I.
Die Klägerin begehrt von der Beklagten restlichen Werklohn für die von der Klägerin beim Bauvorhaben der Beklagten „Neubau Kaffeerösterei D./I.“ erbrachte Arbeiten. Die Beklagte begehrt von der Klägerin im Wege der Widerklage die Rückzahlung der an die Klägerin geleisteten Abschlagszahlungen über die Angebotssumme von 313.710,- € hinaus.
Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen wird auf das Endurteil des Landgerichts Traunstein vom 27.06.2014 (Az.: 8 O 2074/11) gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen.
Mit vorgenanntem Urteil verurteilte das Landgericht Traunstein die Beklagte, an die Klägerin noch 100.126,77 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 04.11.2010 zu bezahlen sowie die Klägerin von vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 2.180,60 € freizustellen. Im Übrigen wurde die Klage und auch die Widerklage abgewiesen. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin könne für die von ihr durchgeführten Erdarbeiten bei dem vorliegenden Bauvorhaben insgesamt eine Nettoschlussrechnungssumme in Höhe von 606.168,50 € geltend machen. Hiervon seien die durch die Beklagte bereits geleisteten Zahlungen in Höhe von 506.041,73 € in Abzug zu bringen, so dass der Klägerin noch restlicher Werklohn in Höhe von 100.126,77 € zustehe. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei das Gericht davon überzeugt, dass ein sortenreiner Aushub mit Lagerung des brauchbaren Baugrubenaushubs mit anschließender Wiederverwendung zur Hinterfüllung nicht in dem vom Leistungsverzeichnis ursprünglich vorgesehenen Umfang möglich gewesen sei. Lediglich ca. die Hälfte der im Leistungsverzeichnis diesbezüglich unter Pos. 03010080 vorgesehenen Menge von 2.700 cbm sei vorhanden gewesen. Damit sei einerseits zwar nicht der gesamte Baugrubenaushub als unbrauchbar anzusehen und gemäß Pos. 03010012 des Leistungsverzeichnisses abzurechnen, andererseits sei es aber auch nicht möglich gewesen, das gesamte zur Hinterfüllung der Baugrube benötigte Material aus der Baugrube zu entnehmen und wieder zu verwenden. Die fehlende Wiederverwertbarkeit durchnässter Aushubanteile sei zur Überzeugung des Gerichts nicht im Verantwortungsbereich der Klägerin gelegen. Infolge der fehlenden Beherrschung der Wasserproblematik hätte ein umfangreicherer Bodenaustausch unter der Bodenplatte durchgeführt werden müssen. Hierfür sei nicht nur die Beklagte, sondern auch die Klägerin verantwortlich. Der Mitverschuldensanteil der Klägerin sei auf 20% zu bemessen. Hinsichtlich der Aufmaße sei es so, dass die Beklagte erstmals im Schriftsatz vom 16.05.2014 die GPS-Messung, die vertragsgemäß von der Klägerin zu erstellen war, hinsichtlich der in der Schlussrechnung angesetzten Massen bestritten habe. Dieses Vorbringen sei gemäß §§ 296, 296 a ZPO verspätet und könne nicht mehr berücksichtigt werden. Die Gewährung der Schriftsatzfrist auf die von der Klägerin mit Schriftsatz vom 26.03.2014 vorgelegten Unterlagen sei lediglich zur Stellungnahme erstmals zur Akte gelangter Dokumente erteilt worden. In Bezug auf weitere Schlussrechnungspositionen sei das Gericht überzeugt, dass die Klägerin zwar nicht von einer generellen Bevollmächtigung des Zeugen A. habe ausgehen dürfen. Es sei aber so gewesen, dass der Zeuge A. Dinge, die an ihn herangetragen worden seien, in Abstimmung mit Herrn M. an die Klägerin weitergegeben habe, so dass beklagtenseits eine Auftragserteilung durch den vertraglich als Vertretungsberechtigten benannten Herrn M. erfolgt sei. Nachdem kein zum Hinterfüllen der Unterfahrt und Fundamente geeignetes Material in der Baugrube vorhanden gewesen sei, habe die Klägerin davon ausgehen können, dass stattdessen Lieferkies zur Hinterfüllung verwendet werden sollte, der mit dem vereinbarten Einheitspreis von 13,50 € abgerechnet werden könne. Weitere Schlussrechnungspositionen seien von der Beklagten nicht substantiiert angegriffen worden.
Die Widerklage der Beklagten sei unbegründet, da die Klägerin über die bereits erbrachten Zahlungen der Beklagten hinaus einen weiteren Zahlungsanspruch gegen die Beklagte habe, so dass die Widerklage unbegründet sei. Zu den Einzelheiten wird auf das Endurteil des Landgerichts Traunstein vom 27.06.2014 (Bl. 384/402 d. A.) Bezug genommen.
Gegen dieses an die Beklagte am 07.07.2014 zugestellte vollständig abgefasste erstinstanzliche Urteil legte die Beklagte mit Schriftsatz vom 09.07.2014 Berufung ein, mit der sie die vollständige Abweisung der Klage begehrt und die mit der Widerklage geltend gemachten Rückzahlungsansprüche in Höhe von 192.542,73 € weiterverfolgt. Das Urteil leide an erheblichen Verfahrensfehlern. Es stelle eine Überraschungsentscheidung dar, weil das Landgericht Traunstein noch in der letzten mündlichen Verhandlung davon gesprochen habe, es sehe schon die Widerklage zu einem Teil begründet, da es Zweifel an der Beauftragung von Leistungen durch den Zeugen A. habe. Das Erstgericht habe insoweit seine Meinung geändert und hätte auf seinen Sinneswandel vorher hinweisen müssen. Die Beklagte hätte dann die Klarstellung betrieben, die sie nun in der Berufungsbegründung vorgenommen habe. Zudem sei mehrfach gegen das Recht der Beklagten auf rechtliches Gehör verstoßen worden. Bereits in der Klageerwiderung und in späteren weiteren Schriftsätzen habe die Beklagte die Richtigkeit der von der Klägerin vorgelegten GPS-Vermessung bestritten. Zudem habe die Beklagte konkrete Schlussrechnungspositionen und deren detaillierte Mengen bestritten. Das Erstgericht hätte deshalb den gesamten Vortrag der Beklagten von der Klageerwiderung bis zum nachgelassenen Schriftsatz vom 16.05.2014 würdigen und für seine Entscheidung heranziehen müssen. Damit sei die gesamte Schlussrechnung in jeder einzelnen Position streitig. Jedenfalls hätte das Landgericht Traunstein darauf hinweisen müssen, dass es den Vortrag im Schriftsatz vom 16.05.2015 nicht mehr berücksichtige und dass der Vortrag der Beklagten zu einzelnen Schlussrechnungspositionen unsubstantiiert sei. Es sei zudem rechtsfehlerhaft, wenn das Erstgericht auf den nachgelassenen Schriftsatz vom 16.05.2014 die §§ 296, 296 a ZPO zur Anwendung bringe.
Zudem lägen zahlreiche materiell-rechtliche Fehler vor. So hätte das Erstgericht ausführen müssen, ob die geltend gemachten zusätzlichen Leistungen auf der Anspruchsgrundlage des § 2 Abs. 5 VOB/B oder des § 2 Abs. 6 VOB/B beruhen würden. Das Erstgericht habe sich jedoch auf keine Anspruchsgrundlage festgelegt. Zudem sei die Klageforderung von der Klägerin nicht lückenfrei und damit nicht schlüssig vorgetragen worden. Die Beklagte habe immer darauf hingewiesen, dass die Klägerin rechtswidrig nur zu einzelnen Positionen der Schlussrechnung isoliert vorgetragen habe. Das Erstgericht hätte eine Prüfung der einzelnen Positionen nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung erst auf Grundlage einer vollständig dargelegten Schlussrechnungssumme vornehmen dürfen. Ohne eine Rechtspflicht habe die Beklagte der Klägerin zumindest die ursprüngliche Auftragssumme überlassen. Nur den darüber hinausgehenden Betrag habe die Beklagte mit der Widerklage zurückgefordert. Die Beklagte habe Abschlagszahlungen in Höhe von 506.252,73 € geleistet. Abzüglich der Angebotssumme in Höhe von 313.710,-- € ergebe sich der nun zurückgeforderte Betrag in Höhe von 192.542,73 €. Zu den Einzelheiten wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 08.10.2014 (Bl. 419/471 d. A.) Bezug genommen.
Die Beklagte beantragt,
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1.das angefochtene Urteil des LG Traunstein abzuändern und
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2.die Klage vollumfänglich abzuweisen sowie
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3.die Klägerin zu verurteilen, an die Beklagte 192.542,73 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus p.a. seit Rechtshängigkeit der Widerklage zu zahlen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen hilfsweise, den Rechtsstreit an das Landgericht Traunstein zurückzuverweisen.
Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil. Sämtliche Vorgehensweisen bei der gegenständlichen Baustelle seien mit der Beklagten bzw. mit deren Bauleitung abgesprochen gewesen. Das unsubstantiierte Bestreiten der Beklagten sei nicht ausreichend und werde durch die Beweisaufnahme widerlegt. Der für die Beklagte als Projektleiter tätige Zeuge Wa. habe angeordnet, die Gründung der Kräne herzustellen und den Bodenaustausch vorzunehmen. Ebenso sei von Herrn Wa. für die Beklagte beschlossen worden, das vorgefundene Material nicht zur Verfüllung zu verwenden. Bestätigt werde dies durch die schriftliche Aussage des Zeugen M., der zudem als Beweis angeboten worden sei. Zu den Einzelheiten wird auf die Berufungserwiderungsschrift vom 04.11.2014 (Bl. 476/480 d. A.) Bezug genommen.
Soweit hinsichtlich der Problematik einer möglichen Duldungs- und Anscheinsvollmacht eine Überraschungsentscheidung des erstinstanzlichen Gerichts vorliege, möge von dem erstinstanzlichen Gericht noch einmal in die Beweisaufnahme eingetreten werden. Auch hinsichtlich der Massen sei dann eine Beweisaufnahme von dem erstinstanzlichen Gericht durchzuführen. Zu den Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 11.02.2015 (Bl. 489/490 d. A.) Bezug genommen.
Der Senat hat mit Verfügung vom 28.01.2015 Hinweise gemäß § 139 ZPO erteilt (Bl. 487/488 d. A.). Hierzu äußerte sich die Klägerin mit Schriftsatz vom 11.02.2015 (Bl. 489/490 d. A.).
In der mündlichen Verhandlung vom 13.05.2015 wurde mit den Parteien die Sach- und Rechtslage ausführlich erörtert (Bl. 491/493 d. A.).
Die Beklagte hat sich mit nichtnachgelassenem Schriftsatz vom 15.06.2015 geäußert, dessen Inhalt der Senat sorgfältig gelesen und geprüft hat.
Eine Beweisaufnahme vor dem Senat hat nicht stattgefunden.
II.
Auf die Berufung der Beklagten und den Hilfsantrag der Klägerin wird das Endurteil des Landgerichts Traunstein vom 27.06.2014 (Az.: 8 O 2074/11) wegen Verfahrensfehlern aufgehoben (A). Soweit die Beklagte vollumfängliche Klageabweisung sowie im Wege der Widerklage begehrt, die Klägerin zu verurteilen, an die Beklagte 192.542,73 € nebst Zinsen zu verurteilen, erweist sich die Berufung mangels Entscheidungsreife als unbegründet (B). Der Rechtsstreit wird einschließlich des Verfahrens aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen (C).
A. Die Berufung der Beklagten ist gemäß §§ 511, 513, 517, 519, 520 ZPO zulässig. Die Berufung ist auch teilweise begründet, weil das angegriffene Urteil verfahrensfehlerhaft zustandegekommen ist.
1. Das Landgericht Traunstein hat in der letzten mündlichen Verhandlung vom 11.04.2014 darauf hingewiesen, dass es problematisch erscheint, ob eine Anscheins- bzw. Duldungsvollmacht des von der Beklagten beauftragten Bauleiters A. gegeben gewesen sei, dies insbesondere im Hinblick auf die vertraglichen Regelungen zwischen den Parteien, wonach eine Vertretung der Beklagten ausschließlich durch die im Vertragstext bezeichneten Personen erfolge (Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 11.04.2014, Seite 2, vorletzter Absatz = Bl. 315 d. A.). Damit hat das Landgericht Traunstein zu erkennen gegeben, dass es für die wirksame Beauftragung zahlreicher Nachtragspositionen auf diese Frage ankommen werde.
In den Entscheidungsgründen des angefochtenen Endurteils führt das Landgericht Traunstein aus, dass es aufgrund der Gesamtumstände davon überzeugt sei, dass die Klägerin zwar nicht von einer generellen Bevollmächtigung des Zeugen A. habe ausgehen dürfen. Der Zeuge A. habe aber angegeben, dass er Dinge, die an ihn herangetragen worden seien, dann mit Herrn M. besprochen und dessen Entscheidungen wiederum an die Klägerin weitergegeben habe. Damit sei nach Überzeugung des Gerichts beklagtenseits eine Auftragserteilung durch den vertraglich als Vertretungsberechtigten benannten Herrn M. erfolgt (Seite 14, letzter und vorletzter Absatz des angefochtenen Endurteils = Bl. 397 d. A.).
Hinsichtlich der Pos. 1 des Nachtrags 1 sei zwischen den Parteien eine Preisvereinbarung getroffen worden, nachdem der Zeuge A. seine Angaben mit Herrn M. abgesprochen und von diesem freigegeben bekommen habe, so dass durch die Beklagte eine wirksame Auftragserteilung erfolgt sei (angefochtenes Endurteil, Seite 17, 1. Absatz = Bl. 400 d. A.).
Das Landgericht Traunstein hat somit im angefochtenen Endurteil entgegen seinem früheren Hinweis vom 11.04.2014 nicht mehr auf die seiner Ansicht nach wohl fehlende Duldungs- und Anscheinsvollmacht für den Zeugen A. abgestellt, sondern einen Vertragsschluss zwischen der Klägerin und der Beklagten, vertreten durch den vertretungsberechtigten Zeugen M., bejaht, wobei der Zeuge A. hier offensichtlich nur als Bote fungierte. Da das Landgericht Traunstein auf diese für den Rechtsstreit in zahlreichen Positionen entscheidende Änderung der Rechtsansicht nicht vor Urteilserlass hingewiesen hat, handelt es sich bei dem angefochtenen Endurteil um eine Überraschungsentscheidung, mit der das rechtliche Gehör der Beklagten gemäß Art. 103 Abs. 1 GG verletzt wurde. Zudem verstieß das Erstgericht hierdurch gegen den Grundsatz des fair trial, der Ausfluss des in Art. 20 Abs. 3 GG geregelten Rechtstaatsprinzips ist.
2. Im angefochtenen Endurteil führt das Landgericht Traunstein aus, die Beklagte habe erstmals im Schriftsatz vom 16.05.2014 die GPS-Messung hinsichtlich der in der Schlussrechnung angesetzten Massen bestritten. Dieses Vorbringen sei gemäß §§ 296, 296 a ZPO verspätet und nicht mehr zu berücksichtigen. Die in der letzten mündlichen Verhandlung gewährte Schriftsatzfrist habe sich auf die von der Klägerin mit Schriftsatz vom 26.03.2014 vorgelegten Unterlagen bezogen. Eine Stellungnahmefrist sei nur auf erstmals zur Akte gelangte Dokumente gewährt worden (angefochtenes Endurteil Seite 12, vorletzter und letzter Absatz). Bis zur letzten mündlichen Verhandlung habe die Beklagte gegen die Schlussrechnung der Klägerin lediglich eingewandt, dass die Aufmaße nicht korrekt seien, da die Klägerin die Baugrube größer als erforderlich ausgehoben habe. Die Ergebnisse der GPS-Messung als solche seien nicht bestritten worden (angefochtenes Endurteil Seite 12, 1. Absatz = Bl. 395 d. A.).
Entgegen der Rechtsansicht des Erstgerichts hat die Beklagte nicht erstmals mit Schriftsatz vom 16.05.2014 die Ergebnisse der GPS-Messung bestritten, sondern bereits in der Klageerwiderungsschrift vom 26.07.2011, Seite 11-13 (= Bl. 27-29 d. A.) sämtliche Massenermittlungen der Klägerin, insbesondere auch die Massenermittlung durch die GPS-Vermessung bestritten. Diesen Vortrag der Beklagten hat das Erstgericht nicht zur Kenntnis genommen und bei seiner Entscheidungsfindung nicht berücksichtigt. Damit hat das Erstgericht das rechtliche Gehör der Beklagten verletzt.
3. Zudem hat das Landgericht Traunstein in der letzten mündlichen Verhandlung vom 11.04.2015 auf den Antrag der Beklagten hin zu den in dieser Sitzung erteilten Hinweisen, aber auch zur Stellungnahme auf die Anlagen zu dem Schriftsatz vom 26.03.2014, die der Beklagten noch zu übersenden sind, eine Schriftsatzfrist gewährt. Eine Einschränkung auf erstmals zur Akte gelangte Dokumente (so Endurteil Seite 12 = Bl. 395 d. A.) findet sich in diesem Beschluss nicht. Das Erstgericht hätte somit den Vortrag der Beklagten im Schriftsatz vom 16.05.2014 auch hinsichtlich der GPS-Messung berücksichtigen müssen. Es hat jedoch verfahrensfehlerhaft diesen Vortrag der Beklagten nicht mehr berücksichtigt und sich zu Unrecht auf die Präklusionsvorschriften der §§ 296, 296 a ZPO berufen.
4. In den Entscheidungsgründen des angefochtenen Endurteils auf Seite 16 (= Bl. 399 d. A.) führt das Erstgericht aus, weitere Positionen der Schlussrechnung seien von der Beklagten nicht substantiiert angegriffen worden. Diese wurden sodann in dem von der Klägerin geltend gemachten Umfang bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt und zugesprochen.
Dabei verkennt das Landgericht Traunstein materiell-rechtlich, dass es nicht Sache der Beklagten ist, Positionen der Schlussrechnung der Klägerin substantiiert zu bestreiten, soweit es an einem substantiierten Vortrag der Klägerin wie vorliegend fehlt. Die Rechtsposition des Erstgerichts zugrunde gelegt, hätte das Landgericht Traunstein jedenfalls die Beklagte vor Urteilserlass darauf hinweisen müssen, dass es das Bestreiten der Beklagten für unsubstantiiert hält, damit diese Gelegenheit bekommt, hierauf zu reagieren und substantiiert vorzutragen.
Dieser fehlende Hinweis gemäß § 139 ZPO vor Urteilserlass stellt einen weiteren Verfahrensfehler des Landgerichts Traunstein dar. Auch hierdurch wurde das rechtliche Gehör der Beklagten gemäß Art. 103 Abs. 1 GG verletzt.
B. Soweit die Beklagte in ihrer Berufung begehrt, die Klage vollumfänglich abzuweisen und die Klägerin zu verurteilen, an die Beklagte 192.542,73 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit der Widerklage zu zahlen, erweist sich die Berufung als unbegründet. Weder der Antrag auf vollumfängliche Klageabweisung noch die Widerklage sind entscheidungsreif.
1. Die Klage ist unschlüssig, da die Klägerin den Saldo der Schlussrechnung nicht ausreichend dargelegt hat.
Nach ständiger Rechtsprechung des BGH muss der Werkunternehmer den vollständigen Saldo der Schlussrechnung darlegen. Erst nach dargelegter Schlussrechnung errechnet sich nach Abzug von Abschlagszahlungen der dann der Klageforderung zugrundeliegende offene Betrag (BGH, NJW 1997, 1444; BGH, NJW 1999, 417, 418). Kommt es zu einer Änderung des Bauentwurfs oder werden andere Anordnungen im Sinne des § 1 Nr. 3 VOB/B getroffen, gehört die Darlegung der Mehr- oder Minderkosten zu einem schlüssigen Klagevortrag. Eine Klage, mit der lediglich erhöhte Kosten einzelner Elemente der Preisgrundlagen geltend gemacht werden, ist grundsätzlich unschlüssig, weil sie nicht die geforderte Mehr- und Minderkostenberechnung enthält und auch nicht darauf gestützt ist, dass der neue Preis höher ist als der alte Preis, so dass der Auftraggeber verpflichtet ist, die Differenz zu vergüten (BGH, BauR 2009, 1724, 1731, Rn. 61).
Mit ihrer Klage macht die Klägerin vorliegend geltend, sie habe zutreffend eine Schlussrechnung über einen Betrag in Höhe von 661.820,84 € der Beklagten zugeleitet. Auf diesen Betrag habe die Beklagte Abschlagszahlungen in Höhe von insgesamt 506.041,73 € gezahlt, so dass sich hieraus eine Klageforderung in Höhe von 155.778,84 € ergebe. Mit der Klageschrift beruft sich die Klägerin in erster Linie auf die vereinbarte Angebotssumme in Höhe von 313.710,- €, ohne dass dieser Betrag aus der Schlussrechnung selbst ersichtlich ist. Die Klägerin trägt weiter vor, ihr stünde eine Vergütung für Mehraushub in Höhe von 118.470,-- € zu und trägt einen weiteren Mehrkostenanspruch in Höhe von 17.000,-- € vor. Aus der Schlussrechnung (K 12) trägt die Klägerin selbst nur zu einem Betrag in Höhe von 131.753,36 € vor (6.651,90 € für Vlies, NA 1, Pos. 1 in der Schlussrechnung; 16.157,49 € für Sprenggut, NA 2, Pos. 1 in der Schlussrechnung und 108.942,03 € für Kies, Pos. 03010085 in der Schlussrechnung). Die von der Klägerin in der Klageschrift angegebenen Vergütungsbeträge ergeben zusammen nur eine Vergütung von 585.931,42 €. Geltend gemacht wurde in der Schlussrechnung aber ein Betrag in Höhe von 661.820,84 €. Somit fehlt es an einem klägerischen Vortrag zu einer Vergütung für 80.898,42 €.
Die Klage ist somit bereits aus diesem Grund unschlüssig.
Hinzukommt, dass vorliegend die Bauausführung im wesentlichen Teil abweichend vom Bau-Soll erfolgte. An einem durchgehenden klägerischen Vortrag zu jeder einzelnen Position der Schlussrechnung (Einheitspreis und Massen), zu einer vom Bau-Soll abweichenden Ausführung (Anordnung im Sinne des § 1 Abs. 3 VOB/B, Nachtragsangebot mit Nachtragskalkulation, § 2 Abs. 5 VOB/B oder § 2 Abs. 6 VOB/B) und zu den einzelnen Anspruchsvoraussetzungen mangelt es. Insbesondere fehlt es an einer nachvollziehbaren Darlegung der Preisgrundlagen aufgrund der vorzulegenden Auftrags-/Urkalkulation bzw. einer plausiblen Nachkalkulation für geltend gemachte Mehrvergütungsansprüche bei Nachträgen im Sinne von § 2 Abs. 5 VOB/B bzw. § 2 Abs. 6 VOB/B. Auch aus diesem Grund ist die Klage unschlüssig (OLG Düsseldorf, Urteil vom 21.11.2014 - 22 U 37/14, IBRRS 2015, 0203).
Schließlich fehlt es an einem Vortrag der Klägerin zu sämtlichen Positionen, ob zwischen den Parteien vor Ausführung des geänderten Bauentwurfs oder vor Erbringung zusätzlicher Leistungen eine Preisvereinbarung getroffen wurde gemäß § 2 Abs. 5 Satz 2 VOB/B bzw. § 2 Abs. 6 Nr. 2 Satz 2 VOB/B. Eine solche wirksame Preisvereinbarung wäre für die Parteien grundsätzlich bindend (Kapellmann/Schiffers, Nachträge, Band 1., 6. Aufl, Rn. 946) und würde gegebenenfalls eine nachvollziehbare Darlegung der Preisgrundlagen entbehrlich machen.
Da entgegen der Rechtsansicht des Erstgerichts die Klage somit unschlüssig ist, wären an sich die Voraussetzungen für eine endgültige Klageabweisung gegeben (OLG Düsseldorf, Urteil vom 29.11.2014 - 22 U 37/14, a.a.O.).
Weil aber die Klägerin aufgrund der vom Erstgericht geäußerten Rechtsansicht von einer Schlüssigkeit der Klage ausgehen durfte, gebietet es der Grundsatz des fair trial, der Klägerin Gelegenheit zu geben, im weiteren Fortgang des Rechtsstreits die Klageforderung schlüssig darzustellen. Zudem würde es eine Verletzung des rechtlichen Gehörs der Klägerin darstellen, wenn der Senat ohne vorherigen Hinweis an die Klägerin die Klage endgültig als unbegründet abweisen würde.
2. Auch die Widerklage ist nicht entscheidungsreif.
Dabei ist der Vortrag der Beklagten zur Widerklage schlüssig. Die Beklagte hat dargetan, sie habe Abschlagszahlungen in Höhe von 506.252,73 € geleistet (B 16). Ohne Anerkennung einer Rechtspflicht gesteht die Beklagte der Klägerin einen Anspruch auf Werklohn in Höhe der ursprünglich vereinbarten Angebotssumme von insgesamt 313.710,-- € zu, so dass sich ein Rückforderungsanspruch in Höhe von 192.542,73 € ergibt.
Nach der Rechtsprechung des BGH ist es nun Sache der Klägerin, darzulegen und zu beweisen, dass sie berechtigt ist, den zurückgeforderten Betrag in Höhe von 192.542,73 € zu behalten (BGH, Urteil vom 08.05.2015 - VII ZR 6/14, IBRRS 2015, 0269, Rn. 15). Gelingt dies der Klägerin nicht, so hat die Beklagte einen vertraglichen Zahlungsanspruch in dieser Höhe.
Da das Landgericht Traunstein auf die Darlegungs- und Beweislast der Klägerin bisher nicht hingewiesen hat, kommt aus den vorgenannten Gründen es nicht in Betracht, der Widerklage stattzugeben, ohne dass die Klägerin Gelegenheit bekommt, auch hinsichtlich der Widerklage ergänzend vorzutragen.
C. Der Senat ist bei Abwägung aller Umstände in Ausübung des ihm zustehenden Ermessens zu dem Ergebnis gelangt, dass auf den Hilfsantrag der Klägerin der Rechtsstreit unter Aufhebung des angefochtenen Urteils und des Verfahrens an das Erstgericht gemäß § 538 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO zurückzuverweisen ist.
Dabei hat der Senat in seinen Ermessenserwägungen eingestellt, dass vorliegend das Ersturteil an wesentlichen Mängeln leidet, aufgrund derer eine umfangreiche und aufwendige Beweisaufnahme mit der Vernehmung zahlreicher Zeugen und Erholung von Sachverständigengutachten notwendig ist (§ 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Dabei werden die von der Klägerin benannten Zeugen W. (Bl. 489 d. A.), M. (Bl. 319, 321 d. A.) und Wa. (Bl. 321 d. A.) zu vernehmen sein, wenn es der Klägerin gelingt, zur Klage und Widerklage schlüssig vorzutragen. In diesem Fall kommt auch eine erneute Vernehmung der Zeugen A. und E. ernsthaft in Betracht. Schließlich wird dann auch gegebenenfalls ein Sachverständigengutachten dazu zu erholen sein, ob die GPS-Messungen ordnungsgemäß waren und die Massen zutreffend ermittelt wurden (Bl. 489 d. A.). Zur Durchführung dieser Messungen wird gegebenenfalls auch der von der Klägerin benannte sachverständige Zeuge M. W. (Bl. 489 d. A.) zu vernehmen sein.
Der Senat hält vorliegend eine Zurückverweisung für sachdienlich, weil den Parteien sonst der Verlust einer Tatsacheninstanz droht, aber das Interesse an einer möglicherweise schnelleren Erledigung durch den Senat diesen Verlust nicht überwiegt (BGH, NJW 2000, 2024). Somit war dem Hilfsantrag der Klägerin zu entsprechen.
Der Senat weist für den weiteren Fortgang des Verfahrens auf Folgendes hin:
1. In einem ersten Schritt wird der Klägerin Gelegenheit zu geben sein, zur Klage und Widerklage unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BGH schlüssig vorzutragen. Gelingt dies nicht, wird die Klage als endgültig unbegründet abzuweisen und die Widerklage als begründet zuzusprechen sein. Hinsichtlich der Widerklage wird dabei zu klären sein, ob die Beklagte Abschlagszahlungen in Höhe von 506.041,73 € geleistet hat (so das angefochtene Endurteil, Seite 5 und Seite 18) oder 506.252,73 € (so die Beklagte, Berufungsbegründungsschrift vom 08.10.2014, Seite 51 = Bl. 469 d. A.).
2. Gelingt der Klägerin ein schlüssiger Vortrag zur Klage und Widerklage und bestreitet die Beklagte diesen, wird hinsichtlich jeder einzelnen vom Bau-Soll abweichenden Schlussrechnungsposition durch Zeugeneinvernahme zu klären sein, ob die Parteien aufgrund einer wirksamen Anordnung der Beklagten den Bauentwurf geändert haben oder ob zusätzliche Leistungen von der Beklagten wirksam angefordert wurden und inwieweit die Parteien eine wirksame Preisvereinbarung getroffen haben gemäß § 2 Abs. 5 Satz 2 VOB/B bzw. § 2 Abs. 6 Nr. 2 Satz 2 VOB/B.
3. Ergibt die durchgeführte Beweisaufnahme, dass eine solche Preisvereinbarung nicht getroffen wurde, aber eine wirksame Anordnung der Beklagten im Sinne des § 1 Abs. 3 oder 4 VOB/B gegeben ist, so bedarf es für einen schlüssigen Klagevortrag einer nachvollziehbaren Darlegung der Preisgrundlagen für diese Nachtragsposition aufgrund der von der Klägerin vorzulegenden Auftrags-/Urkalkulation bzw. einer plausiblen Nachkalkulation (OLG Düsseldorf, Urteil vom 21.11.2014 - 22 U 37/14, a.a.O.). Gelingt der Klägerin ein solcher schlüssiger Klagevortrag und werden die Preisgrundlagen von der Beklagten bestritten, wird gegebenenfalls ein Sachverständigengutachten zur Preisermittlung zu erholen sein.
4. Schließlich wird hinsichtlich der in der Schlussrechnung geltend gemachten Massen bei einem schlüssigen Vortrag der Klägerin ebenfalls ein Sachverständigengutachten zu erholen sein, ob die Massenberechnung im Rahmen der GPS-Vermessung ordnungsgemäß erfolgte und ob die geltend gemachten Massen zutreffend sind.
III.
1. Eine Kostenentscheidung ist derzeit nicht veranlasst. Diese bleibt der abschließenden Entscheidung des Landgerichts Traunstein vorbehalten (Zöller/Heßler, ZPO, 30. Aufl., § 538 Rn. 58).
2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 (zur Erforderlichkeit des Ausspruchs siehe Zöller/Heßler, a.a.O., § 538 Rn. 59).
3. Die Revision war gemäß § 543 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts auch nicht erfordert. Vorliegend handelt es sich um eine Einzelfallentscheidung auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs.
4. Der Streitwert ergibt sich aus §§ 62, 47, 48 GKG, § 3 ZPO. Der Streitwert errechnet sich aus einer Addition der Teilstreitwerte (100.126,77 € + 192.542,73 €).