Oberlandesgericht Stuttgart Urteil, 13. Jan. 2011 - 7 U 42/10

13.01.2011

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 10.02.2010 – Az. 22 O 114/08 – abgeändert und die Beklagte verurteilt, dem Kläger lebenslang ab 10.03.2007 gemäß Versicherungsschein-Nr. 00.587… vom 01.10.2005 in der Fassung des Nachtrags Nr. 002 vom 25.07.2006 eine monatliche Rente zu zahlen:

die Rückstände sofort nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins seit 11.04.2008.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Widerklage wird abgewiesen.

4. Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen trägt die Beklagte.

5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung von 120 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

6. Die Revision wird nicht zugelassen.

Berufungsstreitwert:

bis 13.10.2010:  

bis 155.000,00 EUR

ab 14.10.2010:

bis 125.000,00 EUR

Gründe

 
I.
Der Kläger macht gegen die Beklagte Ansprüche aus einer seit August 2005 bestehenden Unfallversicherung geltend, weil er sich am 10.03.2007 mit einer Motorkettensäge die linke Hand abgeschnitten hat, die wenige Minuten später verbrannte.
Der 42 Jahre alte Kläger hatte mit seinem Wohnmobil auf dem öffentlichen Parkplatz an der Reithalle in F.-S. übernachtet. Am frühen Morgen zwischen 6:30 Uhr und 7:00 Uhr begann er, mit einer Kettensäge Kanthölzer zu zersägen und sodann in einer 88,5 cm hohen Metalltonne zu verbrennen. Bei dieser Gelegenheit trennte er sich mit der Säge, die er in der rechten Hand hielt, die linke Hand direkt unterhalb des Handgelenks ab.
Alle Türen seines Wohnmobils waren bei Ankunft der Rettungskräfte und der nachfolgend eintreffenden Polizei verschlossen, wobei der Kläger sich nicht daran erinnern kann, die Beifahrertür geschlossen zu haben. Der Kläger kauerte im Schmerzschockzustand an einem Stein. Unweit von der Beifahrertür befanden sich auf dem Boden sowohl zwei mit Blut bespritzte Kanthölzer als auch die Kettensäge. Nur wenige Schritte weiter stand das Metallfass, in dem sich die bis zum Eintreffen der Rettungskräfte circa 4 Minuten nach Absetzen des Notrufes schon stark verkohlte, abgetrennte Hand befand. Diese konnte nicht mehr angenäht werden. Verbrennungen hatte der Kläger weder an der rechten Hand noch sonst.
Im Wesentlichen behauptet der Kläger, sich direkt nach dem Wechseln der Sägekette so über einen neben ihm auftauchenden Pkw erschrocken zu haben, dass er gestolpert und hingefallen sei. Dabei sei er so unglücklich aufgekommen, dass er sich die Hand abgesägt habe. Nachdem er sich den Arm abgebunden habe, sei er nochmals bei dem Versuch gefallen, die abgeschnittene Hand aufzuheben, wobei sie in das Fass gefallen und verkohlt sei.
Im Detail macht er folgende Angaben:
Er habe die Kanthölzer zum Zwecke der Abfallbeseitigung verbrennen wollen, weil er sie nicht mehr gebraucht habe, und sie im Keller nur Platz weggenommen hätten. Die Kanthölzer seien zu lang gewesen, um sie direkt ins Ölfass zu stellen, deswegen habe er sie durchgesägt. Hierzu habe er ein Kantholz parallel zum Wohnmobil auf den Boden gelegt, zum Zersägen habe er die anderen dann quer auf dieses Kantholz gelegt. Auf das darüber gelegte habe er mit einem Fuß getreten und dann jenseits des Holzes das überstehende Ende abgesägt.
Er habe bereits ca. 12 Kanthölzer zersägt und verbrannt, als er mit der Sägekette auf den Schotterboden gelangt sei. Dadurch sei die Kette beschädigt worden, die er deswegen habe auswechseln müssen. Beim Auswechseln oder nachfolgenden Spannen der Kette habe er sich an einem Finger der linken Hand verletzt, weswegen er den Verbandskasten aus dem Führerhaus seines Wohnmobils auf den Beifahrersitz gelegt und geöffnet sowie darin nach Leukoplast gesucht habe. Verbunden habe er sich dann nicht mehr, weil die Wunde zwischenzeitlich aufgehört habe zu bluten.
Als er gerade habe beginnen wollen, die zwei noch vorhandenen Kanthölzer zu zersägen, und den Motor der Säge zu diesem Zweck mit gebücktem Oberkörper wieder angelassen habe, habe er jenseits seines Wohnmobils auf dem Schotterparkplatz ein Geräusch wie von einem Fahrzeug gehört, was ihn zu der Uhrzeit erstaunt habe. Er habe sich daher wieder aufgerichtet, um durch die geöffnete Beifahrertür und die Fahrzeugscheibe danach zu sehen. Gleichzeitig – oder bereits kurz zuvor, insofern variiert der Vortrag – habe er direkt hinter sich ein Geräusch wie von hoher Beschleunigung im Rückwärtsgang sowie Technobass vernommen. In dem Augenblick, als er zum Wohnmobil gewendet aufgestanden sei, habe er rechts hinter sich, also vom Weg kommend, das weiße Heck eines Fahrzeugs, möglicherweise eines VW Caddy, auf sich zuschießen kommen wahrgenommen, das nur noch einen Abstand von ca. 1,5 m zu ihm gehabt habe. Er habe sich erschrocken, weil er gedacht habe, bei einer Lenkbewegung rausche es in ihn hinein. Daher habe er das Gefühl gehabt, nach vorne zu müssen. Er wisse nicht mehr, ob er noch einen Schritt gemacht habe, ob er gestolpert sei, oder ob das Fahrzeug ihn sogar touchiert habe, auf jeden Fall sei er dabei nach vorne gestürzt.
Er habe die Arme nach vorne gerissen. Wie sehr er den rechten Arm angewinkelt habe, könne er nicht mehr sagen. Das Blatt der Kettensäge habe er vor seinem Gesicht gesehen und sodann die Augen geschlossen. Er sei zu Boden gefallen und habe in der linken Hand zunächst einen kurzen Schmerz gespürt, wobei er nicht wisse, ob dies noch beim Fallen erfolgt sei. Dann habe er einen üblen brummenden Schmerz bzw. ein Brennen gespürt. Den linken Arm habe er aber nicht wegziehen können, da dieser durch die Kettensäge blockiert gewesen sei, die wiederum durch den Oberkörper oder die Schulter fixiert gewesen sei. Als er die Augen wieder geöffnet habe, habe er bemerkt, dass seine Hand neben dem Sägeblatt gelegen habe. Er habe sich noch gewundert, keinen Schmerz verspürt zu haben.
10 
Als er die Augen geöffnet habe, habe sein linker Unterarm annähernd parallel der Länge nach auf einem Kantholz gelegen, mit einer Abweichung von vielleicht 10 bis 15°.
11 
Dann habe er mit dem sich in der Jackentasche befindlichen Handy den Notruf 112 abgesetzt.
12 
Er sei dann zunächst die ca. zwei Schritte zu seinem Wohnmobil zurückgegangen, wobei er den blutenden Stumpf an die Jacke gepresst habe. Dort habe er habe aus der geöffneten Werkzeugrolle einen Kabelbinder entnommen und den Arm abgebunden.
13 
Anschließend habe er die abgetrennte Hand in den Kühlschrank im hinteren Teil des Wohnmobils bringen wollen, um die Chance zu erhöhen, sie wieder annähen zu können. Dazu habe er sie mit der rechten Hand aufgehoben. Beim Aufheben bzw. beim anschließenden Wiederaufrichten sei ihm allerdings durch plötzlichen, starken Schmerz schwarz vor Augen geworden. Er sei dann in die Richtung, in die er zuvor gegangen sei, also in Richtung Fass, weitergestolpert und gefallen. Als nächstes habe er direkt vor sich das Fass gesehen, vor dem er gekniet oder irgendwie gehockt habe. Dann habe er bemerkt, dass die Hand Weg sei.
14 
Daraufhin sei er wieder zum Beifahrersitz gegangen, auf der sich der noch geöffnete Verbandskasten befunden habe, habe dort einige Mullbinden herausgenommen, die Cellophanverpackung mit den Zähnen aufgerissen und die Binden in seinen Thermobecher gesteckt, der sich im Einstieg der Beifahrerseite befunden habe. Den Becher mit den Mullbinden habe er sodann über den Armstumpf gepresst. Von da an erinnere er sich bis zum Aufwachen im Krankenhaus an nichts mehr. Dort habe er am rechten Handballen einen rußigen Abdruck festgestellt.
15 
Zu seiner beruflichen Tätigkeit gibt der Kläger an, bis zur Abmeldung seines Gewerbes im Juli 2006 immer wieder in den verschiedensten Bereichen – Bautrocknung, mobile Zaunanlagen, Schlosserarbeiten etc. bzw. als Skulpturenbauer – berufstätig und lange selbstständig gewesen zu sein. Im Jahr 2007 habe er weder über Einnahmen noch nennenswertes Vermögen, aber über ausreichend finanzielle Reserven verfügt, um davon zu leben. Als er noch berufstätig gewesen sei, habe er ca. 5.000 bis 10.000 EUR pro Jahr – durchschnittlich also 625 EUR monatlich – verdient, ohne genauen Überblick gehabt zu haben. Das habe sein Steuerberater erledigt. Seit dem 01.04.2007 erhalte er Hilfe zum Lebensunterhalt („Hartz IV“). Eine Krankenversicherung habe er als freiwillig Versicherter immer gehabt (ca. 120 EUR monatlich, einkommensabhängig). Mit den Unfallversicherungen bei der Beklagten und der ADAC-Unfallschutz – monatliche Beiträge von insgesamt 83,80 EUR – habe er sich absichern wollen, weil er zum einen in allen Jahreszeiten mit seiner Enduro unterwegs sei und zum anderen viel mit Maschinen und auf Leitern arbeite.
16 
In dem Wohnmobil lebe er seit ca. 8 Jahren. Auf dem Parkplatz habe er den defekten Fensterheber auf der linken Seite reparieren wollen, da er dort niemandem störe.
17 
Mit der Widerklage macht die Beklagte die Erstattung vergeblicher Aufwendungen in Höhe von 2.610,64 EUR für die Anfertigung eines Privatgutachtens sowie für die Einholung eines ärztlichen Erstberichtes und die Übersendung von Behandlungsunterlagen geltend.
18 
Im Übrigen wird auf den Tatbestand des Urteils des Landgerichts Stuttgart vom 10.02.2010 – Az. 22 O 114/08 – (Bl. 562 ff. d. A.) Bezug genommen.
19 
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und den Kläger auf die Widerklage zur Rückerstattung verauslagter Kosten verurteilt, weil es aufgrund einer Reihe von Ungereimtheiten und nach Verwertung des vom Landgericht München beauftragten Sachverständigengutachtens sowie Ergänzung dieses Gutachtens in der mündlichen Verhandlung vom 30.11.2009 (529 ff. d. A.) die Vermutung des § 180 a VVG a.F. für widerlegt gehalten hat, dass der Unfall unfreiwillig erfolgte.
20 
Die Berufung wendet sich gegen das Urteil im Ganzen, verfolgt die erstinstanzlichen Klageanträge weiter und begehrt die Abweisung der Widerklage. Im Wesentlichen greift der Kläger die Beweiswürdigung des Landgerichts Stuttgart an. Dieses habe weitgehend wilde Spekulationen angestellt. Verfahrensfehlerhaft habe das Landgericht seinem Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Temperatur des Fasses nicht entsprochen.
21 
Nach Erklärung der Erledigung des Antrags auf Feststellung der Erstattungspflicht von Kur- und Rehakosten, Kosten kosmetischer Behandlung sowie behinderungsbedingten Kosten mit Zustimmung des Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 14.10.2010 (Bl. 746 d. A.)
22 
beantragt der Kläger/Widerbeklagte (Schriftsatz vom 06.05.2010 [Bl. 609 f. d. A.] sowie Erklärung vom 14.10.2010 [Bl. 746 d. A.]),
23 
in Abänderung des erstinstanzlichen Urteils für Recht zu erkennen:
24 
1. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger lebenslang ab 10.03.2007 gem. Versicherungsschein-Nr. 00.587....P vom 01.10.2005 in der Fassung des Nachtrags Nr. 002 vom 25.07.2006 eine monatliche Rente zu zahlen:
25 
die Rückstände sofort nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über Basiszins seit Rechtshängigkeit.
26 
2. Die Beklagte wird weiter verurteilt, an den Kläger 3.003,86 EUR zu zahlen nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über Basiszins seit Rechtshängigkeit.
27 
3. Die Widerklage wird abgewiesen.
28 
Die Beklagte/Widerklägerin beantragt (Schriftsatz vom 16.03.2010 [Bl. 600 d. A.]):
29 
Die Berufung wird zurückgewiesen.
30 
Sie verteidigt das landgerichtliche Urteil.
31 
Zu den weiteren Details wird auf das schriftsätzliche Vorbringen der Parteien nebst Anlagen verwiesen.
32 
In der mündlichen Verhandlung vom 14.10.2010 hat der Senat den Kläger persönlich angehört und Beweis erhoben durch mündliche Ergänzung des schriftlichen Gutachtens durch den Sachverständigen Dr. S.. Zum Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung (Bl. 737 ff. d. A.) verwiesen.
II.
33 
Die Berufung des Klägers ist zulässig und begründet.
1.
34 
Der Kläger hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung der beantragten Rente aus dem Versicherungsvertrag vom 01.10.2005 - Versicherungsschein-Nr. 00.587…. - in der Fassung des Nachtrags Nr. 002 vom 25.07.2006 i.V.m. §§ 1, 2 Nr. 1 AUB 99-XXL i.V.m. § 1 Satz 1 VVG a.F. Der Senat ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht davon überzeugt, dass der Kläger die Gesundheitsbeschädigung in Form der Amputation seiner linken Hand mit der Kettensäge als plötzlich von außen kommendes Unfallereignis am 10.03.2007 freiwillig erlitt.
35 
Nach dem hier anwendbaren § 180 a Abs. 1 VVG a.F. wird zu Gunsten des Versicherten und damit des Klägers bis zum Beweis des Gegenteils vermutet, dass die Gesundheitsbeschädigung unfreiwillig erfolgte. Das bedeutet, dass die Beklagte entgegen der allgemeinen Regel die volle Beweislast dafür trägt, dass der Kläger sich die Hand mit der Kettensäge freiwillig, also zumindest bedingt vorsätzlich und damit aktiv (Grimm, § 1 AUB 99, Rn. 39) amputierte. Diesen Beweis konnte sie nicht erbringen.
36 
Zwar kann die Möglichkeit eines Unfallfes ausgeschlossen werden, wenn dessen Annahme nach einer Gesamtschau aller Umstände (BGH, Urteil vom 15.06.1994, Az. IV ZR 126/93 = VersR 1994, 1054) nur das Resultat einer Kette von Ungereimtheiten sein könnte, die in einer solchen Art und Häufung nur höchst theoretisch und so fernliegend denkbar sind, dass sie außer Betracht zu bleiben haben (OLG Koblenz, Urteil vom 20.03.1992, Az. 10 U 1172/90 = VersR 1993, 874) und letzten Zweifeln Schweigen gebieten (OLG Köln, Urteil vom 26.02.2003, Az. 5 U 178/99 = VersR 2004, 1042). Auch an diesen Maßstäben gemessen ist der Senat nicht derart von der Freiwilligkeit der Gesundheitsverletzung überzeugt, dass letzten Zweifeln Schweigen geboten ist.
37 
Das Landgericht Stuttgart hat zwar zu Recht durchaus beachtliche Auffälligkeiten und Unstimmigkeiten an dem vom Kläger geschilderten Unfallgeschehen aufgeführt. Diese genügen aber zur Widerlegung der Vermutung des § 180 a Abs. 1 VVG a. F. nicht. Der Beklagten steht ein direktes Beweismittel nicht zur Verfügung, und sie konnte den Beweis auch nicht indirekt führen. Denn der Sachverständige hält das vom Kläger geschilderte Unfallgeschehen zwar für nicht stimmig, aber nicht für ausgeschlossen. Es ist daher naturwissenschaftlich möglich und aus dem geschilderten Arbeitsvorgang vorstellbar (vgl. Knappmann in: Prölss/Martin, VVG, 28. Aufl. 2010, § 178, Rn. 26). Der Kläger hat es im Kern auch nicht widersprüchlich oder falsch dargestellt (was auch das OLG Nürnberg, Urteil vom 04.06.1987, Az. 8 U 1865/85 = ZfS 1989, 28 für ganz wesentlich hielt). Dem Senat gegenüber hat sich der Kläger auch nicht als insgesamt unglaubwürdig dargestellt. Insbesondere unter Berücksichtigung der Persönlichkeit des Klägers und der besonderen Schwere der Verletzung und ihrer Folgen für den noch vergleichsweise jungen Kläger verbleiben beim Senat Zweifel an der Freiwilligkeit der Gesundheitsverletzung, die eine Überzeugung i. S. d. § 286 Abs. 1 ZPO verbieten.
38 
Im Einzelnen waren für den Senat insbesondere folgende Gesichtspunkte erheblich:
a)
39 
Den direkten Beweis für die Freiwilligkeit der Verletzung konnte die Beklagte nicht erbringen. Insbesondere gibt es keine Zeugen, die den Kläger beim bewussten Absägen der Hand beobachtet hätten. Der Anscheinsbeweis ist nicht zulässig, denn es gibt keinen typischen Geschehensablauf für menschliche, willensgesteuerte Verhaltensweisen, insbesondere keine nach der Lebenserfahrung auf eine bestimmte Ursache hinweisenden Motive für das Vortäuschen eines Versicherungsfalls, die so sehr auf gewöhnlichen und üblichen Umständen beruht, dass die besonderen individuellen Umstände zurückträten (s. nur BGH, Urteil vom 18.03.1987, Az. IVa ZR 205/85 = BGHZ 100, 214, zit. nach Juris, Rn. 7; Knappmann in: Prölss/Martin, Versicherungsvertragsgesetz, 28. Aufl. 2010, § 178, Rn. 26).
b)
40 
Die Beklagte konnte den Beweis aber auch nicht indirekt durch den – grundsätzlich zulässigen (Grimm, § 1 AUB 99, Rn. 41) – Indizienbeweis erbringen.
aa)
41 
Von erheblicher Bedeutung für den Nachweis der Freiwilligkeit ist, inwieweit die Unfalldarstellung des Verletzten mit dem objektiven Geschehen vereinbar ist (vgl. nur Knappmann in: Prölss/Martin, a.a.O., Rn. 27). Für die Freiwilligkeit der Gesundheitsschädigung spricht daher mit durchaus einigem Gewicht, dass der gerichtliche Sachverständige es aus medizinisch-biomechanischer Sicht zwar nicht für ausgeschlossen, aber für nicht nachvollziehbar und stimmig hält, dass die Verletzung in der vom Kläger geschilderten Weise erfolgt sein soll. Entgegen der Auffassung der Beklagten seien zwar die Blutspuren durchaus mit dem vom Kläger geschilderten Ablauf vereinbar. Auch sei es theoretisch möglich, dass der Kläger so gestürzt sei, dass die Kreissäge nach einem Nachvornereißen der Arme so auf das linke Handgelenk gelangt sein könnte, dass sie die Hand im richtigen Winkel abtrennte. Ebenfalls sei die Zeit, in der das Handgelenk mit der Kettensäge durchtrennt worden sei, mit 0,3 Sekunden so kurz, dass der Kläger hierauf nicht mehr habe reagieren können (Bl. 533 d. A.).
42 
(1) Nach seinen Angaben stand der Kläger jedoch bei Beginn des Sturzes mit der zwar laufenden Säge in der Hand mit dem Rücken zum Weg, hatte den mit dem Zeigefinger zu betätigenden Glashebel der Säge jedoch noch nicht gedrückt, als er den Impuls verspürte, nach vorne zu flüchten. Nach Auffassung des Sachverständigen besteht aus medizinisch-biomechanischer Sicht mit vorgeworfenen Armen im Zuge des Fallens nach vorne in den Fingern zwangsläufig eine distal gerichtete Kraftausübung, also eine Streckung der Finger, die eher zur Entlastung des Zeigefingers führt (Bl. 432 d. A.). Aufgrund der bis zu 20 selbst durchgeführten Fallversuche mit der Originalsäge könne er nicht nachvollziehen, dass der Kläger den Gashebel unbeabsichtigt oder reflexartig gedrückt habe. Denn selbst wenn er die Säge nicht losgelassen hätte, sei keine Veranlassung ersichtlich, zusätzlich den Gashebel zu drücken (Bl. 743 d. A.). Ihm sei das in den Fallversuchen nur aktiv gelungen.
43 
(2) Für ebenfalls unstimmig hält der Sachverständige, dass die Hand, wie aus dem noch im Kantholz ersichtlichen Schnitt erkennbar ist, nach dem behaupteten Sturz mit einem parallel zum Boden gerichteten, geraden Schnitt abgetrennt wurde. Nach den vom Sachverständigen durchgeführten, vielfältigen Computersimulationen und seinen Berechnungen hätte die Säge beim Sturz des Klägers mit der Spitze zuerst am Boden aufkommen müssen, um in die für die Amputation erforderliche Endstellung zu gelangen. Dieses würde einen schrägen Einschnitt in das Kantholz vermuten lassen. Der tatsächlich erfolgte parallele Einschnitt könne allenfalls dadurch erklärt werden, dass der rechte Arm, in dem der Kläger die Säge gehalten haben will, wesentlich höher gehalten habe als den linken. Den hierzu erforderlichen Höhenunterschied könne er jedoch nicht quantifizieren (Bl. 743 d. A.).
44 
(3) Weiter merkt der Sachverständige an, dass es ihm in physischen Simulationen zwar durchaus einfach möglich gewesen sei, die vom Kläger beschriebene Auftreffsituation der Arme nach dem Sturz nachzustellen. Um in dem Winkel, in dem die Säge zur Hand liegen gebliebenen sein muss, aufzukommen, habe er die Richtung aber jeweils aktiv korrigieren müssen. Bei unbeeinflusster Bewegung wären die nach vorne geworfenen Arme mehr parallel aufgekommen (Bl. 438 d. A.).
45 
(4) Auch sei die Amputation der Hand mit der Kreissäge nur durch eine Art Gegendruck erzeugende Fixierung des Armes von unten möglich, die auf dem Kantholz erfolgte. Es passe zwar sowohl zu den Blutspuren als auch zur Schilderung des Klägers, dass sein Arm nach dem Sturz nahezu längs – gedreht um ca. 10 ° bis 15° – auf dem Kantholz lag. Der Sachverständige ist jedoch der Auffassung, dass das Holz in sich so gebogen und axial verwunden sei, dass es am Boden liegend instabil bzw. "wackelig" sei (Bl. 439 d. A.). Durch den Aufprall des Armes entstünden zwangsläufig Kräfte, die das Kantholz zum Kippen oder Wackeln bringen und den linken Arm abrutschen oder -kippen lassen würden. Er habe dort nicht einmal die kurze, zum Durchtrennen des Handgelenks erforderliche Zeit von 0,3 Sekunden ruhen bzw. statisch verweilen können. Das gelte auch unter der Prämisse, dass die Säge und nachfolgend der Oberkörper unmittelbar nach dem Arm auf dem Kantholz aufgetroffen wären und ihn so sofort von oben fixiert hätten. Denn der Kläger sei vermutlich mit einer Geschwindigkeit von ca. 15 km/h auf dem Boden aufgekommen, so dass der Arm direkt vom Kantholz hätte abrutschen müssen.
46 
(5) Letztlich sei nicht erklärbar, wie die abgetrennte Hand unbeabsichtigt in das Fass mit der brennenden Glut gelangen konnte (Bl. 441 d. A.). Das gelte jedenfalls für den Fall, dass der Kläger die linke Hand beim Hochziehen am Fass noch festgehalten hätte. Sie hätte dann nicht über den Rand fallen können (Bl. 441 d. A. ). Die Frage, ob die Hand beim Stolpern in Richtung Fass dort hätte hineinfallen können, obwohl der Kläger vor dem Fass zum Knien kam, konnte der Sachverständige nicht beantworten (Bl. 534 d. A.). Dies wäre dann denkbar, wenn er zum Zeitpunkt des Stolperns rechts gewesen und dann gegen das Fass gestürzt sei. Auf jeden Fall hätte er dazu die rechte Hand nach vorn halten und Kontakt mit dem Fass haben müssen.
47 
In der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht München vom 10.02.2010 gab der Sachverständige überdies an, dass er es für medizinisch zwingend hält, dass der Kläger Verbrennungen an der rechten Hand gehabt hätte, wenn er sich an dem Fass mit Glut hochgezogen hätte. Solche Verbrennungen erlitt der Kläger jedoch nicht.
48 
Auf die Rüge des Klägers, dass das Landgericht in seinem Urteil ohne Beweisaufnahme davon ausgegangen sei, dass das Fass auch am oberen Rand heiß gewesen sei, war kein weiteres Gutachten zur Temperatur des Fassrandes erforderlich. Der Kläger hat nach eigenen Angaben ca. 30 Minuten bis eine Stunde lang Holz in dem Fass verbrannt. Noch bei Eintreffen der Polizei war Glut im gesamten unteren Drittel des Fasses, wie auf dem Foto Bl. 13 d. Beiakte zu sehen ist. Auch gab der Kläger in seinem Unfallbericht vom April 2007 an, dass das Feuer zum Zeitpunkt des Unfalles mit starker Glut brannte (Bl. 38 d. A.). Wer schon einmal einen Metallgrill angefasst hat, in dem sich seit einer ½ Stunde starke Glut befand, weiß, dass das gesamte Metall zum Verbrennen heiß ist. Es ist nichts vorgetragen oder sonst ersichtlich, was zur Abkühlung des Fasses geführt haben können sollte.
49 
Anders als die Beklagte vermag der Senat aus den Ausführungen des Sachverständigen dennoch nicht zu schließen, dass der Unfall nicht in der vom Kläger geschilderten Art erfolgt sein kann. Denn er hat seine Einschätzung nach dem Verständnis des Senats vorwiegend darauf gestützt, dass der geschilderte Ablauf sehr untypisch und daher unwahrscheinlich ist, ohne dass es wissenschaftliche Gründe für die von ihm als typisch erachteten Verhaltensmuster gibt. So hat er beispielsweise während der von ihm durchgeführten, rational gesteuerten Fallversuche keine Veranlassung gesehen, den Gashebel der Säge zu drücken. Die Frage, ob eine nicht rational gesteuerte Person im Fallen die Säge nicht dennoch zufällig an der Stelle besonders festgehalten hätte, an der sich der Gashebel befindet, lässt sich auch nach den Ausführen des Sachverständigen schlicht nicht beantworten. Denn er hat keine wissenschaftlich fundierte Aussage über typisches Fallverhalten von Menschen getroffen.
50 
Nach dem Verständnis des Senats gibt es solch ein typisches Fallverhalten überhaupt nicht. So dürfte es eher eine Frage der Sozialisation bzw. des Trainings sein, wie man sich verhält. Beispielsweise halten noch oft stürzende kleine Kinder Gegenstände meist besonders fest, die sie in der Hand halten, um diese Schätze beim Sturz nicht zu verlieren. Da sie sich in der Regel dennoch auf die Hände fallen lassen, um den Sturz abzufangen, verletzten sie sich in solchen Situationen oft an den Händen. Sicherheitsbewusste ältere Menschen, die oft fallen, werden dagegen eher alles fallenlassen, um den Sturz zu verhindern oder abzumildern, weil sie Angst vor schwerwiegenden Folgen haben. Auch dürfte die Art und Bedeutung der in der Hand gehaltenen Gegenstände das unwillkürliche Verhalten mitbeeinflussen: Während man eine wertvolle Vase voraussichtlich unabhängig von den Folgen für sich selbst eher weit hoch hält, um sie zu schützen, lässt man einen alten Kaffeebecher vielleicht eher los, wenn man sich dadurch eine Linderung des Sturzes verspricht.
51 
Etwas ähnliches gilt auch für die Einschätzung des Sachverständigen, dass der parallel zum Boden erfolgte Einschnitt gegen den vom Kläger behaupteten Unfall spricht, da er den Arm mit der Säge dann beim Sturz sehr viel höher gehalten haben müsste als den anderen. Wie die Beklagte zu Recht ausgeführt hat, würde man aber nicht erwarten, dass jemand gerade den Arm weit über den anderen in die Höhe schleudert, mit dem er eine Last trägt.
52 
Was man aber nun ausgerechnet mit einer im Leerlauf laufenden Kreissäge macht, ist schlicht nicht vorhersehbar und dürfte auch mit persönlichen Erfahrungen zusammenhängen. So ist gut vorstellbar, dass eine Person die Säge unwillkürlich weit von sich schleudern würde, um das Verletzungsrisiko zu minimieren, während eine andere sie lieber fest- und damit unter Kontrolle hält. In diesem Fall erscheint es dem Senat als nicht so fernliegend wie dem Sachverständigen und der Beklagten, die Säge zum Schutz besonders hochzuhalten, zumal nach den Ausführungen des Sachverständigen kein Automatismus oder physiologischer Grund gegen ein krampfartiges Fest- und Hochhalten der Säge während des Sturzes spricht (Bl. 744 d. A.).
53 
Allenfalls wenn zweifelsfrei feststünde, dass sich der Unfall nicht wie vom Kläger im Kern geschildert ereignet haben kann, stünde hiermit die Freiwilligkeit fest (BGH, Urteil vom 17.04.1993, Az. IV ZR 61/90 = r+s 1991, 285). Dies ist vorliegend aber nicht der Fall, zumal auch der Sachverständige einen der Schilderung entsprechenden Unfallhergang nicht ausschließen kann. Weder wurde eine Amputation durch eine Kettensäge behauptet, die beispielsweise nur durch ein anderes Werkzeug erfolgt sein kann. Noch beziehen sich die Ausführungen des Sachverständigen auf die dem Unfall vorangegangenen – rational gesteuerten – Handlungen des Klägers, über die etwa das OLG Köln schon wiederholt zu entscheiden hatte (Urteil vom 26.02.2003, Az. 5 U 178/99 = VersR 2004, 1042 sowie Urteil vom 20.03.1996, Az. 5 U 142/95 = VersR 1996, 1530).
bb)
54 
Aufgrund der nicht feststehenden Unvereinbarkeit der Unfalldarstellung mit den objektiven Begebenheiten hatte der Senat neben dem unmittelbaren Unfallgeschehen auch das Verhalten des Klägers vor und nach dem Unfall sowie weitere äußere Umstände als Indizien zu berücksichtigen. Auch diese hätten in ihrer Gesamtheit eine tragfähige Grundlage für die Widerlegung der Vermutung der Unfreiwilligkeit bilden können (BGH, Urteil vom 15.06.1994, Az. IV ZR 126/93, zit. nach Juris, Rn. 11; Knappmann in: Prölss/Martin, a.a.O., Rn. 28; Römer in: Römer/Langheid, VVG, 2. Aufl. 2003, Rn. 6). Solche, weitere Indizien bestehen sowohl im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Unfallgeschehen, als auch aus dem weiteren Umfeld.
55 
Auch unter Berücksichtigung dieser sonstigen Umstände ist der Senat jedoch nicht mit der nach § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO erforderlichen Sicherheit von der Freiwilligkeit der Gesundheitsverletzung überzeugt. Zwar ist nach gefestigter obergerichtlicher Rechtsprechung davon auszugehen, dass die Möglichkeit eines Unfalls bereits dann ausgeschlossen werden kann, wenn dessen Annahme nur das Resultat einer Kette von Ungereimtheiten sein könnte, die in einer solchen Art und Häufung nur höchst theoretisch und so fernliegend denkbar sind, dass sie außer Betracht zu bleiben haben, ohne letzte Zweifel völlig auszuschließen (statt vieler OLG Koblenz, Urteil vom 20.03.1992, Az. 10 U 1172/90 = VersR 1993, 874; vgl. auch OLG Düsseldorf, Urteil vom 09.06.1998, Az. 4 U 141/97 = VersR 2000, 1227; OLG Köln, Urteil vom 26.02.2003, Az. 5 U 178/99 = VersR 2004, 1042).
56 
Trotz der bestehenden Ungereimtheiten hält der Senat die Vermutung des § 180 a Abs. 1 VVG a. F. aber nicht für widerlegt.
57 
(1) Er hat zunächst eine Reihe von weiteren Umständen in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Unfallgeschehen berücksichtigt. Diese haben den Senat nicht von der Freiwilligkeit der Verletzung überzeugt.
58 
(a) Ein wesentliches Indiz hierfür sieht er allerdings in der verkohlten Hand. Zum einen gelten verschwundene abgetrennte Gliedmaßen allgemein als Verdachtsmomente für eine Selbstverstümmelung (vgl. nur Grimm, § 1 AUB 99, Rn. 42; Tomaschewski, Verletzungsmerkmale nach freiwilliger und unfreiwilliger Zufügung von Hand- und Fingerverletzungen, Diss., Münster, 2008, S. 3, jeweils m.w.N.).
59 
Zum anderen ist die Art und Weise, wie die Hand nach den Angaben – bzw. fehlenden Angaben – in das Fass gelangt sein kann, nicht recht nachvollziehbar [vgl. bereits oben aa)(5)]. Vor dem Landgericht München hat der Sachverständige überdies ausgeführt, dass der Abstand von dem Ort, an dem der Kläger die Hand aufgehoben haben will, bis zum Fass zu groß sei, als dass sie beim Stolpern noch über den 88,5 cm hohen Rand des Fasses gelangt sein könnte (Bl. 642 d. A.).
60 
Auch sind – entgegen der Auffassung des Klägers in der Berufungsbegründung – die diesbezüglichen Ausführungen des Landgerichts Stuttgart zu berücksichtigen. Denn es ist nicht erklärlich, wie der Kläger in dem Bestreben, die Hand aufzuheben, um sie zum Heck des Wohnmobils zu bringen, in Richtung Fass gestolpert sein soll. Denn das befand sich nicht in der Richtung des Hecks.
61 
(b) Für unerheblich hält der Senat dagegen – anders als das Landgericht – die verschlossenen Autotüren am Wohnmobil. Zwar gilt das Aufräumen des Unfallortes ebenfalls als klassischer Hinweise für eine Selbstverstümmelung (Tomaschewski a.a.O.). Den Unfallort als solches hat der Kläger indessen gerade nicht aufgeräumt. Vielmehr war anhand der Blutspuren nachvollziehbar, dass sich die Kanthölzer und die Säge noch am gleichen Ort befunden haben wie zur Zeit der Verletzung. Dass die Hecktüren des Wohnmobils verschlossen waren, ist nach der Erklärung des Klägers, diese in der Regel verschlossen zu haben, wenn er sich vorne aufhalte, durchaus nachvollziehbar. Immerhin wohnte der Kläger in dem Wohnmobil und hatte per se ein starkes Interesse daran, dass dort niemand hineinkam. Dass man sich in solch einer Situation angewöhnt, die Türen, die man nicht im Blick hat, generell zu schließen, ist nicht ungewöhnlich.
62 
Wesentlicher ist die Frage, warum auch die Beifahrertür geschlossen war, obwohl der Kläger sowohl den Kabelbinder als auch die Mullbinden und den Thermobecher erst kurz zuvor entnommen hatte. Allerdings war der Notruf zu diesem Zeitpunkt bereits abgesetzt. Es lag auf der Hand, dass der Kläger bei einer derart schwerwiegenden Verletzung abtransportiert wird. Dass er die Tür nach der ersten Wundversorgung in der Voraussicht längerer Abwesenheit – möglicherweise auch unwillkürlich – geschlossen hat, erscheint auch bei unfreiwilliger Verletzung als nicht außergewöhnlich.
63 
(c) Jedenfalls bemerkenswert ist wiederum, wie auch das Landgericht zu Recht ausgeführt hat, dass sowohl der Kabelbinder in dem ausgerollten Werkzeuggürtel als auch der Verbandskasten mit den Mullbinden auf dem Beifahrersitz einfach zugänglich und so bereit lagen, dass der Kläger sie mit der rechten Hand unproblematisch entnehmen und verwenden konnte. Zwar waren – anders als bei vergleichbaren Verletzungen durch Selbstverstümmelung auffallend oft (vgl. Brinkmann/Madea: Handbuch gerichtlicher Medizin, Bd. 1, Seite 1221) – keine potentiellen Helfer vor Ort, die eine rasche Notversorgung vornehmen konnten. Durch den schnell greifbaren Kabelbinder und das Verbandszeug war der Kläger hierzu indessen selbst in der Lage.
64 
Allerdings hat er den geöffneten Werkzeuggürtel damit begründet, dass er den Fensterheber an der Fahrertür reparieren wollte. Dafür habe er ihn bereits vor Beginn aller Arbeiten gleich früh mit nach vorne genommen. Zwar habe er zunächst die Kanthölzer verbrennen wollen. Da sich der Werkzeuggürtel hinten im Wagen befinde, habe er ihn vermutlich – konkret erinnern könne er sich daran nicht mehr – deswegen sofort mit nach vorne genommen, um sich später erneute Wege zu ersparen. Diese Erklärung kann zwar vorgeschoben sein, sie ist aber auch nicht offensichtlich unglaubhaft. Denn diese Art der – betrieblich nicht organisierten – Arbeitsorganisation hängt so eng von der Persönlichkeit ab, dass sich eine typisierende Betrachtungsweise verbietet.
65 
Ebenfalls bemerkenswert ist allerdings der geöffnete Verbandskoffer. Auch hier gilt, dass die Erklärung des Klägers, sich an der ausgewechselten, scharfen Sägekette verletzt zu haben, für sich genommen durchaus nachvollziehbar ist. Selbst der Sachverständige hat erklärt, sich durch den bloßen Druck der Sägekette auf den Finger leicht verletzt zu haben. Offen bleibt zwar, wie auch das Landgericht zu Recht ausgeführt hat, wie und bei welcher Gelegenheit bzw. bei der Bearbeitung welchen Kantholzes der Kläger mit der Säge in den Schotter geraten sein will. Da er nach seiner Schilderung unmittelbar danach die Kette erneuert hat, wäre ein irgendwie angesägtes Kantholz durchaus zu erwarten. Allerdings kann der Kläger das Holz trotz der beschädigten Kette noch ganz durchgesägt und verbrannt haben.
66 
Die Frage, warum man keine Kerbe für den angeblich nach dem Spannen der Kette erfolgten Probeschnitt gefunden habe, hat der Kläger widerspruchsfrei damit beantwortet, am Ende eines Kantholzes eine ganze Scheibe abgesägt zu haben.
67 
(d) Am stärksten und ganz wesentlich für die Freiwilligkeit der Verletzung spricht, was auch das Landgericht ausgeführt hat, dass der Anlass für den Sturz des Klägers mit der laufenden Säge in der Hand nicht recht glaubhaft ist. Zwar kann es durchaus so sein, dass man sich über ein herannahendes Fahrzeug heftig erschrickt und deswegen ins Straucheln gerät. Zum einen bestehen aber angesichts der im Leerlauf laufenden Säge durchaus beachtliche Zweifel daran, dass der Kläger das sich hinter seinem Wohnmobil nähernde Auto allein aufgrund der Geräusche von Technobass, Motor und Reifen auf dem Schotter bemerkt hat. Vernachlässigen kann man aus Sicht des Senats zwar die Unterschiede in den Aussagen, was der Kläger zuerst gehört haben will – nach der Aussage vor dem Senat den Technobass, vor den Landgerichten Stuttgart und München das Fahrgeräusch auf dem Schotter. Denn das Kerngeschehen zum Auslöser des Unfalles hat der Kläger insgesamt einheitlich geschildert. Dass sich im Laufe von 3 ½ Jahren die Erinnerung an die Wahrnehmung dreier Geräusche innerhalb weniger Sekunden ändert, ist keineswegs verwunderlich.
68 
Die Beklagte hat jedoch zu Recht darauf hingewiesen, dass die laufende Säge auch im Leerlauf erhebliche Eigengeräusche verursacht haben muss, die die Wahrnehmung der vom Auto ausgehenden Geräusche unmöglich gemacht oder jedenfalls wesentlich erschwert haben dürften. Dies kann durchaus als wahr unterstellt werden, so dass es – unabhängig von der Verspätung des Vorbringens nach §§ 296 Abs. 2, 282 Abs. 1, Abs. 2 ZPO – einer Wiedereröffnung der Verhandlung nach § 156 Abs. 1 ZPO nicht bedarf. Als Nachweis für die Freiwilligkeit der Verletzung (§ 180 a Abs. 1 VVG a. F.) eignet sich das Eigengeräusch der Säge indes dennoch nicht. Denn der Kläger hat nicht angegeben, sich aufgrund der Geräusche so erschrocken zu haben, dass er stürzte, sondern erst in dem Augenblick, als er das Auto auf sich zukommen sah. Allein die Fragwürdigkeit der vorherigen Wahrnehmung der Geräusche vermag die Glaubwürdigkeit des Klägers nicht derart zu erschüttern, dass für ihn sprechende Umstände nicht mehr zu berücksichtigen wären.
69 
Zum anderen war der Kläger allerdings nach eigenen Angaben überhaupt nicht arglos. Er hatte das Auto ja bemerkt und wollte genau hiernach sehen. Dass man dann, wenn ein erwartetes Auto auftaucht – selbst wenn es schon sehr nah ist – der Art panisch reagiert wie der Kläger, gibt ganz erheblich zu denken. Auf die Richtung, in die der Kläger dann ggf. ausweichen wollte, kommt es entgegen der Auffassung der Beklagten allerdings nicht an. Denn wenn man – aus welchen Gründen auch immer – panisch reagiert, handelt man typischerweise nicht rational.
70 
Keine Klärung über die Existenz des Autos bringen die vorhandenen oder nicht vorhandenen Reifenspuren. Wie auch der ermittelnde POM M. in seiner Stellungnahme vom 11.08.2008 (Bl. 365 d. A.) dargelegt hat, handelt es sich beim Untergrund um Schotter, bei dem Reifenspuren ohnehin sehr schwer sichtbar sind. Welche auf einzelnen Bildern doch sichtbare Spuren möglicherweise vom Morgen des Unfalles stammen, lässt sich schlicht nicht mehr nachvollziehen. Dies gilt unabhängig davon, von wann genau die Fotos stammen.
71 
(e) Äußerst fragwürdig ist zwar auch der äußere Rahmen. Für den Senat ist kaum nachvollziehbar, warum der Kläger auf einem nahezu mitten auf dem Feld zwischen F. Be., Bo. und Si. gelegen Parkplatz Samstagmorgen ab 6.30 Uhr vor Sonnenaufgang 12 bis 15 Kanthölzer mit einer Kreissäge zersägen wollte, um sie dann in einem Metallfass zu verbrennen.
72 
Allerdings hatte der Senat zu berücksichtigen, dass er nicht allein seine Vorstellungen eines „normalen“ Tagesablaufes zugrunde zu legen hat. Denn der Kläger hatte sich für einen – aus Sicht des Senats – insgesamt ungewöhnlichen Lebensstil entschieden. Er lebte vor dem Unfall bereits über Jahre in einem Wohnmobil und verdiente seinen Lebensunterhalt mit verschiedenen Tätigkeiten offenbar „nach Bedarf“. Aus Sicht eines Menschen mit einem so ungeregelten Leben mag es gar nicht so ungewöhnlich sein, an einem frühen Samstagmorgen direkt nach dem Aufstehen Holz zu sägen und zu verbrennen, zumal der Samstag nicht die besondere Bedeutung als arbeitsfreier Tag haben wird wie für Personen, die zur Deckung des Lebensunterhaltes einer geregelten Tätigkeit nachgehen.
73 
Überdies hat sich der Kläger nach Angaben des Besitzers der Reithalle oft dort aufgehalten. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger ferner durchaus nachvollziehbar angegeben, die Hölzer und die Säge extra mit zur Reithalle genommen zu haben, weil das Fass, in dem er das Feuer gemacht hat, immer dort stehe. Die Kanthölzer habe er nicht mehr gebraucht, sie würden in seinem Keller nur Platz wegnehmen. Auch konnte er widerspruchsfrei erklären, dass er die Kanthölzer erst zersägen wollte, um sie dann zu verbrennen, weil sie so lang gewesen seien, dass das Feuer sonst weit über das Fass hinaus geschlagen wäre.
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(2) Zur Würdigung des der Beklagten obliegenden Nachweises der Freiwilligkeit der Gesundheitsschädigung (§ 180 a Abs. 1 VVG a. F.) hatte der Senat zwar auch weitere Umstände als Indizien heranzuziehen. Auch diese waren indes zur Widerlegung der Vermutung der Unfreiwilligkeit der Verletzung nicht geeignet.
75 
(a) So beruft sich die Beklagte zum einen darauf, dass der Kläger widersprüchliche und sich ändernde Angaben gemacht hat. Der Senat hält aber weder den Kläger für unglaubwürdig, noch seine Darstellung für insgesamt unglaubhaft.
76 
Der auffallendste Widerspruch in der Schilderung des Klägers ist, dass in der BG-Klinik in T. angegeben wurde, der Kläger habe die Kanthölzer über dem Fass zersägt. Wie das Landgericht zu Recht ausgeführt hat, ist dieser Widerspruch indessen unbeachtlich. Denn entsprechend der schriftlichen Stellungnahme des protokollierenden Arztes vom 19.08.2008 (Bl. 369 d. A.) wurde der Unfallhergang von den Polizeibeamten geschildert. Dass der Kläger hierauf in seinem Schockzustand nicht reagiert hat, ist ihm nicht vorzuwerfen.
77 
Im Übrigen sind die Aussagen des Klägers von seinem Unfallbericht direkt im April 2007 bis zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 14.10.2010 erstaunlich stringent. Größere Widersprüche ergeben sich hier nicht. Neben den Unterschieden zur Frage, welche Geräusche der Kläger zuerst gehört hat [s. dazu bereits oben bb)(1)(d)] hat der Kläger lediglich zur Frage, wie die Hand in das Metallfass gelangen konnte, möglicherweise versucht, seine Aussage den Ausführungen des Sachverständigen anzupassen (insbesondere vor dem Landgericht München I in der Verhandlung vom 10.02.2010, Bl. 637 ff. der Akte). Allerdings hat er diesbezüglich auch von Anfang an betont, dass er sich an den Zeitabschnitt nicht mehr bzw. nur lückenhaft erinnert.
78 
Auch in der mündlichen Verhandlung vom 14.10.2010 hat der Kläger erklärt, sich an das Geschehen nach dem Aufheben der Hand nicht richtig erinnern zu können, als ihm schwarz vor Augen geworden sei. Er erinnere sich nur noch an das sich über seinen Augen befindliche Fass, ohne zu wissen, wie er davor gekauert und sich aufgerichtet habe. An die Geschichte erinnere er sich nur noch nebelhaft und trancemäßig, gefühlsmäßig befinde sich dort ein Loch.
79 
Zwar könnte, auch hinsichtlich dieser Erinnerungslücke, gegen die Glaubwürdigkeit des Klägers sprechen, dass er in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht München I am 24.07.2008 konkret geschildert hat, sich mit der rechten Hand am Fass hochgezogen zu haben (Bl. 410 d. A.), was er nun nicht mehr bestätigen konnte. Der Kläger hatte dies aber erstmals auf Befragen des Beklagtenvertreters ausgesagt und das Geschehen am Fass bis dahin gar nicht im Detail geschildert. Nach dem Eindruck des Senats beruhten viele Angaben des Klägers aber gar nicht auf tatsächlichen Erinnerungen, sondern auf Schlussfolgerungen oder Rekonstruktionen. Denn auf verschiedene Nachfragen des Senats, an welche Abläufe, Bilder oder Gefühle er sich konkret erinnere, antwortete er, dass er das gar nicht mehr wisse. Wenn er es heute machen müsste, würde er es aber so oder so machen, oder es müsse so oder so gewesen sein (Bl. 739 f. d. A.). Es ist auch durchaus nachvollziehbar, dass jemand Schlussfolgerungen als Erinnerungen wahrnimmt, die er hinsichtlich bedeutender Umstände zieht. Der Kläger hat nicht nur seine Hand verloren, sondern mit dem Verlust der Hand hat sich sein ganzes Leben verändert. Dieses einschneidende Ereignis musste ihn – unabhängig davon, ob es sich um einen Unfall oder eine freiwillige Verletzung handelt – besonders beschäftigen. Natürlich hat er sich immer wieder mit dem Geschehen beschäftigt – auch hierdurch kann sich das Bild ändern, und man hält Schlussfolgerungen für tatsächliche Erinnerungen. Da er an seiner rechten Hand einen Rußabdruck gefunden hat, liegt der Schluss nahe, dass er damit das Fass berührt, sich gegebenenfalls daran hochgezogen hat.
80 
Die vom Kläger dargestellten Erinnerungslücken erscheinen nicht als vorgeschoben. Denn viele beziehen sich auf nachweisliches Geschehen wie etwa das Entzünden des Feuers in der Tonne, das Telefonat beim Absetzen des Notrufes oder das Abbinden des Armes mit dem Kabelbinder und das Entfernen der Cellophanverpackung um die Mullbinden.
81 
Der Senat hält den Kläger auch insgesamt nicht für unglaubwürdig. Zwar ist der von ihm geschilderte Ablauf sowohl im Detail – Anziehen des Gashebels beim Fallen, Auftrefflage der Arme sowohl zueinander als auch auf dem Kantholz – als auch in der Gesamtkonstellation wie beispielsweise das Zersägen morgens bei Sonnenaufgang, das Auto als Anlass einer so panischen Reaktion und der Verlust der Hand im Fass eher unwahrscheinlich.
82 
Auch hat der Kläger bei der Schilderung des Unfallgeschehens in der mündlichen Verhandlung vom 14.10.2010 einen äußerst ruhigen, regelrecht emotionslosen Eindruck gemacht, während er die Auswirkungen des Verlustes seiner Hand auf sein jetziges Leben bei ihrer Darstellung regelrecht nacherlebt hat. Hierbei redete er plötzlich schneller, brauste auf und fing sogar an zu fluchen. Das kann einerseits dafür sprechen, dass er das Unfallgeschehen gar nicht gleichermaßen nacherleben konnte, weil es sich nicht in der von ihm dargestellten Weise ereignet hat. Eine erdachte Geschichte lässt sich weniger emotional schildern als eine erlebte. Andererseits kann die emotionslose Schilderung durchaus dem Nachempfinden des Geschehens entsprechen, da der Kläger dieses als nebelhaft und trancemäßig beschrieben hat.
83 
Für die Glaubwürdigkeit des Klägers spricht, dass er sich an viele der nachweisbaren Tatsachen nicht erinnert (s. o.). Denn typischerweise versuchen Beteiligte oder Zeugen, die nicht die Wahrheit sagen, so wenig wie möglich zu lügen, um sich nicht zu verstricken. Gerade feststehende Tatsachen werden daher meist ausgeschmückt, während das erdachte Geschehen oft verkürzt wird. Der Kläger hätte dies indessen gerade umgekehrt gemacht.
84 
Allerdings verwundert, dass sich der Kläger auch an "Schlüsselbilder" des erklärten Geschehens teilweise kaum bildhaft erinnert. Die einzigen Fragen nach einem „Nacherleben“ bzw. einem "Vor-sich-sehen" hat der Kläger hinsichtlich der Bilder der abgetrennten Hand und des Fasses vor seinen Augen dargestellt. Die Hand sehe er noch mit dem Rücken nach oben, rechts neben der Säge liegend. Dieses Bild kann sich freilich auch bei einer aktiv abgeschnittenen Hand eingeprägt haben.
85 
In der mündlichen Verhandlung vom 14.10.2010 ist aber auch deutlich geworden, dass der Kläger offensichtlich gar nicht so planmäßig vorging, wie man es bei einer konstruierten Geschichte annehmen würde. So konnte er beispielsweise auf die Frage, warum er sich, nachdem die abgelegte Hand nach seinem zweiten Sturz Weg war, dann noch mit Mullbinden verbinden wollte, obwohl er doch bereits eine erste Notversorgung durch das Abbinden mit dem Kabelbinder vorgenommen hatte, nicht erklären. Glaubhaft an diesem Teil der Geschichte ist zudem, dass ein planmäßig Vorgehender vermutlich das Abbinden des Armstumpfes und die Notversorgung mit Mullbinden und Teebecher in einem Schritt vorgenommen und – zur Sicherung der Aussagestringenz – auch so entsprechend geschildert hätte. Die Reihenfolge, dass der Kläger zunächst den Stumpf abgebunden hat, dann plötzlichen den Gedanken hatte, die Hand kühlen zu müssen, und daraufhin, als dies nicht mehr möglich war, die Versorgung der Hand fortsetzen wollte, hinterlässt eher den Eindruck eines nach dem unfreiwilligen Verlust einer Hand durchaus zu erwartenden spontanen, „unsachlichen" bzw. „unsortierten" Vorgehens.
86 
(b) Anders als das Landgericht legt der Senat kein entscheidendes Gewicht auf die bestehende Doppelversicherung des Klägers. Zwar ist anerkannt, dass unverhältnismäßig hoher Versicherungsschutz, insbesondere bei zeitlich auffälligem Zusammenhang zum Unfallgeschehen, ein wesentliches Indiz für eine freiwillige Gesundheitsbeschädigung ist (Knappmann in: Prölss/Martin, § 178 in VVG, Rn. 28, Römer in: Römer/Langheid, § 180 A. VVG, Rn. 7; Grimm, § 1 AUB 99, Rn. 43). So hat beispielsweise das OLG Celle seine Überzeugung von der Unfreiwilligkeit der Verletzung mit darauf gestützt, dass der dortige Kläger innerhalb von neun Monaten vor seinem Unfall neun Unfallversicherungen mit Versicherungssummen in Höhe von insgesamt über 3,3 Millionen DEM abgeschlossen hatte (Urteil vom 17.06.1993, Az. 8 U 89/91). Ähnlich urteilten auch das OLG Köln bei einer Klägerin, die als Hausfrau drei Unfallversicherungen mit Invaliditätsentschädigungsleistungen von insgesamt 900.000 DEM abgeschlossen hatte (Urteil vom 20.03.1996, Az. 5 U 142/95), und das OLG Düsseldorf bei einem Kläger, der drei Unfallversicherungen mit Versicherungssummen von insgesamt über 700.000 DEM abgeschlossen hatte (Urteil vom 09.06.1998, Aktenzeichen 4 U 141/97 = VersR 2000, 1227).
87 
Um eine solch eklatanten Fall handelt es sich vorliegend indessen nicht. Der Kläger hatte neben der Versicherung bei der Beklagten lediglich eine weitere Unfallversicherung, durch die mit einer beantragten Versicherungsleistung von gut 130.000,00 EUR kein exorbitant hoher Versicherungsschutz entstand.
88 
Zwar sind die beantragten Invaliditätsrenten bei der Beklagten über die Zeit durchaus erheblich. Unter der Annahme einer Lebenserwartung des Klägers von 75 Jahren summieren sie sich auf über 1,3 Mio. EUR. Das beruht aber neben dem noch niedrigen Alter des Klägers im Wesentlichen auf der sehr schweren Verletzung.
89 
Überdies besteht kein sehr enger zeitlicher Zusammenhang zwischen dem Abschluss der Versicherungen und dem Unfall. Die Versicherung bei der Beklagten hatte der Kläger bereits ein Jahr und acht Monate vor dem Unfall abgeschlossen. Auch die zweite Unfallversicherung bestand schon ca. ein Dreivierteljahr. Der Fall ist also beispielsweise nicht mit dem vom OLG Düsseldorf (Urteil vom 09.06.1988, Az. 4 U 141/97 = VersR 2000, 1227) entschiedenen Fall zu vergleichen, in dem die Versicherung erst wenige Tage vor dem Unfall abgeschlossen wurde.
90 
(c) Auch aus den sonstigen, sehr bescheidenen, finanziellen Verhältnissen des Klägers ist nicht maßgeblich auf die Freiwilligkeit der Gesundheitsschädigung zu schließen.
91 
Zwar hat er nach eigenen Angaben in den vorigen Jahren lediglich durchschnittlich 625 EUR pro Monat zur Verfügung gehabt. Der Abschluss zweier Unfallversicherungen mit Prämienverpflichtungen von deutlich über 10 % des durchschnittlichen Nettoeinkommens an sich kann vor diesem Hintergrund zwar stutzig machen. Tatsächlich sind die Versicherungsleistungen von 83,80 EUR pro Monat insgesamt jedoch überschaubar.
92 
Nicht von der Hand zu weisen ist allerdings, dass der Kläger mit den Versicherungsleistungen in Höhe von bereits anfänglich über 2.000 EUR monatlich – im Vergleich zu den bisher sehr viel geringeren Einkünften – dauerhaft ausgesorgt hat.
93 
(d) Nach alldem sprechen einige der sowohl in nahem als auch im weiteren Zusammenhang zum Unfallgeschehen stehenden Umstände für und einige gegen die Freiwilligkeit der Gesundheitsschädigung. Die entscheidenden, verbleibenden Zweifel des Senats an der Freiwilligkeit (§ 180 a Abs. 1 VVG a. F.) beruhen auf der Schwere und der Art der Verletzung sowie ihrer Folgen für den Kläger. Diese unterscheiden sich ganz erheblich von anderen Fällen der Selbstverstümmelung. Denn als solche sind meist solche Fälle beurteilt worden, in denen lediglich einzelne Finger und oft nur Teile von Gliedmaßen amputiert wurden [Daumen (BGH. Urteil vom 17.04.1991, Az. VI ZR 61/90 = ZfS 1991, 354); Daumen und Zeigefinger (OLG Celle, Urteil vom 17.06.1993, Az. 8 U 89/91 = NJW-RR 1994, 113); Daumen (OLG Köln, Urteil vom 20.03.1996, Az. 5 U 142/95 = VersR 1996, 1530); Zeigefinger (OLG Köln, Urteil vom 26.02.2003, Az. 5 U 178/99 = VersR 2004, 1042); Zeigefinger (BGH, Urteil vom 15.06.1994, Az. IV ZR 126/93 = VersR 1994, 1054); vgl. zusammenfassend auch Tomaschewski, Verletzungsmerkmale nach freiwilliger und unfreiwilliger Zufügung von Hand- und Fingerverletzungen, S. 56 ff.)
94 
Der Kläger ist bisher immer handwerklich tätig gewesen. Er hat in seinem Wohnmobil unabhängig von anderen Personen und ohne äußere Zwänge in seinen Tag hineingelebt und seinen Lebensunterhalt nach Bedarf erwirtschaftet. Seine finanzielle Situation im März 2007 hat er in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht München I am 24.07.2008 deswegen als gut bezeichnet, weil die Rechnungen aus dem Vorjahr beglichen waren (Bl. 411 d. A.). Der Kläger brauchte also keine großen Reserven, solange er seinen laufenden Bedarf decken konnte. Dass dieser entsprechend der Darstellung des Klägers tatsächlich gedeckt war, geht auch aus den vorgelegten Kontoauszügen hervor, wonach zum vorhandenen Guthaben am 25.08.2006 eine Umsatzsteuerrückerstattung von über 1.000 EUR (Anl. K 35, Bl. 388 d. A.) sowie auch für Juli und Dezember 2006 deutliche Guthaben ausgewiesen waren (Anl. K 33, K 36, Bl. 386, 389 d. A.).
95 
Selbst wenn der Kläger sein Gewerbe im Herbst 2006 abgemeldet hat, wäre er später vermutlich immer wieder eher im handwerklichen Bereich tätig gewesen. Bei dem Unfall hat er sich jedoch die gesamte Hand abgesägt. Das bedeutet für den zur Zeit des Unfalls 42 Jahre alten Kläger, dass er dauerhaft nicht mehr mit Maschinen arbeiten kann. Denn regelmäßig muss man mit einer Hand die Maschine bedienen, mit der anderen Hand das Werkstück halten. Mit dem Verlust der Hand hat er auch seine (finanzielle) Lebensgrundlage und sogar seine bisherige Lebensart verloren, da er nicht mehr in der Lage ist, ohne die Hilfe anderer an seinen Skulpturen zu arbeiten oder sonst handwerklich tätig zu sein, Sachen zu reparieren etc.
96 
Überdies hat er sich dahingehend eingelassen, die Unfallversicherungen – neben der häufigen Tätigkeit mit Maschinen – u. a. deswegen abgeschlossen zu haben, weil er als Fahrer einer Enduro einem erhöhten Risiko ausgesetzt ist. Das Motorradfahren ist dem Kläger mit nur einer Hand jedoch dauerhaft unmöglich. So hat er, wie aus den Anlagen zur Berufungsbegründung beim Oberlandesgericht München ersichtlich (Bl. 706 d. A.), zwar seine Fahrerlaubnis behalten, diese ist jedoch auf mehrspurige Kfz beschränkt. Das war auch im Vorhinein für jeden vernünftig denkenden Menschen zu erwarten.
c)
97 
Danach sprechen in der Gesamtschau der zu berücksichtigenden Umstände für die Freiwilligkeit der Verletzung insbesondere
98 
- die Unstimmigkeit des reflexartigen Gasgebens beim Fallen,
- der Schnittwinkel parallel zum Boden,
- die Auftrefflage der Arme sowie der Säge nach dem Sturz,
- das zufällige Aufkommen und Verweilen des Armes auf dem wackeligem Kantholz,
- der unstimmige Verlust der Hand sowie
- der Pkw als Auslöser des Unfalls.
99 
Da jedoch für die für die Unfreiwilligkeit der Verletzung spricht,
100 
- dass der Unfall der Schilderung entsprechend erfolgt sein kann,
- dass die Versicherungen mit nicht exorbitant hohen Versicherungssummen bereits seit längeren bestanden sowie
- die Aussagestringenz und die Glaubwürdigkeit des Klägers und letztlich
- die Schwere der Verletzung und ihre Folgen für den noch relativ jungen Kläger verbleiben dem Senat insgesamt erhebliche Zweifel an der Freiwilligkeit der Verletzung. Damit ist der Gegenbeweis gegen die Vermutung des § 180 Abs. 1 VVG a. F. nicht geführt.
2.
101 
Obwohl die Beklagte den Beweis für die Freiwilligkeit der Gesundheitsverletzung nicht erbracht hat und der Kläger mit seinem Hauptanspruch Erfolg hat, hat er keinen Anspruch auf Erstattung außergerichtlich entstandener Rechtsanwaltskosten, da sie nicht durch Verzug oder sonst schuldhaft durch die Beklagte verursacht worden sind. Denn der Kläger nahm die anwaltliche Hilfe bereits zur erstmaligen Geltendmachung der Versicherungsleistung in Anspruch. Der Klägervertreter übersandte bereits mit Schreiben vom 11.05.2007 – vor Anfertigung des Privatgutachtens – Unterlagen des Klägers an die Beklagte (vgl. Anl. K 5, Bl. 44 d. A.).
102 
Der Gebührenanspruch des Klägervertreters ist daher spätestens am 11.05.2007 mit Übersendung der Unterlagen als Beginn der anwaltlichen Tätigkeit entstanden (vgl. Hartmann, Kostengesetze, § 8 RVG, Rn. 1). Diese Gebühren decken nach § 15 Abs. 1 RVG die gesamte außergerichtliche Tätigkeit der Angelegenheit ab.
3.
103 
Die Widerklage ist zulässig, aber unbegründet.
104 
Die Beklagte hat gegen den Kläger keinen Anspruch auf Erstattung nutzlos aufgewendeter Regulierungskosten in Höhe von 2.610,64 EUR aus §§ 280 Abs. 1, 284, 241 Abs. 2 BGB i. V. m. dem Versicherungsvertrag vom 31.08.2005.
105 
Denn der Senat ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme aus oben genannten Gründen nicht davon überzeugt, dass der Kläger sich die Gesundheitsschädigung freiwillig zufügte. Nur in diesem Fall hätte er jedoch die aus dem Versicherungsvertrag abzuleitende Nebenpflicht der Versicherungsnehmer verletzt, wahrheitsgemäße Angaben zum Schadensfall zu machen, indem er falsche Angaben zum Unfallgeschehen gemacht und dadurch vergebliche Aufwendungen der Beklagten verursacht hätte.
4.
106 
Die Kostenentscheidung ergeht auf der Grundlage der §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 91 a Abs. 1 Satz 1 ZPO. Da die Klagabweisung im Übrigen nur die Erstattung außergerichtlich entstandener Rechtsanwaltskosten und damit Nebenforderungen betrifft, handelt es sich um eine verhältnismäßig geringfügige Zuvielforderung.
107 
Auch hinsichtlich des in der mündlichen Verhandlung vom 14.10.2010 erledigten Feststellungsantrages trägt die Beklagte die Kosten des Verfahrens. Das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse für den Antrag auf Feststellung der Erstattungspflicht für Kur- und Rehakosten, Kosten kosmetischer Behandlung sowie behinderungsbedingte Kosten ist erst nach Klageerhebung am 11.04.2008 entfallen. Es hatte sich zunächst aus dem Versicherungsvertrag vom 01.10.2005 i.V.m. § 3 Nrn. 3 bis 5 AUB 99-XXL (Anlage K 21, Bl. 142 d. A.) ergeben, wonach die Beklagte im Versicherungsfall Kur- und Rehakosten sowie die Kosten der kosmetischen Unfallfolgen und behinderungsbedingte Kosten übernimmt.
108 
Voraussetzung für die Übernahme all dieser Kostenarten ist jedoch, dass die erforderlichen Maßnahmen bzw. Kosten innerhalb von drei Jahren nach dem Unfall durchgeführt wurden bzw. entstanden sind. Bis zum Ablauf von drei Jahren seit dem Unfall vom 10.03.2007 am 10.03.2010 sind entsprechende Folgen jedoch nicht eingetreten und Maßnahmen nicht durchgeführt worden. Seit dem 10.03.2010 besteht unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt mehr eine Erstattungspflicht, weswegen das Interesse an deren Feststellung ebenso wie die ursprünglich vorhandene Erfolgsaussicht des Antrages – nachträglich – entfallen ist.
109 
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 709 Satz 2, 711 ZPO.
110 
Der Streitwert ergibt sich aus §§ 48 Abs. 1 Satz 1, 42 Abs. 1 Satz 2, 45 Abs. 1 Satz 1 GKG i. V. m. §§ 3, 9 Satz 1 ZPO. Für den Streitwert des Zahlungsantrags sind zu dem dreieinhalbfachen Wert des Bezuges der Rente nach § 9 ZPO (94.709,96 EUR) die vor Klageeinreichung entstandenen Rückstände von einem Jahr (25.181,96 EUR) hinzuzurechnen (vgl. Zöller, Herget, § 9 ZPO, Rn. 5). Überdies kommt nach § 45 Abs. 1 Satz 1 GKG der Wert der Widerklage von 2.160,00 EUR hinzu. Für die Zeit vor Erledigung des Feststellungsantrages in der mündlichen Verhandlung erhöht sich der Streitwert noch um dessen Wert (32.000,00 EUR), der unter Berücksichtigung eines Abschlages von 20 % (vgl. nur Schneider/Herget, Streitwertkommentar, 12. Aufl. 2007, Rn. 2024) bestimmt wurde.
111 
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 543 ZPO liegen nicht vor. Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung, es handelt sich vielmehr um einen besonderen Einzelfall. Weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern die Entscheidung des Revisionsgerichts.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Oberlandesgericht Stuttgart Urteil, 13. Jan. 2011 - 7 U 42/10

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Referenzen - Gesetze

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Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Zivilprozessordnung - ZPO | § 543 Zulassungsrevision


(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie1.das Berufungsgericht in dem Urteil oder2.das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassungzugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 280 Schadensersatz wegen Pflichtverletzung


(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. (2) Schadensersatz weg

Zivilprozessordnung - ZPO | § 256 Feststellungsklage


(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverh

Zivilprozessordnung - ZPO | § 286 Freie Beweiswürdigung


(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 3 Wertfestsetzung nach freiem Ermessen


Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.

Gesetz über den Versicherungsvertrag


Versicherungsvertragsgesetz - VVG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 156 Wiedereröffnung der Verhandlung


(1) Das Gericht kann die Wiedereröffnung einer Verhandlung, die geschlossen war, anordnen. (2) Das Gericht hat die Wiedereröffnung insbesondere anzuordnen, wenn 1. das Gericht einen entscheidungserheblichen und rügbaren Verfahrensfehler (§ 295),

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 48 Bürgerliche Rechtsstreitigkeiten


(1) In bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten richten sich die Gebühren nach den für die Zuständigkeit des Prozessgerichts oder die Zulässigkeit des Rechtsmittels geltenden Vorschriften über den Wert des Streitgegenstands, soweit nichts anderes bestimmt i

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 45 Klage und Widerklage, Hilfsanspruch, wechselseitige Rechtsmittel, Aufrechnung


(1) In einer Klage und in einer Widerklage geltend gemachte Ansprüche, die nicht in getrennten Prozessen verhandelt werden, werden zusammengerechnet. Ein hilfsweise geltend gemachter Anspruch wird mit dem Hauptanspruch zusammengerechnet, soweit eine

Zivilprozessordnung - ZPO | § 296 Zurückweisung verspäteten Vorbringens


(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die erst nach Ablauf einer hierfür gesetzten Frist (§ 273 Abs. 2 Nr. 1 und, soweit die Fristsetzung gegenüber einer Partei ergeht, 5, § 275 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, 4, § 276 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3, § 277) vorgebrac

Zivilprozessordnung - ZPO | § 9 Wiederkehrende Nutzungen oder Leistungen


Der Wert des Rechts auf wiederkehrende Nutzungen oder Leistungen wird nach dem dreieinhalbfachen Wert des einjährigen Bezuges berechnet. Bei bestimmter Dauer des Bezugsrechts ist der Gesamtbetrag der künftigen Bezüge maßgebend, wenn er der geringere

Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG | § 15 Abgeltungsbereich der Gebühren


(1) Die Gebühren entgelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die gesamte Tätigkeit des Rechtsanwalts vom Auftrag bis zur Erledigung der Angelegenheit. (2) Der Rechtsanwalt kann die Gebühren in derselben Angelegenheit nur einmal fordern.

Versicherungsvertragsgesetz - VVG 2008 | § 1 Vertragstypische Pflichten


Der Versicherer verpflichtet sich mit dem Versicherungsvertrag, ein bestimmtes Risiko des Versicherungsnehmers oder eines Dritten durch eine Leistung abzusichern, die er bei Eintritt des vereinbarten Versicherungsfalles zu erbringen hat. Der Versiche

Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG | § 8 Fälligkeit, Hemmung der Verjährung


(1) Die Vergütung wird fällig, wenn der Auftrag erledigt oder die Angelegenheit beendet ist. Ist der Rechtsanwalt in einem gerichtlichen Verfahren tätig, wird die Vergütung auch fällig, wenn eine Kostenentscheidung ergangen oder der Rechtszug beendet

Versicherungsvertragsgesetz - VVG 2008 | § 180 Invalidität


Der Versicherer schuldet die für den Fall der Invalidität versprochenen Leistungen im vereinbarten Umfang, wenn die körperliche oder geistige Leistungsfähigkeit der versicherten Person unfallbedingt dauerhaft beeinträchtigt ist. Eine Beeinträchtigung

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Der Versicherer verpflichtet sich mit dem Versicherungsvertrag, ein bestimmtes Risiko des Versicherungsnehmers oder eines Dritten durch eine Leistung abzusichern, die er bei Eintritt des vereinbarten Versicherungsfalles zu erbringen hat. Der Versicherungsnehmer ist verpflichtet, an den Versicherer die vereinbarte Zahlung (Prämie) zu leisten.

(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.

(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die erst nach Ablauf einer hierfür gesetzten Frist (§ 273 Abs. 2 Nr. 1 und, soweit die Fristsetzung gegenüber einer Partei ergeht, 5, § 275 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, 4, § 276 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3, § 277) vorgebracht werden, sind nur zuzulassen, wenn nach der freien Überzeugung des Gerichts ihre Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits nicht verzögern würde oder wenn die Partei die Verspätung genügend entschuldigt.

(2) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die entgegen § 282 Abs. 1 nicht rechtzeitig vorgebracht oder entgegen § 282 Abs. 2 nicht rechtzeitig mitgeteilt werden, können zurückgewiesen werden, wenn ihre Zulassung nach der freien Überzeugung des Gerichts die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde und die Verspätung auf grober Nachlässigkeit beruht.

(3) Verspätete Rügen, die die Zulässigkeit der Klage betreffen und auf die der Beklagte verzichten kann, sind nur zuzulassen, wenn der Beklagte die Verspätung genügend entschuldigt.

(4) In den Fällen der Absätze 1 und 3 ist der Entschuldigungsgrund auf Verlangen des Gerichts glaubhaft zu machen.

(1) Das Gericht kann die Wiedereröffnung einer Verhandlung, die geschlossen war, anordnen.

(2) Das Gericht hat die Wiedereröffnung insbesondere anzuordnen, wenn

1.
das Gericht einen entscheidungserheblichen und rügbaren Verfahrensfehler (§ 295), insbesondere eine Verletzung der Hinweis- und Aufklärungspflicht (§ 139) oder eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, feststellt,
2.
nachträglich Tatsachen vorgetragen und glaubhaft gemacht werden, die einen Wiederaufnahmegrund (§§ 579, 580) bilden, oder
3.
zwischen dem Schluss der mündlichen Verhandlung und dem Schluss der Beratung und Abstimmung (§§ 192 bis 197 des Gerichtsverfassungsgesetzes) ein Richter ausgeschieden ist.

Der Versicherer schuldet die für den Fall der Invalidität versprochenen Leistungen im vereinbarten Umfang, wenn die körperliche oder geistige Leistungsfähigkeit der versicherten Person unfallbedingt dauerhaft beeinträchtigt ist. Eine Beeinträchtigung ist dauerhaft, wenn sie voraussichtlich länger als drei Jahre bestehen wird und eine Änderung dieses Zustandes nicht erwartet werden kann.

(1) Die Vergütung wird fällig, wenn der Auftrag erledigt oder die Angelegenheit beendet ist. Ist der Rechtsanwalt in einem gerichtlichen Verfahren tätig, wird die Vergütung auch fällig, wenn eine Kostenentscheidung ergangen oder der Rechtszug beendet ist oder wenn das Verfahren länger als drei Monate ruht.

(2) Die Verjährung der Vergütung für eine Tätigkeit in einem gerichtlichen Verfahren wird gehemmt, solange das Verfahren anhängig ist. Die Hemmung endet mit der rechtskräftigen Entscheidung oder anderweitigen Beendigung des Verfahrens. Ruht das Verfahren, endet die Hemmung drei Monate nach Eintritt der Fälligkeit. Die Hemmung beginnt erneut, wenn das Verfahren weiter betrieben wird.

(1) Die Gebühren entgelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die gesamte Tätigkeit des Rechtsanwalts vom Auftrag bis zur Erledigung der Angelegenheit.

(2) Der Rechtsanwalt kann die Gebühren in derselben Angelegenheit nur einmal fordern.

(3) Sind für Teile des Gegenstands verschiedene Gebührensätze anzuwenden, entstehen für die Teile gesondert berechnete Gebühren, jedoch nicht mehr als die aus dem Gesamtbetrag der Wertteile nach dem höchsten Gebührensatz berechnete Gebühr.

(4) Auf bereits entstandene Gebühren ist es, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, ohne Einfluss, wenn sich die Angelegenheit vorzeitig erledigt oder der Auftrag endigt, bevor die Angelegenheit erledigt ist.

(5) Wird der Rechtsanwalt, nachdem er in einer Angelegenheit tätig geworden ist, beauftragt, in derselben Angelegenheit weiter tätig zu werden, erhält er nicht mehr an Gebühren, als er erhalten würde, wenn er von vornherein hiermit beauftragt worden wäre. Ist der frühere Auftrag seit mehr als zwei Kalenderjahren erledigt, gilt die weitere Tätigkeit als neue Angelegenheit und in diesem Gesetz bestimmte Anrechnungen von Gebühren entfallen. Satz 2 gilt entsprechend, wenn ein Vergleich mehr als zwei Kalenderjahre nach seinem Abschluss angefochten wird oder wenn mehr als zwei Kalenderjahre nach Zustellung eines Beschlusses nach § 23 Absatz 3 Satz 1 des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes der Kläger einen Antrag nach § 23 Absatz 4 des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes auf Wiedereröffnung des Verfahrens stellt.

(6) Ist der Rechtsanwalt nur mit einzelnen Handlungen oder mit Tätigkeiten, die nach § 19 zum Rechtszug oder zum Verfahren gehören, beauftragt, erhält er nicht mehr an Gebühren als der mit der gesamten Angelegenheit beauftragte Rechtsanwalt für die gleiche Tätigkeit erhalten würde.

(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.

(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.

(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis oder die Echtheit oder Unechtheit der Urkunde durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.

(2) Bis zum Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, kann der Kläger durch Erweiterung des Klageantrags, der Beklagte durch Erhebung einer Widerklage beantragen, dass ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt werde.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) In bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten richten sich die Gebühren nach den für die Zuständigkeit des Prozessgerichts oder die Zulässigkeit des Rechtsmittels geltenden Vorschriften über den Wert des Streitgegenstands, soweit nichts anderes bestimmt ist. In Musterfeststellungsklagen nach Buch 6 der Zivilprozessordnung und in Rechtsstreitigkeiten aufgrund des Unterlassungsklagengesetzes darf der Streitwert 250 000 Euro nicht übersteigen.

(2) In nichtvermögensrechtlichen Streitigkeiten ist der Streitwert unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache und der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Parteien, nach Ermessen zu bestimmen. Der Wert darf nicht über eine Million Euro angenommen werden.

(3) Ist mit einem nichtvermögensrechtlichen Anspruch ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Anspruch, und zwar der höhere, maßgebend.

Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.

Der Wert des Rechts auf wiederkehrende Nutzungen oder Leistungen wird nach dem dreieinhalbfachen Wert des einjährigen Bezuges berechnet. Bei bestimmter Dauer des Bezugsrechts ist der Gesamtbetrag der künftigen Bezüge maßgebend, wenn er der geringere ist.

(1) In einer Klage und in einer Widerklage geltend gemachte Ansprüche, die nicht in getrennten Prozessen verhandelt werden, werden zusammengerechnet. Ein hilfsweise geltend gemachter Anspruch wird mit dem Hauptanspruch zusammengerechnet, soweit eine Entscheidung über ihn ergeht. Betreffen die Ansprüche im Fall des Satzes 1 oder 2 denselben Gegenstand, ist nur der Wert des höheren Anspruchs maßgebend.

(2) Für wechselseitig eingelegte Rechtsmittel, die nicht in getrennten Prozessen verhandelt werden, ist Absatz 1 Satz 1 und 3 entsprechend anzuwenden.

(3) Macht der Beklagte hilfsweise die Aufrechnung mit einer bestrittenen Gegenforderung geltend, erhöht sich der Streitwert um den Wert der Gegenforderung, soweit eine der Rechtskraft fähige Entscheidung über sie ergeht.

(4) Bei einer Erledigung des Rechtsstreits durch Vergleich sind die Absätze 1 bis 3 entsprechend anzuwenden.

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.