelegt und dann gebe ich den Bescheid zur Poststelle in unserem Haus in die Kanzlei und da gehört es dann zum Tagesgeschäft, dass diese an dem gleichen Tag abgeschickt werden, PA heißt zur Poststelle am 12.12.2008“. Bei dem Vermerk „PA 12.12.2008“ handelt es sich hiervon ausgehend also um einen bloßen Abgangsvermerk der sachbearbeitenden Stelle beim Beklagten, die die Bescheide an die Postausgangsstelle weitergeleitet hat. Der anschließend regelmäßig erforderliche Absendevermerk der Postausgangsstelle fehlt hingegen. Der Erklärung der Sachbearbeiterin lässt sich auch nicht die Versicherung eines bestimmten Absendedatums entnehmen; sie teilt nur das Datum der Übergabe an die Poststelle mit.

50

Ein solcher Absendevermerk lässt sich auch nicht den beim Beklagten – nach Maßgabe einer Dienstanweisung vom 30. Oktober 2001 – geführten Postein- und -ausgangsbüchern entnehmen. Auf die gerichtliche Nachfrage, ob im Zeitpunkt der vom Beklagten behaupteten Versendung der streitgegenständlichen Bescheide auf der Poststelle ein Postausgangsbuch (vgl. dazu, ob und inwieweit der notwendige Nachweis mit einem Postausgangsbuch geführt werden kann, VGH München, Urt. v. 24.11.2011 – 20 B 11.1659 –, NVwZ-RR 2013, 169) geführt worden sei oder ob auf sonstige Weise der Nachweis geführt werden könne, dass die Bescheide die Poststelle verlassen haben, hat der Beklagte mitgeteilt, die Postein- und Ausgangsbücher würden in der Poststelle/Sekretariat handschriftlich geführt. Leider seien die Postein- und Ausgangsbücher des streitgegenständlichen Zeitraumes bei der Beräumung des Archivs aufgrund der abgelaufenen Aufbewahrungsfrist vernichtet worden. Damit hat sich der Beklagte der für an sich ohne Weiteres bestehenden Möglichkeit, die Absendung zu beweisen, selbst beraubt.

51

Der Vortrag, es gehöre in der Kanzlei zum Tagesgeschäft, dass die die dorthin gebrachten Bescheide am gleichen Tag abgeschickt werden, ist zu pauschal und unkonkret, um mit hinreichender Gewissheit annehmen zu können, die streitgegenständlichen Bescheide seien tatsächlich am 12. Dezember 2008 an den beauftragten Postdienstleister übergeben worden. Dazu ist anzumerken, dass insoweit z. B. offen geblieben ist, wie die Absendung am selben Tag bewerkstelligt wird, wenn die zu versendenden Bescheide erst am Ende des Arbeitstages („Dienstschluss“) auf der Kanzlei eingehen.

52

Im Hinblick auf die in Erledigung der erwähnten gerichtlichen Verfügung ferner übersandte – handschriftliche – Aufstellung zu sämtlichen am 02. Dezember 2008 vom Beklagten erstellten Straßenbaubeitragsbescheiden in Bezug auf den beauftragten Zustelldienst, den Postausgang (PA), Widersprüche, Stundungsanträge und Bezahlungen ist schon nicht ersichtlich, wann, von wem und zu welchem Zweck die Aufstellung gefertigt worden ist. Insbesondere sind die darin dokumentierten „Postausgangsdaten“ nicht nachvollziehbar. Gemeint sind hier offensichtlich wieder die Daten, unter denen die Bescheide an die Postausgangsstelle übergeben worden sind, also nicht etwa die tatsächlichen Absendedaten.

53

Zudem kann der Vortrag des Beklagten, auch die an die Klägerin gerichteten Bescheide seien am 03. Dezember 2008 zum ersten Mal in den Postlauf gelangt, aufgrund einer dem Katasterverzeichnis entnommenen falschen Anschrift seien die Bescheide als nicht zustellbar zurückgekommen und mit korrigierter Anschrift am 11. Dezember 2008 neu erstellt und am 12. Dezember 2008 erneut in den Postlauf gegeben worden, dahingehend bewertet werden, dass gerade in Ansehung dieser Bescheide nicht alles „normal“ gelaufen ist. Der Umstand für sich allein gesehen, dass es keinen Rücklauf seitens des beauftragten Postunternehmens gab, ist offensichtlich kein hinreichendes Indiz für eine erfolgte Absendung: Auch im Falle der unterbliebenen Absendung hätte es keinen Rücklauf geben können.

54

Weitere Beweismittel für eine Absendung sind vom Beklagten weder benannt worden noch wären solche ersichtlich. Schließlich handelte es sich bei der Beitragserhebung anlässlich der Ausbaumaßnahme nicht um ein Massenverfahren, das ggf. möglicherweise eine weniger strenge Betrachtung erforderte.

55

Nach Ausschöpfung aller Aufklärungsmöglichkeiten stehen demnach auch die Aufgabe der Bescheide zur Post und das behauptete Absendedatum nicht fest bzw. ist es dem insoweit materiell beweispflichtigen Beklagten nicht gelungen, den entsprechenden Beweis für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 122 Abs. 2 1. Halbsatz Nr. 1 AO bzw. der Zugangsvermutung zu erbringen. Auch dies wirkt sich unter Zugrundelegung des „Günstigkeitsprinzips“ zu Lasten des Beklagten aus.

56

Fehlt es damit bereits an den Voraussetzungen für das Eingreifen der Zugangsfiktion, kommt es auf die nachrangige Frage, ob eine Ausnahme von der Zugangsvermutung anzunehmen ist, weil es der Klägerin gelungen wäre, mit ihrem Vorbringen Zweifel an einem Zugang zu wecken, nicht mehr an.

57

Der nach alledem zugrunde zu legenden Bekanntgabemangel ist auch nicht durch den Erlass und die Zustellung der Widerspruchsbescheide vom 19. August 2009 geheilt worden, weil der Widerspruchsbescheid die Widersprüche der Klägerin ausschließlich als unzulässig zurückwies, sich daher nicht mit dem Inhalt der Beitragsbescheide befasst hat und jegliche inhaltliche Bezugnahme auf die nicht wirksam gewordene Beitragsfestsetzung, ggf. deren inhaltliche Wiederholung etc. vermissen lässt (vgl. VGH München, Urt. v. 24.11.2011 – 20 B 11.1659 –, NVwZ-RR 2013, 169 – zitiert nach juris; FG Hamburg, Urt. v. 29.03.2007 – 1 K 258/06 –, juris; BFH, Urt. v. vom 25.01.1994 – VIII R 45/92 –, BFHE 173, 213 – zitiert nach juris). Insoweit kann der erforderliche Bekanntgabewillen nicht festgestellt werden. Die Annahme eines solchen scheidet auch deshalb aus, weil der Beklagte ausweislich der Begründung der Beitragsbescheide (endgültige Herstellung der Anlage in 2004) und der Verwaltungsvorgänge (Eingang der letzten Unternehmerrechnung in 2004) offensichtlich selbst davon ausgegangen ist, eine Bekanntgabe im Zeitpunkt der Zustellung der Widerspruchsbescheide könne eine inzwischen eingetretene Festsetzungsverjährung nicht mehr beseitigen; folglich machte die Annahme eines Bekanntgabewillens gerade aus seiner Sicht keinen Sinn.

58

Eine Bekanntgabe der streitgegenständlichen Abgabenbescheide kann auch nicht in der Übersendung von Kopien der Bescheide an die Klägerin mit Schreiben des Beklagten vom 23. Februar 2009 erblickt werden (vgl. FG Hamburg, Urt. v. 29.03.2007 – 1 K 258/06 –, juris). Auch insoweit gilt, dass ein ohne Bekanntgabewillen zur Kenntnis gebrachter Verwaltungsakt keine Wirksamkeit erlangt (vgl. hierzu näher BVerwG, Urt. v. 18.04.1997 – 8 C 43.95 –, BVerwGE 104, 310; Urt. v. 25.04.2013 – 3 C 19.12 –, ZOV 2013, 128 – jeweils zitiert nach juris). Der Bekanntgabewille fehlt, wenn die Übersendung eines Schriftstücks nicht zu dem Zweck erfolgt, die an eine Bekanntgabe geknüpften Rechtsfolgen herbeizuführen, sondern nur der Information des Empfängers über den Inhalt eines bei den Akten befindlichen Schriftstücks dienen soll (vgl. BFH, Urt. v. 04.10.1989 – V R 39/84 – BFH/NV 1990, 409 – zitiert nach juris; vgl. auch BVerwG, Urt. v. 25.04.2013 – 3 C 19.12 –, ZOV 2013, 128 – jeweils zitiert nach juris). Ob die nochmalige Bekanntgabe einer behördlichen Verfügung als anfechtbarer Verwaltungsakt oder nur als Übersendung einer Zweitschrift ohne selbständig anfechtbare Regelung zu beurteilen ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls (vgl. BFH, Beschl. v. 24.11.1999 – V B 137/99 –, BFH/NV 2000, 550 – zitiert nach juris; vgl. zum Ganzen FG Hamburg, Urt. v. 29.03.2007 – 1 K 258/06 –, juris).

59

Nach Maßgabe dieser Grundsätze handelt es sich bei den übersandten Bescheidkopien weder um gesondert anfechtbare Verwaltungsakte noch sollte mit ihnen eine Bekanntgabe der streitgegenständlichen Bescheide nachgeholt bzw. ein Bekanntgabemangel geheilt werden. Der Beklagte hat dies schon äußerlich dadurch dokumentiert, dass er die Ablichtungen der Klägerin mit dem Begleitschreiben vom 23. Februar 2009 ausdrücklich als "Kopie" übersandte. Er hat insbesondere das Datum der Bescheide nicht auf den Tag der nochmaligen Versendung geändert. Zudem hat er zum Ausdruck gebracht, er gehe davon aus, dass die Bescheide der Klägerin bereits zuvor „zugestellt“ worden seien. Auch inhaltlich hat der Beklagte durch sein weiteres Vorgehen im Verwaltungsverfahren unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass die Übersendung der Kopien nicht zur Auslösung der an eine Bekanntgabe geknüpften Rechtsfolgen diente. Insbesondere wollte er keine neue Rechtsbehelfsfrist in Gang setzen, wie sich aus der nachfolgenden Widerspruchszurückweisung ergibt. Wären die mit Schreiben vom 23. Februar 2009 übersandten Bescheidkopien mit Bekanntgabewillen erfolgt, wäre der jeweils am 23. März 2009 offensichtlich binnen Monatsfrist (§ 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO) erhobene Widerspruch fristgerecht eingegangen und die Zurückweisung des Widerspruchs als unzulässig hätte nicht erfolgen dürfen/können. Die Annahme eines solchen Bekanntgabewillens scheidet auch in diesem Zusammenhang deshalb aus, weil der Beklagte wie ausgeführt ersichtlich selbst davon ausgegangen ist, eine Bekanntgabe im Zeitpunkt der Übersendung der Bescheidkopien könne eine inzwischen eingetretene Festsetzungsverjährung nicht mehr beseitigen; folglich machte die Annahme eines Bekanntgabewillens wiederum schon aus seiner eigenen Sicht keinen Sinn.

60

Materiell-rechtliche Fragen, insbesondere ob tatsächlich Festsetzungsverjährung eingetreten ist, sind nicht zu erörtern.

61

Da die Klägerin bereits mit ihrem Hauptantrag voll obsiegt hat und keine wirksamen und damit aufhebbaren Bescheide existieren, bedarf es keiner Entscheidung des Senats über den gestellten Hilfsantrag.

III.

62

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

63

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beurteilt sich nach § 167 Abs. 1, § 167 Abs. 2 analog VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

64

Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.

(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.