Oberlandesgericht Rostock Beschluss, 09. Juni 2016 - 20 VAs 1/16

published on 09/06/2016 00:00
Oberlandesgericht Rostock Beschluss, 09. Juni 2016 - 20 VAs 1/16
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Tenor

1. Der Antrag des Verurteilten auf gerichtliche Entscheidung über den Bescheid des Generalstaatsanwalts in Rostock vom 12.04.2016 - 2 Zs 188/16 - wird auf seine Kosten als unzulässig verworfen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

3. Der Geschäftswert wird auf  5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Antragsteller wurde am 28.09.1995 vom Landgericht Schwerin wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit sexueller Nötigung und sexuellen Missbrauchs von Kindern zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet (32 KLs 10/95). Ab dem 06.11.1995 befand er sich in jener Sache im Maßregelvollzug, dessen Fortdauer zuletzt mit Beschwerdeentscheidung des Senats vom 21.12.2015 - 20 Ws 21/15 - angeordnet wurde.

2

Im Zuge von Lockerungserprobungen wurde der Antragsteller ab dem 01.11.2011 tageweise aus der Maßregelklinik in eine Wohngruppe des Diakoniewerks C. beurlaubt. Dort lernte er die später Geschädigte E. kennen, die er am Abend des 25.04.2012 unter einem Vorwand in ihrer Wohnung aufsuchte und sie dort unter Gewaltandrohung gegen ihren Willen dazu zwang, den Oralverkehr an ihm durchzuführen. Der Antragsteller wurde deshalb mit Urteil des Landgerichts Schwerin vom 17.12.2013 - 23 KLs 27/12 - wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung sowie wegen versuchter Nötigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und zwei Monaten verurteilt. Von einer erneuten Maßregelanordnung nach § 63 StGB sah das Landgericht ab, weil der Verurteilte nach tatrichterlicher Überzeugung zur Tatzeit voll schuldfähig war. Die Entscheidung ist seit dem 30.10.2014 rechtskräftig.

3

In Abweichung von der Regel des § 44b Abs. 1 StVollStrO wurde der Verurteilte auf Empfehlung der Maßregelklinik in Unterbrechung seiner Unterbringung nach § 63 StGB am 11.03.2015 zur Zwischenvollstreckung von 2/3 der Gesamtfreiheitsstrafe aus der Verurteilung vom 17.12.2013 zunächst in die JVA Waldeck und dann ab dem 17.03.2015 in die JVA Bützow verlegt. Dies entsprach zugleich seinem eigenen Wunsch, weil er in der weiteren Maßregelvollstreckung, deren Voraussetzungen er ohnehin stets angezweifelt hat, keinen Sinn mehr sah, zumal deren (weitere) Dauer wohl nicht auf die Freiheitsstrafe in anderer Sache angerechnet werde (vgl. § 44b Abs. 1 Satz 2 StVollstrO).

4

Mit Verfügung vom 02.02.2016 entschied die Staatsanwaltschaft Schwerin als Vollstreckungsbehörde denn auch, dass eine Anrechnung der Dauer des „verfahrensfremden“ Maßregelvollzugs (hier aus dem Verfahren 32 KLs 10/95 LG Schwerin) auf die Gesamtfreiheitsstrafe aus dem Urteil vom 17.12.2013 auch unter Berücksichtung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 27.03.2012 - 2 BvR 2258/09 - (BVerfGE 130, 372-403 = BGBl. I S. 1021) nicht in Betracht komme, weil die Voraussetzungen dafür nicht vorlägen.

5

Hiergegen richtet sich der Antrag des Verurteilten auf gerichtliche Entscheidung nach § 23 EGGVG im Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 03.03.2016, der am selben Tag per Fax vorab beim Oberlandesgericht eingegangen ist.

6

Die Generalstaatsanwaltschaft hat den ihr zur Stellungnahme zugeleiteten Antrag gemäß § 300 StPO als (Vorschalt-) Beschwerde nach § 21 Abs. 1 StVollStrO gegen die Entscheidung der Staatsanwaltschaft Schwerin vom 02.02.2016 ausgelegt und diese mit Bescheid vom 12.04.2016 - 2 Zs 188/16 - als unbegründet zurückgewiesen.

7

Gegen diese dem Verfahrensbevollmächtigten am 15.04.2016 zugestellte Beschwerdeentscheidung hat dieser unter dem 17.05.2016 für den Verurteilten erneut Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 23 EGGVG gestellt, der am selben Tag beim Oberlandesgericht eingegangen ist. Er vertritt darin mit näherer Begründung die Auffassung, in Befolgung der genannten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts läge beim Antragsteller ein Härtefall vor, der zur Folge haben müsse, dass die Zeit des „verfahrensfremden“ Maßregelvollzugs im Verfahren 32 KLs 10/95 LG Schwerin zwischen dem 02.05.2012 und dem 11.03.2015 in Abweichung von § 67 Abs. 4 StGB, der dies grundsätzlich nur für verfahrensidentische Freiheitsstrafen und Maßregelanordnungen vorsehe, auf die im Verfahren 23 KLs 27/12 verhängte Gesamtfreiheitsstrafe angerechnet werden müsse.

8

Der Verurteilte beantragt deshalb,

9

die Verfügung der Staatsanwaltschaft Schwerin vom 02.02.2016 in Gestalt des Zurückweisungsbescheides des Generalstaatsanwalts vom 12.04.2016 aufzuheben und die Staatsanwaltschaft Schwerin zu verpflichten, den Antragsteller unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu bescheiden.

10

Die Generalstaatsanwaltschaft hat mit Zuschrift vom 25.05.2016 beantragt,

11

den Antrag auf gerichtliche Entscheidung als unbegründet zu verwerfen.

12

Der Verurteilte hatte über seinen Verfahrensbevollmächtigten Gelegenheit zur Stellungnahme.

II.

13

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 23 EGGVG ist unzulässig, weil der Rechtsweg zum Oberlandesgericht vorliegend nicht eröffnet ist.

14

Dem Antragsteller geht es mit seinem Rechtsbehelf allein um die Klärung der Frage, ob und, wenn ja, in welchem Umfang in Abweichung von der Bestimmung in § 67 Abs. 4 StGB und unter Beachtung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 27.03.2012 die Zeit der Maßregelvollstreckung aus der Verurteilung vom 28.09.1995 - 32 KLs 10/95 LG Schwerin - auf die gegen ihn mit Urteil des Landgerichts Schwerin vom 17.12.2013 - 23 KLs 27/12 - verhängte Gesamtfreiheitsstrafe anzurechnen ist, was von der Staatsanwaltschaft Schwerin sowie vom Generalstaatsanwalt gänzlich abgelehnt worden ist. Es geht in der Sache mithin allein um die Berechnung der mit Urteil vom 17.12.2013 erkannten Strafe, deren Dauer davon abhängt, ob eine (teilweise) Anrechnung des verfahrensfremden Maßregelvollzugs zu erfolgen hat oder nicht.

15

Die Entscheidung darüber obliegt zunächst der Staatsanwaltschaft als Vollstreckungsbehörde (§§ 36 ff. StVollstrO). Werden gegen ihre Entschließung Einwendungen erhoben und hilft sie diesen nicht ab, stellt § 458 Abs. 1 StPO zur Klärung der streitigen Fragen ein eigenständiges Antragsverfahren vor den ordentlichen Gerichten zur Verfügung, das gemäß § 23 Abs. 3 EGGVG dem lediglich subsidiär zum Zuge kommenden Verfahren nach §§ 23 ff. EGVG vorgeht (so im Ergebnis auch KG Berlin, Beschluss vom 05. Juni 2015 - 2 Ws 116/15, 2 Ws 116/15 - 141 AR 233/15 -, Rdz. 6 in juris; OLG Hamm, Beschluss vom 24. März 2015 - III-3 Ws 114 - 116/15, III-3 Ws 114/15, III-3 Ws 115/15, III-3 Ws 116/15, 3 Ws 114 - 116/15, 3 Ws 114/15, 3 Ws 115/15, 3 Ws 116/15 -, Rdz. 18 ff. in juris; OLG Braunschweig, Beschluss vom 31. März 2014 - 1 Ws 47/14 -, Rdz. 12 in juris; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 18. Februar 2014 - III-2 Ws 69 - 71/14, III-2 Ws 69/14, III-2 Ws 70/14, III-2 Ws 71/14, 2 Ws 69 - 71/14, 2 Ws 69/14, 2 Ws 70/14, 2 Ws 71/14 -, juris; OLG Frankfurt NJW 1998, 1165; vgl. auch § 42 StVollStrO). Der Antragsteller hat die Möglichkeit, die Entschließung der Staatsanwaltschaft durch einen an die zuständige Strafvollstreckungskammer (vgl. zur grundsätzlichen Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer § 462a Abs. 1 Satz 3 StPO) gerichteten Antrag auf gerichtliche Entscheidung überprüfen zu lassen. Gegen die Entscheidung dieses Gerichts ist das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben (§ 462 Abs. 3 Satz 1 StPO).

III.

16

Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen (§ 29 Abs. 2 EGGVG), da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

17

Der vorliegende Einzelfall gibt keine Veranlassung, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen oder des formellen Rechts aufzustellen oder Gesetzeslücken rechtsschöpferisch auszufüllen.

IV.

18

Die Kostenentscheidung folgt aus § 1 Abs. 2 Nr. 19, § 22 Abs. 1, § 27 Nr. 1 GNotKG. Ein Ausnahmefall für eine abweichende Auslagenentscheidung nach § 30 EGGVG liegt nicht vor. Die Festlegung des Geschäftswerts beruht auf § 36 Abs. 3 GNotKG.

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Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und

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published on 22/02/2018 00:00

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 5 StR 647/17 vom 22. Februar 2018 in der Strafsache gegen wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung u.a. ECLI:DE:BGH:2018:220218B5STR647.17.0 Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Genera
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Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

Ein Irrtum in der Bezeichnung des zulässigen Rechtsmittels ist unschädlich.

(1) Wird die Unterbringung in einer Anstalt nach den §§ 63 und 64 neben einer Freiheitsstrafe angeordnet, so wird die Maßregel vor der Strafe vollzogen.

(2) Das Gericht bestimmt jedoch, daß die Strafe oder ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn der Zweck der Maßregel dadurch leichter erreicht wird. Bei Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt neben einer zeitigen Freiheitsstrafe von über drei Jahren soll das Gericht bestimmen, dass ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist. Dieser Teil der Strafe ist so zu bemessen, dass nach seiner Vollziehung und einer anschließenden Unterbringung eine Entscheidung nach Absatz 5 Satz 1 möglich ist. Das Gericht soll ferner bestimmen, dass die Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn die verurteilte Person vollziehbar zur Ausreise verpflichtet und zu erwarten ist, dass ihr Aufenthalt im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe beendet wird.

(3) Das Gericht kann eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 nachträglich treffen, ändern oder aufheben, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen. Eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 kann das Gericht auch nachträglich treffen. Hat es eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 getroffen, so hebt es diese auf, wenn eine Beendigung des Aufenthalts der verurteilten Person im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe nicht mehr zu erwarten ist.

(4) Wird die Maßregel ganz oder zum Teil vor der Strafe vollzogen, so wird die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet, bis zwei Drittel der Strafe erledigt sind.

(5) Wird die Maßregel vor der Strafe oder vor einem Rest der Strafe vollzogen, so kann das Gericht die Vollstreckung des Strafrestes unter den Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 zur Bewährung aussetzen, wenn die Hälfte der Strafe erledigt ist. Wird der Strafrest nicht ausgesetzt, so wird der Vollzug der Maßregel fortgesetzt; das Gericht kann jedoch den Vollzug der Strafe anordnen, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen.

(6) Das Gericht bestimmt, dass eine Anrechnung nach Absatz 4 auch auf eine verfahrensfremde Strafe erfolgt, wenn deren Vollzug für die verurteilte Person eine unbillige Härte wäre. Bei dieser Entscheidung sind insbesondere das Verhältnis der Dauer des bisherigen Freiheitsentzugs zur Dauer der verhängten Strafen, der erzielte Therapieerfolg und seine konkrete Gefährdung sowie das Verhalten der verurteilten Person im Vollstreckungsverfahren zu berücksichtigen. Die Anrechnung ist in der Regel ausgeschlossen, wenn die der verfahrensfremden Strafe zugrunde liegende Tat nach der Anordnung der Maßregel begangen worden ist. Absatz 5 Satz 2 gilt entsprechend.

(1) Wenn über die Auslegung eines Strafurteils oder über die Berechnung der erkannten Strafe Zweifel entstehen oder wenn Einwendungen gegen die Zulässigkeit der Strafvollstreckung erhoben werden, so ist die Entscheidung des Gerichts herbeizuführen.

(2) Das Gericht entscheidet ferner, wenn in den Fällen des § 454b Absatz 1 bis 3 sowie der §§ 455, 456 und 456c Abs. 2 Einwendungen gegen die Entscheidung der Vollstreckungsbehörde erhoben werden oder wenn die Vollstreckungsbehörde anordnet, daß an einem Ausgelieferten, Abgeschobenen, Zurückgeschobenen oder Zurückgewiesenen die Vollstreckung einer Strafe oder einer Maßregel der Besserung und Sicherung nachgeholt werden soll, und Einwendungen gegen diese Anordnung erhoben werden.

(3) Der Fortgang der Vollstreckung wird hierdurch nicht gehemmt; das Gericht kann jedoch einen Aufschub oder eine Unterbrechung der Vollstreckung anordnen. In den Fällen des § 456c Abs. 2 kann das Gericht eine einstweilige Anordnung treffen.

(1) Wird gegen den Verurteilten eine Freiheitsstrafe vollstreckt, so ist für die nach den §§ 453, 454, 454a und 462 zu treffenden Entscheidungen die Strafvollstreckungskammer zuständig, in deren Bezirk die Strafanstalt liegt, in die der Verurteilte zu dem Zeitpunkt, in dem das Gericht mit der Sache befaßt wird, aufgenommen ist. Diese Strafvollstreckungskammer bleibt auch zuständig für Entscheidungen, die zu treffen sind, nachdem die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe unterbrochen oder die Vollstreckung des Restes der Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Strafvollstreckungskammer kann einzelne Entscheidungen nach § 462 in Verbindung mit § 458 Abs. 1 an das Gericht des ersten Rechtszuges abgeben; die Abgabe ist bindend.

(2) In anderen als den in Absatz 1 bezeichneten Fällen ist das Gericht des ersten Rechtszuges zuständig. Das Gericht kann die nach § 453 zu treffenden Entscheidungen ganz oder zum Teil an das Amtsgericht abgeben, in dessen Bezirk der Verurteilte seinen Wohnsitz oder in Ermangelung eines Wohnsitzes seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort hat; die Abgabe ist bindend. Abweichend von Absatz 1 ist in den dort bezeichneten Fällen das Gericht des ersten Rechtszuges zuständig, wenn es die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten hat und eine Entscheidung darüber gemäß § 66a Absatz 3 Satz 1 des Strafgesetzbuches noch möglich ist.

(3) In den Fällen des § 460 entscheidet das Gericht des ersten Rechtszuges. Waren die verschiedenen Urteile von verschiedenen Gerichten erlassen, so steht die Entscheidung dem Gericht zu, das auf die schwerste Strafart oder bei Strafen gleicher Art auf die höchste Strafe erkannt hat, und falls hiernach mehrere Gerichte zuständig sein würden, dem Gericht, dessen Urteil zuletzt ergangen ist. War das hiernach maßgebende Urteil von einem Gericht eines höheren Rechtszuges erlassen, so setzt das Gericht des ersten Rechtszuges die Gesamtstrafe fest; war eines der Urteile von einem Oberlandesgericht im ersten Rechtszuge erlassen, so setzt das Oberlandesgericht die Gesamtstrafe fest. Wäre ein Amtsgericht zur Bildung der Gesamtstrafe zuständig und reicht seine Strafgewalt nicht aus, so entscheidet die Strafkammer des ihm übergeordneten Landgerichts.

(4) Haben verschiedene Gerichte den Verurteilten in anderen als den in § 460 bezeichneten Fällen rechtskräftig zu Strafe verurteilt oder unter Strafvorbehalt verwarnt, so ist nur eines von ihnen für die nach den §§ 453, 454, 454a und 462 zu treffenden Entscheidungen zuständig. Absatz 3 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. In den Fällen des Absatzes 1 entscheidet die Strafvollstreckungskammer; Absatz 1 Satz 3 bleibt unberührt.

(5) An Stelle der Strafvollstreckungskammer entscheidet das Gericht des ersten Rechtszuges, wenn das Urteil von einem Oberlandesgericht im ersten Rechtszuge erlassen ist. Das Oberlandesgericht kann die nach den Absätzen 1 und 3 zu treffenden Entscheidungen ganz oder zum Teil an die Strafvollstreckungskammer abgeben. Die Abgabe ist bindend; sie kann jedoch vom Oberlandesgericht widerrufen werden.

(6) Gericht des ersten Rechtszuges ist in den Fällen des § 354 Abs. 2 und des § 355 das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen worden ist, und in den Fällen, in denen im Wiederaufnahmeverfahren eine Entscheidung nach § 373 ergangen ist, das Gericht, das diese Entscheidung getroffen hat.

(1) Die nach § 450a Abs. 3 Satz 1 und den §§ 458 bis 461 notwendig werdenden gerichtlichen Entscheidungen trifft das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. Dies gilt auch für die Wiederverleihung verlorener Fähigkeiten und Rechte (§ 45b des Strafgesetzbuches), die Aufhebung des Vorbehalts der Einziehung und die nachträgliche Anordnung der Einziehung eines Gegenstandes (§ 74f Absatz 1 Satz 4 des Strafgesetzbuches), die nachträgliche Anordnung der Einziehung des Wertersatzes (§ 76 des Strafgesetzbuches) sowie für die Verlängerung der Verjährungsfrist (§ 79b des Strafgesetzbuches).

(2) Vor der Entscheidung sind die Staatsanwaltschaft und der Verurteilte zu hören. Das Gericht kann von der Anhörung des Verurteilten in den Fällen einer Entscheidung nach § 79b des Strafgesetzbuches absehen, wenn infolge bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, daß die Anhörung nicht ausführbar ist.

(3) Der Beschluß ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar. Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluß, der die Unterbrechung der Vollstreckung anordnet, hat aufschiebende Wirkung.

(1) Soweit bundesrechtlich nichts anderes bestimmt ist, werden Kosten (Gebühren und Auslagen) durch die Gerichte in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit und durch die Notare für ihre Amtstätigkeit nur nach diesem Gesetz erhoben.

(2) Angelegenheiten im Sinne des Absatzes 1 sind auch

1.
Verfahren nach den §§ 98, 99, 132, 142, 145, 258, 260, 293c und 315 des Aktiengesetzes,
2.
Verfahren nach § 51b des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung,
3.
Verfahren nach § 26 des SE-Ausführungsgesetzes,
4.
Verfahren nach § 10 des Umwandlungsgesetzes,
5.
Verfahren nach dem Spruchverfahrensgesetz,
6.
Verfahren nach den §§ 39a und 39b des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes über den Ausschluss von Aktionären,
7.
Verfahren nach § 8 Absatz 3 Satz 4 des Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und Vorständen der Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie,
8.
Angelegenheiten des Registers für Pfandrechte an Luftfahrzeugen,
9.
Verfahren nach der Verfahrensordnung für Höfesachen,
10.
Pachtkreditsachen nach dem Pachtkreditgesetz,
11.
Verfahren nach dem Verschollenheitsgesetz,
12.
Verfahren nach dem Transsexuellengesetz,
13.
Verfahren nach § 84 Absatz 2 und § 189 des Versicherungsvertragsgesetzes,
14.
Verfahren nach dem Personenstandsgesetz,
15.
Verfahren nach § 7 Absatz 3 des Erbbaurechtsgesetzes,
16.
Verteilungsverfahren, soweit sich die Kosten nicht nach dem Gerichtskostengesetz bestimmen,
17.
Verfahren über die Bewilligung der öffentlichen Zustellung einer Willenserklärung und die Bewilligung der Kraftloserklärung von Vollmachten (§ 132 Absatz 2 und § 176 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs),
18.
Verfahren über Anordnungen über die Zulässigkeit der Verwendung von Verkehrsdaten,
19.
Verfahren nach den §§ 23 bis 29 des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz,
20.
Verfahren nach § 138 Absatz 2 des Urheberrechtsgesetzes und
21.
gerichtliche Verfahren nach § 335a des Handelsgesetzbuchs.

(3) Dieses Gesetz gilt nicht in Verfahren, in denen Kosten nach dem Gesetz über Gerichtskosten in Familiensachen zu erheben sind. In Verfahren nach der Verordnung (EU) Nr. 655/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 zur Einführung eines Verfahrens für einen Europäischen Beschluss zur vorläufigen Kontenpfändung im Hinblick auf die Erleichterung der grenzüberschreitenden Eintreibung von Forderungen in Zivil- und Handelssachen werden Kosten nach dem Gerichtskostengesetz erhoben.

(4) Kosten nach diesem Gesetz werden auch erhoben für Verfahren über eine Beschwerde, die mit einem der in den Absätzen 1 und 2 genannten Verfahren im Zusammenhang steht.

(5) Soweit nichts anderes bestimmt ist, bleiben die landesrechtlichen Kostenvorschriften unberührt für

1.
in Landesgesetzen geregelte Verfahren und Geschäfte der freiwilligen Gerichtsbarkeit sowie
2.
solche Geschäfte der freiwilligen Gerichtsbarkeit, in denen nach Landesgesetz andere als gerichtliche Behörden oder Notare zuständig sind.

(6) Die Vorschriften dieses Gesetzes über die Erinnerung und die Beschwerde gehen den Regelungen der für das zugrunde liegende Verfahren geltenden Verfahrensvorschriften vor.

(1) In gerichtlichen Verfahren, die nur durch Antrag eingeleitet werden, schuldet die Kosten, wer das Verfahren des Rechtszugs beantragt hat, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(2) Die Gebühr für den Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs schuldet jeder, der an dem Abschluss beteiligt ist.

Die Kosten schuldet ferner,

1.
wem durch gerichtliche Entscheidung die Kosten des Verfahrens auferlegt sind;
2.
wer sie durch eine vor Gericht abgegebene oder dem Gericht mitgeteilte Erklärung oder in einem vor Gericht abgeschlossenen oder dem Gericht mitgeteilten Vergleich übernommen hat; dies gilt auch, wenn bei einem Vergleich ohne Bestimmung über die Kosten diese als von beiden Teilen je zur Hälfte übernommen anzusehen sind;
3.
wer für die Kostenschuld eines anderen kraft Gesetzes haftet und
4.
der Verpflichtete für die Kosten der Vollstreckung.

(1) Soweit sich in einer vermögensrechtlichen Angelegenheit der Geschäftswert aus den Vorschriften dieses Gesetzes nicht ergibt und er auch sonst nicht feststeht, ist er nach billigem Ermessen zu bestimmen.

(2) Soweit sich in einer nichtvermögensrechtlichen Angelegenheit der Geschäftswert aus den Vorschriften dieses Gesetzes nicht ergibt, ist er unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache und der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Beteiligten, nach billigem Ermessen zu bestimmen, jedoch nicht über 1 Million Euro.

(3) Bestehen in den Fällen der Absätze 1 und 2 keine genügenden Anhaltspunkte für eine Bestimmung des Werts, ist von einem Geschäftswert von 5 000 Euro auszugehen.

(4) Wenn sich die Gerichtsgebühren nach den für Notare geltenden Vorschriften bestimmen, sind die für Notare geltenden Wertvorschriften entsprechend anzuwenden. Wenn sich die Notargebühren nach den für Gerichte geltenden Vorschriften bestimmen, sind die für Gerichte geltenden Wertvorschriften entsprechend anzuwenden.