Oberlandesgericht München Urteil, 08. Dez. 2016 - 6 U 4725/15
nachgehend
Tenor
I.
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts München II vom 03.12.2015, Az. 2 HK O 3089/15, abgeändert wie folgt:
„1. Der Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu € 250.000,-, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs in Zeitungen eine Immobilienanzeige für eine Wohnimmobilie, für die zum Zeitpunkt der Anzeigenaufgabe ein Energieausweis vorliegt, vor deren Verkauf zu veröffentlichen, ohne sicherzustellen, dass in der Anzeige Angaben zu der Art des Energieausweises (Energiebedarfsausweis oder Energieverbrauchsausweis im Sinne des § 17 Abs. I S. 1 EnEV), zu dem im Energieausweis angegebenen wesentlichen Energieträger für die Heizung dieser Immobilie, für die im Energieausweis genannte Energieeffizienzklasse und zu dem im Energieausweis genannten Baujahr dieser Immobilie gemacht werden, wenn dies geschieht wie in einer Werbeanzeige des Beklagten im F.er Tagblatt vom 10./11.01.2015 für die Immobilie „Einfamilienhaus, Wohnfläche 170 qm in W.“, die wie folgt wiedergegeben ist:
...
2. Der Beklagte wird darüber hinaus verurteilt, an den Kläger € 245,- nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz p.a. hieraus seit 17.07.2015 zu bezahlen.
II.
Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der in der Berufungsinstanz angefallenen Kosten zu tragen.
III.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung hinsichtlich Ziffer I. dieses Senatsurteils durch Sicherheitsleistung in Höhe von € 30.000,- abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Hinsichtlich Ziffer II. dieses Senatsurteils und hinsichtlich der Kosten kann der Beklagte die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe, von 1.10% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.
IV.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
1. es bei Meidung der gesetzlich vorgesehenen Ordnungsmittel zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs in Zeitungen eine Immobilienanzeige für eine Wohnimmobilie, für die zum Zeitpunkt der Anzeigenaufgabe ein Energieausweis vorliegt, vor deren Verkauf zu veröffentlichen, ohne sicherzustellen, dass in der Anzeige Angaben zu der Art des Energieausweises (Energiebedarfsausweis oder Energieverbrauchsausweis im Sinne des § 17 Abs. 1 S. 1 EnEV), zu dem im Energieausweis angegebenen wesentlichen Energieträger für die Heizung dieser Immobilie, für die im Energieausweis genannte Energieeffizienzklasse und zu dem im Energieausweis genannten Baujahr dieser Immobilie gemacht werden, wenn dies geschieht wie in einer Werbeanzeige des Beklagten im F.er Tagblatt vom 10./11.01.2015 für die Immobilie „Einfamilienhaus, Wohnfläche 170 qm in W.“, die wie folgt wiedergegeben ist:
2. an den Kläger € 245,- nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz p.a. hieraus seit Rechtshängigkeit zu bezahlen,
hat das Landgericht mit Urteil vom 03.12.2015 abgewiesen. Zur Begründung ist im Ersturteil, auf dessen tatsächliche Feststellungen Bezug genommen wird, ausgeführt:
Dem Kläger stehe der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nach § 8 Abs. 1 i. V. m. § 8 Abs. 3 Nr. 3, § 3 Abs. 1, § 4 Nr. 11 UWG (a. F.) i. V. m. § 16a Abs. 1 EnEV nicht zu. Zwar sei eine geschäftliche Handlung ohne weiteres darin zu sehen, dass der Beklagte in seiner Eigenschaft als Makler die streitgegenständliche Verkaufsanzeige im „F.er Tagblatt“ habe schalten lassen. Im Vorgehen des Beklagten sei allerdings keine unlautere Handlung zu sehen. Hierbei könne dahinstehen, ob § 16a EnEV eine Marktverhaltensregelung im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG (a. F.) sei. Es fehle nämlich an einer Zuwiderhandlung gegen die Vorschrift des § 16a Abs. 1 EnEV, da der Beklagte als Makler und Vermittler eines Immobiliengeschäfts nicht unter den Begriff des „Verkäufers“ zu subsumieren sei.
Zwar verfolge § 16a EnEV, den Energieverbrauch von Gebäuden stärker in das öffentliche Bewusstsein zu rücken und einen geringen Energieverbrauch als Verkaufsargument erscheinen zu lassen. Die Energiewirtschaft solle zur Herstellung energieeffizienter Gebäude angehalten werden. Dieser Zielsetzung widerspreche es, nur private Immobilienanzeigen den Pflichtangaben der EnEV zu unterwerfen und die große Anzahl von von Immobilienmaklern geschalteten Anzeigen hiervon auszunehmen. Entgegen der Auffassung des Klägers laufe die Norm des § 16a Abs. 1 EnEV indessen schon deshalb nicht ins Leere, weil sie bußgeldbewehrt sei (§ 27 Abs. 2 Nr. 6 EnEV). Makler würden sich einem vertraglichen Regressanspruch ihrer Kunden aussetzen, wenn sie die Pflichtangaben nicht in ihre Immobilienanzeigen aufnähmen, zumal sie Erfüllungsgehilfen des privaten Auftraggebers seien, der die Angaben nach § 16a Abs. 1 EnEV zu machen habe.
Den Rechtsstandpunkt des Klägers vermöge auch eine richtlinienkonforme Auslegung des Art. 16 EnEV nicht zu stützen. Art. 12 Abs. 4 der Richtlinie 2010/31/EU (Europäische Gebäuderichtlinie) verhalte sich nämlich nicht zum Adressaten der darin aufgeführten Informationspflichten.
Eine analoge Anwendung des § 16a Abs. 1 EnEV komme im Streitfall nicht in Betracht. Da die Vorschrift bußgeldbewehrt sei, gelte das Verbot sanktionsbegründender bzw. sanktionsverschärfender Analogie, weshalb an die Grenzen der richtlinienkonformen Auslegung ein strenger Maßstab anzulegen sei. Zudem fehle es an einer planwidrigen Regelungslücke. Der Umstand, dass in § 16 Abs. 2 EnEV der Kreis der Adressaten der Informationspflichten über den Verkäufer hinaus auf „Vermieter, Verpächter und Leasinggeber“ erweitert worden sei, zeige auf, dass der Verordnungsgeber die Möglichkeit der Einbeziehung von Maklern in den Pflichtenkreis des § 16 EnBV zwar erwogen, sich allerdings hiergegen entschieden habe. Derartiges lasse sich auch den Gesetzesmaterialien entnehmen.
Einer Inanspruchnahme des Beklagten unter dem Gesichtspunkt wettbewerbswidrigen Verhaltens stehe zudem entgegen, dass die in Art. 27 Abs. 2 Nr. 6 EnEV ausgesprochene Bußgeldbewehrung im Falle eines Verstoßes gegen die Informationspflichten des § 16 EnEV gemäß Art. 3 der Änderungsverordnung erst ein Jahr nach Inkrafttreten (01.05.2015) zur Anwendung komme, die streitgegenständliche Immobilienanzeige aber bereits aus dem Januar 2015 datiere. Wenn der Verordnungsgeber selbst während des Übergangszeitraums von einer Sanktionierung absehe, sei es nicht angezeigt, diese gesetzgeberische Wertung über das Wettbewerbsrecht zu korrigieren.
Auch von einer Irreführung im Sinne des § 5a Abs. 2 i. V. m. § 5a Abs. 4 UWG sei im Streitfall nicht auszugehen. Die Entscheidungsfähigkeit von Verbrauchern werde nicht dadurch beeinflusst, dass in einer Immobilienanzeige die erforderlichen Angaben zur Energieeffizienz eines Gebäudes nicht gemacht werden. Eine Immobilienanzeige diene lediglich einer kursorischen Erstinformation, aufgrund derer allein ein Immobilienkäufer noch keinen Kaufentschluss fasse.
Schließlich lägen auch die Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 UWG nicht vor, da der Beklagte nicht als Mitarbeiter in einem Unternehmen des Verkäufers oder als Beauftragter angesehen werden könne.
Mangels Vorliegens eines Unterlassungsanspruchs bestehe auch der geltend gemachte Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten nicht.
Das Landgericht habe den Inhalt des Art. 12 Abs. 4 der Europäischen Gebäuderichtlinie sowie des die Richtlinie umsetzenden § 16a EnEV fehlerhaft auf den Streitfall angewandt. Die Grundlagenrichtlinie 2010/31/EU diene auch dem Schutz des Verbrauchers, der sich für den Kauf einer Immobilie interessiere und der bereits in kommerziellen Verkaufs- oder Vermietungsanzeigen umfassende Informationen über die Gesamtenergieeffizienz des angebotenen Gebäudes erhalten solle, damit er Folgekosten abwägen und eine fundierte Entscheidung zum Kauf oder zur Miete treffen könne (vgl. Erwägungsgrund 22 der Richtlinie). Dies zeige sich auch in der Begründung des Verordnungsgebers zu § 16a EnEV (BT-Drs 113/13, S. 99). Die in § 16a Abs. 1 Nr. 1 bis 5 EnEV aufgeführten Pflichtangaben stellten damit gleichzeitig wesentliche Informationen für den Verbraucher im Sinne von § 5a Abs. 2, Abs. 4 UWG dar, so dass - was das Erstgericht offen gelassen habe - die Norm des § 16a EnEV auch als eine Marktverhaltensregel im Sinne des § 3a UWG/§ 4 Nr. 11 UWG a. F. anzusehen sei.
Entgegen der Rechtsauffassung des Landgerichts falle der Beklagte als Immobilienmakler unter den Kreis der den Informationspflichten des § 16a EnEV unterliegenden Personen, Nach den zwingenden gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben in Art. 12 Abs. 4 der Europäischen Gebäuderichtlinie habe es den nationalen Gesetzgebern in Umsetzung der Richtlinie oblegen, sicherzustellen, dass in allen Verkaufs- oder Vermietungsanzeigen für Immobilien in kommerziellen Medien Pflichtangaben zur Gesamtenergieeffizienz des angebotenen Gebäudes bzw. Gebäudeteils zu machen seien. Die Verpflichtung zur Nennung der Angaben treffe mithin in der Umsetzungsvorschrift des § 16a EnEV den für die jeweilige Verkaufs- oder Vermietungsanzeige Verantwortlichen. Dies habe der deutsche Verordnungsgeber in § 16a EnEV mit dem Begriff des „Verkäufers“ zum Ausdruck gebracht. In entsprechender Weise sei § 16a EnEV richtlinienkonform auszulegen. Die sich nur am Wortlaut orientierende Auslegung durch das Erstgericht sei daher rechtsfehlerhaft und trage der Verpflichtung des nationalen Gesetzgebers und der nationalen Gerichte, das innerstaatliche Recht so weit wie möglich anhand des Wortlauts und des Zwecks der durch das nationale Recht umzusetzenden Richtlinie unter Ausschöpfung des den nationalen Gerichten eingeräumten Beurteilungsspielraums auszulegen sowie das in ihr festgelegte Ergebnis zu erreichen und Art. 288 AEUV zu entsprechen, nicht in hinreichendem Maße Rechnung. Es sei bereits fraglich, ob der Begriff des „Verkäufers“ im rechtsgeschäftlichen Sinne eng auszulegen sei oder auch solche Personen umfasse, die wie der Makler im Namen des Verkäufers auftreten und von ihm mit der Schaltung, der Veröffentlichung bzw. der Gestaltung einer Immobilienanzeige beauftragt werden. Für die Interpretation, wonach „Verkäufer“ im Sinne von § 16a Abs. 1 EnEV derjenige sei, der den Verkauf der Immobilie betreibe und der dem Immobilieninteressenten bzw. dem Leser einer Immobilienanzeige gegenüber als Handelnder auftrete, der den Verkaufs- oder Vermietungsvorgang abwickle, wohingegen der Eigentümer der Immobilie in der Anzeige nicht genannt werde, spreche zudem, dass § 16a Abs. 1 EnEV gerade nicht den Eigentümer als Verpflichteten ansehe, sondern den Verkäufer, und die in dieser Norm verwendeten Begrifflichkeiten auf den Akt der Vermarktung einer angebotenen Immobilie abstellten. Nur diese Auslegung trage dem vom nationalen Verordnungsgeber umzusetzenden Normbefehl der Grundlagenvorschrift des Art. 12 Abs. 4 der Europäischen Gebäuderichtlinie Rechnung. Selbst wenn man dieser Rechtsauffassung nicht folgen würde, ergäbe sich die Verpflichtung des Immobilienmaklers nach § 16a Abs. 1 EnEV aus der gebotenen richtlinienkonformen Auslegung im weiteren Sinne in Form der im Streitfall notwendigen richterlichen Rechtsfortbildung. Denke man die unzutreffende Rechtsauffassung des Landgerichts zu Ende, würden nämlich die Vorgaben des Art. 12 Abs. 4 der Richtlinie 2010/31/EU ins Leere laufen, nachdem etwa in der Bundesrepublik Deutschland der weitaus größte Teil aller in kommerziellen Medien aufgegebenen bzw. veröffentlichten Verkaufs- oder Vermietungsanzeigen für Immobilien durch gewerbliche Maklerunternehmen geschaltet bzw. veröffentlicht würden. Für den jeweiligen Immobilieneigentümer wäre es durch Ein- bzw. Zwischenschaltung eines Immobilienmaklers ein Leichtes, die Energieeffizienzkennzeichnungspflichten des § 16a EnEV zu umgehen, ohne Gefahr zu laufen, mit einem Bußgeldverfahren überzogen zu werden, nachdem der Eigentümer in einer von einem Makler aufgegebenen Immobilienanzeige nicht genannt werde. Dass die Verpflichtungen des § 16a EnEV alle Marktbeteiligten, also auch die Immobilienmakler, treffen sollten, und dass der deutsche Verordnungsgeber davon ausgegangen sei, nicht nur Anzeigen von Privatpersonen, sondern auch Immobilienanzeigen der Wohnungswirtschaft, mithin also alle Immobilienanzeigen, unterlägen dem Geltungsbereich des § 16a EnEV, gehe überdies aus den Gesetzesmaterialien hervor (vgl. BT-Drs. 113/13 zur 2. Verordnung zur Änderung der Energieeinsparverordnung, Anl. K 30). Die gegenteilige Auffassung des Landgerichts stehe im Widerspruch zur vom Verordnungsgeber konkret geäußerten, von der Annahme der Richtlinienkonformität getragenen Umsetzungsabsicht, zu gewährleisten, dass gemäß den Vorgaben des Art. 12 Abs. 4 der Richtlinie 2010/31/EU in allen Immobilienanzeigen in kommerziellen Medien sicherzustellen sei, dass darin die Pflichtangaben zur Gesamtenergieeffizienz erfolgen. Insoweit bestünde tatsächlich eine planwidrige Unvollständigkeit bzw. Regelungslücke, da der Verordnungsgeber im Falle zutreffender Interpretation des Erstgerichts vom Regelungsgehalt des § 16a EnEV seiner in der Begründung zur Novellierung der EnEV geäußerten Zielsetzung, die Richtlinie 2010/31/EU alternativlos umzusetzen, nicht nachgekommen sei. Nicht zuletzt sei darauf hinzuweisen, dass andere Mitgliedstaaten der Europäischen Union (Spanien, Frankreich, Luxemburg, Irland, Großbritannien, Österreich) die Vorgaben des Art. 12 der Richtlinie 2010/31/EU dahingehend umgesetzt hätten, dass sie ausnahmslos für alle Immobilienanzeigen gälten.
Entgegen der Auffassung des Landgerichts stehe der gebotenen richtlinienkonformen Auslegung im vorstehend dargestellten Sinne auch die Bußgeldvorschrift des § 27 Abs. 2 Nr. 6 EnEV nicht entgegen. Das Erstgericht verkenne den grundsätzlichen Unterschied zwischen dem Wettbewerbsrecht einerseits und dem Ordnungswidrigkeitenrecht andererseits. Es stehe dem nationalen Gesetzgeber frei, eine wettbewerbsrechtliche Verpflichtung bußgeldbewehrt zu sanktionieren. Demgegenüber sei er an das Gebot der Umsetzung zwingender Vorgaben einer EU-Grundlagenrichtlinie gebunden und könne hiervon nicht abweichen.
Selbst wenn man den Makler nicht als direkten Normadressaten des § 16a Abs. 1 EnEV ansähe, hätte das Landgericht eine Verurteilung aussprechen müssen, da der Beklagte jedenfalls nach den §§ 5a Abs. 2, Abs. 4 UWG, § 16a Abs. 1 EnEV für die Vorenthaltung wesentlicher Informationen für den Verbraucher in Verbindung mit den vom Bundesgerichtshof entwickelten Grundsätzen der wettbewerbsrechtlichen Täterschaft und Teilnahme bzw. unter dem Gesichtspunkt der Verletzung einer wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflicht einzustehen habe. Beauftrage wie im Streitfall der Grundstückseigentümer einen gewerblich tätigen Makler mit der Schaltung einer Immobilienanzeige, so trete letzterer im geschäftlichen Verkehr auf und habe die Informationspflichten gleichermaßen wie ein Verkäufer bzw. an dessen Stelle zu erfüllen. Ein Immobilienmakler habe bei Schaltung einer Immobilienanzeige zu gewährleisten, dass Dritte durch das Wettbewerbsrecht geschützte Interessen von Marktteilnehmern, hier also die Verbraucherschutzvorschriften des § 16a EnEV, nicht verletzen. Komme er dieser rechtlichen Verpflichtung nicht nach, könne er auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Die Einhaltung der Vorgaben des § 16a EnEV bzw. der wettbewerbsrechtlichen Verkehrssicherungspflicht seien dem Immobilienmakler auch zumutbar, zumal er über die notwendigen Energieeffizienzdaten des Energieausweises eines Gebäudes regelmäßig mit Beauftragung durch den Eigentümer verfüge bzw. bei Besichtigung einer Immobilie verpflichtet sei, den Energieausweis vorzulegen. Auf das als Anl. K 22 vorgelegte Protokoll der Berufungsverhandlung vor dem OLG Bamberg vom 10.02.2016 in einem parallel geführten Rechtsstreit des Klägers sei zu verweisen. Der Streitfall sei gleichermaßen zu beurteilen. Der Beklagte wäre gehalten gewesen, im Rahmen der ihm obliegenden wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflicht die vollständige Nennung der Pflichtangaben des § 16a Abs. 1 EnEV in der von ihm geschalteten streitgegenständlichen Anzeige gemäß Anl. K 3 sicherzustellen. Da er dies pflichtwidrig unterlassen habe, hafte er als (Mit-)Täter bzw. als Gehilfe der dadurch begründeten unlauteren Wettbewerbsverletzung.
Der angegriffene streitgegenständliche Wettbewerbsverstoß sei auch spürbar. Dies gelte für Zuwiderhandlungen gegen § 16a EnEV grundsätzlich und ausnahmslos. Durch das Unterlassen der Nennung der Pflichtangaben des § 16a EnEV könne der Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst werden, die er anderenfalls nicht getroffen hätte. Der Verbraucher solle schon bei der Bewerbung einer angebotenen Immobilie in einer Werbeanzeige Informationen über deren Energieverbrauch erhalten und sich bereits beim Betrachten der Anzeige entscheiden können, ob er sich mit dieser näher befasse. Zudem liege ein Fall des § 5a Abs. 4 UWG vor, so dass dem Beklagten von vorneherein der Einwand versagt sei, es handle sich beim Streitfall allenfalls um einen Bagatellverstoß.
Der Beklagte könne sich auch nicht darauf berufen, die bloße Angabe des Jahresenergieverbrauchs entspreche den Vorgaben des Art. 12 Abs. 4 der Richtlinie 2010/31/EU. Insbesondere treffe es nicht zu, dass der nationale Verordnungsgeber über die Vorgaben der Richtlinie hinausgegangen sei. Vielmehr habe er sie in nicht zu beanstandender Weise umgesetzt. Dies folge schon daraus, dass die Angabe des Jahresenergieverbrauchs für sich genommen als Vergleichsgrundlage für den Verbraucher ungeeignet sei, um eine geschäftliche Entscheidung treffen zu können. Abgesehen davon würde selbst eine weitergehende Umsetzung der Vorgaben des Art. 12 Abs. 4 der Richtlinie durch den nationalen Gesetzgeber nichts daran ändern, dass die Vorschrift des § 16a EnEV ihre Grundlage im Gemeinschaftsrecht habe und der nationale Gesetzgeber lediglich verpflichtet sei, mindestens die Kernvorgaben des Gemeinschaftsrechts umzusetzen.
Aus den vorstehenden Gründen gehe auch die Behauptung des Beklagten, § 16a EnEV verstoße gegen die UGP-Richtlinie, weil die Norm „schärfere“ Regelungen beinhalte als durch das Gemeinschaftsrecht vorgegeben, an der Sache vorbei. Insbesondere verfolge die UGP-Richtlinie nicht den Zweck, den Rechtsbruchtatbestand des § 3a UWG/§ 4 Nr. 11 UWG a. F. einzuschränken, die UGP-Richtlinie ergänze ihn vielmehr.
unter Abänderung des angegriffenen erstinstanzlichen Urteils den Beklagten wie in erster Instanz beantragt zur Unterlassung und zur Erstattung vorgerichtlicher Abmahnkosten in Höhe von € 245,- nebst Zinsen zu verurteilen.
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Der Auffassung des Klägers, die Richtlinie 2010/31/EU bzw. deren Art. 12 Abs. 4 diene auch dem Schutz des Verbrauchers, sei nicht zu folgen. Der vom Kläger zitierte Erwägungsgrund 22 der Richtlinie biete für eine derartige Auslegung keinen Anhaltspunkt. Dem Erwägungsgrund 22 könne generell kein den Verbraucherschutz bezweckender Regelungsgehalt entnommen werden. Insbesondere treffe dies auf Art. 12 Abs. 4 der Richtlinie zu, der die Pflicht zur Angabe des Indikators der Gesamtenergieeffizienz bereits in den Immobilienanzeigen regele, wohingegen Erwägungsgrund 22 sich nur auf die Absätze 1 bis 3 des Art. 12 der Richtlinie beziehe. Überdies finde der Begriff des Verbrauchers weder in Art. 12 Abs. 4 der Richtlinie, noch in § 16a EnEV Verwendung. Die klägerseits apostrophierte Verbraucherinformation und der Aspekt des Verbraucherschutzes ließen sich auch nicht aus den Gesetzesmaterialien ableiten. Tatsächlich beschränke sich der gesetzgeberische Zweck der verfahrensgegenständlichen Regelung auf allgemeine Informationen über den Energiebedarf und -verbrauch ohne Bezugnahme auf Verbraucherrechte. Dementsprechend treffe es auch nicht zu, dass es sich bei der Vorschrift des § 16a Abs. 1 EnEV um eine Marktverhaltensregel handle.
Auf vermeintliche mündliche Ausführungen des OLG Bamberg in einem dort geführten Berufungsverfahren könne sich der Kläger nicht berufen. Dessen Darstellung im hiesigen Rechtsstreit wie auch gegenüber den Medien sei unzutreffend. Der vom Kläger in Bezug genommenen Entscheidung des LG Würzburg in erster Instanz könne nicht gefolgt werden. Die darin getroffene Beurteilung, wonach § 16a EnEV verbraucherschützenden Charakter aufweise, könne keinen Bestand haben.
Die Rechtsauffassung des Landgerichts, wonach der Beklagte als Immobilienmakler nicht Normadressat des § 16a EnEV sei, sei entgegen der Auffassung des Klägers nicht zu beanstanden. Art. 12 Abs. 4 der Richtlinie 2010/31/EU enthalte diesbezüglich keine Regelung. Die Behauptung des Klägers, der Richtlinie sei zu entnehmen, dass „Verkäufer“ im Sinne von § 16a Abs. 1 EnEV der für die Aufgabe und Schaltung von Immobilienanzeigen „Verantwortliche“ sei, treffe nicht zu.
Vielmehr sei der Wortlaut des § 16a EnEV, der als den Adressaten der darin aufgeführten Kennzeichnungspflichten ausdrücklich nur den „Verkäufer“ bestimme, eindeutig und lasse eine Auslegung wie vom Kläger vorgenommen nicht zu. Die Vorschrift des § 16a EnEV, mit der die Vorgaben des Art. 12 Abs. 4 der Richtlinie 2010/31/EU vollständig umgesetzt worden seien, bestimme, dass für Verstöße gegen die Kennzeichnungspflicht allein der Verkäufer verantwortlich sei, nicht hingegen der Makler, der lediglich als Vermittler des angebotenen Immobiliengeschäfts auftrete. Eine Haftung des Maklers komme allenfalls bei entsprechender vertraglicher Vereinbarung mit dem Auftraggeber im Innenverhältnis in Betracht.
Die Behauptung des Klägers, das Landgericht habe die Vorrangwirkung des Art. 288 AEUV bzw. den Grundsatz der Gemeinschaftstreue nicht beachtet, entbehre ebenfalls einer hinreichenden Grundlage. Wie bereits ausgeführt verhalte sich Art. 12 Abs. 4 der Richtlinie 2010/31/EU zum Kreis der der Kennzeichnungspflicht unterliegenden Personen nicht. Durch die Beschränkung auf den „Verkäufer“ habe der nationale Verordnungsgeber daher lediglich von seinem ihm zustehenden Beurteilungsspielraum Gebrauch gemacht.
Zwar könne die gebotene richtlinienkonforme Auslegung einer nationalen Vorschrift je nach Sachlage des Einzelfalles auch gegen deren Wortlaut erfolgen. Die Annahme, abweichend vom eindeutigen Wortlaut des § 16a EnEV falle der Makler unter den Adressatenkreis der Kennzeichnungspflichten, entbehre einer rechtlichen Grundlage. Für die Auffassung des Klägers, wonach der Begriff des „Verkäufers“ über seine zivilrechtliche Bedeutung hinaus auf die Person des Maklers auszudehnen sei, sei angesichts des klaren Wortlauts der Regelung und des allgemeinen Verkehrsverständnisses, wonach der Verkäufer einer Immobilie grundsätzlich der Grundstückseigentümer oder ein zur Übertragung des Eigentums am Grundstück Berechtigter sei, nicht hingegen der lediglich als Vermittler auftretende Makler, kein Raum. Derjenige, der aus Sicht des Lesers als „Handelnder“ der Immobilienanzeige auftrete und den Verkaufs- oder Vermietungsvorgang abwickle, sei mit der Person des „Verkäufers“ im Sinne von § 16a EnEV nicht gleichzustellen. Der „Handelnde“ finde in den Gesetzesmaterialien ohnehin keine Erwähnung. Dem Schutz des Verbrauchers werde, soweit - wie nicht - mit dem Kläger von § 16a EnEV als einer verbraucherschützenden Norm auszugehen sei, im Übrigen dadurch Rechnung getragen, dass ihm vor Abschluss des Kaufvertrages offen gelegt werde, wer der tatsächliche Verkäufer des Objekts sei. Daher könne es für die richtlinienkonforme Auslegung des Begriffs „Verkäufer“ im Zusammenhang mit Immobilienanzeigen nicht auf das Verkehrsverständnis des Verbrauchers ankommen. Dass in tatsächlicher Hinsicht im Inland Immobilienanzeigen regelmäßig von Maklern geschaltet würden und diese als „Handelnde“ gegenüber dem Kaufinteressenten gegenüber träten, könne nicht dazu führen, die Entscheidung des Verordnungsgebers über den Adressatenkreis der Norm des § 16a EnEV in Frage zu stellen.
Eine Kennzeichnungspflicht nach § 16a EnEV lasse sich für den Makler auch nicht aus einer richtlinienkonformen Auslegung im weiteren Sinne durch richterliche Rechtsfortbildung herleiten. Es treffe nicht zu, dass nach dem Verständnis des Landgerichts Immobilienanzeigen von Maklern gänzlich von der Kennzeichnungspflicht unberührt blieben und damit das Normdurchsetzungsgebot des Art. 288 AEUV ausgehebelt werde, zumal auch noch die Gefahr einer Umgehung des § 16a EnEV durch Einschaltung eines Maklers durch den an sich kennzeichnungspflichtigen Immobilieneigentümer drohe. Diese Rechtsauffassung lasse unbeachtet, dass der Gesetzesbegründung zu § 16a EnEV folgend der Verkäufer auch bei Beauftragung eines Maklerbüros sicherzustellen habe, dass die Immobilienanzeige die Pflichtangaben gemäß § 16a EnEV enthalte. Dass die ohnehin erst am 01.05.2015 in Kraft getretene Bußgeldvorschrift des § 27 Abs. 2 Nr. 6 EnEV in der Praxis der Ordnungsbehörden bislang noch nicht häufig zur Anwendung gekommen sei, könne eine mit der Richtlinie nicht in Einklang zu bringende Auslegung im Wege der richterlichen Rechtsfortbildung nicht rechtfertigen.
In Betracht käme allenfalls ein Analogieschluss. Hierfür fehle es aber wie vom Landgericht zutreffend festgestellt bereits an einer planwidrigen Regelungslücke. Der Verordnungsgeber habe mit § 16a EnEV gerade keine Regelung geschaffen, der zufolge Immobilienanzeigen von Maklern nicht der Kennzeichnungspflicht unterfielen. Die Vorschrift des § 16a EnEV, mit der Art. 12 Abs. 4 der Richtlinie 2010/31/EU umgesetzt worden sei, garantiere vielmehr, dass Immobilienanzeigen die Angaben über die Gesamtenergieeffizienz ausnahmslos zu enthalten hätten. § 16a EnEV weiche von den inhaltlichen Vorgaben des Art. 12 Abs. 4 der Richtlinie 2010/31/EU nicht ab, sondern bestimme lediglich den Adressaten- bzw. Verpflichtetenkreis der in der Richtlinie bzw. in § 16a EnEV normierten Pflichten näher. Diesbezüglich enthalte Art. 12 Abs. 4 der Richtlinie 2010/31/EU aber gerade keine Vorgaben. Den Gesetzesmaterialien ließen sich entgegen der Auffassung des Klägers indessen keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass Makler von den Pflichten des § 16a EnEV erfasst werden sollten, das Gegenteil sei vielmehr der Fall (vgl. BT-Drs. 113/13, S. 97). Dass eine planwidrige Regelungslücke nicht vorliege, zeige auch der Umstand, dass der Verordnungsgeber in § 16a Abs. 2 EnEV über den Verkäufer hinaus ausdrücklich weitere Personengruppen als zum Kreis der Normadressaten des § 16a EnEV gehörend bestimmt hat - nämlich Vermieter, Verpächter und Leasinggeber -, ohne jedoch den Makler in diesen Kreis aufzunehmen, trotz der hohen Anzahl von durch diese Berufsgruppe im Inland geschalteten Immobilienanzeigen. Der Verordnungsgeber habe daher ganz bewusst eine Differenzierung vorgenommen und seinen Willen zum Ausdruck gebracht, Makler vom Adressatenkreis des § 16a EnEV auszunehmen. Schließlich könne sich der Kläger auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass in anderen Mitgliedsländern der Europäischen Union Makler kennzeichnungspflichtig seien; dies ändere nichts daran, dass Art. 12 Abs. 4 der Richtlinie 2010/31/EU keine Vorgaben zum Kreis der kennzeichnungspflichtigen Personen mache, die diesbezügliche Normsetzung daher dem nationalen Verordnungsgeber vorbehalten sei.
Schließlich habe das Landgericht zu Recht darauf hingewiesen, die Einführung der Bußgeldvorschrift des § 27 Abs. 2 Nr. 6 EnEV spreche dafür, dass sich der Verordnungsgeber hinreichende Gedanken dazu gemacht habe, welche Personen von einer möglichen Sanktion betroffen sein sollten, um den im Ordnungswidrigkeitenrecht an das Bestimmtheitsgebot zu stellenden Anforderungen gerecht zu werden. Dies belege ebenso, dass der deutsche Verordnungsgeber mangels ausdrücklicher Nennung Makler von den Pflichten des § 16a EnEV habe ausnehmen wollen.
Der Beklagte könne vom Kläger auch unter dem Gesichtspunkt des § 5a UWG nicht auf Unterlassung in Anspruch genommen werden.
Für eine täterschaftliche Begehung bzw. eine Gehilfenhaftung fehle es bereits an einem tatbestandsmäßigen Verhalten des Beklagten. Insoweit sei darauf hinzuweisen, dass die am 10./11.01.2015 geschaltete streitgegenständliche Immobilienanzeige des Beklagten und die darauffolgende Abmahnung Vom 23.01.2015 in zeitlicher Hinsicht deutlich vor Inkrafttreten der Bußgeldvorschrift des § 27 Abs. 2 Nr. 6 EnEV lägen. Eine wettbewerbsrechtliche Ahndung sei mit dem ausdrücklichen gesetzgeberischen Willen, den Normadressaten des § 16a EnEV -unabhängig davon, ob hierunter der Auffassung des Klägers folgend auch der Makler falle eine Umstellungszeit von einem Jahr nach Inkrafttreten des § 16a EnEV einzuräumen, unvereinbar und würde diesen unterlaufen.
Zudem fehle es im Streitfall an einer Irreführung des Verbrauchers gemäß § 5a Abs. 2 i. V. m. Abs. 4 UWG. Selbst wenn es sich - wie nicht - bei den von § 16a EnEV geforderten Pflichtangaben um „wesentliche Informationen“ im Sinne von § 5a Abs. 2 i. V. m. Abs. 4 UWG handeln sollte, würde der Verbraucher durch deren Fehlen in einer Immobilienanzeige nicht daran gehindert, eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen. Der Zeitpunkt der Schaltung bzw. des Lesens der Immobilienanzeige habe nämlich keinen Einfluss darauf, ob der Verbraucher später, nämlich im Zeitpunkt des tatsächlichen Kaufs der Immobilie, über die relevanten Informationen für eine informierte Entscheidung über den Kauf verfüge. Die Immobilienanzeige diene lediglich dem Zweck, Interessenten Informationen über ein mögliches Kaufobjekt zukommen zu lassen. Nicht von Relevanz sei hingegen, ob das Vorenthalten der Pflichtangaben in einer Immobilienanzeige geeignet sei, den Interessenten etwa davon abzuhalten, einen Besichtigungstermin zu vereinbaren. Eine derartige Entscheidung stelle keine im Sinne von § 5a UWG relevante geschäftliche Entscheidung dar. Insoweit sei auch von Bedeutung, dass bei Schaltung der Immobilienanzeige ohnehin der Energieausweis noch nicht vorliegen müsse, sondern erst bei der Besichtigung (§ 16 Abs. 2 EnEV).
Daher scheide eine Irreführung des Verbrauchers, die sich darauf stütze, dass die Immobilienanzeige die Pflichtangaben nach § 16a EnEV nicht enthalte, von vorneherein aus, zumal es sich hierbei auch nicht um „wesentliche Informationen“ im Sinne der § 5a Abs. 2, Abs. 4 UWG handle. Entscheidend sei, dass der Interessent im Zeitpunkt der Kaufentscheidung über alle relevanten Informationen verfüge. Abgesehen davon dienten die in § 16a EnEV aufgeführten Kennzeichnungspflichten nicht dem Verbraucherschutz. Diese sollten vielmehr Hilfe leisten, die Energieeinsparung zu fördern. Den insoweit vom Kläger zitierten, dieser Auffassung widersprechenden landgerichtlichen Entscheidungen sei nicht zu folgen.
Ohnehin könne der Beklagte schon deshalb nicht gegen § 16a EnEV verstoßen, weil er wie vorstehend ausgeführt nicht Adressat der nach § 16a EnEV verpflichteten Personen sei. Er verstoße auch nicht gegen eine ihm angeblich obliegende wettbewerbsrechtliche Verkehrspflicht, Eine Haftung des Beklagten als Makler nach § 5a UWG setze begrifflich voraus, dass er vom Verpflichtetenkreis des § 16a EnEV erfasst sei.
Schließlich fehle es auch an der für eine Verurteilung erforderlichen Spürbarkeit des klägerseits behaupteten Wettbewerbs Verstoßes. Der Kläger verkenne, dass bei der Beurteilung, ob im Streitfall schützenswerte Verbräucherinteressen spürbar beeinträchtigt würden, allein der Zeitpunkt der Kaufentscheidung relevant sei. Nur darin sei ein relevantes „wirtschaftliches Verhalten“ des Verbrauchers im Sinne von § 3, § 5a UWG zu sehen. Der Zeitpunkt der Anzeigenschaltung sei demgegenüber für die Spürbarkeitsprüfung unmaßgeblich, er entbehre einer geschäftlichen Relevanz. Der Verweis des Klägers auf instanzgerichtliche Entscheidungen zu den Kennzeichnungspflichten nach der Pkw-EnVKV sei angesichts dessen, dass diese Verordnung in Bezug auf ihren Schutzzweck mit der EnEV nicht übereinstimme, nicht zielführend.
Ohnehin gehe § 16a EnEV über den Inhalt des Art. 12 Abs. 4 der Richtlinie 2010/31/EU insoweit hinaus, als der nach der Verordnung anzugebende Indikator die Gesamtenergieeffizienz betreffend über die in der Richtlinie geforderte Angabe des Endenergiebedarfs hinausgehe. Auf den Anhang I zu Art. 3 der Richtlinie, Ziffer 2 sei insoweit zu verweisen. Vor diesem Hintergrund könnte eine Verurteilung ohnehin keinen Bestand haben, weil die betreffenden Informationspflichten, auf die der Kläger seine Ansprüche stütze, keine Grundlage im Gemeinschaftsrecht hätten.
Schließlich sei § 16a EnEV auch nicht mit der UGP-Richtlinie (Richtlinie 2005/29/EG) vereinbar, da sich diese Vorschrift als Immobilienregelung nicht im Anwendungsbereich der UGP-Richtlinie bewege. Es könne auch dahinstehen, ob die UGP-Richtlinie den Rechtsbruchtatbestand des § 3a UWG/§ 4 Nr. 11 UWG a. F. einschränke oder gar aufhebe, da die Vorschrift des § 16a EnEV schon keine Marktverhaltensregelung sei.
„Die Mitgliedstaaten verlangen, dass bei Verkauf oder Vermietung von
- Gebäuden, für die ein Ausweis über die Gesamtenergieeffizienz vorliegt,
- Gebäudeteilen in einem Gebäude, für das ein Ausweis über die Gesamtenergieeffizienz vorliegt, und
- Gebäudeteilen, für die ein Ausweis über die Gesamtenergieeffizienz vorliegt,
in den Verkaufs- oder Vermietungsanzeigen in den kommerziellen Medien der in dem Ausweis über die Gesamtenergieeffizienz des Gebäudes bzw. des Gebäudeteils angegebene Indikator der Gesamtenergieeffizienz genannt wird.“
ra.de-Urteilsbesprechung zu Oberlandesgericht München Urteil, 08. Dez. 2016 - 6 U 4725/15
Urteilsbesprechung schreiben0 Urteilsbesprechungen zu Oberlandesgericht München Urteil, 08. Dez. 2016 - 6 U 4725/15
Referenzen - Gesetze
Referenzen - Urteile
Urteil einreichenOberlandesgericht München Urteil, 08. Dez. 2016 - 6 U 4725/15 zitiert oder wird zitiert von 11 Urteil(en).
(1) Wer eine nach § 3 oder § 7 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, kann auf Beseitigung und bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Der Anspruch auf Unterlassung besteht bereits dann, wenn eine derartige Zuwiderhandlung gegen § 3 oder § 7 droht.
(2) Werden die Zuwiderhandlungen in einem Unternehmen von einem Mitarbeiter oder Beauftragten begangen, so sind der Unterlassungsanspruch und der Beseitigungsanspruch auch gegen den Inhaber des Unternehmens begründet.
(3) Die Ansprüche aus Absatz 1 stehen zu:
- 1.
jedem Mitbewerber, der Waren oder Dienstleistungen in nicht unerheblichem Maße und nicht nur gelegentlich vertreibt oder nachfragt, - 2.
denjenigen rechtsfähigen Verbänden zur Förderung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen, die in der Liste der qualifizierten Wirtschaftsverbände nach § 8b eingetragen sind, soweit ihnen eine erhebliche Zahl von Unternehmern angehört, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben, und die Zuwiderhandlung die Interessen ihrer Mitglieder berührt, - 3.
den qualifizierten Einrichtungen, die in der Liste der qualifizierten Einrichtungen nach § 4 des Unterlassungsklagengesetzes eingetragen sind, oder den qualifizierten Einrichtungen aus anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die in dem Verzeichnis der Europäischen Kommission nach Artikel 4 Absatz 3 der Richtlinie 2009/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen (ABl. L 110 vom 1.5.2009, S. 30), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2018/302 (ABl. L 60I vom 2.3.2018, S. 1) geändert worden ist, eingetragen sind, - 4.
den Industrie- und Handelskammern, den nach der Handwerksordnung errichteten Organisationen und anderen berufsständischen Körperschaften des öffentlichen Rechts im Rahmen der Erfüllung ihrer Aufgaben sowie den Gewerkschaften im Rahmen der Erfüllung ihrer Aufgaben bei der Vertretung selbstständiger beruflicher Interessen.
(4) Stellen nach Absatz 3 Nummer 2 und 3 können die Ansprüche nicht geltend machen, solange ihre Eintragung ruht.
(5) § 13 des Unterlassungsklagengesetzes ist entsprechend anzuwenden; in § 13 Absatz 1 und 3 Satz 2 des Unterlassungsklagengesetzes treten an die Stelle der dort aufgeführten Ansprüche nach dem Unterlassungsklagengesetz die Ansprüche nach dieser Vorschrift. Im Übrigen findet das Unterlassungsklagengesetz keine Anwendung, es sei denn, es liegt ein Fall des § 4e des Unterlassungsklagengesetzes vor.
(1) Unlautere geschäftliche Handlungen sind unzulässig.
(2) Geschäftliche Handlungen, die sich an Verbraucher richten oder diese erreichen, sind unlauter, wenn sie nicht der unternehmerischen Sorgfalt entsprechen und dazu geeignet sind, das wirtschaftliche Verhalten des Verbrauchers wesentlich zu beeinflussen.
(3) Die im Anhang dieses Gesetzes aufgeführten geschäftlichen Handlungen gegenüber Verbrauchern sind stets unzulässig.
(4) Bei der Beurteilung von geschäftlichen Handlungen gegenüber Verbrauchern ist auf den durchschnittlichen Verbraucher oder, wenn sich die geschäftliche Handlung an eine bestimmte Gruppe von Verbrauchern wendet, auf ein durchschnittliches Mitglied dieser Gruppe abzustellen. Geschäftliche Handlungen, die für den Unternehmer vorhersehbar das wirtschaftliche Verhalten nur einer eindeutig identifizierbaren Gruppe von Verbrauchern wesentlich beeinflussen, die auf Grund von geistigen oder körperlichen Beeinträchtigungen, Alter oder Leichtgläubigkeit im Hinblick auf diese geschäftlichen Handlungen oder die diesen zugrunde liegenden Waren oder Dienstleistungen besonders schutzbedürftig sind, sind aus der Sicht eines durchschnittlichen Mitglieds dieser Gruppe zu beurteilen.
Unlauter handelt, wer
- 1.
die Kennzeichen, Waren, Dienstleistungen, Tätigkeiten oder persönlichen oder geschäftlichen Verhältnisse eines Mitbewerbers herabsetzt oder verunglimpft; - 2.
über die Waren, Dienstleistungen oder das Unternehmen eines Mitbewerbers oder über den Unternehmer oder ein Mitglied der Unternehmensleitung Tatsachen behauptet oder verbreitet, die geeignet sind, den Betrieb des Unternehmens oder den Kredit des Unternehmers zu schädigen, sofern die Tatsachen nicht erweislich wahr sind; handelt es sich um vertrauliche Mitteilungen und hat der Mitteilende oder der Empfänger der Mitteilung an ihr ein berechtigtes Interesse, so ist die Handlung nur dann unlauter, wenn die Tatsachen der Wahrheit zuwider behauptet oder verbreitet wurden; - 3.
Waren oder Dienstleistungen anbietet, die eine Nachahmung der Waren oder Dienstleistungen eines Mitbewerbers sind, wenn er - a)
eine vermeidbare Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft herbeiführt, - b)
die Wertschätzung der nachgeahmten Ware oder Dienstleistung unangemessen ausnutzt oder beeinträchtigt oder - c)
die für die Nachahmung erforderlichen Kenntnisse oder Unterlagen unredlich erlangt hat;
- 4.
Mitbewerber gezielt behindert.
(1) Unlauter handelt auch, wer einen Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer irreführt, indem er ihm eine wesentliche Information vorenthält,
- 1.
die der Verbraucher oder der sonstige Marktteilnehmer nach den jeweiligen Umständen benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen, und - 2.
deren Vorenthalten dazu geeignet ist, den Verbraucher oder den sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.
(2) Als Vorenthalten gilt auch
- 1.
das Verheimlichen wesentlicher Informationen, - 2.
die Bereitstellung wesentlicher Informationen in unklarer, unverständlicher oder zweideutiger Weise sowie - 3.
die nicht rechtzeitige Bereitstellung wesentlicher Informationen.
(3) Bei der Beurteilung, ob wesentliche Informationen vorenthalten wurden, sind zu berücksichtigen:
- 1.
räumliche oder zeitliche Beschränkungen durch das für die geschäftliche Handlung gewählte Kommunikationsmittel sowie - 2.
alle Maßnahmen des Unternehmers, um dem Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer die Informationen auf andere Weise als durch das für die geschäftliche Handlung gewählte Kommunikationsmittel zur Verfügung zu stellen.
(4) Unlauter handelt auch, wer den kommerziellen Zweck einer geschäftlichen Handlung nicht kenntlich macht, sofern sich dieser nicht unmittelbar aus den Umständen ergibt, und das Nichtkenntlichmachen geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Ein kommerzieller Zweck liegt bei einer Handlung zugunsten eines fremden Unternehmens nicht vor, wenn der Handelnde kein Entgelt oder keine ähnliche Gegenleistung für die Handlung von dem fremden Unternehmen erhält oder sich versprechen lässt. Der Erhalt oder das Versprechen einer Gegenleistung wird vermutet, es sei denn der Handelnde macht glaubhaft, dass er eine solche nicht erhalten hat.
(1) Wer eine nach § 3 oder § 7 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, kann auf Beseitigung und bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Der Anspruch auf Unterlassung besteht bereits dann, wenn eine derartige Zuwiderhandlung gegen § 3 oder § 7 droht.
(2) Werden die Zuwiderhandlungen in einem Unternehmen von einem Mitarbeiter oder Beauftragten begangen, so sind der Unterlassungsanspruch und der Beseitigungsanspruch auch gegen den Inhaber des Unternehmens begründet.
(3) Die Ansprüche aus Absatz 1 stehen zu:
- 1.
jedem Mitbewerber, der Waren oder Dienstleistungen in nicht unerheblichem Maße und nicht nur gelegentlich vertreibt oder nachfragt, - 2.
denjenigen rechtsfähigen Verbänden zur Förderung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen, die in der Liste der qualifizierten Wirtschaftsverbände nach § 8b eingetragen sind, soweit ihnen eine erhebliche Zahl von Unternehmern angehört, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben, und die Zuwiderhandlung die Interessen ihrer Mitglieder berührt, - 3.
den qualifizierten Einrichtungen, die in der Liste der qualifizierten Einrichtungen nach § 4 des Unterlassungsklagengesetzes eingetragen sind, oder den qualifizierten Einrichtungen aus anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die in dem Verzeichnis der Europäischen Kommission nach Artikel 4 Absatz 3 der Richtlinie 2009/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen (ABl. L 110 vom 1.5.2009, S. 30), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2018/302 (ABl. L 60I vom 2.3.2018, S. 1) geändert worden ist, eingetragen sind, - 4.
den Industrie- und Handelskammern, den nach der Handwerksordnung errichteten Organisationen und anderen berufsständischen Körperschaften des öffentlichen Rechts im Rahmen der Erfüllung ihrer Aufgaben sowie den Gewerkschaften im Rahmen der Erfüllung ihrer Aufgaben bei der Vertretung selbstständiger beruflicher Interessen.
(4) Stellen nach Absatz 3 Nummer 2 und 3 können die Ansprüche nicht geltend machen, solange ihre Eintragung ruht.
(5) § 13 des Unterlassungsklagengesetzes ist entsprechend anzuwenden; in § 13 Absatz 1 und 3 Satz 2 des Unterlassungsklagengesetzes treten an die Stelle der dort aufgeführten Ansprüche nach dem Unterlassungsklagengesetz die Ansprüche nach dieser Vorschrift. Im Übrigen findet das Unterlassungsklagengesetz keine Anwendung, es sei denn, es liegt ein Fall des § 4e des Unterlassungsklagengesetzes vor.
(1) Unlauter handelt auch, wer einen Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer irreführt, indem er ihm eine wesentliche Information vorenthält,
- 1.
die der Verbraucher oder der sonstige Marktteilnehmer nach den jeweiligen Umständen benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen, und - 2.
deren Vorenthalten dazu geeignet ist, den Verbraucher oder den sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.
(2) Als Vorenthalten gilt auch
- 1.
das Verheimlichen wesentlicher Informationen, - 2.
die Bereitstellung wesentlicher Informationen in unklarer, unverständlicher oder zweideutiger Weise sowie - 3.
die nicht rechtzeitige Bereitstellung wesentlicher Informationen.
(3) Bei der Beurteilung, ob wesentliche Informationen vorenthalten wurden, sind zu berücksichtigen:
- 1.
räumliche oder zeitliche Beschränkungen durch das für die geschäftliche Handlung gewählte Kommunikationsmittel sowie - 2.
alle Maßnahmen des Unternehmers, um dem Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer die Informationen auf andere Weise als durch das für die geschäftliche Handlung gewählte Kommunikationsmittel zur Verfügung zu stellen.
(4) Unlauter handelt auch, wer den kommerziellen Zweck einer geschäftlichen Handlung nicht kenntlich macht, sofern sich dieser nicht unmittelbar aus den Umständen ergibt, und das Nichtkenntlichmachen geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Ein kommerzieller Zweck liegt bei einer Handlung zugunsten eines fremden Unternehmens nicht vor, wenn der Handelnde kein Entgelt oder keine ähnliche Gegenleistung für die Handlung von dem fremden Unternehmen erhält oder sich versprechen lässt. Der Erhalt oder das Versprechen einer Gegenleistung wird vermutet, es sei denn der Handelnde macht glaubhaft, dass er eine solche nicht erhalten hat.
Unlauter handelt, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.
(1) Unlauter handelt auch, wer einen Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer irreführt, indem er ihm eine wesentliche Information vorenthält,
- 1.
die der Verbraucher oder der sonstige Marktteilnehmer nach den jeweiligen Umständen benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen, und - 2.
deren Vorenthalten dazu geeignet ist, den Verbraucher oder den sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.
(2) Als Vorenthalten gilt auch
- 1.
das Verheimlichen wesentlicher Informationen, - 2.
die Bereitstellung wesentlicher Informationen in unklarer, unverständlicher oder zweideutiger Weise sowie - 3.
die nicht rechtzeitige Bereitstellung wesentlicher Informationen.
(3) Bei der Beurteilung, ob wesentliche Informationen vorenthalten wurden, sind zu berücksichtigen:
- 1.
räumliche oder zeitliche Beschränkungen durch das für die geschäftliche Handlung gewählte Kommunikationsmittel sowie - 2.
alle Maßnahmen des Unternehmers, um dem Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer die Informationen auf andere Weise als durch das für die geschäftliche Handlung gewählte Kommunikationsmittel zur Verfügung zu stellen.
(4) Unlauter handelt auch, wer den kommerziellen Zweck einer geschäftlichen Handlung nicht kenntlich macht, sofern sich dieser nicht unmittelbar aus den Umständen ergibt, und das Nichtkenntlichmachen geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Ein kommerzieller Zweck liegt bei einer Handlung zugunsten eines fremden Unternehmens nicht vor, wenn der Handelnde kein Entgelt oder keine ähnliche Gegenleistung für die Handlung von dem fremden Unternehmen erhält oder sich versprechen lässt. Der Erhalt oder das Versprechen einer Gegenleistung wird vermutet, es sei denn der Handelnde macht glaubhaft, dass er eine solche nicht erhalten hat.
Unlauter handelt, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.
(1) Unlauter handelt auch, wer einen Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer irreführt, indem er ihm eine wesentliche Information vorenthält,
- 1.
die der Verbraucher oder der sonstige Marktteilnehmer nach den jeweiligen Umständen benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen, und - 2.
deren Vorenthalten dazu geeignet ist, den Verbraucher oder den sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.
(2) Als Vorenthalten gilt auch
- 1.
das Verheimlichen wesentlicher Informationen, - 2.
die Bereitstellung wesentlicher Informationen in unklarer, unverständlicher oder zweideutiger Weise sowie - 3.
die nicht rechtzeitige Bereitstellung wesentlicher Informationen.
(3) Bei der Beurteilung, ob wesentliche Informationen vorenthalten wurden, sind zu berücksichtigen:
- 1.
räumliche oder zeitliche Beschränkungen durch das für die geschäftliche Handlung gewählte Kommunikationsmittel sowie - 2.
alle Maßnahmen des Unternehmers, um dem Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer die Informationen auf andere Weise als durch das für die geschäftliche Handlung gewählte Kommunikationsmittel zur Verfügung zu stellen.
(4) Unlauter handelt auch, wer den kommerziellen Zweck einer geschäftlichen Handlung nicht kenntlich macht, sofern sich dieser nicht unmittelbar aus den Umständen ergibt, und das Nichtkenntlichmachen geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Ein kommerzieller Zweck liegt bei einer Handlung zugunsten eines fremden Unternehmens nicht vor, wenn der Handelnde kein Entgelt oder keine ähnliche Gegenleistung für die Handlung von dem fremden Unternehmen erhält oder sich versprechen lässt. Der Erhalt oder das Versprechen einer Gegenleistung wird vermutet, es sei denn der Handelnde macht glaubhaft, dass er eine solche nicht erhalten hat.
(1) Unlautere geschäftliche Handlungen sind unzulässig.
(2) Geschäftliche Handlungen, die sich an Verbraucher richten oder diese erreichen, sind unlauter, wenn sie nicht der unternehmerischen Sorgfalt entsprechen und dazu geeignet sind, das wirtschaftliche Verhalten des Verbrauchers wesentlich zu beeinflussen.
(3) Die im Anhang dieses Gesetzes aufgeführten geschäftlichen Handlungen gegenüber Verbrauchern sind stets unzulässig.
(4) Bei der Beurteilung von geschäftlichen Handlungen gegenüber Verbrauchern ist auf den durchschnittlichen Verbraucher oder, wenn sich die geschäftliche Handlung an eine bestimmte Gruppe von Verbrauchern wendet, auf ein durchschnittliches Mitglied dieser Gruppe abzustellen. Geschäftliche Handlungen, die für den Unternehmer vorhersehbar das wirtschaftliche Verhalten nur einer eindeutig identifizierbaren Gruppe von Verbrauchern wesentlich beeinflussen, die auf Grund von geistigen oder körperlichen Beeinträchtigungen, Alter oder Leichtgläubigkeit im Hinblick auf diese geschäftlichen Handlungen oder die diesen zugrunde liegenden Waren oder Dienstleistungen besonders schutzbedürftig sind, sind aus der Sicht eines durchschnittlichen Mitglieds dieser Gruppe zu beurteilen.
(1) Unlauter handelt auch, wer einen Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer irreführt, indem er ihm eine wesentliche Information vorenthält,
- 1.
die der Verbraucher oder der sonstige Marktteilnehmer nach den jeweiligen Umständen benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen, und - 2.
deren Vorenthalten dazu geeignet ist, den Verbraucher oder den sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.
(2) Als Vorenthalten gilt auch
- 1.
das Verheimlichen wesentlicher Informationen, - 2.
die Bereitstellung wesentlicher Informationen in unklarer, unverständlicher oder zweideutiger Weise sowie - 3.
die nicht rechtzeitige Bereitstellung wesentlicher Informationen.
(3) Bei der Beurteilung, ob wesentliche Informationen vorenthalten wurden, sind zu berücksichtigen:
- 1.
räumliche oder zeitliche Beschränkungen durch das für die geschäftliche Handlung gewählte Kommunikationsmittel sowie - 2.
alle Maßnahmen des Unternehmers, um dem Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer die Informationen auf andere Weise als durch das für die geschäftliche Handlung gewählte Kommunikationsmittel zur Verfügung zu stellen.
(4) Unlauter handelt auch, wer den kommerziellen Zweck einer geschäftlichen Handlung nicht kenntlich macht, sofern sich dieser nicht unmittelbar aus den Umständen ergibt, und das Nichtkenntlichmachen geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Ein kommerzieller Zweck liegt bei einer Handlung zugunsten eines fremden Unternehmens nicht vor, wenn der Handelnde kein Entgelt oder keine ähnliche Gegenleistung für die Handlung von dem fremden Unternehmen erhält oder sich versprechen lässt. Der Erhalt oder das Versprechen einer Gegenleistung wird vermutet, es sei denn der Handelnde macht glaubhaft, dass er eine solche nicht erhalten hat.
Unlauter handelt, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.
Die Berufungsfrist beträgt einen Monat; sie ist eine Notfrist und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt.
(2) Die Berufungsschrift muss enthalten:
- 1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird; - 2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.
(3) Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsschrift anzuwenden.
(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.
(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.
(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:
- 1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge); - 2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt; - 3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten; - 4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.
(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:
- 1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt; - 2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.
(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.
Unlauter handelt, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.
(1) Unlauter handelt auch, wer einen Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer irreführt, indem er ihm eine wesentliche Information vorenthält,
- 1.
die der Verbraucher oder der sonstige Marktteilnehmer nach den jeweiligen Umständen benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen, und - 2.
deren Vorenthalten dazu geeignet ist, den Verbraucher oder den sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.
(2) Als Vorenthalten gilt auch
- 1.
das Verheimlichen wesentlicher Informationen, - 2.
die Bereitstellung wesentlicher Informationen in unklarer, unverständlicher oder zweideutiger Weise sowie - 3.
die nicht rechtzeitige Bereitstellung wesentlicher Informationen.
(3) Bei der Beurteilung, ob wesentliche Informationen vorenthalten wurden, sind zu berücksichtigen:
- 1.
räumliche oder zeitliche Beschränkungen durch das für die geschäftliche Handlung gewählte Kommunikationsmittel sowie - 2.
alle Maßnahmen des Unternehmers, um dem Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer die Informationen auf andere Weise als durch das für die geschäftliche Handlung gewählte Kommunikationsmittel zur Verfügung zu stellen.
(4) Unlauter handelt auch, wer den kommerziellen Zweck einer geschäftlichen Handlung nicht kenntlich macht, sofern sich dieser nicht unmittelbar aus den Umständen ergibt, und das Nichtkenntlichmachen geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Ein kommerzieller Zweck liegt bei einer Handlung zugunsten eines fremden Unternehmens nicht vor, wenn der Handelnde kein Entgelt oder keine ähnliche Gegenleistung für die Handlung von dem fremden Unternehmen erhält oder sich versprechen lässt. Der Erhalt oder das Versprechen einer Gegenleistung wird vermutet, es sei denn der Handelnde macht glaubhaft, dass er eine solche nicht erhalten hat.
(1) Wer eine nach § 3 oder § 7 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, kann auf Beseitigung und bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Der Anspruch auf Unterlassung besteht bereits dann, wenn eine derartige Zuwiderhandlung gegen § 3 oder § 7 droht.
(2) Werden die Zuwiderhandlungen in einem Unternehmen von einem Mitarbeiter oder Beauftragten begangen, so sind der Unterlassungsanspruch und der Beseitigungsanspruch auch gegen den Inhaber des Unternehmens begründet.
(3) Die Ansprüche aus Absatz 1 stehen zu:
- 1.
jedem Mitbewerber, der Waren oder Dienstleistungen in nicht unerheblichem Maße und nicht nur gelegentlich vertreibt oder nachfragt, - 2.
denjenigen rechtsfähigen Verbänden zur Förderung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen, die in der Liste der qualifizierten Wirtschaftsverbände nach § 8b eingetragen sind, soweit ihnen eine erhebliche Zahl von Unternehmern angehört, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben, und die Zuwiderhandlung die Interessen ihrer Mitglieder berührt, - 3.
den qualifizierten Einrichtungen, die in der Liste der qualifizierten Einrichtungen nach § 4 des Unterlassungsklagengesetzes eingetragen sind, oder den qualifizierten Einrichtungen aus anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die in dem Verzeichnis der Europäischen Kommission nach Artikel 4 Absatz 3 der Richtlinie 2009/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen (ABl. L 110 vom 1.5.2009, S. 30), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2018/302 (ABl. L 60I vom 2.3.2018, S. 1) geändert worden ist, eingetragen sind, - 4.
den Industrie- und Handelskammern, den nach der Handwerksordnung errichteten Organisationen und anderen berufsständischen Körperschaften des öffentlichen Rechts im Rahmen der Erfüllung ihrer Aufgaben sowie den Gewerkschaften im Rahmen der Erfüllung ihrer Aufgaben bei der Vertretung selbstständiger beruflicher Interessen.
(4) Stellen nach Absatz 3 Nummer 2 und 3 können die Ansprüche nicht geltend machen, solange ihre Eintragung ruht.
(5) § 13 des Unterlassungsklagengesetzes ist entsprechend anzuwenden; in § 13 Absatz 1 und 3 Satz 2 des Unterlassungsklagengesetzes treten an die Stelle der dort aufgeführten Ansprüche nach dem Unterlassungsklagengesetz die Ansprüche nach dieser Vorschrift. Im Übrigen findet das Unterlassungsklagengesetz keine Anwendung, es sei denn, es liegt ein Fall des § 4e des Unterlassungsklagengesetzes vor.
(1) Das Bundesamt für Justiz führt eine Liste der qualifizierten Einrichtungen und veröffentlicht sie in der jeweils aktuellen Fassung auf seiner Internetseite. Es übermittelt die Liste mit Stand zum 1. Januar und zum 1. Juli eines jeden Jahres an die Europäische Kommission unter Hinweis auf Artikel 4 Absatz 2 der Richtlinie 2009/22/EG.
(2) Ein eingetragener Verein, zu dessen satzungsmäßigen Aufgaben es gehört, Interessen der Verbraucher durch nicht gewerbsmäßige Aufklärung und Beratung wahrzunehmen, wird auf seinen Antrag in die Liste eingetragen, wenn
- 1.
er mindestens drei Verbände, die im gleichen Aufgabenbereich tätig sind, oder mindestens 75 natürliche Personen als Mitglieder hat, - 2.
er zum Zeitpunkt der Antragstellung seit mindestens einem Jahr im Vereinsregister eingetragen ist und ein Jahr seine satzungsmäßigen Aufgaben wahrgenommen hat, - 3.
auf Grund seiner bisherigen Tätigkeit sowie seiner personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung gesichert erscheint, dass er - a)
seine satzungsgemäßen Aufgaben auch künftig dauerhaft wirksam und sachgerecht erfüllen wird und - b)
seine Ansprüche nicht vorwiegend geltend machen wird, um für sich Einnahmen aus Abmahnungen oder Vertragsstrafen zu erzielen,
- 4.
den Mitgliedern keine Zuwendungen aus dem Vereinsvermögen gewährt werden und Personen, die für den Verein tätig sind, nicht durch unangemessen hohe Vergütungen oder andere Zuwendungen begünstigt werden.
(3) Über die Eintragung wird durch einen schriftlichen Bescheid entschieden, der dem antragstellenden Verein zuzustellen ist. Auf der Grundlage eines wirksamen Bescheides ist der Verein unter Angabe des Namens, der Anschrift, des zuständigen Registergerichts, der Registernummer und des satzungsmäßigen Zwecks in die Liste einzutragen.
(4) Auf Antrag erteilt das Bundesamt für Justiz einer qualifizierten Einrichtung, die in der Liste eingetragen ist, eine Bescheinigung über ihre Eintragung.
Unlauter handelt, wer
- 1.
die Kennzeichen, Waren, Dienstleistungen, Tätigkeiten oder persönlichen oder geschäftlichen Verhältnisse eines Mitbewerbers herabsetzt oder verunglimpft; - 2.
über die Waren, Dienstleistungen oder das Unternehmen eines Mitbewerbers oder über den Unternehmer oder ein Mitglied der Unternehmensleitung Tatsachen behauptet oder verbreitet, die geeignet sind, den Betrieb des Unternehmens oder den Kredit des Unternehmers zu schädigen, sofern die Tatsachen nicht erweislich wahr sind; handelt es sich um vertrauliche Mitteilungen und hat der Mitteilende oder der Empfänger der Mitteilung an ihr ein berechtigtes Interesse, so ist die Handlung nur dann unlauter, wenn die Tatsachen der Wahrheit zuwider behauptet oder verbreitet wurden; - 3.
Waren oder Dienstleistungen anbietet, die eine Nachahmung der Waren oder Dienstleistungen eines Mitbewerbers sind, wenn er - a)
eine vermeidbare Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft herbeiführt, - b)
die Wertschätzung der nachgeahmten Ware oder Dienstleistung unangemessen ausnutzt oder beeinträchtigt oder - c)
die für die Nachahmung erforderlichen Kenntnisse oder Unterlagen unredlich erlangt hat;
- 4.
Mitbewerber gezielt behindert.
(1) Unlautere geschäftliche Handlungen sind unzulässig.
(2) Geschäftliche Handlungen, die sich an Verbraucher richten oder diese erreichen, sind unlauter, wenn sie nicht der unternehmerischen Sorgfalt entsprechen und dazu geeignet sind, das wirtschaftliche Verhalten des Verbrauchers wesentlich zu beeinflussen.
(3) Die im Anhang dieses Gesetzes aufgeführten geschäftlichen Handlungen gegenüber Verbrauchern sind stets unzulässig.
(4) Bei der Beurteilung von geschäftlichen Handlungen gegenüber Verbrauchern ist auf den durchschnittlichen Verbraucher oder, wenn sich die geschäftliche Handlung an eine bestimmte Gruppe von Verbrauchern wendet, auf ein durchschnittliches Mitglied dieser Gruppe abzustellen. Geschäftliche Handlungen, die für den Unternehmer vorhersehbar das wirtschaftliche Verhalten nur einer eindeutig identifizierbaren Gruppe von Verbrauchern wesentlich beeinflussen, die auf Grund von geistigen oder körperlichen Beeinträchtigungen, Alter oder Leichtgläubigkeit im Hinblick auf diese geschäftlichen Handlungen oder die diesen zugrunde liegenden Waren oder Dienstleistungen besonders schutzbedürftig sind, sind aus der Sicht eines durchschnittlichen Mitglieds dieser Gruppe zu beurteilen.
Unlauter handelt, wer
- 1.
die Kennzeichen, Waren, Dienstleistungen, Tätigkeiten oder persönlichen oder geschäftlichen Verhältnisse eines Mitbewerbers herabsetzt oder verunglimpft; - 2.
über die Waren, Dienstleistungen oder das Unternehmen eines Mitbewerbers oder über den Unternehmer oder ein Mitglied der Unternehmensleitung Tatsachen behauptet oder verbreitet, die geeignet sind, den Betrieb des Unternehmens oder den Kredit des Unternehmers zu schädigen, sofern die Tatsachen nicht erweislich wahr sind; handelt es sich um vertrauliche Mitteilungen und hat der Mitteilende oder der Empfänger der Mitteilung an ihr ein berechtigtes Interesse, so ist die Handlung nur dann unlauter, wenn die Tatsachen der Wahrheit zuwider behauptet oder verbreitet wurden; - 3.
Waren oder Dienstleistungen anbietet, die eine Nachahmung der Waren oder Dienstleistungen eines Mitbewerbers sind, wenn er - a)
eine vermeidbare Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft herbeiführt, - b)
die Wertschätzung der nachgeahmten Ware oder Dienstleistung unangemessen ausnutzt oder beeinträchtigt oder - c)
die für die Nachahmung erforderlichen Kenntnisse oder Unterlagen unredlich erlangt hat;
- 4.
Mitbewerber gezielt behindert.
Unlauter handelt, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.
(1) Unlautere geschäftliche Handlungen sind unzulässig.
(2) Geschäftliche Handlungen, die sich an Verbraucher richten oder diese erreichen, sind unlauter, wenn sie nicht der unternehmerischen Sorgfalt entsprechen und dazu geeignet sind, das wirtschaftliche Verhalten des Verbrauchers wesentlich zu beeinflussen.
(3) Die im Anhang dieses Gesetzes aufgeführten geschäftlichen Handlungen gegenüber Verbrauchern sind stets unzulässig.
(4) Bei der Beurteilung von geschäftlichen Handlungen gegenüber Verbrauchern ist auf den durchschnittlichen Verbraucher oder, wenn sich die geschäftliche Handlung an eine bestimmte Gruppe von Verbrauchern wendet, auf ein durchschnittliches Mitglied dieser Gruppe abzustellen. Geschäftliche Handlungen, die für den Unternehmer vorhersehbar das wirtschaftliche Verhalten nur einer eindeutig identifizierbaren Gruppe von Verbrauchern wesentlich beeinflussen, die auf Grund von geistigen oder körperlichen Beeinträchtigungen, Alter oder Leichtgläubigkeit im Hinblick auf diese geschäftlichen Handlungen oder die diesen zugrunde liegenden Waren oder Dienstleistungen besonders schutzbedürftig sind, sind aus der Sicht eines durchschnittlichen Mitglieds dieser Gruppe zu beurteilen.
(1) Durch den Kaufvertrag wird der Verkäufer einer Sache verpflichtet, dem Käufer die Sache zu übergeben und das Eigentum an der Sache zu verschaffen. Der Verkäufer hat dem Käufer die Sache frei von Sach- und Rechtsmängeln zu verschaffen.
(2) Der Käufer ist verpflichtet, dem Verkäufer den vereinbarten Kaufpreis zu zahlen und die gekaufte Sache abzunehmen.
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 06.10.2015 verkündete Urteil der 3. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Bielefeld abgeändert.
1.
Der Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs in Zeitungen Anzeigen für Mietwohnungen vor de-
ren Vermietung zu veröffentlichen ohne sicherzustellen, dass die Immobilienanzeigen die gemäß § 16a EnEV erforderlichen Pflichtangaben
- zur Art des Energieausweises,
- zum im Energieausweis genannten Baujahr
enthalten, wenn dies geschieht wie in der Immobilienanzeige des Beklagten in der „Neuen Westfälischen“ vom 31. Januar 2015, die wie folgt wiedergegeben wird:
2.
Dem Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen diese Verpflichtung die Verhängung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten angedroht.
3.
Der Beklagte wird weiter verurteilt, an den Kläger 245,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.07.2015 zu zahlen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Soweit der Beklagte zur Unterlassung verurteilt worden ist, kann er die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 30.000,00 € abwenden, sofern nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet. Im Übrigen kann der Beklagte die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
1
Gründe:
2A.
3Der Kläger ist ein in die Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 UKlaG eingetragener Umwelt- und Verbraucherschutzverband. Er verfolgt nach seiner Satzung die Förderung der aufklärenden Verbraucherberatung und des Umweltschutzes in der Bundesrepublik Deutschland.
4Der Beklagte ist als Immobilienmakler in S-X und in H tätig.
5Am 31.01.2015 ließ er in der Tageszeitung „Neue Westfälische“ (Gütersloher Zeitung) folgende Anzeige veröffentlichen, mit der er für die Vermietung einer in Gütersloh gelegenen Drei-Zimmer-Wohnung warb:
6.
7Die Anzeige enthielt zur energetischen Beschaffenheit des Objekts die Angabe „Gas 155,40 kWh/m²a“.
8Zumindest am 05.02.2015 bewarb der Beklagte die Vermietung derselben Wohnung auch in seinem Internetauftritt (Anlage K3). Die Lage des Objekts war dabei mit „33332 Gütersloh“ und das Baujahr mit „1991“ angegeben. Unter der Überschrift „Energiepass“ fanden sich in der dortigen Werbung folgende Angaben:
9„Energieausweistyp: Bedarfsausweis
10Gültig bis: 2024-05-15
11Energieträger: Gas
12Energiebedarfskennwert: 155.40
13…“.
14Mit Schreiben vom 06.02.2015 (Anlage K4) mahnte der Kläger den Beklagten ab und forderte ihn zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung sowie zur Erstattung pauschalierter Abmahnkosten in Höhe von 245,00 € auf. Er rügte, in der in Rede stehenden Zeitungsanzeige seien die nach § 16a der Energieeinsparverordnung (EnEV) vorgeschriebenen Angaben zur Art des Energieausweises und zum Baujahr der Immobilie nicht aufgeführt.
15Mit anwaltlichem Schreiben vom 26.02.2015 (Anlage K5) wies der Beklagte den mit der Abmahnung erhobenen Vorwurf mit der Begründung zurück, zum Zeitpunkt der Aufgabe der Immobilienanzeige habe kein Energieausweis für das Objekt existiert.
16Der Kläger hat die Ansicht vertreten, der Beklagte habe gegen die Marktverhaltensregelung des § 16a EnEV verstoßen. In der betreffenden Immobilienanzeige seien Angaben zur Art des Energieausweises, zum Baujahr des Gebäudes und zur Energieeffizienzklasse nicht enthalten gewesen. Der Kläger hat dazu behauptet, es habe zum Zeitpunkt der Anzeigenschaltung am 31.01.2015 ein Energieausweis für die Immobilie vorgelegen. Dies ergebe sich aus dem im Internet veröffentlichten Immobilienangebot des Beklagten gemäß Anlage K3, in dem er mitgeteilt habe, dass der Energieausweis für das Objekt bis zum 15.05.2024 gültig sei. Energieausweise würden gemäß § 17 Abs. 6 EnEV für eine Gültigkeitsdauer von zehn Jahren ausgestellt. Demnach sei der Energieausweis für die in Rede stehende Immobilie am 16.05.2014 ausgestellt worden.
17Da die Abmahnung berechtigt gewesen sei, sei der Beklagte auch zur Erstattung der Abmahnkosten in Höhe des geltend gemachten Pauschalbetrages von 245,00 € verpflichtet.
18Der Kläger hat beantragt
19den Beklagten zu verurteilen,
20- 21
1.
es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs in Zeitungen Anzeigen für Mietwohnungen vor deren Vermietung zu veröffentlichen ohne sicherzustellen, dass die Immobilienanzeigen die gemäß § 16a EnEV erforderlichen Pflichtangaben
23- zur Art des Energieausweises,
24- zum im Energieausweis genannten Baujahr
25enthalten, wenn dies geschieht wie in der Immobilienanzeige des Beklagten in der „Neuen Westfälischen“ vom 31. Januar 2015, die wie folgt wiedergegeben wird:
2627
2.
28an den Kläger 245,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.07.2015 zu zahlen.
29Der Beklagte hat beantragt,
30die Klage abzuweisen.
31Er hat die Aktivlegitimation des Klägers bestritten. Zudem hat er geltend gemacht, er habe nicht gegen § 16a EnEV verstoßen, und behauptet, zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Anzeige habe für das angebotene Objekt kein Energieausweis vorgelegen. Die unvollständigen energiebezogenen Angaben in der Zeitungsanzeige und in dem Internet-Exposé basierten auf einem Irrtum bzw. Fehler bei der Erstellung der Anzeige und des Exposés. Offensichtlich habe der Mitarbeiter des Beklagten, Herr H, bei der Bedienung des verwendeten Computerprogramms die Daten eines Energieausweises bezüglich einer anderen Immobilie, die nicht Gegenstand der Anzeige gewesen sei, versehentlich nicht gelöscht.
32Ferner hat der Beklagte die Auffassung vertreten, die Vorschrift des § 16a EnEV sei verfassungs- und rechtswidrig.
33Schließlich hat er eingewandt, die Abmahnkosten seien überhöht.
34Der Kläger hat erwidert, die vom Beklagten verwendete Software stelle bei der Neuanlage eines Objekts eine plane Eingabemaske ohne Daten zuvor angelegter Objekte zur Verfügung, wie eine von seiner Prozessbevollmächtigten durchgeführte Überprüfung des Programmablaufs ergeben habe (Anlage K6, Bl. 47 ff. d. A.). Daher müssten „alte“ Daten nicht „von Hand“ gelöscht werden. Diesem Vorbringen ist der Beklagte nicht entgegengetreten.
35Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat angenommen, der Beklagte sei als Makler nicht Adressat der Regelung des § 16a EnEV. Eine Anwendung der Norm über ihren Wortlaut hinaus auf Makler sei methodisch nicht zulässig. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils verwiesen.
36Mit seiner gegen dieses Urteil gerichteten Berufung wiederholt und vertieft der Kläger seine Rechtsansicht, auch ein Immobilienmakler sei Adressat der Informationspflichten gemäß § 16a EnEV. Diese Norm diene der Umsetzung des Art. 12 Abs. 4 der Richtlinie 2010/31/EU. Die Richtlinie bezwecke, den Immobilieninteressenten möglichst frühzeitig einen Eindruck über die energetische Qualität des angebotenen Gebäudes zu verschaffen und einen überschlägigen Vergleich der Kosten für Heizwärme mit anderen Immobilienangeboten zu ermöglichen. Wenn Makler nicht Adressaten der Norm seien, sei diese weitgehend wirkungslos. Denn in Deutschland werde der weitaus größte Anteil der in kommerziellen Medien veröffentlichten Immobilienverkaufs- oder Immobilienvermietungsanzeigen durch gewerbliche Maklerunternehmen geschaltet.
37§ 16a EnEV sei richtlinienkonform dahin auszulegen, dass derjenige, der die Immobilienanzeige aufgebe, zur Angabe der Energiekennwerte verpflichtet sei. Dass dieses Auslegungsergebnis zutreffe, zeigten die in anderen EU-Mitgliedstaaten erlassenen Vorschriften zur Umsetzung der Richtlinie 2010/31/EU.
38Die Verantwortlichkeit des Beklagten als Immobilienmakler ergebe sich zudem aus § 26 Abs. 2 EnEV. Denn ein Makler werde im Auftrag des Verkäufers tätig.
39Überdies habe der Beklagte nach § 5a Abs. 2 und Abs. 4 UWG unlauter gehandelt. Denn die Pflichtangaben gemäß § 16a Abs. 1 Nr. 1 – Nr. 5 EnEV stellten wesentliche Informationen im Sinne von § 5a Abs. 2 und Abs. 4 UWG dar. Die Haftung des Beklagten ergebe sich nach den Grundsätzen der wettbewerbsrechtlichen Täterschaft und Teilnahme bzw. unter dem Gesichtspunkt der Verletzung einer wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflicht.
40Schließlich entspreche die Schaltung der Anzeige ohne Erteilung aller gemäß § 16a EnEV vorgeschriebenen Informationen nicht der unternehmerischen Sorgfalt im Sinne von § 3 Abs. 2 UWG.
41Zur Berechnung der Höhe der geltend gemachten Kostenpauschale hat der Kläger eine tabellarische Aufstellung vorgelegt (Anlage BK 14, Bl. 189 d. A.).
42Der Kläger beantragt,
43unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils den Beklagten zu verurteilen,
44- 45
1.
es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs in Zeitungen Anzeigen für Mietwohnungen vor deren Vermietung zu veröffentlichen ohne sicherzustellen, dass die Immobilienanzeigen die gemäß § 16a EnEV erforderlichen Pflichtangaben
47- zur Art des Energieausweises,
48- zum im Energieausweis genannten Baujahr
49enthalten, wenn dies geschieht wie in der Immobilienanzeige des Beklagten in der „Neuen Westfälischen“ vom 31. Januar 2015, die wie folgt wiedergegeben wird:
5051
2.
52an den Kläger 245,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.07.2015 zu zahlen.
53Der Beklagte beantragt,
54die Berufung zurückzuweisen.
55Er macht weiterhin geltend, ein Verstoß gegen § 16a EnEV sei nicht gegeben. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Anzeige am 31.01.2015 habe für das betreffende Objekt noch kein Energieausweis vorgelegen. Die energiebezogenen Daten seien versehentlich in die Anzeige aufgenommen worden. Zudem sei ein Makler nicht Normadressat des § 16a EnEV.
56Auf die mit Verfügung des Senats vom 12.07.2016 erteilte Auflage, den Energieausweis für das in Rede stehende Objekt vorzulegen, hat der Beklagte die Kopie eines Energieausweises für Wohngebäude betreffend das Objekt T-Straße in Gütersloh vorgelegt (Bl. 164 ff. d. A.). Das Baujahr des Gebäudes ist darin mit „1994“ angegeben. Es handelt sich um einen sog. Energieverbrauchsausweis. Der Endenergieverbrauch des Gebäudes ist mit 146,6 kWh/( m²∙a) beziffert; die Energieeffizienzklasse ist dementsprechend mit „E“ benannt. Der Energieausweis trägt das Ausstellungsdatum „10.02.2015“. Unter der Überschrift „Aussteller“ findet sich die Eintragung „Gepr. Energieberater d. Handwerks B X …“.
57Der Beklagte behauptet, der Energieausweis beziehe sich auf das mit der in Rede stehenden Anzeige angebotene Objekt. Die Angabe der Postleitzahl „33330“ im Energieausweis beruhe auf einem Fehler des ausstellenden Energieberaters.
58Das in der Anzeige genannte Baujahr sei auf die Angaben des Vermieters zurückzuführen. Dem Beklagten sei nicht bekannt, ob das vom Vermieter benannte Baujahr oder das vom Aussteller des Energieausweises eingetragene Baujahr zutreffend sei.
59Ferner erhebt der Beklagte Einwendungen gegen Sinn und Zweck von Energieausweisen und wirft dem Kläger vor, es zu versuchen, sich durch Abmahnungen zu bereichern. Zur Begründung beruft er sich auf Medienberichte und trägt vor, der Kläger erziele 28 % seines Umsatzes (ca. 2.000.000,00 € jährlich) durch Abmahnungen.
60B.
61Die Berufung ist zulässig und begründet.
62I.
63Die Klage ist zulässig.
641.
65Der Unterlassungsantrag ist hinreichend bestimmt im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Er nimmt Bezug auf die konkrete Verletzungshandlung in Gestalt der beanstandeten Zeitungsanzeige, die im Antrag wiedergegeben ist.
662.
67Der Kläger ist nach § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG klagebefugt. Er hat durch Vorlage der Anlage K1 nachgewiesen, dass er mit Wirkung zum 11.10.2004 in der Liste der qualifizierten Einrichtungen nach § 4 des Unterlassungsklagengesetzes (UKlaG) eingetragen ist.
683.
69Hinreichende Anhaltspunkte für ein rechtsmissbräuchliches Vorgehen des Klägers (§ 8 Abs. 4 UWG) liegen nicht vor. Soweit der Beklagte unter Hinweis auf den Umsatz, den der Kläger durch Abmahnungen erzielt haben soll, und auf Medienberichte geltend macht, der Kläger versuche, sich durch Abmahnungen zu bereichern, ist dieses Vorbringen zu pauschal und reicht zur Annahme eines Rechtsmissbrauchs nicht aus.
70II.
71Die Klage ist auch begründet.
721.
73Unterlassungsantrag:
74Es kann dahinstehen, ob dem Kläger der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gegen den Beklagten aus §§ 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Nr. 3; 3 Abs. 1; 3a UWG bzw. § 4 Nr. 11 UWG aF in Verbindung mit § 16a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 4, Abs. 2 EnEV zusteht. Denn der geltend gemachte Unterlassungsanspruch findet seine Grundlage jedenfalls in §§ 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Nr. 3; 3 Abs. 1; 5a Abs. 2 UWG.
75a)
76Ob der Beklagte gegen § 16a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 4, Abs. 2 EnEV verstoßen hat, ist zweifelhaft.
77aa)
78Wird vor dem Verkauf eines mit einem Gebäude bebauten Grundstücks, eines grundstücksgleichen Rechts an einem bebauten Grundstück oder von Wohnungs- oder Teileigentum eine Immobilienanzeige in kommerziellen Medien aufgegeben und liegt zu diesem Zeitpunkt ein Energieausweis vor, so hat der Verkäufer gemäß § 16a Abs. 1 Satz 1 EnEV sicherzustellen, dass die Immobilienanzeige die in § 16a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis Nr. 5 EnEV aufgeführten Pflichtangaben enthält.
79§ 16a Abs. 1 EnEV ist gemäß § 16a Abs. 2 EnEV entsprechend anzuwenden auf den Vermieter, Verpächter und Leasinggeber bei Immobilienanzeigen zur Vermietung, Verpachtung oder zum Leasing eines Gebäudes, einer Wohnung oder einer sonstigen selbständigen Nutzungseinheit.
80Nach dem Wortlaut der Norm sind Adressaten der Informationspflicht mithin der Verkäufer, der Vermieter, der Verpächter bzw. der Leasinggeber. Eine Verpflichtung von Maklern ergibt sich aus dem Wortlaut des § 16a EnEV nicht.
81bb)
82§ 16a EnEV dient der Umsetzung von Art. 12 Abs. 4 der Richtlinie 2010/31/EU.
83Art. 12 Abs. 4 der Richtlinie 2010/31/EU lautet:
84„Die Mitgliedstaaten verlangen, dass bei Verkauf oder Vermietung von
85- Gebäuden, für die ein Ausweis über die Gesamtenergieeffizienz vorliegt,
86- Gebäudeteilen in einem Gebäude, für das ein Ausweis über die Gesamtenergieeffizienz vorliegt, und
87- Gebäudeteilen, für die ein Ausweis über die Gesamtenergieeffizienz vorliegt,
88in den Verkaufs- oder Vermietungsanzeigen in den kommerziellen Medien der in dem Ausweis über die Gesamtenergieeffizienz des Gebäudes bzw. des Gebäudeteils angegebene Indikator der Gesamtenergieeffizienz genannt wird.“
89Art. 12 Abs. 4 der Richtlinie 2010/31/EU benennt nach seinem Wortlaut keinen Adressaten der Informationspflicht, sondern bestimmt das Medium bzw. den Ort der Informationserteilung („Verkaufs- oder Vermietungsanzeigen in den kommerziellen Medien“).
90cc)
91Vor diesem Hintergrund ist fraglich, ob die nationale Bestimmung des § 16a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 EnEV richtlinienkonform dahin ausgelegt werden muss, dass auch eine (unmittelbare) Informationsverpflichtung für einen vom Verkäufer bzw. Vermieter beauftragten Makler besteht (vgl. allgemein zur richtlinienkonformen Auslegung: Köhler/Bornkamm, UWG, 34. Aufl., Einleitung zum UWG Rn. 3.13). In der Rechtsprechung wird diese Frage – soweit ersichtlich – bislang überwiegend bejaht (vgl. etwa LG Tübingen, Urteil vom 12.11.2015 – 20 O 60/15, juris; LG München I, Urteil vom 16.11.2015 - 4 HKO 6347/15, juris; LG Münster, Urteil vom 25.11.2015 – 021 O 87/15, juris; LG Tübingen, Urteil vom 01.02.2016 – 20 O 53/15, juris; LG Traunstein, Urteil vom 12.02.2016 – 1 HKO 3385/15, juris; LG Bayreuth, Urteil vom 28.04.2016 – 13 HK O 57/15, juris; LG Leipzig, Urteil vom 10.05.2016 - 01 HK O 2761/15 = BeckRS 2016, 11133; anderer Ansicht: LG Gießen, Urteil vom 11.09.2015 – 8 O 7/15, juris; LG München II, Urteil vom 03.12.2015 - 2 HK O 3089/15 = BeckRS 2015, 19943).
92Bei der richtlinienkonformen Auslegung bildet der Wortlaut der nationalen Regelung zwar keine Grenze (Köhler/Bornkamm, aaO). Der Grundsatz der richtlinienkonformen Auslegung fordert auch, das nationale Recht, wo dies nötig und möglich ist, richtlinienkonform fortzubilden (BGH, NJW 2009, 427, 429 – Quelle).
93Eine richterliche Rechtsfortbildung ist indes verfassungsrechtlich unzulässig, wenn sie, ausgehend von einer teleologischen Interpretation, den klaren Wortlaut des Gesetzes hintanstellt, ihren Widerhall nicht im Gesetz findet und vom Gesetzgeber nicht ausdrücklich oder – bei Vorliegen einer erkennbar planwidrigen Gesetzeslücke – stillschweigend gebilligt wird (BVerfG, NJW 2012, 669, 671).
94Eine Erstreckung der Informationsverpflichtung auch auf den Makler könnte einen solchen Fall unzulässiger richterlicher Rechtsfortbildung darstellen. Dass der deutsche Verordnungsgeber eine unmittelbare Informationsverpflichtung von Immobilienmaklern nach § 16a EnEV begründen wollte, lässt sich weder dem Wortlaut noch den Materialien der Verordnung entnehmen. Dadurch, dass der Verordnungsgeber für den Wortlaut des § 16a Abs. 1 Satz 1 EnEV die Formulierung „…hat der Verkäufer sicherzustellen, …“ verwendet hat, soll verdeutlicht werden, dass der Verkäufer nicht nur bei Immobilienanzeigen, die er selbst aufgibt, Pflichtangaben machen muss, sondern auch in Fällen wie der Beauftragung eines Maklerbüros dafür Sorge zu tragen hat, dass die erforderlichen Pflichtangaben in der Immobilienanzeige gemacht werden (BR-Drucksache 113/13, Seite 97). Demnach liegt es nicht fern, dass der deutsche Verordnungsgeber bewusst von der Regelung einer unmittelbaren Verantwortlichkeit von Immobilienmaklern für die Erfüllung der Informationspflichten gemäß § 16a EnEV abgesehen hat. Für eine Erstreckung der Informationsverpflichtung auch auf den Makler im Wege richterlicher Rechtsfortbildung bestünde dann keine Grundlage. Letztlich bedarf dies hier keiner Entscheidung.
95b)
96Denn der geltend gemachte Unterlassungsanspruch besteht jedenfalls nach §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 3; 3 Abs. 1; 5a Abs. 2 UWG.
97aa)
98Da der Unterlassungsanspruch in die Zukunft gerichtet ist, muss das Verhalten des Beklagten sowohl nach dem zur Zeit der beanstandeten Zeitungsanzeige geltenden Recht als auch nach dem zur Zeit der Entscheidung des Senats geltenden Recht wettbewerbswidrig sein (vgl. BGH, GRUR 2016, 403 – Fressnapf; BGH, Urteil vom 21.07. 2016 – I ZR 26/15 – LGA tested, jeweils mwN).
99bb)
100§ 5a Abs. 2 UWG ist mit Wirkung ab dem 10.12.2015 neu gefasst worden.
101Nach § 5a Abs. 2 UWG aF handelte unlauter, wer die Entscheidungsfähigkeit von Verbrauchern im Sinne des § 3 Absatz 2 UWG aF dadurch beeinflusste, dass er eine Information vorenthielt, die im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände einschließlich der Beschränkungen des Kommunikationsmittels wesentlich war.
102Nach der ab dem 10.12.2015 geltenden Rechtslage handelt gemäß § 5a Abs. 2 Satz 1 UWG unlauter, wer im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände dem Verbraucher eine wesentliche Information vorenthält, die dieser je nach den Umständen benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen (Nr. 1), und deren Vorenthalten geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte (Nr. 2). Gemäß § 5a Abs. 2 Satz 2 UWG gilt als Vorenthalten auch das Verheimlichen wesentlicher Informationen (Nr. 1), die Bereitstellung wesentlicher Informationen in unklarer, unverständlicher oder zweideutiger Weise (Nr. 2) und die nicht rechtzeitige Bereitstellung wesentlicher Informationen (Nr. 3).
103cc)
104Diese Neufassung des § 5a Abs. 2 UWG hat zu keiner für den vorliegenden Fall erheblichen Änderung der Rechtslage geführt (vgl. BGH, aaO – Fressnapf; BGH, aaO – LGA tested).
105Die beanstandete Zeitungsanzeige - eine geschäftliche Handlung gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG - war zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 31.01.2015 nach der alten Fassung des § 5a Abs. 2 UWG und ist auch zum Zeitpunkt der Entscheidung in der Berufungsinstanz gemäß der neuen Fassung des § 5a Abs. 2 UWG unlauter und damit nach § 3 Abs. 1 UWG unzulässig.
106(1)
107Der Beklagte hat dadurch, dass er in der Zeitungsanzeige nicht die Art des Energieausweises und das im Energieausweis genannte Baujahr des Objekts angegeben hat, gegen § 3 Abs. 2, § 5a Abs. 2 UWG aF verstoßen.
108Nach § 5a Abs. 2 UWG aF handelte unlauter, wer die Entscheidungsfähigkeit von Verbrauchern im Sinne des § 3 Abs. 2 UWG aF dadurch beeinflusste, dass er eine Information vorenthielt, die im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände einschließlich der Beschränkungen des Kommunikationsmittels wesentlich war.
109(a)
110Informationen zur Art des Energieausweises und zum im Energieausweis genannten Baujahr des Objekts sind wesentlich im Sinne von § 5a Abs. 2 UWG aF.
111Eine Information ist nicht allein schon deshalb wesentlich im Sinne des § 5a Abs. 2 UWG, weil sie für die geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers von Bedeutung sein kann, sondern nur dann, wenn ihre Angabe unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen vom Unternehmer erwartet werden kann und ihr für die geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers zudem ein erhebliches Gewicht zukommt (vgl. BGH, GRUR 2012, 1275 – Zweigstellenbriefbogen; BGH, aaO - LGA tested).
112(aa)
113Bei der Beurteilung der Frage, ob eine Information als wesentlich im Sinne von § 5a Abs. 2 UWG anzusehen ist, ist das Interesse des Unternehmers zu berücksichtigen, die Information nicht zu erteilen. In die Interessenabwägung mit einzustellen sind der zeitliche und der kostenmäßige Aufwand des Unternehmers für die Beschaffung der Information, die für den Unternehmer mit der Informationserteilung verbundenen Nachteile sowie möglicherweise bestehende Geheimhaltungsbelange (BGH, aaO - LGA tested, mwN).
114Ein schutzwürdiges Interesse des als Immobilienmakler tätigen Beklagten, nicht über die Art des Energieausweises und über das im Energieausweis genannte Baujahr des Objekts zu informieren, ist nicht erkennbar. Ihm ist es zuzumuten, die verlangten Informationen zu erteilen.
115Für die Beschaffung der Informationen entsteht dem Beklagten nur ein geringfügiger zeitlicher und kostenmäßiger Aufwand. Er muss sich lediglich bei seinem Auftraggeber nach diesen Informationen erkundigen, sich ggf. den Energieausweis vorlegen lassen und die betreffenden Angaben in den Text der Anzeige übernehmen.
116Die mit der Informationserteilung verbundenen Nachteile hat der Beklagte hinzunehmen. Der Verordnungsgeber schätzt die Mehrkosten, die durch die nach Maßgabe von § 16a EnEV vorgeschriebene Angabe energetischer Kennwerte entstehen, auf einen Betrag von 0,50 € bis 2,50 € pro Immobilienanzeige (je nachdem, in welchem (kommerziellen) Medium die Anzeige veröffentlicht wird) (vgl. BR-Drucksache 113/13, Seiten 71, 75 und 77). Dieser Bewertung schließt sich der Senat an. Die solchermaßen geschätzten Mehrkosten sind zumutbar.
117Überdies stehen die Beschränkungen des verwendeten Kommunikationsmittels - hier: Werbung mittels Zeitungsanzeige - der Erteilung der in Rede stehenden Informationen nicht entgegen. Die verlangten Angaben können stichwortartig erfolgen. Bei der Abfassung des Anzeigentextes können ggf. verständliche Abkürzungen verwendet werden (vgl. BR-Drucksache 113/13, Seite 98).
118Schließlich liegt kein schutzwürdiges Geheimhaltungsinteresse des Beklagten vor. Soweit die Erteilung der in § 16a Abs. 1 EnEV genannten Informationen bei ungünstiger energetischer Beschaffenheit des beworbenen Objekts dessen Vermarktung erschwert, kann dies nicht dazu führen, die Informationen als nicht wesentlich im Sinne von § 5a Abs. 2 UWG anzusehen. Dem steht bereits das Informationsinteresse der Verbraucher entgegen (dazu nachfolgend (bb)).
119(bb)
120Zwar begründet nicht jedes mögliche Interesse eines kritischen Verbrauchers an einer Information deren Wesentlichkeit im Sinne des § 5a Abs. 2 UWG. Erforderlich ist eine besondere Bedeutung für die vom Durchschnittsverbraucher zu treffende geschäftliche Entscheidung. Die Frage, ob eine Information für die geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers von besonderem Gewicht ist, ist nach dem Erwartungs- und Verständnishorizont des Durchschnittsverbrauchers zu beurteilen (BGH, aaO - LGA tested, mwN). Eine solche besondere Bedeutung liegt hier vor.
121Hinsichtlich eines Entschlusses zur Anmietung der betreffenden Wohnung ist es für den durchschnittlichen Verbraucher von erheblichem Interesse, Informationen zur Art des Energieausweises und zu dem im Energieausweis genannten Baujahr des Objekts zu erhalten. Dies ergibt sich bereits aus der in der Regelung des § 16a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 4 EnEV zum Ausdruck kommenden Wertung. Auch wenn § 16a EnEV ausdrücklich nur den Verkäufer, Vermieter, Verpächter bzw. Leasinggeber als Adressaten der Informationspflichten nennt, ändert dies nichts daran, dass der Verordnungsgeber die in der Norm genannten Informationen als solche als wesentlich ansieht („Pflichtangaben“). Denn handelte es sich nur um unbedeutende Informationen, bedürfte es nicht der Regelung des § 16a EnEV. Für den Interessenten ist es von besonderer Bedeutung, möglichst frühzeitig einen Eindruck von der energetischen Qualität des Gebäudes und damit zugleich die Möglichkeit zu einem überschlägigen Vergleich der Kosten für Heizwärme mit anderen Immobilienangeboten zu erhalten (vgl. BR-Drucksache 113/13, Seite 99).
122Die Angabe der Art des Energieausweises macht transparent, ob der endenergetische Wert aus einem Verbrauchs- oder einem Bedarfsausweis entnommen wurde. Dadurch wird die Vergleichbarkeit solcher Angaben erleichtert (BR-Drucksache 113/13, Seite 98).
123Auch die Angabe des Baujahrs des Gebäudes ist sowohl für den potentiellen Käufer als auch für den potentiellen Mieter einer Wohnung bzw. eines Hauses von erheblicher Bedeutung. Denn die Kenntnis des Baujahrs lässt in Verbindung mit der Kenntnis weiterer in § 16a EnEV genannter Informationen Rückschlüsse auf die bauliche und energetische Beschaffenheit des Gebäudes zu. So liegt es etwa bei einem hohen Alter des Gebäudes durchaus nahe, dass ein hoher Wert des Endenergieverbrauchs nicht (allein) auf ein vermeidbar ungünstiges Verbrauchsverhalten der bisherigen Nutzer zurückzuführen sein muss, sondern (auch) durch den baulichen Zustand des Objekts bedingt sein kann.
124(b)
125Der Beklagte hat den Verbrauchern Informationen zur Art des Energieausweises und zu dem im Energieausweis genannten Baujahr vorenthalten. Der Unternehmer enthält dem Verbraucher eine Information vor, wenn dieser sie nicht oder nicht so erhält, dass er sie bei seiner geschäftlichen Entscheidung berücksichtigen kann. Insoweit ist es allerdings erforderlich, dass die betreffende Information zum Geschäfts- und Verantwortungsbereich des Unternehmers gehört oder in sonstiger Weise für ihn verfügbar ist (BGH, aaO – LGA tested, mwN).
126Die Zeitungsanzeige vom 31.01.2015 enthält keine Angaben zur Art des Energieausweises und zu dem im Energieausweis genannten Baujahr des Objekts.
127Die diesbezüglichen Informationen waren für den Beklagten verfügbar. Der Senat geht davon aus, dass bei Schaltung der Zeitungsanzeige bereits ein Energieausweis für das betreffende Objekt existierte und dass dem Beklagten bzw. dem bei ihm beschäftigten Mitarbeiter zu diesem Zeitpunkt die in dem Energieausweis enthaltenen Angaben bekannt waren.
128Der Beklagte hat zwar vorgetragen, zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Anzeige am 31.01.2015 habe für das angebotene Objekt kein Energieausweis vorgelegen. Die Tatsache, dass in der Zeitungsanzeige und in seiner Internetwerbung in Bezug auf das in Rede stehende Objekt Angaben zu einem Energieausweis enthalten sind, hat er damit zu erklären versucht, bei der Bedienung des verwendeten Computerprogramms seien die Daten zum Energieausweis einer anderen Immobilie, die nicht Gegenstand der Anzeige gewesen sei, versehentlich nicht gelöscht worden.
129Der Kläger hat daraufhin unter Vorlage von Screenshots, die eine von seiner Prozessbevollmächtigten durchgeführte Überprüfung des Programmablaufs zeigen (Anlage K 6, Bl. 47 ff. d. A.), dargetan, die vom Beklagten verwendete Software stelle bei der Neuanlage eines Objekts eine plane Eingabemaske ohne Daten zuvor angelegter Objekte zur Verfügung, so dass entgegen dem Vorbringen des Beklagten alte Daten nicht manuell gelöscht werden müssten.
130Der Beklagte ist diesem Vorbringen nicht konkret entgegengetreten. Der Senat geht deshalb davon aus, dass sein Vortrag zu einem versehentlich unterbliebenen Löschen der energiebezogenen Daten eines anderen Objekts unzutreffend ist. Hinzu kommt, dass die energiebezogenen Angaben in der Zeitungsanzeige (Anlage K2) und in dem im Internetauftritt des Beklagten seinerzeit enthaltenen Exposé (Anlage K3) nicht deckungsgleich sind. Im Internet-Exposé (Anlage K3) waren auch Angaben zur Art des Energieausweises und zu dessen Gültigkeitsdauer enthalten. Diese Angaben waren hingegen nicht Inhalt der Zeitungsanzeige (Anlage K2).
131Zudem hat der Prozessbevollmächtigte des Beklagten im Senatstermin erklärt, das vom Beklagten verwendete Computerprogramm diene lediglich dazu, die Immobilienanzeige an die Zeitung zu übermitteln.
132Dem auf Vernehmung des Zeugen H gerichteten Beweisantritt des Beklagten war vor diesem Hintergrund nicht nachzugehen. Der Beklagte hat nicht plausibel darzulegen vermocht, dass die in der Zeitungsanzeige und in seinem Internetauftritt enthaltenen Angaben zu einem Energieausweis für das betreffende Objekt versehentlich dort aufgeführt worden sind. Eine Vernehmung des Zeugen H liefe bei dieser Sachlage auf eine unzulässige Ausforschung hinaus.
133Der Umstand, dass die Internetwerbung des Beklagten (Anlage K3) Angaben zu einem Energiebedarfsausweis enthält, der bis zum 15.05.2024 gültig ist, lässt den Schluss zu, dass für das beworbene Objekt bereits am 16.05.2014 ein Energiebedarfsausweis ausgestellt worden ist. Denn nach § 17 Abs. 6 Satz 1 EnEV sind Energieausweise für eine Gültigkeitsdauer von zehn Jahren auszustellen. Der Senat geht deshalb davon aus, dass am 31.01.2015 - dem Zeitpunkt der Veröffentlichung der Zeitungsanzeige - ein Energieausweis für das betreffende Gebäude existierte.
134Dem steht nicht die vom Beklagten in der Berufungsinstanz vorgelegte Kopie eines Energieverbrauchsausweises entgegen, in dem das Ausstellungsdatum „10.02.2015“ vermerkt ist. Es kann als wahr unterstellt werden, dass dieser Energieausweis erst unter diesem Datum von dem als Aussteller benannten Energieberater X erstellt wurde und dass sich dieser Ausweis auf das in Rede stehende Objekt bezieht. Denn es ist durchaus möglich, dass der Vermieter einen weiteren Energieausweis hat erstellen lassen. So kann er bei Vorliegen eines Energiebedarfsausweises Interesse an der Erstellung eines Energieverbrauchsausweises haben, etwa weil er sich bei letzterem die Einstufung in eine günstigere Energieeffizienzklasse erhofft. Der Beklagte trägt auch nicht vor, zu welchem Zeitpunkt der von ihm namentlich nicht benannte Vermieter (erstmals) die Erstellung eines Energieausweises in Auftrag gegeben hat.
135Bei dieser Sachlage war auch eine Vernehmung des Energieberaters X als Zeuge nicht veranlasst.
136(c)
137Es liegt auch eine spürbare Beeinträchtigung im Sinne von § 3 Abs. 2 UWG aF vor.
138Mit der Bejahung der Wesentlichkeit der vorenthaltenen Informationen sind jedenfalls nach der bis zum 09.12.2015 geltenden Rechtslage unwiderleglich auch die Erfordernisse des § 3 Abs. 2 UWG aF erfüllt, weil sich die Wesentlichkeit nach § 5a Abs. 2 UWG gerade dadurch definiert, dass der Verbraucher „im Sinne des § 3 Abs. 2 … beeinflusst“ wird (Köhler/Bornkamm, UWG, 33. Aufl., § 5a Rn. 56).
139(2)
140Das geschäftliche Handeln des Beklagten ist auch nach der neuen Fassung des § 5a Abs. 2 UWG unlauter und damit nach § 3 Abs. 1 UWG unzulässig.
141(a)
142Der Verbraucher benötigt nach den Umständen die Information über die Art des Energieausweises und über das im Energieausweis genannte Baujahr des Objekts, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen (§ 5a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UWG).
143„Geschäftliche Entscheidung“ ist jede Entscheidung eines Verbrauchers oder sonstigen Marktteilnehmers darüber, ob, wie und unter welchen Bedingungen er ein Geschäft abschließen, eine Zahlung leisten, eine Ware oder Dienstleistung behalten oder abgeben oder ein vertragliches Recht im Zusammenhang mit einer Ware oder Dienstleistung ausüben will, unabhängig davon, ob der Verbraucher oder sonstige Marktteilnehmer sich entschließt, tätig zu werden (§ 2 Abs. 1 Nr. 9 UWG). Die in Rede stehenden Informationen benötigt der Verbraucher, um beurteilen zu können, ob das angebotene Objekt seinen Erwartungen in energetischer Hinsicht entspricht. Auf die vorstehenden Ausführungen wird verwiesen.
144(b)
145Das Vorenthalten der betreffenden Informationen ist geeignet, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Handlung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte (§ 5a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UWG). Die unzureichenden energiebezogenen Informationen können den Verbraucher dazu veranlassen, aufgrund der Immobilienanzeige Kontakt zu dem Beklagten im Hinblick auf eine Anmietung der Wohnung aufzunehmen. Diese Entscheidung hätte der Verbraucher ggf. nicht getroffen, wenn er sich anhand der Angaben zur Art des Energieausweises und zu dem im Energieausweis genannten Baujahr des Hauses bereits aufgrund der Immobilienanzeige näher über die energiebezogenen Eigenschaften der Immobilie hätte informieren können.
146c)
147Das Bestehen einer Wiederholungsgefahr wird aufgrund des vorliegenden Wettbewerbsverstoßes tatsächlich vermutet. Umstände, die geeignet sind, diese Vermutung zu widerlegen, sind nicht ersichtlich.
1482.
149Zahlungsantrag:
150Der Kläger kann vom Beklagten zudem gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG Erstattung der geltend gemachten Abmahnkosten in Höhe von 245,00 € verlangen. Denn die Abmahnung war berechtigt.
151Aufgrund der vom Kläger vorgelegten Kostenaufstellung (Anlage BK 14, Bl. 189 d. A.), die eine hinreichende Schätzgrundlage darstellt, schätzt der Senat die Abmahnkosten nach § 287 ZPO auf den Betrag von 245,00 €.
152Der Zinsanspruch besteht gemäß §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB seit dem 18.07.2015.
153C.
154Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO.
155Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10; 711 ZPO.
156Die Zulassung der Revision beruht auf § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 ZPO.
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 25.11.2015 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Münster wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Soweit die Beklagte zur Unterlassung verurteilt worden ist, kann sie die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 30.000,00 Euro abwenden, sofern nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet. Im Übrigen kann die Beklagte die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
1
G r ü n d e
2A.
3Der klagende Verein ist in die Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 des Unterlassungsklagengesetzes eingetragen.
4Die Beklagte ist u.a. als Immobilienmaklerin tätig. Am 11.04.2015 veröffentlichte die Beklagte im Rahmen ihrer Maklertätigkeit in der Tageszeitung „X“ die beiden nachfolgend abgebildeten Immobilienanzeigen:
5,
6.
7Für die beiden beworbenen Immobilien lag zum Zeitpunkt der Anzeigenveröffentlichung jeweils ein Energieverbrauchsausweis vor.
8Mit Schreiben vom 24.04.2015 (Anlage K3 = Blatt 13-16 der Gerichtsakte) mahnte der Kläger die Beklagte ab. Er beanstandete das Fehlen von Angaben zum wesentlichen Energieträger für die Heizung der Gebäude in den beiden Immobilienanzeigen und führte aus, hierin liege ein Verstoß gegen die Regelungen in § 16a der Verordnung über energiesparenden Wärmeschutz und energiesparende Anlagentechnik bei Gebäuden (Energieeinsparverordnung – EnEV). Zugleich forderte der Kläger die Beklagte unter Fristsetzung zur Zahlung von Abmahnkosten (Kostenpauschale) in Höhe von 245,00 € auf. Mit E-Mail vom 06.05.2015 (Blatt 18 der Gerichtsakte) verlängerte der Kläger die der Beklagten gesetzten Fristen zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung und zur Erstattung der Abmahnkosten bis zum 13.05.2015.
9Mit Schreiben vom 13.05.2015 (Anlage K5 = Blatt 22 der Gerichtsakte) teilte die Beklagte dem Kläger mit, sie habe ihren örtlich zuständigen Gebietsleiter gebeten, die Werbung zu prüfen und gegebenenfalls anzupassen. Der vom Kläger vorgeschlagene Wortlaut einer strafbewehrten Unterlassungserklärung gehe inhaltlich zu weit. Eine strafbewehrte Unterlassungserklärung gab die Beklagte nicht ab.
10Der Kläger hat gegenüber dem Landgericht seine Rechtsausführungen aus der Abmahnung wiederholt und vertieft. Im Hinblick auf die geforderte Abmahnkostenpauschale hat der Kläger eine Aufstellung (Anlage K7 = Blatt 91 der Gerichtsakte) vorgelegt und vorgetragen, diese enthalte eine detaillierte Aufschlüsselung der Personal- und Sachkosten, die er, der Kläger, für eine Abmahnung pauschaliert in Ansatz bringe.
11Der Kläger hat (zuletzt) beantragt,
12- 13
1. die Beklagte unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs
a) in Zeitungen Anzeigen für Immobilien, für die zu diesem Zeitpunkt ein Energieausweis vorliegt, vor deren Verkauf zu veröffentlichen, ohne sicherzustellen, dass die Immobilienanzeigen die gemäß § 16a EnEV erforderliche Pflichtangabe zum wesentlichen Energieträger für die Heizung des Gebäudes enthält, wenn dies geschieht wie in der Immobilienanzeige der Beklagten in den „X“ vom 11.04.2015, die wie folgt wiedergegeben wird:
15,
16und/oder
17b) in Zeitungen Anzeigen für Immobilien, für die zu diesem Zeitpunkt ein Energieausweis vorliegt, vor deren Vermietung zu veröffentlichen, ohne sicherzustellen, dass die Immobilienanzeigen die gemäß § 16a EnEV erforderliche Pflichtangabe zum wesentlichen Energieträger für die Heizung des Gebäudes enthält, wenn dies geschieht wie in der Immobilienanzeige der Beklagten in den „X“ vom 11.04.2015, die wie folgt wiedergegeben wird:
18;
19- 20
2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn, den Kläger, 245,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.05.2015 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
22die Klage abzuweisen.
23Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die beiden Immobilienanzeigen seien inhaltlich nicht zu beanstanden. Sie habe die beiden Anzeigen in ihrer Eigenschaft als Maklerin veröffentlicht, in dieser Eigenschaft sei sie nicht verpflichtet, Angaben nach § 16a EnEV zu machen. Die Beklagte wendet sich ebenfalls gegen die Höhe der vom Kläger geforderten Abmahnkostenpauschale.
24Mit dem angefochtenen, am 25.11.2015 verkündeten Urteil hat die 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Münster der Klage in vollem Umfang stattgegeben.
25Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung. Sie wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen und beantragt,
26in Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
27Der Kläger beantragt,
28die Berufung zurückzuweisen.
29Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens.
30Soweit in den Gründen dieses Urteils Fundstellen in der Gerichtsakte angegeben sind, wird wegen der Einzelheiten auf die dort befindlichen Dokumente verwiesen.
31B.
32Die – zulässige – Berufung der Beklagten ist unbegründet. Das Landgericht hat der Klage zu Recht in vollem Umfang stattgegeben.
33I. Unterlassungsansprüche
341. Klageantrag zu 1.a)
35Es kann dahinstehen, ob dem Kläger der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte aus § 8 Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs. 1, § 3a UWG bzw. § 4 Nr. 11 UWG a.F. in Verbindung mit § 16a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EnEV zusteht. Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch findet seine Grundlage jedenfalls in § 8 Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs. 1, § 5a Abs. 2 UWG.
36a) Ob die Beklagte gegen § 16a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EnEV verstoßen hat, ist zweifelhaft.
37aa) Wird vor dem Verkauf eines mit einem Gebäude bebauten Grundstücks, eines grundstücksgleichen Rechts an einem bebauten Grundstück oder von Wohnungs- oder Teileigentum eine Immobilienanzeige in kommerziellen Medien aufgegeben und liegt – wie im vorliegenden Falle – zu diesem Zeitpunkt ein Energieausweis vor, so hat der Verkäufer gemäß § 16a Abs. 1 Satz 1 EnEV sicherzustellen, dass die Immobilienanzeige die in § 16a Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 bis 5 EnEV aufgeführten Pflichtangaben enthält. § 16a Abs. 1 EnEV ist gemäß § 16a Abs. 2 EnEV entsprechend anzuwenden auf den Vermieter, Verpächter und Leasinggeber bei Immobilienanzeigen zur Vermietung, Verpachtung oder zum Leasing eines Gebäudes, einer Wohnung oder einer sonstigen selbständigen Nutzungseinheit. Nach dem Wortlaut der Norm sind Adressaten der Informationspflicht mithin der Verkäufer, der Vermieter, der Verpächter bzw. der Leasinggeber. Eine Verpflichtung von Maklern ergibt sich aus dem Wortlaut des § 16a EnEV nicht.
38bb) § 16a EnEV dient der Umsetzung von Art. 12 Abs. 4 der Richtlinie 2010/31/EU. Dieser hat folgenden Wortlaut:
39„Die Mitgliedstaaten verlangen, dass bei Verkauf oder Vermietung von
40- Gebäuden, für die ein Ausweis über die Gesamtenergieeffizienz vorliegt,
- Gebäudeteilen in einem Gebäude, für das ein Ausweis über die Gesamtenergieeffízienz vorliegt, und
- Gebäudeteilen, für die ein Ausweis über die Gesamtenergieeffizienz vorliegt,
in den Verkaufs- oder Vermietungsanzeigen in den kommerziellen Medien der in dem Ausweis über die Gesamtenergieeffizienz des Gebäudes bzw. des Gebäudeteils angegebene Indikator der Gesamtenergieeffizienz genannt wird.“
42Art. 12 Abs. 4 der Richtlinie 2010/31/EU benennt nach seinem Wortlaut keinen Adressaten der Informationspflicht, sondern bestimmt das Medium bzw. den Ort der Informationserteilung („Verkaufs- oder Vermietungsanzeigen in den kommerziellen Medien“).
43cc) Vor diesem Hintergrund ist fraglich, ob die nationale Bestimmung des § 16a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 EnEV richtlinienkonform dahin ausgelegt werden muss, dass auch eine (unmittelbare) Informationsverpflichtung für einen vom Verkäufer bzw. Vermieter beauftragten Makler besteht (vgl. allgemein zur richtlinienkonformen Auslegung: Köhler/Bornkamm/Köhler, UWG, 34. Aufl. [2016], Einleitung zum UWG Rdnr. 3.13).
44In der Rechtsprechung wird diese Frage – soweit ersichtlich – bislang überwiegend bejaht (vgl. etwa LG Tübingen, Urteil vom 12.11.2015 – 20 O 60/15 –
Bei der richtlinienkonformen Auslegung bildet der Wortlaut der nationalen Regelung zwar keine Grenze (Köhler/Bornkamm/Köhler, a.a.O.); der Grundsatz der richtlinienkonformen Auslegung fordert auch, das nationale Recht, wo dies nötig und möglich ist, richtlinienkonform fortzubilden (BGH, NJW 2009, 427). Eine richterliche Rechtsfortbildung ist indes verfassungsrechtlich unzulässig, wenn sie, ausgehend von einer teleologischen Interpretation, den klaren Wortlaut des Gesetzes hintanstellt, ihren Widerhall nicht im Gesetz findet und vom Gesetzgeber nicht ausdrücklich oder – bei Vorliegen einer erkennbar planwidrigen Gesetzeslücke – stillschweigend gebilligt wird (BVerfG, NJW 2012, 669).
46Eine Erstreckung der Informationsverpflichtung auch auf den Makler könnte einen solchen Fall unzulässiger richterlicher Rechtsfortbildung darstellen. Dass der deutsche Verordnungsgeber eine unmittelbare Informationsverpflichtung von Immobilienmaklern nach § 16a EnEV begründen wollte, lässt sich weder dem Wortlaut noch den Materialien der Verordnung entnehmen. Dadurch, dass der Verordnungsgeber für den Wortlaut des § 16a Abs. 1 Satz 1 EnEV die Formulierung „hat der Verkäufersicherzustellen“ verwendet hat, soll verdeutlicht werden, dass der Verkäufer nicht nur bei Immobilienanzeigen, die er selbst aufgibt, Pflichtangaben machen muss, sondern auch in Fällen wie der Beauftragung eines Maklerbüros dafür Sorge zu tragen hat, dass die erforderlichen Pflichtangaben in der Immobilienanzeige gemacht werden (BR-Drucksache 113/13, Seite 97). Demnach liegt es nicht fern, dass der deutsche Verordnungsgeber bewusst von der Regelung einer unmittelbaren Verantwortlichkeit von Immobilienmaklern für die Erfüllung der Informationspflichten gemäß § 16a EnEV abgesehen hat. Für eine Erstreckung der Informationsverpflichtung auch auf den Makler im Wege richterlicher Rechtsfortbildung bestünde dann keine Grundlage. Letztlich bedarf dies indes hier keiner Entscheidung.
47b) Denn der geltend gemachte Unterlassungsanspruch findet seine Grundlage jedenfalls in § 8 Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs. 1, § 5a Abs. 2 UWG.
48aa) Da der Unterlassungsanspruch in die Zukunft gerichtet ist, muss das Verhalten der Beklagten sowohl nach dem zur Zeit der beanstandeten Zeitungsanzeige geltenden Recht als auch nach dem zur Zeit der Entscheidung durch den Senat geltenden Recht wettbewerbswidrig sein (vgl. BGH, GRUR 2016, 403 [Fressnapf]; BGH, Urteil vom 21.07.2016 – I ZR 26/15 – [LGA tested]
bb) § 5a Abs. 2 UWG ist mit Wirkung ab dem 10.12.2015 neu gefasst worden.
50Nach § 5a Abs. 2 UWG a.F. handelte unlauter, wer die Entscheidungsfähigkeit von Verbrauchern im Sinne des § 3 Abs. 2 UWG a.F. dadurch beeinflusste, dass er eine Information vorenthielt, die im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände einschließlich der Beschränkungen des Kommunikationsmittels wesentlich war.
51Nach der ab dem 10.12.2015 geltenden Rechtslage handelt gemäß § 5a Abs. 2 Satz 1 UWG unlauter, wer im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände dem Verbraucher eine wesentliche Information vorenthält, die dieser je nach den Umständen benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen (Nr. 1), und deren Vorenthalten geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte (Nr. 2). Gemäß § 5a Abs. 2 Satz 2 UWG gilt als Vorenthalten auch das Verheimlichen wesentlicher Informationen (Nr. 1), die Bereitstellung wesentlicher Informationen in unklarer, unverständlicher oder zweideutiger Weise (Nr. 2) und die nicht rechtzeitige Bereitstellung wesentlicher Informationen (Nr. 3).
52cc) Diese Neufassung des § 5a Abs. 2 UWG hat zu keiner für den vorliegenden Fall erheblichen Änderung der Rechtslage geführt (vgl. BGH, GRUR 2016, 403 [Fressnapf]; BGH, Urteil vom 21.07.2016 – I ZR 26/15 – [LGA tested]
(1) Die Beklagte hat dadurch, dass sie in der Zeitungsanzeige nicht den wesentlichen Energieträger für die Heizung des Gebäudes angegeben hat, gegen § 3 Abs. 2, § 5a Abs. 2 UWG a.F. verstoßen.
54Nach § 5a Abs. 2 UWG a.F. handelte unlauter, wer die Entscheidungsfähigkeit von Verbrauchern im Sinne des § 3 Abs. 2 UWG a.F. dadurch beeinflusste, dass er eine Information vorenthielt, die im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände einschließlich der Beschränkungen des Kommunikationsmittels wesentlich war.
55(a) Informationen zum wesentlichen Energieträger für die Heizung eines Gebäudes sind wesentlich im Sinne des § 5a Abs. 2 UWG a.F.
56Eine Information ist nicht allein schon dann wesentlich im Sinne des § 5a Abs. 2 UWG, wenn sie für die geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers von Bedeutung sein kann, sondern nur dann, wenn ihre Angabe unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen vom Unternehmer erwartet werden kann und ihr für die geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers zudem ein erhebliches Gewicht zukommt (vgl. BGH, GRUR 2012, 1275 [Zweigstellenbriefbogen]; BGH, Urteil vom 21.07.2016 – I ZR 26/15 – [LGA tested]
(aa) Bei der Beurteilung der Frage, ob eine Information als wesentlich im Sinne von § 5a Abs. 2 UWG anzusehen ist, ist das Interesse des Unternehmers zu berücksichtigen, die Information nicht zu erteilen. In die Interessenabwägung mit einzustellen sind der zeitliche und der kostenmäßige Aufwand des Unternehmers für die Beschaffung der Information, die für den Unternehmer mit der Informationserteilung verbundenen Nachteile sowie möglicherweise bestehende Geheimhaltungsbelange (BGH, Urteil vom 21.07.2016 – I ZR 26/15 – [LGA tested]
Ein schutzwürdiges Interesse der Beklagten, nicht über den wesentlichen Energieträger für die Heizung des Gebäudes zu informieren, ist nicht erkennbar. Ihr ist es zuzumuten, die verlangten Informationen zu erteilen. Für die Beschaffung der Informationen entsteht der Beklagten nur ein geringfügiger zeitlicher und kostenmäßiger Aufwand. Sie muss sich lediglich bei ihrem Auftraggeber nach diesen Informationen erkundigen, sich gegebenenfalls den Energieausweis vorlegen lassen und die betreffenden Angaben in den Text der Anzeige übernehmen.
59Die mit der Informationserteilung verbundenen Nachteile hat die Beklagte hinzunehmen. Der Verordnungsgeber schätzt die Mehrkosten, die durch die nach Maßgabe des § 16a EnEV vorgeschriebene Angabe energetischer Kennwerte entstehen, auf einen Betrag von 0,50 € bis 2,50 € pro Immobilienanzeige (je nachdem, in welchem [kommerziellen] Medium die Anzeige veröffentlicht wird) (vgl. BR-Drucksache 113/13, Seiten 71, 75 und 77). Dieser Bewertung schließt sich der Senat an. Die solchermaßen geschätzten Mehrkosten sind zumutbar.
60Überdies stehen die Beschränkungen des verwendeten Kommunikationsmittels – hier: Werbung mittels Zeitungsanzeige – der Erteilung der in Rede stehenden Informationen nicht entgegen. Die verlangten Angaben können stichwortartig erfolgen. Bei der Abfassung des Anzeigentextes können auch gegebenenfalls verständliche Abkürzungen verwendet werden (vgl. BR-Drucksache 113/13, Seite 98).
61Schließlich liegt kein schutzwürdiges Geheimhaltungsinteresse der Beklagten vor. Soweit die Erteilung der in § 16a Abs. 1 EnEV genannten Informationen bei ungünstiger energetischer Beschaffenheit des beworbenen Objekts dessen Vermarktung erschwert, kann dies nicht dazu führen, die Informationen als nicht wesentlich im Sinne von § 5a Abs. 2 UWG anzusehen. Dem steht bereits das Informationsinteresse der Verbraucher entgegen.
62(bb) Zwar begründet nicht jedes mögliche Interesse eines kritischen Verbrauchers an einer Information deren Wesentlichkeit im Sinne des § 5a Abs. 2 UWG. Erforderlich ist eine besondere Bedeutung für die vom Durchschnittsverbraucher zu treffende geschäftliche Entscheidung. Die Frage, ob eine Information für die geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers von besonderer Bedeutung ist, ist nach dem Erwartungs- und Verständnishorizont des Durchschnittsverbrauchers zu beurteilen (BGH, Urteil vom 21.07.2016 – I ZR 26/15 – [LGA tested]
Hinsichtlich eines Entschlusses zum Erwerb der angebotenen Immobilie ist es für den durchschnittlichen Verbraucher von erheblichem Interesse, Informationen zum wesentlichen Energieträger für die Heizung des Gebäudes zu erhalten. Dies ergibt sich bereits aus der in der Regelung des § 16a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EnEV zum Ausdruck kommenden Wertung. Auch wenn § 16a EnEV ausdrücklich nur den Verkäufer, Vermieter, Verpächter bzw. Leasinggeber als Adressaten der Informationspflichten nennt, ändert dies nichts daran, dass der Verordnungsgeber die in der Norm genannten Informationen als solche als wesentlich ansieht („Pflichtangaben“). Denn handelte es sich nur um unbedeutende Informationen, bedürfte es nicht der Regelung des § 16a EnEV. Für den Interessenten ist es von besonderer Bedeutung, möglichst frühzeitig einen Eindruck von der energetischen Qualität des angebotenen Gebäudes und damit zugleich die Möglichkeit zu einem überschlägigen Vergleich der Kosten für Heizwärme mit anderen Immobilienangeboten zu erhalten (vgl. BR-Drucksache 113/13, Seite 99). Dieses Informationsbedürfnis wird durch die in § 16a EnEV vorgesehenen Angaben zum Endenergiebedarf bzw. -verbrauch, ergänzt um die Informationen zu den wesentlichen Energieträgern, umgesetzt. Die im Energieausweis genannten Energieträger sind erforderlich, um einen Eindruck der überschlägigen Kosten je Kilowattstunde benötigter Energie zu erhalten, da sich die Kosten je nach Energieträger erheblich unterscheiden können (vgl. BR-Drucksache 113/13, Seite 99).
64(b) Die Beklagte hat den Verbrauchern Informationen zum wesentlichen Energieträger für die Heizung des Gebäudes vorenthalten.
65Der Unternehmer enthält dem Verbraucher eine Information vor, wenn dieser sie nicht oder nicht so erhält, dass er sie bei seiner geschäftlichen Entscheidung berücksichtigen kann. Insoweit ist es allerdings erforderlich, dass die betreffende Information zum Geschäfts- und Verantwortungsbereich des Unternehmers gehört oder in sonstiger Weise für ihn verfügbar ist (BGH, Urteil vom 21.07.2016 – I ZR 26/15 – [LGA tested]
Die Zeitungsanzeige vom 11.04.2015 enthält keine Angaben zum wesentlichen Energieträger für die Heizung des Gebäudes. Die diesbezüglichen Informationen waren für die Beklagte angesichts des unstreitig vorliegenden Energieausweises auch verfügbar.
67(c) Es liegt auch eine spürbare Beeinträchtigung im Sinne von § 3 Abs. 2 UWG a.F. vor. Mit der Bejahung der Wesentlichkeit der vorenthaltenen Informationen sind jedenfalls nach der bis zum 09.12.2015 geltenden Rechtslage unwiderleglich auch die Erfordernisse des § 3 Abs. 2 UWG a.F. erfüllt, weil sich die Wesentlichkeit nach § 5a Abs. 2 UWG gerade dadurch definiert, dass der Verbraucher „im Sinne des § 3 Abs. 2 beeinflusst“ wird (Köhler/Bornkamm/Bornkamm, UWG, 33. Aufl. [2015], § 5a Rdnr. 56).
68(2) Das geschäftliche Handeln der Beklagten ist auch nach der neuen Fassung des § 5a Abs. 2 UWG unlauter und damit nach § 3 Abs. 1 UWG unzulässig.
69(a) Der Verbraucher benötigt nach den Umständen die Information über den wesentlichen Energieträger für die Heizung des Gebäudes, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen (§ 5a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UWG).
70„Geschäftliche Entscheidung“ ist jede Entscheidung eines Verbrauchers oder sonstigen Marktteilnehmers darüber, ob, wie und unter welchen Bedingungen er ein Geschäft abschließen, eine Zahlung leisten, eine Ware oder Dienstleistung behalten oder abgeben oder ein vertragliches Recht im Zusammenhang mit einer Ware oder Dienstleistung ausüben will, unabhängig davon, ob der Verbraucher oder sonstige Marktteilnehmer sich entschließt, tätig zu werden (§ 2 Abs. 1 Nr. 9 UWG). Die in Rede stehenden Informationen benötigt der Verbraucher, um beurteilen zu können, ob das angebotene Mietobjekt seinen Erwartungen in energetischer Hinsicht entspricht. Auf die obigen Ausführungen wird insoweit verwiesen.
71(b) Das Vorenthalten der betreffenden Informationen ist geeignet, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Handlung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte (§ 5a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UWG). Die unzureichenden energiebezogenen Informationen können den Verbraucher dazu veranlassen, aufgrund der Immobilienanzeige Kontakt zu der Beklagten aufzunehmen. Diese Entscheidung hätte der Verbraucher gegebenenfalls nicht getroffen, wenn er sich anhand der Angaben zum wesentlichen Energieträger für die Heizung des Gebäudes bereits aufgrund der Immobilienanzeige näher über die energiebezogenen Eigenschaften der Immobilie hätte informieren können.
72c) Das Bestehen einer Wiederholungsgefahr wird aufgrund des vorliegenden Wettbewerbsverstoßes tatsächlich vermutet. Umstände, die geeignet sind, diese Vermutung zu widerlegen, sind nicht ersichtlich.
73d) Nicht zu überzeugen vermag schließlich die Argumentation der Beklagten, Verstöße gegen § 16a EnEV könnten erst ab dem 01.05.2015 als unlautere geschäftliche Handlung gewertet werden, weil der für Verstöße gegen § 16a EnEV (der als solcher bereits seit dem 01.05.2014 in Kraft ist) geschaffene Ordnungswidrigkeitentatbestand (§ 27 Abs. 2 Nr. 6 EnEV) erst am 01.05.2015 in Kraft getreten sei. Dass ein bestimmtes Verhalten als Ordnungswidrigkeit verfolgbar ist, ist keine Voraussetzung für seine Qualifikation als Wettbewerbsverstoß.
742. Klageantrag zu 1.b)
75Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch findet seine Grundlage ebenfalls in § 8 Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs. 1, § 5a Abs. 2 UWG. Der Klageantrag zu 1.b) betrifft eine Immobilienanzeige zum Zwecke der Vermietung. Für ein solches Immobiliengeschäft gelten die obigen Ausführungen gleichermaßen, wie sich insbesondere aus der in § 16a Abs. 2 EnEV zum Ausdruck kommenden Wertung ergibt.
76II. Zahlungsanspruch
77Der vom Kläger geltend gemachte Zahlungsanspruch findet seine Grundlage in § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG. Die vom Kläger ausgesprochene Abmahnung war berechtigt. Die Höhe der vom Kläger geforderten Abmahnkostenpauschale ist im Rahmen der vom Senat nach § 287 Abs. 2 ZPO vorgenommenen Schätzung nicht zu beanstanden. Die vom Kläger als Anlage K7 vorgelegte Kostenaufstellung mag angesichts der hiergegen von der Beklagten erhobenen Einwände nicht als endgültiger Beleg für die dem Kläger (durchschnittlich) entstehenden Abmahnkosten geeignet sein. Sie ist indes zumindest eine im Rahmen des § 287 Abs. 2 ZPO ausreichende Schätzgrundlage.
78Der Zinsanspruch beruht auf § 288 Abs. 1 BGB.
79C.
80Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
81Die Zulassung der Revision beruht auf § 543 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 und 2 ZPO.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Klägerin, ein regionales Energieversorgungsunternehmen, verlangt von dem Beklagten die Zahlung restlichen Entgelts für Erdgaslieferungen.
- 2
- Der Beklagte bezieht seit Jahren von der Klägerin leitungsgebunden Erdgas für seinen privaten Haushalt. Die Klägerin gruppierte den Beklagten aufgrund einer kundenbegünstigenden, mengenabhängigen Bestabrechnung und aufgrund einer Mindestpreisregelung in den - nicht mit Sonderbedingungen versehenen - "Heizgas- und Vollversorgungstarif II" ein. Der genannte Tarif ist in den für den streitgegenständlichen Zeitraum geltenden Preisblättern der Klägerin als einer von vier Allgemeinen Tarifen für die (Grund- und Ersatz-) Versorgung mit Erdgas ausgewiesen.
- 3
- Die Klägerin erhöhte zum 1. Januar 2005 den Arbeitspreis von bisher 3,34 ct/kWh netto auf 3,69 ct/kWh netto und machte dies vorher öffentlich bekannt. Der Beklagte widersprach der beabsichtigten Preiserhöhung mit Schreiben vom 17. Dezember 2004 und forderte die Klägerin auf, die Erforderlichkeit und Angemessenheit der Preiserhöhung durch Offenlegung ihrer Kalkulationsgrundlagen darzulegen. Mit Schreiben vom 23. Mai 2005 teilte er der Klägerin weiter mit, dass er seinen Widerspruch aufrechterhalte und daher Zahlungen allein auf der Grundlage des bisherigen Preises zuzüglich eines Zuschlags von 2 % leisten werde.
- 4
- In der Folgezeit erhöhte die Klägerin - jeweils nach vorheriger öffentlicher Bekanntgabe - drei weitere Male ihren Arbeitspreis. Zum 1. Oktober 2005 erhöhte sie den Preis auf 4,13 ct/kWh netto, zum 1. Januar 2006 auf 4,53 ct/kWh netto und zum 1. Oktober 2006 auf 5,00 ct/kWh netto. Mit Wirkung zum 1. März 2007 senkte sie den Arbeitspreis auf 4,70 ct/kWh netto.
- 5
- Der Beklagte zahlte auf die Jahresabrechnungen der Klägerin vom 22. Juni 2005, vom 23. Juni 2006, vom 22. Juni 2007 und vom 23. Juni 2008 nur die im Schreiben vom 23. Mai 2005 angekündigten Beträge.
- 6
- Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin Zahlung des rückständigen Betrags aus den genannten Jahresabrechnungen in Höhe von 1.533,19 € nebst Zinsen. Die Klägerin macht geltend, Grund für die vorstehend genannten Preisänderungen seien jeweils Änderungen ihrer Bezugskosten gewesen, wobei sie mit den Preiserhöhungen ihre gestiegenen Bezugspreise nicht einmal in vollem Umfang weitergegeben habe.
- 7
- Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und der Klage stattgegeben. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt der Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe:
- 8
- Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
- 9
- Das Berufungsgericht (OLG Düsseldorf, Urteil vom 21. Dezember 2011 - VI-3 U (Kart) 4/11, juris) hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
- 10
- Die Klägerin habe gemäß § 433 Abs. 2 BGB Anspruch auf Zahlung der ausstehenden Rechnungsbeträge in Höhe von 1.533,19 €. Sie sei gemäß § 4 Abs. 1, 2 AVBGasV berechtigt gewesen, die Gaspreise zu den von ihr gewählten Zeitpunkten in der erfolgten Weise anzupassen.
- 11
- Der Beklagte sei jedenfalls in dem Zeitraum, in dem die genannten Preiserhöhungen erfolgt seien, nicht als Normsonderkunde, sondern als Tarifkunde im Sinne von § 1 Abs. 2 AVBGasV beziehungsweise als Haushaltskunde im Rahmen der Grundversorgung nach § 1 Abs. 1, 2 GasGVV einzustufen. Aus der maßgeblichen Sicht eines durchschnittlichen Abnehmers habe die Klägerin den Beklagten spätestens ab dem 1. Januar 2005 im Rahmen ihrer Versorgungspflicht nach den genannten Vorschriften, also aufgrund eines Tarifbeziehungsweise eines Grundversorgungsvertrags zu einem allgemeinen Tarif leitungsgebunden mit Gas beliefert. Dabei sei der Beklagte aufgrund einer kundenbegünstigenden Bestabrechnung und einer Mindestpreisregelung unter mehreren zur Auswahl stehenden allgemeinen Tarifen in den "Heizgas- und Vollversorgungstarif II" eingestuft worden. Ein Gasversorgungsunternehmen sei nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht darauf beschränkt, nur einen allgemeinen Tarif anzubieten.
- 12
- Die Klägerin sei daher aufgrund des in § 4 Abs. 1, 2 AVBGasV beziehungsweise des in § 5 Abs. 2 GasGVV geregelten Preisänderungsrechts zur Vornahme der erfolgten Preisänderungen berechtigt gewesen. Europarechtliche Vorgaben stünden der Anwendbarkeit der genannten Bestimmungen nicht entgegen. Die Anwendbarkeit der Bestimmung des § 4 Abs. 1, 2 AVBGasV und der Nachfolgeregelung des § 5 Abs. 2 GasGVV werde nicht dadurch in Zweifel gezogen, dass der Bundesgerichtshof die Frage, ob die Vorschrift des § 4 Abs. 1, 2 AVBGasV den europarechtlichen Transparenzanforderungen an Preisänderungsklauseln in der Richtlinie 2003/55/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Mai 2003 über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt (Gasrichtlinie) genüge, dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Klärung vorgelegt habe.
- 13
- Denn selbst wenn der Gerichtshof der Europäischen Union die Europarechtskonformität des § 4 Abs. 1, 2 AVBGasV für das Tarifkundenverhältnis wider Erwarten nicht bestätigen sollte, wären die Preisanpassungen der Klägerin nicht ohne weiteres unwirksam, weil den Versorgern dann im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung ein Preisanpassungsrecht zugestanden werden müsse. Da ein Energieversorger einen Grundversorgungsvertrag im Hinblick auf die ihn nach § 36 Abs. 1 EnWG treffende Pflicht zur Aufrechterhaltung des Vertrags nicht wirksam kündigen könne, sei ihm der damit verbundene Eingriff in die Privatautonomie nur in Verbindung mit einer Preisanpassungsberechtigung zumutbar.
- 14
- Die von der Klägerin nach § 4 Abs. 1, 2 AVBGasV beziehungsweise nach § 5 Abs. 2 GasGVV vorgenommenen Preisanpassungen seien billig im Sinne des § 315 BGB, denn es seien entsprechende Bezugskostensteigerungen erfolgt, ohne dass in anderen Kostenpositionen Einsparungen hätten erzielt werden können. Dies habe die in zweiter Instanz durchgeführte Beweisaufnahme durch Vernehmung mehrerer Zeugen - darunter zwei (externe) Wirtschaftsprüfer , der Leiter des Finanz- und Rechnungswesens der Klägerin und deren ehemaliger Center-Leiter Energie- und Wasserwirtschaft - ergeben. Die Beweisaufnahme habe sogar die Behauptung der Klägerin bestätigt, dass diese ihre Bezugskostensteigerungen in keinem Gaswirtschaftsjahr in voller Höhe an ihre Gaskunden weitergegeben habe. Einer Einholung eines Sachverständigengutachtens habe es gemäß § 287 Abs. 2 ZPO nicht bedurft, weil der damit verbundene zeitliche und finanzielle Aufwand in keinem Verhältnis zur Klageforderung stehe. Außerdem sei es für die anzustellende Billigkeitsprüfung nicht erforderlich, die Preisbildung des Versorgers durch einen Sachverständigen mathematisch genau nachbilden zu lassen, wenn sich das Gericht - wie hier - durch Vernehmung von (sachkundigen) Zeugen die Überzeugung verschaffen könne, dass eine angemessene Preisbildung erfolgt sei.
- 15
- Die (streitige) Frage, ob bei mehreren beanstandeten Tarifpreiserhöhungen jede Erhöhung für sich an § 315 BGB zu messen sei oder ob sich ihre Billigkeit nach einer Gesamtbetrachtung bestimme, sei dahingehend zu beantworten , dass es jeweils auf die in einem Gaswirtschaftsjahr (1. Oktober, 6 Uhr, bis zum 1. Oktober, 5.59 Uhr, des Folgejahres) vorgenommenen Preisänderungen ankomme. Eine nur die einzelne Preiserhöhung in den Blick nehmende Billigkeitsprüfung werde den tatsächlichen Gegebenheiten in der Gaswirtschaft nicht gerecht. Folglich sei eine einzelne Erhöhung des Arbeitspreises, die durch den bei ihrer Festsetzung prognostizierten, aber tatsächlich nicht in dem erwarteten Umfang eingetretenen Anstieg der Bezugskosten nicht vollständig abgedeckt werde, dennoch nicht unbillig, wenn in dem Gaswirtschaftsjahr insgesamt ein angemessenes Verhältnis zwischen Tarif- und Bezugskostenerhöhung erzielt werde.
II.
- 16
- Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand. Die Revision ist daher zurückzuweisen.
- 17
- Das Berufungsgericht hat der Klägerin im Ergebnis zu Recht einen Anspruch aus § 433 Abs. 2 BGB in Verbindung mit dem Gaslieferungsvertrag der Parteien auf Zahlung restlichen Entgelts in Höhe von 1.533,19 € nebst Zinsen für die in den Jahresabrechnungen der Klägerin von 2005 bis 2008 abgerechneten Gaslieferungen zuerkannt. Allerdings war die Klägerin entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts im Rahmen des hier vorliegenden Tarifkundenvertrags nicht schon deswegen zu einer Erhöhung des Arbeitspreises berechtigt , weil nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dem - hier maßgeblichen - § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV ein nur den in dieser Vorschrift genannten Wirksamkeitserfordernissen unterliegendes gesetzliches Recht entnommen worden ist, die Preise einseitig nach billigem Ermessen zu ändern. Denn an der vorbezeichneten Rechtsprechung kann nach dem auf Vorlage des Senats ergangenen Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (im Folgenden: Gerichtshof) vom 23. Oktober 2014 (Rs. C-359/11 und C-400/11, NJW 2015, 849 - Schulz und Egbringhoff) nicht festgehalten werden, da § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV nicht mit den Transparenzanforderungen der Gas-Richtlinie 2003/55/EG vereinbar ist. Ein diesen Transparenzanforderungen entsprechendes gesetzliches Preisänderungsrecht des Gasversorgungsunternehmens im Tarifkundenbereich kann auch nicht aus einer richtlinienkonformen Auslegung des § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV oder der die Grundversorgung betreffenden Vorschriften des - der AVBGasV zugrundeliegenden - Energiewirtschaftsgesetzes hergeleitet werden, da eine solche Auslegung über den erkennbaren Willen des (nationalen) Gesetz- und Verordnungsgebers hinausginge. Eine unmittelbare Anwendung der Transparenzanforderungen der GasRichtlinie 2003/55/EG kommt im vorliegenden Fall ebenfalls nicht in Betracht.
- 18
- Jedoch ergibt sich aus einer gebotenen ergänzenden Vertragsauslegung (§§ 157, 133 BGB) des Gaslieferungsvertrages der Parteien, dass die Klägerin berechtigt ist, Kostensteigerungen ihrer eigenen (Bezugs-)Kosten während der Vertragslaufzeit an den Beklagten weiterzugeben, und sie verpflichtet ist, bei einer Tarifanpassung Kostensenkungen ebenso zu berücksichtigen wie Kostenerhöhungen. Hiervon ausgehend war die Klägerin zu den streitgegenständlichen Erhöhungen des Arbeitspreises berechtigt und begegnen diese, wie das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler festgestellt hat, auch der Höhe nach keinen Bedenken.
- 19
- 1. Das Berufungsgericht hat den Energielieferungsvertrag der Parteien - entgegen der Auffassung der Revision - rechtsfehlerfrei als einen Tarifkundenvertrag (jetzt: Grundversorgungsvertrag) angesehen.
- 20
- a) Nach der Rechtsprechung des Senats kommt es für die Frage, ob es sich bei öffentlich bekannt gemachten Vertragsmustern und Preisen um Tarifbeziehungsweise Grundversorgungsverträge mit allgemeinen Tarifpreisen im Sinne von § 6 Abs. 1 des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWiG 1935) in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 752-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, Allgemeinen Tarifen im Sinne von § 10 Abs. 1 des Energiewirtschaftsgesetzes vom 24. April 1998 (BGBl. I S. 730; im Folgenden: EnWG 1998) oder Allgemeinen Preisen im Sinne von § 36 Abs. 1 des Gesetzes über die Elektrizitäts- und Gasversorgung (Energiewirtschaftsgesetz - EnWG) vom 7. Juli 2005 (BGBl. I S. 1970; im Folgenden: EnWG 2005) handelt, darauf an, ob das betreffende Versorgungsunternehmen die Versorgung zu den öffentlich bekannt gemachten Bedingungen und Preisen - aus der Sicht eines durchschnittlichen Abnehmers - im Rahmen einer Versorgungspflicht nach den genannten Vorschriften oder unabhängig davon im Rahmen der allgemeinen Vertragsfreiheit anbietet (st. Rspr.; Senatsurteile vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 225/07, BGHZ 182, 59 Rn. 14; vom 14. Juli 2010 - VIII ZR 246/08, BGHZ 186, 180 Rn. 26; vom 9. Februar 2011 - VIII ZR 295/09, NJW 2011, 1342 Rn. 23; vom 11. Mai 2011 - VIII ZR 42/10, NJW 2011, 2736 Rn. 32 mwN, insoweit in BGHZ 189, 356 nicht abgedruckt). Ersteres ist hier nach den rechtsfehlerfreien und von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts der Fall.
- 21
- b) Wie das Berufungsgericht ebenfalls zutreffend erkannt hat, steht es nach der Rechtsprechung des Senats einem Energieversorgungsunternehmen auch im Rahmen der Grundversorgung frei, verschiedene Tarife anzubieten, und zwar auch solche, bei denen - wie hier - die Tarifeinstufung automatisch nach dem Prinzip der Bestpreisabrechnung erfolgt (Senatsurteile vom 14. Juli 2010 - VIII ZR 246/08, aaO Rn. 27; vom 11. Mai 2011 - VIII ZR 42/10, aaO; vom 31. Juli 2013 - VIII ZR 162/09, BGHZ 198, 111 Rn. 34).
- 22
- 2. Im Ergebnis rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht angenommen, dass der Klägerin im Rahmen des Tarifkundenvertrags der Parteien das Recht zustand, den Arbeitspreis in dem streitgegenständlichen Umfang zu erhöhen.
- 23
- a) Der Senat hat ein berechtigtes Interesse (auch) von Gasversorgungsunternehmen , Kostensteigerungen während der Vertragslaufzeit an ihre Kunden weiterzugeben, grundsätzlich anerkannt (st. Rspr.; Senatsurteile vom 14. Mai 2014 - VIII ZR 114/13, BGHZ 201, 230 Rn. 35; vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 225/07, aaO Rn. 22, und VIII ZR 56/08, BGHZ 182, 41 Rn. 24). Für den Tarifkundenbereich hat der Senat bis zu seinem Vorabentscheidungsersuchen in der Sache VIII ZR 71/10 (Senatsbeschluss vom 18. Mai 2011, ZIP 2011, 1620) der - hier gemäß § 115 Abs. 2 Satz 3 EnWG 2005 und der Übergangsregelung in § 23 der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Grundversorgung von Haushaltskunden und die Ersatzversorgung mit Gas aus dem Niederdrucknetz (Gasgrundversorgungsverordnung - GasGVV) vom 26. Oktober 2006 (BGBl. I S. 2391) maßgeblichen - Vorschrift des § 4 Abs. 1 und 2 der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Gasversorgung von Tarifkunden vom 21. Juni 1979 (BGBl. I S. 676 - AVBGasV) entnommen, dass dem Gasversorgungsunternehmen das Recht zusteht, Preise nach billigem Ermessen (§ 315 BGB) zu ändern (st. Rspr.; siehe nur Senatsurteile vom 13. Juni 2007 - VIII ZR 36/06, BGHZ 172, 315 Rn. 14 ff.; vom 19. November 2008 - VIII ZR 138/07, BGHZ 178, 362 Rn. 26; vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 56/08, aaO Rn. 18 ff.; ebenso BGH, Urteil vom 29. April 2008 - KZR 2/07, BGHZ 176, 244 Rn. 26, 29). Weiter hat er aus dieser Vorschrift abgeleitet, dass den Gasversorger aufgrund der gesetzlichen Bindung des allgemeinen Tarifs an den Maßstab der Billigkeit zugleich die Rechtspflicht trifft, bei einer Preisänderung Kostensenkungen ebenso und nach gleichen Maßstäben zu berücksichtigen wie Kostenerhöhungen (Senatsurteile vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 225/07, aaO Rn. 28; vom 13. Januar 2010 - VIII ZR 81/08, WM 2010, 481 Rn. 18; jeweils mwN; ebenso BGH, Urteil vom 29. April 2008 - KZR 2/07, aaO Rn. 26).
- 24
- aa) In § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV war bestimmt, dass das Gasversorgungsunternehmen zu den jeweiligen allgemeinen Tarifen und Bedingungen Gas zur Verfügung stellt und dass Änderungen der allgemeinen Tarife und Bedingungen erst nach öffentlicher Bekanntgabe wirksam werden. Mit der Einfügung des Wortes "jeweiligen" sollte nach der Begründung des Verordnungsge- bers (BR-Drucks. 77/79, S. 34, 38) ausdrücklich klargestellt werden, dass das Versorgungsunternehmen die Möglichkeit hat, die allgemeinen Tarife durch öffentliche Bekanntgabe gleitend, das heißt ohne Kündigung, zu ändern. In der Begründung zu § 4 AVBGasV heißt es hierzu (aaO, S. 38): "Nach Absatz 1 sind die GVU [Gasversorgungsunternehmen] verpflichtet , die Kunden zu den 'jeweiligen' allgemeinen Tarifen und Bedingungen , wozu auch diejenigen Regelungen gehören, die sie in Ausfüllung der vorliegenden Verordnung vorsehen, zu versorgen. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass sich z.B. Tarifänderungen ohne entsprechende Kündigungen der laufenden Verträge nach öffentlicher Bekanntgabe (Absatz 2) vollziehen können. Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass es sich um Massenschuldverhältnisse mit langfristiger Vertragsbindung handelt. Die GVU müssen die Möglichkeit haben, Kostensteigerungen während der Vertragslaufzeit in den Preisen an die Kunden weiterzugeben. Entsprechende Vertragskündigungen, verbunden mit dem Neuabschluss von Verträgen, würden hier vor allem zu praktischen Schwierigkeiten führen [...]"
- 25
- Daraus hat der Senat hergeleitet, dass § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV, auch wenn darin ein Preisänderungsrecht nicht ausdrücklich kodifiziert ist, den Gasversorgungsunternehmen im Bereich der Versorgung von Tarifkunden ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht gewährt (Senatsurteile vom 13. Juni 2007 - VIII ZR 36/06, aaO; vom 19. November 2008 - VIII ZR 138/07, aaO; vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 56/08, aaO Rn. 19 f.; ebenso BGH, Urteil vom 29. April 2008 - KZR 2/07, aaO Rn. 26, 29).
- 26
- bb) Diese Vorschriften sind mit Wirkung zum 8. November 2006 durch § 5 Abs. 2 GasGVV ersetzt worden, ohne dass sich dadurch in der Sache etwas ändern sollte (Senatsurteil vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 56/08, aaO Rn. 20; vgl. BR-Drucks. 306/06, S. 25 f., 43). Nach § 6 Abs. 1 Satz 2 GasGVV ist der Grundversorger auch weiterhin nur verpflichtet, dem Kunden zu den jeweiligen Allgemeinen Preisen und Bedingungen Gas zur Verfügung zu stellen. Entsprechend geht § 17 Abs. 1 Satz 3 GasGVV davon aus, dass Allgemeine Preise für Gas auf einer einseitigen Leistungsbestimmung durch den Versorger beruhen können, die der Kunde nach § 315 BGB auf ihre Billigkeit hin überprüfen lassen kann (Senatsurteil vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 56/08, aaO).
- 27
- b) Da die im Streitfall maßgebliche Regelung des § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV hinsichtlich Anlass, Voraussetzungen und Umfang des dem Versorgungsunternehmen zustehenden einseitigen Leistungsbestimmungsrechts (vgl. hierzu Senatsurteile vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 225/07, aaO Rn. 23, und VIII ZR 56/08, aaO Rn. 26; vom 14. Juli 2010 - VIII ZR 246/08, aaO Rn. 33; jeweils mwN) keine näheren tatbestandlichen Konkretisierungen enthält, hängt die Möglichkeit, dieser Vorschrift im Auslegungswege ein wirksames Preisänderungsrecht zu entnehmen, davon ab, ob solche tatbestandlichen Konkretisierungen von Art. 3 Abs. 3 Satz 4 bis 6 in Verbindung mit Anhang A Buchst. b oder c der Richtlinie 2003/55/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2003 über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 98/30/EG (ABl. Nr. L 176, S. 57; im Folgenden : Gas-Richtlinie; aufgehoben zum 3. März 2011 durch Art. 53 der Richtlinie 2009/73/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/55/EG, ABl. Nr. L 211, S. 94) gefordert werden (vgl. Senatsbeschluss vom 18. Mai 2011 - VIII ZR 71/10, aaO Rn. 6).
- 28
- aa) Der Senat hat deshalb mit vorgenanntem Beschluss vom 18. Mai 2011 dem Gerichtshof folgende Fragen gemäß Art. 267 AEUV zur Vorabentscheidung vorgelegt: "Ist Art. 3 Abs. 3 in Verbindung mit Anhang A Buchst. b und/oder c der Richtlinie 2003/55/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2003 über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 98/30/EG dahin auszulegen, dass eine nationale gesetzliche Regelung über Preisänderungen in Erd- gaslieferungsverträgen mit Haushalts-Kunden, die im Rahmen der allgemeinen Versorgungspflicht beliefert werden (Tarifkunden), den Anforderungen an das erforderliche Maß an Transparenz genügt, wenn in ihr Anlass, Voraussetzungen und Umfang einer Preisänderung zwar nicht wiedergegeben sind, jedoch sichergestellt ist, dass das Gasversorgungsunternehmen seinen Kunden jede Preiserhöhung mit angemessener Frist im Voraus mitteilt und den Kunden das Recht zusteht, sich durch Kündigung vom Vertrag zu lösen, wenn sie die ihnen mitgeteilten geänderten Bedingungen nicht akzeptieren wollen?"
- 29
- bb) Der Gerichtshof hat diese Frage sowie die ihm durch Senatsbeschluss vom 29. Juni 2011 (VIII ZR 211/10, RdE 2011, 372) vorgelegte, zu gemeinsamer Entscheidung verbundene gleichlautende Frage zu § 4 Abs. 1 und 2 der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Elektrizitätsversorgung von Tarifkunden vom 21. Juni 1979 (BGBl. I S. 684 - AVBEltV) beziehungsweise zu § 5 Abs. 2 der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Grundversorgung von Haushaltskunden und die Ersatzversorgung mit Elektrizität aus dem Niederspannungsnetz vom 26. Oktober 2006 (Stromgrundversorgungsverordnung - StromGVV, BGBl. I S. 2391) und zu Art. 3 Abs. 5 Satz 3 bis 5 in Verbindung mit Anhang A Buchst. b oder c der Richtlinie 2003/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2003 über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 96/92/EG (ABl. Nr. L 176, S. 37) mit Urteil vom 23. Oktober 2014 (Rs. C-359/11 und C-400/11, aaO - Schulz und Egbringhoff) wie folgt beantwortet: "Art. 3 Abs. 5 in Verbindung mit Anhang A der Richtlinie 2003/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2003 über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 96/92/EG und Art. 3 Abs. 3 in Verbindung mit Anhang A der Richtlinie 2003/55/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2003 über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 98/30/EG sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegenstehen, die den Inhalt von unter die allgemeine Versorgungspflicht fallenden Verbraucherverträgen über Strom- und Gaslieferungen bestimmt und die Möglichkeit vorsieht, den Tarif dieser Lieferungen zu ändern, aber nicht gewährleistet, dass die Verbraucher rechtzeitig vor Inkrafttreten dieser Änderung über deren Anlass , Voraussetzungen und Umfang informiert werden."
- 30
- Zur Begründung hat der Gerichtshof im Wesentlichen ausgeführt:
- 31
- Neben den in den beiden Vorabentscheidungsersuchen des Senats genannten Richtlinien (Gas-Richtlinie und Strom-Richtlinie) finde hier - anders als in dem ebenfalls auf Vorlage des Senats (vgl. Senatsbeschluss vom 9. Februar 2011 - VIII ZR 162/09, WM 2011, 850) ergangenen, Gaslieferungsverträge mit Sonderkunden betreffenden Urteil des Gerichtshofs vom 21. März 2013 (Rs. C-92/11, NJW 2013, 2253 - RWE Vertrieb AG; vgl. hierzu Senatsurteil vom 31. Juli 2013 - VIII ZR 162/09, aaO Rn. 46 ff.) - nicht auch die Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (ABl. Nr. L 95, S. 29; im Folgenden: Klausel-Richtlinie), Anwendung. Denn nach Art. 1 der Klausel-Richtlinie unterlägen Vertragsklauseln, die - wie hier - auf bindenden Rechtsvorschriften beruhten, nicht den Bestimmungen dieser Richtlinie (Rn. 51 f.).
- 32
- Zweck der Gas-Richtlinie und der Strom-Richtlinie sei die Verbesserung der Funktionsweise des Elektrizitäts- und des Gasbinnenmarkts. Ein nichtdiskriminierender , transparenter und zu angemessenen Preisen gewährleisteter Netzzugang sei Voraussetzung für einen funktionierenden Wettbewerb und von größter Bedeutung für die Vollendung des Elektrizitäts- und des Gasbinnenmarkts. Den Bestimmungen der vorgenannten Richtlinien lägen Belange des Verbraucherschutzes zugrunde. Diese Belange stünden in engem Zusammenhang sowohl mit der Liberalisierung der in Rede stehenden Märkte als auch mit dem ebenfalls mit diesen Richtlinien verfolgten Ziel, eine stabile Elektrizitätsund Gasversorgung zu gewährleisten (Rn. 39 f.).
- 33
- Art. 3 Abs. 3 der Gas-Richtlinie und Art. 3 Abs. 5 der Strom-Richtlinie enthielten die Bestimmungen, die die Erreichung des vorstehend genannten Ziels ermöglichten. Aus dem Wortlaut dieser Vorschriften gehe hervor, dass die Mitgliedstaaten geeignete Maßnahmen zum Schutz der Endkunden zu ergreifen und insbesondere dafür Sorge zu tragen hätten, dass für schutzbedürftige Kunden ein angemessener Schutz bestehe (Rn. 42). Da die Strom- und Gasversorger , wenn sie - wie hier - als Versorger letzter Instanz handelten, verpflichtet seien, im Rahmen der durch die nationalen Rechtsvorschriften auferlegten Verpflichtungen mit allen Kunden, die darum ersuchten und die dazu berechtigt seien, zu den in diesen Rechtsvorschriften vorgesehenen Bedingungen Verträge zu schließen, seien allerdings die wirtschaftlichen Interessen dieser Versorger insoweit zu berücksichtigen, als sie sich die andere Vertragspartei nicht aussuchen und den Vertrag nicht beliebig beenden könnten (Rn. 44). Was zum anderen konkret die Rechte der Kunden betreffe, müssten die Mitgliedstaaten nach den oben genannten Vorschriften der Richtlinien in Bezug auf die Transparenz der allgemeinen Vertragsbedingungen einen hohen Verbraucherschutz gewährleisten (Rn. 45). Den Kunden müsse neben ihrem in Anhang A Buchst. b beider Richtlinien verankerten Recht, sich vom Liefervertrag zu lösen, auch die Befugnis erteilt werden, gegen Änderungen der Lieferpreise vorzugehen (Rn. 46).
- 34
- Um diese Rechte in vollem Umfang und tatsächlich nutzen und in voller Sachkenntnis eine Entscheidung über eine mögliche Lösung vom Vertrag oder ein Vorgehen gegen die Änderung des Lieferpreises treffen zu können, müssten die Kunden rechtzeitig vor dem Inkrafttreten dieser Änderung über deren Anlass, Voraussetzungen und Umfang informiert werden (Rn. 47). Folglich genüge eine nationale Regelung wie die im Ausgangsverfahren fragliche, die nicht gewährleiste, dass einem Haushaltskunden die vorstehend angeführte Information rechtzeitig übermittelt werde, den in der Gas-Richtlinie und in der StromRichtlinie aufgestellten Anforderungen nicht (Rn. 48).
- 35
- c) An dieses Auslegungsergebnis sind die nationalen Gerichte gebunden. Deshalb kann - entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung - an der bisherigen Sichtweise des Senats, wonach § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV ein gesetzliches Preisänderungsrecht zu entnehmen ist, dessen wirksame Ausübung an keine weiteren als die in dieser Vorschrift genannten Voraussetzungen geknüpft ist, jedenfalls für die Zeit nach Ablauf der gemäß Art. 33 Abs. 1 der GasRichtlinie bis zum 1. Juli 2004 reichenden Frist zu deren Umsetzung nicht mehr festgehalten werden.
- 36
- d) Im Wege einer richtlinienkonformen Auslegung oder einer richtlinienkonformen Rechtsfortbildung des § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV oder der die Grundversorgung betreffenden Vorschriften des - der AVBGasV zugrunde liegenden und ihr übergeordneten - Energiewirtschaftsgesetzes lässt sich ein den Transparenzanforderungen der Gas-Richtlinie nach Maßgabe der vorgenannten Ausführungen des Gerichtshofs entsprechendes Recht des Gasversorgers zur einseitigen Änderung der Preise ebenfalls nicht herleiten.
- 37
- aa) Ausgangspunkt für eine richtlinienkonforme Auslegung oder Rechtsfortbildung ist § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV, der durch das vorbezeichnete Urteil des Gerichtshofs und die sich daraus ergebende Unvereinbarkeit mit den Transparenzerfordernissen der Gas-Richtlinie nicht unanwendbar geworden ist. Gemäß Art. 267 Abs. 1 Buchst. b AEUV entscheidet der Gerichtshof beim Vorabentscheidungsverfahren lediglich über die Auslegung des Unionsrechts (vgl. nur EuGH, Rs. C-10/97 bis C-22/97, Slg. 1998, I-6307 Rn. 23 - Ministero delle Finanze; Rs. C-540/07, Slg. 2009, I-10983 Rn. 63 - Kommission/Italien; jeweils mwN), nicht hingegen über die Vereinbarkeit nationaler Rechtsnormen mit den gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften und demzufolge auch nicht über die Frage der möglichen Unanwendbarkeit der betreffenden nationalen Rechtsnormen wegen deren Unionsrechtswidrigkeit (vgl. EuGH, Rs. C-292/92, Slg. 1993, I-6787 Rn. 8 - Hünermund; Rs. C‑265/01, Slg. 2003, I‑683 Rn. 18 mwN - Pansard).
- 38
- bb) Die nationalen Gerichte sind nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs aufgrund des Umsetzungsgebots gemäß Art. 288 Abs. 3 AEUV und des Grundsatzes der Gemeinschaftstreue gemäß Art. 4 Abs. 3 EUV verpflichtet , die Auslegung des nationalen Rechts unter voller Ausschöpfung des Beurteilungsspielraums, den ihnen das nationale Recht einräumt, soweit wie möglich am Wortlaut und Zweck der Richtlinie auszurichten, um das mit der Richtlinie verfolgte Ziel zu erreichen (vgl. nur EuGH, Rs. 14/83, Slg. 1984, 1891 Rn. 26, 28 - von Colson und Kamann; Rs. C-397/01 bis C-403/01, Slg. 2004, I-8835 Rn. 113 - Pfeiffer u.a.; Rs. C-565/12, NJW 2014, 1941 Rn. 54 mwN - LCL Le Crédit Lyonnais; Senatsurteile vom 21. Dezember 2011 - VIII ZR 70/08, BGHZ 192, 148 Rn. 24; vom 31. Juli 2013 - VIII ZR 162/09, aaO Rn. 55; BGH, Beschluss vom 16. April 2015 - I ZR 130/13, WRP 2015, 862 Rn. 26).
- 39
- Dieser von der Rechtsprechung des Gerichtshofs geprägte Grundsatz der richtlinienkonformen Auslegung verlangt von den nationalen Gerichten mehr als eine bloße Auslegung im engeren Sinne. Er erfordert auch, das nationale Recht, wo dies nötig und möglich ist, richtlinienkonform fortzubilden (Senatsurteile vom 26. November 2008 - VIII ZR 200/05, BGHZ 179, 27 Rn. 21 mwN; vom 21. Dezember 2011 - VIII ZR 70/08, aaO Rn. 30; BGH, Beschluss vom 16. April 2015 - I ZR 130/13, aaO). Eine Rechtsfortbildung setzt eine verdeckte Regelungslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes voraus (Senatsurteile vom 26. November 2008 - VIII ZR 200/05, aaO Rn. 22 mwN; vom 21. Dezember 2011 - VIII ZR 70/08, aaO Rn. 31). Eine solche ist etwa dann anzunehmen, wenn der Gesetzgeber mit der von ihm geschaffenen Regelung eine Richtlinie umsetzen wollte, hierbei aber deren Inhalt missver- standen hat (vgl. Senatsurteil vom 21. Dezember 2011 - VIII ZR 70/08, aaO Rn. 32 ff.).
- 40
- cc) Diese Voraussetzungen sind hier indes nicht erfüllt. Eine richtlinienkonforme Rechtsfortbildung, die im Ergebnis dazu führte, die Transparenzanforderungen der Gas-Richtlinie in der Auslegung, die diese durch das oben genannte Urteil des Gerichtshofs vom 23. Oktober 2014 gefunden haben, in das nationale Recht, hier namentlich in § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV, ergänzend aufzunehmen , würde die den Gerichten durch den Willen des nationalen Gesetzgebers gezogenen Grenzen der Auslegung überschreiten. Dies gilt erst recht, wenn die Einhaltung dieser Transparenzanforderungen als Voraussetzung für die Wirksamkeit einer Preisänderung anzusehen wäre (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 18. Mai 2011 - VIII ZR 71/10, aaO Rn. 6).
- 41
- (1) Der Grundsatz der unionsrechtskonformen Auslegung des nationalen Rechts unterliegt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs bestimmten Schranken. So findet die Verpflichtung des nationalen Richters, bei der Auslegung und Anwendung der einschlägigen Vorschriften des innerstaatlichen Rechts den Inhalt einer Richtlinie heranzuziehen, ihre Schranken in den allgemeinen Rechtsgrundsätzen und darf nicht als Grundlage für eine Auslegung contra legem des nationalen Rechts dienen (EuGH, Rs. C-351/12, GRUR 2014, 473 Rn. 45 - OSA; Rs. C-176/12, BB 2014, 2493 Rn. 39 mwN - Association de médiation sociale; Rs. C-12/08, Slg. 2009, I-6653 Rn. 61 - Mono Car Styling).
- 42
- (2) Auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gilt der Grundsatz richtlinienkonformer Auslegung nicht schrankenlos. Er findet vielmehr dort seine Grenze, wo die nationale Vorschrift nicht richtlinienkonform ausgelegt werden könnte, ohne dabei die Grenzen der verfassungsrechtlichen Bindung des Richters an das Gesetz zu sprengen. Eine die Gesetzesbindung des Richters überschreitende Auslegung ist auch durch den Grundsatz der Unionstreue nicht zu rechtfertigen (BVerfG, GmbHR 2013, 598, 601; NJW 2012, 669, 670 f.).
- 43
- Art. 20 Abs. 2 GG, der dem Grundsatz der Gewaltenteilung Ausdruck verleiht, verwehrt es den Gerichten, Befugnisse zu beanspruchen, die die Verfassung dem Gesetzgeber übertragen hat, indem sie sich aus der Rolle des Normanwenders in die einer normsetzenden Instanz begeben und sich damit der Bindung an Recht und Gesetz entziehen. Der Rechtsfortbildung sind deshalb mit Rücksicht auf den aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit unverzichtbaren Grundsatz der Gesetzesbindung der Rechtsprechung (Art. 20 Abs. 3 GG) Grenzen gesetzt.
- 44
- Dies gilt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gleichermaßen und unabhängig davon, ob das anzuwendende einfache nationale Recht der Umsetzung einer Richtlinie der Europäischen Union dient oder nicht. Dem steht nicht entgegen, dass der aus Art. 4 Abs. 3 EUV folgende Grundsatz der Unionstreue alle mitgliedstaatlichen Stellen, also auch Gerichte, dazu verpflichtet, diejenige Auslegung des nationalen Rechts zu wählen, die dem Inhalt einer EU-Richtlinie in der ihr vom Gerichtshof gegebenen Auslegung entspricht. Denn die unionsrechtliche Pflicht zur richtlinienkonformen Auslegung verpflichtet das nationale Gericht zwar, durch die Anwendung seiner Auslegungsmethoden ein richtlinienkonformes Ergebnis zu erzielen. Allerdings findet die Pflicht zur Verwirklichung des Richtlinienziels im Auslegungswege zugleich ihre Grenzen an dem nach innerstaatlicher Rechtstradition methodisch Erlaubten. Ob und inwieweit das innerstaatliche Recht eine entsprechende richtlinienkonforme Auslegung zulässt, können nur innerstaatliche Gerichte beurteilen. Sowohl die Identifizierung als auch die Wahrnehmung methodischer Spielräume des nationalen Rechts obliegt - auch bei durch Richtlinien determiniertem nationalem Recht - den nationalen Stellen in den Grenzen des Verfassungsrechts (BVerfG, NJW 2012, aaO mwN).
- 45
- (3) Dementsprechend hat auch der Bundesgerichtshof bereits entschieden , dass eine richtlinienkonforme Auslegung - ebenso wie die verfassungskonforme Auslegung - voraussetzt, dass durch eine solche Auslegung der erkennbare Wille des Gesetz- oder Verordnungsgebers nicht verändert wird, sondern die Auslegung seinem Willen (noch) entspricht (vgl. Senatsurteile vom 26. November 2008 - VIII ZR 200/05, aaO Rn. 28; vom 17. Oktober 2012 - VIII ZR 226/11, BGHZ 195, 135 Rn. 22; BGH, Beschluss vom 16. Mai 2013 - II ZB 7/11, NJW 2013, 2674 Rn. 42; vgl. auch Senatsurteil vom 13. April 2011 - VIII ZR 220/10, BGHZ 189, 196 Rn. 47; BGH, Beschluss vom 16. April 2015 - I ZR 130/13, aaO; ebenso BAGE 82, 211, 225 f.; 106, 252, 261; jeweils mwN).
- 46
- dd) Gemessen an diesen Grundsätzen kommt eine richtlinienkonforme Auslegung oder Rechtsfortbildung des § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV oder des - dieser Vorschrift übergeordneten - § 36 Abs. 1 EnWG 2005 beziehungsweise - soweit auf den Streitfall noch anzuwenden - dessen Vorgängerregelung in § 10 Abs. 1 Satz 1 EnWG 1998 dahingehend nicht in Betracht, dass diesen Vorschriften ein an den Transparenzanforderungen des Art. 3 Abs. 3 in Verbindung mit Anhang A der Gas-Richtlinie nach Maßgabe der Auslegung des Gerichtshofs ausgerichtetes Recht des Gasversorgers zur einseitigen Änderung der Preise zu entnehmen wäre. Denn der Gesetz- und Verordnungsgeber hat im hier maßgeblichen Zeitraum und auch während der weiteren, bis zum 2. März 2011 reichenden Geltungsdauer der Gas-Richtlinie die in deren Art. 3 Abs. 3 in Verbindung mit Anhang A enthaltenen Transparenzanforderungen weder umgesetzt noch ergibt sich ein dahingehender Wille aus den Gesetzesund Verordnungsmaterialien. Diesen Materialien ist vielmehr zu entnehmen, dass der Gesetzgeber die Umsetzung insoweit dem Verordnungsgeber über- lassen wollte, der diese Aufgabe jedoch weder hinsichtlich der am 8. November 2006 außer Kraft getretenen AVBGasV noch bei Erlass der GasGVV wahrgenommen hat.
- 47
- (1) Nach Art. 33 Abs. 1 der am 4. August 2003 in Kraft getretenen GasRichtlinie war diese bis spätestens 1. Juli 2004 in nationales Recht umzusetzen.
- 48
- (a) Eine an Art. 3 Abs. 3 Satz 4 bis 6 in Verbindung mit Anhang A der Gas-Richtlinie angepasste Änderung der - hier anzuwendenden - AVBGasV durch den hierzu gemäß § 11 Abs. 2 EnWG 1998 ermächtigten Verordnungsgeber ist weder innerhalb der Umsetzungsfrist noch danach erfolgt. Eine dahingehende Aufforderung ist seitens des Gesetzgebers auch nicht ausgesprochen worden. Vielmehr sind Umsetzungsbestrebungen erstmals mit dem Gesetzentwurf zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts vom 14. Oktober 2004 (BTDrucks. 15/3917) erfolgt.
- 49
- (b) Gemäß § 1 Abs. 3 des am 13. Juli 2005 schließlich in Kraft getretenen EnWG 2005 diente dieses Gesetz unter anderem der Umsetzung und der Durchführung des Europäischen Gemeinschaftsrechts auf dem Gebiet der leitungsgebundenen Energieversorgung. In der allgemeinen Begründung des dem EnWG 2005 zugrunde liegenden Gesetzentwurfs der Bundesregierung zum Zweiten Gesetz zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts vom 14. Oktober 2004 wird unter anderem ausgeführt, mit der Neufassung des EnWG würden die Strom-Richtlinie und die Gas-Richtlinie umgesetzt (BT-Drucks., aaO S. 46).
- 50
- Jedoch sollte ausweislich der Gesetzesbegründung die Umsetzung der in Art. 3 Abs. 3 Satz 4 bis 6 in Verbindung mit Anhang A der Gas-Richtlinie enthaltenen Transparenzanforderungen (vgl. Senatsbeschluss vom 18. Mai 2011 - VIII ZR 71/10, aaO Rn. 6) einschließlich der Rechte der Gaskunden, sich vom Liefervertrag zu lösen und gegen Änderungen der Lieferpreise vorzugehen, nicht durch den Gesetzgeber selbst erfolgen, sondern einer noch zu erlassenden Rechtsverordnung überlassen bleiben. Dies ergibt sich aus der Gesetzesbegründung zu §§ 36, 39 EnWG 2005.
- 51
- In der Einzelbegründung zu § 36 EnWG 2005, dessen Abs. 1 Satz 1 bestimmt , dass Energieversorgungsunternehmen für Netzgebiete, in denen sie die Grundversorgung von Haushaltskunden durchführen, Allgemeine Bedingungen und Allgemeine Preise für die Versorgung in Niederspannung oder Niederdruck öffentlich bekannt zu geben und im Internet zu veröffentlichen und zu diesen Bedingungen und Preisen jeden Haushaltskunden zu versorgen haben, wird dem entsprechend unter anderem ausgeführt: "Die Vorschrift dient der Umsetzung von Artikel 3 Abs. 3 Satz 1 und 2 der Elektrizitätsrichtlinie und Artikel 3 Abs. 1 [gemeint möglicherweise: Abs. 3] Satz 1 bis 3 der Gasrichtlinie. […]. Der Inhalt des Grundversor- gungsvertrages kann nach § 39 durch Rechtsverordnung näher ausge- staltet werden. […]." (BT-Drucks., aaO S. 66)
- 52
- Hieran anknüpfend heißt es in der Einzelbegründung zu § 39 EnWG 2005: "[…] Absatz 2 […] enthält die Grundlage für den Erlass von Rechtsverordnungen zur Regelung der Geschäftsbedingungen der Grundversorger bei der Grund- oder Ersatzversorgung von Haushaltskunden. Diese Bedingungen sind bisher Teil der […] Verordnungüber Allgemeine Be- dingungen für die Gasversorgung von Tarifkunden (AVBGasV) […]. Die Anhänge A der Elektrizitätsrichtlinie und der Gasrichtlinie werden für die Belieferung von Haushaltskunden im Rahmen der Grundversorgung durch Rechtsverordnungen nach Absatz 2 umgesetzt." (BT-Drucks., aaO)
- 53
- (c) Der Verordnungsgeber hat indes die ihm durch § 39 Abs. 2 EnWG 2005 übertragene Umsetzung der Anforderungen in Art. 3 Abs. 3 Satz 4 bis 6 in Verbindung mit Anhang A der Gas-Richtlinie in der Folgezeit nur beschränkt vorgenommen. Er hat sich bei der Schaffung der GasGVV damit begnügt, zu- sätzlich zu der bereits in § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV enthaltenen Wirksamkeitsvoraussetzung der öffentlichen Bekanntmachung der Preisänderung eine hierauf bezogene Mindestfrist von sechs Wochen einzuführen und - zum Zwecke einer erleichterten Kenntnisnahme für den Kunden, nicht hingegen als ein weiteres Wirksamkeitserfordernis - eine Verpflichtung des Gasversorgers zu schaffen , zeitgleich mit der öffentlichen Bekanntgabe der Preisänderungen diese auch auf seiner Internetseite zu veröffentlichen und eine briefliche Mitteilung an den Kunden zu versenden.
- 54
- Zwar heißt es in der allgemeinen Begründung des Entwurfs vom 4. Mai 2006 zu der auf der Ermächtigungsgrundlage in § 39 Abs. 2 EnWG 2005 beruhenden Verordnung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie zum Erlass von Regelungen für die Grundversorgung von Haushaltskunden und die Ersatzversorgung hinsichtlich der beiden neuen Grundversorgungsverordnungen (StromGVV und GasGVV): "In den Grundversorgungsverordnungen werden neben den notwendigen formalen Anpassungen eine Vielzahl bisheriger Regelungen der AVBEltV und AVBGasV geändert und eine Vielzahl neuer Regelungen vorgesehen, um die Rechtsstellung von Haushaltskunden gegenüber Grundversorgern weiter zu verbessern. Hierzu zählen insbesondere Verbesserungen der Möglichkeiten, den Energielieferanten zu wechseln, kundenfreundlichere Gestaltungen von Fristen, Stärkungen der Kundenschutzrechte , Verbesserungen der Transparenz und Klarstellungen zur Anwendbarkeit des § 315 des BürgerlichenGesetzbuchs." (BR-Drucks. 306/06, S. 21)
- 55
- In der Einzelbegründung zu § 5 GasGVV, der Nachfolgeregelung des § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV, wird jedoch - durch Bezugnahme auf die Einzelbegründung zu § 5 StromGVV - ausgeführt: "[…] Im Interesse der Haushaltskunden wird der Grundversorger nach Absatz 2 Satz 1 zusätzlich verpflichtet, Änderungen der Allgemeinen Preise und der Allgemeinen Bedingungen jeweils nur zum Monatsbeginn vorzunehmen und mindestens sechs Wochen vor der beabsichtigten Änderung öffentlich bekannt zu geben. Darüber hinaus wird der Grundversorger nach Absatz 2 Satz 2 erstmalig verpflichtet, die Änderungen am Tage der öffentlichen Bekanntgabe auch auf seiner Internetseite zu veröffentlichen. […].Die Ergänzungen der bisherigen Regelung sollen die Möglichkeit eines zügigen Lieferantenwechsels von Haushaltskunden im Falle einer Änderung der Allgemeinen Preise oder Allgemeinen Bedingungen ermöglichen." (BR-Drucks., aaO S. 26, 43)
- 56
- § 5 Abs. 2 GasGVV sollte demnach lauten: "Änderungen der Allgemeinen Preise und der ergänzenden Bedingungen werden jeweils zum Monatsbeginn und erst nach öffentlicher Bekanntgabe wirksam, die mindestens sechs Wochen vor der beabsichtigten Änderung erfolgen muss. Der Grundversorger ist verpflichtet, die Änderungen am Tage der öffentlichen Bekanntgabe auf seiner Internetseite zu veröffentlichen."
- 57
- Einer Empfehlung der Ausschüsse, in § 5 Abs. 2 Satz 1 GasGVV die Wörter "nach öffentlicher Bekanntgabe" durch die Wörter "nach brieflicher Mitteilung an den Kunden" zu ersetzen (BR-Drucks. 306/1/06, S. 8), ist der Bundesrat nicht gefolgt und hat zur Begründung angeführt (BR-Drucks. 306/06 [Beschluss ], S. 8 f.): "Auf Grund der speziellen Gegebenheiten bei der Grundversorgung (Vertragsschluss bereits durch Gasentnahme) ist es jedoch im Sinne der Rechtssicherheit erforderlich, die Wirksamkeit von Vertragsänderungen /Preisänderungen nicht vom Zugang an einen möglicherweise nicht bekannten Kunden (z. B. Mieterwechsel) abhängig zu machen, […] sondern an die öffentliche Bekanntmachung zu knüpfen. Gleichwohl soll der Kunde eine briefliche Mitteilung erhalten, die u. U. das Preisbewusstsein des Kunden steigern und den Wettbewerb anregen kann."
- 58
- Der Bundesrat hat daher der Verordnung durch Beschluss vom 22. September 2006 unter anderem mit der Maßgabe zugestimmt, dass § 5 Abs. 2 Satz 2 GasGVV - bei unverändertem Satz 1 dieses Absatzes - wie folgt gefasst wird (BR-Drucks. 306/06 [Beschluss], S. 8): "Der Grundversorger ist verpflichtet, zu den beabsichtigten Änderungen zeitgleich mit der öffentlichen Bekanntgabe eine briefliche Mitteilung an den Kunden zu versenden und die Änderungen auf seiner Internetseite zu veröffentlichen."
- 59
- In dieser Fassung ist § 5 Abs. 2 GasGVV sodann erlassen worden (BGBl. 2006 I S. 2391, 2397 f.).
- 60
- (2) Bei dieser Sachlage kommt eine zusätzliche Berücksichtigung der vom Gerichtshof dem Art. 3 Abs. 3 Satz 4 bis 6 in Verbindung mit Anhang A der Gas-Richtlinie entnommenen Transparenzanforderungen im Wege richtlinienkonformer Auslegung oder Rechtsfortbildung nicht in Betracht. Hieran ändert auch der Umstand nichts, dass regelmäßig von einem Willen des Gesetz- und Verordnungsgebers zur richtlinientreuen Umsetzung auszugehen ist (vgl. nur BGH, Urteile vom 9. April 2002 - XI ZR 91/99, BGHZ 150, 248, 257; vom 26. November 2008 - VIII ZR 200/05, aaO Rn. 25; vom 21. Dezember 2011 - VIII ZR 70/08, aaO Rn. 34; vom 7. Mai 2014 - IV ZR 76/11, BGHZ 201, 101 Rn. 23; BAGE 130, 119, 136; EuGH, Rs. C-397/01 bis C-403/01, Slg. 2004, I-8835 Rn. 112 - Pfeiffer u.a.; vgl. auch BGH, Beschluss vom 8. Januar 2014 - V ZB 137/12, NVwZ 2014, 1111 Rn. 11).
- 61
- Denn im Verordnungsgebungsverfahren ist deutlich geworden, dass zum einen dem Informationsinteresse des Gaskunden im Hinblick auf die Besonderheiten der Grundversorgung und aus Gründen der Rechtssicherheit Grenzen gesetzt und zum anderen ein Bedürfnis zur Transparenz nur hinsichtlich des Umfangs einer Preisänderung anerkannt werden sollten. Diese Sichtweise ist erst nach Erlass der neuen Gas-Richtlinie, der Richtlinie 2009/73/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/55/EG [Gas-Richtlinie] (ABl. Nr. L 211, S. 94; im Folgenden: neue GasRichtlinie ) aufgegeben worden. Der Verordnungsgeber hat nunmehr im Rahmen einer durch die Verordnung zur transparenten Ausweisung staatlich ge- setzter oder regulierter Preisbestandteile in der Strom- und Gasgrundversorgung vom 22. Oktober 2014 (BGBl. I S. 1631) erfolgten Änderung der GasGVV (im Folgenden: GasGVV 2014) eine Umsetzung der in der neuen Gas-Richtlinie ebenfalls enthaltenen, mit der Vorgängerrichtlinie im Wesentlichen inhaltsgleichen Transparenzanforderungen vorgenommen (ebenso Markert, LMK 2014, 364601, Ziffer 3c; VersorgW 2015, 37, 39). Hierzu hat er § 5 Abs. 2 Satz 2 in der GasGVV 2014 um einen Halbsatz ergänzt, wonach der Gasversorger den Umfang, den Anlass und die Voraussetzungen der Änderung sowie den Hinweis auf die Rechte des Kunden nach § 5 Abs. 3 GasGVV 2014 (unter anderem das Recht, den Vertrag ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Änderungen zu kündigen) und die Angaben nach § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 GasGVV 2014 (Angaben zu den Allgemeinen Preisen nach § 36 Abs. 1 EnWG) in übersichtlicher Form anzugeben hat.
- 62
- Nach der - die neue Gas-Richtlinie und die neue Strom-Richtlinie zu Anfang erwähnenden - Begründung des Entwurfs der vorgenannten Verordnung vom 22. Oktober 2014 zielt diese darauf ab, für den grundversorgten Haushaltskunden die Transparenz zu erhöhen und ihn durch zusätzliche Informationen besser in die Lage zu versetzen, die Zusammensetzung und Änderungen des allgemeinen Preises zu bewerten. Hierzu setze die neue Regelung auf den in der GasGVV bereits bestehenden Informationspflichten auf und konkretisiere diese (BR-Drucks. 402/14, S. 6 ff., 15 f.). In der Einzelbegründung zu § 5 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 GasGVV 2014 heißt es: "[…] Die Einfügung des neuen § 5 Absatz 2 Satz 2 zweiter Halbsatz stellt inhaltliche Anforderungen an die Informationen des Grundversorgers nach § 5 Absatz 2 Satz 2 klar. Die Benennung des Umfangs einer Änderung ist bereits nach geltendem Recht notwendig. Daneben sind Anlass und Voraussetzungen einer Änderung anzugeben. Als Voraussetzung in diesem Sinne erscheint die jeweilige Rechtsgrundlage einer Änderung. Der Kunde erfährt auf diese Weise den Rechtsgrund einer Änderung und den Anlass, aus dem die rechtliche Grundlage von dem Grundversorger im konkreten Fall genutzt wird." (BR-Drucks., aaO S. 24, 28)
- 63
- Die Verordnungsmaterialien zur GasGVV 2014 bestätigen damit, dass der Verordnungsgeber vor der Einfügung des § 5 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 GasGVV 2014 die Schaffung gesteigerter Transparenzanforderungen zum Zwecke der Umsetzung des Art. 3 Abs. 3 in Verbindung mit Anhang A der GasRichtlinie nicht für erforderlich erachtet hatte. Der im Jahr 2014 schließlich vorhandene Umsetzungswille des Verordnungsgebers vermag indes für den im vorliegenden Fall maßgeblichen früheren Zeitraum nichts an der oben vorgenommenen Beurteilung der Frage einer richtlinienkonformen Auslegung oder Rechtsfortbildung zu ändern. Denn es kommt entscheidend auf den damaligen Willen des Verordnungsgebers an.
- 64
- e) Die Transparenzanforderungen des Art. 3 Abs. 3 Satz 4 bis 6 in Verbindung mit Anhang A der Gas-Richtlinie sind auf den vorliegenden Fall schließlich auch nicht unmittelbar anwendbar.
- 65
- aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofes kann sich der Einzelne in all den Fällen, in denen die Bestimmungen einer Richtlinie inhaltlich unbedingt und hinreichend genau sind, vor nationalen Gerichten gegenüber dem Staat auf diese Bestimmungen berufen, wenn dieser die Richtlinie nicht fristgemäß oder nur unzulänglich in das nationale Recht umgesetzt hat (siehe nur EuGH, Rs. 41/74, Slg. 1974, 1337 Rn. 9 ff. - van Duyn; Rs. C-148/78, Slg. 1979, 1629 Rn. 18 ff. - Ratti; Rs. 8/81, Slg. 1982, 53 Rn. 17ff. - Becker; Rs. 152/84, Slg. 1986, 723 Rn. 46 ff. - Marshall; Rs. 103/88, Slg. 1989, 1839 Rn. 28 ff. - Fratelli Costanzo SpA; Rs. C-397/01 bis 403/01, aaO Rn. 103 - Pfeiffer u.a.; jeweils mwN; vgl. BAGE 128, 134, 154; [sogenannte vertikale Direktwirkung]). So kann sich der Einzelne auf unbedingte und hinreichend genaue Bestimmungen einer Richtlinie auch gegenüber Organisationen oder Einrichtungen - unabhängig von ihrer Rechtsform - berufen, die dem Staat oder dessen Aufsicht unterstehen oder mit besonderen Rechten ausgestattet sind, die über diejenigen hinausgehen, die nach den Vorschriften für die Beziehungen zwischen Privatpersonen gelten (EuGH, Rs. C-188/89, Slg. 1990, I-3313 Rn. 17 ff. - Foster u.a.; Rs. C-253/96 bis C-258/96, Slg. 1997, I-6907 Rn. 46 f. - Kampelmann u.a.; jeweils mwN).
- 66
- Hingegen kann nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs eine Richtlinie in Fällen, in denen sich ausschließlich Private gegenüberstehen, nicht selbst Verpflichtungen für einen Einzelnen begründen, so dass ihm gegenüber eine Berufung auf die Richtlinie als solche nicht möglich ist; sogar eine klare, genaue und unbedingte Richtlinienbestimmung, mit der dem Einzelnen Rechte gewährt oder Verpflichtungen auferlegt werden sollen, kann deshalb im Rahmen eines Rechtsstreits, in dem sich ausschließlich Private gegenüberstehen , nicht als solche Anwendung finden (siehe nur EuGH, Rs. C-397/01 bis C-403/01, aaO Rn. 108 f. - Pfeiffer u.a.; Rs. C-80/06, Slg. 2007,I-4473 Rn. 20 - Carp; jeweils mwN; vgl. BAGE 128, aaO; [sogenannte horizontale Direktwirkung ]).
- 67
- bb) Nach diesen Grundsätzen kommt eine unmittelbare Anwendung der Transparenzanforderungen des Art. 3 Abs. 3 Satz 4 bis 6 in Verbindung mit Anhang A der Gas-Richtlinie hier nicht in Betracht. Zwar ist die Gas-Richtlinie nicht fristgemäß in nationales Recht umgesetzt worden und ist eine solche Umsetzung auch nicht innerhalb des für den Streitfall maßgeblichen späteren Zeitraums erfolgt, wobei dahingestellt bleiben kann, ob die vorgenannten Transparenzanforderungen der Richtlinie inhaltlich unbedingt und hinreichend genau im Sinne der vorstehend genannten Rechtsprechung des Gerichtshofs sind (vgl. hierzu Keller-Herder/Baumbach, ER 2015, 3, 5 f.; Uffmann, NJW 2015, 1215, 1217). Das Berufungsgericht hat jedoch weder festgestellt noch ist sonst er- sichtlich, dass es sich bei der Klägerin um eine Organisation oder Einrichtung im Sinne der vorgenannten Rechtsprechung des Gerichtshofs handelt (siehe oben aa). Übergangenen Tatsachenvortrag zeigt die Revision insoweit nicht auf.
- 68
- f) Wegen der demnach nicht zu behebenden Unvereinbarkeit des § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV mit Art. 3 Abs. 3 Satz 4 bis 6 in Verbindung mit Anhang A der Gas-Richtlinie lässt sich das vom Berufungsgericht im Ergebnis zutreffend angenommene Recht der Klägerin zur Preisänderung nicht (mehr) auf diese Vorschrift stützen. Entgegen der Auffassung der Revision führt dies jedoch nicht zur Unwirksamkeit der streitgegenständlichen Preiserhöhungen. Denn ein Preisänderungsrecht der Klägerin ergibt sich aus einer gebotenen ergänzenden Vertragsauslegung (§§ 157, 133 BGB) des Gaslieferungsvertrages der Parteien.
- 69
- aa) Eine ergänzende Vertragsauslegung setzt eine Regelungslücke, mithin eine planwidrige Unvollständigkeit des Vertrages voraus. Diese ist dadurch gekennzeichnet, dass die Parteien mit der getroffenen Regelung ein bestimmtes Ziel erreichen wollten, dies aber wegen der Lückenhaftigkeit des Vereinbarten nicht gelungen ist (BGH, Urteile vom 12. Oktober 2012 - V ZR 222/11, NJWRR 2013, 494 Rn. 9; vom 23. Mai 2014 - V ZR 208/12, NJW 2014, 3439 Rn. 8; vom 15. Oktober 2014 - XII ZR 111/12, WM 2014, 2280 Rn. 70 mwN). Die Lücke muss nicht von Anfang an bestanden haben, sie kann auch infolge nachträglicher Umstände eingetreten sein (BGH, Urteil vom 12. Oktober 2012 - V ZR 222/11, aaO mwN).
- 70
- bb) So liegt der Fall hier. Der Regelungsplan der Parteien für den zwischen ihnen geschlossenen Tarifkundenvertrag war durch die Regelungender AVBGasV bestimmt, welche kraft dieser Rechtsverordnung zwingend Bestand- teil des Versorgungsvertrages sind (§ 1 Abs. 1 Satz 2 AVBGasV). Aufgrund der Besonderheiten der Grundversorgung kommt dem Preisänderungsrecht des Gasversorgers, welches nach allgemeiner Auffassung dem § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV entnommen wurde, grundlegende Bedeutung zu. Da § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV jedoch insoweit nach den im Urteil des Gerichtshofs vom 23. Oktober 2014 (Rs. C-359/11 und C-400/11, aaO - Schulz und Egbringhoff) aufgezeigten Maßstäben als unionsrechtswidrig anzusehen ist und daher nicht (mehr) als Rechtsgrundlage eines Preisänderungsrechts des Gasversorgers in Betracht kommt, ist eine verdeckte planwidrige Verordnungslücke eingetreten, die aus den oben (unter II 2 d) genannten Gründen nicht durch eine richtlinienkonforme Auslegung geschlossen werden kann.
- 71
- Diese Verordnungslücke führt, da die Regelungen der AVBGasV Bestandteil des Gaslieferungsvertrages der Parteien sind und letztere daher bei Abschluss ihres Tarifkundenvertrages das Bestehen eines gesetzlichen Preisänderungsrechts als gegeben vorausgesetzt haben, zu einer von ihnen unbeabsichtigten Unvollständigkeit des Vertrages in einem wesentlichen Punkt.
- 72
- cc) Eine somit gebotene ergänzende Vertragsauslegung hat sich nicht nur an dem hypothetischen Parteiwillen, sondern auch an dem objektiven Maßstab von Treu und Glauben zu orientieren und muss zu einer die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigenden Regelung führen. Es geht daher darum zu ermitteln, was die Parteien bei einer angemessenen, objektivgeneralisierenden Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben redlicherweise vereinbart hätten, wenn sie bedacht hätten, dass die Wirksamkeit der angewendeten Preisänderungsbestimmung jedenfalls unsicher war (vgl. Senatsurteil vom 14. März 2012 - VIII ZR 113/11, BGHZ 192, 372 Rn. 24 mwN; Senatsbeschluss vom 17. Juli 2012 - VIII ZR 13/12, juris Rn. 10).
- 73
- Hätten die Parteien bei Vertragsabschluss bedacht, dass die Vereinbarkeit des § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV entnommenen gesetzlichen Preisänderungsrechts mit unionsrechtlichen Vorgaben zumindest unsicher ist, hätten sie bei angemessener Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragspartner eine - allerdings auf die bloße Weitergabe von (Bezugs-) Kostensteigerungen begrenzte - Möglichkeit des Grundversorgers zur einseitigen Änderung des Tarifs vereinbart. Die Lücke im Vertrag ist demnach im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung gemäß §§ 157, 133 BGB in der Weise zu schließen, dass die Klägerin berechtigt ist, Steigerungen ihrer eigenen (Bezugs-)Kosten, soweit diese nicht durch Kostensenkungen in anderen Bereichen ausgeglichen werden (vgl. Senatsurteil vom 19. November 2008 - VIII ZR 138/07, aaO Rn. 39 mwN), während der Vertragslaufzeit an den Beklagten weiterzugeben , und sie verpflichtet ist, bei einer Tarifanpassung Kostensenkungen ebenso zu berücksichtigen wie Kostenerhöhungen.
- 74
- (1) Bei langfristigen Vertragsverhältnissen, insbesondere solchen, die auf Leistungsaustausch gerichtet sind, besteht ein anerkennenswertes Bedürfnis, das bei Vertragsschluss bestehende Verhältnis von Leistung und Gegenleistung über die gesamte Vertragsdauer im Gleichgewicht zu halten (Senatsurteile vom 14. März 2012 - VIII ZR 113/11, aaO Rn. 26; vom 15. April 2015 - VIII ZR 59/14, BB 2015, 1548 Rn. 28, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt; jeweils mwN).
- 75
- Diesem Gesichtspunkt kommt im Rahmen der Grundversorgung von Haushaltskunden mit Gas besondere Bedeutung zu. Denn gemäß § 36 Abs. 1 Satz 1 EnWG 2005 sind die Energieversorgungsunternehmen - wie bereits nach der Vorgängerregelung in § 10 Abs. 1 Satz 1 EnWG 1998 -, soweit sie die Grundversorgung durchführen, gesetzlich verpflichtet, zu den Allgemeinen Bedingungen und Preisen jeden Haushaltskunden mit Gas zu versorgen. Hinzu kommt, dass der somit einem Kontrahierungszwang unterliegende Grundversorger zur (ordentlichen) Kündigung des Tarifkundenvertrages (Grundversorgungsvertrages ) nur in sehr eingeschränktem Maße berechtigt ist; ein solches Kündigungsrecht besteht nur, soweit eine Pflicht zur Grundversorgung nach § 36 Abs. 1 Satz 2 EnWG 2005 nicht besteht (Senatsurteil vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 56/08, aaO Rn. 25; ebenso Danner/Theobald/Hartmann, Energierecht, Stand Januar 2015, § 20 StromGVV Rn. 11 mwN). Die Bedeutung der beiden vorstehend genannten Gesichtspunkte für das wirtschaftliche Interesse des Grundversorgers hat auch der Gerichtshof im Urteil vom 23. Oktober 2014 (Rs. C-359/11 und C-400/11, aaO Rn. 44 - Schulz und Egbringhoff) hervorgehoben.
- 76
- Ohne eine Berechtigung des Grundversorgers, Kostensteigerungen während der Vertragslaufzeit an den Kunden weiterzugeben, bestünde angesichts des kontinuierlichen Anstiegs der Energiepreise bei langfristigen Versorgungsverträgen regelmäßig ein gravierendes, dem Äquivalenzprinzip zuwiderlaufendes Ungleichgewicht von Leistung und Gegenleistung (vgl. Senatsurteil vom 15. April 2015 - VIII ZR 59/14, aaO Rn. 35 mwN).
- 77
- (2) Der Verordnungsgeber hat deshalb, wie sich aus den oben (unter II 2 a aa) wiedergegebenen Materialien ergibt, bereits bei Erlass der AVBGasV das Bestehen des - wenn auch nicht kodifizierten - Rechts des Grundversorgers zur Weitergabe von Kostensteigerungen als gegeben vorausgesetzt; er hat an dieser Annahme auch im Rahmen der GasGVV festgehalten (vgl. zuletzt: BRDrucks. 402/14, S. 6, 24 ff.). Entsprechendes gilt für den Gesetzgeber des Energiewirtschaftsgesetzes (§ 36 Abs. 1 EnWG 2005).
- 78
- (3) Ebenso wie der nationale Gesetz- und Verordnungsgeber billigt auch der Unionsgesetzgeber, wie aus den Regelungen der Gas-Richtlinie deutlich wird, den Versorgungsunternehmen das Interesse zu, Kostensteigerungen wäh- rend der Vertragslaufzeit an die Kunden weiterzugeben (vgl. Senatsbeschluss vom 18. Mai 2011 - VIII ZR 71/10, aaO Rn. 15). Dem entsprechend hat der Gerichtshof in seinem Urteil vom 21. März 2013 (Rs. C-92/11, NJW 2013, 2253 Rn. 46 - RWE Vertrieb AG) ausgeführt, unter anderem aus Anhang A Buchst. b der Gas-Richtlinie ergebe sich, dass der Unionsgesetzgeber im Rahmen von unbefristeten Verträgen wie Gaslieferungsverträgen das Bestehen eines berechtigten Interesses des Versorgungsunternehmens an der Möglichkeit einer Änderung der Entgelte für seine Leistung anerkannt habe (so auch die Schlussanträge des Generalanwalts in der Rs. C-359/11 und C-400/11, juris Rn. 55 f.).
- 79
- (4) In Übereinstimmung mit den vorstehenden Erwägungen des Energiewirtschaftsrechts der europäischen Union spricht auch die Zielsetzung des nationalen Energiewirtschaftsrechts dafür, dass dem Grundversorger das Recht zu gewähren ist, Kostensteigerungen an die Kunden weiterzugeben.
- 80
- (a) Wie der Senat bereits entschieden hat, ist bei der im Rahmen der Erwägungen zur ergänzenden Auslegung eines Gaslieferungsvertrages vorzunehmenden Beurteilung, welche Regelung als angemessener Interessenausgleich anzusehen ist, der mit dem Energiewirtschaftsrecht verfolgte, in § 1 EnWG 2005 und ebenso in den Vorläuferregelungen (vgl. BGH, Urteil vom 20. Juli 2010 - EnZR 23/09, NJW 2011, 212 Rn. 42) verankerte Zweck einer möglichst sicheren und preisgünstigen Energieversorgung zu berücksichtigen. Das Ziel der Preisgünstigkeit ist nicht nur auf die möglichst billige Energieversorgung der Endkunden ausgerichtet. Zu berücksichtigen sind zugleich die insbesondere durch die Kostenstruktur geprägte individuelle Leistungsfähigkeit der Versorgungsunternehmen sowie die Notwendigkeit, die Investitionskraft und die Investitionsbereitschaft zu erhalten und angemessene Erträge zu erwirtschaften. Insofern wurde im Recht der Energielieferung stets vorausgesetzt, dass die Möglichkeit des Versorgers besteht, Änderungen der Bezugspreise weiterzuge- ben, ohne den mit dem Kunden bestehenden Versorgungsvertrag kündigen zu müssen. Dass das Energieversorgungsunternehmen die Möglichkeit hat, Kostensteigerungen weiterzugeben, dient daneben auch dem Zweck der Versorgungssicherheit. Denn diese betrifft nicht nur die technische Sicherheit der Energieversorgung und die Sicherstellung einer für die Versorgung der Abnehmer stets ausreichenden Energiemenge. Sie hat vielmehr insoweit auch einen ökonomischen Aspekt, als die nötigen Finanzmittel für die Unterhaltung von Reservekapazitäten, für Wartungsarbeiten, Reparaturen, Erneuerungs- und Ersatzinvestitionen bereit stehen müssen. Das wiederum setzt voraus, dass diese Mittel durch auskömmliche Versorgungsentgelte erwirtschaftet werden können (vgl. im Einzelnen Senatsurteil vom 14. März 2012 - VIII ZR 113/11, aaO Rn. 27 ff.).
- 81
- (b) Dieser Zielsetzung des nationalen Energiewirtschaftsrechts, die mit derjenigen des europäischen Energiewirtschaftsrechts übereinstimmt (vgl. EuGH, Rs. C-92/11, aaO Rn. 46 - RWE Vertrieb AG; Rs. C-359/11 und C-400/11, aaO Rn. 44 - Schulz und Egbringhoff; Schlussanträge des Generalanwalts in der Rs. C-359/11 und C-400/11, juris Rn. 55), liefe es zuwider, wenn der Grundversorger Kostensteigerungen nicht an den Kunden weitergeben könnte, sondern diese selbst zu tragen und den Kunden weiterhin zu dem ursprünglichen Preis zu beliefern hätte. Angesichts der Entwicklung der Energiepreise entstünde dadurch bei langfristigen Versorgungsverträgen regelmäßig ein gravierendes Ungleichgewicht von Leistung und Gegenleistung. Dies wäre unbillig und würde dem Kunden einen unverhofften und ungerechtfertigten Gewinn verschaffen. Dies entspräche auch nicht dem objektiv zu ermittelnden hypothetischen Parteiwillen (vgl. Senatsurteile vom 14. März 2012 - VIII ZR 113/11, aaO Rn. 26 mwN; vom 15. April 2015 - VIII ZR 59/14, aaO Rn. 35 f.).
- 82
- (5) Bei angemessener, objektiv-generalisierender Abwägung ihrer Interessen hätten die Vertragsparteien daher nach Treu und Glauben redlicherweise vereinbart, dass die Klägerin berechtigt sein soll, Kostensteigerungen ihrer eigenen (Bezugs-)Kosten während der Vertragslaufzeit an den Beklagten weiterzugeben, und sie verpflichtet ist, bei einer Tarifanpassung Kostensenkungen ebenso zu berücksichtigen wie Kostenerhöhungen.
- 83
- Dieser ergänzenden Vertragsauslegung steht nicht entgegen, dass die Vertragsparteien im Tarifkundenverhältnis wegen der durch die Rechtsnormen der AVBGasV bestimmten Vertragsbedingungen in ihrer Freiheit, Vereinbarungen zu treffen, stark eingeschränkt sind (vgl. BGH, Urteile vom 16. März1978 - VII ZR 73/77, WM 1978, 730 unter 2 a; vom 24. März 1988 - VII ZR 81/87, NJW-RR 1988, 1427 unter III 1; Schmidt-Salzer in Hermann/Recknagel/ Schmidt-Salzer, Kommentar zu den Allgemeinen Versorgungsbedingungen, 1981, Band 1, Einleitung Rn. 24; Danner/Theobald/Eder, aaO, § 36 EnWG Rn. 57, 59, 63 ff. mwN). Denn das Recht zur Weitergabe von Kostensteigerungen ist aus den oben ausgeführten Gründen dem Energiewirtschaftsrecht wie auch der AVBGasV immanent.
- 84
- Ohne diese gebotene ergänzende Vertragsauslegung könnte sich der Grundversorger in derartig gelagerten Fällen - auch in Ansehung seiner verfassungsrechtlich geschützten Berufsfreiheit (vgl. BVerfG, NJW 2011, 1339, 1341) - darauf berufen, dass die Versorgung des Kunden zu dem Ausgangspreis für ihn eine unzumutbare Härte darstelle (vgl. Senatsurteil vom 23. Januar 2013 - VIII ZR 80/12, NJW 2013, 991 Rn. 37; vgl. auch BGH, Urteil vom 10. Oktober 2012 - IV ZR 10/11, BGHZ 195, 93 Rn. 80). In solchen Fällen könnten zudem die Voraussetzungen einer ausnahmsweise zum Wegfall der Grundversorgungspflicht führenden Unzumutbarkeit der Grundversorgung gemäß § 36 Abs. 1 Satz 2 EnWG 2005 gegeben sein. Dies wiederum stünde angesichts der Vielzahl der hiervon möglicherweise betroffenen Tarifkundenverträge (Grundversorgungsverträge ) insbesondere nicht im Einklang mit der durch das EnWG 2005 bezweckten Sicherheit der Energieversorgung.
- 85
- (6) Da sich das aus der vorbezeichneten ergänzenden Vertragsauslegung ergebende Preisänderungsrecht der Klägerin allein auf die Weitergabe von (Bezugs-)Kostensteigerungen und -senkungen beschränkt, ist davon auszugehen , dass die Parteien die wirksame Ausübung dieses Rechts vernünftigerweise an keine weiteren als die in § 4 Abs. 2 AVBGasV genannten Voraussetzungen geknüpft hätten. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts sind diese Voraussetzungen hier erfüllt.
- 86
- Der Klägerin steht somit infolge ergänzender Vertragsauslegung des Gaslieferungsvertrags der Parteien ein Preisänderungsrecht in dem oben genannten Umfang mit der Folge zu, dass der berechtigterweise erhöhte Preis zum vereinbarten Preis wird. Gegen die bis zum 1. Januar 2005 - mithin vor dem hier verfahrensgegenständlichen Zeitraum - erfolgten Änderungen des Arbeitspreises erhebt die Revision keine Einwände.
- 87
- (7) Von dem infolge ergänzender Vertragsauslegung bestehenden Preisänderungsrecht nicht erfasst sind hingegen Preiserhöhungen, die über die bloße Weitergabe von (Bezugs-)Kostensteigerungen hinausgehen und der Erzielung eines (zusätzlichen) Gewinns dienen (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 22. Juli 2014 - KZR 27/13, NJW 2014, 3089 Rn. 23, 27, zu § 315 BGB). Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn der Kunde die Preiserhöhung nicht innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren nach Zugang der jeweiligen Jahresabrechnung , in der die Preiserhöhung erstmals berücksichtigt worden ist, beanstandet hat.
- 88
- (a) Nach der gefestigten Rechtsprechung des Senats ist bei einem (Norm-)Sonderkundenvertrag, wenn es sich um ein langjähriges Energielieferungsverhältnis handelt, der Kunde (unwirksamen) Preiserhöhungen über einen längeren Zeitraum hinweg nicht widersprochen hat und nunmehr auch für länger zurückliegende Zeitabschnitte die Unwirksamkeit der Preiserhöhungen geltend macht, die durch die Unwirksamkeit der Preisanpassungsklausel oder deren unwirksame Einbeziehung entstandene Regelungslücke regelmäßig im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung dahin zu füllen, dass der Kunde die Unwirksamkeit derjenigen Preiserhöhungen, die zu einem den vereinbarten Anfangspreis übersteigenden Preis führen, nicht geltend machen kann, wenn er sie nicht innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren nach Zugang der jeweiligen Jahresabrechnung, in der die Preiserhöhung erstmals berücksichtigt worden ist, beanstandet hat (Senatsurteile vom 14. März 2012 - VIII ZR 113/11, aaO Rn. 21, 25, und VIII ZR 93/11, ZNER 2012, 265 Rn. 30; vom 15. April 2015 - VIII ZR 59/14, aaO Rn. 37 mwN).
- 89
- Dies gilt sowohl im Falle der Rückforderung als auch im Falle der Restforderung von Entgelt für Energielieferungen (Senatsurteile vom 14. März 2012 - VIII ZR 93/11, aaO Rn. 29; vom 25. März 2015 - VIII ZR 360/13, juris Rn. 33, und VIII ZR 109/14, juris Rn. 34) und hat zur Folge, dass an die Stelle des wegen der Unwirksamkeit oder der unwirksamen Einbeziehung der Preisanpassungsklausel auf dem Niveau bei Vertragsschluss verharrenden (Anfangs-) Preises nun die letzte Preiserhöhung des Versorgungsunternehmens tritt, der der Kunde nicht rechtzeitig widersprochen hat, mithin der danach maßgebliche Preis endgültig an die Stelle des Anfangspreises tritt (Senatsurteil vom 15. April 2015 - VIII ZR 59/14, aaO).
- 90
- (b) Diese Grundsätze haben im hier gegebenen Fall der ergänzenden Vertragsauslegung des Tarifkundenvertrages in gleicher Weise zu gelten. Denn es besteht kein sachlicher Grund, den Grundversorger insoweit anders zu behandeln als den Energieversorger im (Norm-)Sonderkundenbereich, der weder den mit der Grundversorgung verbundenen wirtschaftlichen Erschwernissen (siehe oben unter II 2 f cc (1)) ausgesetzt ist noch - mangels wirksamer Preisanpassungsklausel - zur Preiserhöhung berechtigt war. Eine andere Beurteilung entspräche zudem auch nicht dem objektiv zu ermittelnden hypothetischen Willen der Parteien des Tarifkundenvertrags.
- 91
- 3. Erfolglos rügt die Revision, die von der Klägerin vorgenommenen Preiserhöhungen entsprächen entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht der Billigkeit. Dabei kommt es nicht entscheidend darauf an, dass es hier bei zutreffender Betrachtung nicht um die Frage der Billigkeit der Preiserhöhung geht, sondern um die Preisbildung im Rahmen einer ergänzenden Vertragsauslegung , bei der es Aufgabe des Gerichts ist zu prüfen, ob die Preiserhöhungen der Klägerin deren (Bezugs-)Kostensteigerungen (hinreichend) abbilden.
- 92
- a) Die Revision beanstandet, das Berufungsgericht habe rechtsfehlerhaft nur Beweis durch die Vernehmung von (sachkundigen) Zeugen erhoben und eine weitergehende Beweisaufnahme durch Einholung eines Sachverständigengutachtens nach § 287 Abs. 2 ZPO abgelehnt. Es gehe vorliegend aber nicht um die - einer Schätzung zugängliche - Höhe der streitigen Forderung der Klägerin, sondern um die konkreten Anknüpfungstatsachen für die Ausübung des Ermessens, auf die § 287 Abs. 2 ZPO nicht anwendbar sei.
- 93
- b) Diese Rüge greift nicht durch. Entgegen der Auffassung der Revision hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei - wenn auch unter dem Blickwinkel der Billigkeit nach § 315 BGB - die Voraussetzungen einer Anwendung des § 287 Abs. 2 ZPO hinsichtlich der Prüfung, ob die Preiserhöhungen der Klägerin aus (Bezugs-)Kostensteigerungen herrühren, als gegeben erachtet.
- 94
- aa) Nach § 287 Abs. 2 ZPO sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen als der Schadensermittlung die Vorschriften des § 287 Abs. 1 Satz 1, 2 ZPO entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen. In diesem Fall entscheidet das Gericht über die Höhe der Forderung unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung (§ 287 Abs. 2 i.V.m. § 287 Abs. 1 Satz 1 ZPO), und es bleibt seinem Ermessen überlassen, ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme anzuordnen ist (§ 287 Abs. 2 i.V.m. § 287 Abs. 1 Satz 2 ZPO).
- 95
- Die somit vom Tatrichter nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffende Entscheidung, ob und inwieweit er eine Beweisaufnahme durchführt, unterliegt nur einer eingeschränkten Überprüfung durch das Revisionsgericht darauf, ob das Berufungsgericht von unzutreffenden rechtlichen Maßstäben ausgegangen ist, ob für seine Entscheidung grundsätzlich falsche oder offenbar unsachliche Erwägungen maßgebend waren oder ob wesentliche entscheidungserhebliche Tatsachen außer Acht gelassen wurden (vgl. BGH, Urteile vom 7. Oktober 2009 - I ZR 230/06, juris Rn. 30; vom 24. September 2014 - VIII ZR 394/12, BGHZ 202, 258 Rn. 74; Musielak/Voit/Foerste, ZPO, 12. Aufl., § 287 Rn. 10, 10b).
- 96
- bb) Dieser rechtlichen Überprüfung hält die Entscheidung des Berufungsgerichts stand. Entgegen der Auffassung der Revision durfte das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler von der Einholung eines Sachverständigengutachtens absehen.
- 97
- (1) Das Berufungsgericht hat zutreffend eine Schätzung nach § 287 Abs. 2 in Verbindung mit § 287 Abs. 1 Satz 1 ZPO vorgenommen, ob die ver- fahrensgegenständlichen Preiserhöhungen auf (Bezugs-)Kostensteigerungen beruhen und ihnen keine Einsparungen in anderen Kostenpositionen gegenüberstehen. Die hierzu erforderlichen Anknüpfungstatsachen hat es durch Vernehmung mehrerer sachkundiger Zeugen gewonnen. Hierbei handelte es sich um zwei mit der Prüfung der vorbezeichneten Fragen befasste (externe) Wirtschaftsprüfer sowie um den Leiter des Finanz- und Rechnungswesens der Klägerin und ihren ehemaligen Center-Leiter Energie- und Wasserwirtschaft.
- 98
- Wenn das Berufungsgericht bereits auf dieser Grundlage im Rahmen des § 287 Abs. 2 ZPO, dessen Voraussetzungen es zutreffend bejaht hat, zu der Überzeugung gelangt ist, dass die von der Klägerin vorgetragenen Bezugskostensteigerungen tatsächlich in diesem Umfang erfolgt sind und ihnen keine Einsparungen in anderen Kostenpositionen gegenüberstehen, durfte es rechtsfehlerfrei davon absehen, auch noch den von der Klägerin zusätzlich beziehungsweise hilfsweise angebotenen Sachverständigenbeweis zu erheben.
- 99
- (2) Entgegen der Auffassung der Revision gilt für den von ihr - ohne nähere Bezeichnung des Beweisthemas - angeführten Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Zwecke des Gegenbeweises nichts anderes.
- 100
- Zwar darf nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein Beweisantrag nicht deshalb abgelehnt werden, weil das Gericht das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits als erwiesen ansieht (st. Rspr.; BGH, Urteil vom 17. Februar 1970 - III ZR 139/67, BGHZ 53, 245, 259 f.; Beschluss vom 16. April 2015 - IX ZR 195/14, juris Rn. 9; jeweils mwN). Das Berufungsgericht durfte hier indes im Rahmen des § 287 Abs. 2 ZPO von der Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Zwecke des Gegenbeweises absehen, da der Beklagte die vorbezeichneten Anknüpfungstatsachen nicht qualifiziert angegriffen hat (vgl. hierzu Musielak/Voit/Foerste, aaO Rn. 10; vgl. auch BGH, Urteil vom 17. April 1997 - X ZR 2/96, NJW-RR 1998, 331 unter III 1 und 3). Das von der Revision insoweit in Bezug genommene Vorbringen des Beklagten in den Tatsacheninstanzen ist zudem nur hinsichtlich der von dem Beklagten generell in Frage gestellten Zulässigkeit einer Bindung des Gaspreises an den Ölpreis und nicht hinsichtlich der vom Berufungsgericht konkret für maßgeblich erachteten Anknüpfungstatsachen mit einem Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens unterlegt.
- 101
- c) Ebenfalls ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen den vom Berufungsgericht im Rahmen der Billigkeitsprüfung nach § 315 BGB gewählten Beurteilungsmaßstab einer Gesamtbetrachtung des Gaswirtschaftsjahres.
- 102
- aa) Soweit die Revision meint, richtigerweise müsse jede einzelne Tariferhöhung der Billigkeit entsprechen, kommt es hierauf nicht entscheidend an. Denn, wie oben unter II 3 bereits ausgeführt, geht es im Streitfall nicht um die Frage der Billigkeit der Preiserhöhungen (§ 315 BGB), sondern um die Preisbildung im Rahmen einer ergänzenden Vertragsauslegung. Aus diesem Grund bedarf auch der vom Berufungsgericht aufgezeigte Meinungsstreit der Instanzgerichte , ob im Falle der Beanstandung mehrerer Preiserhöhungen jede Preiserhöhung für sich genommen - gegebenenfalls unter zusätzlicher Berücksichtigung nicht ausgeschöpfter Bezugskostensteigerungen früherer Erhöhungen - an § 315 BGB zu messen ist (vgl. OLG Celle, ZNER 2011, 63 Rn. 37 ff.; LG Köln, Urteil vom 14. August 2009 - 90 O 41/07, juris Rn. 22 ff.) oder ob eine Gesamtbetrachtung für einen bestimmten Zeitraum - gegebenenfalls unter zusätzlicher Berücksichtigung der in näherer Zukunft erwarteten Preisentwicklung - vorzunehmen ist (vgl. OLG München, Urteil vom 1. Oktober 2009 - U (K) 3772/08, juris Rn. 43; OLG Koblenz, Urteil vom 12. April 2010 - 12 U 18/08, juris Rn. 12; vgl. auch Senatsurteile vom 13. Juni 2007 - VIII ZR 36/06, BGHZ 172, 315 Rn. 25; vom 19. November 2008 - VIII ZR 138/07, aaO Rn. 34 f.), keiner Entscheidung.
- 103
- bb) Bei der Beurteilung, ob die Preiserhöhungen des Energieversorgers unter Berücksichtigung der Schätzungsmöglichkeit nach § 287 Abs. 2 in Verbindung mit § 287 Abs. 1 Satz 1 ZPO dessen (Bezugs-)Kostensteigerungen (hinreichend) abbilden, steht dem Tatrichter - ähnlich wie bei der Prüfung der Billigkeit gemäß § 315 Abs. 3 BGB (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 20. Juli 2010 - EnZR 23/09, aaO Rn. 39 mwN) - ein Ermessen zu. Dessen Ausübung unterliegt nur einer eingeschränkten revisionsgerichtlichen Überprüfung darauf, ob sie auf grundsätzlich falschen oder offenbar unrichtigen Erwägungen beruht, erhebliches Vorbringen der Parteien unberücksichtigt gelassen, Rechtsgrundsätze der Bemessung verkannt, wesentliche Bemessungsfaktoren außer Betracht gelassen oder der Schätzung unrichtige Maßstäbe zu Grunde gelegt wurden (vgl. BGH, Urteile vom 9. Juni 2009 - VI ZR 110/08, BGHZ 181, 242 Rn. 10; vom 4. November 2010 - III ZR 45/10, NJW 2011, 852 Rn. 18; vom 8. Mai 2012 - VI ZR 37/11, NJW 2012, 2267 Rn. 9; jeweils mwN; Musielak/ Voit/Foerste, aaO Rn. 10b; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 36. Aufl., § 287 Rn. 11).
- 104
- cc) Hiervon ausgehend erweist sich die Annahme des Berufungsgerichts, für die Beurteilung der Preiserhöhungen sei auf das Gaswirtschaftsjahr abzustellen , im Ergebnis als rechtsfehlerfrei. Das Berufungsgericht hat im Rahmen seiner ausführlichen Würdigung der für und gegen eine auf das Gaswirtschaftsjahr bezogene Gesamtbetrachtung sprechenden Gesichtspunkte zu Recht hervorgehoben , dass dem Energieversorgungsunternehmen bei der Weitergabe von (Bezugs-)Kostensteigerungen - auch mit Blick auf die oftmals nicht sicher voraussehbare Entwicklung der Bezugskosten - ein Ermessensspielraum zuzubilligen ist.
- 105
- Diese für die hier gebotene ergänzende Vertragsauslegung in gleicher Weise geltende Erwägung berücksichtigt zutreffend, dass es bei einem Massengeschäft wie dem Tarifkundenvertrag - auch unter Berücksichtigung von Praktikabilitätsgesichtspunkten - im Interesse beider Vertragsparteien liegt, eine Weitergabe von Kostensenkungen und Kostenerhöhungen nicht - was regelmäßig mit einem die Energieversorgung unnötigerweise verteuernden hohen Aufwand verbunden wäre - tagesgenau vorzunehmen, sondern auf die Kostenentwicklung in einem gewissen Zeitraum abzustellen.
- 106
- Wie lange der Zeitraum für die vorbezeichnete Gesamtbetrachtung bemessen sein muss, lässt sich nicht generell bestimmen, sondern bedarf der Beurteilung des Tatrichters auf der Grundlage der Umstände des Einzelfalls. In den meisten Fällen wird jedoch der vom Berufungsgericht hier gewählte Rahmen des Gaswirtschaftsjahres ein geeigneter Prüfungsmaßstab sein.
- 107
- 4. Nach alledem hat das Berufungsgericht die streitgegenständlichen Preiserhöhungen der Klägerin im Ergebnis zutreffend für berechtigt erachtet und ihr die Klageforderung zugesprochen. Da sich das Preiserhöhungsrecht hier aus der ergänzenden Vertragsauslegung des Gaslieferungsvertrages der Parteien ergibt mit der Folge, dass es sich bei den nach den Feststellungen des Berufungsgerichts auf Kostensteigerungen beruhenden Preiserhöhungen um den vereinbarten Gaspreis handelt, ist für eine zusätzliche Billigkeitskontrolle gemäß § 315 BGB kein Raum. Dr. Milger Dr. Hessel Dr. Fetzer Dr. Bünger Kosziol
LG Dortmund, Entscheidung vom 20.08.2009 - 13 O 179/08 Kart -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 21.12.2011 - VI-3 U (Kart) 4/11 -
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Tatbestand:
- 1
- Der Kläger ist ein Verbraucherverband, der in die gemäß § 4 des Unterlassungsklagengesetzes (UKlaG) beim Bundesverwaltungsamt geführte Liste qualifizierter Einrichtungen eingetragen ist. Die Beklagte betreibt ein Versandhandelsunternehmen.
- 2
- Im Sommer 2002 bestellte die Käuferin B. für ihren privaten Gebrauch bei der Beklagten ein sogenanntes "Herd-Set" zum Preis von 524,90 €. Die Ware wurde im August 2002 geliefert. Im Januar 2004 stellte die Käuferin fest, dass sich an der Innenseite des zu dem "Herd-Set" gehörenden Backofens die Emailleschicht abgelöst hatte. Da eine Reparatur des Gerätes nicht möglich war, tauschte die Beklagte den Backofen vereinbarungsgemäß noch im Januar 2004 aus. Das ursprünglich gelieferte Gerät gab die Käuferin an die Beklagte zurück. Für dessen Nutzung verlangte die Beklagte eine Vergütung , die die Käuferin an die Beklagte zahlte.
- 3
- Gestützt auf eine entsprechende Ermächtigung durch die Käuferin verlangt der Kläger Rückzahlung der Vergütung in Höhe von 67,86 € nebst Zinsen. Daneben hat er, soweit im Revisionsverfahren noch von Interesse, beantragt, die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, Verbrauchern im Falle der Ersatzlieferung Beträge für die Nutzung der mangelhaften Ware in Rechnung zu stellen.
- 4
- Das Landgericht (LG Nürnberg-Fürth, NJW 2005, 2558) hat dem Zahlungsantrag stattgegeben und die Klage im Übrigen abgewiesen. Das Oberlandesgericht (OLG Nürnberg, NJW 2005, 3000) hat die Berufung der Beklagten und hinsichtlich des vorbezeichneten Unterlassungsantrags auch die Berufung des Klägers zurückgewiesen und die Revision für beide Parteien zugelassen.
- 5
- Der Senat hat das Verfahren durch Beschluss vom 16. August 2006 (NJW 2006, 3200) ausgesetzt und den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften gemäß Art. 234 EG um eine Vorabentscheidung ersucht. Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften hat hierüber durch Urteil vom 17. April 2008 (Rs. C-404/06, NJW 2008, 1433 – Quelle AG/Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände) entschieden.
Entscheidungsgründe:
- 6
- Die Revision der Beklagten ist unbegründet, die des Klägers ist begründet.
A.
- 7
- Das Berufungsgericht hat, soweit für das Revisionsverfahren noch von Interesse, zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt:
- 8
- Die Zahlung einer Nutzungsentschädigung sei ohne Rechtsgrund erfolgt und könne daher nach § 812 Abs. 1 BGB zurückgefordert werden. Aus der Verweisung des § 439 Abs. 4 BGB auf § 346 Abs. 1 BGB könne die Beklagte keinen Anspruch auf Nutzungsentschädigung herleiten. Die Vorschrift des § 439 Abs. 4 BGB enthalte keine Rechtsfolgenverweisung auf § 346 Abs. 1 Alt. 2 BGB (Herausgabe von tatsächlich gezogenen Nutzungen). Die Begründung des Gesetzgebers für eine Verpflichtung des Käufers, im Falle der Ersatzlieferung eine Nutzungsentschädigung zu zahlen, überzeuge nicht. Es sei nicht gerechtfertigt, im Falle einer Ersatzlieferung alle aus dem Rücktritt resultierenden Rechtsfol- gen anzuwenden. Zwar habe der Käufer bei der Ersatzlieferung dadurch einen Vorteil, dass er anstelle der ursprünglichen Sache nun eine neue ungebrauchte Sache mit einer neuen Gewährleistungsfrist erhalte und grundsätzlich mit einer längeren Lebensdauer der Ware rechnen könne. Dem Verkäufer bleibe als Nachteil eine unverkäufliche, weil mangelbehaftete Sache; allerdings behalte er den vollen Kaufpreis und damit den eigentlichen Gewinn. Im Falle des Rücktritts stelle sich die Situation für den Verkäufer deutlich ungünstiger dar. Er müsse nicht nur die mangelhafte Ware behalten, sondern zusätzlich noch den im Kaufpreis enthaltenen Gewinn herausgeben. Demgegenüber erhalte der Käufer den vollen Kaufpreis zurück und könne sich von seinem Vertragspartner lösen. Nur in diesem Fall sei es interessengerecht, wenn der Käufer eine Nutzungsentschädigung zahle.
- 9
- Auch wenn der Beklagten somit im Falle der Ersatzlieferung kein Anspruch auf Nutzungsentschädigung zustehe, sei der auf § 2 Abs. 2 Nr. 1 UKlaG gestützte Unterlassungsantrag unbegründet, weil das Verhalten der Beklagten nicht gegen eine Vorschrift verstoße, die dem Schutz der Verbraucher diene. Die Erwähnung von § 439 BGB in § 475 BGB lasse die erstgenannte Bestimmung nicht generell zu einer verbraucherschützenden Vorschrift werden. Denn in § 475 BGB werde als spezielle Regelung über den Verbrauchsgüterkauf nur die grundsätzliche Unabdingbarkeit des § 439 BGB festgeschrieben. Würde jede Abweichung von den Bestimmungen der §§ 433 ff. BGB, soweit diese die Vorgaben der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie umsetzten, dem § 2 Abs. 2 Nr. 1 UKlaG unterfallen, hätte dies die nicht beabsichtigte Folge, dass aus jedem Rechtsstreit, in dem ein Unternehmer bei einem Verbrauchsgüterkauf unterliege , ein allgemeiner, vom Kläger durchzusetzender Unterlassungsanspruch herrührte. Ohnehin sei dem § 439 BGB ein Verbot, eine Nutzungsentschädigung verlangen zu dürfen, nicht zu entnehmen. Die Vorschrift des § 439 Abs. 4 BGB biete lediglich keine Anspruchsgrundlage für ein derartiges Verlangen, enthalte aber kein diesbezügliches Verbot.
B.
- 10
- Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht in jeder Hinsicht stand.
- 11
- I. Revision der Beklagten
- 12
- Zu Recht hat das Berufungsgericht allerdings angenommen, dass die Käuferin gegen die Beklagte einen Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB auf Rückzahlung eines Betrages von 67,86 € nebst Zinsen hat, den der Kläger aufgrund der Ermächtigung durch die Käuferin im eigenen Namen geltend machen kann.
- 13
- Die von der Käuferin geleistete Zahlung für die Nutzung des zunächst gelieferten mangelhaften Herdes ist ohne Rechtsgrund erfolgt. Der Beklagten steht ein Anspruch auf Wertersatz dafür, dass die Käuferin die anfangs gelieferte Ware in der Zeit von August 2002 bis Januar 2004 nutzen konnte, nicht zu. Ein derartiger Anspruch ergibt sich entgegen der Ansicht der Beklagten auch nicht aus § 439 Abs. 4 BGB in Verbindung mit § 346 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, § 100 BGB.
- 14
- 1. Zwar kann nach dem Wortlaut des § 439 Abs. 4 BGB der Verkäufer, der zum Zwecke der Nacherfüllung eine mangelfreie Sache liefert, vom Käufer Rückgewähr der mangelhaften Sache "nach Maßgabe der §§ 346 bis 348" verlangen. Neben der Rückgabe der empfangenen Leistung selbst sieht § 346 Abs. 1 BGB im Falle des Rücktritts die Pflicht zur Herausgabe der gezogenen Nutzungen vor, zu denen auch die Gebrauchsvorteile nach § 100 BGB gehören. Für diese Vorteile hat der Rückgewährschuldner nach § 346 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB dem Rückgewährgläubiger Wertersatz zu leisten. Dies gilt nach dem Wortlaut der Vorschriften auch dann, wenn es sich – wie im vorliegenden Fall – um einen Verbrauchsgüterkauf (§ 474 Abs. 1 Satz 1 BGB) handelt.
- 15
- 2. Diese – im rechtswissenschaftlichen Schrifttum sehr umstrittene (vgl. Senatsbeschluss vom 16. August 2006, aaO, Tz. 10 ff. m.w.N.) – Vorschrift steht aber nicht im Einklang mit Art. 3 der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter (ABl. EG Nr. L 171, S. 12; im Folgenden: Richtlinie). Nach Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie hat der Verbraucher bei Vertragswidrigkeit des Verbrauchsgutes entweder Anspruch auf die unentgeltliche Herstellung des vertragsgemäßen Zustands durch Nachbesserung oder Ersatzlieferung oder auf angemessene Minderung des Kaufpreises oder auf Vertragsauflösung. Art. 3 Abs. 3 Satz 1 der Richtlinie bestimmt , dass der Verbraucher vom Verkäufer die unentgeltliche Nachbesserung des Verbrauchsgutes oder eine unentgeltliche Ersatzlieferung verlangen kann, sofern dies nicht unmöglich oder unverhältnismäßig ist. In Art. 3 Abs. 3 Satz 3 der Richtlinie heißt es, dass die Nachbesserung oder die Ersatzlieferung innerhalb angemessener Frist und ohne erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher erfolgen müsse. Nach Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie umfasst der Begriff "unentgeltlich" in den Absätzen 2 und 3 die für die Herstellung des vertragsgemäßen Zustands des Verbrauchsguts notwendigen Kosten, insbesondere Versand-, Arbeits- und Materialkosten.
- 16
- Der Senat hat dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften durch Beschluss vom 16. August 2006 (aaO) folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt: "Sind die Bestimmungen des Art. 3 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 3 Satz 1 und Abs. 4 oder des Art. 3 Abs. 3 Satz 3 der Richtlinie dahin auszule- gen, dass sie einer nationalen gesetzlichen Regelung entgegenstehen, die besagt, dass der Verkäufer im Falle der Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes des Verbrauchsgutes durch Ersatzlieferung von dem Verbraucher Wertersatz für die Nutzung des zunächst gelieferten vertragswidrigen Verbrauchsgutes verlangen kann?"
- 17
- Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften hat die Frage mit Urteil vom 17. April 2008 (aaO) wie folgt beantwortet: "Art. 3 der Richtlinie ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die dem Verkäufer, wenn er ein vertragswidriges Verbrauchsgut geliefert hat, gestattet, vom Verbraucher Wertersatz für die Nutzung des vertragswidrigen Verbrauchsguts bis zu dessen Austausch durch ein neues Verbrauchsgut zu verlangen."
- 18
- Zur Begründung hat der Gerichtshof im Wesentlichen ausgeführt: Dem Wortlaut und den einschlägigen Vorarbeiten der Richtlinie zufolge habe der Gemeinschaftsgesetzgeber die Unentgeltlichkeit der Herstellung des vertragsgemäßen Zustands des Verbrauchsguts durch den Verkäufer zu einem wesentlichen Bestandteil des durch die Richtlinie gewährleisteten Verbraucherschutzes machen wollen (Rdnr. 33). Diese dem Verkäufer auferlegte Verpflichtung, die Herstellung des vertragsgemäßen Zustands des Verbrauchsguts unentgeltlich zu bewirken, solle den Verbraucher vor drohenden finanziellen Belastungen schützen, die ihn davon abhalten könnten, seine Ansprüche geltend zu machen. Das bedeute, dass jede finanzielle Forderung des Verkäufers im Rahmen der Erfüllung seiner Verpflichtung zur Herstellung des vertragsmäßigen Zustands des Verbrauchsguts ausgeschlossen sei (Rdnr. 34). Diese Auslegung werde dadurch bestätigt, dass nach Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 3 der Richtlinie die Nachbesserung oder die Ersatzlieferung auch ohne erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher zu erfolgen habe (Rdnr. 35). Der 15. Erwägungsgrund betreffe nur den in Art. 3 Abs. 5 der Richtlinie vorgesehenen Fall der Vertragsauflösung mit gegenseitiger Herausgabe der erlangten Vorteile und könne somit nicht als allgemeiner Grundsatz verstanden werden (Rdnr. 39). Der Verbraucher werde durch die Erlangung eines neuen Verbrauchsguts als Ersatz für das vertragswidrige Verbrauchsgut nicht ungerechtfertigt bereichert. Er erhalte lediglich verspätet ein den Vertragsbestimmungen entsprechendes Verbrauchsgut, wie er es bereits zu Beginn hätte erhalten müssen (Rdnr. 41). Die finanziellen Interessen des Verkäufers seien durch die Verjährungsfrist von zwei Jahren nach Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie und durch die ihm in Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 2 der Richtlinie eröffnete Möglichkeit geschützt, die Ersatzlieferung zu verweigern, wenn sich diese Abhilfe wegen unzumutbarer Kosten als unverhältnismäßig erweist (Rdnr. 42).
- 19
- 3. An dieses Auslegungsergebnis sind die nationalen Gerichte gebunden. Sie sind nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften aufgrund des Umsetzungsgebots gemäß Art. 249 Abs. 3 EG und des Grundsatzes der Gemeinschaftstreue gemäß Art. 10 EG zudem verpflichtet, die Auslegung des nationalen Rechts unter voller Ausschöpfung des Beurteilungsspielraums, den ihnen das nationale Recht einräumt, soweit wie möglich am Wortlaut und Zweck der Richtlinie auszurichten, um das mit der Richtlinie verfolgte Ziel zu erreichen (vgl. nur EuGH, Urteil vom 10. April 1984 – Rs. 14/83, Slg. 1984, 1891, Rdnr. 26, 28 – von Colson und Kamann/ Nordrhein-Westfalen; Urteil vom 5. Oktober 2004 – Rs. C-397/01 bis C-403/01, Slg. 2004, I S. 8835, Rdnr. 113 – Pfeiffer u.a./Deutsches Rotes Kreuz, Kreisverband Waldshut e.V.).
- 20
- a) Allerdings lässt sich dieses Gebot richtlinienkonformer Auslegung im vorliegenden Fall nicht im Wege einer (einschränkenden) Gesetzesauslegung im engeren Sinne umsetzen, also einer Rechtsfindung innerhalb des Gesetzeswortlauts (vgl. Canaris in: Festschrift für Bydlinski, 2002, S. 47, 81; Gebauer in: Gebauer/Wiedmann, Zivilrecht unter europäischem Einfluss, 2005, Kap. 3 Rdnr. 38), deren Grenze durch den möglichen Wortsinn gebildet wird (vgl. La- renz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl., S. 343; Staudinger /Coing/Honsell, Einleitung zum BGB [2005], unter VIII 4). Dem steht der eindeutige Wortlaut des Gesetzes entgegen, weil § 439 Abs. 4 BGB für den Fall der Ersatzlieferung uneingeschränkt auf die §§ 346 bis 348 BGB Bezug nimmt. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass dadurch allein die Rückgabe der mangelhaften Sache selbst geregelt und nicht dem Verkäufer auch ein Anspruch auf Herausgabe der vom Käufer gezogenen Nutzungen zugebilligt werden soll. Denn dann wäre zumindest die Verweisung auf § 347 BGB sinnlos, weil diese Vorschrift ausschließlich die Frage der Nutzungen (und Verwendungen ) regelt (vgl. Senatsbeschluss vom 16. August 2006, aaO, Tz. 14).
- 21
- b) Der von der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften geprägte Grundsatz der richtlinienkonformen Auslegung verlangt von den nationalen Gerichten aber mehr als bloße Auslegung im engeren Sinne. Der Gerichtshof ist bei der Verwendung des Begriffs "Auslegung" nicht von der im deutschen Rechtskreis – anders als in anderen europäischen Rechtsordnungen – üblichen Unterscheidung zwischen Auslegung (im engeren Sinne) und Rechtsfortbildung ausgegangen. Auch die vom Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften formulierte Einschränkung, nach der die richtlinienkonforme Auslegung nicht als Grundlage für eine Auslegung des nationalen Rechts contra legem dienen darf (vgl. EuGH, Urteil vom 4. Juli 2006 – Rs. C-212/04, Slg. 2006, I S. 6057, Rdnr. 110 – Adeneler u.a./Ellinikos Organismos Galaktos), bezieht sich nicht auf die Wortlautgrenze. Der Begriff des Contra-legemJudizierens ist vielmehr funktionell zu verstehen; er bezeichnet den Bereich, in dem eine richterliche Rechtsfindung nach nationalen Methoden unzulässig ist (Canaris, aaO, S. 91). Der Grundsatz der richtlinienkonformen Auslegung fordert deshalb auch, das nationale Recht, wo dies nötig und möglich ist, richtlinienkonform fortzubilden (Canaris, aaO, S. 81 f.; Gebauer, aaO; Franzen, Privatrechtsangleichung durch die Europäische Gemeinschaft, 1999, S. 358; Her- resthal, Rechtsfortbildung im europarechtlichen Bezugsrahmen, 2006, S. 317 f.; Baldus/Becker, ZEuP 1997, 873, 883; aA Habersack/Mayer, WM 2002, 253, 256; Ehricke, ZIP 2004, 1025, 1029 f.). Daraus folgt hier das Gebot einer richtlinienkonformen Rechtsfortbildung durch teleologische Reduktion (zum Begriff Larenz, aaO, S. 391) des § 439 Abs. 4 BGB auf einen mit Art. 3 der Richtlinie zu vereinbarenden Inhalt.
- 22
- aa) Eine Rechtsfortbildung im Wege der teleologischen Reduktion setzt eine verdeckte Regelungslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes voraus (vgl. BGHZ 149, 165, 174; BGH, Beschluss vom 20. Januar 2005 – IX ZB 134/04, NJW 2005, 1508, unter II 3 b aa (1), jeweils m.w.N.). Diese Voraussetzung ist erfüllt.
- 23
- In der Begründung des Koalitionsentwurfs zum Schuldrechtsmodernisierungsgesetz heißt es in der Einzelbegründung zu § 439 Abs. 4 BGB (BT-Drs. 14/6040, S. 232 f.): "Ebenso wie bisher § 480 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit § 467 Satz 1 steht dem Verkäufer ein Rückgewähranspruch nach den Vorschriften über den Rücktritt zu. Deshalb muss der Käufer, dem der Verkäufer eine neue Sache zu liefern und der die zunächst gelieferte fehlerhafte Sache zurückzugeben hat, gemäß §§ 439 Abs. 4, 346 Abs. 1 RE auch die Nutzungen , also gemäß § 100 auch die Gebrauchsvorteile, herausgeben. Das rechtfertigt sich daraus, dass der Käufer mit der Nachlieferung eine neue Sache erhält und nicht einzusehen ist, dass er die zurückzugebende Sache in dem Zeitraum davor unentgeltlich nutzen können soll und so noch Vorteile aus der Mangelhaftigkeit ziehen können soll. (…) Mit der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie ist eine derartige Verpflichtung des Verbrauchers (Käufers) vereinbar. Zwar bestimmt deren Artikel 3 Abs. 2 ausdrücklich den Anspruch des Verbrauchers auf eine „unentgeltliche“ Herstellung des vertragsgemäßen Zustands. (…) Der vertragsgemäße Zustand wird indes durch die Lieferung der neuen Ersatzsache hergestellt. (…) Zu den Kosten kann aber nicht die Herausgabe von Nutzungen der vom Verbraucher benutzten mangelhaften Sache gezählt werden.
- 24
- Daraus ergibt sich, dass die Absicht des Gesetzgebers einerseits dahin ging, dem Verkäufer für den Fall der Ersatzlieferung einen Anspruch auf Herausgabe der vom Käufer gezogenen Nutzungen zuzubilligen. Andererseits sollte aber – was die weiteren Ausführungen in der Gesetzesbegründung belegen – auch eine Regelung geschaffen werden, die mit der Richtlinie vereinbar ist. Die explizit vertretene Auffassung, dass die Regelung über den Nutzungsersatz den Anforderungen der Richtlinie genüge, ist jedoch fehlerhaft, wie der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften nunmehr mit Bindungswirkung festgestellt hat.
- 25
- Damit erweist sich das Gesetz als planwidrig unvollständig. Es liegt eine verdeckte Regelungslücke (vgl. Larenz, aaO, S. 377) vor, weil die Verweisung in § 439 Abs. 4 BGB keine Einschränkung für den Anwendungsbereich der Richtlinie enthält und deshalb mit dieser nicht im Einklang steht. Dass diese Unvollständigkeit des Gesetzes planwidrig ist, ergibt sich daraus, dass der Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung ausdrücklich seine Absicht bekundet hat, auch und gerade hinsichtlich des Nutzungsersatzes eine richtlinienkonforme Regelung zu schaffen. Somit steht die konkrete Regelungsabsicht hinsichtlich des Nutzungsersatzes nicht lediglich im Widerspruch zu einem generellen, allgemein formulierten Umsetzungswillen (so aber Schmidt, ZGS 2006, 408, 410). Vielmehr besteht ein Widerspruch zur konkret geäußerten, von der Annahme der Richtlinienkonformität getragenen Umsetzungsabsicht des Gesetzgebers. Deshalb ist auszuschließen, dass der Gesetzgeber § 439 Abs. 4 BGB in gleicher Weise erlassen hätte, wenn ihm bekannt gewesen wäre, dass die Vor- schrift nicht im Einklang mit der Richtlinie steht. Diese Annahme wird dadurch bestätigt, dass der Gesetzgeber nunmehr eine Gesetzesänderung in die Wege geleitet hat, die der im Streitfall ergangenen Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften Rechnung tragen und eine richtlinienkonforme Umsetzung der Richtlinie gewährleisten soll (Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses vom 15. Oktober 2008, BT-Drs. 16/10607, S. 4, 5 f.). Danach soll § 474 Abs. 2 BGB dahingehend neu gefasst werden, dass § 439 Abs. 4 BGB auf einen Verbrauchsgüterkauf mit der Maßgabe anzuwenden ist, dass Nutzungen nicht herauszugeben oder durch ihren Wert zu ersetzen sind.
- 26
- bb) Die bis zu einer gesetzlichen Neuregelung bestehende verdeckte Regelungslücke ist durch eine einschränkende Anwendung des § 439 Abs. 4 BGB für Fälle des Verbrauchsgüterkaufs (§ 474 Abs. 1 Satz 1 BGB) zu schließen. Die Vorschrift ist in solchen Fällen einschränkend dahingehend anzuwenden , dass die in Bezug genommenen Vorschriften über den Rücktritt nur für die Rückgewähr der mangelhaften Sache selbst eingreifen, hingegen nicht zu einem Anspruch des Verkäufers auf Herausgabe der gezogenen Nutzungen oder auf Wertersatz für die Nutzung der mangelhaften Sache führen (so auch Gebauer , AnwBl 2007, 314, 319; Theisen, GPR 2007, 276, 281 f.; Witt, NJW 2006, 3322, 3325). Diese Einschränkung ist nach dem Gebot richtlinienkonformer Rechtsfortbildung erforderlich, weil eine Verpflichtung des Käufers zur Zahlung von Nutzungsersatz mit Art. 3 der Richtlinie nicht vereinbar ist. Anders lässt sich der dargestellte Widerspruch zwischen den gesetzgeberischen Zielen – einerseits Begründung eines Anspruchs auf Nutzungsersatz, andererseits Richtlinienkonformität –, der eine planwidrige Regelungslücke begründet, im Wege richterlicher Rechtsfortbildung nicht lösen.
- 27
- Die Regelungslücke besteht zwar nur im Hinblick auf den im Verhältnis zu § 13 BGB engeren Verbraucherbegriff des Art. 1 Abs. 2 Buchst. a der Richt- linie. Die Ausfüllung der Lücke im Wege der richtlinienkonformen Rechtsfortbildung ist jedoch auf alle Konstellationen des Verbrauchsgüterkaufs und damit des Verbraucherbegriffs gemäß § 13 BGB zu erstrecken, weil insoweit der Einheitlichkeitswille des nationalen Gesetzgebers in Bezug auf den Verbraucherbegriff zu berücksichtigen ist (vgl. Herresthal, NJW 2008, 2475, 2477, unter Hinweis auf BT-Drs. 14/3195, S. 32).
- 28
- Hingegen bleibt es in Fällen, in denen kein Verbrauchsgüterkauf im Sinne des § 474 Abs. 1 Satz 1 BGB vorliegt, bei der uneingeschränkten Anwendung des § 439 Abs. 4 BGB. Eine Ausdehnung der teleologischen Reduktion des § 439 Abs. 4 BGB auch auf solche Fälle widerspräche dem Wortlaut und dem eindeutig erklärten Willen des Gesetzgebers, dem Verkäufer für den Fall der Ersatzlieferung einen Anspruch auf Herausgabe der vom Käufer gezogenen Nutzungen zuzubilligen (vgl. Senatsbeschluss vom 16. August 2006, aaO, Tz. 15 m.w.N.). Da solche Fälle außerhalb des Anwendungsbereichs der Richtlinie liegen, ergibt sich insoweit aus der fehlenden Richtlinienkonformität auch keine planwidrige Regelungslücke.
- 29
- cc) Die teleologische Reduktion führt nicht zur faktischen Derogation des § 439 Abs. 4 BGB, denn die Regelung bleibt in Fällen des Verbrauchsgüterkaufs hinsichtlich der Verweisung auf die Rücktrittsvorschriften über die Rückgewähr der mangelhaften Sache und in den übrigen Fällen insgesamt anwendbar. Es bedarf deshalb keiner Erörterung, ob im Rahmen einer gemeinschaftsrechtskonformen Rechtsfortbildung auch die vollständige Nichtanwendung einer Norm gerechtfertigt sein kann (so Herresthal, Rechtsfortbildung, aaO, S. 321 ff.; aA Canaris, aaO, S. 94; Gebauer, aaO, Rdnr. 51).
- 30
- dd) Die Rechtsfortbildung verletzt (entgegen Hummel, EuZW 2007, 268, 272) auch nicht die Bindung der Gerichte an Recht und Gesetz (Art. 20 Abs. 3 GG). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist die Befugnis der Gerichte zur Fortbildung des Rechts anerkannt; aus dem in Art. 20 Abs. 3 GG angeordneten Vorrang des Gesetzes folgt kein Verbot für die Gerichte , vorhandene Lücken im Wege richterlicher Rechtsfortbildung zu schließen (BVerfGE 82, 6, 11 f.; 111, 54, 82, jeweils m.w.N.).
- 31
- Zwar dürfen die Gerichte eine eindeutige Entscheidung des Gesetzgebers nicht aufgrund eigener rechtspolitischer Vorstellungen verändern. Durch die hier vorgenommene Rechtsfortbildung wird jedoch der erkennbare Wille des Gesetzgebers nicht beiseite geschoben. Vielmehr wird aus der in der Gesetzesbegründung niedergelegten Regelungsabsicht des Gesetzgebers entnommen , dass eine Lücke besteht und in welcher Weise sie geschlossen werden soll (vgl. BVerfGE 82, aaO). Denn aus den Gesetzesmaterialen ist – wie bereits dargelegt – die konkrete Absicht des Gesetzgebers erkennbar, eine richtlinienkonforme Regelung zu schaffen. Somit liegt eine der richtlinienkonformen teleologischen Reduktion des § 439 Abs. 4 BGB entgegenstehende Wertungsentscheidung des Gesetzgebers nicht vor (vgl. auch Herresthal, NJW 2008, aaO; aA Fischinger, EuZW 2008, 312, 313).
- 32
- ee) Der Gesichtspunkt der Rechtssicherheit spricht ebenfalls (entgegen Schmidt, aaO, S. 409) nicht gegen die richtlinienkonforme Rechtsfortbildung.
- 33
- Das rechtsstaatliche Prinzip der Rechtssicherheit (Art. 20 Abs. 3 GG) bedeutet in erster Linie Vertrauensschutz für den Bürger. Durfte die betroffene Partei mit der Fortgeltung der bisherigen Rechtslage rechnen und verdient dieses Interesse bei einer Abwägung mit den Belangen des Vertragspartners und den Anliegen der Allgemeinheit den Vorzug, liegt ein Eingriff in rechtlich geschützte Positionen vor (vgl. BVerfGE 72, 175, 196; 84, 212, 227; BGHZ 132, 119, 130). Das ist hier schon deshalb nicht der Fall, weil die teleologische Re- duktion des § 439 Abs. 4 BGB sich im Rahmen vorhersehbarer Entwicklung hält. Eine uneingeschränkte Anwendung der Vorschrift konnte nicht als gesichert angesehen werden, weil § 439 Abs. 4 BGB von Anfang an in hohem Maße umstritten war (vgl. Senatsbeschluss vom 16. August 2006, aaO, Tz. 10 f. m.w.N.) und auch die Richtlinienkonformität der Vorschrift von zahlreichen Stimmen im Schrifttum verneint wurde (aaO, Tz. 20 m.w.N.).
- 34
- ff) Der richtlinienkonformen Rechtsfortbildung lässt sich schließlich nicht entgegenhalten, sie laufe auf eine horizontale Direktwirkung der Richtlinie hinaus , die dieser nicht zukomme (so Habersack/Mayer, aaO, S. 257; Schulze, GPR 2008, 128, 131; vgl. auch Franzen, JZ 2003, 321, 327).
- 35
- Allerdings kann nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften auch eine klare, genaue und unbedingte Richtlinienbestimmung , mit der dem Einzelnen Rechte gewährt oder Verpflichtungen auferlegt werden sollen, im Rahmen eines Rechtsstreits, in dem sich ausschließlich Private gegenüberstehen, nicht als solche Anwendung finden (EuGH, Urteil vom 26. Februar 1986 – Rs. 152/84, Slg. 1986, S. 723, Rdnr. 48 – Marshall/Southampton and South-West Hampshire Area Health Authority; Urteil vom 5. Oktober 2004, aaO, Rdnr. 108 f. – Pfeiffer u. a./ Deutsches Rotes Kreuz, Kreisverband Waldshut e.V.; Urteil vom 7. Juni 2007 – Rs. C-80/06, Slg. 2007, I S. 4473, Rdnr. 20 – Carp Snc di L. Moleri e.V. Corsi/Ecorad Srl.). Um eine unmittelbare Anwendung der Richtlinie geht es hier jedoch nicht, auch nicht in Form einer (lediglich) negativen Anwendung der Richtlinie im Verhältnis zwischen Privaten (dafür aber Kreße, ZGS 2007, 215, 216; ablehnend zu einem solchen Rechtsinstitut von Danwitz, JZ 2007, 697, 702 ff.). Der Senat beschränkt sich vielmehr auf eine richtlinienkonforme Rechtsfortbildung im Wege der teleologischen Reduktion, die – wie ausgeführt – im Rahmen des vom nationalen Recht eingeräumten Beurteilungsspielraums möglich und notwendig ist.
- 36
- II. Revision des Klägers
- 37
- Zu Unrecht hat das Berufungsgericht einen Unterlassungsanspruch des Klägers nach § 2 Abs. 1 Satz 1 UKlaG verneint. Der Kläger kann gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 UKlaG von der Beklagten verlangen, dass diese es unterlässt, im Zusammenhang mit einer Ersatzlieferung im Sinne des § 439 Abs. 1 BGB Verbrauchern für die Nutzung der mangelhaften Sache Beträge in Rechnung zu stellen.
- 38
- Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 UKlaG kann im Interesse des Verbraucherschutzes auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer in anderer Weise als durch Verwendung oder Empfehlung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen Vorschriften zuwiderhandelt, die dem Schutz der Verbraucher dienen (Verbraucherschutzgesetze ). Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind hier erfüllt.
- 39
- 1. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts handelt es sich bei der Bestimmung des § 439 BGB um eine Vorschrift, die dem Schutz des Verbrauchers dient. Dies ergibt sich bereits aus § 2 Abs. 2 Nr. 1 UKlaG. Danach sind Verbraucherschutzgesetze insbesondere die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs , die für Verbrauchsgüterkäufe gelten. Dass § 439 BGB auch auf einen Verbrauchsgüterkauf im Sinne des § 474 Abs. 1 Satz 1 BGB anwendbar ist, bedarf keiner näheren Erörterung. Die Vorschrift des § 439 BGB wäre nur dann nicht als Verbraucherschutzgesetz anzusehen, wenn der Verbraucherschutz in der Norm nur untergeordnete Bedeutung hätte oder nur eine zufällige Nebenwirkung der Regelung wäre (BT-Drs. 14/2658, S. 53 zur insofern unverändert übernommenen Vorgängerregelung in § 22 AGBG). Dies ist indes nicht der Fall.
- 40
- Die Vorschrift über die Nacherfüllung in § 439 BGB dient auch dem Verbraucherschutz. Sie bezweckt, Art. 3 Abs. 2 Satz 1 der Richtlinie umzuset- zen (BT-Drs. 14/6040, S. 230). Deren verbraucherschützender Charakter kommt dadurch zum Ausdruck, dass die Richtlinie nach ihrem Art. 10 in den Anhang der "Liste der Richtlinien nach Art. 1" der Richtlinie 98/27/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Mai 1998 über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen (ABl. EG Nr. L 166, S. 51) als verbraucherschützende Richtlinie aufgenommen worden ist. Die Richtlinie über Unterlassungsklagen wiederum ist durch die Vorgängerregelung zu § 2 UKlaG, § 22 AGBG, in deutsches Recht umgesetzt worden (vgl. BT-Drs. 14/2658, S. 52).
- 41
- Dass § 439 BGB seinem Wortlaut nach nicht ausdrücklich auf den Verbrauchsgüterkauf Bezug nimmt, vielmehr in seinem Anwendungsbereich nicht auf Verbrauchsgüterkäufe beschränkt ist, ist unerheblich. Der Gesetzgeber des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes hat sich dafür entschieden, die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie nicht in einem separaten Verbrauchsgüterkaufgesetz in nationales Recht umzusetzen, sondern die allgemeinen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über den Kauf (§§ 433 ff. BGB) nach den Vorgaben der Richtlinie auszugestalten und nur einige wenige Bestimmungen in ihrem Anwendungsbereich auf den Verbrauchsgüterkauf zu beschränken (§§ 476 bis 479 BGB). Dass § 439 Abs. 4 BGB (auch) dem Schutz der Verbraucher dient, erhellt schon daraus, dass nach § 475 Abs. 1 BGB eine von § 439 BGB zu Lasten des Verbrauchers abweichende Vereinbarung unzulässig ist.
- 42
- 2. Verlangt die Beklagte im Zusammenhang mit einer Ersatzlieferung im Sinne des § 439 Abs. 1 BGB von Verbrauchern Wertersatz für die Nutzung der mangelhaften Sache, handelt sie damit der Vorschrift des § 439 Abs. 4 BGB zuwider. § 439 Abs. 4 BGB ist – wie bereits ausgeführt – im Falle des Verbrauchsgüterkaufs einschränkend dahingehend anzuwenden, dass dem Verkäufer, der zum Zwecke der Nacherfüllung eine mangelfreie Sache liefert, kein Anspruch auf Wertersatz für Nutzungen gegen den Käufer zusteht. Da auch eine andere Anspruchsgrundlage für ein derartiges Begehren des Verkäufers nicht ersichtlich ist, hat die Ersatzlieferung nach § 439 Abs. 4 BGB im Falle des Verbrauchsgüterkaufs in der Weise zu erfolgen, dass der Verkäufer eine mangelfreie Sache liefert und vom Käufer lediglich Rückgewähr der mangelhaften Sache fordern kann. Verlangt der Verkäufer in einem solchen Fall darüber hinaus Wertersatz für Nutzungen, macht er – der Vorschrift des § 439 Abs. 4 BGB zuwider – einen Anspruch geltend, der ihm nicht zusteht.
- 43
- 3. Schließlich liegt die Inanspruchnahme der Beklagten auf Unterlassung auch im Interesse des Verbraucherschutzes, weil der dargelegte Verstoß die Kollektivinteressen der Verbraucher berührt. Er reicht seinem Gewicht und seiner Bedeutung nach über den Einzelfall hinaus, weil anzunehmen ist, dass Verkäufer in einer Vielzahl von Fällen von Verbrauchern die Zahlung einer Nutzungsentschädigung verlangen. Dies lässt eine generelle Klärung der Frage geboten erscheinen (vgl. BT-Drs. 14/2658, S. 53).
C.
- 44
- Nach alledem ist die Revision der Beklagten zurückzuweisen. Auf die Revision des Klägers ist das Berufungsurteil aufzuheben, soweit die Berufung des Klägers gegen die Abweisung des mit der Revision allein noch verfolgten Unterlassungsantrages (ursprünglicher Klageantrag zu I 2) zurückgewiesen worden ist (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Senat hat insoweit in der Sache selbst zu entscheiden, da keine weiteren Feststellungen erforderlich sind und die Sache damit zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Da der Kläger von der Beklagten verlangen kann, dass diese es unterlässt, im Zusammenhang mit einer Ersatzlieferung im Sinne des § 439 Abs. 1 BGB Verbrauchern Beträge für die Nutzung der mangelhaften Sache in Rechnung zu stellen, ist das erstinstanzliche Urteil abzuändern und die Beklagte entsprechend zu verurteilen. Ball Wiechers Dr. Wolst Dr. Hessel Dr. Achilles
LG Nürnberg-Fürth, Entscheidung vom 01.02.2005 - 7 O 10714/04 -
OLG Nürnberg, Entscheidung vom 23.08.2005 - 3 U 991/05 -
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Tatbestand:
- 1
- Der Kläger kaufte bei der Beklagten, die einen Baustoffhandel betreibt, am 24. Januar 2005 45,36 m2 polierte Bodenfliesen eines italienischen Herstel- lers zum Preis von 1.191,61 € ohne und 1.382,27 € mit 16 % Mehrwertsteuer. Er ließ rund 33 m2 der Fliesen im Flur, im Bad, in der Küche und auf dem Treppenpodest seines Hauses verlegen. Danach zeigten sich auf der Oberfläche Schattierungen, die mit bloßem Auge zu erkennen sind. Der Kläger erhob deswegen Mängelrüge, die die Beklagte nach Rücksprache mit dem Hersteller am 26. Juli 2005 zurückwies. In einem vom Kläger eingeleiteten selbständigen Beweisverfahren kam der Sachverständige zu dem Ergebnis, dass es sich bei den bemängelten Schattierungen um feine Mikroschleifspuren handele, die nicht beseitigt werden könnten, so dass Abhilfe nur durch einen kompletten Austausch der Fliesen möglich sei. Die Kosten dafür bezifferte der Sachverständige mit 5.026,35 € ohne und 5.830,57 € einschließlich 16 % Mehrwertsteuer.
- 2
- Nach vergeblicher Leistungsaufforderung mit Fristsetzung hat der Kläger die Beklagte in dem vorliegenden Rechtsstreit auf Lieferung mangelfreier Flie- sen und auf Zahlung von 5.830,57 € (Ein- und Ausbaukosten) nebst Zinsen in Anspruch genommen. Das Landgericht hat die Beklagte aus dem - vom Kläger nicht geltend gemachten - Gesichtspunkt der Minderung zur Zahlung von 273,10 € nebst Zinsen verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht die Beklagte unter teilweiser Abänderung des erstinstanzlichen Urteils zur Lieferung von 45,36 m2 mangel- freier Fliesen und zur Zahlung von 2.122,37 € nebst Zinsen verurteilt. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision wendet sich die Beklagte gegen ihre Verurteilung zur Zahlung von 2.122,37 € nebst Zinsen.
Entscheidungsgründe:
- 3
- Die Revision hat, soweit sie zulässig ist, überwiegend Erfolg.
A.
- 4
- Das Berufungsgericht (OLG Frankfurt am Main, OLGR 2008, 325 ff. = ZGS 2008, 315 ff.) hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
- 5
- Der Kläger habe gegen die Beklagte einen Anspruch auf Lieferung mangelfreier Fliesen aus § 434, § 437 Nr. 1, § 439 Abs. 1 Fall 2 BGB. Die ihm von der Beklagten verkauften und gelieferten Fliesen seien mangelhaft (§ 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB). Nach dem Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen wiesen sie einen herstellungsbedingten Polierfehler auf, der - wie sich im Rahmen eines Augenscheins bestätigt habe - in der Fläche betrachtet insbesondere bei Tageslichteinfall störende und sofort ins Auge springende Schlierstreifen hervorrufe. Eine Beseitigung dieses Mangels (§ 439 Abs. 1 Fall 1 BGB) sei technisch nicht möglich. Die von der Beklagten gemäß § 439 Abs. 3 BGB erhobene Einrede, dass die vom Kläger verlangte Lieferung mangelfreier Fliesen unverhältnismäßige Kosten verursache, sei unbegründet. Bei der Frage, ob die allein in Betracht kommende Nacherfüllung durch Lieferung mangelfreier Fliesen wegen absoluter Unverhältnismäßigkeit (§ 439 Abs. 3 Satz 3 Halbsatz 2 BGB) verweigert werden dürfe, sei das Interesse des Klägers an der Durchführung der Nacherfüllung gegen das Interesse der Beklagten abzuwägen, nicht mit den dafür anfallenden Kosten belastet zu werden. Dabei seien zwar nicht die für den Einbau neuer Fliesen anfallenden Kosten zu berücksichtigen, wohl aber der für ihre Lieferung (rund 1.200 € einschließlich Transport) und für die Beseitigung der mangelhaften Fliesen - also deren Ausbau und Entsorgung - entstehende Kostenaufwand (rund 2.100 €). Dies ergebe sich aus der gebotenen Auslegung des § 439 Abs. 1 Fall 2 BGB.
- 6
- Allerdings spreche der Wortlaut dieser Bestimmung, wonach die "Lieferung einer mangelfreien Sache" geschuldet sei, dagegen, Aus- oder Einbaukosten zu den vom Verkäufer zu tragenden Nacherfüllungskosten zu zählen. Auch erscheine es zunächst fernliegend anzunehmen, dass der Nacherfüllungsanspruch als modifizierter Erfüllungsanspruch dem Verkäufer zusätzlich zu dessen ursprünglichen kaufvertraglichen Pflichten zur Übereignung und Übergabe der Kaufsache bisher nicht geschuldete Handlungspflichten auferlege. Andererseits sei aber aus der Pflicht des Verkäufers, dem Käufer Eigentum und Besitz - nur - an der mangelfreien Kaufsache zu verschaffen, im Umkehrschluss zu folgern, dass der Käufer nicht verpflichtet sei, sowohl die geschuldete mangelfreie als auch die gelieferte mangelhafte Sache zu behalten. Daraus ergebe sich eine vertragliche Verpflichtung des Verkäufers, die mangelhafte Sache zurückzunehmen. Wenn die mangelhafte Sache - wie hier - vom Käufer zweckentsprechend eingebaut worden sei, erstrecke sich diese Verpflichtung - und damit auch die Nacherfüllung - auf den der Rücknahme notwendigerweise vorgelagerten Ausbau der Kaufsache.
- 7
- Den Gesetzesmaterialien lasse sich zudem entnehmen, dass § 439 BGB der Umsetzung von Art. 3 der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter diene. Bei der gebotenen richtlinienkonformen Auslegung sei zu beachten, dass in Art. 3 Abs. 2 Satz 1 der Richtlinie nicht wie in § 439 Abs. 1 BGB von "Nacherfüllung", sondern von "Herstellung des vertragsgemäßen Zustands des Verbrauchsgutes" die Rede sei und dass die Nacherfüllungsvariante "Lieferung einer mangelfreien Sache" mit den Worten "Ersatzlieferung nach Maßgabe des Absatzes 3" um- schrieben sei. Danach treffe den Verkäufer mehr als nur die Pflicht zur Übergabe und Übereignung einer mangelfreien Kaufsache. Vielmehr schulde er die "Herstellung" eines vertragsgemäßen "Zustands". Dieser sei dadurch gekennzeichnet , dass die Kaufsache inzwischen bestimmungsgemäß verarbeitet worden sei. Auch der Begriff "Ersatzlieferung" spreche dafür, dass der Verkäufer mehr schulde als nur "Lieferung". Wer eine Sache "ersetze", müsse nicht nur die neue Sache übergeben, sondern auch die alte wegnehmen, weil er sonst "hinzusetze". Für ein über die bloße Lieferung hinausgehendes Verständnis des Begriffs "Ersatzlieferung" spreche auch Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 3 der Richtlinie, wonach die Ersatzlieferung "ohne erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher" erfolgen müsse, wobei "die Art des Verbrauchsgutes sowie der Zweck, für den der Verbraucher das Verbrauchsgut benötigte", zu berücksichtigen seien.
- 8
- Im Rahmen der Abwägung des Interesses des Klägers an der Durchführung der Nacherfüllung mit dem gegenläufigen Interesse der Beklagten daran, nicht mit unverhältnismäßig hohen Nacherfüllungskosten belastet zu werden, könne angesichts des Umstandes, dass die Beeinträchtigung durch die fehlerhaften Fliesen erheblich sei und die Nacherfüllung neben der Lieferung mangelfreier Fliesen nach der nicht angegriffenen Berechnung des gerichtlichen Sachverständigen Ausbaukosten von 2.122,37 € einschließlich 19 % Mehrwertsteuer verursache, nicht festgestellt werden, dass die Nacherfüllung mit unverhältnismäßig hohen Kosten verbunden wäre.
- 9
- Aus dem Vorstehenden folge, dass der Kläger nicht nur Lieferung mangelfreier Fliesen verlangen könne, sondern gegen die Beklagte auch einen An- spruch auf Zahlung von 2.122,37 € habe. Zwar sehe § 439 Abs. 1 und 2 BGB selbst keinen Zahlungsanspruch vor, sondern verpflichte den Verkäufer nur zur Durchführung der Nacherfüllung auf eigene Kosten. Der Zahlungsanspruch fol- ge jedoch aus § 434, § 437 Nr. 1, § 439 Abs. 1 und 2 BGB in Verbindung mit § 280 Abs. 3, § 281 Abs. 1 und 2 BGB. Indem die Beklagte vorgerichtlich jegliche Ansprüche des Klägers zurückgewiesen habe, habe sie ihre Pflicht zur Nacherfüllung schuldhaft verletzt (§ 281 Abs. 1 BGB) und die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert (§ 281 Abs. 2 BGB), so dass es einer Fristsetzung zur Nacherfüllung nicht bedurft habe.
- 10
- Weitergehende Schadensersatzansprüche wegen schuldhafter Lieferung mangelhafter Fliesen (§ 434, § 437 Nr. 3, § 440, § 280 Abs. 1, § 281 Abs. 1 BGB) stünden dem Kläger mangels Verschuldens der Beklagten nicht zu.
B.
- 11
- Diese Beurteilung hält - soweit die Revision eröffnet ist - rechtlicher Nachprüfung nicht in jeder Hinsicht stand.
I.
- 12
- Die Revision ist unzulässig, soweit sie sich gegen die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 273,10 € nebst Zinsen richtet. In dieser Höhe ist die Beklagte durch das Berufungsurteil nicht beschwert, da sie bereits in erster Instanz zur Zahlung von 273,10 € nebst Zinsen verurteilt worden ist und dagegen keine (Anschluss-)Berufung eingelegt hat.
II.
- 13
- Soweit die Beklagte zur Zahlung von mehr als 273,10 € (nebst Zinsen), nämlich von weiteren 1.849,27 € (nebst Zinsen) verurteilt worden ist, ist die - zulässige - Revision überwiegend begründet.
- 14
- 1. Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht angenommen, dass der Kläger im Rahmen der von ihm begehrten Nacherfüllung durch Ersatzlieferung (§ 439 Abs. 1 Alt. 2 BGB) von der beklagten Verkäuferin grundsätzlich auch verlangen kann, dass diese die mangelhaften Fliesen ausbaut und entsorgt. Ebenfalls zu Recht hat es der Beklagten verwehrt, die Ersatzlieferung gemäß § 439 Abs. 3 Satz 1, Satz 3 Halbsatz 2 BGB wegen Unverhältnismäßigkeit der durch den Ausbau der mangelhaften Fliesen entstehenden Kosten zu verweigern. Verkannt hat das Berufungsgericht jedoch, dass der Nacherfüllungsanspruch des Klägers bezüglich des Ausbaus der vertragswidrigen Kaufsache aufgrund der gebotenen europarechtskonformen Rechtsfortbildung des § 439 Abs. 3 BGB auf eine Kostenerstattung in Höhe eines angemessenen Betrages beschränkt ist.
- 15
- 2. Die Reichweite der den Verkäufer bei der Nacherfüllung nach § 439 Abs. 1 BGB treffenden Pflichten ist - ebenso wie die der dem Verkäufer nach § 439 Abs. 3 BGB zustehenden Einrede der Unverhältnismäßigkeit - im Einklang mit dem Inhalt des Art. 3 der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter (ABl. EG Nr. L 171 S. 12; im Folgenden: Richtlinie), deren Umsetzung die genannten nationalen Vorschriften dienen (BT-Drucks. 14/6040, S. 230, 232), zu bestimmen.
- 16
- a) Der Senat hat daher mit seinem Beschluss vom 14. Januar 2009 (VIII ZR 70/08, NJW 2009, 1660 ff.) dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (jetzt: Gerichtshof der Europäischen Union, im Folgenden: Gerichtshof ) folgende Fragen zur Vorabentscheidung gemäß Art. 234 EG (jetzt: Art. 267 AEUV) vorgelegt: "Sind die Bestimmungen des Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 1 und 2 der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter dahin auszulegen, dass sie einer nationalen gesetzlichen Regelung entgegenstehen, wonach der Verkäufer im Falle der Vertragswidrigkeit des gelieferten Verbrauchsgutes die vom Verbraucher verlangte Art der Abhilfe auch dann verweigern kann, wenn sie ihm Kosten verursachen würde, die verglichen mit dem Wert, den das Verbrauchsgut ohne die Vertragswidrigkeit hätte, und der Bedeutung der Vertragswidrigkeit unzumutbar (absolut unverhältnismäßig) wären ? Falls die erste Frage zu bejahen ist: Sind die Bestimmungen des Art. 3 Abs. 2 und Abs. 3 Unterabs. 3 der vorbezeichneten Richtlinie dahin auszulegen , dass der Verkäufer im Falle der Herstellung des vertragsgemäßen Zustands des Verbrauchsgutes durch Ersatzlieferung die Kosten des Ausbaus des vertragswidrigen Verbrauchsgutes aus einer Sache, in die der Verbraucher das Verbrauchsgut gemäß dessen Art und Verwendungszweck eingebaut hat, tragen muss?"
- 17
- b) Der Gerichtshof hat - nach der Verbindung dieser Sache mit einem weiteren Vorlageverfahren - mit Urteil vom 16. Juni 2011 (Rechtssachen C-65/09 und C-87/09, NJW 2011, 2269 ff. - Gebr. Weber GmbH/Jürgen Wittmer und Ingrid Putz/Medianess Electronics GmbH) die Fragen wie folgt beantwortet: "Art. 3 Abs. 2 und 3 der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter ist dahin auszulegen, dass, wenn der vertragsgemäße Zustand eines vertragswidrigen Verbrauchsguts, das vor Auftreten des Mangels vom Verbraucher gutgläubig gemäß seiner Art und seinem Verwendungszweck eingebaut wurde, durch Ersatzlieferung hergestellt wird, der Verkäufer verpflichtet ist, entweder selbst den Ausbau dieses Verbrauchsgutes aus der Sache, in die es eingebaut wurde, vorzunehmen und das als Ersatz gelieferte Verbrauchsgut in diese Sache einzubauen, oder die Kosten zu tragen, die für diesen Ausbau und den Einbau des als Ersatz gelieferten Verbrauchsguts notwendig sind. Diese Verpflichtung des Verkäufers besteht unabhängig davon, ob er sich im Kaufvertrag verpflichtet hatte, das ursprünglich gekaufte Verbrauchsgut einzubauen. Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 1999/44/EG ist dahin auszulegen, dass er ausschließt, dass eine nationale gesetzliche Regelung dem Verkäufer das Recht gewährt, die Ersatzlieferung für ein vertragswidriges Verbrauchsgut als einzig mögliche Art der Abhilfe zu verweigern, weil sie ihm wegen der Verpflichtung, den Ausbau dieses Verbrauchsguts aus der Sache, in die es eingebaut wurde, und den Einbau des als Ersatz gelieferten Verbrauchsguts in diese Sache vorzunehmen, Kosten verursachen würde, die verglichen mit dem Wert, den das Verbrauchsgut hätte , wenn es vertragsgemäß wäre, und der Bedeutung der Vertragswidrigkeit unverhältnismäßig wären. Art. 3 Abs. 3 schließt jedoch nicht aus, dass der Anspruch des Verbrauchers auf Erstattung der Kosten für den Ausbau des mangelhaften Verbrauchsguts und den Einbau des als Ersatz gelieferten Verbrauchsguts in einem solchen Fall auf die Übernahme eines angemessenen Betrags durch den Verkäufer beschränkt wird."
- 18
- Zur Begründung hat der Gerichtshof im Wesentlichen ausgeführt:
- 19
- Nach dem Wortlaut und den einschlägigen Vorarbeiten zur Richtlinie habe der Unionsgesetzgeber die Unentgeltlichkeit der Herstellung des vertragsgemäßen Zustands des Verbrauchsguts durch den Verkäufer zu einem wesentlichen Bestandteil des durch die Richtlinie gewährleisteten Verbraucherschutzes machen wollen. Die dem Verkäufer in Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie auferlegte Verpflichtung, die Herstellung des vertragsgemäßen Zustands des Verbrauchsguts unentgeltlich zu bewirken, solle den Verbraucher vor drohenden finanziellen Belastungen schützen, die ihn davon abhalten könnten, seine Ansprüche geltend zu machen (Rn. 46). Wenn der Verbraucher im Fall der Ersatzlieferung für ein vertragswidriges Verbrauchsgut vom Verkäufer nicht verlangen könnte, dass dieser den Ausbau des Verbrauchsguts aus der Sache, in die es gemäß seiner Art und seinem Verwendungszweck eingebaut worden ist, und den Einbau des als Ersatz gelieferten Verbrauchsguts in dieselbe Sache oder die entsprechenden Kosten übernehme, würde die Ersatzlieferung für ihn zu zusätzlichen finanziellen Lasten führen, die er bei ordnungsgemäßer Erfüllung nicht hätte tragen müssen (Rn. 47).
- 20
- Zudem seien Nachbesserung und Ersatzlieferung nach Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie nicht nur unentgeltlich, sondern auch ohne erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher vorzunehmen (Rn. 52). Der Umstand, dass der Verkäufer das vertragswidrige Verbrauchsgut nicht ausbaue und das als Ersatz gelieferte Verbrauchsgut nicht einbaue, stelle zweifellos eine erhebliche Unan- nehmlichkeit für den Verbraucher dar (Rn. 53). Weiter sei zu berücksichtigen, dass der Begriff "Ersatzlieferung", dessen genaue Bedeutung in den einzelnen Sprachfassungen der Richtlinie unterschiedlich sei, sich - selbst in der deutschen Fassung - nicht auf die bloße Lieferung eines Ersatzes beschränke (Rn. 54).
- 21
- Die beschriebene Auslegung von Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie entspreche zudem der im ersten Erwägungsgrund der Richtlinie genannten Zielsetzung, ein hohes Verbraucherschutzniveau zu gewährleisten (Rn. 55), und führe auch nicht zu ungerechten Ergebnissen, weil der Verkäufer die ihm obliegenden Leistungen nicht ordnungsgemäß erbracht habe und daher die Folgen der Schlechterfüllung tragen müsse (Rn. 56). Sie sei unabhängig davon, ob der Verkäufer nach dem Kaufvertrag zum Einbau des gelieferten Verbrauchsguts verpflichtet gewesen sei. Die dem Verbraucher in Art. 3 der Richtlinie verliehenen Rechte seien nicht auf den Umfang der in dem Kaufvertrag vorgesehenen Ansprüche begrenzt, sondern dienten der Herstellung der Situation, die vorgelegen hätte, wenn der Verkäufer von vornherein ein vertragsgemäßes Verbrauchsgut geliefert hätte (Rn. 59 f.). Die finanziellen Interessen des Verkäufers seien durch die Verjährungsfrist von zwei Jahren nach Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie und durch die ihm in Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 2 der Richtlinie eröffnete Möglichkeit geschützt, die Ersatzlieferung zu verweigern, wenn sich diese Abhilfe wegen unzumutbarer Kosten als unverhältnismäßig erweise (Rn. 58).
- 22
- Hinsichtlich des Verweigerungsrechts des Verkäufers sei festzustellen, dass die offene Fassung des Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 1 der Richtlinie, wonach der Verbraucher unentgeltliche Nachbesserung oder Ersatzlieferung nur verlangen könne, sofern diese nicht unmöglich oder unverhältnismäßig sei, zwar an sich auch Fälle der absoluten Unmöglichkeit erfassen könne. Jedoch definiere Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 2 der Richtlinie den Begriff "unverhältnismäßig" aus- schließlich in Beziehung zu der alternativen Abhilfemöglichkeit und begrenze ihn daher auf Fälle der relativen Unmöglichkeit (Rn. 68). Diese Einschränkung werde durch den elften Erwägungsgrund der Richtlinie bestätigt. Danach seien Abhilfen unverhältnismäßig, die im Vergleich zu anderen Abhilfemaßnahmen unzumutbare Kosten verursachten, wobei zur Beantwortung der Frage, ob es sich um unzumutbare Kosten handele, entscheidend sein solle, ob die Kosten der einen Abhilfemöglichkeit deutlich höher seien als die Kosten der anderen Abhilfe (Rn. 69). Die Begrenzung des Verweigerungsrechts des Verkäufers auf die Fälle der relativen Unverhältnismäßigkeit rechtfertige sich dadurch, dass die gegenüber der Herstellung des vertragsgemäßen Zustands subsidiären Mittel der Auflösung des Vertrags oder der Minderung des Kaufpreises nicht dasselbe Verbraucherschutzniveau gewährleisteten (Rn. 72). Der Verkäufer könne daher die einzig mögliche Art der Abhilfe, durch die sich der vertragsgemäße Zustand des Verbrauchsguts herstellen lasse, nicht wegen Unverhältnismäßigkeit der hierfür erforderlichen Kosten verweigern (Rn. 71).
- 23
- Hingegen schließe es Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie nicht aus, den Anspruch des Verbrauchers auf Kostenerstattung für den Ausbau des vertragswidrigen Verbrauchsguts und Einbau des als Ersatz gelieferten Verbrauchsguts auf einen Betrag zu beschränken, der dem Wert, den das Verbrauchsgut hätte, wenn es vertragsgemäß wäre, und der Bedeutung der Vertragswidrigkeit angemessen sei (Rn. 74, 76). Im Rahmen der von Art. 3 der Richtlinie verfolgten Zielsetzung eines gerechten Interessenausgleichs zwischen dem Verbraucher und dem Verkäufer dürften auch vom Verkäufer angeführte wirtschaftliche Überlegungen berücksichtigt werden, sofern hierdurch das Recht des Verbrauchers auf Erstattung der Ein- und Ausbaukosten in der Praxis nicht ausgehöhlt werde (Rn. 75 f.). Allerdings sei dem Verbraucher im Falle einer Herabsetzung des Anspruchs auf Erstattung der Ein- und Ausbaukosten die Möglichkeit zu gewähren , eine Minderung oder eine Vertragsauflösung zu verlangen, da eine Beteili- gung an der Kostentragung für ihn eine erhebliche Unannehmlichkeit darstelle (Rn. 77).
- 24
- 3. An dieses Auslegungsergebnis sind die nationalen Gerichte gebunden. Sie sind nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs aufgrund des Umsetzungsgebots gemäß Art. 288 Abs. 3 AEUV und des Grundsatzes der Gemeinschaftstreue gemäß Art. 4 Abs. 3 EUV zudem verpflichtet, die Auslegung des nationalen Rechts unter voller Ausschöpfung des Beurteilungsspielraums , den ihnen das nationale Recht einräumt, soweit wie möglich am Wortlaut und Zweck der Richtlinie auszurichten, um das mit der Richtlinie verfolgte Ziel zu erreichen (vgl. nur EuGH, Slg. 1984, 1891 Rn. 26, 28 - von Colson und Kamann/Nordrhein-Westfalen; Slg. 2004, I-8835 Rn. 113 - Pfeiffer u.a./ Deutsches Rotes Kreuz, Kreisverband Waldshut e.V.).
- 25
- 4. Vor diesem Hintergrund ist zunächst § 439 Abs. 1 Alt. 2 BGB richtlinienkonform dahin auszulegen, dass die dort genannte Nacherfüllungsvariante "Lieferung einer mangelfreien Sache" auch den Ausbau und den Abtransport der mangelhaften Kaufsache - hier der von der Beklagten gelieferten mangelhaften Bodenfliesen - umfasst (vgl. Lorenz, NJW 2011, 2241, 2243; Förster, ZIP 2011, 1493, 1500 f.; Staudinger, DAR 2011, 502, 503; Purnhagen, EuzW 2011, 626, 627, 629; i.E. auch OLG Karlsruhe, OLGR 2004, 465; OLG Köln, NJW-RR 2006, 677; OLG Stuttgart, Urteil vom 8. November 2007 - 19 U 52/07, n.v.; LG Itzehoe, Urteil vom 27. April 2007 - 9 S 85/06, juris; AnwK/Büdenbender, 2005, § 439 Rn. 27; Bamberger/Roth/Faust, BGB, 2. Aufl., § 439 Rn. 32; Lorenz, ZGS 2004, 408, 410 f.; ders., NJW 2005, 1889, 1895; MünchKommBGB /Westermann, 5. Aufl., § 439 Rn. 13; jurisPK-BGB/Pammler, 5. Aufl., § 439 Rn. 54; Schneider/Katerndahl, NJW 2007, 2215, 2216; Schneider, ZGS 2008, 177 f.; Witt, ZGS 2008, 369, 370).
- 26
- a) Diese Auslegung ist noch vom Wortlaut des § 439 Abs. 1 Alt. 2 BGB gedeckt (vgl. etwa Lorenz, NJW 2011, 2241, 2243; Greiner/Benedix, ZGS 2011, 489, 493 [letztere geben allerdings einer analogen Anwendung des § 439 Abs. 2 BGB in Form eines Kostenerstattungsanspruchs den Vorzug]; aA Kaiser, JZ 2011, 978, 980). Nach allgemeinem Sprachgebrauch wird "liefern" zwar verstanden als "bringen" oder "übergeben" einer (bestellten) Sache (vgl. Grimm, Deutsches Wörterbuch, 6. Band, 1885, S. 996 f.; Brockhaus/Wahrig, Deutsches Wörterbuch, 4. Band, 1982, S. 484). Auch im nationalen Kaufrecht ist unter "Lieferung" grundsätzlich nur die Handlung zu verstehen, die der Verkäufer vorzunehmen hat, um seine Übergabe- und Übereignungspflicht aus § 433 Abs. 1 BGB zu erfüllen (vgl. Senatsurteil vom 15. Juli 2008 - VIII ZR 211/07, NJW 2008, 2837 Rn. 18; Erman/Grunewald, BGB, 13. Aufl., § 439 Rn. 4; Palandt/ Weidenkaff, BGB, 71. Aufl., § 434 Rn. 53 c). Dies schließt es jedoch nicht aus, den in § 439 Abs. 1 Alt. 2 BGB verwendeten Begriff der Lieferung einer mangelfreien Sache weiter zu fassen. Denn dieser Begriff ist ausfüllungsfähig und eröffnet einen gewissen Wertungsspielraum (Staudinger, aaO). Der Gesetzgeber hat die Bestimmung des § 439 Abs. 1 Alt. 2 BGB zur Umsetzung des Art. 3 Abs. 2 Satz 1 der Richtlinie geschaffen (vgl. BT-Drucks. 14/6040, S. 230). Dabei hat er nicht nur in der Gesetzesbegründung mehrfach den Begriff der Lieferung einer mangelfreien Sache mit der in der deutschen Fassung der Richtlinie verwendeten Wortwahl "Ersatzlieferung" gleichgesetzt (BT-Drucks. 14/6040, S. 232), die - wie vom Gerichtshof ausgeführt (EuGH, aaO Rn. 54) - auch die Deutung zulässt, dass das vertragswidrige Verbrauchsgut durch die als Ersatz gelieferte Sache auszutauschen ist. Vielmehr hat der Gesetzgeber durch den in § 439 Abs. 4 BGB enthaltenen Verweis auf § 346 Abs. 1 Alt. 1 BGB, wonach der Verkäufer seinerseits die Rückgewähr der mangelhaften Sache verlangen kann, zum Ausdruck gebracht, dass dem Begriff der "Lieferung einer mangel- freien Sache" in § 439 Abs. 1 BGB ein gewisses (Aus-)Tauschelement innewohnt (vgl. Lorenz, NJW 2009, 1633, 1634 f.).
- 27
- b) Die gebotene richtlinienkonforme Auslegung des § 439 Abs. 1 BGB führt - anders als die Revisionserwiderung meint - nicht dazu, dass dem Käufer im Rahmen des Nacherfüllungsverlangens ein Wahlrecht dahin zusteht, ob er dem Verkäufer den Aus- und Einbau gestattet oder diese Arbeiten selbst durchführt und den Verkäufer nur auf Kostenerstattung in Anspruch nimmt. Der Gerichtshof hat dem Käufer ein solches Wahlrecht gerade nicht eingeräumt, sondern lediglich dem Verkäufer die Verpflichtung auferlegt, entweder selbst die notwendigen Aus- und Einbauarbeiten vorzunehmen oder - in angemessener Höhe - die hierfür anfallenden Kosten zu tragen.
- 28
- 5. Im Rahmen des § 439 Abs. 3 BGB lässt sich das Gebot richtlinienkonformer Interpretation hingegen nicht im Wege einer einfachen Gesetzesauslegung im engeren Sinne umsetzen. Denn dem steht der eindeutige Wortlaut des Gesetzes entgegen.
- 29
- § 439 Abs. 3 Satz 1 BGB erlaubt dem Verkäufer, die vom Käufer gewählte Art der Nacherfüllung zu verweigern, wenn sie nur mit unverhältnismäßigen Kosten möglich ist. Die genannte Regelung enthält keine Anhaltspunktedafür, dass sie sich auf die Fälle beschränkt, in denen beide Formen der Nacherfüllung möglich sind und lediglich eine Abhilfevariante im Verhältnis zu der anderen unverhältnismäßig hohe Kosten verursacht (relative Unverhältnismäßigkeit). Vielmehr ergibt sich aus den Bestimmungen des § 439 Abs. 3 Satz 3 Halbsatz 2 BGB und des § 440 Satz 1 BGB eindeutig, dass nach der Konzeption des Gesetzes beide Formen der Nacherfüllung wegen Unverhältnismäßigkeit verweigert werden können und damit der Begriff der Unverhältnismäßigkeit absolut zu verstehen ist. § 439 Abs. 3 Satz 3 BGB beschränkt den Anspruch des Käufers für den Fall, dass der Verkäufer die eine Form der Nacherfüllung wegen unverhältnismäßiger Kosten verweigert, zunächst auf die andere Art der Nacherfüllung, sieht aber weiter vor, dass das "Recht des Verkäufers, auch diese unter den Voraussetzungen des Satzes 1 zu verweigern", unberührt bleibt. Auf diese Regelung nimmt § 440 Satz 1 BGB Bezug, der den Käufer unter anderem dann vom Erfordernis einer Fristsetzung vor der Geltendmachung von Rücktritt oder Schadensersatz befreit, "wenn der Verkäufer beide Arten der Nacherfüllung gemäß § 439 Abs. 3 [BGB] verweigert".
- 30
- 6. Der von der Rechtsprechung des Gerichtshofs geprägte Grundsatz der richtlinienkonformen Auslegung verlangt von den nationalen Gerichten aber mehr als bloße Auslegung im engeren Sinne. Er erfordert auch, das nationale Recht, wo dies nötig und möglich ist, richtlinienkonform fortzubilden (Senatsurteil vom 26. November 2008 - VIII ZR 200/05, BGHZ 179, 27 Rn. 21 mwN). Daraus folgt hier das Gebot einer richtlinienkonformen Rechtsfortbildung durch teleologische Reduktion des § 439 Abs. 3 BGB auf einen mit Art. 3 der Richtlinie zu vereinbarenden Inhalt.
- 31
- a) Eine Rechtsfortbildung im Wege der teleologischen Reduktion setzt eine verdeckte Regelungslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes voraus (Senatsurteil vom 26. November 2008 - VIII ZR 200/05, aaO Rn. 22 mwN). Diese Voraussetzung ist hier erfüllt.
- 32
- aa) Aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich, dass der Gesetzgeber die Einrede der Unverhältnismäßigkeit zwar so ausgestalten wollte, dass sie mit der Richtlinie vereinbar ist, er hierbei jedoch Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie so verstanden hat, dass dieser auch die absolute Unverhältnismäßigkeit erfasse (vgl. auch Staudinger, aaO). In der Begründung des Koalitionsentwurfs heißt es in der Einzelbegründung zu § 439 Abs. 3 BGB (BT-Drucks. 14/6040, S. 232) unter anderem: "Zu Satz 1 Die Nacherfüllung (einschließlich der damit verbundenen Aufwendungen im Sinne des Absatzes 2) kann im Einzelfall den Verkäufer unangemes- sen belasten. (…). Sie kann dem Verkäufer auch unmöglich sein. Artikel 3 Abs. 3 Satz 1 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie sieht deshalb vor, dass der Verbraucher (Käufer) Nachbesserung oder Ersatzlieferung nur verlangen kann, sofern dies nicht unmöglich oder unverhältnismäßig ist. (…) Liegt Unmöglichkeit nach § 275 Abs. 1 RE nicht vor, kann die Nacherfüllung doch mit einem erheblichen Aufwand verbunden sein. Dann kommt nach den allgemeinen Vorschriften ein Leistungsverweigerungsrecht nach § 275 Abs. 2 RE in Betracht, das aber nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen, die wertungsmäßig der Unmöglichkeit in § 275 Abs. 1 RE nahe kommen, in Betracht kommt. § 439 Abs. 3 Satz 1 RE stellt eine besondere Ausprägung dieses allgemeinen Rechtsgedankens im Kaufrecht und eine gegenüber § 275 Abs. 2 RE niedrigere Schwelle für die Begründung einer Einrede des Verkäufers dar. (…) Voraussetzung ist, dass der Verkäufer für die Nacherfüllung in der vom Käufer gewählten Art Aufwendungen machen muss, die unverhältnismäßig sind. Es handelt sich dabei um einen Gesichtspunkt, der über den Verbraucherkauf hinaus Bedeutung hat. Denn die Interessenlage des Käufers gebietet es nicht, ihm den Nacherfüllungsanspruch auch dann zu geben, wenn sie vom Verkäufer unverhältnismäßige Anstrengungen erfordert. Der Käufer wird hier auf seine Ansprüche auf Rücktritt und Minderung (sowie ggf. Schadensersatz) verwiesen. Verweigern kann der Verkäufer "die vom Käufer gewählte Nacherfüllung". Das heißt, das Verweigerungsrecht des Verkäufers bezieht sich selbstverständlich auf die von dem Käufer begehrte Art der Nacherfüllung (Nachbesserung oder Ersatzlieferung). Verlangt der Käufer zum Beispiel Nachbesserung und sind die Aufwendungen des Verkäufers hierfür als unverhältnismäßig zu beurteilen, (…) so ist damit keine Entscheidung über die Frage getroffen, ob der Käufer stattdessen Ersatzlieferung verlangen kann oder ob auch insoweit eine auf § 439 Abs. 3 Satz 1 RE gestützte Einrede des Verkäufers besteht. Klargestellt wird dies noch durch § 439 Abs. 3 Satz 3 RE. (…) Zu Satz 3 [§ 439 Abs. 3 ] Satz 3 [RE] enthält die bereits oben angesprochene Klarstellung des Verhältnisses der beiden Arten der Nacherfüllung zueinander. Die in § 439 Abs. 3 Satz 1 RE vorgesehene Verhältnismäßigkeitsprüfung bezieht sich allein auf die vom Käufer gewählte Art der Nacherfüllung. Ist sie zu Recht von dem Verkäufer verweigert worden, so hat dies nicht einen Ausschluss des Nacherfüllungsanspruchs des Käufers insgesamt zur Folge. Vielmehr beschränkt sich der Nacherfüllungsanspruch dann auf die andere Art der Nacherfüllung, wenn der Verkäufer nicht auch sie verweigern kann. Erst dann kann der Käufer zurücktreten oder mindern, ggf. Schadensersatz (…) verlangen."
- 33
- bb) Das der Fassung des § 439 Abs. 3 Satz 3 BGB zugrunde liegende Verständnis, dass Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie auch die absolute Unverhältnismäßigkeit erfasse, ist jedoch fehlerhaft, wie der Gerichtshof nunmehr mit Bindungswirkung festgestellt hat. Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie erlaubt es nur, den Anspruch des Verbrauchers auf Erstattung der Kosten für den Ausbau des mangelhaften Verbrauchsguts und den Einbau des als Ersatz gelieferten Verbrauchsguts auf einen angemessenen Betrag zu beschränken, nicht jedoch, den Anspruch des Verbrauchers auf Ersatzlieferung als einzig mögliche Art der Abhilfe wegen Unverhältnismäßigkeit der Ein- und Ausbaukosten völlig auszuschließen. Die gesetzliche Regelung in § 439 Abs. 3 Satz 3 BGB steht folglich in Widerspruch zu dem mit dem Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts verfolgten Grundanliegen, die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie bis zum Ablauf des 31. Dezember 2001 ordnungsgemäß umzusetzen (vgl. hierzu auch BT-Drucks. 14/6040, S. 1).
- 34
- cc) Damit erweist sich das Gesetz als planwidrig unvollständig (Staudinger , aaO; differenzierend Kaiser, aaO S. 980 f., 986; aA Greiner/Benedix, aaO, S. 495 f.). Es liegt eine verdeckte Regelungslücke vor, weil der Wortlaut des § 439 Abs. 3 BGB, der ein Verweigerungsrecht bei absoluter Unverhältnismäßigkeit einschließt, keine Einschränkung für den Anwendungsbereich der Richtlinie enthält und deshalb mit dieser nicht im Einklang steht. Diese Unvollstän- digkeit des Gesetzes ist deswegen planwidrig, weil hinsichtlich der Einrede der Unverhältnismäßigkeit ein Widerspruch zur konkret geäußerten, von der Annahme der Richtlinienkonformität getragenen Umsetzungsabsicht des Gesetzgebers besteht (vgl. Senatsurteil vom 26. November 2008 - VIII ZR 200/05, aaO Rn. 25). Dass der Gesetzgeber sich - anders als bei der Schaffung des § 439 Abs. 4 BGB - nicht explizit mit der Frage der Richtlinienkonformität des § 439 Abs. 3 Satz 3 BGB auseinandergesetzt, sondern diese stillschweigend vorausgesetzt hat, ändert an der Planwidrigkeit der nunmehr aufgetretenen Regelungslücke nichts (aA Lorenz, NJW 2011, 2241, 2244; Greiner/Benedix, aaO S. 496). Maßgebend ist, dass das ausdrücklich angestrebte Ziel einer richtlinienkonformen Umsetzung durch die Regelung des § 439 Abs. 3 Satz 3 BGB nicht erreicht worden ist und ausgeschlossen werden kann, dass der Gesetzgeber § 439 Abs. 3 Satz 3 BGB in gleicher Weise erlassen hätte, wenn ihm bekannt gewesen wäre, dass die Vorschrift nicht richtlinienkonform ist.
- 35
- b) Die bis zu einer gesetzlichen Neuregelung bestehende verdeckte Regelungslücke ist durch eine teleologische Reduktion des § 439 Abs. 3 BGB für die Fälle des Verbrauchsgüterkaufs (§ 474 Abs. 1 Satz 1 BGB) zu schließen. Die Vorschrift ist in solchen Fällen einschränkend dahingehend anzuwenden, dass ein Verweigerungsrecht nicht besteht, wenn nur eine Art der Nacherfüllung möglich ist oder der Verkäufer die andere Art der Nacherfüllung zu Recht verweigert. In den zuletzt genannten Fällen beschränkt sich das Recht des Verkäufers , die Nacherfüllung in Gestalt der Ersatzlieferung wegen unverhältnismäßiger Kosten zu verweigern, auf das Recht, den Käufer bezüglich des Ausbaus der mangelhaften Kaufsache und des Einbaus der als Ersatz gelieferten Kaufsache auf die Kostenerstattung in Höhe eines angemessenen Betrags zu verweisen. Bei der Bemessung dieses Betrags sind der Wert der Sache in mangelfreiem Zustand und die Bedeutung des Mangels zu berücksichtigen. Zugleich ist zu gewährleisten, dass durch die Beschränkung auf eine Kostenbeteiligung des Verkäufers das Recht des Käufers auf Erstattung der Aus- und Einbaukosten nicht ausgehöhlt wird (EuGH, aaO Rn. 76).
- 36
- c) Die hier vorgenommene Einschränkung des § 439 Abs. 3 BGB ist nach dem Gebot richtlinienkonformer Rechtsfortbildung erforderlich, weil ein Recht des Verkäufers, die einzig mögliche Form der Abhilfe wegen (absolut) unverhältnismäßiger Kosten zu verweigern, mit Art. 3 der Richtlinie nicht vereinbar ist. Sie belässt dem Verkäufer andererseits in Form einer Einrede die auch nach der Richtlinie zulässige Beschränkung des Ersatzes für die Kosten des Ausbaus des vertragswidrigen Verbrauchsguts und des Einbaus des als Ersatz gelieferten Verbrauchsguts auf einen angemessenen Betrag unter Benennung der für dessen Ermittlung maßgeblichen Umstände. Anders lässt sich der Widerspruch zwischen den gesetzgeberischen Zielen - einerseits Berücksichtigung der Verhältnismäßigkeit im Interesse des Verkäufers, andererseits Richtlinienkonformität - im Wege richterlicher Rechtsfortbildung nicht lösen.
- 37
- Zwar sind insbesondere seit Erlass der Entscheidung des Gerichtshofs am 16. Juni 2011 in der Literatur anderslautende Vorschläge für eine Rechtsfortbildung zur Herstellung der Richtlinienkonformität gemacht worden. Diese setzen jedoch entweder die Vorgaben des Gerichtshofs nicht hinreichend um oder überschreiten die Grenzen des Gestaltungsspielraums, der den Gerichten im Rahmen der richterlichen Rechtsfortbildung zusteht (vgl. hierzu Palandt/ Sprau, aaO, Einl. Rn. 56). Die Ausfüllung einer Regelungslücke durch die Gerichte muss in möglichst enger Anlehnung an das geltende Recht vorgenommen werden (BVerfGE 37, 67, 81). Darüber hinausgehende Änderungen des geltenden Rechts sind dem Gesetzgeber vorbehalten.
- 38
- aa) Nach dem Vorschlag von Faust (JuS 2011, 744, 747 f.), dem sich die Revision inhaltlich anschließt, soll der Verkäufer den Aus- und Einbau nach § 439 Abs. 3 BGB verweigern dürfen, sofern sich nicht der Verbraucher zur Beteiligung an den Kosten bereit erklärt. Dieser Ansatz erscheint jedoch insofern problematisch, als er dem Verkäufer die Möglichkeit einer völligen Verweigerung des im Rahmen der Ersatzlieferung nach § 439 Abs. 1 Fall 2 BGB geschuldeten Aus- und Einbaus bis zur Abgabe einer Erklärung des Verbrauchers eröffnet. Dies ist unvereinbar mit der Vorgabe des Gerichtshofs, die Berücksichtigung der Interessen des Verkäufers dürfe nicht dazu führen, dass die dem Verbraucher zustehenden Rechte in der Praxis ausgehöhlt werden (vgl. EuGH, aaO Rn. 76).
- 39
- bb) Förster (aaO S. 1500) schlägt vor, § 439 Abs. 3 BGB mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Verkäufer die Ersatzlieferung als einzig mögliche Art der Nacherfüllung nicht verweigern, sondern nur unter Berücksichtigung von § 439 Abs. 3 Satz 2 BGB der Höhe nach angemessen herabsetzen darf. Diese Einschränkung des § 439 Abs. 3 BGB ist zur Erfüllung der europarechtlichen Vorgaben ebenfalls nicht ausreichend. Zum einen setzt sie nur die Aussagen des Gerichtshofs zum fehlenden Verweigerungsrecht bei der Ersatzlieferung um, während der Gerichtshof seine Ausführungen auf beide Arten der Nacherfüllung bezogen hat, also dem Verkäufer ein Verweigerungsrecht wegen unverhältnismäßiger Kosten auch dann abspricht, wenn die einzig mögliche Form der Abhilfe nicht in einer Ersatzlieferung, sondern in einer Nachbesserung besteht (EuGH, aaO Rn. 71). Zum anderen berücksichtigt die vorgeschlagene Fassung des § 439 Abs. 3 BGB nicht, dass ein Verweigerungsrecht des Verkäufers hinsichtlich einer Art der Abhilfe auch in den Fällen nicht gegeben ist, in denen die andere Art der Nacherfüllung zwar möglich ist, aber ihrerseits vom Verkäufer wegen relativer Unverhältnismäßigkeit verweigert wird. Problematisch an dem Vorschlag ist letztlich auch, dass er eine Beschränkung hinsichtlich der Ersatzlieferung insgesamt und nicht nur bezüglich der Erstattung der dabei entstehenden Aus- und Einbaukosten vorsieht. Es ist jedoch praktisch nicht durch- führbar, die tatsächliche Vornahme des Ausbaus der mangelhaften Kaufsache und des Einbaus der als Ersatz gelieferten Sache auf einen angemessen Umfang zu begrenzen (vgl. auch Ayad/Schnell, BB 2011, 1938, 1939).
- 40
- cc) Ein anderer Lösungsansatz besteht darin, die Anwendung des § 439 Abs. 3 Satz 3 Halbsatz 2 BGB für die Fälle des Verbrauchsgüterkaufs ganz auszuschließen (Purnhagen, aaO S. 629 f.; Staudinger, aaO S. 506; Lorenz, NJW 2011, 2241, 2244). Hierbei fehlt es jedoch an einer überzeugenden rechtlichen Konstruktion, die es dem Verkäufer gleichwohl ermöglicht, den Ersatz der Ein- und Ausbaukosten auf einen angemessenen Betrag zu begrenzen. Eine solche ist jedoch erforderlich, um dem vom deutschen Gesetzgeber mit der Schaffung des § 439 Abs. 3 BGB verfolgten Ziel einer Berücksichtigung der Interessen des Verkäufers (vgl. BT-Drucks. 16/6040, S. 232) in dem europarechtlich (noch) zulässigen Umfang Rechnung zu tragen.
- 41
- (1) Teilweise wird versucht, eine Begrenzung der Kostentragungspflicht des Verkäufers dadurch zu erreichen, dass dieser im Hinblick auf den Ausbau der mangelhaften und den Einbau der als Ersatz gelieferten Kaufsache von vornherein nicht zu deren Vornahme, sondern nur zur Erstattung der dafür erforderlichen Kosten verpflichtet sein soll und diese angemessen reduziert werden können (vgl. Pfeiffer, LMK 2011, 321439 sowie den Alternativvorschlag von Faust, aaO). Dieser Ansatz übersieht jedoch, dass die Nacherfüllung gemäß § 439 Abs. 1 BGB nach dem Willen des deutschen Gesetzgebers auch dazu dienen soll, dem Verkäufer die "Möglichkeit zur zweiten Andienung" einzuräumen (BT-Drucks. 16/6040, S. 220; vgl. hierzu Senatsurteil vom 23. Februar 2005 - VIII ZR 100/04, BGHZ 162, 219, 227 f.). Mit dem hierdurch zum Ausdruck kommenden Ziel, bereits im Rahmen des § 439 Abs. 1 BGB auch den Interessen des Verkäufers Rechnung zu tragen, wäre es nur schwer zu vereinbaren , wenn der Verkäufer im Rahmen der Ersatzlieferung den Ausbau der mangelhaften und den Einbau der als Ersatz gelieferten Sache nicht selbst vornehmen dürfte, sondern von vornherein dem Käufer die hierfür erforderlichen Kosten schuldete. Denn der Verkäufer wird in vielen Fällen den Aus- und Einbau günstiger bewerkstelligen können als der Käufer (vgl. Lorenz, NJW 2011, 2241, 2243).
- 42
- (2) Ein anderer Vorschlag geht davon aus, dass der Verkäufer zur Vornahme des Aus- und Einbaus verpflichtet sei; komme er dem nicht nach, habe der Käufer einen verschuldensunabhängigen Anspruch aus § 280 Abs. 1 und 3, § 281 BGB auf Erstattung der hierfür erforderlichen Kosten, wobei die Höhe auf einen angemessenen Betrag reduziert werden könne (Purnhagen, aaO S. 629). Diese Konstruktion trägt jedoch dem gesetzgeberischen Ziel, auch die Verkäuferinteressen zu schützen, in der Praxis ebenfalls nicht hinreichend Rechnung. Es wurde bereits ausgeführt, dass eine Beschränkung der Pflicht des Verkäufers , den Aus- und Einbau tatsächlich vorzunehmen, auf einen angemessenen Umfang faktisch nicht durchführbar ist. Da der Verkäufer den Käufer rechtlich aber nicht zwingen kann, anstelle der Vornahme der Nacherfüllung (inklusive Aus- und Einbau) Schadensersatz wegen deren Nichterfüllung zu verlangen, bliebe die allein mögliche Begrenzung des Kostenerstattungsanspruchs auf einen angemessenen Betrag für ihn praktisch wertlos. Denn ein wirtschaftlich denkender Käufer würde in den Fällen, in denen der Ausbau der mangelhaften und der Einbau der als Ersatz gelieferten Kaufsache unverhältnismäßige Kosten verursacht, nicht - den bezüglich der Aus- und Einbaukosten auf eine angemessene Höhe begrenzten - Schadensersatz wegen Nichterfüllung der Nacherfüllung verlangen, sondern den Verkäufer stets auf Erfüllung seiner Ersatzlieferungspflicht (inklusive uneingeschränktem Aus- und Einbau) in Anspruch nehmen.
- 43
- dd) Einen anderen Weg gehen Kaiser und Greiner/Benedix, die sich in diesem Zusammenhang für eine europarechtskonforme Auslegung der Kostentragungsregelung des § 439 Abs. 2 BGB dahin aussprechen, dass den Käufer gegen Kostenerstattung eine Mitwirkungsobliegenheit zum Ausbau der mangelhaften und Einbau der neuen Sache trifft (Kaiser, aaO S. 985 ff.; Greiner /Benedix, aaO S. 493). Die Rechte des Käufers sollen sich von vornherein auf einen auf die angemessenen Kosten begrenzten Erstattungsanspruch beschränken (Kaiser, aaO S. 987). Damit wird aber - zumindest faktisch - die dem Verkäufer vom deutschen Gesetzgeber ausdrücklich eingeräumte "Möglichkeit zur zweiten Andienung" (vgl. BT-Drucks. 16/6040, S. 220) beschnitten. Dies wird vermieden, wenn man die Kostenerstattungspflicht als Folge einer Einrede aus dem teleologisch reduzierten § 439 Abs. 3 BGB ausgestaltet.
- 44
- d) Die dargestellte Regelungslücke besteht aus europarechtlicherSicht zwar nur im Hinblick auf den im Verhältnis zu § 13 BGB engeren Verbraucherbegriff des Art. 1 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie. Die Ausfüllung der Lücke im Wege der richtlinienkonformen Rechtsfortbildung ist jedoch auf alle Konstellationen des Verbrauchsgüterkaufs und damit des Verbraucherbegriffs gemäß § 13 BGB zu erstrecken, weil insoweit der Einheitlichkeitswille des nationalen Gesetzgebers in Bezug auf den Verbraucherbegriff zu berücksichtigen ist (vgl. Senatsurteil vom 26. November 2008 - VIII ZR 200/05, aaO Rn. 27 mwN).
- 45
- e) Die vom Senat für den Verbrauchsgüterkauf vorgenommene teleologische Reduktion des § 439 Abs. 3 BGB führt schon deswegen nicht zudessen faktischer Derogation, weil die Regelung in Fällen des Verbrauchsgüterkaufs hinsichtlich der relativen Unverhältnismäßigkeit anwendbar bleibt (aA Kaiser, aaO S. 986). Es bedarf deshalb hier ebenfalls keiner Erörterung, ob im Rahmen einer gemeinschaftsrechtskonformen Rechtsfortbildung auch die vollständige Nichtanwendung einer Norm gerechtfertigt sein kann (vgl. Senatsurteil vom 26. November 2008 - VIII ZR 200/05, aaO Rn. 29 mwN).
- 46
- f) Der Gesichtspunkt der Rechtssicherheit spricht ebenfalls nicht gegen die richtlinienkonforme Rechtsfortbildung.
- 47
- Das Prinzip der Rechtssicherheit (Art. 20 Abs. 3 GG) bedeutet in erster Linie Vertrauensschutz für den Bürger. Durfte die betroffene Partei mit der Fortgeltung der bisherigen Rechtslage rechnen und verdient dieses Interesse bei einer Abwägung mit den Belangen des Vertragspartners und den Anliegen der Allgemeinheit den Vorzug, liegt ein Eingriff in rechtlich geschützte Positionen vor (Senatsurteil vom 26. November 2008 - VIII ZR 200/05, aaO Rn. 33 mwN). Das ist hier schon deshalb nicht der Fall, weil die teleologische Reduktion des § 439 Abs. 3 BGB sich im Rahmen vorhersehbarer Entwicklung hält. Eine uneingeschränkte Anwendung der Vorschrift konnte nicht als gesichert angesehen werden, weil ihre Richtlinienkonformität von zahlreichen Stimmen im Schrifttum zumindest problematisiert wurde (vgl. Bamberger/Roth/Faust, aaO Rn. 40 f.; Doehner, Die Schuldrechtsreform vor dem Hintergrund der Verbrauchsgüterkauf -Richtlinie, 2004, S. 242 ff.; Glöckner, JZ 2007, 652, 663; Kirsten, ZGS 2005, 66, 67 f.; Leible in Gebauer/Wiedmann, Zivilrecht unter europäischem Einfluss, 2. Aufl., Kap. 10 Rn. 89; Pfeiffer, ZGS 2002, 217, 218 f.; Staudinger/ Matusche-Beckmann, BGB, Neubearb. 2004, § 439 Rn. 41 f.;Thürmann, NJW 2006, 3457, 3460; Unberath, ZEuP 2005, 5, 19 ff.; Unberath/Cziupka, JZ 2009, 313, 315 f.).
- 48
- 7. Soweit der Gerichtshof in seinem Urteil vom 16. Juni 2006 (aaO Rn. 77) ausgeführt hat, der Verbraucher müsse in Fällen der Herabsetzung des Anspruchs auf Erstattung der Aus- und Einbaukosten die Möglichkeit haben, eine angemessene Minderung des Kaufpreises oder die Vertragsauflösung zu verlangen, da die Nacherfüllung für ihn infolge der Herabsetzung mit erheblichen Unannehmlichkeiten verbunden ist, enthält das nationale Recht in § 440 Satz 1 3. Alt. BGB eine entsprechende Regelung. Danach bedarf es der für die Geltendmachung von Rücktritt (und Schadensersatz statt der Leistung) im Regelfall notwendigen Fristsetzung zur Nacherfüllung nicht, wenn dem Käufer die ihm zustehende Art der Nacherfüllung unzumutbar ist. Die Vorschrift, die über § 441 Abs. 1 Satz 1 BGB auch auf die Minderung Anwendung findet, dient ausweislich der Materialien der Umsetzung des in Art. 3 Abs. 5 Spiegelstrich 3 der Richtlinie erfassten Konstellation, dass eine Abhilfe mit erheblichen Unannehmlichkeiten für den Verbraucher verbunden ist (BT-Drucks. 14/6040, S. 233).
- 49
- 8. Der - auf eine angemessene Höhe begrenzte - Anspruch des Klägers auf Erstattung der für den Ausbau der mangelhaften Fliesen entstehenden Kosten setzt entgegen der Ansicht der Revision auch nicht voraus, dass der Kläger den Austausch bereits vorgenommen hat und die Kosten schon entstanden sind. Der Kläger kann vielmehr den Anspruch bereits vor Durchführung des Ausbaus in Form eines abrechenbaren Vorschusses geltend machen (so auch Kaiser, aaO S. 984 f.). Dies ergibt sich aus dem in der Richtlinie enthaltenen Unentgeltlichkeitsgebot.
- 50
- Gemäß Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie kann der Verbraucher vom Verkäufer die unentgeltliche Nachbesserung oder eine unentgeltliche Ersatzlieferung verlangen. Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie stellt klar, dass sich der Begriff der Unentgeltlichkeit auf alle für die Herstellung des vertragsgemäßen Zustands des Verbrauchsguts notwendigen Kosten erstreckt, insbesondere auf Versand-, Arbeits - und Materialkosten. Diese dem Verkäufer auferlegte Verpflichtung, die Herstellung des vertragsgemäßen Zustands des Verbrauchsguts unentgeltlich zu bewirken, soll den Verbraucher vor drohenden finanziellen Belastungen schützen, die ihn in Ermangelung eines solchen Schutzes davon abhalten könnten, seine Ansprüche geltend zu machen (EuGH, NJW 2008, 1433 Rn. 34 - Quelle AG/Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände ). Der Verbraucher kann daher für Kosten, die ihm im Rahmen der Nacherfüllung entstehen, aber vom Verkäufer zu ersetzen sind, auch einen Vorschuss verlangen (Senatsurteil vom 13. April 2011 - VIII ZR 220/10, NJW 2011, 2278 Rn. 37, zum Abdruck in BGHZ vorgesehen).
- 51
- 9. Die von der Revision erhobene Rüge, das Berufungsgericht sei verfahrensfehlerhaft zu der Ansicht gelangt, den Kläger treffe mangels Erkennbarkeit der Mangelhaftigkeit der Fliesen vor deren Verlegung kein Mitverschulden bezüglich der Höhe der durch den Ausbau entstehenden Kosten, hat der Senat geprüft und nicht für durchgreifend erachtet. Von einer Begründung wird gemäß § 564 ZPO abgesehen.
III.
- 52
- Nach alledem kann das Urteil des Berufungsgerichts, soweit die Revision eröffnet ist, keinen Bestand haben; es ist insoweit aufzuheben. Der Senat hat in der Sache selbst zu entscheiden, weil keine weiteren Feststellungen erforderlich sind und die Sache damit zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO).
- 53
- 1. Die Beklagte hat als Verkäuferin der mangelhaften Bodenfliesen das Recht, den Kläger hinsichtlich des allein noch in Rede stehenden Ausbaus der mangelhaften Kaufsache auf die Kostenerstattung in Höhe eines angemessenen Betrags zu verweisen. Von diesem Leistungsverweigerungsrecht hat die Beklagte im Ergebnis Gebrauch gemacht. Sie hat in ihrem letzten Schriftsatz und auch in der mündlichen Revisionsverhandlung deutlich gemacht, dass sie den Ausbau der gelieferten Bodenfliesen davon abhängig macht, dass der Kläger ihr den die angemessenen Ausbaukosten übersteigenden Geldbetrag zuschießt oder jedenfalls eine verbindliche Erklärung über eine entsprechende Kostenbeteiligung abgibt. Ein solch umfassendes Leistungsverweigerungsrecht steht der Beklagten jedoch - wie oben ausgeführt (unter II 6 c aa) - nicht zu, weil es mit der Forderung des Gerichtshofs nicht in Einklang zu bringen ist, die Berücksichtigung der Interessen des Verkäufers dürfe nicht dazu führen, dass die dem Verbraucher zustehenden Rechte in der Praxis ausgehöhlt werden (vgl. EuGH, aaO Rn. 76). Das von der Beklagten geltend gemachte Leistungsverweigerungsrecht umfasst aber auch - sozusagen als Minus - die Erklärung, die Beklagte sei im Hinblick auf den hiermit verbundenen unangemessenen Kostenaufwand zu einem Ausbau der Bodenfliesen auf eigene Rechnung nicht bereit , sondern verweise den Kläger insoweit auf das Recht, die Erstattung eines angemessenen Kostenbetrags zu verlangen.
- 54
- b) Die Bemessung dieses Betrags kann der Senat selbst vornehmen. Zwar obliegt in erster Linie dem Tatrichter die Beurteilung, welcher Betrag von einem Verkäufer geschuldet ist, wenn er den Käufer hinsichtlich der bei der Nacherfüllung anfallenden Aus- und Einbaukosten auf eine Kostenbeteiligung verweist. Da vorliegend jedoch weitere Feststellungen nicht in Betracht kommen , kann der Senat den Anspruch des Klägers auf Erstattung der für den Ausbau und die Entsorgung der mangelhaften Bodenfliesen entstehenden Kosten abschließend bemessen. Der Anspruch ist auf insgesamt 600 € zu begrenzen. Dieser Betrag erscheint dem Senat unter Berücksichtigung der Bedeutung der Vertragswidrigkeit (optischer Mangel der Fliesen ohne Funktionsbeeinträchtigung ) und des Werts der mangelfreien Sache (circa 1.200 €) angemessen. Der Senat sieht davon ab, Grenz- oder Richtwerte für die Bestimmung der angemessenen Höhe einer Beteiligung des Verkäufers an den Aus- und Einbaukosten in Fällen der Ersatzlieferung zu entwickeln; die durch die Entscheidung des Gerichtshofs aufgedeckte Gesetzeslücke durch eine generelle Regelung zu schließen, ist dem Gesetzgeber vorbehalten.
- 55
- Entgegen der Auffassung der Revision ist der Betrag nicht deshalb weiter herabzusetzen, weil der Anspruch des Klägers auf Erstattung der für den Einbau der neuen Fliesen entstehenden Kosten vorliegend bereits rechtskräftig aberkannt wurde. Die Reduzierung der Gesamtkosten für den Aus- und Einbau auf eine angemessene Höhe hat nicht durch verhältnismäßige Herabsetzung der Ausbaukosten einerseits und der Einbaukosten andererseits zu erfolgen. Vielmehr geht es darum, die den Verkäufer treffende Pflicht, sich an den Ausund Einbaukosten zu beteiligen, im Ergebnis auf einen angemessenen Betrag zu reduzieren. Sind - wie vorliegend - Einbaukosten nicht geschuldet, stellt sich daher allein die Frage, inwieweit eine Beteiligung des Verkäufers an den Ausbaukosten der Höhe nach angemessen ist.
- 56
- Da dem Kläger bereits rechtskräftig ein Betrag von 273,10 € - wenn auch unter dem nicht einschlägigen Gesichtspunkt der Minderung - zugesprochen worden ist, hat er Anspruch auf Zahlung weiterer 326,90 €.
- 57
- Das dem Kläger wegen einer Herabsetzung des Ersatzes für Aus- und Einbaukosten zustehende Recht auf Rücktritt vom Kaufvertrag oder Minderung des Kaufpreises hat er nicht in Anspruch genommen.
- 58
- Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben, soweit das Berufungsgericht der Zahlungsklage über den erstinstanzlich zuerkannten Betrag von 273,10 € hinaus in Höhe von mehr als weiteren 326,90 € - jeweils nebst Zinsen - stattge- geben hat. Die Berufung des Klägers gegen das erstinstanzliche Urteil ist insoweit zurückzuweisen. Ball Dr. Milger Dr. Schneider Dr. Fetzer Dr. Bünger
LG Kassel, Entscheidung vom 24.11.2006 - 4 O 1248/06 -
OLG Frankfurt in Kassel, Entscheidung vom 14.02.2008 - 15 U 5/07 -
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Klägerin, ein regionales Energieversorgungsunternehmen, verlangt von dem Beklagten die Zahlung restlichen Entgelts für Erdgaslieferungen.
- 2
- Der Beklagte bezieht seit Jahren von der Klägerin leitungsgebunden Erdgas für seinen privaten Haushalt. Die Klägerin gruppierte den Beklagten aufgrund einer kundenbegünstigenden, mengenabhängigen Bestabrechnung und aufgrund einer Mindestpreisregelung in den - nicht mit Sonderbedingungen versehenen - "Heizgas- und Vollversorgungstarif II" ein. Der genannte Tarif ist in den für den streitgegenständlichen Zeitraum geltenden Preisblättern der Klägerin als einer von vier Allgemeinen Tarifen für die (Grund- und Ersatz-) Versorgung mit Erdgas ausgewiesen.
- 3
- Die Klägerin erhöhte zum 1. Januar 2005 den Arbeitspreis von bisher 3,34 ct/kWh netto auf 3,69 ct/kWh netto und machte dies vorher öffentlich bekannt. Der Beklagte widersprach der beabsichtigten Preiserhöhung mit Schreiben vom 17. Dezember 2004 und forderte die Klägerin auf, die Erforderlichkeit und Angemessenheit der Preiserhöhung durch Offenlegung ihrer Kalkulationsgrundlagen darzulegen. Mit Schreiben vom 23. Mai 2005 teilte er der Klägerin weiter mit, dass er seinen Widerspruch aufrechterhalte und daher Zahlungen allein auf der Grundlage des bisherigen Preises zuzüglich eines Zuschlags von 2 % leisten werde.
- 4
- In der Folgezeit erhöhte die Klägerin - jeweils nach vorheriger öffentlicher Bekanntgabe - drei weitere Male ihren Arbeitspreis. Zum 1. Oktober 2005 erhöhte sie den Preis auf 4,13 ct/kWh netto, zum 1. Januar 2006 auf 4,53 ct/kWh netto und zum 1. Oktober 2006 auf 5,00 ct/kWh netto. Mit Wirkung zum 1. März 2007 senkte sie den Arbeitspreis auf 4,70 ct/kWh netto.
- 5
- Der Beklagte zahlte auf die Jahresabrechnungen der Klägerin vom 22. Juni 2005, vom 23. Juni 2006, vom 22. Juni 2007 und vom 23. Juni 2008 nur die im Schreiben vom 23. Mai 2005 angekündigten Beträge.
- 6
- Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin Zahlung des rückständigen Betrags aus den genannten Jahresabrechnungen in Höhe von 1.533,19 € nebst Zinsen. Die Klägerin macht geltend, Grund für die vorstehend genannten Preisänderungen seien jeweils Änderungen ihrer Bezugskosten gewesen, wobei sie mit den Preiserhöhungen ihre gestiegenen Bezugspreise nicht einmal in vollem Umfang weitergegeben habe.
- 7
- Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und der Klage stattgegeben. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt der Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe:
- 8
- Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
- 9
- Das Berufungsgericht (OLG Düsseldorf, Urteil vom 21. Dezember 2011 - VI-3 U (Kart) 4/11, juris) hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
- 10
- Die Klägerin habe gemäß § 433 Abs. 2 BGB Anspruch auf Zahlung der ausstehenden Rechnungsbeträge in Höhe von 1.533,19 €. Sie sei gemäß § 4 Abs. 1, 2 AVBGasV berechtigt gewesen, die Gaspreise zu den von ihr gewählten Zeitpunkten in der erfolgten Weise anzupassen.
- 11
- Der Beklagte sei jedenfalls in dem Zeitraum, in dem die genannten Preiserhöhungen erfolgt seien, nicht als Normsonderkunde, sondern als Tarifkunde im Sinne von § 1 Abs. 2 AVBGasV beziehungsweise als Haushaltskunde im Rahmen der Grundversorgung nach § 1 Abs. 1, 2 GasGVV einzustufen. Aus der maßgeblichen Sicht eines durchschnittlichen Abnehmers habe die Klägerin den Beklagten spätestens ab dem 1. Januar 2005 im Rahmen ihrer Versorgungspflicht nach den genannten Vorschriften, also aufgrund eines Tarifbeziehungsweise eines Grundversorgungsvertrags zu einem allgemeinen Tarif leitungsgebunden mit Gas beliefert. Dabei sei der Beklagte aufgrund einer kundenbegünstigenden Bestabrechnung und einer Mindestpreisregelung unter mehreren zur Auswahl stehenden allgemeinen Tarifen in den "Heizgas- und Vollversorgungstarif II" eingestuft worden. Ein Gasversorgungsunternehmen sei nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht darauf beschränkt, nur einen allgemeinen Tarif anzubieten.
- 12
- Die Klägerin sei daher aufgrund des in § 4 Abs. 1, 2 AVBGasV beziehungsweise des in § 5 Abs. 2 GasGVV geregelten Preisänderungsrechts zur Vornahme der erfolgten Preisänderungen berechtigt gewesen. Europarechtliche Vorgaben stünden der Anwendbarkeit der genannten Bestimmungen nicht entgegen. Die Anwendbarkeit der Bestimmung des § 4 Abs. 1, 2 AVBGasV und der Nachfolgeregelung des § 5 Abs. 2 GasGVV werde nicht dadurch in Zweifel gezogen, dass der Bundesgerichtshof die Frage, ob die Vorschrift des § 4 Abs. 1, 2 AVBGasV den europarechtlichen Transparenzanforderungen an Preisänderungsklauseln in der Richtlinie 2003/55/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Mai 2003 über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt (Gasrichtlinie) genüge, dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Klärung vorgelegt habe.
- 13
- Denn selbst wenn der Gerichtshof der Europäischen Union die Europarechtskonformität des § 4 Abs. 1, 2 AVBGasV für das Tarifkundenverhältnis wider Erwarten nicht bestätigen sollte, wären die Preisanpassungen der Klägerin nicht ohne weiteres unwirksam, weil den Versorgern dann im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung ein Preisanpassungsrecht zugestanden werden müsse. Da ein Energieversorger einen Grundversorgungsvertrag im Hinblick auf die ihn nach § 36 Abs. 1 EnWG treffende Pflicht zur Aufrechterhaltung des Vertrags nicht wirksam kündigen könne, sei ihm der damit verbundene Eingriff in die Privatautonomie nur in Verbindung mit einer Preisanpassungsberechtigung zumutbar.
- 14
- Die von der Klägerin nach § 4 Abs. 1, 2 AVBGasV beziehungsweise nach § 5 Abs. 2 GasGVV vorgenommenen Preisanpassungen seien billig im Sinne des § 315 BGB, denn es seien entsprechende Bezugskostensteigerungen erfolgt, ohne dass in anderen Kostenpositionen Einsparungen hätten erzielt werden können. Dies habe die in zweiter Instanz durchgeführte Beweisaufnahme durch Vernehmung mehrerer Zeugen - darunter zwei (externe) Wirtschaftsprüfer , der Leiter des Finanz- und Rechnungswesens der Klägerin und deren ehemaliger Center-Leiter Energie- und Wasserwirtschaft - ergeben. Die Beweisaufnahme habe sogar die Behauptung der Klägerin bestätigt, dass diese ihre Bezugskostensteigerungen in keinem Gaswirtschaftsjahr in voller Höhe an ihre Gaskunden weitergegeben habe. Einer Einholung eines Sachverständigengutachtens habe es gemäß § 287 Abs. 2 ZPO nicht bedurft, weil der damit verbundene zeitliche und finanzielle Aufwand in keinem Verhältnis zur Klageforderung stehe. Außerdem sei es für die anzustellende Billigkeitsprüfung nicht erforderlich, die Preisbildung des Versorgers durch einen Sachverständigen mathematisch genau nachbilden zu lassen, wenn sich das Gericht - wie hier - durch Vernehmung von (sachkundigen) Zeugen die Überzeugung verschaffen könne, dass eine angemessene Preisbildung erfolgt sei.
- 15
- Die (streitige) Frage, ob bei mehreren beanstandeten Tarifpreiserhöhungen jede Erhöhung für sich an § 315 BGB zu messen sei oder ob sich ihre Billigkeit nach einer Gesamtbetrachtung bestimme, sei dahingehend zu beantworten , dass es jeweils auf die in einem Gaswirtschaftsjahr (1. Oktober, 6 Uhr, bis zum 1. Oktober, 5.59 Uhr, des Folgejahres) vorgenommenen Preisänderungen ankomme. Eine nur die einzelne Preiserhöhung in den Blick nehmende Billigkeitsprüfung werde den tatsächlichen Gegebenheiten in der Gaswirtschaft nicht gerecht. Folglich sei eine einzelne Erhöhung des Arbeitspreises, die durch den bei ihrer Festsetzung prognostizierten, aber tatsächlich nicht in dem erwarteten Umfang eingetretenen Anstieg der Bezugskosten nicht vollständig abgedeckt werde, dennoch nicht unbillig, wenn in dem Gaswirtschaftsjahr insgesamt ein angemessenes Verhältnis zwischen Tarif- und Bezugskostenerhöhung erzielt werde.
II.
- 16
- Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand. Die Revision ist daher zurückzuweisen.
- 17
- Das Berufungsgericht hat der Klägerin im Ergebnis zu Recht einen Anspruch aus § 433 Abs. 2 BGB in Verbindung mit dem Gaslieferungsvertrag der Parteien auf Zahlung restlichen Entgelts in Höhe von 1.533,19 € nebst Zinsen für die in den Jahresabrechnungen der Klägerin von 2005 bis 2008 abgerechneten Gaslieferungen zuerkannt. Allerdings war die Klägerin entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts im Rahmen des hier vorliegenden Tarifkundenvertrags nicht schon deswegen zu einer Erhöhung des Arbeitspreises berechtigt , weil nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dem - hier maßgeblichen - § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV ein nur den in dieser Vorschrift genannten Wirksamkeitserfordernissen unterliegendes gesetzliches Recht entnommen worden ist, die Preise einseitig nach billigem Ermessen zu ändern. Denn an der vorbezeichneten Rechtsprechung kann nach dem auf Vorlage des Senats ergangenen Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (im Folgenden: Gerichtshof) vom 23. Oktober 2014 (Rs. C-359/11 und C-400/11, NJW 2015, 849 - Schulz und Egbringhoff) nicht festgehalten werden, da § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV nicht mit den Transparenzanforderungen der Gas-Richtlinie 2003/55/EG vereinbar ist. Ein diesen Transparenzanforderungen entsprechendes gesetzliches Preisänderungsrecht des Gasversorgungsunternehmens im Tarifkundenbereich kann auch nicht aus einer richtlinienkonformen Auslegung des § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV oder der die Grundversorgung betreffenden Vorschriften des - der AVBGasV zugrundeliegenden - Energiewirtschaftsgesetzes hergeleitet werden, da eine solche Auslegung über den erkennbaren Willen des (nationalen) Gesetz- und Verordnungsgebers hinausginge. Eine unmittelbare Anwendung der Transparenzanforderungen der GasRichtlinie 2003/55/EG kommt im vorliegenden Fall ebenfalls nicht in Betracht.
- 18
- Jedoch ergibt sich aus einer gebotenen ergänzenden Vertragsauslegung (§§ 157, 133 BGB) des Gaslieferungsvertrages der Parteien, dass die Klägerin berechtigt ist, Kostensteigerungen ihrer eigenen (Bezugs-)Kosten während der Vertragslaufzeit an den Beklagten weiterzugeben, und sie verpflichtet ist, bei einer Tarifanpassung Kostensenkungen ebenso zu berücksichtigen wie Kostenerhöhungen. Hiervon ausgehend war die Klägerin zu den streitgegenständlichen Erhöhungen des Arbeitspreises berechtigt und begegnen diese, wie das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler festgestellt hat, auch der Höhe nach keinen Bedenken.
- 19
- 1. Das Berufungsgericht hat den Energielieferungsvertrag der Parteien - entgegen der Auffassung der Revision - rechtsfehlerfrei als einen Tarifkundenvertrag (jetzt: Grundversorgungsvertrag) angesehen.
- 20
- a) Nach der Rechtsprechung des Senats kommt es für die Frage, ob es sich bei öffentlich bekannt gemachten Vertragsmustern und Preisen um Tarifbeziehungsweise Grundversorgungsverträge mit allgemeinen Tarifpreisen im Sinne von § 6 Abs. 1 des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWiG 1935) in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 752-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, Allgemeinen Tarifen im Sinne von § 10 Abs. 1 des Energiewirtschaftsgesetzes vom 24. April 1998 (BGBl. I S. 730; im Folgenden: EnWG 1998) oder Allgemeinen Preisen im Sinne von § 36 Abs. 1 des Gesetzes über die Elektrizitäts- und Gasversorgung (Energiewirtschaftsgesetz - EnWG) vom 7. Juli 2005 (BGBl. I S. 1970; im Folgenden: EnWG 2005) handelt, darauf an, ob das betreffende Versorgungsunternehmen die Versorgung zu den öffentlich bekannt gemachten Bedingungen und Preisen - aus der Sicht eines durchschnittlichen Abnehmers - im Rahmen einer Versorgungspflicht nach den genannten Vorschriften oder unabhängig davon im Rahmen der allgemeinen Vertragsfreiheit anbietet (st. Rspr.; Senatsurteile vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 225/07, BGHZ 182, 59 Rn. 14; vom 14. Juli 2010 - VIII ZR 246/08, BGHZ 186, 180 Rn. 26; vom 9. Februar 2011 - VIII ZR 295/09, NJW 2011, 1342 Rn. 23; vom 11. Mai 2011 - VIII ZR 42/10, NJW 2011, 2736 Rn. 32 mwN, insoweit in BGHZ 189, 356 nicht abgedruckt). Ersteres ist hier nach den rechtsfehlerfreien und von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts der Fall.
- 21
- b) Wie das Berufungsgericht ebenfalls zutreffend erkannt hat, steht es nach der Rechtsprechung des Senats einem Energieversorgungsunternehmen auch im Rahmen der Grundversorgung frei, verschiedene Tarife anzubieten, und zwar auch solche, bei denen - wie hier - die Tarifeinstufung automatisch nach dem Prinzip der Bestpreisabrechnung erfolgt (Senatsurteile vom 14. Juli 2010 - VIII ZR 246/08, aaO Rn. 27; vom 11. Mai 2011 - VIII ZR 42/10, aaO; vom 31. Juli 2013 - VIII ZR 162/09, BGHZ 198, 111 Rn. 34).
- 22
- 2. Im Ergebnis rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht angenommen, dass der Klägerin im Rahmen des Tarifkundenvertrags der Parteien das Recht zustand, den Arbeitspreis in dem streitgegenständlichen Umfang zu erhöhen.
- 23
- a) Der Senat hat ein berechtigtes Interesse (auch) von Gasversorgungsunternehmen , Kostensteigerungen während der Vertragslaufzeit an ihre Kunden weiterzugeben, grundsätzlich anerkannt (st. Rspr.; Senatsurteile vom 14. Mai 2014 - VIII ZR 114/13, BGHZ 201, 230 Rn. 35; vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 225/07, aaO Rn. 22, und VIII ZR 56/08, BGHZ 182, 41 Rn. 24). Für den Tarifkundenbereich hat der Senat bis zu seinem Vorabentscheidungsersuchen in der Sache VIII ZR 71/10 (Senatsbeschluss vom 18. Mai 2011, ZIP 2011, 1620) der - hier gemäß § 115 Abs. 2 Satz 3 EnWG 2005 und der Übergangsregelung in § 23 der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Grundversorgung von Haushaltskunden und die Ersatzversorgung mit Gas aus dem Niederdrucknetz (Gasgrundversorgungsverordnung - GasGVV) vom 26. Oktober 2006 (BGBl. I S. 2391) maßgeblichen - Vorschrift des § 4 Abs. 1 und 2 der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Gasversorgung von Tarifkunden vom 21. Juni 1979 (BGBl. I S. 676 - AVBGasV) entnommen, dass dem Gasversorgungsunternehmen das Recht zusteht, Preise nach billigem Ermessen (§ 315 BGB) zu ändern (st. Rspr.; siehe nur Senatsurteile vom 13. Juni 2007 - VIII ZR 36/06, BGHZ 172, 315 Rn. 14 ff.; vom 19. November 2008 - VIII ZR 138/07, BGHZ 178, 362 Rn. 26; vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 56/08, aaO Rn. 18 ff.; ebenso BGH, Urteil vom 29. April 2008 - KZR 2/07, BGHZ 176, 244 Rn. 26, 29). Weiter hat er aus dieser Vorschrift abgeleitet, dass den Gasversorger aufgrund der gesetzlichen Bindung des allgemeinen Tarifs an den Maßstab der Billigkeit zugleich die Rechtspflicht trifft, bei einer Preisänderung Kostensenkungen ebenso und nach gleichen Maßstäben zu berücksichtigen wie Kostenerhöhungen (Senatsurteile vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 225/07, aaO Rn. 28; vom 13. Januar 2010 - VIII ZR 81/08, WM 2010, 481 Rn. 18; jeweils mwN; ebenso BGH, Urteil vom 29. April 2008 - KZR 2/07, aaO Rn. 26).
- 24
- aa) In § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV war bestimmt, dass das Gasversorgungsunternehmen zu den jeweiligen allgemeinen Tarifen und Bedingungen Gas zur Verfügung stellt und dass Änderungen der allgemeinen Tarife und Bedingungen erst nach öffentlicher Bekanntgabe wirksam werden. Mit der Einfügung des Wortes "jeweiligen" sollte nach der Begründung des Verordnungsge- bers (BR-Drucks. 77/79, S. 34, 38) ausdrücklich klargestellt werden, dass das Versorgungsunternehmen die Möglichkeit hat, die allgemeinen Tarife durch öffentliche Bekanntgabe gleitend, das heißt ohne Kündigung, zu ändern. In der Begründung zu § 4 AVBGasV heißt es hierzu (aaO, S. 38): "Nach Absatz 1 sind die GVU [Gasversorgungsunternehmen] verpflichtet , die Kunden zu den 'jeweiligen' allgemeinen Tarifen und Bedingungen , wozu auch diejenigen Regelungen gehören, die sie in Ausfüllung der vorliegenden Verordnung vorsehen, zu versorgen. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass sich z.B. Tarifänderungen ohne entsprechende Kündigungen der laufenden Verträge nach öffentlicher Bekanntgabe (Absatz 2) vollziehen können. Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass es sich um Massenschuldverhältnisse mit langfristiger Vertragsbindung handelt. Die GVU müssen die Möglichkeit haben, Kostensteigerungen während der Vertragslaufzeit in den Preisen an die Kunden weiterzugeben. Entsprechende Vertragskündigungen, verbunden mit dem Neuabschluss von Verträgen, würden hier vor allem zu praktischen Schwierigkeiten führen [...]"
- 25
- Daraus hat der Senat hergeleitet, dass § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV, auch wenn darin ein Preisänderungsrecht nicht ausdrücklich kodifiziert ist, den Gasversorgungsunternehmen im Bereich der Versorgung von Tarifkunden ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht gewährt (Senatsurteile vom 13. Juni 2007 - VIII ZR 36/06, aaO; vom 19. November 2008 - VIII ZR 138/07, aaO; vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 56/08, aaO Rn. 19 f.; ebenso BGH, Urteil vom 29. April 2008 - KZR 2/07, aaO Rn. 26, 29).
- 26
- bb) Diese Vorschriften sind mit Wirkung zum 8. November 2006 durch § 5 Abs. 2 GasGVV ersetzt worden, ohne dass sich dadurch in der Sache etwas ändern sollte (Senatsurteil vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 56/08, aaO Rn. 20; vgl. BR-Drucks. 306/06, S. 25 f., 43). Nach § 6 Abs. 1 Satz 2 GasGVV ist der Grundversorger auch weiterhin nur verpflichtet, dem Kunden zu den jeweiligen Allgemeinen Preisen und Bedingungen Gas zur Verfügung zu stellen. Entsprechend geht § 17 Abs. 1 Satz 3 GasGVV davon aus, dass Allgemeine Preise für Gas auf einer einseitigen Leistungsbestimmung durch den Versorger beruhen können, die der Kunde nach § 315 BGB auf ihre Billigkeit hin überprüfen lassen kann (Senatsurteil vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 56/08, aaO).
- 27
- b) Da die im Streitfall maßgebliche Regelung des § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV hinsichtlich Anlass, Voraussetzungen und Umfang des dem Versorgungsunternehmen zustehenden einseitigen Leistungsbestimmungsrechts (vgl. hierzu Senatsurteile vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 225/07, aaO Rn. 23, und VIII ZR 56/08, aaO Rn. 26; vom 14. Juli 2010 - VIII ZR 246/08, aaO Rn. 33; jeweils mwN) keine näheren tatbestandlichen Konkretisierungen enthält, hängt die Möglichkeit, dieser Vorschrift im Auslegungswege ein wirksames Preisänderungsrecht zu entnehmen, davon ab, ob solche tatbestandlichen Konkretisierungen von Art. 3 Abs. 3 Satz 4 bis 6 in Verbindung mit Anhang A Buchst. b oder c der Richtlinie 2003/55/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2003 über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 98/30/EG (ABl. Nr. L 176, S. 57; im Folgenden : Gas-Richtlinie; aufgehoben zum 3. März 2011 durch Art. 53 der Richtlinie 2009/73/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/55/EG, ABl. Nr. L 211, S. 94) gefordert werden (vgl. Senatsbeschluss vom 18. Mai 2011 - VIII ZR 71/10, aaO Rn. 6).
- 28
- aa) Der Senat hat deshalb mit vorgenanntem Beschluss vom 18. Mai 2011 dem Gerichtshof folgende Fragen gemäß Art. 267 AEUV zur Vorabentscheidung vorgelegt: "Ist Art. 3 Abs. 3 in Verbindung mit Anhang A Buchst. b und/oder c der Richtlinie 2003/55/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2003 über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 98/30/EG dahin auszulegen, dass eine nationale gesetzliche Regelung über Preisänderungen in Erd- gaslieferungsverträgen mit Haushalts-Kunden, die im Rahmen der allgemeinen Versorgungspflicht beliefert werden (Tarifkunden), den Anforderungen an das erforderliche Maß an Transparenz genügt, wenn in ihr Anlass, Voraussetzungen und Umfang einer Preisänderung zwar nicht wiedergegeben sind, jedoch sichergestellt ist, dass das Gasversorgungsunternehmen seinen Kunden jede Preiserhöhung mit angemessener Frist im Voraus mitteilt und den Kunden das Recht zusteht, sich durch Kündigung vom Vertrag zu lösen, wenn sie die ihnen mitgeteilten geänderten Bedingungen nicht akzeptieren wollen?"
- 29
- bb) Der Gerichtshof hat diese Frage sowie die ihm durch Senatsbeschluss vom 29. Juni 2011 (VIII ZR 211/10, RdE 2011, 372) vorgelegte, zu gemeinsamer Entscheidung verbundene gleichlautende Frage zu § 4 Abs. 1 und 2 der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Elektrizitätsversorgung von Tarifkunden vom 21. Juni 1979 (BGBl. I S. 684 - AVBEltV) beziehungsweise zu § 5 Abs. 2 der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Grundversorgung von Haushaltskunden und die Ersatzversorgung mit Elektrizität aus dem Niederspannungsnetz vom 26. Oktober 2006 (Stromgrundversorgungsverordnung - StromGVV, BGBl. I S. 2391) und zu Art. 3 Abs. 5 Satz 3 bis 5 in Verbindung mit Anhang A Buchst. b oder c der Richtlinie 2003/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2003 über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 96/92/EG (ABl. Nr. L 176, S. 37) mit Urteil vom 23. Oktober 2014 (Rs. C-359/11 und C-400/11, aaO - Schulz und Egbringhoff) wie folgt beantwortet: "Art. 3 Abs. 5 in Verbindung mit Anhang A der Richtlinie 2003/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2003 über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 96/92/EG und Art. 3 Abs. 3 in Verbindung mit Anhang A der Richtlinie 2003/55/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2003 über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 98/30/EG sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegenstehen, die den Inhalt von unter die allgemeine Versorgungspflicht fallenden Verbraucherverträgen über Strom- und Gaslieferungen bestimmt und die Möglichkeit vorsieht, den Tarif dieser Lieferungen zu ändern, aber nicht gewährleistet, dass die Verbraucher rechtzeitig vor Inkrafttreten dieser Änderung über deren Anlass , Voraussetzungen und Umfang informiert werden."
- 30
- Zur Begründung hat der Gerichtshof im Wesentlichen ausgeführt:
- 31
- Neben den in den beiden Vorabentscheidungsersuchen des Senats genannten Richtlinien (Gas-Richtlinie und Strom-Richtlinie) finde hier - anders als in dem ebenfalls auf Vorlage des Senats (vgl. Senatsbeschluss vom 9. Februar 2011 - VIII ZR 162/09, WM 2011, 850) ergangenen, Gaslieferungsverträge mit Sonderkunden betreffenden Urteil des Gerichtshofs vom 21. März 2013 (Rs. C-92/11, NJW 2013, 2253 - RWE Vertrieb AG; vgl. hierzu Senatsurteil vom 31. Juli 2013 - VIII ZR 162/09, aaO Rn. 46 ff.) - nicht auch die Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (ABl. Nr. L 95, S. 29; im Folgenden: Klausel-Richtlinie), Anwendung. Denn nach Art. 1 der Klausel-Richtlinie unterlägen Vertragsklauseln, die - wie hier - auf bindenden Rechtsvorschriften beruhten, nicht den Bestimmungen dieser Richtlinie (Rn. 51 f.).
- 32
- Zweck der Gas-Richtlinie und der Strom-Richtlinie sei die Verbesserung der Funktionsweise des Elektrizitäts- und des Gasbinnenmarkts. Ein nichtdiskriminierender , transparenter und zu angemessenen Preisen gewährleisteter Netzzugang sei Voraussetzung für einen funktionierenden Wettbewerb und von größter Bedeutung für die Vollendung des Elektrizitäts- und des Gasbinnenmarkts. Den Bestimmungen der vorgenannten Richtlinien lägen Belange des Verbraucherschutzes zugrunde. Diese Belange stünden in engem Zusammenhang sowohl mit der Liberalisierung der in Rede stehenden Märkte als auch mit dem ebenfalls mit diesen Richtlinien verfolgten Ziel, eine stabile Elektrizitätsund Gasversorgung zu gewährleisten (Rn. 39 f.).
- 33
- Art. 3 Abs. 3 der Gas-Richtlinie und Art. 3 Abs. 5 der Strom-Richtlinie enthielten die Bestimmungen, die die Erreichung des vorstehend genannten Ziels ermöglichten. Aus dem Wortlaut dieser Vorschriften gehe hervor, dass die Mitgliedstaaten geeignete Maßnahmen zum Schutz der Endkunden zu ergreifen und insbesondere dafür Sorge zu tragen hätten, dass für schutzbedürftige Kunden ein angemessener Schutz bestehe (Rn. 42). Da die Strom- und Gasversorger , wenn sie - wie hier - als Versorger letzter Instanz handelten, verpflichtet seien, im Rahmen der durch die nationalen Rechtsvorschriften auferlegten Verpflichtungen mit allen Kunden, die darum ersuchten und die dazu berechtigt seien, zu den in diesen Rechtsvorschriften vorgesehenen Bedingungen Verträge zu schließen, seien allerdings die wirtschaftlichen Interessen dieser Versorger insoweit zu berücksichtigen, als sie sich die andere Vertragspartei nicht aussuchen und den Vertrag nicht beliebig beenden könnten (Rn. 44). Was zum anderen konkret die Rechte der Kunden betreffe, müssten die Mitgliedstaaten nach den oben genannten Vorschriften der Richtlinien in Bezug auf die Transparenz der allgemeinen Vertragsbedingungen einen hohen Verbraucherschutz gewährleisten (Rn. 45). Den Kunden müsse neben ihrem in Anhang A Buchst. b beider Richtlinien verankerten Recht, sich vom Liefervertrag zu lösen, auch die Befugnis erteilt werden, gegen Änderungen der Lieferpreise vorzugehen (Rn. 46).
- 34
- Um diese Rechte in vollem Umfang und tatsächlich nutzen und in voller Sachkenntnis eine Entscheidung über eine mögliche Lösung vom Vertrag oder ein Vorgehen gegen die Änderung des Lieferpreises treffen zu können, müssten die Kunden rechtzeitig vor dem Inkrafttreten dieser Änderung über deren Anlass, Voraussetzungen und Umfang informiert werden (Rn. 47). Folglich genüge eine nationale Regelung wie die im Ausgangsverfahren fragliche, die nicht gewährleiste, dass einem Haushaltskunden die vorstehend angeführte Information rechtzeitig übermittelt werde, den in der Gas-Richtlinie und in der StromRichtlinie aufgestellten Anforderungen nicht (Rn. 48).
- 35
- c) An dieses Auslegungsergebnis sind die nationalen Gerichte gebunden. Deshalb kann - entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung - an der bisherigen Sichtweise des Senats, wonach § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV ein gesetzliches Preisänderungsrecht zu entnehmen ist, dessen wirksame Ausübung an keine weiteren als die in dieser Vorschrift genannten Voraussetzungen geknüpft ist, jedenfalls für die Zeit nach Ablauf der gemäß Art. 33 Abs. 1 der GasRichtlinie bis zum 1. Juli 2004 reichenden Frist zu deren Umsetzung nicht mehr festgehalten werden.
- 36
- d) Im Wege einer richtlinienkonformen Auslegung oder einer richtlinienkonformen Rechtsfortbildung des § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV oder der die Grundversorgung betreffenden Vorschriften des - der AVBGasV zugrunde liegenden und ihr übergeordneten - Energiewirtschaftsgesetzes lässt sich ein den Transparenzanforderungen der Gas-Richtlinie nach Maßgabe der vorgenannten Ausführungen des Gerichtshofs entsprechendes Recht des Gasversorgers zur einseitigen Änderung der Preise ebenfalls nicht herleiten.
- 37
- aa) Ausgangspunkt für eine richtlinienkonforme Auslegung oder Rechtsfortbildung ist § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV, der durch das vorbezeichnete Urteil des Gerichtshofs und die sich daraus ergebende Unvereinbarkeit mit den Transparenzerfordernissen der Gas-Richtlinie nicht unanwendbar geworden ist. Gemäß Art. 267 Abs. 1 Buchst. b AEUV entscheidet der Gerichtshof beim Vorabentscheidungsverfahren lediglich über die Auslegung des Unionsrechts (vgl. nur EuGH, Rs. C-10/97 bis C-22/97, Slg. 1998, I-6307 Rn. 23 - Ministero delle Finanze; Rs. C-540/07, Slg. 2009, I-10983 Rn. 63 - Kommission/Italien; jeweils mwN), nicht hingegen über die Vereinbarkeit nationaler Rechtsnormen mit den gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften und demzufolge auch nicht über die Frage der möglichen Unanwendbarkeit der betreffenden nationalen Rechtsnormen wegen deren Unionsrechtswidrigkeit (vgl. EuGH, Rs. C-292/92, Slg. 1993, I-6787 Rn. 8 - Hünermund; Rs. C‑265/01, Slg. 2003, I‑683 Rn. 18 mwN - Pansard).
- 38
- bb) Die nationalen Gerichte sind nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs aufgrund des Umsetzungsgebots gemäß Art. 288 Abs. 3 AEUV und des Grundsatzes der Gemeinschaftstreue gemäß Art. 4 Abs. 3 EUV verpflichtet , die Auslegung des nationalen Rechts unter voller Ausschöpfung des Beurteilungsspielraums, den ihnen das nationale Recht einräumt, soweit wie möglich am Wortlaut und Zweck der Richtlinie auszurichten, um das mit der Richtlinie verfolgte Ziel zu erreichen (vgl. nur EuGH, Rs. 14/83, Slg. 1984, 1891 Rn. 26, 28 - von Colson und Kamann; Rs. C-397/01 bis C-403/01, Slg. 2004, I-8835 Rn. 113 - Pfeiffer u.a.; Rs. C-565/12, NJW 2014, 1941 Rn. 54 mwN - LCL Le Crédit Lyonnais; Senatsurteile vom 21. Dezember 2011 - VIII ZR 70/08, BGHZ 192, 148 Rn. 24; vom 31. Juli 2013 - VIII ZR 162/09, aaO Rn. 55; BGH, Beschluss vom 16. April 2015 - I ZR 130/13, WRP 2015, 862 Rn. 26).
- 39
- Dieser von der Rechtsprechung des Gerichtshofs geprägte Grundsatz der richtlinienkonformen Auslegung verlangt von den nationalen Gerichten mehr als eine bloße Auslegung im engeren Sinne. Er erfordert auch, das nationale Recht, wo dies nötig und möglich ist, richtlinienkonform fortzubilden (Senatsurteile vom 26. November 2008 - VIII ZR 200/05, BGHZ 179, 27 Rn. 21 mwN; vom 21. Dezember 2011 - VIII ZR 70/08, aaO Rn. 30; BGH, Beschluss vom 16. April 2015 - I ZR 130/13, aaO). Eine Rechtsfortbildung setzt eine verdeckte Regelungslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes voraus (Senatsurteile vom 26. November 2008 - VIII ZR 200/05, aaO Rn. 22 mwN; vom 21. Dezember 2011 - VIII ZR 70/08, aaO Rn. 31). Eine solche ist etwa dann anzunehmen, wenn der Gesetzgeber mit der von ihm geschaffenen Regelung eine Richtlinie umsetzen wollte, hierbei aber deren Inhalt missver- standen hat (vgl. Senatsurteil vom 21. Dezember 2011 - VIII ZR 70/08, aaO Rn. 32 ff.).
- 40
- cc) Diese Voraussetzungen sind hier indes nicht erfüllt. Eine richtlinienkonforme Rechtsfortbildung, die im Ergebnis dazu führte, die Transparenzanforderungen der Gas-Richtlinie in der Auslegung, die diese durch das oben genannte Urteil des Gerichtshofs vom 23. Oktober 2014 gefunden haben, in das nationale Recht, hier namentlich in § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV, ergänzend aufzunehmen , würde die den Gerichten durch den Willen des nationalen Gesetzgebers gezogenen Grenzen der Auslegung überschreiten. Dies gilt erst recht, wenn die Einhaltung dieser Transparenzanforderungen als Voraussetzung für die Wirksamkeit einer Preisänderung anzusehen wäre (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 18. Mai 2011 - VIII ZR 71/10, aaO Rn. 6).
- 41
- (1) Der Grundsatz der unionsrechtskonformen Auslegung des nationalen Rechts unterliegt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs bestimmten Schranken. So findet die Verpflichtung des nationalen Richters, bei der Auslegung und Anwendung der einschlägigen Vorschriften des innerstaatlichen Rechts den Inhalt einer Richtlinie heranzuziehen, ihre Schranken in den allgemeinen Rechtsgrundsätzen und darf nicht als Grundlage für eine Auslegung contra legem des nationalen Rechts dienen (EuGH, Rs. C-351/12, GRUR 2014, 473 Rn. 45 - OSA; Rs. C-176/12, BB 2014, 2493 Rn. 39 mwN - Association de médiation sociale; Rs. C-12/08, Slg. 2009, I-6653 Rn. 61 - Mono Car Styling).
- 42
- (2) Auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gilt der Grundsatz richtlinienkonformer Auslegung nicht schrankenlos. Er findet vielmehr dort seine Grenze, wo die nationale Vorschrift nicht richtlinienkonform ausgelegt werden könnte, ohne dabei die Grenzen der verfassungsrechtlichen Bindung des Richters an das Gesetz zu sprengen. Eine die Gesetzesbindung des Richters überschreitende Auslegung ist auch durch den Grundsatz der Unionstreue nicht zu rechtfertigen (BVerfG, GmbHR 2013, 598, 601; NJW 2012, 669, 670 f.).
- 43
- Art. 20 Abs. 2 GG, der dem Grundsatz der Gewaltenteilung Ausdruck verleiht, verwehrt es den Gerichten, Befugnisse zu beanspruchen, die die Verfassung dem Gesetzgeber übertragen hat, indem sie sich aus der Rolle des Normanwenders in die einer normsetzenden Instanz begeben und sich damit der Bindung an Recht und Gesetz entziehen. Der Rechtsfortbildung sind deshalb mit Rücksicht auf den aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit unverzichtbaren Grundsatz der Gesetzesbindung der Rechtsprechung (Art. 20 Abs. 3 GG) Grenzen gesetzt.
- 44
- Dies gilt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gleichermaßen und unabhängig davon, ob das anzuwendende einfache nationale Recht der Umsetzung einer Richtlinie der Europäischen Union dient oder nicht. Dem steht nicht entgegen, dass der aus Art. 4 Abs. 3 EUV folgende Grundsatz der Unionstreue alle mitgliedstaatlichen Stellen, also auch Gerichte, dazu verpflichtet, diejenige Auslegung des nationalen Rechts zu wählen, die dem Inhalt einer EU-Richtlinie in der ihr vom Gerichtshof gegebenen Auslegung entspricht. Denn die unionsrechtliche Pflicht zur richtlinienkonformen Auslegung verpflichtet das nationale Gericht zwar, durch die Anwendung seiner Auslegungsmethoden ein richtlinienkonformes Ergebnis zu erzielen. Allerdings findet die Pflicht zur Verwirklichung des Richtlinienziels im Auslegungswege zugleich ihre Grenzen an dem nach innerstaatlicher Rechtstradition methodisch Erlaubten. Ob und inwieweit das innerstaatliche Recht eine entsprechende richtlinienkonforme Auslegung zulässt, können nur innerstaatliche Gerichte beurteilen. Sowohl die Identifizierung als auch die Wahrnehmung methodischer Spielräume des nationalen Rechts obliegt - auch bei durch Richtlinien determiniertem nationalem Recht - den nationalen Stellen in den Grenzen des Verfassungsrechts (BVerfG, NJW 2012, aaO mwN).
- 45
- (3) Dementsprechend hat auch der Bundesgerichtshof bereits entschieden , dass eine richtlinienkonforme Auslegung - ebenso wie die verfassungskonforme Auslegung - voraussetzt, dass durch eine solche Auslegung der erkennbare Wille des Gesetz- oder Verordnungsgebers nicht verändert wird, sondern die Auslegung seinem Willen (noch) entspricht (vgl. Senatsurteile vom 26. November 2008 - VIII ZR 200/05, aaO Rn. 28; vom 17. Oktober 2012 - VIII ZR 226/11, BGHZ 195, 135 Rn. 22; BGH, Beschluss vom 16. Mai 2013 - II ZB 7/11, NJW 2013, 2674 Rn. 42; vgl. auch Senatsurteil vom 13. April 2011 - VIII ZR 220/10, BGHZ 189, 196 Rn. 47; BGH, Beschluss vom 16. April 2015 - I ZR 130/13, aaO; ebenso BAGE 82, 211, 225 f.; 106, 252, 261; jeweils mwN).
- 46
- dd) Gemessen an diesen Grundsätzen kommt eine richtlinienkonforme Auslegung oder Rechtsfortbildung des § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV oder des - dieser Vorschrift übergeordneten - § 36 Abs. 1 EnWG 2005 beziehungsweise - soweit auf den Streitfall noch anzuwenden - dessen Vorgängerregelung in § 10 Abs. 1 Satz 1 EnWG 1998 dahingehend nicht in Betracht, dass diesen Vorschriften ein an den Transparenzanforderungen des Art. 3 Abs. 3 in Verbindung mit Anhang A der Gas-Richtlinie nach Maßgabe der Auslegung des Gerichtshofs ausgerichtetes Recht des Gasversorgers zur einseitigen Änderung der Preise zu entnehmen wäre. Denn der Gesetz- und Verordnungsgeber hat im hier maßgeblichen Zeitraum und auch während der weiteren, bis zum 2. März 2011 reichenden Geltungsdauer der Gas-Richtlinie die in deren Art. 3 Abs. 3 in Verbindung mit Anhang A enthaltenen Transparenzanforderungen weder umgesetzt noch ergibt sich ein dahingehender Wille aus den Gesetzesund Verordnungsmaterialien. Diesen Materialien ist vielmehr zu entnehmen, dass der Gesetzgeber die Umsetzung insoweit dem Verordnungsgeber über- lassen wollte, der diese Aufgabe jedoch weder hinsichtlich der am 8. November 2006 außer Kraft getretenen AVBGasV noch bei Erlass der GasGVV wahrgenommen hat.
- 47
- (1) Nach Art. 33 Abs. 1 der am 4. August 2003 in Kraft getretenen GasRichtlinie war diese bis spätestens 1. Juli 2004 in nationales Recht umzusetzen.
- 48
- (a) Eine an Art. 3 Abs. 3 Satz 4 bis 6 in Verbindung mit Anhang A der Gas-Richtlinie angepasste Änderung der - hier anzuwendenden - AVBGasV durch den hierzu gemäß § 11 Abs. 2 EnWG 1998 ermächtigten Verordnungsgeber ist weder innerhalb der Umsetzungsfrist noch danach erfolgt. Eine dahingehende Aufforderung ist seitens des Gesetzgebers auch nicht ausgesprochen worden. Vielmehr sind Umsetzungsbestrebungen erstmals mit dem Gesetzentwurf zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts vom 14. Oktober 2004 (BTDrucks. 15/3917) erfolgt.
- 49
- (b) Gemäß § 1 Abs. 3 des am 13. Juli 2005 schließlich in Kraft getretenen EnWG 2005 diente dieses Gesetz unter anderem der Umsetzung und der Durchführung des Europäischen Gemeinschaftsrechts auf dem Gebiet der leitungsgebundenen Energieversorgung. In der allgemeinen Begründung des dem EnWG 2005 zugrunde liegenden Gesetzentwurfs der Bundesregierung zum Zweiten Gesetz zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts vom 14. Oktober 2004 wird unter anderem ausgeführt, mit der Neufassung des EnWG würden die Strom-Richtlinie und die Gas-Richtlinie umgesetzt (BT-Drucks., aaO S. 46).
- 50
- Jedoch sollte ausweislich der Gesetzesbegründung die Umsetzung der in Art. 3 Abs. 3 Satz 4 bis 6 in Verbindung mit Anhang A der Gas-Richtlinie enthaltenen Transparenzanforderungen (vgl. Senatsbeschluss vom 18. Mai 2011 - VIII ZR 71/10, aaO Rn. 6) einschließlich der Rechte der Gaskunden, sich vom Liefervertrag zu lösen und gegen Änderungen der Lieferpreise vorzugehen, nicht durch den Gesetzgeber selbst erfolgen, sondern einer noch zu erlassenden Rechtsverordnung überlassen bleiben. Dies ergibt sich aus der Gesetzesbegründung zu §§ 36, 39 EnWG 2005.
- 51
- In der Einzelbegründung zu § 36 EnWG 2005, dessen Abs. 1 Satz 1 bestimmt , dass Energieversorgungsunternehmen für Netzgebiete, in denen sie die Grundversorgung von Haushaltskunden durchführen, Allgemeine Bedingungen und Allgemeine Preise für die Versorgung in Niederspannung oder Niederdruck öffentlich bekannt zu geben und im Internet zu veröffentlichen und zu diesen Bedingungen und Preisen jeden Haushaltskunden zu versorgen haben, wird dem entsprechend unter anderem ausgeführt: "Die Vorschrift dient der Umsetzung von Artikel 3 Abs. 3 Satz 1 und 2 der Elektrizitätsrichtlinie und Artikel 3 Abs. 1 [gemeint möglicherweise: Abs. 3] Satz 1 bis 3 der Gasrichtlinie. […]. Der Inhalt des Grundversor- gungsvertrages kann nach § 39 durch Rechtsverordnung näher ausge- staltet werden. […]." (BT-Drucks., aaO S. 66)
- 52
- Hieran anknüpfend heißt es in der Einzelbegründung zu § 39 EnWG 2005: "[…] Absatz 2 […] enthält die Grundlage für den Erlass von Rechtsverordnungen zur Regelung der Geschäftsbedingungen der Grundversorger bei der Grund- oder Ersatzversorgung von Haushaltskunden. Diese Bedingungen sind bisher Teil der […] Verordnungüber Allgemeine Be- dingungen für die Gasversorgung von Tarifkunden (AVBGasV) […]. Die Anhänge A der Elektrizitätsrichtlinie und der Gasrichtlinie werden für die Belieferung von Haushaltskunden im Rahmen der Grundversorgung durch Rechtsverordnungen nach Absatz 2 umgesetzt." (BT-Drucks., aaO)
- 53
- (c) Der Verordnungsgeber hat indes die ihm durch § 39 Abs. 2 EnWG 2005 übertragene Umsetzung der Anforderungen in Art. 3 Abs. 3 Satz 4 bis 6 in Verbindung mit Anhang A der Gas-Richtlinie in der Folgezeit nur beschränkt vorgenommen. Er hat sich bei der Schaffung der GasGVV damit begnügt, zu- sätzlich zu der bereits in § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV enthaltenen Wirksamkeitsvoraussetzung der öffentlichen Bekanntmachung der Preisänderung eine hierauf bezogene Mindestfrist von sechs Wochen einzuführen und - zum Zwecke einer erleichterten Kenntnisnahme für den Kunden, nicht hingegen als ein weiteres Wirksamkeitserfordernis - eine Verpflichtung des Gasversorgers zu schaffen , zeitgleich mit der öffentlichen Bekanntgabe der Preisänderungen diese auch auf seiner Internetseite zu veröffentlichen und eine briefliche Mitteilung an den Kunden zu versenden.
- 54
- Zwar heißt es in der allgemeinen Begründung des Entwurfs vom 4. Mai 2006 zu der auf der Ermächtigungsgrundlage in § 39 Abs. 2 EnWG 2005 beruhenden Verordnung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie zum Erlass von Regelungen für die Grundversorgung von Haushaltskunden und die Ersatzversorgung hinsichtlich der beiden neuen Grundversorgungsverordnungen (StromGVV und GasGVV): "In den Grundversorgungsverordnungen werden neben den notwendigen formalen Anpassungen eine Vielzahl bisheriger Regelungen der AVBEltV und AVBGasV geändert und eine Vielzahl neuer Regelungen vorgesehen, um die Rechtsstellung von Haushaltskunden gegenüber Grundversorgern weiter zu verbessern. Hierzu zählen insbesondere Verbesserungen der Möglichkeiten, den Energielieferanten zu wechseln, kundenfreundlichere Gestaltungen von Fristen, Stärkungen der Kundenschutzrechte , Verbesserungen der Transparenz und Klarstellungen zur Anwendbarkeit des § 315 des BürgerlichenGesetzbuchs." (BR-Drucks. 306/06, S. 21)
- 55
- In der Einzelbegründung zu § 5 GasGVV, der Nachfolgeregelung des § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV, wird jedoch - durch Bezugnahme auf die Einzelbegründung zu § 5 StromGVV - ausgeführt: "[…] Im Interesse der Haushaltskunden wird der Grundversorger nach Absatz 2 Satz 1 zusätzlich verpflichtet, Änderungen der Allgemeinen Preise und der Allgemeinen Bedingungen jeweils nur zum Monatsbeginn vorzunehmen und mindestens sechs Wochen vor der beabsichtigten Änderung öffentlich bekannt zu geben. Darüber hinaus wird der Grundversorger nach Absatz 2 Satz 2 erstmalig verpflichtet, die Änderungen am Tage der öffentlichen Bekanntgabe auch auf seiner Internetseite zu veröffentlichen. […].Die Ergänzungen der bisherigen Regelung sollen die Möglichkeit eines zügigen Lieferantenwechsels von Haushaltskunden im Falle einer Änderung der Allgemeinen Preise oder Allgemeinen Bedingungen ermöglichen." (BR-Drucks., aaO S. 26, 43)
- 56
- § 5 Abs. 2 GasGVV sollte demnach lauten: "Änderungen der Allgemeinen Preise und der ergänzenden Bedingungen werden jeweils zum Monatsbeginn und erst nach öffentlicher Bekanntgabe wirksam, die mindestens sechs Wochen vor der beabsichtigten Änderung erfolgen muss. Der Grundversorger ist verpflichtet, die Änderungen am Tage der öffentlichen Bekanntgabe auf seiner Internetseite zu veröffentlichen."
- 57
- Einer Empfehlung der Ausschüsse, in § 5 Abs. 2 Satz 1 GasGVV die Wörter "nach öffentlicher Bekanntgabe" durch die Wörter "nach brieflicher Mitteilung an den Kunden" zu ersetzen (BR-Drucks. 306/1/06, S. 8), ist der Bundesrat nicht gefolgt und hat zur Begründung angeführt (BR-Drucks. 306/06 [Beschluss ], S. 8 f.): "Auf Grund der speziellen Gegebenheiten bei der Grundversorgung (Vertragsschluss bereits durch Gasentnahme) ist es jedoch im Sinne der Rechtssicherheit erforderlich, die Wirksamkeit von Vertragsänderungen /Preisänderungen nicht vom Zugang an einen möglicherweise nicht bekannten Kunden (z. B. Mieterwechsel) abhängig zu machen, […] sondern an die öffentliche Bekanntmachung zu knüpfen. Gleichwohl soll der Kunde eine briefliche Mitteilung erhalten, die u. U. das Preisbewusstsein des Kunden steigern und den Wettbewerb anregen kann."
- 58
- Der Bundesrat hat daher der Verordnung durch Beschluss vom 22. September 2006 unter anderem mit der Maßgabe zugestimmt, dass § 5 Abs. 2 Satz 2 GasGVV - bei unverändertem Satz 1 dieses Absatzes - wie folgt gefasst wird (BR-Drucks. 306/06 [Beschluss], S. 8): "Der Grundversorger ist verpflichtet, zu den beabsichtigten Änderungen zeitgleich mit der öffentlichen Bekanntgabe eine briefliche Mitteilung an den Kunden zu versenden und die Änderungen auf seiner Internetseite zu veröffentlichen."
- 59
- In dieser Fassung ist § 5 Abs. 2 GasGVV sodann erlassen worden (BGBl. 2006 I S. 2391, 2397 f.).
- 60
- (2) Bei dieser Sachlage kommt eine zusätzliche Berücksichtigung der vom Gerichtshof dem Art. 3 Abs. 3 Satz 4 bis 6 in Verbindung mit Anhang A der Gas-Richtlinie entnommenen Transparenzanforderungen im Wege richtlinienkonformer Auslegung oder Rechtsfortbildung nicht in Betracht. Hieran ändert auch der Umstand nichts, dass regelmäßig von einem Willen des Gesetz- und Verordnungsgebers zur richtlinientreuen Umsetzung auszugehen ist (vgl. nur BGH, Urteile vom 9. April 2002 - XI ZR 91/99, BGHZ 150, 248, 257; vom 26. November 2008 - VIII ZR 200/05, aaO Rn. 25; vom 21. Dezember 2011 - VIII ZR 70/08, aaO Rn. 34; vom 7. Mai 2014 - IV ZR 76/11, BGHZ 201, 101 Rn. 23; BAGE 130, 119, 136; EuGH, Rs. C-397/01 bis C-403/01, Slg. 2004, I-8835 Rn. 112 - Pfeiffer u.a.; vgl. auch BGH, Beschluss vom 8. Januar 2014 - V ZB 137/12, NVwZ 2014, 1111 Rn. 11).
- 61
- Denn im Verordnungsgebungsverfahren ist deutlich geworden, dass zum einen dem Informationsinteresse des Gaskunden im Hinblick auf die Besonderheiten der Grundversorgung und aus Gründen der Rechtssicherheit Grenzen gesetzt und zum anderen ein Bedürfnis zur Transparenz nur hinsichtlich des Umfangs einer Preisänderung anerkannt werden sollten. Diese Sichtweise ist erst nach Erlass der neuen Gas-Richtlinie, der Richtlinie 2009/73/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/55/EG [Gas-Richtlinie] (ABl. Nr. L 211, S. 94; im Folgenden: neue GasRichtlinie ) aufgegeben worden. Der Verordnungsgeber hat nunmehr im Rahmen einer durch die Verordnung zur transparenten Ausweisung staatlich ge- setzter oder regulierter Preisbestandteile in der Strom- und Gasgrundversorgung vom 22. Oktober 2014 (BGBl. I S. 1631) erfolgten Änderung der GasGVV (im Folgenden: GasGVV 2014) eine Umsetzung der in der neuen Gas-Richtlinie ebenfalls enthaltenen, mit der Vorgängerrichtlinie im Wesentlichen inhaltsgleichen Transparenzanforderungen vorgenommen (ebenso Markert, LMK 2014, 364601, Ziffer 3c; VersorgW 2015, 37, 39). Hierzu hat er § 5 Abs. 2 Satz 2 in der GasGVV 2014 um einen Halbsatz ergänzt, wonach der Gasversorger den Umfang, den Anlass und die Voraussetzungen der Änderung sowie den Hinweis auf die Rechte des Kunden nach § 5 Abs. 3 GasGVV 2014 (unter anderem das Recht, den Vertrag ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Änderungen zu kündigen) und die Angaben nach § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 GasGVV 2014 (Angaben zu den Allgemeinen Preisen nach § 36 Abs. 1 EnWG) in übersichtlicher Form anzugeben hat.
- 62
- Nach der - die neue Gas-Richtlinie und die neue Strom-Richtlinie zu Anfang erwähnenden - Begründung des Entwurfs der vorgenannten Verordnung vom 22. Oktober 2014 zielt diese darauf ab, für den grundversorgten Haushaltskunden die Transparenz zu erhöhen und ihn durch zusätzliche Informationen besser in die Lage zu versetzen, die Zusammensetzung und Änderungen des allgemeinen Preises zu bewerten. Hierzu setze die neue Regelung auf den in der GasGVV bereits bestehenden Informationspflichten auf und konkretisiere diese (BR-Drucks. 402/14, S. 6 ff., 15 f.). In der Einzelbegründung zu § 5 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 GasGVV 2014 heißt es: "[…] Die Einfügung des neuen § 5 Absatz 2 Satz 2 zweiter Halbsatz stellt inhaltliche Anforderungen an die Informationen des Grundversorgers nach § 5 Absatz 2 Satz 2 klar. Die Benennung des Umfangs einer Änderung ist bereits nach geltendem Recht notwendig. Daneben sind Anlass und Voraussetzungen einer Änderung anzugeben. Als Voraussetzung in diesem Sinne erscheint die jeweilige Rechtsgrundlage einer Änderung. Der Kunde erfährt auf diese Weise den Rechtsgrund einer Änderung und den Anlass, aus dem die rechtliche Grundlage von dem Grundversorger im konkreten Fall genutzt wird." (BR-Drucks., aaO S. 24, 28)
- 63
- Die Verordnungsmaterialien zur GasGVV 2014 bestätigen damit, dass der Verordnungsgeber vor der Einfügung des § 5 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 GasGVV 2014 die Schaffung gesteigerter Transparenzanforderungen zum Zwecke der Umsetzung des Art. 3 Abs. 3 in Verbindung mit Anhang A der GasRichtlinie nicht für erforderlich erachtet hatte. Der im Jahr 2014 schließlich vorhandene Umsetzungswille des Verordnungsgebers vermag indes für den im vorliegenden Fall maßgeblichen früheren Zeitraum nichts an der oben vorgenommenen Beurteilung der Frage einer richtlinienkonformen Auslegung oder Rechtsfortbildung zu ändern. Denn es kommt entscheidend auf den damaligen Willen des Verordnungsgebers an.
- 64
- e) Die Transparenzanforderungen des Art. 3 Abs. 3 Satz 4 bis 6 in Verbindung mit Anhang A der Gas-Richtlinie sind auf den vorliegenden Fall schließlich auch nicht unmittelbar anwendbar.
- 65
- aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofes kann sich der Einzelne in all den Fällen, in denen die Bestimmungen einer Richtlinie inhaltlich unbedingt und hinreichend genau sind, vor nationalen Gerichten gegenüber dem Staat auf diese Bestimmungen berufen, wenn dieser die Richtlinie nicht fristgemäß oder nur unzulänglich in das nationale Recht umgesetzt hat (siehe nur EuGH, Rs. 41/74, Slg. 1974, 1337 Rn. 9 ff. - van Duyn; Rs. C-148/78, Slg. 1979, 1629 Rn. 18 ff. - Ratti; Rs. 8/81, Slg. 1982, 53 Rn. 17ff. - Becker; Rs. 152/84, Slg. 1986, 723 Rn. 46 ff. - Marshall; Rs. 103/88, Slg. 1989, 1839 Rn. 28 ff. - Fratelli Costanzo SpA; Rs. C-397/01 bis 403/01, aaO Rn. 103 - Pfeiffer u.a.; jeweils mwN; vgl. BAGE 128, 134, 154; [sogenannte vertikale Direktwirkung]). So kann sich der Einzelne auf unbedingte und hinreichend genaue Bestimmungen einer Richtlinie auch gegenüber Organisationen oder Einrichtungen - unabhängig von ihrer Rechtsform - berufen, die dem Staat oder dessen Aufsicht unterstehen oder mit besonderen Rechten ausgestattet sind, die über diejenigen hinausgehen, die nach den Vorschriften für die Beziehungen zwischen Privatpersonen gelten (EuGH, Rs. C-188/89, Slg. 1990, I-3313 Rn. 17 ff. - Foster u.a.; Rs. C-253/96 bis C-258/96, Slg. 1997, I-6907 Rn. 46 f. - Kampelmann u.a.; jeweils mwN).
- 66
- Hingegen kann nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs eine Richtlinie in Fällen, in denen sich ausschließlich Private gegenüberstehen, nicht selbst Verpflichtungen für einen Einzelnen begründen, so dass ihm gegenüber eine Berufung auf die Richtlinie als solche nicht möglich ist; sogar eine klare, genaue und unbedingte Richtlinienbestimmung, mit der dem Einzelnen Rechte gewährt oder Verpflichtungen auferlegt werden sollen, kann deshalb im Rahmen eines Rechtsstreits, in dem sich ausschließlich Private gegenüberstehen , nicht als solche Anwendung finden (siehe nur EuGH, Rs. C-397/01 bis C-403/01, aaO Rn. 108 f. - Pfeiffer u.a.; Rs. C-80/06, Slg. 2007,I-4473 Rn. 20 - Carp; jeweils mwN; vgl. BAGE 128, aaO; [sogenannte horizontale Direktwirkung ]).
- 67
- bb) Nach diesen Grundsätzen kommt eine unmittelbare Anwendung der Transparenzanforderungen des Art. 3 Abs. 3 Satz 4 bis 6 in Verbindung mit Anhang A der Gas-Richtlinie hier nicht in Betracht. Zwar ist die Gas-Richtlinie nicht fristgemäß in nationales Recht umgesetzt worden und ist eine solche Umsetzung auch nicht innerhalb des für den Streitfall maßgeblichen späteren Zeitraums erfolgt, wobei dahingestellt bleiben kann, ob die vorgenannten Transparenzanforderungen der Richtlinie inhaltlich unbedingt und hinreichend genau im Sinne der vorstehend genannten Rechtsprechung des Gerichtshofs sind (vgl. hierzu Keller-Herder/Baumbach, ER 2015, 3, 5 f.; Uffmann, NJW 2015, 1215, 1217). Das Berufungsgericht hat jedoch weder festgestellt noch ist sonst er- sichtlich, dass es sich bei der Klägerin um eine Organisation oder Einrichtung im Sinne der vorgenannten Rechtsprechung des Gerichtshofs handelt (siehe oben aa). Übergangenen Tatsachenvortrag zeigt die Revision insoweit nicht auf.
- 68
- f) Wegen der demnach nicht zu behebenden Unvereinbarkeit des § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV mit Art. 3 Abs. 3 Satz 4 bis 6 in Verbindung mit Anhang A der Gas-Richtlinie lässt sich das vom Berufungsgericht im Ergebnis zutreffend angenommene Recht der Klägerin zur Preisänderung nicht (mehr) auf diese Vorschrift stützen. Entgegen der Auffassung der Revision führt dies jedoch nicht zur Unwirksamkeit der streitgegenständlichen Preiserhöhungen. Denn ein Preisänderungsrecht der Klägerin ergibt sich aus einer gebotenen ergänzenden Vertragsauslegung (§§ 157, 133 BGB) des Gaslieferungsvertrages der Parteien.
- 69
- aa) Eine ergänzende Vertragsauslegung setzt eine Regelungslücke, mithin eine planwidrige Unvollständigkeit des Vertrages voraus. Diese ist dadurch gekennzeichnet, dass die Parteien mit der getroffenen Regelung ein bestimmtes Ziel erreichen wollten, dies aber wegen der Lückenhaftigkeit des Vereinbarten nicht gelungen ist (BGH, Urteile vom 12. Oktober 2012 - V ZR 222/11, NJWRR 2013, 494 Rn. 9; vom 23. Mai 2014 - V ZR 208/12, NJW 2014, 3439 Rn. 8; vom 15. Oktober 2014 - XII ZR 111/12, WM 2014, 2280 Rn. 70 mwN). Die Lücke muss nicht von Anfang an bestanden haben, sie kann auch infolge nachträglicher Umstände eingetreten sein (BGH, Urteil vom 12. Oktober 2012 - V ZR 222/11, aaO mwN).
- 70
- bb) So liegt der Fall hier. Der Regelungsplan der Parteien für den zwischen ihnen geschlossenen Tarifkundenvertrag war durch die Regelungender AVBGasV bestimmt, welche kraft dieser Rechtsverordnung zwingend Bestand- teil des Versorgungsvertrages sind (§ 1 Abs. 1 Satz 2 AVBGasV). Aufgrund der Besonderheiten der Grundversorgung kommt dem Preisänderungsrecht des Gasversorgers, welches nach allgemeiner Auffassung dem § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV entnommen wurde, grundlegende Bedeutung zu. Da § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV jedoch insoweit nach den im Urteil des Gerichtshofs vom 23. Oktober 2014 (Rs. C-359/11 und C-400/11, aaO - Schulz und Egbringhoff) aufgezeigten Maßstäben als unionsrechtswidrig anzusehen ist und daher nicht (mehr) als Rechtsgrundlage eines Preisänderungsrechts des Gasversorgers in Betracht kommt, ist eine verdeckte planwidrige Verordnungslücke eingetreten, die aus den oben (unter II 2 d) genannten Gründen nicht durch eine richtlinienkonforme Auslegung geschlossen werden kann.
- 71
- Diese Verordnungslücke führt, da die Regelungen der AVBGasV Bestandteil des Gaslieferungsvertrages der Parteien sind und letztere daher bei Abschluss ihres Tarifkundenvertrages das Bestehen eines gesetzlichen Preisänderungsrechts als gegeben vorausgesetzt haben, zu einer von ihnen unbeabsichtigten Unvollständigkeit des Vertrages in einem wesentlichen Punkt.
- 72
- cc) Eine somit gebotene ergänzende Vertragsauslegung hat sich nicht nur an dem hypothetischen Parteiwillen, sondern auch an dem objektiven Maßstab von Treu und Glauben zu orientieren und muss zu einer die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigenden Regelung führen. Es geht daher darum zu ermitteln, was die Parteien bei einer angemessenen, objektivgeneralisierenden Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben redlicherweise vereinbart hätten, wenn sie bedacht hätten, dass die Wirksamkeit der angewendeten Preisänderungsbestimmung jedenfalls unsicher war (vgl. Senatsurteil vom 14. März 2012 - VIII ZR 113/11, BGHZ 192, 372 Rn. 24 mwN; Senatsbeschluss vom 17. Juli 2012 - VIII ZR 13/12, juris Rn. 10).
- 73
- Hätten die Parteien bei Vertragsabschluss bedacht, dass die Vereinbarkeit des § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV entnommenen gesetzlichen Preisänderungsrechts mit unionsrechtlichen Vorgaben zumindest unsicher ist, hätten sie bei angemessener Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragspartner eine - allerdings auf die bloße Weitergabe von (Bezugs-) Kostensteigerungen begrenzte - Möglichkeit des Grundversorgers zur einseitigen Änderung des Tarifs vereinbart. Die Lücke im Vertrag ist demnach im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung gemäß §§ 157, 133 BGB in der Weise zu schließen, dass die Klägerin berechtigt ist, Steigerungen ihrer eigenen (Bezugs-)Kosten, soweit diese nicht durch Kostensenkungen in anderen Bereichen ausgeglichen werden (vgl. Senatsurteil vom 19. November 2008 - VIII ZR 138/07, aaO Rn. 39 mwN), während der Vertragslaufzeit an den Beklagten weiterzugeben , und sie verpflichtet ist, bei einer Tarifanpassung Kostensenkungen ebenso zu berücksichtigen wie Kostenerhöhungen.
- 74
- (1) Bei langfristigen Vertragsverhältnissen, insbesondere solchen, die auf Leistungsaustausch gerichtet sind, besteht ein anerkennenswertes Bedürfnis, das bei Vertragsschluss bestehende Verhältnis von Leistung und Gegenleistung über die gesamte Vertragsdauer im Gleichgewicht zu halten (Senatsurteile vom 14. März 2012 - VIII ZR 113/11, aaO Rn. 26; vom 15. April 2015 - VIII ZR 59/14, BB 2015, 1548 Rn. 28, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt; jeweils mwN).
- 75
- Diesem Gesichtspunkt kommt im Rahmen der Grundversorgung von Haushaltskunden mit Gas besondere Bedeutung zu. Denn gemäß § 36 Abs. 1 Satz 1 EnWG 2005 sind die Energieversorgungsunternehmen - wie bereits nach der Vorgängerregelung in § 10 Abs. 1 Satz 1 EnWG 1998 -, soweit sie die Grundversorgung durchführen, gesetzlich verpflichtet, zu den Allgemeinen Bedingungen und Preisen jeden Haushaltskunden mit Gas zu versorgen. Hinzu kommt, dass der somit einem Kontrahierungszwang unterliegende Grundversorger zur (ordentlichen) Kündigung des Tarifkundenvertrages (Grundversorgungsvertrages ) nur in sehr eingeschränktem Maße berechtigt ist; ein solches Kündigungsrecht besteht nur, soweit eine Pflicht zur Grundversorgung nach § 36 Abs. 1 Satz 2 EnWG 2005 nicht besteht (Senatsurteil vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 56/08, aaO Rn. 25; ebenso Danner/Theobald/Hartmann, Energierecht, Stand Januar 2015, § 20 StromGVV Rn. 11 mwN). Die Bedeutung der beiden vorstehend genannten Gesichtspunkte für das wirtschaftliche Interesse des Grundversorgers hat auch der Gerichtshof im Urteil vom 23. Oktober 2014 (Rs. C-359/11 und C-400/11, aaO Rn. 44 - Schulz und Egbringhoff) hervorgehoben.
- 76
- Ohne eine Berechtigung des Grundversorgers, Kostensteigerungen während der Vertragslaufzeit an den Kunden weiterzugeben, bestünde angesichts des kontinuierlichen Anstiegs der Energiepreise bei langfristigen Versorgungsverträgen regelmäßig ein gravierendes, dem Äquivalenzprinzip zuwiderlaufendes Ungleichgewicht von Leistung und Gegenleistung (vgl. Senatsurteil vom 15. April 2015 - VIII ZR 59/14, aaO Rn. 35 mwN).
- 77
- (2) Der Verordnungsgeber hat deshalb, wie sich aus den oben (unter II 2 a aa) wiedergegebenen Materialien ergibt, bereits bei Erlass der AVBGasV das Bestehen des - wenn auch nicht kodifizierten - Rechts des Grundversorgers zur Weitergabe von Kostensteigerungen als gegeben vorausgesetzt; er hat an dieser Annahme auch im Rahmen der GasGVV festgehalten (vgl. zuletzt: BRDrucks. 402/14, S. 6, 24 ff.). Entsprechendes gilt für den Gesetzgeber des Energiewirtschaftsgesetzes (§ 36 Abs. 1 EnWG 2005).
- 78
- (3) Ebenso wie der nationale Gesetz- und Verordnungsgeber billigt auch der Unionsgesetzgeber, wie aus den Regelungen der Gas-Richtlinie deutlich wird, den Versorgungsunternehmen das Interesse zu, Kostensteigerungen wäh- rend der Vertragslaufzeit an die Kunden weiterzugeben (vgl. Senatsbeschluss vom 18. Mai 2011 - VIII ZR 71/10, aaO Rn. 15). Dem entsprechend hat der Gerichtshof in seinem Urteil vom 21. März 2013 (Rs. C-92/11, NJW 2013, 2253 Rn. 46 - RWE Vertrieb AG) ausgeführt, unter anderem aus Anhang A Buchst. b der Gas-Richtlinie ergebe sich, dass der Unionsgesetzgeber im Rahmen von unbefristeten Verträgen wie Gaslieferungsverträgen das Bestehen eines berechtigten Interesses des Versorgungsunternehmens an der Möglichkeit einer Änderung der Entgelte für seine Leistung anerkannt habe (so auch die Schlussanträge des Generalanwalts in der Rs. C-359/11 und C-400/11, juris Rn. 55 f.).
- 79
- (4) In Übereinstimmung mit den vorstehenden Erwägungen des Energiewirtschaftsrechts der europäischen Union spricht auch die Zielsetzung des nationalen Energiewirtschaftsrechts dafür, dass dem Grundversorger das Recht zu gewähren ist, Kostensteigerungen an die Kunden weiterzugeben.
- 80
- (a) Wie der Senat bereits entschieden hat, ist bei der im Rahmen der Erwägungen zur ergänzenden Auslegung eines Gaslieferungsvertrages vorzunehmenden Beurteilung, welche Regelung als angemessener Interessenausgleich anzusehen ist, der mit dem Energiewirtschaftsrecht verfolgte, in § 1 EnWG 2005 und ebenso in den Vorläuferregelungen (vgl. BGH, Urteil vom 20. Juli 2010 - EnZR 23/09, NJW 2011, 212 Rn. 42) verankerte Zweck einer möglichst sicheren und preisgünstigen Energieversorgung zu berücksichtigen. Das Ziel der Preisgünstigkeit ist nicht nur auf die möglichst billige Energieversorgung der Endkunden ausgerichtet. Zu berücksichtigen sind zugleich die insbesondere durch die Kostenstruktur geprägte individuelle Leistungsfähigkeit der Versorgungsunternehmen sowie die Notwendigkeit, die Investitionskraft und die Investitionsbereitschaft zu erhalten und angemessene Erträge zu erwirtschaften. Insofern wurde im Recht der Energielieferung stets vorausgesetzt, dass die Möglichkeit des Versorgers besteht, Änderungen der Bezugspreise weiterzuge- ben, ohne den mit dem Kunden bestehenden Versorgungsvertrag kündigen zu müssen. Dass das Energieversorgungsunternehmen die Möglichkeit hat, Kostensteigerungen weiterzugeben, dient daneben auch dem Zweck der Versorgungssicherheit. Denn diese betrifft nicht nur die technische Sicherheit der Energieversorgung und die Sicherstellung einer für die Versorgung der Abnehmer stets ausreichenden Energiemenge. Sie hat vielmehr insoweit auch einen ökonomischen Aspekt, als die nötigen Finanzmittel für die Unterhaltung von Reservekapazitäten, für Wartungsarbeiten, Reparaturen, Erneuerungs- und Ersatzinvestitionen bereit stehen müssen. Das wiederum setzt voraus, dass diese Mittel durch auskömmliche Versorgungsentgelte erwirtschaftet werden können (vgl. im Einzelnen Senatsurteil vom 14. März 2012 - VIII ZR 113/11, aaO Rn. 27 ff.).
- 81
- (b) Dieser Zielsetzung des nationalen Energiewirtschaftsrechts, die mit derjenigen des europäischen Energiewirtschaftsrechts übereinstimmt (vgl. EuGH, Rs. C-92/11, aaO Rn. 46 - RWE Vertrieb AG; Rs. C-359/11 und C-400/11, aaO Rn. 44 - Schulz und Egbringhoff; Schlussanträge des Generalanwalts in der Rs. C-359/11 und C-400/11, juris Rn. 55), liefe es zuwider, wenn der Grundversorger Kostensteigerungen nicht an den Kunden weitergeben könnte, sondern diese selbst zu tragen und den Kunden weiterhin zu dem ursprünglichen Preis zu beliefern hätte. Angesichts der Entwicklung der Energiepreise entstünde dadurch bei langfristigen Versorgungsverträgen regelmäßig ein gravierendes Ungleichgewicht von Leistung und Gegenleistung. Dies wäre unbillig und würde dem Kunden einen unverhofften und ungerechtfertigten Gewinn verschaffen. Dies entspräche auch nicht dem objektiv zu ermittelnden hypothetischen Parteiwillen (vgl. Senatsurteile vom 14. März 2012 - VIII ZR 113/11, aaO Rn. 26 mwN; vom 15. April 2015 - VIII ZR 59/14, aaO Rn. 35 f.).
- 82
- (5) Bei angemessener, objektiv-generalisierender Abwägung ihrer Interessen hätten die Vertragsparteien daher nach Treu und Glauben redlicherweise vereinbart, dass die Klägerin berechtigt sein soll, Kostensteigerungen ihrer eigenen (Bezugs-)Kosten während der Vertragslaufzeit an den Beklagten weiterzugeben, und sie verpflichtet ist, bei einer Tarifanpassung Kostensenkungen ebenso zu berücksichtigen wie Kostenerhöhungen.
- 83
- Dieser ergänzenden Vertragsauslegung steht nicht entgegen, dass die Vertragsparteien im Tarifkundenverhältnis wegen der durch die Rechtsnormen der AVBGasV bestimmten Vertragsbedingungen in ihrer Freiheit, Vereinbarungen zu treffen, stark eingeschränkt sind (vgl. BGH, Urteile vom 16. März1978 - VII ZR 73/77, WM 1978, 730 unter 2 a; vom 24. März 1988 - VII ZR 81/87, NJW-RR 1988, 1427 unter III 1; Schmidt-Salzer in Hermann/Recknagel/ Schmidt-Salzer, Kommentar zu den Allgemeinen Versorgungsbedingungen, 1981, Band 1, Einleitung Rn. 24; Danner/Theobald/Eder, aaO, § 36 EnWG Rn. 57, 59, 63 ff. mwN). Denn das Recht zur Weitergabe von Kostensteigerungen ist aus den oben ausgeführten Gründen dem Energiewirtschaftsrecht wie auch der AVBGasV immanent.
- 84
- Ohne diese gebotene ergänzende Vertragsauslegung könnte sich der Grundversorger in derartig gelagerten Fällen - auch in Ansehung seiner verfassungsrechtlich geschützten Berufsfreiheit (vgl. BVerfG, NJW 2011, 1339, 1341) - darauf berufen, dass die Versorgung des Kunden zu dem Ausgangspreis für ihn eine unzumutbare Härte darstelle (vgl. Senatsurteil vom 23. Januar 2013 - VIII ZR 80/12, NJW 2013, 991 Rn. 37; vgl. auch BGH, Urteil vom 10. Oktober 2012 - IV ZR 10/11, BGHZ 195, 93 Rn. 80). In solchen Fällen könnten zudem die Voraussetzungen einer ausnahmsweise zum Wegfall der Grundversorgungspflicht führenden Unzumutbarkeit der Grundversorgung gemäß § 36 Abs. 1 Satz 2 EnWG 2005 gegeben sein. Dies wiederum stünde angesichts der Vielzahl der hiervon möglicherweise betroffenen Tarifkundenverträge (Grundversorgungsverträge ) insbesondere nicht im Einklang mit der durch das EnWG 2005 bezweckten Sicherheit der Energieversorgung.
- 85
- (6) Da sich das aus der vorbezeichneten ergänzenden Vertragsauslegung ergebende Preisänderungsrecht der Klägerin allein auf die Weitergabe von (Bezugs-)Kostensteigerungen und -senkungen beschränkt, ist davon auszugehen , dass die Parteien die wirksame Ausübung dieses Rechts vernünftigerweise an keine weiteren als die in § 4 Abs. 2 AVBGasV genannten Voraussetzungen geknüpft hätten. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts sind diese Voraussetzungen hier erfüllt.
- 86
- Der Klägerin steht somit infolge ergänzender Vertragsauslegung des Gaslieferungsvertrags der Parteien ein Preisänderungsrecht in dem oben genannten Umfang mit der Folge zu, dass der berechtigterweise erhöhte Preis zum vereinbarten Preis wird. Gegen die bis zum 1. Januar 2005 - mithin vor dem hier verfahrensgegenständlichen Zeitraum - erfolgten Änderungen des Arbeitspreises erhebt die Revision keine Einwände.
- 87
- (7) Von dem infolge ergänzender Vertragsauslegung bestehenden Preisänderungsrecht nicht erfasst sind hingegen Preiserhöhungen, die über die bloße Weitergabe von (Bezugs-)Kostensteigerungen hinausgehen und der Erzielung eines (zusätzlichen) Gewinns dienen (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 22. Juli 2014 - KZR 27/13, NJW 2014, 3089 Rn. 23, 27, zu § 315 BGB). Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn der Kunde die Preiserhöhung nicht innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren nach Zugang der jeweiligen Jahresabrechnung , in der die Preiserhöhung erstmals berücksichtigt worden ist, beanstandet hat.
- 88
- (a) Nach der gefestigten Rechtsprechung des Senats ist bei einem (Norm-)Sonderkundenvertrag, wenn es sich um ein langjähriges Energielieferungsverhältnis handelt, der Kunde (unwirksamen) Preiserhöhungen über einen längeren Zeitraum hinweg nicht widersprochen hat und nunmehr auch für länger zurückliegende Zeitabschnitte die Unwirksamkeit der Preiserhöhungen geltend macht, die durch die Unwirksamkeit der Preisanpassungsklausel oder deren unwirksame Einbeziehung entstandene Regelungslücke regelmäßig im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung dahin zu füllen, dass der Kunde die Unwirksamkeit derjenigen Preiserhöhungen, die zu einem den vereinbarten Anfangspreis übersteigenden Preis führen, nicht geltend machen kann, wenn er sie nicht innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren nach Zugang der jeweiligen Jahresabrechnung, in der die Preiserhöhung erstmals berücksichtigt worden ist, beanstandet hat (Senatsurteile vom 14. März 2012 - VIII ZR 113/11, aaO Rn. 21, 25, und VIII ZR 93/11, ZNER 2012, 265 Rn. 30; vom 15. April 2015 - VIII ZR 59/14, aaO Rn. 37 mwN).
- 89
- Dies gilt sowohl im Falle der Rückforderung als auch im Falle der Restforderung von Entgelt für Energielieferungen (Senatsurteile vom 14. März 2012 - VIII ZR 93/11, aaO Rn. 29; vom 25. März 2015 - VIII ZR 360/13, juris Rn. 33, und VIII ZR 109/14, juris Rn. 34) und hat zur Folge, dass an die Stelle des wegen der Unwirksamkeit oder der unwirksamen Einbeziehung der Preisanpassungsklausel auf dem Niveau bei Vertragsschluss verharrenden (Anfangs-) Preises nun die letzte Preiserhöhung des Versorgungsunternehmens tritt, der der Kunde nicht rechtzeitig widersprochen hat, mithin der danach maßgebliche Preis endgültig an die Stelle des Anfangspreises tritt (Senatsurteil vom 15. April 2015 - VIII ZR 59/14, aaO).
- 90
- (b) Diese Grundsätze haben im hier gegebenen Fall der ergänzenden Vertragsauslegung des Tarifkundenvertrages in gleicher Weise zu gelten. Denn es besteht kein sachlicher Grund, den Grundversorger insoweit anders zu behandeln als den Energieversorger im (Norm-)Sonderkundenbereich, der weder den mit der Grundversorgung verbundenen wirtschaftlichen Erschwernissen (siehe oben unter II 2 f cc (1)) ausgesetzt ist noch - mangels wirksamer Preisanpassungsklausel - zur Preiserhöhung berechtigt war. Eine andere Beurteilung entspräche zudem auch nicht dem objektiv zu ermittelnden hypothetischen Willen der Parteien des Tarifkundenvertrags.
- 91
- 3. Erfolglos rügt die Revision, die von der Klägerin vorgenommenen Preiserhöhungen entsprächen entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht der Billigkeit. Dabei kommt es nicht entscheidend darauf an, dass es hier bei zutreffender Betrachtung nicht um die Frage der Billigkeit der Preiserhöhung geht, sondern um die Preisbildung im Rahmen einer ergänzenden Vertragsauslegung , bei der es Aufgabe des Gerichts ist zu prüfen, ob die Preiserhöhungen der Klägerin deren (Bezugs-)Kostensteigerungen (hinreichend) abbilden.
- 92
- a) Die Revision beanstandet, das Berufungsgericht habe rechtsfehlerhaft nur Beweis durch die Vernehmung von (sachkundigen) Zeugen erhoben und eine weitergehende Beweisaufnahme durch Einholung eines Sachverständigengutachtens nach § 287 Abs. 2 ZPO abgelehnt. Es gehe vorliegend aber nicht um die - einer Schätzung zugängliche - Höhe der streitigen Forderung der Klägerin, sondern um die konkreten Anknüpfungstatsachen für die Ausübung des Ermessens, auf die § 287 Abs. 2 ZPO nicht anwendbar sei.
- 93
- b) Diese Rüge greift nicht durch. Entgegen der Auffassung der Revision hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei - wenn auch unter dem Blickwinkel der Billigkeit nach § 315 BGB - die Voraussetzungen einer Anwendung des § 287 Abs. 2 ZPO hinsichtlich der Prüfung, ob die Preiserhöhungen der Klägerin aus (Bezugs-)Kostensteigerungen herrühren, als gegeben erachtet.
- 94
- aa) Nach § 287 Abs. 2 ZPO sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen als der Schadensermittlung die Vorschriften des § 287 Abs. 1 Satz 1, 2 ZPO entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen. In diesem Fall entscheidet das Gericht über die Höhe der Forderung unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung (§ 287 Abs. 2 i.V.m. § 287 Abs. 1 Satz 1 ZPO), und es bleibt seinem Ermessen überlassen, ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme anzuordnen ist (§ 287 Abs. 2 i.V.m. § 287 Abs. 1 Satz 2 ZPO).
- 95
- Die somit vom Tatrichter nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffende Entscheidung, ob und inwieweit er eine Beweisaufnahme durchführt, unterliegt nur einer eingeschränkten Überprüfung durch das Revisionsgericht darauf, ob das Berufungsgericht von unzutreffenden rechtlichen Maßstäben ausgegangen ist, ob für seine Entscheidung grundsätzlich falsche oder offenbar unsachliche Erwägungen maßgebend waren oder ob wesentliche entscheidungserhebliche Tatsachen außer Acht gelassen wurden (vgl. BGH, Urteile vom 7. Oktober 2009 - I ZR 230/06, juris Rn. 30; vom 24. September 2014 - VIII ZR 394/12, BGHZ 202, 258 Rn. 74; Musielak/Voit/Foerste, ZPO, 12. Aufl., § 287 Rn. 10, 10b).
- 96
- bb) Dieser rechtlichen Überprüfung hält die Entscheidung des Berufungsgerichts stand. Entgegen der Auffassung der Revision durfte das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler von der Einholung eines Sachverständigengutachtens absehen.
- 97
- (1) Das Berufungsgericht hat zutreffend eine Schätzung nach § 287 Abs. 2 in Verbindung mit § 287 Abs. 1 Satz 1 ZPO vorgenommen, ob die ver- fahrensgegenständlichen Preiserhöhungen auf (Bezugs-)Kostensteigerungen beruhen und ihnen keine Einsparungen in anderen Kostenpositionen gegenüberstehen. Die hierzu erforderlichen Anknüpfungstatsachen hat es durch Vernehmung mehrerer sachkundiger Zeugen gewonnen. Hierbei handelte es sich um zwei mit der Prüfung der vorbezeichneten Fragen befasste (externe) Wirtschaftsprüfer sowie um den Leiter des Finanz- und Rechnungswesens der Klägerin und ihren ehemaligen Center-Leiter Energie- und Wasserwirtschaft.
- 98
- Wenn das Berufungsgericht bereits auf dieser Grundlage im Rahmen des § 287 Abs. 2 ZPO, dessen Voraussetzungen es zutreffend bejaht hat, zu der Überzeugung gelangt ist, dass die von der Klägerin vorgetragenen Bezugskostensteigerungen tatsächlich in diesem Umfang erfolgt sind und ihnen keine Einsparungen in anderen Kostenpositionen gegenüberstehen, durfte es rechtsfehlerfrei davon absehen, auch noch den von der Klägerin zusätzlich beziehungsweise hilfsweise angebotenen Sachverständigenbeweis zu erheben.
- 99
- (2) Entgegen der Auffassung der Revision gilt für den von ihr - ohne nähere Bezeichnung des Beweisthemas - angeführten Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Zwecke des Gegenbeweises nichts anderes.
- 100
- Zwar darf nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein Beweisantrag nicht deshalb abgelehnt werden, weil das Gericht das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits als erwiesen ansieht (st. Rspr.; BGH, Urteil vom 17. Februar 1970 - III ZR 139/67, BGHZ 53, 245, 259 f.; Beschluss vom 16. April 2015 - IX ZR 195/14, juris Rn. 9; jeweils mwN). Das Berufungsgericht durfte hier indes im Rahmen des § 287 Abs. 2 ZPO von der Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Zwecke des Gegenbeweises absehen, da der Beklagte die vorbezeichneten Anknüpfungstatsachen nicht qualifiziert angegriffen hat (vgl. hierzu Musielak/Voit/Foerste, aaO Rn. 10; vgl. auch BGH, Urteil vom 17. April 1997 - X ZR 2/96, NJW-RR 1998, 331 unter III 1 und 3). Das von der Revision insoweit in Bezug genommene Vorbringen des Beklagten in den Tatsacheninstanzen ist zudem nur hinsichtlich der von dem Beklagten generell in Frage gestellten Zulässigkeit einer Bindung des Gaspreises an den Ölpreis und nicht hinsichtlich der vom Berufungsgericht konkret für maßgeblich erachteten Anknüpfungstatsachen mit einem Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens unterlegt.
- 101
- c) Ebenfalls ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen den vom Berufungsgericht im Rahmen der Billigkeitsprüfung nach § 315 BGB gewählten Beurteilungsmaßstab einer Gesamtbetrachtung des Gaswirtschaftsjahres.
- 102
- aa) Soweit die Revision meint, richtigerweise müsse jede einzelne Tariferhöhung der Billigkeit entsprechen, kommt es hierauf nicht entscheidend an. Denn, wie oben unter II 3 bereits ausgeführt, geht es im Streitfall nicht um die Frage der Billigkeit der Preiserhöhungen (§ 315 BGB), sondern um die Preisbildung im Rahmen einer ergänzenden Vertragsauslegung. Aus diesem Grund bedarf auch der vom Berufungsgericht aufgezeigte Meinungsstreit der Instanzgerichte , ob im Falle der Beanstandung mehrerer Preiserhöhungen jede Preiserhöhung für sich genommen - gegebenenfalls unter zusätzlicher Berücksichtigung nicht ausgeschöpfter Bezugskostensteigerungen früherer Erhöhungen - an § 315 BGB zu messen ist (vgl. OLG Celle, ZNER 2011, 63 Rn. 37 ff.; LG Köln, Urteil vom 14. August 2009 - 90 O 41/07, juris Rn. 22 ff.) oder ob eine Gesamtbetrachtung für einen bestimmten Zeitraum - gegebenenfalls unter zusätzlicher Berücksichtigung der in näherer Zukunft erwarteten Preisentwicklung - vorzunehmen ist (vgl. OLG München, Urteil vom 1. Oktober 2009 - U (K) 3772/08, juris Rn. 43; OLG Koblenz, Urteil vom 12. April 2010 - 12 U 18/08, juris Rn. 12; vgl. auch Senatsurteile vom 13. Juni 2007 - VIII ZR 36/06, BGHZ 172, 315 Rn. 25; vom 19. November 2008 - VIII ZR 138/07, aaO Rn. 34 f.), keiner Entscheidung.
- 103
- bb) Bei der Beurteilung, ob die Preiserhöhungen des Energieversorgers unter Berücksichtigung der Schätzungsmöglichkeit nach § 287 Abs. 2 in Verbindung mit § 287 Abs. 1 Satz 1 ZPO dessen (Bezugs-)Kostensteigerungen (hinreichend) abbilden, steht dem Tatrichter - ähnlich wie bei der Prüfung der Billigkeit gemäß § 315 Abs. 3 BGB (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 20. Juli 2010 - EnZR 23/09, aaO Rn. 39 mwN) - ein Ermessen zu. Dessen Ausübung unterliegt nur einer eingeschränkten revisionsgerichtlichen Überprüfung darauf, ob sie auf grundsätzlich falschen oder offenbar unrichtigen Erwägungen beruht, erhebliches Vorbringen der Parteien unberücksichtigt gelassen, Rechtsgrundsätze der Bemessung verkannt, wesentliche Bemessungsfaktoren außer Betracht gelassen oder der Schätzung unrichtige Maßstäbe zu Grunde gelegt wurden (vgl. BGH, Urteile vom 9. Juni 2009 - VI ZR 110/08, BGHZ 181, 242 Rn. 10; vom 4. November 2010 - III ZR 45/10, NJW 2011, 852 Rn. 18; vom 8. Mai 2012 - VI ZR 37/11, NJW 2012, 2267 Rn. 9; jeweils mwN; Musielak/ Voit/Foerste, aaO Rn. 10b; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 36. Aufl., § 287 Rn. 11).
- 104
- cc) Hiervon ausgehend erweist sich die Annahme des Berufungsgerichts, für die Beurteilung der Preiserhöhungen sei auf das Gaswirtschaftsjahr abzustellen , im Ergebnis als rechtsfehlerfrei. Das Berufungsgericht hat im Rahmen seiner ausführlichen Würdigung der für und gegen eine auf das Gaswirtschaftsjahr bezogene Gesamtbetrachtung sprechenden Gesichtspunkte zu Recht hervorgehoben , dass dem Energieversorgungsunternehmen bei der Weitergabe von (Bezugs-)Kostensteigerungen - auch mit Blick auf die oftmals nicht sicher voraussehbare Entwicklung der Bezugskosten - ein Ermessensspielraum zuzubilligen ist.
- 105
- Diese für die hier gebotene ergänzende Vertragsauslegung in gleicher Weise geltende Erwägung berücksichtigt zutreffend, dass es bei einem Massengeschäft wie dem Tarifkundenvertrag - auch unter Berücksichtigung von Praktikabilitätsgesichtspunkten - im Interesse beider Vertragsparteien liegt, eine Weitergabe von Kostensenkungen und Kostenerhöhungen nicht - was regelmäßig mit einem die Energieversorgung unnötigerweise verteuernden hohen Aufwand verbunden wäre - tagesgenau vorzunehmen, sondern auf die Kostenentwicklung in einem gewissen Zeitraum abzustellen.
- 106
- Wie lange der Zeitraum für die vorbezeichnete Gesamtbetrachtung bemessen sein muss, lässt sich nicht generell bestimmen, sondern bedarf der Beurteilung des Tatrichters auf der Grundlage der Umstände des Einzelfalls. In den meisten Fällen wird jedoch der vom Berufungsgericht hier gewählte Rahmen des Gaswirtschaftsjahres ein geeigneter Prüfungsmaßstab sein.
- 107
- 4. Nach alledem hat das Berufungsgericht die streitgegenständlichen Preiserhöhungen der Klägerin im Ergebnis zutreffend für berechtigt erachtet und ihr die Klageforderung zugesprochen. Da sich das Preiserhöhungsrecht hier aus der ergänzenden Vertragsauslegung des Gaslieferungsvertrages der Parteien ergibt mit der Folge, dass es sich bei den nach den Feststellungen des Berufungsgerichts auf Kostensteigerungen beruhenden Preiserhöhungen um den vereinbarten Gaspreis handelt, ist für eine zusätzliche Billigkeitskontrolle gemäß § 315 BGB kein Raum. Dr. Milger Dr. Hessel Dr. Fetzer Dr. Bünger Kosziol
LG Dortmund, Entscheidung vom 20.08.2009 - 13 O 179/08 Kart -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 21.12.2011 - VI-3 U (Kart) 4/11 -
Unlauter handelt, wer
- 1.
die Kennzeichen, Waren, Dienstleistungen, Tätigkeiten oder persönlichen oder geschäftlichen Verhältnisse eines Mitbewerbers herabsetzt oder verunglimpft; - 2.
über die Waren, Dienstleistungen oder das Unternehmen eines Mitbewerbers oder über den Unternehmer oder ein Mitglied der Unternehmensleitung Tatsachen behauptet oder verbreitet, die geeignet sind, den Betrieb des Unternehmens oder den Kredit des Unternehmers zu schädigen, sofern die Tatsachen nicht erweislich wahr sind; handelt es sich um vertrauliche Mitteilungen und hat der Mitteilende oder der Empfänger der Mitteilung an ihr ein berechtigtes Interesse, so ist die Handlung nur dann unlauter, wenn die Tatsachen der Wahrheit zuwider behauptet oder verbreitet wurden; - 3.
Waren oder Dienstleistungen anbietet, die eine Nachahmung der Waren oder Dienstleistungen eines Mitbewerbers sind, wenn er - a)
eine vermeidbare Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft herbeiführt, - b)
die Wertschätzung der nachgeahmten Ware oder Dienstleistung unangemessen ausnutzt oder beeinträchtigt oder - c)
die für die Nachahmung erforderlichen Kenntnisse oder Unterlagen unredlich erlangt hat;
- 4.
Mitbewerber gezielt behindert.
(1) Unlauter handelt auch, wer einen Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer irreführt, indem er ihm eine wesentliche Information vorenthält,
- 1.
die der Verbraucher oder der sonstige Marktteilnehmer nach den jeweiligen Umständen benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen, und - 2.
deren Vorenthalten dazu geeignet ist, den Verbraucher oder den sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.
(2) Als Vorenthalten gilt auch
- 1.
das Verheimlichen wesentlicher Informationen, - 2.
die Bereitstellung wesentlicher Informationen in unklarer, unverständlicher oder zweideutiger Weise sowie - 3.
die nicht rechtzeitige Bereitstellung wesentlicher Informationen.
(3) Bei der Beurteilung, ob wesentliche Informationen vorenthalten wurden, sind zu berücksichtigen:
- 1.
räumliche oder zeitliche Beschränkungen durch das für die geschäftliche Handlung gewählte Kommunikationsmittel sowie - 2.
alle Maßnahmen des Unternehmers, um dem Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer die Informationen auf andere Weise als durch das für die geschäftliche Handlung gewählte Kommunikationsmittel zur Verfügung zu stellen.
(4) Unlauter handelt auch, wer den kommerziellen Zweck einer geschäftlichen Handlung nicht kenntlich macht, sofern sich dieser nicht unmittelbar aus den Umständen ergibt, und das Nichtkenntlichmachen geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Ein kommerzieller Zweck liegt bei einer Handlung zugunsten eines fremden Unternehmens nicht vor, wenn der Handelnde kein Entgelt oder keine ähnliche Gegenleistung für die Handlung von dem fremden Unternehmen erhält oder sich versprechen lässt. Der Erhalt oder das Versprechen einer Gegenleistung wird vermutet, es sei denn der Handelnde macht glaubhaft, dass er eine solche nicht erhalten hat.
Unlauter handelt, wer
- 1.
die Kennzeichen, Waren, Dienstleistungen, Tätigkeiten oder persönlichen oder geschäftlichen Verhältnisse eines Mitbewerbers herabsetzt oder verunglimpft; - 2.
über die Waren, Dienstleistungen oder das Unternehmen eines Mitbewerbers oder über den Unternehmer oder ein Mitglied der Unternehmensleitung Tatsachen behauptet oder verbreitet, die geeignet sind, den Betrieb des Unternehmens oder den Kredit des Unternehmers zu schädigen, sofern die Tatsachen nicht erweislich wahr sind; handelt es sich um vertrauliche Mitteilungen und hat der Mitteilende oder der Empfänger der Mitteilung an ihr ein berechtigtes Interesse, so ist die Handlung nur dann unlauter, wenn die Tatsachen der Wahrheit zuwider behauptet oder verbreitet wurden; - 3.
Waren oder Dienstleistungen anbietet, die eine Nachahmung der Waren oder Dienstleistungen eines Mitbewerbers sind, wenn er - a)
eine vermeidbare Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft herbeiführt, - b)
die Wertschätzung der nachgeahmten Ware oder Dienstleistung unangemessen ausnutzt oder beeinträchtigt oder - c)
die für die Nachahmung erforderlichen Kenntnisse oder Unterlagen unredlich erlangt hat;
- 4.
Mitbewerber gezielt behindert.
(1) Unlauter handelt auch, wer einen Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer irreführt, indem er ihm eine wesentliche Information vorenthält,
- 1.
die der Verbraucher oder der sonstige Marktteilnehmer nach den jeweiligen Umständen benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen, und - 2.
deren Vorenthalten dazu geeignet ist, den Verbraucher oder den sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.
(2) Als Vorenthalten gilt auch
- 1.
das Verheimlichen wesentlicher Informationen, - 2.
die Bereitstellung wesentlicher Informationen in unklarer, unverständlicher oder zweideutiger Weise sowie - 3.
die nicht rechtzeitige Bereitstellung wesentlicher Informationen.
(3) Bei der Beurteilung, ob wesentliche Informationen vorenthalten wurden, sind zu berücksichtigen:
- 1.
räumliche oder zeitliche Beschränkungen durch das für die geschäftliche Handlung gewählte Kommunikationsmittel sowie - 2.
alle Maßnahmen des Unternehmers, um dem Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer die Informationen auf andere Weise als durch das für die geschäftliche Handlung gewählte Kommunikationsmittel zur Verfügung zu stellen.
(4) Unlauter handelt auch, wer den kommerziellen Zweck einer geschäftlichen Handlung nicht kenntlich macht, sofern sich dieser nicht unmittelbar aus den Umständen ergibt, und das Nichtkenntlichmachen geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Ein kommerzieller Zweck liegt bei einer Handlung zugunsten eines fremden Unternehmens nicht vor, wenn der Handelnde kein Entgelt oder keine ähnliche Gegenleistung für die Handlung von dem fremden Unternehmen erhält oder sich versprechen lässt. Der Erhalt oder das Versprechen einer Gegenleistung wird vermutet, es sei denn der Handelnde macht glaubhaft, dass er eine solche nicht erhalten hat.
(1) Im Sinne dieses Gesetzes ist
- 1.
„geschäftliche Entscheidung“ jede Entscheidung eines Verbrauchers oder sonstigen Marktteilnehmers darüber, ob, wie und unter welchen Bedingungen er ein Geschäft abschließen, eine Zahlung leisten, eine Ware oder Dienstleistung behalten oder abgeben oder ein vertragliches Recht im Zusammenhang mit einer Ware oder Dienstleistung ausüben will, unabhängig davon, ob der Verbraucher oder sonstige Marktteilnehmer sich entschließt, tätig zu werden; - 2.
„geschäftliche Handlung“ jedes Verhalten einer Person zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens vor, bei oder nach einem Geschäftsabschluss, das mit der Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren oder Dienstleistungen oder mit dem Abschluss oder der Durchführung eines Vertrags über Waren oder Dienstleistungen unmittelbar und objektiv zusammenhängt; als Waren gelten auch Grundstücke und digitale Inhalte, Dienstleistungen sind auch digitale Dienstleistungen, als Dienstleistungen gelten auch Rechte und Verpflichtungen; - 3.
„Marktteilnehmer“ neben Mitbewerber und Verbraucher auch jede weitere Person, die als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen tätig ist; - 4.
„Mitbewerber“ jeder Unternehmer, der mit einem oder mehreren Unternehmern als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis steht; - 5.
„Nachricht“ jede Information, die zwischen einer endlichen Zahl von Beteiligten über einen öffentlich zugänglichen elektronischen Kommunikationsdienst ausgetauscht oder weitergeleitet wird; nicht umfasst sind Informationen, die als Teil eines Rundfunkdienstes über ein elektronisches Kommunikationsnetz an die Öffentlichkeit weitergeleitet werden, soweit diese Informationen nicht mit dem identifizierbaren Teilnehmer oder Nutzer, der sie erhält, in Verbindung gebracht werden können; - 6.
„Online-Marktplatz“ ein Dienst, der es Verbrauchern ermöglicht, durch die Verwendung von Software, die von einem Unternehmer oder in dessen Namen betrieben wird, einschließlich einer Website, eines Teils einer Website oder einer Anwendung, Fernabsatzverträge (§ 312c des Bürgerlichen Gesetzbuchs) mit anderen Unternehmern oder Verbrauchern abzuschließen; - 7.
„Ranking“ die von einem Unternehmer veranlasste relative Hervorhebung von Waren oder Dienstleistungen, unabhängig von den hierfür verwendeten technischen Mitteln; - 8.
„Unternehmer“ jede natürliche oder juristische Person, die geschäftliche Handlungen im Rahmen ihrer gewerblichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit vornimmt, und jede Person, die im Namen oder Auftrag einer solchen Person handelt; - 9.
„unternehmerische Sorgfalt“ der Standard an Fachkenntnissen und Sorgfalt, von dem billigerweise angenommen werden kann, dass ein Unternehmer ihn in seinem Tätigkeitsbereich gegenüber Verbrauchern nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der anständigen Marktgepflogenheiten einhält; - 10.
„Verhaltenskodex“ jede Vereinbarung oder Vorschrift über das Verhalten von Unternehmern, zu welchem diese sich in Bezug auf Wirtschaftszweige oder einzelne geschäftliche Handlungen verpflichtet haben, ohne dass sich solche Verpflichtungen aus Gesetzes- oder Verwaltungsvorschriften ergeben; - 11.
„wesentliche Beeinflussung des wirtschaftlichen Verhaltens des Verbrauchers“ die Vornahme einer geschäftlichen Handlung, um die Fähigkeit des Verbrauchers, eine informierte Entscheidung zu treffen, spürbar zu beeinträchtigen und damit den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.
(2) Für den Verbraucherbegriff ist § 13 des Bürgerlichen Gesetzbuchs entsprechend anwendbar.
(1) Unlauter handelt auch, wer einen Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer irreführt, indem er ihm eine wesentliche Information vorenthält,
- 1.
die der Verbraucher oder der sonstige Marktteilnehmer nach den jeweiligen Umständen benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen, und - 2.
deren Vorenthalten dazu geeignet ist, den Verbraucher oder den sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.
(2) Als Vorenthalten gilt auch
- 1.
das Verheimlichen wesentlicher Informationen, - 2.
die Bereitstellung wesentlicher Informationen in unklarer, unverständlicher oder zweideutiger Weise sowie - 3.
die nicht rechtzeitige Bereitstellung wesentlicher Informationen.
(3) Bei der Beurteilung, ob wesentliche Informationen vorenthalten wurden, sind zu berücksichtigen:
- 1.
räumliche oder zeitliche Beschränkungen durch das für die geschäftliche Handlung gewählte Kommunikationsmittel sowie - 2.
alle Maßnahmen des Unternehmers, um dem Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer die Informationen auf andere Weise als durch das für die geschäftliche Handlung gewählte Kommunikationsmittel zur Verfügung zu stellen.
(4) Unlauter handelt auch, wer den kommerziellen Zweck einer geschäftlichen Handlung nicht kenntlich macht, sofern sich dieser nicht unmittelbar aus den Umständen ergibt, und das Nichtkenntlichmachen geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Ein kommerzieller Zweck liegt bei einer Handlung zugunsten eines fremden Unternehmens nicht vor, wenn der Handelnde kein Entgelt oder keine ähnliche Gegenleistung für die Handlung von dem fremden Unternehmen erhält oder sich versprechen lässt. Der Erhalt oder das Versprechen einer Gegenleistung wird vermutet, es sei denn der Handelnde macht glaubhaft, dass er eine solche nicht erhalten hat.
(1) Unlautere geschäftliche Handlungen sind unzulässig.
(2) Geschäftliche Handlungen, die sich an Verbraucher richten oder diese erreichen, sind unlauter, wenn sie nicht der unternehmerischen Sorgfalt entsprechen und dazu geeignet sind, das wirtschaftliche Verhalten des Verbrauchers wesentlich zu beeinflussen.
(3) Die im Anhang dieses Gesetzes aufgeführten geschäftlichen Handlungen gegenüber Verbrauchern sind stets unzulässig.
(4) Bei der Beurteilung von geschäftlichen Handlungen gegenüber Verbrauchern ist auf den durchschnittlichen Verbraucher oder, wenn sich die geschäftliche Handlung an eine bestimmte Gruppe von Verbrauchern wendet, auf ein durchschnittliches Mitglied dieser Gruppe abzustellen. Geschäftliche Handlungen, die für den Unternehmer vorhersehbar das wirtschaftliche Verhalten nur einer eindeutig identifizierbaren Gruppe von Verbrauchern wesentlich beeinflussen, die auf Grund von geistigen oder körperlichen Beeinträchtigungen, Alter oder Leichtgläubigkeit im Hinblick auf diese geschäftlichen Handlungen oder die diesen zugrunde liegenden Waren oder Dienstleistungen besonders schutzbedürftig sind, sind aus der Sicht eines durchschnittlichen Mitglieds dieser Gruppe zu beurteilen.
(1) Unlauter handelt auch, wer einen Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer irreführt, indem er ihm eine wesentliche Information vorenthält,
- 1.
die der Verbraucher oder der sonstige Marktteilnehmer nach den jeweiligen Umständen benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen, und - 2.
deren Vorenthalten dazu geeignet ist, den Verbraucher oder den sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.
(2) Als Vorenthalten gilt auch
- 1.
das Verheimlichen wesentlicher Informationen, - 2.
die Bereitstellung wesentlicher Informationen in unklarer, unverständlicher oder zweideutiger Weise sowie - 3.
die nicht rechtzeitige Bereitstellung wesentlicher Informationen.
(3) Bei der Beurteilung, ob wesentliche Informationen vorenthalten wurden, sind zu berücksichtigen:
- 1.
räumliche oder zeitliche Beschränkungen durch das für die geschäftliche Handlung gewählte Kommunikationsmittel sowie - 2.
alle Maßnahmen des Unternehmers, um dem Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer die Informationen auf andere Weise als durch das für die geschäftliche Handlung gewählte Kommunikationsmittel zur Verfügung zu stellen.
(4) Unlauter handelt auch, wer den kommerziellen Zweck einer geschäftlichen Handlung nicht kenntlich macht, sofern sich dieser nicht unmittelbar aus den Umständen ergibt, und das Nichtkenntlichmachen geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Ein kommerzieller Zweck liegt bei einer Handlung zugunsten eines fremden Unternehmens nicht vor, wenn der Handelnde kein Entgelt oder keine ähnliche Gegenleistung für die Handlung von dem fremden Unternehmen erhält oder sich versprechen lässt. Der Erhalt oder das Versprechen einer Gegenleistung wird vermutet, es sei denn der Handelnde macht glaubhaft, dass er eine solche nicht erhalten hat.
(1) Zur Sicherung der in diesem Gesetz bezeichneten Ansprüche auf Unterlassung können einstweilige Verfügungen auch ohne die Darlegung und Glaubhaftmachung der in den §§ 935 und 940 der Zivilprozessordnung bezeichneten Voraussetzungen erlassen werden.
(2) Ist auf Grund dieses Gesetzes Klage auf Unterlassung erhoben worden, so kann das Gericht der obsiegenden Partei die Befugnis zusprechen, das Urteil auf Kosten der unterliegenden Partei öffentlich bekannt zu machen, wenn sie ein berechtigtes Interesse dartut. Art und Umfang der Bekanntmachung werden im Urteil bestimmt. Die Befugnis erlischt, wenn von ihr nicht innerhalb von drei Monaten nach Eintritt der Rechtskraft Gebrauch gemacht worden ist. Der Ausspruch nach Satz 1 ist nicht vorläufig vollstreckbar.
(3) Macht eine Partei in Rechtsstreitigkeiten, in denen durch Klage ein Anspruch aus einem der in diesem Gesetz geregelten Rechtsverhältnisse geltend gemacht wird, glaubhaft, dass die Belastung mit den Prozesskosten nach dem vollen Streitwert ihre wirtschaftliche Lage erheblich gefährden würde, so kann das Gericht auf ihren Antrag anordnen, dass die Verpflichtung dieser Partei zur Zahlung von Gerichtskosten sich nach einem ihrer Wirtschaftslage angepassten Teil des Streitwerts bemisst. Die Anordnung hat zur Folge, dass
- 1.
die begünstigte Partei die Gebühren ihres Rechtsanwalts ebenfalls nur nach diesem Teil des Streitwerts zu entrichten hat, - 2.
die begünstigte Partei, soweit ihr Kosten des Rechtsstreits auferlegt werden oder soweit sie diese übernimmt, die von dem Gegner entrichteten Gerichtsgebühren und die Gebühren seines Rechtsanwalts nur nach dem Teil des Streitwerts zu erstatten hat und - 3.
der Rechtsanwalt der begünstigten Partei, soweit die außergerichtlichen Kosten dem Gegner auferlegt oder von ihm übernommen werden, seine Gebühren von dem Gegner nach dem für diesen geltenden Streitwert beitreiben kann.
(4) Der Antrag nach Absatz 3 kann vor der Geschäftsstelle des Gerichts zur Niederschrift erklärt werden. Er ist vor der Verhandlung zur Hauptsache anzubringen. Danach ist er nur zulässig, wenn der angenommene oder festgesetzte Streitwert später durch das Gericht heraufgesetzt wird. Vor der Entscheidung über den Antrag ist der Gegner zu hören.
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 06.10.2015 verkündete Urteil der 3. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Bielefeld abgeändert.
1.
Der Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs in Zeitungen Anzeigen für Mietwohnungen vor de-
ren Vermietung zu veröffentlichen ohne sicherzustellen, dass die Immobilienanzeigen die gemäß § 16a EnEV erforderlichen Pflichtangaben
- zur Art des Energieausweises,
- zum im Energieausweis genannten Baujahr
enthalten, wenn dies geschieht wie in der Immobilienanzeige des Beklagten in der „Neuen Westfälischen“ vom 31. Januar 2015, die wie folgt wiedergegeben wird:
2.
Dem Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen diese Verpflichtung die Verhängung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten angedroht.
3.
Der Beklagte wird weiter verurteilt, an den Kläger 245,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.07.2015 zu zahlen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Soweit der Beklagte zur Unterlassung verurteilt worden ist, kann er die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 30.000,00 € abwenden, sofern nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet. Im Übrigen kann der Beklagte die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
1
Gründe:
2A.
3Der Kläger ist ein in die Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 UKlaG eingetragener Umwelt- und Verbraucherschutzverband. Er verfolgt nach seiner Satzung die Förderung der aufklärenden Verbraucherberatung und des Umweltschutzes in der Bundesrepublik Deutschland.
4Der Beklagte ist als Immobilienmakler in S-X und in H tätig.
5Am 31.01.2015 ließ er in der Tageszeitung „Neue Westfälische“ (Gütersloher Zeitung) folgende Anzeige veröffentlichen, mit der er für die Vermietung einer in Gütersloh gelegenen Drei-Zimmer-Wohnung warb:
6.
7Die Anzeige enthielt zur energetischen Beschaffenheit des Objekts die Angabe „Gas 155,40 kWh/m²a“.
8Zumindest am 05.02.2015 bewarb der Beklagte die Vermietung derselben Wohnung auch in seinem Internetauftritt (Anlage K3). Die Lage des Objekts war dabei mit „33332 Gütersloh“ und das Baujahr mit „1991“ angegeben. Unter der Überschrift „Energiepass“ fanden sich in der dortigen Werbung folgende Angaben:
9„Energieausweistyp: Bedarfsausweis
10Gültig bis: 2024-05-15
11Energieträger: Gas
12Energiebedarfskennwert: 155.40
13…“.
14Mit Schreiben vom 06.02.2015 (Anlage K4) mahnte der Kläger den Beklagten ab und forderte ihn zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung sowie zur Erstattung pauschalierter Abmahnkosten in Höhe von 245,00 € auf. Er rügte, in der in Rede stehenden Zeitungsanzeige seien die nach § 16a der Energieeinsparverordnung (EnEV) vorgeschriebenen Angaben zur Art des Energieausweises und zum Baujahr der Immobilie nicht aufgeführt.
15Mit anwaltlichem Schreiben vom 26.02.2015 (Anlage K5) wies der Beklagte den mit der Abmahnung erhobenen Vorwurf mit der Begründung zurück, zum Zeitpunkt der Aufgabe der Immobilienanzeige habe kein Energieausweis für das Objekt existiert.
16Der Kläger hat die Ansicht vertreten, der Beklagte habe gegen die Marktverhaltensregelung des § 16a EnEV verstoßen. In der betreffenden Immobilienanzeige seien Angaben zur Art des Energieausweises, zum Baujahr des Gebäudes und zur Energieeffizienzklasse nicht enthalten gewesen. Der Kläger hat dazu behauptet, es habe zum Zeitpunkt der Anzeigenschaltung am 31.01.2015 ein Energieausweis für die Immobilie vorgelegen. Dies ergebe sich aus dem im Internet veröffentlichten Immobilienangebot des Beklagten gemäß Anlage K3, in dem er mitgeteilt habe, dass der Energieausweis für das Objekt bis zum 15.05.2024 gültig sei. Energieausweise würden gemäß § 17 Abs. 6 EnEV für eine Gültigkeitsdauer von zehn Jahren ausgestellt. Demnach sei der Energieausweis für die in Rede stehende Immobilie am 16.05.2014 ausgestellt worden.
17Da die Abmahnung berechtigt gewesen sei, sei der Beklagte auch zur Erstattung der Abmahnkosten in Höhe des geltend gemachten Pauschalbetrages von 245,00 € verpflichtet.
18Der Kläger hat beantragt
19den Beklagten zu verurteilen,
20- 21
1.
es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs in Zeitungen Anzeigen für Mietwohnungen vor deren Vermietung zu veröffentlichen ohne sicherzustellen, dass die Immobilienanzeigen die gemäß § 16a EnEV erforderlichen Pflichtangaben
23- zur Art des Energieausweises,
24- zum im Energieausweis genannten Baujahr
25enthalten, wenn dies geschieht wie in der Immobilienanzeige des Beklagten in der „Neuen Westfälischen“ vom 31. Januar 2015, die wie folgt wiedergegeben wird:
2627
2.
28an den Kläger 245,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.07.2015 zu zahlen.
29Der Beklagte hat beantragt,
30die Klage abzuweisen.
31Er hat die Aktivlegitimation des Klägers bestritten. Zudem hat er geltend gemacht, er habe nicht gegen § 16a EnEV verstoßen, und behauptet, zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Anzeige habe für das angebotene Objekt kein Energieausweis vorgelegen. Die unvollständigen energiebezogenen Angaben in der Zeitungsanzeige und in dem Internet-Exposé basierten auf einem Irrtum bzw. Fehler bei der Erstellung der Anzeige und des Exposés. Offensichtlich habe der Mitarbeiter des Beklagten, Herr H, bei der Bedienung des verwendeten Computerprogramms die Daten eines Energieausweises bezüglich einer anderen Immobilie, die nicht Gegenstand der Anzeige gewesen sei, versehentlich nicht gelöscht.
32Ferner hat der Beklagte die Auffassung vertreten, die Vorschrift des § 16a EnEV sei verfassungs- und rechtswidrig.
33Schließlich hat er eingewandt, die Abmahnkosten seien überhöht.
34Der Kläger hat erwidert, die vom Beklagten verwendete Software stelle bei der Neuanlage eines Objekts eine plane Eingabemaske ohne Daten zuvor angelegter Objekte zur Verfügung, wie eine von seiner Prozessbevollmächtigten durchgeführte Überprüfung des Programmablaufs ergeben habe (Anlage K6, Bl. 47 ff. d. A.). Daher müssten „alte“ Daten nicht „von Hand“ gelöscht werden. Diesem Vorbringen ist der Beklagte nicht entgegengetreten.
35Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat angenommen, der Beklagte sei als Makler nicht Adressat der Regelung des § 16a EnEV. Eine Anwendung der Norm über ihren Wortlaut hinaus auf Makler sei methodisch nicht zulässig. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils verwiesen.
36Mit seiner gegen dieses Urteil gerichteten Berufung wiederholt und vertieft der Kläger seine Rechtsansicht, auch ein Immobilienmakler sei Adressat der Informationspflichten gemäß § 16a EnEV. Diese Norm diene der Umsetzung des Art. 12 Abs. 4 der Richtlinie 2010/31/EU. Die Richtlinie bezwecke, den Immobilieninteressenten möglichst frühzeitig einen Eindruck über die energetische Qualität des angebotenen Gebäudes zu verschaffen und einen überschlägigen Vergleich der Kosten für Heizwärme mit anderen Immobilienangeboten zu ermöglichen. Wenn Makler nicht Adressaten der Norm seien, sei diese weitgehend wirkungslos. Denn in Deutschland werde der weitaus größte Anteil der in kommerziellen Medien veröffentlichten Immobilienverkaufs- oder Immobilienvermietungsanzeigen durch gewerbliche Maklerunternehmen geschaltet.
37§ 16a EnEV sei richtlinienkonform dahin auszulegen, dass derjenige, der die Immobilienanzeige aufgebe, zur Angabe der Energiekennwerte verpflichtet sei. Dass dieses Auslegungsergebnis zutreffe, zeigten die in anderen EU-Mitgliedstaaten erlassenen Vorschriften zur Umsetzung der Richtlinie 2010/31/EU.
38Die Verantwortlichkeit des Beklagten als Immobilienmakler ergebe sich zudem aus § 26 Abs. 2 EnEV. Denn ein Makler werde im Auftrag des Verkäufers tätig.
39Überdies habe der Beklagte nach § 5a Abs. 2 und Abs. 4 UWG unlauter gehandelt. Denn die Pflichtangaben gemäß § 16a Abs. 1 Nr. 1 – Nr. 5 EnEV stellten wesentliche Informationen im Sinne von § 5a Abs. 2 und Abs. 4 UWG dar. Die Haftung des Beklagten ergebe sich nach den Grundsätzen der wettbewerbsrechtlichen Täterschaft und Teilnahme bzw. unter dem Gesichtspunkt der Verletzung einer wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflicht.
40Schließlich entspreche die Schaltung der Anzeige ohne Erteilung aller gemäß § 16a EnEV vorgeschriebenen Informationen nicht der unternehmerischen Sorgfalt im Sinne von § 3 Abs. 2 UWG.
41Zur Berechnung der Höhe der geltend gemachten Kostenpauschale hat der Kläger eine tabellarische Aufstellung vorgelegt (Anlage BK 14, Bl. 189 d. A.).
42Der Kläger beantragt,
43unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils den Beklagten zu verurteilen,
44- 45
1.
es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs in Zeitungen Anzeigen für Mietwohnungen vor deren Vermietung zu veröffentlichen ohne sicherzustellen, dass die Immobilienanzeigen die gemäß § 16a EnEV erforderlichen Pflichtangaben
47- zur Art des Energieausweises,
48- zum im Energieausweis genannten Baujahr
49enthalten, wenn dies geschieht wie in der Immobilienanzeige des Beklagten in der „Neuen Westfälischen“ vom 31. Januar 2015, die wie folgt wiedergegeben wird:
5051
2.
52an den Kläger 245,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.07.2015 zu zahlen.
53Der Beklagte beantragt,
54die Berufung zurückzuweisen.
55Er macht weiterhin geltend, ein Verstoß gegen § 16a EnEV sei nicht gegeben. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Anzeige am 31.01.2015 habe für das betreffende Objekt noch kein Energieausweis vorgelegen. Die energiebezogenen Daten seien versehentlich in die Anzeige aufgenommen worden. Zudem sei ein Makler nicht Normadressat des § 16a EnEV.
56Auf die mit Verfügung des Senats vom 12.07.2016 erteilte Auflage, den Energieausweis für das in Rede stehende Objekt vorzulegen, hat der Beklagte die Kopie eines Energieausweises für Wohngebäude betreffend das Objekt T-Straße in Gütersloh vorgelegt (Bl. 164 ff. d. A.). Das Baujahr des Gebäudes ist darin mit „1994“ angegeben. Es handelt sich um einen sog. Energieverbrauchsausweis. Der Endenergieverbrauch des Gebäudes ist mit 146,6 kWh/( m²∙a) beziffert; die Energieeffizienzklasse ist dementsprechend mit „E“ benannt. Der Energieausweis trägt das Ausstellungsdatum „10.02.2015“. Unter der Überschrift „Aussteller“ findet sich die Eintragung „Gepr. Energieberater d. Handwerks B X …“.
57Der Beklagte behauptet, der Energieausweis beziehe sich auf das mit der in Rede stehenden Anzeige angebotene Objekt. Die Angabe der Postleitzahl „33330“ im Energieausweis beruhe auf einem Fehler des ausstellenden Energieberaters.
58Das in der Anzeige genannte Baujahr sei auf die Angaben des Vermieters zurückzuführen. Dem Beklagten sei nicht bekannt, ob das vom Vermieter benannte Baujahr oder das vom Aussteller des Energieausweises eingetragene Baujahr zutreffend sei.
59Ferner erhebt der Beklagte Einwendungen gegen Sinn und Zweck von Energieausweisen und wirft dem Kläger vor, es zu versuchen, sich durch Abmahnungen zu bereichern. Zur Begründung beruft er sich auf Medienberichte und trägt vor, der Kläger erziele 28 % seines Umsatzes (ca. 2.000.000,00 € jährlich) durch Abmahnungen.
60B.
61Die Berufung ist zulässig und begründet.
62I.
63Die Klage ist zulässig.
641.
65Der Unterlassungsantrag ist hinreichend bestimmt im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Er nimmt Bezug auf die konkrete Verletzungshandlung in Gestalt der beanstandeten Zeitungsanzeige, die im Antrag wiedergegeben ist.
662.
67Der Kläger ist nach § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG klagebefugt. Er hat durch Vorlage der Anlage K1 nachgewiesen, dass er mit Wirkung zum 11.10.2004 in der Liste der qualifizierten Einrichtungen nach § 4 des Unterlassungsklagengesetzes (UKlaG) eingetragen ist.
683.
69Hinreichende Anhaltspunkte für ein rechtsmissbräuchliches Vorgehen des Klägers (§ 8 Abs. 4 UWG) liegen nicht vor. Soweit der Beklagte unter Hinweis auf den Umsatz, den der Kläger durch Abmahnungen erzielt haben soll, und auf Medienberichte geltend macht, der Kläger versuche, sich durch Abmahnungen zu bereichern, ist dieses Vorbringen zu pauschal und reicht zur Annahme eines Rechtsmissbrauchs nicht aus.
70II.
71Die Klage ist auch begründet.
721.
73Unterlassungsantrag:
74Es kann dahinstehen, ob dem Kläger der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gegen den Beklagten aus §§ 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Nr. 3; 3 Abs. 1; 3a UWG bzw. § 4 Nr. 11 UWG aF in Verbindung mit § 16a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 4, Abs. 2 EnEV zusteht. Denn der geltend gemachte Unterlassungsanspruch findet seine Grundlage jedenfalls in §§ 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Nr. 3; 3 Abs. 1; 5a Abs. 2 UWG.
75a)
76Ob der Beklagte gegen § 16a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 4, Abs. 2 EnEV verstoßen hat, ist zweifelhaft.
77aa)
78Wird vor dem Verkauf eines mit einem Gebäude bebauten Grundstücks, eines grundstücksgleichen Rechts an einem bebauten Grundstück oder von Wohnungs- oder Teileigentum eine Immobilienanzeige in kommerziellen Medien aufgegeben und liegt zu diesem Zeitpunkt ein Energieausweis vor, so hat der Verkäufer gemäß § 16a Abs. 1 Satz 1 EnEV sicherzustellen, dass die Immobilienanzeige die in § 16a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis Nr. 5 EnEV aufgeführten Pflichtangaben enthält.
79§ 16a Abs. 1 EnEV ist gemäß § 16a Abs. 2 EnEV entsprechend anzuwenden auf den Vermieter, Verpächter und Leasinggeber bei Immobilienanzeigen zur Vermietung, Verpachtung oder zum Leasing eines Gebäudes, einer Wohnung oder einer sonstigen selbständigen Nutzungseinheit.
80Nach dem Wortlaut der Norm sind Adressaten der Informationspflicht mithin der Verkäufer, der Vermieter, der Verpächter bzw. der Leasinggeber. Eine Verpflichtung von Maklern ergibt sich aus dem Wortlaut des § 16a EnEV nicht.
81bb)
82§ 16a EnEV dient der Umsetzung von Art. 12 Abs. 4 der Richtlinie 2010/31/EU.
83Art. 12 Abs. 4 der Richtlinie 2010/31/EU lautet:
84„Die Mitgliedstaaten verlangen, dass bei Verkauf oder Vermietung von
85- Gebäuden, für die ein Ausweis über die Gesamtenergieeffizienz vorliegt,
86- Gebäudeteilen in einem Gebäude, für das ein Ausweis über die Gesamtenergieeffizienz vorliegt, und
87- Gebäudeteilen, für die ein Ausweis über die Gesamtenergieeffizienz vorliegt,
88in den Verkaufs- oder Vermietungsanzeigen in den kommerziellen Medien der in dem Ausweis über die Gesamtenergieeffizienz des Gebäudes bzw. des Gebäudeteils angegebene Indikator der Gesamtenergieeffizienz genannt wird.“
89Art. 12 Abs. 4 der Richtlinie 2010/31/EU benennt nach seinem Wortlaut keinen Adressaten der Informationspflicht, sondern bestimmt das Medium bzw. den Ort der Informationserteilung („Verkaufs- oder Vermietungsanzeigen in den kommerziellen Medien“).
90cc)
91Vor diesem Hintergrund ist fraglich, ob die nationale Bestimmung des § 16a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 EnEV richtlinienkonform dahin ausgelegt werden muss, dass auch eine (unmittelbare) Informationsverpflichtung für einen vom Verkäufer bzw. Vermieter beauftragten Makler besteht (vgl. allgemein zur richtlinienkonformen Auslegung: Köhler/Bornkamm, UWG, 34. Aufl., Einleitung zum UWG Rn. 3.13). In der Rechtsprechung wird diese Frage – soweit ersichtlich – bislang überwiegend bejaht (vgl. etwa LG Tübingen, Urteil vom 12.11.2015 – 20 O 60/15, juris; LG München I, Urteil vom 16.11.2015 - 4 HKO 6347/15, juris; LG Münster, Urteil vom 25.11.2015 – 021 O 87/15, juris; LG Tübingen, Urteil vom 01.02.2016 – 20 O 53/15, juris; LG Traunstein, Urteil vom 12.02.2016 – 1 HKO 3385/15, juris; LG Bayreuth, Urteil vom 28.04.2016 – 13 HK O 57/15, juris; LG Leipzig, Urteil vom 10.05.2016 - 01 HK O 2761/15 = BeckRS 2016, 11133; anderer Ansicht: LG Gießen, Urteil vom 11.09.2015 – 8 O 7/15, juris; LG München II, Urteil vom 03.12.2015 - 2 HK O 3089/15 = BeckRS 2015, 19943).
92Bei der richtlinienkonformen Auslegung bildet der Wortlaut der nationalen Regelung zwar keine Grenze (Köhler/Bornkamm, aaO). Der Grundsatz der richtlinienkonformen Auslegung fordert auch, das nationale Recht, wo dies nötig und möglich ist, richtlinienkonform fortzubilden (BGH, NJW 2009, 427, 429 – Quelle).
93Eine richterliche Rechtsfortbildung ist indes verfassungsrechtlich unzulässig, wenn sie, ausgehend von einer teleologischen Interpretation, den klaren Wortlaut des Gesetzes hintanstellt, ihren Widerhall nicht im Gesetz findet und vom Gesetzgeber nicht ausdrücklich oder – bei Vorliegen einer erkennbar planwidrigen Gesetzeslücke – stillschweigend gebilligt wird (BVerfG, NJW 2012, 669, 671).
94Eine Erstreckung der Informationsverpflichtung auch auf den Makler könnte einen solchen Fall unzulässiger richterlicher Rechtsfortbildung darstellen. Dass der deutsche Verordnungsgeber eine unmittelbare Informationsverpflichtung von Immobilienmaklern nach § 16a EnEV begründen wollte, lässt sich weder dem Wortlaut noch den Materialien der Verordnung entnehmen. Dadurch, dass der Verordnungsgeber für den Wortlaut des § 16a Abs. 1 Satz 1 EnEV die Formulierung „…hat der Verkäufer sicherzustellen, …“ verwendet hat, soll verdeutlicht werden, dass der Verkäufer nicht nur bei Immobilienanzeigen, die er selbst aufgibt, Pflichtangaben machen muss, sondern auch in Fällen wie der Beauftragung eines Maklerbüros dafür Sorge zu tragen hat, dass die erforderlichen Pflichtangaben in der Immobilienanzeige gemacht werden (BR-Drucksache 113/13, Seite 97). Demnach liegt es nicht fern, dass der deutsche Verordnungsgeber bewusst von der Regelung einer unmittelbaren Verantwortlichkeit von Immobilienmaklern für die Erfüllung der Informationspflichten gemäß § 16a EnEV abgesehen hat. Für eine Erstreckung der Informationsverpflichtung auch auf den Makler im Wege richterlicher Rechtsfortbildung bestünde dann keine Grundlage. Letztlich bedarf dies hier keiner Entscheidung.
95b)
96Denn der geltend gemachte Unterlassungsanspruch besteht jedenfalls nach §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 3; 3 Abs. 1; 5a Abs. 2 UWG.
97aa)
98Da der Unterlassungsanspruch in die Zukunft gerichtet ist, muss das Verhalten des Beklagten sowohl nach dem zur Zeit der beanstandeten Zeitungsanzeige geltenden Recht als auch nach dem zur Zeit der Entscheidung des Senats geltenden Recht wettbewerbswidrig sein (vgl. BGH, GRUR 2016, 403 – Fressnapf; BGH, Urteil vom 21.07. 2016 – I ZR 26/15 – LGA tested, jeweils mwN).
99bb)
100§ 5a Abs. 2 UWG ist mit Wirkung ab dem 10.12.2015 neu gefasst worden.
101Nach § 5a Abs. 2 UWG aF handelte unlauter, wer die Entscheidungsfähigkeit von Verbrauchern im Sinne des § 3 Absatz 2 UWG aF dadurch beeinflusste, dass er eine Information vorenthielt, die im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände einschließlich der Beschränkungen des Kommunikationsmittels wesentlich war.
102Nach der ab dem 10.12.2015 geltenden Rechtslage handelt gemäß § 5a Abs. 2 Satz 1 UWG unlauter, wer im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände dem Verbraucher eine wesentliche Information vorenthält, die dieser je nach den Umständen benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen (Nr. 1), und deren Vorenthalten geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte (Nr. 2). Gemäß § 5a Abs. 2 Satz 2 UWG gilt als Vorenthalten auch das Verheimlichen wesentlicher Informationen (Nr. 1), die Bereitstellung wesentlicher Informationen in unklarer, unverständlicher oder zweideutiger Weise (Nr. 2) und die nicht rechtzeitige Bereitstellung wesentlicher Informationen (Nr. 3).
103cc)
104Diese Neufassung des § 5a Abs. 2 UWG hat zu keiner für den vorliegenden Fall erheblichen Änderung der Rechtslage geführt (vgl. BGH, aaO – Fressnapf; BGH, aaO – LGA tested).
105Die beanstandete Zeitungsanzeige - eine geschäftliche Handlung gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG - war zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 31.01.2015 nach der alten Fassung des § 5a Abs. 2 UWG und ist auch zum Zeitpunkt der Entscheidung in der Berufungsinstanz gemäß der neuen Fassung des § 5a Abs. 2 UWG unlauter und damit nach § 3 Abs. 1 UWG unzulässig.
106(1)
107Der Beklagte hat dadurch, dass er in der Zeitungsanzeige nicht die Art des Energieausweises und das im Energieausweis genannte Baujahr des Objekts angegeben hat, gegen § 3 Abs. 2, § 5a Abs. 2 UWG aF verstoßen.
108Nach § 5a Abs. 2 UWG aF handelte unlauter, wer die Entscheidungsfähigkeit von Verbrauchern im Sinne des § 3 Abs. 2 UWG aF dadurch beeinflusste, dass er eine Information vorenthielt, die im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände einschließlich der Beschränkungen des Kommunikationsmittels wesentlich war.
109(a)
110Informationen zur Art des Energieausweises und zum im Energieausweis genannten Baujahr des Objekts sind wesentlich im Sinne von § 5a Abs. 2 UWG aF.
111Eine Information ist nicht allein schon deshalb wesentlich im Sinne des § 5a Abs. 2 UWG, weil sie für die geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers von Bedeutung sein kann, sondern nur dann, wenn ihre Angabe unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen vom Unternehmer erwartet werden kann und ihr für die geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers zudem ein erhebliches Gewicht zukommt (vgl. BGH, GRUR 2012, 1275 – Zweigstellenbriefbogen; BGH, aaO - LGA tested).
112(aa)
113Bei der Beurteilung der Frage, ob eine Information als wesentlich im Sinne von § 5a Abs. 2 UWG anzusehen ist, ist das Interesse des Unternehmers zu berücksichtigen, die Information nicht zu erteilen. In die Interessenabwägung mit einzustellen sind der zeitliche und der kostenmäßige Aufwand des Unternehmers für die Beschaffung der Information, die für den Unternehmer mit der Informationserteilung verbundenen Nachteile sowie möglicherweise bestehende Geheimhaltungsbelange (BGH, aaO - LGA tested, mwN).
114Ein schutzwürdiges Interesse des als Immobilienmakler tätigen Beklagten, nicht über die Art des Energieausweises und über das im Energieausweis genannte Baujahr des Objekts zu informieren, ist nicht erkennbar. Ihm ist es zuzumuten, die verlangten Informationen zu erteilen.
115Für die Beschaffung der Informationen entsteht dem Beklagten nur ein geringfügiger zeitlicher und kostenmäßiger Aufwand. Er muss sich lediglich bei seinem Auftraggeber nach diesen Informationen erkundigen, sich ggf. den Energieausweis vorlegen lassen und die betreffenden Angaben in den Text der Anzeige übernehmen.
116Die mit der Informationserteilung verbundenen Nachteile hat der Beklagte hinzunehmen. Der Verordnungsgeber schätzt die Mehrkosten, die durch die nach Maßgabe von § 16a EnEV vorgeschriebene Angabe energetischer Kennwerte entstehen, auf einen Betrag von 0,50 € bis 2,50 € pro Immobilienanzeige (je nachdem, in welchem (kommerziellen) Medium die Anzeige veröffentlicht wird) (vgl. BR-Drucksache 113/13, Seiten 71, 75 und 77). Dieser Bewertung schließt sich der Senat an. Die solchermaßen geschätzten Mehrkosten sind zumutbar.
117Überdies stehen die Beschränkungen des verwendeten Kommunikationsmittels - hier: Werbung mittels Zeitungsanzeige - der Erteilung der in Rede stehenden Informationen nicht entgegen. Die verlangten Angaben können stichwortartig erfolgen. Bei der Abfassung des Anzeigentextes können ggf. verständliche Abkürzungen verwendet werden (vgl. BR-Drucksache 113/13, Seite 98).
118Schließlich liegt kein schutzwürdiges Geheimhaltungsinteresse des Beklagten vor. Soweit die Erteilung der in § 16a Abs. 1 EnEV genannten Informationen bei ungünstiger energetischer Beschaffenheit des beworbenen Objekts dessen Vermarktung erschwert, kann dies nicht dazu führen, die Informationen als nicht wesentlich im Sinne von § 5a Abs. 2 UWG anzusehen. Dem steht bereits das Informationsinteresse der Verbraucher entgegen (dazu nachfolgend (bb)).
119(bb)
120Zwar begründet nicht jedes mögliche Interesse eines kritischen Verbrauchers an einer Information deren Wesentlichkeit im Sinne des § 5a Abs. 2 UWG. Erforderlich ist eine besondere Bedeutung für die vom Durchschnittsverbraucher zu treffende geschäftliche Entscheidung. Die Frage, ob eine Information für die geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers von besonderem Gewicht ist, ist nach dem Erwartungs- und Verständnishorizont des Durchschnittsverbrauchers zu beurteilen (BGH, aaO - LGA tested, mwN). Eine solche besondere Bedeutung liegt hier vor.
121Hinsichtlich eines Entschlusses zur Anmietung der betreffenden Wohnung ist es für den durchschnittlichen Verbraucher von erheblichem Interesse, Informationen zur Art des Energieausweises und zu dem im Energieausweis genannten Baujahr des Objekts zu erhalten. Dies ergibt sich bereits aus der in der Regelung des § 16a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 4 EnEV zum Ausdruck kommenden Wertung. Auch wenn § 16a EnEV ausdrücklich nur den Verkäufer, Vermieter, Verpächter bzw. Leasinggeber als Adressaten der Informationspflichten nennt, ändert dies nichts daran, dass der Verordnungsgeber die in der Norm genannten Informationen als solche als wesentlich ansieht („Pflichtangaben“). Denn handelte es sich nur um unbedeutende Informationen, bedürfte es nicht der Regelung des § 16a EnEV. Für den Interessenten ist es von besonderer Bedeutung, möglichst frühzeitig einen Eindruck von der energetischen Qualität des Gebäudes und damit zugleich die Möglichkeit zu einem überschlägigen Vergleich der Kosten für Heizwärme mit anderen Immobilienangeboten zu erhalten (vgl. BR-Drucksache 113/13, Seite 99).
122Die Angabe der Art des Energieausweises macht transparent, ob der endenergetische Wert aus einem Verbrauchs- oder einem Bedarfsausweis entnommen wurde. Dadurch wird die Vergleichbarkeit solcher Angaben erleichtert (BR-Drucksache 113/13, Seite 98).
123Auch die Angabe des Baujahrs des Gebäudes ist sowohl für den potentiellen Käufer als auch für den potentiellen Mieter einer Wohnung bzw. eines Hauses von erheblicher Bedeutung. Denn die Kenntnis des Baujahrs lässt in Verbindung mit der Kenntnis weiterer in § 16a EnEV genannter Informationen Rückschlüsse auf die bauliche und energetische Beschaffenheit des Gebäudes zu. So liegt es etwa bei einem hohen Alter des Gebäudes durchaus nahe, dass ein hoher Wert des Endenergieverbrauchs nicht (allein) auf ein vermeidbar ungünstiges Verbrauchsverhalten der bisherigen Nutzer zurückzuführen sein muss, sondern (auch) durch den baulichen Zustand des Objekts bedingt sein kann.
124(b)
125Der Beklagte hat den Verbrauchern Informationen zur Art des Energieausweises und zu dem im Energieausweis genannten Baujahr vorenthalten. Der Unternehmer enthält dem Verbraucher eine Information vor, wenn dieser sie nicht oder nicht so erhält, dass er sie bei seiner geschäftlichen Entscheidung berücksichtigen kann. Insoweit ist es allerdings erforderlich, dass die betreffende Information zum Geschäfts- und Verantwortungsbereich des Unternehmers gehört oder in sonstiger Weise für ihn verfügbar ist (BGH, aaO – LGA tested, mwN).
126Die Zeitungsanzeige vom 31.01.2015 enthält keine Angaben zur Art des Energieausweises und zu dem im Energieausweis genannten Baujahr des Objekts.
127Die diesbezüglichen Informationen waren für den Beklagten verfügbar. Der Senat geht davon aus, dass bei Schaltung der Zeitungsanzeige bereits ein Energieausweis für das betreffende Objekt existierte und dass dem Beklagten bzw. dem bei ihm beschäftigten Mitarbeiter zu diesem Zeitpunkt die in dem Energieausweis enthaltenen Angaben bekannt waren.
128Der Beklagte hat zwar vorgetragen, zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Anzeige am 31.01.2015 habe für das angebotene Objekt kein Energieausweis vorgelegen. Die Tatsache, dass in der Zeitungsanzeige und in seiner Internetwerbung in Bezug auf das in Rede stehende Objekt Angaben zu einem Energieausweis enthalten sind, hat er damit zu erklären versucht, bei der Bedienung des verwendeten Computerprogramms seien die Daten zum Energieausweis einer anderen Immobilie, die nicht Gegenstand der Anzeige gewesen sei, versehentlich nicht gelöscht worden.
129Der Kläger hat daraufhin unter Vorlage von Screenshots, die eine von seiner Prozessbevollmächtigten durchgeführte Überprüfung des Programmablaufs zeigen (Anlage K 6, Bl. 47 ff. d. A.), dargetan, die vom Beklagten verwendete Software stelle bei der Neuanlage eines Objekts eine plane Eingabemaske ohne Daten zuvor angelegter Objekte zur Verfügung, so dass entgegen dem Vorbringen des Beklagten alte Daten nicht manuell gelöscht werden müssten.
130Der Beklagte ist diesem Vorbringen nicht konkret entgegengetreten. Der Senat geht deshalb davon aus, dass sein Vortrag zu einem versehentlich unterbliebenen Löschen der energiebezogenen Daten eines anderen Objekts unzutreffend ist. Hinzu kommt, dass die energiebezogenen Angaben in der Zeitungsanzeige (Anlage K2) und in dem im Internetauftritt des Beklagten seinerzeit enthaltenen Exposé (Anlage K3) nicht deckungsgleich sind. Im Internet-Exposé (Anlage K3) waren auch Angaben zur Art des Energieausweises und zu dessen Gültigkeitsdauer enthalten. Diese Angaben waren hingegen nicht Inhalt der Zeitungsanzeige (Anlage K2).
131Zudem hat der Prozessbevollmächtigte des Beklagten im Senatstermin erklärt, das vom Beklagten verwendete Computerprogramm diene lediglich dazu, die Immobilienanzeige an die Zeitung zu übermitteln.
132Dem auf Vernehmung des Zeugen H gerichteten Beweisantritt des Beklagten war vor diesem Hintergrund nicht nachzugehen. Der Beklagte hat nicht plausibel darzulegen vermocht, dass die in der Zeitungsanzeige und in seinem Internetauftritt enthaltenen Angaben zu einem Energieausweis für das betreffende Objekt versehentlich dort aufgeführt worden sind. Eine Vernehmung des Zeugen H liefe bei dieser Sachlage auf eine unzulässige Ausforschung hinaus.
133Der Umstand, dass die Internetwerbung des Beklagten (Anlage K3) Angaben zu einem Energiebedarfsausweis enthält, der bis zum 15.05.2024 gültig ist, lässt den Schluss zu, dass für das beworbene Objekt bereits am 16.05.2014 ein Energiebedarfsausweis ausgestellt worden ist. Denn nach § 17 Abs. 6 Satz 1 EnEV sind Energieausweise für eine Gültigkeitsdauer von zehn Jahren auszustellen. Der Senat geht deshalb davon aus, dass am 31.01.2015 - dem Zeitpunkt der Veröffentlichung der Zeitungsanzeige - ein Energieausweis für das betreffende Gebäude existierte.
134Dem steht nicht die vom Beklagten in der Berufungsinstanz vorgelegte Kopie eines Energieverbrauchsausweises entgegen, in dem das Ausstellungsdatum „10.02.2015“ vermerkt ist. Es kann als wahr unterstellt werden, dass dieser Energieausweis erst unter diesem Datum von dem als Aussteller benannten Energieberater X erstellt wurde und dass sich dieser Ausweis auf das in Rede stehende Objekt bezieht. Denn es ist durchaus möglich, dass der Vermieter einen weiteren Energieausweis hat erstellen lassen. So kann er bei Vorliegen eines Energiebedarfsausweises Interesse an der Erstellung eines Energieverbrauchsausweises haben, etwa weil er sich bei letzterem die Einstufung in eine günstigere Energieeffizienzklasse erhofft. Der Beklagte trägt auch nicht vor, zu welchem Zeitpunkt der von ihm namentlich nicht benannte Vermieter (erstmals) die Erstellung eines Energieausweises in Auftrag gegeben hat.
135Bei dieser Sachlage war auch eine Vernehmung des Energieberaters X als Zeuge nicht veranlasst.
136(c)
137Es liegt auch eine spürbare Beeinträchtigung im Sinne von § 3 Abs. 2 UWG aF vor.
138Mit der Bejahung der Wesentlichkeit der vorenthaltenen Informationen sind jedenfalls nach der bis zum 09.12.2015 geltenden Rechtslage unwiderleglich auch die Erfordernisse des § 3 Abs. 2 UWG aF erfüllt, weil sich die Wesentlichkeit nach § 5a Abs. 2 UWG gerade dadurch definiert, dass der Verbraucher „im Sinne des § 3 Abs. 2 … beeinflusst“ wird (Köhler/Bornkamm, UWG, 33. Aufl., § 5a Rn. 56).
139(2)
140Das geschäftliche Handeln des Beklagten ist auch nach der neuen Fassung des § 5a Abs. 2 UWG unlauter und damit nach § 3 Abs. 1 UWG unzulässig.
141(a)
142Der Verbraucher benötigt nach den Umständen die Information über die Art des Energieausweises und über das im Energieausweis genannte Baujahr des Objekts, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen (§ 5a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UWG).
143„Geschäftliche Entscheidung“ ist jede Entscheidung eines Verbrauchers oder sonstigen Marktteilnehmers darüber, ob, wie und unter welchen Bedingungen er ein Geschäft abschließen, eine Zahlung leisten, eine Ware oder Dienstleistung behalten oder abgeben oder ein vertragliches Recht im Zusammenhang mit einer Ware oder Dienstleistung ausüben will, unabhängig davon, ob der Verbraucher oder sonstige Marktteilnehmer sich entschließt, tätig zu werden (§ 2 Abs. 1 Nr. 9 UWG). Die in Rede stehenden Informationen benötigt der Verbraucher, um beurteilen zu können, ob das angebotene Objekt seinen Erwartungen in energetischer Hinsicht entspricht. Auf die vorstehenden Ausführungen wird verwiesen.
144(b)
145Das Vorenthalten der betreffenden Informationen ist geeignet, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Handlung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte (§ 5a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UWG). Die unzureichenden energiebezogenen Informationen können den Verbraucher dazu veranlassen, aufgrund der Immobilienanzeige Kontakt zu dem Beklagten im Hinblick auf eine Anmietung der Wohnung aufzunehmen. Diese Entscheidung hätte der Verbraucher ggf. nicht getroffen, wenn er sich anhand der Angaben zur Art des Energieausweises und zu dem im Energieausweis genannten Baujahr des Hauses bereits aufgrund der Immobilienanzeige näher über die energiebezogenen Eigenschaften der Immobilie hätte informieren können.
146c)
147Das Bestehen einer Wiederholungsgefahr wird aufgrund des vorliegenden Wettbewerbsverstoßes tatsächlich vermutet. Umstände, die geeignet sind, diese Vermutung zu widerlegen, sind nicht ersichtlich.
1482.
149Zahlungsantrag:
150Der Kläger kann vom Beklagten zudem gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG Erstattung der geltend gemachten Abmahnkosten in Höhe von 245,00 € verlangen. Denn die Abmahnung war berechtigt.
151Aufgrund der vom Kläger vorgelegten Kostenaufstellung (Anlage BK 14, Bl. 189 d. A.), die eine hinreichende Schätzgrundlage darstellt, schätzt der Senat die Abmahnkosten nach § 287 ZPO auf den Betrag von 245,00 €.
152Der Zinsanspruch besteht gemäß §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB seit dem 18.07.2015.
153C.
154Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO.
155Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10; 711 ZPO.
156Die Zulassung der Revision beruht auf § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 ZPO.
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 25.11.2015 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Münster wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Soweit die Beklagte zur Unterlassung verurteilt worden ist, kann sie die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 30.000,00 Euro abwenden, sofern nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet. Im Übrigen kann die Beklagte die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
1
G r ü n d e
2A.
3Der klagende Verein ist in die Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 des Unterlassungsklagengesetzes eingetragen.
4Die Beklagte ist u.a. als Immobilienmaklerin tätig. Am 11.04.2015 veröffentlichte die Beklagte im Rahmen ihrer Maklertätigkeit in der Tageszeitung „X“ die beiden nachfolgend abgebildeten Immobilienanzeigen:
5,
6.
7Für die beiden beworbenen Immobilien lag zum Zeitpunkt der Anzeigenveröffentlichung jeweils ein Energieverbrauchsausweis vor.
8Mit Schreiben vom 24.04.2015 (Anlage K3 = Blatt 13-16 der Gerichtsakte) mahnte der Kläger die Beklagte ab. Er beanstandete das Fehlen von Angaben zum wesentlichen Energieträger für die Heizung der Gebäude in den beiden Immobilienanzeigen und führte aus, hierin liege ein Verstoß gegen die Regelungen in § 16a der Verordnung über energiesparenden Wärmeschutz und energiesparende Anlagentechnik bei Gebäuden (Energieeinsparverordnung – EnEV). Zugleich forderte der Kläger die Beklagte unter Fristsetzung zur Zahlung von Abmahnkosten (Kostenpauschale) in Höhe von 245,00 € auf. Mit E-Mail vom 06.05.2015 (Blatt 18 der Gerichtsakte) verlängerte der Kläger die der Beklagten gesetzten Fristen zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung und zur Erstattung der Abmahnkosten bis zum 13.05.2015.
9Mit Schreiben vom 13.05.2015 (Anlage K5 = Blatt 22 der Gerichtsakte) teilte die Beklagte dem Kläger mit, sie habe ihren örtlich zuständigen Gebietsleiter gebeten, die Werbung zu prüfen und gegebenenfalls anzupassen. Der vom Kläger vorgeschlagene Wortlaut einer strafbewehrten Unterlassungserklärung gehe inhaltlich zu weit. Eine strafbewehrte Unterlassungserklärung gab die Beklagte nicht ab.
10Der Kläger hat gegenüber dem Landgericht seine Rechtsausführungen aus der Abmahnung wiederholt und vertieft. Im Hinblick auf die geforderte Abmahnkostenpauschale hat der Kläger eine Aufstellung (Anlage K7 = Blatt 91 der Gerichtsakte) vorgelegt und vorgetragen, diese enthalte eine detaillierte Aufschlüsselung der Personal- und Sachkosten, die er, der Kläger, für eine Abmahnung pauschaliert in Ansatz bringe.
11Der Kläger hat (zuletzt) beantragt,
12- 13
1. die Beklagte unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs
a) in Zeitungen Anzeigen für Immobilien, für die zu diesem Zeitpunkt ein Energieausweis vorliegt, vor deren Verkauf zu veröffentlichen, ohne sicherzustellen, dass die Immobilienanzeigen die gemäß § 16a EnEV erforderliche Pflichtangabe zum wesentlichen Energieträger für die Heizung des Gebäudes enthält, wenn dies geschieht wie in der Immobilienanzeige der Beklagten in den „X“ vom 11.04.2015, die wie folgt wiedergegeben wird:
15,
16und/oder
17b) in Zeitungen Anzeigen für Immobilien, für die zu diesem Zeitpunkt ein Energieausweis vorliegt, vor deren Vermietung zu veröffentlichen, ohne sicherzustellen, dass die Immobilienanzeigen die gemäß § 16a EnEV erforderliche Pflichtangabe zum wesentlichen Energieträger für die Heizung des Gebäudes enthält, wenn dies geschieht wie in der Immobilienanzeige der Beklagten in den „X“ vom 11.04.2015, die wie folgt wiedergegeben wird:
18;
19- 20
2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn, den Kläger, 245,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.05.2015 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
22die Klage abzuweisen.
23Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die beiden Immobilienanzeigen seien inhaltlich nicht zu beanstanden. Sie habe die beiden Anzeigen in ihrer Eigenschaft als Maklerin veröffentlicht, in dieser Eigenschaft sei sie nicht verpflichtet, Angaben nach § 16a EnEV zu machen. Die Beklagte wendet sich ebenfalls gegen die Höhe der vom Kläger geforderten Abmahnkostenpauschale.
24Mit dem angefochtenen, am 25.11.2015 verkündeten Urteil hat die 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Münster der Klage in vollem Umfang stattgegeben.
25Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung. Sie wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen und beantragt,
26in Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
27Der Kläger beantragt,
28die Berufung zurückzuweisen.
29Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens.
30Soweit in den Gründen dieses Urteils Fundstellen in der Gerichtsakte angegeben sind, wird wegen der Einzelheiten auf die dort befindlichen Dokumente verwiesen.
31B.
32Die – zulässige – Berufung der Beklagten ist unbegründet. Das Landgericht hat der Klage zu Recht in vollem Umfang stattgegeben.
33I. Unterlassungsansprüche
341. Klageantrag zu 1.a)
35Es kann dahinstehen, ob dem Kläger der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte aus § 8 Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs. 1, § 3a UWG bzw. § 4 Nr. 11 UWG a.F. in Verbindung mit § 16a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EnEV zusteht. Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch findet seine Grundlage jedenfalls in § 8 Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs. 1, § 5a Abs. 2 UWG.
36a) Ob die Beklagte gegen § 16a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EnEV verstoßen hat, ist zweifelhaft.
37aa) Wird vor dem Verkauf eines mit einem Gebäude bebauten Grundstücks, eines grundstücksgleichen Rechts an einem bebauten Grundstück oder von Wohnungs- oder Teileigentum eine Immobilienanzeige in kommerziellen Medien aufgegeben und liegt – wie im vorliegenden Falle – zu diesem Zeitpunkt ein Energieausweis vor, so hat der Verkäufer gemäß § 16a Abs. 1 Satz 1 EnEV sicherzustellen, dass die Immobilienanzeige die in § 16a Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 bis 5 EnEV aufgeführten Pflichtangaben enthält. § 16a Abs. 1 EnEV ist gemäß § 16a Abs. 2 EnEV entsprechend anzuwenden auf den Vermieter, Verpächter und Leasinggeber bei Immobilienanzeigen zur Vermietung, Verpachtung oder zum Leasing eines Gebäudes, einer Wohnung oder einer sonstigen selbständigen Nutzungseinheit. Nach dem Wortlaut der Norm sind Adressaten der Informationspflicht mithin der Verkäufer, der Vermieter, der Verpächter bzw. der Leasinggeber. Eine Verpflichtung von Maklern ergibt sich aus dem Wortlaut des § 16a EnEV nicht.
38bb) § 16a EnEV dient der Umsetzung von Art. 12 Abs. 4 der Richtlinie 2010/31/EU. Dieser hat folgenden Wortlaut:
39„Die Mitgliedstaaten verlangen, dass bei Verkauf oder Vermietung von
40- Gebäuden, für die ein Ausweis über die Gesamtenergieeffizienz vorliegt,
- Gebäudeteilen in einem Gebäude, für das ein Ausweis über die Gesamtenergieeffízienz vorliegt, und
- Gebäudeteilen, für die ein Ausweis über die Gesamtenergieeffizienz vorliegt,
in den Verkaufs- oder Vermietungsanzeigen in den kommerziellen Medien der in dem Ausweis über die Gesamtenergieeffizienz des Gebäudes bzw. des Gebäudeteils angegebene Indikator der Gesamtenergieeffizienz genannt wird.“
42Art. 12 Abs. 4 der Richtlinie 2010/31/EU benennt nach seinem Wortlaut keinen Adressaten der Informationspflicht, sondern bestimmt das Medium bzw. den Ort der Informationserteilung („Verkaufs- oder Vermietungsanzeigen in den kommerziellen Medien“).
43cc) Vor diesem Hintergrund ist fraglich, ob die nationale Bestimmung des § 16a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 EnEV richtlinienkonform dahin ausgelegt werden muss, dass auch eine (unmittelbare) Informationsverpflichtung für einen vom Verkäufer bzw. Vermieter beauftragten Makler besteht (vgl. allgemein zur richtlinienkonformen Auslegung: Köhler/Bornkamm/Köhler, UWG, 34. Aufl. [2016], Einleitung zum UWG Rdnr. 3.13).
44In der Rechtsprechung wird diese Frage – soweit ersichtlich – bislang überwiegend bejaht (vgl. etwa LG Tübingen, Urteil vom 12.11.2015 – 20 O 60/15 –
Bei der richtlinienkonformen Auslegung bildet der Wortlaut der nationalen Regelung zwar keine Grenze (Köhler/Bornkamm/Köhler, a.a.O.); der Grundsatz der richtlinienkonformen Auslegung fordert auch, das nationale Recht, wo dies nötig und möglich ist, richtlinienkonform fortzubilden (BGH, NJW 2009, 427). Eine richterliche Rechtsfortbildung ist indes verfassungsrechtlich unzulässig, wenn sie, ausgehend von einer teleologischen Interpretation, den klaren Wortlaut des Gesetzes hintanstellt, ihren Widerhall nicht im Gesetz findet und vom Gesetzgeber nicht ausdrücklich oder – bei Vorliegen einer erkennbar planwidrigen Gesetzeslücke – stillschweigend gebilligt wird (BVerfG, NJW 2012, 669).
46Eine Erstreckung der Informationsverpflichtung auch auf den Makler könnte einen solchen Fall unzulässiger richterlicher Rechtsfortbildung darstellen. Dass der deutsche Verordnungsgeber eine unmittelbare Informationsverpflichtung von Immobilienmaklern nach § 16a EnEV begründen wollte, lässt sich weder dem Wortlaut noch den Materialien der Verordnung entnehmen. Dadurch, dass der Verordnungsgeber für den Wortlaut des § 16a Abs. 1 Satz 1 EnEV die Formulierung „hat der Verkäufersicherzustellen“ verwendet hat, soll verdeutlicht werden, dass der Verkäufer nicht nur bei Immobilienanzeigen, die er selbst aufgibt, Pflichtangaben machen muss, sondern auch in Fällen wie der Beauftragung eines Maklerbüros dafür Sorge zu tragen hat, dass die erforderlichen Pflichtangaben in der Immobilienanzeige gemacht werden (BR-Drucksache 113/13, Seite 97). Demnach liegt es nicht fern, dass der deutsche Verordnungsgeber bewusst von der Regelung einer unmittelbaren Verantwortlichkeit von Immobilienmaklern für die Erfüllung der Informationspflichten gemäß § 16a EnEV abgesehen hat. Für eine Erstreckung der Informationsverpflichtung auch auf den Makler im Wege richterlicher Rechtsfortbildung bestünde dann keine Grundlage. Letztlich bedarf dies indes hier keiner Entscheidung.
47b) Denn der geltend gemachte Unterlassungsanspruch findet seine Grundlage jedenfalls in § 8 Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs. 1, § 5a Abs. 2 UWG.
48aa) Da der Unterlassungsanspruch in die Zukunft gerichtet ist, muss das Verhalten der Beklagten sowohl nach dem zur Zeit der beanstandeten Zeitungsanzeige geltenden Recht als auch nach dem zur Zeit der Entscheidung durch den Senat geltenden Recht wettbewerbswidrig sein (vgl. BGH, GRUR 2016, 403 [Fressnapf]; BGH, Urteil vom 21.07.2016 – I ZR 26/15 – [LGA tested]
bb) § 5a Abs. 2 UWG ist mit Wirkung ab dem 10.12.2015 neu gefasst worden.
50Nach § 5a Abs. 2 UWG a.F. handelte unlauter, wer die Entscheidungsfähigkeit von Verbrauchern im Sinne des § 3 Abs. 2 UWG a.F. dadurch beeinflusste, dass er eine Information vorenthielt, die im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände einschließlich der Beschränkungen des Kommunikationsmittels wesentlich war.
51Nach der ab dem 10.12.2015 geltenden Rechtslage handelt gemäß § 5a Abs. 2 Satz 1 UWG unlauter, wer im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände dem Verbraucher eine wesentliche Information vorenthält, die dieser je nach den Umständen benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen (Nr. 1), und deren Vorenthalten geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte (Nr. 2). Gemäß § 5a Abs. 2 Satz 2 UWG gilt als Vorenthalten auch das Verheimlichen wesentlicher Informationen (Nr. 1), die Bereitstellung wesentlicher Informationen in unklarer, unverständlicher oder zweideutiger Weise (Nr. 2) und die nicht rechtzeitige Bereitstellung wesentlicher Informationen (Nr. 3).
52cc) Diese Neufassung des § 5a Abs. 2 UWG hat zu keiner für den vorliegenden Fall erheblichen Änderung der Rechtslage geführt (vgl. BGH, GRUR 2016, 403 [Fressnapf]; BGH, Urteil vom 21.07.2016 – I ZR 26/15 – [LGA tested]
(1) Die Beklagte hat dadurch, dass sie in der Zeitungsanzeige nicht den wesentlichen Energieträger für die Heizung des Gebäudes angegeben hat, gegen § 3 Abs. 2, § 5a Abs. 2 UWG a.F. verstoßen.
54Nach § 5a Abs. 2 UWG a.F. handelte unlauter, wer die Entscheidungsfähigkeit von Verbrauchern im Sinne des § 3 Abs. 2 UWG a.F. dadurch beeinflusste, dass er eine Information vorenthielt, die im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände einschließlich der Beschränkungen des Kommunikationsmittels wesentlich war.
55(a) Informationen zum wesentlichen Energieträger für die Heizung eines Gebäudes sind wesentlich im Sinne des § 5a Abs. 2 UWG a.F.
56Eine Information ist nicht allein schon dann wesentlich im Sinne des § 5a Abs. 2 UWG, wenn sie für die geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers von Bedeutung sein kann, sondern nur dann, wenn ihre Angabe unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen vom Unternehmer erwartet werden kann und ihr für die geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers zudem ein erhebliches Gewicht zukommt (vgl. BGH, GRUR 2012, 1275 [Zweigstellenbriefbogen]; BGH, Urteil vom 21.07.2016 – I ZR 26/15 – [LGA tested]
(aa) Bei der Beurteilung der Frage, ob eine Information als wesentlich im Sinne von § 5a Abs. 2 UWG anzusehen ist, ist das Interesse des Unternehmers zu berücksichtigen, die Information nicht zu erteilen. In die Interessenabwägung mit einzustellen sind der zeitliche und der kostenmäßige Aufwand des Unternehmers für die Beschaffung der Information, die für den Unternehmer mit der Informationserteilung verbundenen Nachteile sowie möglicherweise bestehende Geheimhaltungsbelange (BGH, Urteil vom 21.07.2016 – I ZR 26/15 – [LGA tested]
Ein schutzwürdiges Interesse der Beklagten, nicht über den wesentlichen Energieträger für die Heizung des Gebäudes zu informieren, ist nicht erkennbar. Ihr ist es zuzumuten, die verlangten Informationen zu erteilen. Für die Beschaffung der Informationen entsteht der Beklagten nur ein geringfügiger zeitlicher und kostenmäßiger Aufwand. Sie muss sich lediglich bei ihrem Auftraggeber nach diesen Informationen erkundigen, sich gegebenenfalls den Energieausweis vorlegen lassen und die betreffenden Angaben in den Text der Anzeige übernehmen.
59Die mit der Informationserteilung verbundenen Nachteile hat die Beklagte hinzunehmen. Der Verordnungsgeber schätzt die Mehrkosten, die durch die nach Maßgabe des § 16a EnEV vorgeschriebene Angabe energetischer Kennwerte entstehen, auf einen Betrag von 0,50 € bis 2,50 € pro Immobilienanzeige (je nachdem, in welchem [kommerziellen] Medium die Anzeige veröffentlicht wird) (vgl. BR-Drucksache 113/13, Seiten 71, 75 und 77). Dieser Bewertung schließt sich der Senat an. Die solchermaßen geschätzten Mehrkosten sind zumutbar.
60Überdies stehen die Beschränkungen des verwendeten Kommunikationsmittels – hier: Werbung mittels Zeitungsanzeige – der Erteilung der in Rede stehenden Informationen nicht entgegen. Die verlangten Angaben können stichwortartig erfolgen. Bei der Abfassung des Anzeigentextes können auch gegebenenfalls verständliche Abkürzungen verwendet werden (vgl. BR-Drucksache 113/13, Seite 98).
61Schließlich liegt kein schutzwürdiges Geheimhaltungsinteresse der Beklagten vor. Soweit die Erteilung der in § 16a Abs. 1 EnEV genannten Informationen bei ungünstiger energetischer Beschaffenheit des beworbenen Objekts dessen Vermarktung erschwert, kann dies nicht dazu führen, die Informationen als nicht wesentlich im Sinne von § 5a Abs. 2 UWG anzusehen. Dem steht bereits das Informationsinteresse der Verbraucher entgegen.
62(bb) Zwar begründet nicht jedes mögliche Interesse eines kritischen Verbrauchers an einer Information deren Wesentlichkeit im Sinne des § 5a Abs. 2 UWG. Erforderlich ist eine besondere Bedeutung für die vom Durchschnittsverbraucher zu treffende geschäftliche Entscheidung. Die Frage, ob eine Information für die geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers von besonderer Bedeutung ist, ist nach dem Erwartungs- und Verständnishorizont des Durchschnittsverbrauchers zu beurteilen (BGH, Urteil vom 21.07.2016 – I ZR 26/15 – [LGA tested]
Hinsichtlich eines Entschlusses zum Erwerb der angebotenen Immobilie ist es für den durchschnittlichen Verbraucher von erheblichem Interesse, Informationen zum wesentlichen Energieträger für die Heizung des Gebäudes zu erhalten. Dies ergibt sich bereits aus der in der Regelung des § 16a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EnEV zum Ausdruck kommenden Wertung. Auch wenn § 16a EnEV ausdrücklich nur den Verkäufer, Vermieter, Verpächter bzw. Leasinggeber als Adressaten der Informationspflichten nennt, ändert dies nichts daran, dass der Verordnungsgeber die in der Norm genannten Informationen als solche als wesentlich ansieht („Pflichtangaben“). Denn handelte es sich nur um unbedeutende Informationen, bedürfte es nicht der Regelung des § 16a EnEV. Für den Interessenten ist es von besonderer Bedeutung, möglichst frühzeitig einen Eindruck von der energetischen Qualität des angebotenen Gebäudes und damit zugleich die Möglichkeit zu einem überschlägigen Vergleich der Kosten für Heizwärme mit anderen Immobilienangeboten zu erhalten (vgl. BR-Drucksache 113/13, Seite 99). Dieses Informationsbedürfnis wird durch die in § 16a EnEV vorgesehenen Angaben zum Endenergiebedarf bzw. -verbrauch, ergänzt um die Informationen zu den wesentlichen Energieträgern, umgesetzt. Die im Energieausweis genannten Energieträger sind erforderlich, um einen Eindruck der überschlägigen Kosten je Kilowattstunde benötigter Energie zu erhalten, da sich die Kosten je nach Energieträger erheblich unterscheiden können (vgl. BR-Drucksache 113/13, Seite 99).
64(b) Die Beklagte hat den Verbrauchern Informationen zum wesentlichen Energieträger für die Heizung des Gebäudes vorenthalten.
65Der Unternehmer enthält dem Verbraucher eine Information vor, wenn dieser sie nicht oder nicht so erhält, dass er sie bei seiner geschäftlichen Entscheidung berücksichtigen kann. Insoweit ist es allerdings erforderlich, dass die betreffende Information zum Geschäfts- und Verantwortungsbereich des Unternehmers gehört oder in sonstiger Weise für ihn verfügbar ist (BGH, Urteil vom 21.07.2016 – I ZR 26/15 – [LGA tested]
Die Zeitungsanzeige vom 11.04.2015 enthält keine Angaben zum wesentlichen Energieträger für die Heizung des Gebäudes. Die diesbezüglichen Informationen waren für die Beklagte angesichts des unstreitig vorliegenden Energieausweises auch verfügbar.
67(c) Es liegt auch eine spürbare Beeinträchtigung im Sinne von § 3 Abs. 2 UWG a.F. vor. Mit der Bejahung der Wesentlichkeit der vorenthaltenen Informationen sind jedenfalls nach der bis zum 09.12.2015 geltenden Rechtslage unwiderleglich auch die Erfordernisse des § 3 Abs. 2 UWG a.F. erfüllt, weil sich die Wesentlichkeit nach § 5a Abs. 2 UWG gerade dadurch definiert, dass der Verbraucher „im Sinne des § 3 Abs. 2 beeinflusst“ wird (Köhler/Bornkamm/Bornkamm, UWG, 33. Aufl. [2015], § 5a Rdnr. 56).
68(2) Das geschäftliche Handeln der Beklagten ist auch nach der neuen Fassung des § 5a Abs. 2 UWG unlauter und damit nach § 3 Abs. 1 UWG unzulässig.
69(a) Der Verbraucher benötigt nach den Umständen die Information über den wesentlichen Energieträger für die Heizung des Gebäudes, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen (§ 5a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UWG).
70„Geschäftliche Entscheidung“ ist jede Entscheidung eines Verbrauchers oder sonstigen Marktteilnehmers darüber, ob, wie und unter welchen Bedingungen er ein Geschäft abschließen, eine Zahlung leisten, eine Ware oder Dienstleistung behalten oder abgeben oder ein vertragliches Recht im Zusammenhang mit einer Ware oder Dienstleistung ausüben will, unabhängig davon, ob der Verbraucher oder sonstige Marktteilnehmer sich entschließt, tätig zu werden (§ 2 Abs. 1 Nr. 9 UWG). Die in Rede stehenden Informationen benötigt der Verbraucher, um beurteilen zu können, ob das angebotene Mietobjekt seinen Erwartungen in energetischer Hinsicht entspricht. Auf die obigen Ausführungen wird insoweit verwiesen.
71(b) Das Vorenthalten der betreffenden Informationen ist geeignet, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Handlung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte (§ 5a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UWG). Die unzureichenden energiebezogenen Informationen können den Verbraucher dazu veranlassen, aufgrund der Immobilienanzeige Kontakt zu der Beklagten aufzunehmen. Diese Entscheidung hätte der Verbraucher gegebenenfalls nicht getroffen, wenn er sich anhand der Angaben zum wesentlichen Energieträger für die Heizung des Gebäudes bereits aufgrund der Immobilienanzeige näher über die energiebezogenen Eigenschaften der Immobilie hätte informieren können.
72c) Das Bestehen einer Wiederholungsgefahr wird aufgrund des vorliegenden Wettbewerbsverstoßes tatsächlich vermutet. Umstände, die geeignet sind, diese Vermutung zu widerlegen, sind nicht ersichtlich.
73d) Nicht zu überzeugen vermag schließlich die Argumentation der Beklagten, Verstöße gegen § 16a EnEV könnten erst ab dem 01.05.2015 als unlautere geschäftliche Handlung gewertet werden, weil der für Verstöße gegen § 16a EnEV (der als solcher bereits seit dem 01.05.2014 in Kraft ist) geschaffene Ordnungswidrigkeitentatbestand (§ 27 Abs. 2 Nr. 6 EnEV) erst am 01.05.2015 in Kraft getreten sei. Dass ein bestimmtes Verhalten als Ordnungswidrigkeit verfolgbar ist, ist keine Voraussetzung für seine Qualifikation als Wettbewerbsverstoß.
742. Klageantrag zu 1.b)
75Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch findet seine Grundlage ebenfalls in § 8 Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs. 1, § 5a Abs. 2 UWG. Der Klageantrag zu 1.b) betrifft eine Immobilienanzeige zum Zwecke der Vermietung. Für ein solches Immobiliengeschäft gelten die obigen Ausführungen gleichermaßen, wie sich insbesondere aus der in § 16a Abs. 2 EnEV zum Ausdruck kommenden Wertung ergibt.
76II. Zahlungsanspruch
77Der vom Kläger geltend gemachte Zahlungsanspruch findet seine Grundlage in § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG. Die vom Kläger ausgesprochene Abmahnung war berechtigt. Die Höhe der vom Kläger geforderten Abmahnkostenpauschale ist im Rahmen der vom Senat nach § 287 Abs. 2 ZPO vorgenommenen Schätzung nicht zu beanstanden. Die vom Kläger als Anlage K7 vorgelegte Kostenaufstellung mag angesichts der hiergegen von der Beklagten erhobenen Einwände nicht als endgültiger Beleg für die dem Kläger (durchschnittlich) entstehenden Abmahnkosten geeignet sein. Sie ist indes zumindest eine im Rahmen des § 287 Abs. 2 ZPO ausreichende Schätzgrundlage.
78Der Zinsanspruch beruht auf § 288 Abs. 1 BGB.
79C.
80Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
81Die Zulassung der Revision beruht auf § 543 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 und 2 ZPO.