Oberlandesgericht Rostock Beschluss, 28. Dez. 2009 - 3 W 66/09

bei uns veröffentlicht am28.12.2009

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird - unter Zurückweisung der sofortigen Beschwerde im Übrigen - der Beschluss des Landgerichts Neubrandenburg dahin abgeändert, dass die Kosten des Rechtsstreits gegeneinander aufgehoben werden.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

1

Die gem. §§ 91a Abs. 2, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist im erkannten Umfang begründet. Entscheidende Frage ist, ob vor Anhängigkeit der Räumungsklage am 16.11.2008 die Beklagte sich auf eine Zusage hat verlassen dürfen, dass ihr eine Räumungsfrist bis Ende März 2008 zugestanden wird. Die Antwort auf diese Frage ist nach den für eine Kostenentscheidung gem. § 91a Abs. 1 S. 1 ZPO maßgeblichen Grundsätzen offen, weshalb eine Kostenaufhebung gerechtfertigt ist.

1.

2

Entscheidungsgrundlage im Rahmen des § 91a Abs. 1 S. 1 ZPO ist der Stand des Verfahrens im Zeitpunkt, da die übereinstimmende Erledigung wirksam geworden ist. Im Falle, dass die Erledigungserklärungen schriftlich erfolgen, ist dies der Zeitpunkt des Eingangs der zustimmenden Erledigungserklärung. Ist die letztgenannte Erklärung mit neuem Tatsachenvortrag verbunden, ist dem Gegner lediglich, aber auch unbedingt Gelegenheit zu geben, sich hierzu zu erklären (arg ex § 283 ZPO). Bislang nicht eindeutig geklärt ist die Frage, ob darüber hinaus weitere Angriffs- und Verteidigungsmittel zuzulassen sind und insbesondere ob eine Beweisaufnahme erfolgen kann bzw. darf (vgl. hierzu Musielak/Wolst,ZPO, 7. Aufl., § 91a Rn 22 mwN; zum Insolvenzeröffnungsverfahren vgl. BGH ZInsO 2009, 1206). Die Frage wird man nicht schon mit dem Argument verneinen können, mit der übereinstimmenden Erledigung ende die Rechtshängigkeit. Denn dies gilt nur bzgl. der Hauptsache (MünchKommZPO/Lindacher, 3. Aufl., § 91a Fn 99). Wenig überzeugend ist es auch, darauf abzustellen, die Beteiligten wollten allein eine "Billigkeitsentscheidung". Demgegenüber ist es mit der Rechtswirklichkeit, aber auch dem Wortlaut des Gesetzes nur schwer vereinbar, wenn die Literatur ausnahmsweise nicht nur bereits eingeführte Tatsachen und vorliegende Beweise berücksichtigen will, sondern auch später eingeführte Tatsachen und vorgelegte präsente Beweismittel wie z.B. Urkunden, Sachverständigengutachten etc. (Musielak/Wolst, ZPO, a.a.O., § 91a Rn 22). Die gegenläufigen Normzwecke "Kostengerechtigkeit" und "Verfahrensökonomie" lassen sich dadurch ausgleichen, dass man dem Gericht eine Prognoseentscheidung abverlangt. In welchem Umfang das Gericht neue Angriffs- und Verteidigungsmittel bzw. deren Präzisierung zulässt, bleibt seinem grds. nicht nachprüfbaren Ermessen vorbehalten. Im Rahmen seiner Entscheidung muss das Gericht nicht nur die unstreitigen und die zum o.g. Zeitpunkt vorliegenden, sondern auch bei Weiterführung des Verfahrens möglichen und - ggf. erst nach erforderlichen Hinweisen - wahrscheinlichen Angriffs- und Verteidigungsmittel bedenken und würdigen. Hierbei gilt nicht das strenge und grundsätzliche Verbot der Beweisantizipation.

3

Bei der Prüfungstiefe stellt sich das nämliche Problem. Die Kostengerechtigkeit verlangt eine möglichst umfassende und abschließende Würdigung aller streitentscheidenden Probleme rechtlicher und tatsächlicher Natur. Dazu würde sowohl die Beantwortung schwieriger Rechtsfragen gehören als auch die Klärung komplexer Sachfragen etwa anhand vorliegender Gutachten, Urkunden und substanziierten Parteivortrags. Dass dies nicht der Verfahrensökonomie entsprechen kann, liegt auf der Hand. Deshalb ist nach richtiger Ansicht keine abschließende und umfassende Prüfung der Sach- und Rechtslage erforderlich; ausreichend und genügend ist vielmehr eine summarische Prüfung des bisherigen und zukünftigen Prozessverlaufs einschließlich der aufgeworfenen Rechtsfragen (BVerfG, Beschl. v. 18.09.1992, 1 BvR 1074/92, NJW 1993, 1060, 1061; BGH, Beschl. v. 28.10.2008, VIII ZB 28/08, NJW-RR 2009, 422), wobei es für die Beantwortung von rechtlichen und tatsächlichen Streitfragen genügen kann, auf eine überwiegende Wahrscheinlichkeit abzustellen (BGH, Beschl. v. 16.09.1993, V ZR 246/92, NJW 1994, 256, 257). Ein summarischer Prüfungsmaßstab, eine Beweisantizipation und eine Entscheidung auf der Grundlage überwiegender Wahrscheinlichkeit sind dem Prozessrecht nicht fremd. Insbesondere im Rahmen von Eilentscheidungen wird ein entsprechendes Vorgehen befürwortet (vgl. u.a. Musielak/Lackmann, a.a.O., § 707 Rn 7; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 24.07.1997, 1 U 605/97, MDR 1997, 1157).

4

Nach zutreffender Ansicht darf das Beschwerdegericht die angegriffene Entscheidung nicht uneingeschränkt überprüfen und insbesondere keine eigene Ermessensentscheidung treffen (so ausdrücklich Musielak/Wolst a.a.O., § 91a Rn 25). Richtig erscheint es, die Überprüfungsbefugnis darauf zu beschränken, ob das erstinstanzliche Gericht das ihm eingeräumte Ermessen fehlerfrei gebraucht hat. Die Kontrolle ist reduziert darauf, ob dem erstinstanzlichen Gericht entscheidungsrelevante Verfahrensfehler unterlaufen sind, ob ein Ermessensnicht- oder -fehlgebrauch gegeben ist und - insbesondere - ob das erstinstanzliche Gericht alle entscheidungsrelevanten Gesichtspunkte berücksichtigt hat. Der Sinn des vom Gesetzgeber eingeräumten Ermessens würde verfehlt, wenn das Beschwerdegericht demgegenüber berechtigt oder gar verpflichtet wäre, ein fehlerfreies Ermessen durch das erstinstanzliche Gericht durch eine eigene Ermessensentscheidung zu ersetzen (BGH, Beschl. v. 28.02.2007, XII ZB 165/06, NJW-RR 2007, 1586 Tz 15 zu § 93a; OLG Stuttgart, Beschl. v. 25.10.2007, 17 WF 192/07, FamRZ 2008, 529 Tz. 11). Für diese Sichtweise sprechen letztlich auch prozessökonomische Gründe. Nur wenn ein Ermessensfehler festzustellen ist, muss das Beschwerdegericht eine eigene Ermessensentscheidung treffen.

2.

5

Ausgehend von diesen Grundsätzen ist die Kostenentscheidung des Landgerichts zu beanstanden und wie erkannt zu korrigieren.

6

Die Beklagte hat in der Klageerwiderung substanziiert vorgetragen und unter Beweis gestellt, dass der Bürgermeister der klagenden Stadt ihr am 12.03.2008 telefonisch mitgeteilt habe, dass die gepachtete Gaststätte zwar anderweitig vergeben sei; die Beklagte möge sich aber noch am heutigen Tag bei den beauftragten Anwälten melden und mitteilen, dass die Gaststätte spätestens bis Ende März 2008 geräumt werde; dann werde man ohne weiteren Streit vernünftig auseinandergehen. Unterstellt man diesen Vortrag als wahr, wäre die Klage verfrüht erhoben worden und eine Kostenverteilung zu Lasten der klagenden Stadt unter Heranziehung des in § 93 ZPO zum Ausdruck kommenden Gedankens gerechtfertigt. Denn die Klage ist bereits unter dem 12.03.2008 erstellt worden und am 16.03.2008 bei Gericht eingegangen.

7

Das Landgericht hat das ihm eingeräumte Ermessen im Rahmen der Beweisantizipation fehlerhaft ausgefüllt, indem es - schlicht - ausgeführt hat, den Beweis "hätte die Beklagte voraussichtlich nicht führen können, denn zur Aufklärung hätten nur Herr Sch. und der Bürgermeister der klagenden Stadt zur Verfügung gestanden, und es sei nichts dafür ersichtlich, dass ein anderer als der bisher vorgetragene - gegensätzliche - Gesprächsinhalt hätte festgestellt werden können". Dies ist eine reine Mutmaßung, die eine Beweisantizipation allein zu Lasten der Beklagten und zugunsten der klagenden Stadt nicht rechtfertigt. Insbesondere hat das Landgericht nicht hinreichend berücksichtigt, dass der Vortrag der Beklagten eine gewisse Bestätigung durch das - unstreitige - Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 12.03.2008 an die Prozessbevollmächtigten der klagenden Stadt erfährt. In diesem heißt es, die Beklagte habe die Sache mit dem Bürgermeister der klagenden Stadt besprochen und sie werde vereinbarungsgemäß die Gaststätte bis zum 30.03.2008 räumen. Die Prozessbevollmächtigten hätten - entgegen ihren Ausführungen im Antwortschreiben vom 17.03.2009 - auch ohne Weiteres erkennen können, dass der Prozessbevollmächtigte in der vorliegenden Sache geschrieben hat. Im Rubrum wird die Kurzbezeichnung der Beklagten "FSG" angegeben und im Text die Adresse der streitgegenständlichen Gaststätte.

8

Umstände dafür, dass die von der Beklagten benannten Zeugen die behauptete Vereinbarung bzw. Zusage nicht bestätigen würden, vermag der Senat nicht zu erkennen. In einem solchen Fall ist es gerechtfertigt und geboten, das Beweisergebnis nicht vorwegzunehmen und von einem offenen Beweisergebnis auszugehen. Die klagende Stadt hätte es in der Hand gehabt, durch Umstellung ihres Klageantrags auf Feststellung der Erledigung eine Beweisaufnahme zu erzwingen und ein derartiges Ergebnis zu vermeiden (vgl. zum diesbezüglichen Streitstand Zöller/Vollkommer, Komm. zur ZPO, 27. Aufl., § 91a Rn 33 m.w.N.). Das notwendige Feststellungsinteresse lässt sich aus dem Kosteninteresse der klagenden Stadt herleiten. Der Beklagten wäre es nicht möglich, sich dieser Aufklärung durch ein Anerkenntnis zu entziehen, weil nach zutreffender Ansicht auch im Rahmen des § 93 ZPO die Klageveranlassung zu klären wäre, wobei die Grundsätze des Freibeweises gelten würden.

9

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.

10

Die Frage, in welchem Umfang neuer Tatsachenvortrag, der nach oder mit der übereinstimmenden Erledigungserklärung vorgetragen wird, im Rahmen einer Entscheidung nach § 91 a ZPO zu berücksichtigen ist und ob zu streitigem Vortrag möglicherweise eine Beweisaufnahme geboten sein kann, wird in Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich beantwortet. Der Senat misst dem grundsätzlich Bedeutung zu und lässt daher die Rechtsbeschwerde zu (§ 574 ZPO).

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 283 Schriftsatzfrist für Erklärungen zum Vorbringen des Gegners


Kann sich eine Partei in der mündlichen Verhandlung auf ein Vorbringen des Gegners nicht erklären, weil es ihr nicht rechtzeitig vor dem Termin mitgeteilt worden ist, so kann auf ihren Antrag das Gericht eine Frist bestimmen, in der sie die Erklärung

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Tenor Auf die Berufung der Antragsgegner wird das Urteil des Landgerichts Hamburg, Kammer 16 für Handelssachen, vom 25.4.2012, Geschäfts-Nr. 416 HKO 31/12, abgeändert. Der Verfügungsantrag wird zurückgewiesen. Die Antragstellerin hat die Ko

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(1) Haben die Parteien in der mündlichen Verhandlung oder durch Einreichung eines Schriftsatzes oder zu Protokoll der Geschäftsstelle den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt, so entscheidet das Gericht über die Kosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen durch Beschluss. Dasselbe gilt, wenn der Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers nicht innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen seit der Zustellung des Schriftsatzes widerspricht, wenn der Beklagte zuvor auf diese Folge hingewiesen worden ist.

(2) Gegen die Entscheidung findet die sofortige Beschwerde statt. Dies gilt nicht, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 genannten Betrag nicht übersteigt. Vor der Entscheidung über die Beschwerde ist der Gegner zu hören.

Kann sich eine Partei in der mündlichen Verhandlung auf ein Vorbringen des Gegners nicht erklären, weil es ihr nicht rechtzeitig vor dem Termin mitgeteilt worden ist, so kann auf ihren Antrag das Gericht eine Frist bestimmen, in der sie die Erklärung in einem Schriftsatz nachbringen kann; gleichzeitig wird ein Termin zur Verkündung einer Entscheidung anberaumt. Eine fristgemäß eingereichte Erklärung muss, eine verspätet eingereichte Erklärung kann das Gericht bei der Entscheidung berücksichtigen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VIII ZB 28/08
vom
28. Oktober 2008
in dem Rechtsstreit
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 28. Oktober 2008 durch den
Vorsitzenden Richter Ball, den Richter Wiechers, die Richterinnen Hermanns
und Dr. Hessel sowie den Richter Dr. Achilles

beschlossen:
Den Antragstellern wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde gewährt. Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben. Der Wert des Verfahrensgegenstandes beträgt bis zur übereinstimmenden Erklärung der Erledigung in der Hauptsache 3.750 €. Danach beträgt der Gegenstandswert 1.936,41 €.

Gründe:

I.

1
Die Antragsteller verpflichteten sich in einem gerichtlichen Vergleich gegenüber dem Antragsgegner, zwei von ihnen bewohnte Reihenhäuser bis spätestens 31. März 2008 zu räumen und an den Antragsgegner herauszugeben. Zugleich verzichteten sie auf die Gewährung einer weiteren Räumungsfrist gemäß § 794a ZPO.
2
Am 27. Februar 2008 haben sie beim Amtsgericht die Verlängerung der Räumungsfrist bis zum 31. August 2008 beantragt. Das Amtsgericht hat den Antrag durch Beschluss vom 29. Februar 2008 zurückgewiesen. Die dagegen erhobene sofortige Beschwerde der Antragsteller ist erfolglos geblieben. Mit ihrer vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde haben die Antragsteller ihr Begehren zunächst weiterverfolgt. Nachdem der Antragsgegner aufgrund eines weiteren Vergleichs der Parteien erklärt hat, er werde die Zwangsvollstreckung bis zum 31. August 2008 nicht mehr fortsetzen, haben die Parteien die Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt.

II.

3
1. Die übereinstimmende Erledigungserklärung der Beteiligten im Rechtsmittelzug setzt zu ihrer Wirksamkeit die Zulässigkeit des Rechtsmittels voraus (BGH, Beschluss vom 15. Januar 2004 - IX ZB 188/03, ZInsO 2004, 201, unter 2). Die Rechtsbeschwerde der Antragsteller ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO) und auch im Übrigen zulässig. Sie haben zwar gegen den ihnen am 19. März 2008 zugestellten Beschluss des Beschwerdegerichts erst am 29. Mai 2008 Rechtsbeschwerde eingelegt und diese zugleich begründet und damit die Fristen des § 575 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 ZPO für die Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde versäumt. Ihnen ist jedoch auf ihren Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (§ 233 ZPO), nachdem ihnen auf ihren innerhalb der Frist des § 575 Abs. 1 Satz 1 ZPO gestellten Antrag mit Beschluss des Senats vom 14. Mai 2008, zugestellt am 19. Mai 2008, Prozesskostenhilfe für die Durchführung des Rechtsbeschwerdeverfahrens gewährt worden ist.
4
2. Aufgrund der Erledigungserklärungen der Parteien hat der Senat über die Kosten des Verfahrens gemäß § 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands nach billigem Ermessen zu entscheiden. Die Erklärung des Antragsgegners konnte von seinem zweitinstanzli- chen Anwalt abgegeben werden, weil die Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle erfolgen kann (§ 91a Abs. 1 Satz 1, § 78 Abs. 5 ZPO; BGHZ 123, 264, 266). Im Verfahren nach § 794a ZPO sind auch für die Kosten erster Instanz die §§ 91 ff. ZPO maßgeblich (Zöller/Stöber, ZPO, 26. Aufl., § 794a Rdnr. 6 i.V.m. § 721 Rdnr. 15; Musielak/Lackmann, ZPO, 6. Aufl., § 794a Rdnr. 6 i.V.m. § 721 Rdnr. 9).
5
Es ist - zumal im Rechtsbeschwerdeverfahren - nicht Zweck einer Kostenentscheidung nach § 91a ZPO, Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu klären oder das Recht fortzubilden, soweit es um Fragen des Zwangsvollstreckungsrechts geht. Grundlage der Entscheidung ist demgemäß lediglich eine summarische Prüfung, bei der das Gericht grundsätzlich davon absehen kann, in einer rechtlich schwierigen Sache nur wegen der Verteilung der Kosten alle für den hypothetischen Ausgang bedeutsamen Rechtsfragen zu klären (Senatsbeschluss vom 19. Oktober 2004 - VIII ZR 327/03, WuM 2004, 725; BGH, Beschluss vom 17. Juli 2006 - II ZR 163/03, AG 2006, 666). Der Senat sieht sich deshalb nicht veranlasst, die in der Instanzrechtsprechung und im Schrifttum streitige - vom Landgericht als Grund für die Zulassung der Rechtsbeschwerde angeführte - Rechtsfrage zu entscheiden, ob ein rechtsgeschäftlicher Verzicht auf den Antrag auf Bewilligung oder Verlängerung einer Räumungsfrist nach § 794a ZPO zulässig ist (dafür: LG Aachen, WuM 1996, 568; Musielak/ Lackmann, aaO, § 794a Rdnr. 2; Schmidt-Futterer/Blank, Mietrecht, 9. Aufl., Anhang 1 zu §§ 574 bis 574c BGB, § 721 ZPO Rdnr. 77; dagegen: LG Berlin, GE 1991, 403; Zöller/Stöber, aaO, § 794a Rdnr. 7, MünchKommZPO/ Wolfsteiner, 3. Aufl., § 794a Rdnr. 1; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 66. Aufl., § 794a Rdnr. 1). Mangels anderer Verteilungskriterien sind die Kosten daher gegeneinander aufzuheben. Ball Wiechers Hermanns Dr. Hessel Dr. Achilles
Vorinstanzen:
AG Sinsheim, Entscheidung vom 29.02.2008 - 1 C 119/02 -
LG Heidelberg, Entscheidung vom 14.03.2008 - 5 T 9/08 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 165/06
vom
28. Februar 2007
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
ZPO §§ 91 a Abs. 2, 93 a Abs. 1, 99 Abs. 1 und 2, 269 Abs. 5, 626 Abs. 1

a) Wurde eine Folgesache auf Unterhalt oder Zugewinnausgleich im Scheidungsverbund
zurückgenommen, ist die Kostenentscheidung der Ehesache,
soweit sie auf der Rücknahme beruht, nach § 269 Abs. 5 ZPO isoliert mit der
Beschwerde anfechtbar.

b) Das Beschwerdegericht kann die Ermessensentscheidung nach § 93 a
Abs. 1 Satz 2 ZPO nur auf Ermessensfehler überprüfen und darf ein vom
erstinstanzlichen Gericht fehlerfrei ausgeübtes Ermessen nicht durch eine eigene
Ermessensentscheidung ersetzen.
BGH, Beschluss vom 28. Februar 2007 - XII ZB 165/06 - Kammergericht Berlin
AG Pankow/Weißensee
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 28. Februar 2007 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter Sprick, Weber-Monecke,
Prof. Dr. Wagenitz und Dose

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des 19. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin als Senat für Familiensachen vom 1. August 2006 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Kammergericht zurückverwiesen. Beschwerdewert: 900 €

Gründe:

I.

1
Die Parteien streiten noch um die Kosten aus einem Scheidungsverbundverfahren.
2
Im Scheidungsverfahren der Parteien hatte der Antragsgegner einen Stufenantrag auf Ehegattenunterhalt erhoben. Nachdem die Parteien den Auskunftsanspruch übereinstimmend für erledigt erklärt hatten, bezifferte der Antragsgegner den Zahlungsantrag zunächst, nahm ihn später aber zurück. Das Amtsgericht hat die Ehe der Parteien geschieden, den Versorgungsausgleich ausgesetzt und die Kosten der Ehesache dem Antragsgegner zu 80 % sowie der Antragstellerin zu 20 % auferlegt.
3
Gegen diese Kostenentscheidung hat der Antragsgegner sofortige Beschwerde eingelegt, die das Beschwerdegericht als unzulässig verworfen hat. Dagegen richtet sich die - vom Beschwerdegericht zugelassene - Rechtsbeschwerde des Antragsgegners.

II.

4
Die Rechtsbeschwerde ist zulässig (§ 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO) und hat auch in der Sache Erfolg.
5
Das Kammergericht, dessen Entscheidung in KGR Berlin 2007, 118 veröffentlicht ist, hat die Beschwerde des Antragsgegners als unzulässig verworfen , weil gegen die nach § 93 a ZPO getroffene Kostenentscheidung im Scheidungsurteil keine isolierte Beschwerde zulässig sei. Das hält den Angriffen der Rechtsbeschwerde nicht stand.
6
1. Nach § 99 Abs. 1 ZPO ist die Anfechtung einer Kostenentscheidung zwar grundsätzlich unzulässig, wenn nicht gegen die Entscheidung in der Hauptsache ein Rechtsmittel eingelegt wird. Von diesem Grundsatz sieht das Gesetz allerdings für Fälle, in denen die betreffende Hauptsache - auch unabhängig von der Beschwer - nicht mehr angefochten werden kann, Ausnahmen vor:
7
a) Danach kann die Kostenentscheidung in wenigen Ausnahmefällen isoliert angefochten werden, etwa wenn die Hauptsache durch eine aufgrund eines Anerkenntnisses ausgesprochene Verurteilung erledigt ist (§ 99 Abs. 2 ZPO), wenn die Parteien die Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben (§ 91 a Abs. 2 ZPO) oder wenn die Klage wirksam zurückgenommen worden ist (§ 269 Abs. 5 ZPO). Gleiches gilt für die Kostenentscheidung in einer Ehesa- che, wenn der Scheidungsantrag wirksam (vgl. insoweit Senatsbeschluss vom 23. Juni 2004 - XII ZB 212/01 - FamRZ 2004, 1364 f.) zurückgenommen worden ist (§ 626 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 269 Abs. 5 ZPO). Diese im Gesetz geregelten Fälle einer isolierten Anfechtbarkeit der Kostenentscheidung beschränken sich allerdings auf Konstellationen, in denen nicht mehr über die Hauptsache zu entscheiden und diese deswegen - unabhängig von der Höhe der Beschwer – auch nicht anfechtbar ist.
8
b) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist auch eine einheitliche Kostenentscheidung insoweit isoliert anfechtbar, als sie neben dem Obsiegen und Unterliegen in dem zur Hauptsache entschiedenen Teil auch auf einer teilweisen Rücknahme, einer teilweisen Erledigung oder einem teilweisen Anerkenntnis beruht (sog. gemischte Kostenentscheidung).
9
Auch soweit die Hauptsache also nur teilweise durch ein Anerkenntnis, eine übereinstimmende Erledigungserklärung oder eine Klagerücknahme abgeschlossen wurde, bleibt es bei der isolierten Anfechtbarkeit, auch wenn sich dieser Umstand lediglich auf die Quote einer einheitlichen Kostenentscheidung ausgewirkt hat. Denn auch insoweit kommt eine Sachentscheidung nicht mehr in Betracht und die Kostenquote ist deswegen, soweit sie auf diesem Teil der Hauptsache beruht, unabhängig von einer weiteren Entscheidung zur Hauptsache nachprüfbar. Soweit dies zu einer Aufgliederung der angefochtenen Kostenentscheidung führt, ist das Beschwerdegericht regelmäßig - wie auch hier - in der Lage, den anfechtbaren Teil von dem übrigen Teil der einheitlichen Kostenentscheidung abzugrenzen und eine gegebenenfalls abweichende Bewertung des anfechtbaren Teils bei der Bemessung einer neuen einheitlichen Kostenentscheidung zu berücksichtigen. Auch die dadurch entstehende Gefahr einer Doppelanfechtung im Wege der Beschwerde einerseits und der Berufung andererseits kann nicht dazu führen, einer Partei das Rechtsmittel zu nehmen, das ihr nach dem Willen des Gesetzgebers zustehen soll. Dieser Gefahr ist vielmehr auf andere Weise, z.B. durch Aussetzung eines Verfahrens oder durch Umdeutung der Beschwerde in eine Anschlussberufung zu begegnen (BGHZ 40, 265, 269 ff.; BGHZ 113, 362, 363 ff.; BGH Beschluss vom 28. Januar 1999 - III ZB 39/98 - NJW-RR 1999, 1741; Stein/Jonas/Bork ZPO 22. Aufl. § 99 Rdn. 13 ff.).
10
Diese Auffassung geht mit der Rechtsprechung des BGH einher, wonach Urteile, in denen über den restlichen Teil der Hauptsache und zugleich über die Kosten eines anderweitig erledigten Teils entschieden ist, nur aufgrund der Beschwer in der Hauptsache angefochten werden können (BGH Beschlüsse vom 20. September 1962 - VII ZB 2/62 - MDR 1963, 44 und vom 17. Mai 1990 - IX ZB 9/90 - BGHR ZPO § 91 a Abs. 1 Satz 1 Streitwert 1).
11
2. Nichts anderes gilt für die Kostenentscheidung im Ehescheidungsverbund nach § 93 a ZPO, soweit diese im Rahmen des § 93 a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 ZPO auf einem Anerkenntnis, einer übereinstimmenden Erledigungserklärung oder - wie hier - auf der Rücknahme des Antrags in einer Folgesache beruht. Auch dann ist über diese Folgesache als Teil des einheitlichen Verbundverfahrens nicht mehr in der Sache zu entscheiden, wohl aber im Rahmen der einheitlichen Kostenentscheidung im Scheidungsverbund über die kostenrechtlichen Folgen, die sich daraus ergeben.
12
a) § 93 a ZPO bildet eine Spezialvorschrift für die Kosten in Ehesachen und Scheidungsfolgesachen und verdrängt damit die allgemeinen Kostenregeln der §§ 91 und 92 ZPO (Stein/Jonas/Bork ZPO 22. Aufl. § 93 a Rdn. 1). Die Vorschrift trägt damit dem Umstand Rechnung, dass im Scheidungsverbundverfahren ein Obsiegen und Unterliegen regelmäßig kein geeigneter Maßstab für die Kostenentscheidung ist. Hinsichtlich der Ehesache kann seit der Abschaffung des Schuldprinzips und der Einführung des Zerrüttungsprinzip nicht mehr entscheidend darauf abgestellt werden, auf wessen Antrag die Scheidung ausgesprochen wird. Über die Folgesache Versorgungsausgleich ist von Amts wegen zu entscheiden, sodass die Parteien ohnehin keinen bezifferten Antrag stellen müssen. Anträge zum Sorge- und Umgangsrecht stützen sich regelmäßig auf das Kindeswohl, sodass sich auch insoweit ein Obsiegen oder Unterliegen regelmäßig nicht als Maßstab für die Kostenentscheidung eignet (zum isolierten Sorgerechtsverfahren vgl. § 13 a Abs. 1 FGG und § 94 Abs. 3 Satz 2 KostO).
13
b) Allerdings ist das Obsiegen und Unterliegen in den Folgesachen zum Kindesunterhalt, zum Ehegattenunterhalt und zum gesetzlichen Güterrecht (§ 621 Abs. 1 Nr. 4, 5 und 8 ZPO) - ebenso wie in solchen isolierten Verfahren - als Maßstab für die Kostenentscheidung geeignet. Zwar verlangt das Gesetz auch bei Rechtshängigkeit solcher Folgesachen eine einheitliche Kostenentscheidung mit der Ehesache; der Erfolg dieser Folgesachen kann aber dazu führen, dass eine Kostenaufhebung in der Verbundentscheidung unbillig erscheint und durch eine andere billige Ermessensentscheidung ersetzt werden muss (§ 93 a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 ZPO). Insoweit führt ein Obsiegen oder Unterliegen somit zwar nicht unmittelbar - wie in isolierten Verfahren - zu einer entsprechenden Kostenquote; der Erfolg ist aber stets im Rahmen der Ermessensentscheidung im Scheidungsverbund zu berücksichtigen.
14
c) Nichts anderes kann dann aber für ein Anerkenntnis, eine übereinstimmende Erledigungserklärung oder - wie hier - für eine Rücknahme des Antrags in einer Folgesache gelten. Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts verdrängt § 93 a ZPO nämlich nicht alle übrigen Kostenvorschriften, sondern beschränkt sich nach Sinn und Zweck auf eine Sonderregelung, die im Scheidungsverbund - vorbehaltlich des Obsiegens und Unterliegens in den genannten ZPO-Folgesachen - an Stelle des Obsiegens und Unterliegens hin- sichtlich des Scheidungsantrags und der übrigen FGG-Folgesachen für den Regelfall eine Kostenaufhebung festlegt. Wenn das Obsiegen und Unterliegen in den ZPO-Folgesachen aber Auswirkungen auf die nach Ermessen zu bestimmende Kostenquote im Scheidungsverbund haben kann, muss dies auch für eine anderweitige Erledigung solcher Folgesachen gelten. Ist die Folgesache also durch Anerkenntnis (§§ 93, 99 Abs. 2 ZPO), durch eine übereinstimmende Erledigungserklärung (§ 91 a ZPO) oder durch eine wirksame Klagrücknahme (§ 269 ZPO) beendet, sind anstelle des Obsiegens und Unterliegens die im Gesetz für eine solche Verfahrensbeendigung vorgesehenen Kostenfolgen bei der Ermessensentscheidung im Scheidungsverbund zu berücksichtigen. Entsprechend bleibt es dann auch im Scheidungsverbund bei der im Gesetz vorgesehenen - und von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auf Teile eines Rechtsstreits ausgedehnten - isolierten Anfechtbarkeit nach dem Maßstab der Beendigung dieser Folgesache. Die Kostenentscheidung des Amtsgerichts war deswegen mit der Beschwerde anfechtbar, soweit sie sich auf die übereinstimmende Erledigung des Auskunftsantrags (§ 91 a Abs. 2 ZPO) und die Rücknahme des Zahlungsantrags auf Ehegattenunterhalt (§ 269 Abs. 5 ZPO) bezog.
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3. Allerdings bleibt es auch insoweit für die Erfolgsausicht der Beschwerde bei dem Maßstab des § 93 a Abs. 1 Satz 2 ZPO, der eine Abweichung von dem Regelfall der Kostenaufhebung nach billigem Ermessen zulässt. Ist die Bemessung der Kostenquote solchermaßen in das Ermessen des erstinstanzlichen Gerichts gestellt, beschränkt sich die Überprüfungsmöglichkeit durch das Beschwerdegericht auf die Frage, ob das erstinstanzliche Gericht von dem ihm eingeräumten Ermessen fehlerfrei Gebrauch gemacht hat. Denn der Sinn des eingeräumten Ermessens würde verfehlt, wenn das Beschwerdegericht berechtigt und verpflichtet wäre, ein vom erstinstanzlichen Gericht fehlerfrei ausgeübtes Ermessen durch eine eigene Ermessensentscheidung zu ersetzen. Statt- dessen kann das Beschwerdegericht die Entscheidung nur auf Ermessensfehler in Form des Ermessensfehlgebrauchs oder der Ermessensüberschreitung überprüfen, also darauf, ob das erstinstanzliche Gericht von dem ihm obliegenden Ermessen einen ungesetzlichen Gebrauch gemacht hat. Das könnte namentlich dann der Fall sein, wenn es für die Ermessensentscheidung maßgebliche Tatsachen verfahrensfehlerhaft nicht ermittelt oder sonst unberücksichtigt gelassen hat (Senatsbeschluss vom 31. Januar 2001 - XII ZB 121/00 - NJW 2001, 1652).
16
4. Die angefochtene Entscheidung kann danach keinen Bestand haben. Die Sache ist an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen, das bei seiner neuen Entscheidung die Ermessensentscheidung des Amtsgerichts entsprechend den vorstehenden Ausführungen zu überprüfen haben wird.
Hahne Sprick Weber-Monecke Wagenitz Dose Vorinstanzen:
AG Berlin-Pankow/Weißensee, Entscheidung vom 08.03.2006 - 17 F 2996/04 -
KG Berlin, Entscheidung vom 01.08.2006 - 19 WF 90/06 -

Tenor

I. Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen Ziffer 1 des Beschlusses des Amtsgerichts Ludwigsburg - Familiengericht - vom 30. August 2007 (5 F 546/07) wird kostenpflichtig

zurückgewiesen.

Beschwerdewert: 3.900 EUR.

II. Auf die sofortige Beschwerde des klägerischen Prozessbevollmächtigten wird Ziffer 3 des Beschlusses des Amtsgerichts Ludwigsburg - Familiengericht - vom 30. August 2007 (5 F 546/07) in Verbindung mit dem Beschluss des Amtsgerichts Ludwigsburg vom 15. Mai 2007

abgeändert.

Der Streitwert der Stufenklage wird auf 98.000 EUR festgesetzt.

Das Verfahren über die Streitwertbeschwerde ist gebührenfrei.

Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

 
I.
Die sofortigen Beschwerden des Klägers und dessen Prozessbevollmächtigten gegen den Beschluss des Amtsgerichts sind statthaft und zulässig.
1. Die Einlegung des Rechtsmittels hinsichtlich der Kostenentscheidung durch den Prozessbevollmächtigten im Interesse des verstorbenen Klägers begegnet keinen Zulässigkeitsbedenken. Der Rechtstreit war anlässlich des Tods des Klägers angesichts der anwaltlichen Vertretung, deren Vertretungsbefugnis die Einlegung des Rechtsmittels erfasst, nicht auszusetzen (§ 246 ZPO). Prozesspartei ist anstelle des verstorbenen Klägers der Rechtsnachfolger, auch wenn der Rechtstreit auf den Namen der verstorbenen Partei fortgeführt wird. Die Beklagte war zwar testamentarisch als Alleinerbin eingesetzt. Sie hat allerdings ebenso wie die gemeinsamen Abkömmlinge der Parteien die Erbschaft ausgeschlagen, so dass es der Prüfung einer Kollision nicht bedarf.
2. Hinsichtlich der Streitwertfestsetzung steht dem Prozessbevollmächtigten ein eigenes Beschwerderecht zu (§ 32 RVG i.V.m. § 68 GKG).
3. Die Beschwerdewerte (§§ 567 Abs. 3 ZPO, 68 Abs. 1 GKG) sind erreicht.
II.
Die Beschwerde des Klägers gegen die Kostenentscheidung ist unbegründet. Die amtsgerichtliche Entscheidung ist frei von Ermessensfehlern.
Die Parteien haben die zulässige Stufenklage, in deren erster Stufe über den vorzeitigen Zugewinn durch Gestaltungsklage zu befinden war (BeckOK/Mayer BGB § 1385 Rn.3; OLG Celle, FamRZ 1983, 171), übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt. Die daraufhin veranlasste Kostenentscheidung (§ 91a ZPO) hatte den bisherigen Sach- und Streitstand des gesamten Verfahrens, also auch die Erfolgsaussicht der noch unbezifferten, rechtshängigen Leistungsstufe zu erfassen (OLG Karlsruhe, NJW-RR 1998, 1454; OLG Brandenburg, NJW-RR 2003, 795). Mangels Anhängigkeit einer Ehesache kam demgegenüber weder ein gesetzlicher Erledigungseintritt nach § 619 ZPO noch eine Kostenentscheidung nach § 93 a ZPO in Betracht.
Obgleich die übereinstimmende Erledigungserklärung der Klageerhebung direkt nachfolgt und die Klageerwiderung der Beklagten sich zwangsläufig erst an die Hauptsachenerledigungserklärung anschließt, hat das Amtsgericht ermessensfehlerfrei auch den Inhalt der Klageerwiderung in die Beurteilung des Sach- und Streitstands einbezogen (vgl. Zöller/Vollkommer § 91a ZPO Rdn 26 mit Rechtsprechungsnachweisen).
An der Erfolgsaussicht der Stufe 1 – des Gestaltungsurteils – bestehen allseits keine Zweifel. Zwar hat die Beklagte die Abweisung der Klage insgesamt beantragt, aber keine Gründe vorgebracht, die am Bestehen der Anspruchsvoraussetzungen des § 1385 BGB zweifeln lassen. Mit Schriftsatz vom 18.10.2007 wird das Vorliegen dieser Anspruchsvoraussetzungen auch zugestanden.
Nachdem der Stichtag für das Endvermögen noch nicht festgestellt war, konnte der Kläger den Ausgleichsanspruch noch nicht beziffern. Seine Erwartung war ausgehend von einem Kontenstand der Beklagten am 30.4.2003 mit 182.230,76 EUR (aus Hausverkauf) zuzüglich in der Folgezeit angewachsener Zinsen im Schätzweg auf eine Größenordnung von 98.000 EUR gerichtet.
10 
Demgegenüber beziffert die Beklagte ihr Vermögen auf insgesamt ca. 120.000 EUR, einen in Betracht kommenden Zugewinnausgleichsanspruch auf maximal ca. 60.000 EUR. Sie hat aus dem Hauserlös eine Eigentumswohnung gekauft, deren Mietertrag sie mit ca. 400 EUR benennt. Ihre Renten gibt sie mit ca. 600 EUR + 60 EUR an, denen allein Pflegeheimkosten mit ca. 1.160 EUR zuzüglich Taschengeldbedarf gegenüberstehen. Aus dem Vermögen der Beklagten ist dem Kläger mit seinem Umzug nach Sachsen (August 2003) eine Starthilfe von 10.000 EUR gegeben worden. Im Übrigen hat die Beklagte Umstände vorgetragen, die geeignet sein können, ein Leistungsverweigerungsrecht (§ 1381 BGB) zu begründen.
11 
Angesichts dessen, dass das Amtsgericht vor diesem Hindergrund in seine Ermessensentscheidung als Gesichtspunkte die Erfolgsaussicht des Klägers hinsichtlich der Gestaltungsstufe, die fragliche Höhe des Ausgleichsanspruchs und die gleichfalls offene Frage eines Leistungsverweigerungsrechts unter Billigkeitsgesichtspunkten einbezieht und in der Gesamtabwägung zur Kostenaufhebung kommt, trifft den ersten Rechtszug nicht der Vorwurf des Ermessensfehlgebrauchs oder der Ermessensüberschreitung. In der Folge ist der Beschwerdesenat daran gehindert, das fehlerfrei ausgeübte Ermessen des Amtsgerichts durch eine eigene Ermessensentscheidung zu ersetzen (BGH, FamRZ 2007, 893).
12 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO, die Wertfestsetzung aus § 3 ZPO.
III.
13 
Die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten gegen die Streitwertbestimmung führt zu ihrer Ergänzung. Mit zutreffenden Erwägungen hat das Amtsgericht den Teilwert der Gestaltungsklage (Stufe 1) mit 24.500 EUR bestimmt. Der Streitwert der Stufenklage begrenzt sich aber auch im Fall der Nichtbezifferung der Leistungsstufe nicht auf den Wert der 1. Stufe (§ 44 GKG). Nachdem der höchste Streitwert der in der Stufenklage verbundenen Ansprüche maßgebend ist, ist mangels Bezifferung das klägerische Leistungsinteresse zu schätzen. Die Zahlungserwartung der Klägers war auf einen Betrag von 98.000 EUR gerichtet, so dass dieser Betrag der Bemessung der gerichtlichen Verfahrens- und der anwaltlichen Prozessgebühr zugrunde zu legen ist (OLG Hamm, FamRZ 2004, 1664; OLG Köln, FamRZ 2005, 1847; der Gegenmeinung des 16. Zivilsenats, OLG Stuttgart, FamRZ 2005, 1765 tritt der Senat nicht bei). Nur soweit Verhandlungs- oder Beweisgebühr isoliert die 1. Klagestufe betreffen, tritt an dessen Stelle der vom Amtsgericht zutreffend angenommene Teilstreitwert von 24.500 EUR.
14 
Die Kostenentscheidung folgt hinsichtlich der Streitwertbeschwerde aus § 68 Abs. 3 GKG.

Hat der Beklagte nicht durch sein Verhalten zur Erhebung der Klage Veranlassung gegeben, so fallen dem Kläger die Prozesskosten zur Last, wenn der Beklagte den Anspruch sofort anerkennt.

(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.

(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn

1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder
2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.