Oberlandesgericht Koblenz Urteil, 13. Feb. 2014 - 6 U 747/13

ECLI:ECLI:DE:OLGKOBL:2014:0213.6U747.13.0A
bei uns veröffentlicht am13.02.2014

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Bad Kreuznach vom 28. Mai 2013 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 28. Juni 2013 teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte zu 1) wird verurteilt, an die Klägerin 5.271,84 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz für das Jahr seit dem 24. Oktober 2012 zu zahlen.

Die Beklagte zu 2) wird verurteilt, zu dulden, dass die Klägerin aus dem vollstreckbaren Titel gegen den Beklagten zu 1) wegen Anwaltsvergütung in die von ihr verwalteten Nachlassgegenstände, insbesondere die Grundstücke ...[X] in …[Y], Darlehen für die …[A] nebst Zinseinnahmen und die Bankguthaben bei der Sparkasse …[Z] vollstreckt.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Beklagten haben die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen jeweils zur Hälfte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

1

Der Darstellung tatsächlicher Feststellungen bedarf es nicht, weil ein Rechtsmittel gegen dieses Urteil unzweifelhaft nicht zulässig ist (§§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 313 a Abs. 1 Satz 1, 543 Abs. 1 ZPO in Verbindung mit § 26 Nr. 8 EGZPO).

II.

2

Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache Erfolg. Das angefochtene Urteil ist hinsichtlich der Klageanträge zu 1) und 2) teilweise abzuändern und der Klage insoweit in vollem Umfang stattzugeben. Soweit die Klägerin auch ihre Klageanträge zu 3) und 4) zunächst mit der Berufung weiterverfolgt hat, hat sie ihr Rechtsmittel in der Berufungsverhandlung zurückgenommen.

3

A) Klageantrag zu 1)

4

Die Klägerin hat - über den vom Landgericht bereits zugesprochenen Betrag von 586,08 € nebst Zinsen hinaus - gegen den Beklagten zu 1) Anspruch auf Zahlung weiterer Anwaltsvergütung gemäß §§ 675, 611, 1922 Abs. 1 BGB in Höhe von 4.685,76 €, insgesamt 5.271,84 € nebst Zinsen. Der Beklagte zu 1) schuldet die Anwaltsvergütung als Erbe nach seiner verstorbenen Mutter ...[C] (im Folgenden auch: Erblasserin oder Betroffene).

5

1. Zwischen der Klägerin und der damals unter Betreuung stehenden ...[C] sind im Zeitraum zwischen Februar 2010 und November 2010 mehrere wirksame Anwaltsverträge zustande gekommen, die sich auf die anwaltliche Vertretung im Betreuungsverfahren beziehen.

6

Frau ...[C] hat der Klägerin mit Datum vom 13. April 2010 eine umfassende Vollmacht in Betreuungsangelegenheiten erteilt (Anlage K1 = GA 8), auf deren Grundlage die Klägerin in verschiedenen Betreuungsangelegenheiten für die Erblasserin tätig geworden ist. Diese anwaltlichen Tätigkeiten hat die Klägerin mit den Rechnungen vom 14. September 2010, 1. Juli 2010, 15. Juli 2010, 14. September 2010 und 23. Dezember 2010 (Rechnungsnummern: 10-0164, 10-0165, 10-180, 10-237, 10-238, 10-239 und 10-339) in Höhe von insgesamt 5.271,84 € abgerechnet. Der Klägerin steht der Anspruch in der geltend gemachten Höhe zu.

7

a) Zwischen der Klägerin und der Erblasserin sind die jeweiligen Geschäftsbesorgungsverträge wirksam zustande gekommen.

8

aa) Die Klägerin hat im ersten Rechtszug in ihrem nachgelassenen Schriftsatz vom 2. April 2013 im Einzelnen dargelegt, dass ...[C] ihr in der jeweils abgerechneten Angelegenheit den Auftrag zur anwaltlichen Vertretung erteilt hat. Dieser Darstellung haben die Beklagten nachfolgend, auch im Berufungsverfahren, nicht widersprochen.

9

bb) Die jeweilige Auftragserteilung ist auch als wirksam anzusehen.

10

Es kann dahinstehen, ob ...[C] im Zeitpunkt der jeweiligen Auftragserteilung noch geschäftsfähig war (vgl. § 104 Nr. 2 BGB) und ob der Abschluss der jeweiligen Anwaltsverträge dem vom Amtsgericht Bad Kreuznach angeordneten Einwilligungsvorbehalt (§ 1903 BGB) im Aufgabenkreis "Vermögenssorge" unterfiel. Zwar ist nach § 105 Abs. 1 BGB die Willenserklärung eines Geschäftsunfähigen nichtig. Jedoch folgt aus § 275 FamFG, dass der Betroffene in Betreuungssachen einen Rechtsanwalt auch dann wirksam mit der anwaltlichen Vertretung beauftragen kann (§ 675 BGB), wenn nach materiellem Recht der Anwaltsvertrag wegen Fehlens der Geschäftsfähigkeit nicht wirksam geschlossen werden könnte.

11

(1) Nach § 275 FamFG ist in Betreuungssachen der Betroffene ohne Rücksicht auf seine Geschäftsfähigkeit verfahrensfähig. Der Bundesgerichtshof hat durch Beschluss vom 30. Oktober 2013 (XII ZB 317/13; diese und die folgenden Entscheidungen zitiert nach juris) entschieden, dass der Betroffene in Betreuungssachen als verfahrensfähig anzusehen ist, ohne dass es auf seine Fähigkeit ankommt, einen natürlichen Willen zu bilden, und dass die Verfahrensfähigkeit auch die Befugnis umfasst, einen Verfahrensbevollmächtigten zu bestellen, also eine wirksame Vollmacht für das Betreuungsverfahren zu erteilen.

12

(2) Ist der Betroffene nach § 275 FamFG fähig, einem Rechtsanwalt zur anwaltlichen Vertretung Vollmacht zu erteilen, ist es folgerichtig, aus dieser Vorschrift auch die Rechtsfolge zu entnehmen, dass der Betroffene ungeachtet seiner etwaigen Geschäftsunfähigkeit und eines Einwilligungsvorbehalts die rechtliche Befugnis hat, den der Vollmachterteilung zugrunde liegenden schuldrechtlichen Geschäftsbesorgungsvertrag wirksam abzuschließen (vgl. auch LG Saarbrücken, Beschluss vom 7. Dezember 2004 - 5 T 581/04; Keidel/Budde, FamFG, 18. Aufl., § 275 Rdnr. 3; Prütting/Helms/Fröschle, FamFG, 2. Aufl., § 275 Rdnr. 12).

13

Ein wesentliches Ziel des § 275 FamFG (vormals § 66 FGG) ist es, die Rechtsposition des Betroffenen auch im Verfahren zu stärken. In einem fairen Verfahren soll er eigenständiger Beteiligter und nicht "Verfahrensobjekt" sein. Der Betroffene soll in die Lage versetzt werden, seinen Willen nach Kräften selbst zu vertreten, ohne auf andere, insbesondere gesetzliche Vertreter, angewiesen zu sein (BGH, Beschluss vom 30. Oktober 2013, aaO, Rdnr. 8 m.w.Nachw.). Dem Betroffenen wird es im Betreuungsverfahren häufig nur mit anwaltlicher Vertretung möglich sein, seine Rechte im Betreuungsverfahren effektiv wahrzunehmen (BGH, aaO, Rdnr. 9).

14

Mit diesem Ziel wäre es nur schwerlich zu vereinbaren, dem Betroffenen zwar einerseits die Rechtsmacht zuzubilligen, einem Rechtsanwalt durch Rechtsgeschäft wirksam eine Verfahrensvollmacht zu erteilen, dem Betroffenen aber andererseits die rechtliche Handlungsfähigkeit abzusprechen, den zugrunde liegenden schuldrechtlichen Vertrag über die Erteilung des Mandats wirksam zu schließen. Hierdurch wäre das Ziel, es dem Betroffenen zu ermöglichen, seine Rechte im Betreuungsverfahren insbesondere auch mittels anwaltlicher Vertretung wahrzunehmen, nicht in dem Maße gewährleistet, wie es durch die Regelung des § 275 FamFG angestrebt ist. Insbesondere ist es mit dem Ziel, das der Gesetzgeber in § 275 FamFG verfolgt, nicht vereinbar, wenn der Betroffene darauf angewiesen wäre, dass sein Betreuer den Abschluss eines Anwaltsvertrags genehmigt oder das Gericht zur Wahrnehmung der Interessen des Betroffenen nach § 276 FamFG einen Verfahrenspfleger bestellt (vgl. LG Saarbrücken, aaO, Rdnr. 13).

15

(3) Entgegen der Auffassung des Landgerichts hängt die Fähigkeit des Betroffenen, einen Anwaltsvertrag in Betreuungssachen wirksam abzuschließen, auch nicht davon ab, ob die anwaltliche Vertretung in seinem Interesse liegt.

16

Die Verfahrensfähigkeit ist nach § 275 FamFG nicht von einem solchen einschränkenden, objektiven Kriterium abhängig. Vielmehr ist die Verfahrensfähigkeit auch in den Fällen uneingeschränkt gegeben, in denen nach objektiven Maßstäben das Anliegen des Betreuten als unvernünftig erscheinen mag. Die Auffassung des Landgerichts findet auch in der herangezogenen Kommentierung von Fröschle in Prütting/Helms (aaO) keinen Anhalt. Die dort vertretene Auffassung, man solle die Fiktion der Geschäftsfähigkeit nicht weiter reichen lassen als für eine zweckentsprechende Vertretung erforderlich, ist lediglich auf den - hier nicht gegebenen - Fall bezogen, dass der Betroffene sich auf eine über den gesetzlichen Gebührensätzen liegende Honorarvereinbarung einlässt (Fröschle, aaO, Rdnr. 13).

17

Es bedarf deshalb keiner Entscheidung, ob im vorliegenden Fall die von der Betroffenen ...[C] unstreitig gewollte anwaltliche Vertretung nach objektiven Maßstäben nicht in ihrem Interesse gewesen sein mag. Im Übrigen kann - anders als das Landgericht gemeint hat - aus dem Umstand, dass die im Auftrag der Betroffenen gestellten Verfahrensanträge der Klägerin durch das Amtsgericht Bad Kreuznach und das Landgericht Bad Kreuznach überwiegend abschlägig beschieden worden sind, nicht rückblickend der Schluss gezogen werden, dass die Vertretung der Betroffenen durch die Klägerin von vornherein nicht in deren Interesse gelegen hat. Vielmehr war es der Betroffenen unbenommen, mittels anwaltlicher Hilfe zu versuchen, ihren Anliegen zur Geltung zu verhelfen, auch wenn sie diese letztlich weitgehend nicht hat durchsetzen können.

18

b) Der Anspruch der Klägerin ist auch der Höhe nach begründet. Die Klägerin hat ihre anwaltliche Tätigkeit nach den Regelgebührensätzen des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes rechnerisch zutreffend abgerechnet. Die Beklagten haben unter diesem Gesichtspunkt auch keine Einwendungen erhoben.

19

c) Im Übrigen würde die Vergütungsforderung der Klägerin auch dann in vollem Umfang bestehen, wenn die jeweiligen Geschäftsbesorgungsverträge nicht wirksam zustande gekommen wären. Der Klägerin würde in diesem Fall ein Anspruch nach §§ 683, 670 BGB nach den Grundsätzen über die berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag zustehen (vgl. auch MünchKommFamFG/Schmidt-Recla, 2. Aufl., § 275 Rdnr. 3). Die Grundsätze über die Geschäftsführung ohne Auftrag sind auch bei einem Handeln aufgrund eines unwirksamen Vertrages anzuwenden (Palandt/Sprau, BGB, 73. Aufl., § 677 Rdnr. 11 m.w.Nachw.).

20

Die Tätigkeit der Klägerin entsprach dem wirklichen Willen der Betroffenen und ihrem Interesse, weil die Betroffene unstreitig eine Vertretung in den jeweiligen Betreuungsangelegenheiten durch die Klägerin wollte. Im Übrigen ist auch hier die Wertung des § 275 FamFG zu berücksichtigen, wonach es für die Berechtigung zur Geschäftsübernahme auf ein nach objektiven Kriterien bestimmtes Interesse des Betroffenen als Geschäftsherrn nicht ankommt (vgl. oben a) bb) (3)).

21

Der Anspruch der Klägerin auf Aufwendungsersatz würde sich auf die übliche Vergütung belaufen, weil sie das fremde Geschäft im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit als Rechtsanwältin durchgeführt hat (vgl. BGH, Urteil vom 17. November 2011 - III ZR 53/11, BGHZ 191, 325 Rdnr. 25 m.w.Nachw.). Der Klägerin würde deshalb auch unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt die geltend gemachte Vergütung nach den von ihr abgerechneten Regelsätzen des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes zustehen.

22

2. Der Vergütungsanspruch der Klägerin ist nicht infolge der Hilfsaufrechnung des Beklagten zu 1) mit einem geltend gemachten Schadensersatzanspruch wegen pflichtwidriger anwaltlicher Tätigkeit erloschen (§ 387 BGB). Das Landgericht hat die erst nach der mündlichen Verhandlung erklärte Aufrechnung nicht zugelassen. Der Beklagte zu 1) hat die Aufrechnung im Berufungsverfahren nicht weiterverfolgt. Vielmehr hat er in der Berufungsbegründungsschrift vorgetragen, dass die vorgenannte Forderung nun Gegenstand eines eigenen Verfahrens des Beklagten zu 1) gegen die Klägerin bei dem Landgericht Bad Kreuznach ist (Az.: 4 O 97/13). Der Beklagte zu 1) hat auch in der Erörterung im Berufungsverfahren nicht erklärt, die Aufrechnungsforderung im vorliegenden Verfahren weiterzuverfolgen.

23

3. Die Klägerin hat Anspruch auf die geltend gemachten Prozesszinsen nach §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB.

24

B) Klageantrag zu 2)

25

Der Antrag der Klägerin gegen die Beklagte zu 2) als Testamentsvollstreckerin hinsichtlich des Nachlasses der Erblasserin ...[C] ist nach § 2213 Abs. 3 BGB begründet. Es ist anerkannt, dass der Gläubiger Klage gegen den Erben auf Leistung und zugleich gegen den Testamentsvollstrecker auf Duldung der Zwangsvollstreckung erheben kann (BGH, Urteil vom 16. März 1988 - IV a ZR 163/87, BGHZ 104, 1 Rdnr. 10). Die Beklagte zu 2) hat es deshalb zu dulden, dass die Klägerin aus dem vollstreckbaren Titel gegen den Beklagten zu 1) wegen Anwaltsvergütung in die von ihr verwalteten Nachlassgegenstände vollstreckt.

26

Die Klägerin ist durch das erstinstanzliche Urteil auch hinsichtlich des Klageantrags zu 2) beschwert, weil das Landgericht dem Duldungsanspruch lediglich in Höhe des gegenüber dem Beklagten zu 1) zuerkannten Betrags von 586,08 € stattgegeben hat.

27

Die Klägerin hat in der Berufungsverhandlung erklärt, dass sie ihren Duldungsantrag, eine Vollstreckung in den Nachlass auch hinsichtlich des Grundstücks …[W] Straße … in …[Y] zu ermöglichen, nicht weiterverfolgt, weil dieses Grundstück zwischenzeitlich veräußert worden ist und es deshalb nicht mehr Bestandteil des Nachlasses ist. Hierin liegt keine teilweise Klage- oder Rechtsmittelrücknahme, sondern lediglich eine nähere Bezeichnung des Nachlasses als Vollstreckungsobjekt.

C)

28

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 (Klageanträge zu 1 und 2), 516 Abs. 3 Satz 1 (Klageanträge zu 3) und 4)), 92 Abs. 2 Nr. 1, 100 Abs. 1 ZPO. Es ist gerechtfertigt, den Beklagten nach Kopfteilen die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen insgesamt aufzuerlegen, weil die aberkannten Klageanträge zu 3) und 4), hinsichtlich derer die Berufung zurückgenommen ist, gegenüber den Klageanträgen zu 1) und 2) wirtschaftlich nicht ins Gewicht fallen.

29

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat seine Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

30

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Zulassungsvoraussetzungen nach § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht gegeben sind. Insbesondere kommt der Rechtssache nicht unter dem Gesichtspunkt grundsätzliche Bedeutung zu, dass es, soweit ersichtlich, bisher an einer obergerichtlichen Entscheidung zu der Frage fehlt, ob ein Betroffener in Betreuungssachen einen Geschäftsbesorgungsvertrag über anwaltliche Vertretung auch dann wirksam abschließen kann, wenn er geschäftsunfähig ist oder in Vermögensangelegenheiten einem Einwilligungsvorbehalt unterliegt. Diese Rechtsfrage ist hier nicht klärungsbedürftig, weil sie nicht entscheidungserheblich ist. Denn der Klage wäre, wie ausgeführt, auch dann stattzugeben, wenn die jeweiligen Geschäftsbesorgungsverträge nicht wirksam geschlossen worden sind.

31

Der Senat hat beschlossen, den Streitwert für das Berufungsverfahren auf bis zu 5.000 € festzusetzen.

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Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Zivilprozessordnung - ZPO | § 543 Zulassungsrevision


(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie1.das Berufungsgericht in dem Urteil oder2.das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassungzugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat

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Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 611 Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag


(1) Durch den Dienstvertrag wird derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet. (2) Gegenstand des Dienstvertrags können Dienste jeder Art sein.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 291 Prozesszinsen


Eine Geldschuld hat der Schuldner von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an zu verzinsen, auch wenn er nicht im Verzug ist; wird die Schuld erst später fällig, so ist sie von der Fälligkeit an zu verzinsen. Die Vorschriften des § 288 Abs. 1 Satz 2, Ab

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(1) Auf einen Dienstvertrag oder einen Werkvertrag, der eine Geschäftsbesorgung zum Gegenstand hat, finden, soweit in diesem Untertitel nichts Abweichendes bestimmt wird, die Vorschriften der §§ 663, 665 bis 670, 672 bis 674 und, wenn dem Verpflichte

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Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 387 Voraussetzungen


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Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1922 Gesamtrechtsnachfolge


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Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 104 Geschäftsunfähigkeit


Geschäftsunfähig ist:1.wer nicht das siebente Lebensjahr vollendet hat,2.wer sich in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet, sofern nicht der Zustand seiner Natur nach ein vorüberge

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(1) Das Gericht hat dem Betroffenen einen geeigneten Verfahrenspfleger zu bestellen, wenn dies zur Wahrnehmung der Interessen des Betroffenen erforderlich ist. Die Bestellung ist in der Regel erforderlich, wenn1.von der persönlichen Anhörung des Betr

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 105 Nichtigkeit der Willenserklärung


(1) Die Willenserklärung eines Geschäftsunfähigen ist nichtig. (2) Nichtig ist auch eine Willenserklärung, die im Zustand der Bewusstlosigkeit oder vorübergehender Störung der Geistestätigkeit abgegeben wird.

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 275 Stellung des Betroffenen im Verfahren


(1) In Betreuungssachen ist der Betroffene ohne Rücksicht auf seine Geschäftsfähigkeit verfahrensfähig. (2) Das Gericht unterrichtet den Betroffenen bei Einleitung des Verfahrens in möglichst adressatengerechter Weise über die Aufgaben eines Betr

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 2213 Gerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen gegen den Nachlass


(1) Ein Anspruch, der sich gegen den Nachlass richtet, kann sowohl gegen den Erben als gegen den Testamentsvollstrecker gerichtlich geltend gemacht werden. Steht dem Testamentsvollstrecker nicht die Verwaltung des Nachlasses zu, so ist die Geltendmac

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Bundesgerichtshof Urteil, 17. Nov. 2011 - III ZR 53/11

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS XII ZB 317/13 vom 30. Oktober 2013 in der Betreuungssache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja FamFG § 275, § 11 a) Der Betroffene ist in Betreuungssachen als verfahrensfähig anzusehen, ohne dass es

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(1) Auf einen Dienstvertrag oder einen Werkvertrag, der eine Geschäftsbesorgung zum Gegenstand hat, finden, soweit in diesem Untertitel nichts Abweichendes bestimmt wird, die Vorschriften der §§ 663, 665 bis 670, 672 bis 674 und, wenn dem Verpflichteten das Recht zusteht, ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist zu kündigen, auch die Vorschriften des § 671 Abs. 2 entsprechende Anwendung.

(2) Wer einem anderen einen Rat oder eine Empfehlung erteilt, ist, unbeschadet der sich aus einem Vertragsverhältnis, einer unerlaubten Handlung oder einer sonstigen gesetzlichen Bestimmung ergebenden Verantwortlichkeit, zum Ersatz des aus der Befolgung des Rates oder der Empfehlung entstehenden Schadens nicht verpflichtet.

(3) Ein Vertrag, durch den sich der eine Teil verpflichtet, die Anmeldung oder Registrierung des anderen Teils zur Teilnahme an Gewinnspielen zu bewirken, die von einem Dritten durchgeführt werden, bedarf der Textform.

(1) Durch den Dienstvertrag wird derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.

(2) Gegenstand des Dienstvertrags können Dienste jeder Art sein.

(1) Mit dem Tode einer Person (Erbfall) geht deren Vermögen (Erbschaft) als Ganzes auf eine oder mehrere andere Personen (Erben) über.

(2) Auf den Anteil eines Miterben (Erbteil) finden die sich auf die Erbschaft beziehenden Vorschriften Anwendung.

Geschäftsunfähig ist:

1.
wer nicht das siebente Lebensjahr vollendet hat,
2.
wer sich in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet, sofern nicht der Zustand seiner Natur nach ein vorübergehender ist.

(1) Die Willenserklärung eines Geschäftsunfähigen ist nichtig.

(2) Nichtig ist auch eine Willenserklärung, die im Zustand der Bewusstlosigkeit oder vorübergehender Störung der Geistestätigkeit abgegeben wird.

(1) Auf einen Dienstvertrag oder einen Werkvertrag, der eine Geschäftsbesorgung zum Gegenstand hat, finden, soweit in diesem Untertitel nichts Abweichendes bestimmt wird, die Vorschriften der §§ 663, 665 bis 670, 672 bis 674 und, wenn dem Verpflichteten das Recht zusteht, ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist zu kündigen, auch die Vorschriften des § 671 Abs. 2 entsprechende Anwendung.

(2) Wer einem anderen einen Rat oder eine Empfehlung erteilt, ist, unbeschadet der sich aus einem Vertragsverhältnis, einer unerlaubten Handlung oder einer sonstigen gesetzlichen Bestimmung ergebenden Verantwortlichkeit, zum Ersatz des aus der Befolgung des Rates oder der Empfehlung entstehenden Schadens nicht verpflichtet.

(3) Ein Vertrag, durch den sich der eine Teil verpflichtet, die Anmeldung oder Registrierung des anderen Teils zur Teilnahme an Gewinnspielen zu bewirken, die von einem Dritten durchgeführt werden, bedarf der Textform.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 317/13
vom
30. Oktober 2013
in der Betreuungssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Der Betroffene ist in Betreuungssachen als verfahrensfähig anzusehen, ohne
dass es auf seine Fähigkeit ankommt, einen natürlichen Willen zu bilden.

b) Die Verfahrensfähigkeit umfasst auch die Befugnis, einen Verfahrensbevollmächtigten
zu bestellen.
BGH, Beschluss vom 30. Oktober 2013 - XII ZB 317/13 - LG Mannheim
AG Mannheim
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 30. Oktober 2013 durch den
Vorsitzenden Richter Dose und die Richter Weber-Monecke, Dr. Günter,
Dr. Botur und Guhling

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen wird der Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Mannheim vom 31. Mai 2013 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen. Beschwerdewert: 3.000 €

Gründe:

I.

1
Für die unter einer schweren Demenz leidende Betroffene bestand seit November 2011 eine Betreuung mit den Aufgabenkreisen der Vermögenssorge, der Gesundheitsfürsorge und der Aufenthaltsbestimmung. Mit Beschluss vom 18. Januar 2013 ist das Amtsgericht der Bitte des als berufsmäßiger Betreuer bestellten Rechtsanwalts O., aus seinem Betreueramt entlassen zu werden, nachgekommen und hat die Beteiligte zu 1 zur neuen Betreuerin bestellt. Zudem hat es für den Aufgabenkreis der Vermögenssorge einen Einwilligungsvorbehalt angeordnet.
2
Hiergegen hat Rechtsanwalt R. ausdrücklich namens und in Vollmacht der Betroffenen Beschwerde eingelegt. Nach Anhörung der Betroffenen hat das Beschwerdegericht die Beschwerde als unzulässig verworfen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Betroffenen.

II.

3
Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet und führt zur Aufhebung der angefochtenen Beschwerdeentscheidung.
4
1. Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, es fehle an einer wirksamen Vollmachterteilung an Rechtsanwalt R. durch die Betroffene. Zwar sei sie ohne Rücksicht auf ihre Geschäftsfähigkeit verfahrensfähig. Für die Erteilung einer Vollmacht sei aber weiter erforderlich, dass sie sich einen eigenen natürlichen Willen zum Gegenstand der Mandatserteilung bilden könne sowie sich gebildet und dann auch artikuliert habe. Dass dies der Fall sei, könne trotz dreier Vollmachten vom 1. Dezember 2011, 3. Februar 2012 und 14. Januar 2013 nicht festgestellt werden.
5
2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die dem Rechtsanwalt R. durch die Betroffene erteilte Verfahrensvollmacht ist wirksam, so dass dieser in zulässiger Weise für die Betroffene die Beschwerde eingelegt hat.
6
a) Gemäß § 275 FamFG ist der Betroffene im Betreuungsverfahren ohne Rücksicht auf seine Geschäftsfähigkeit verfahrensfähig. Die Verfahrensfähigkeit umfasst dabei das gesamte Verfahren, so dass dem Betroffenen insoweit alle Befugnisse eines Geschäftsfähigen zur Verfügung stehen.
7
Die ganz herrschende Meinung leitet daraus auch die grundsätzliche Befugnis des Betroffenen ab, jederzeit selbst einen Verfahrensbevollmächtigten zu bestellen (KG FamRZ 2010, 835; OLG Schleswig FamRZ 2007, 1126; BayObLG BtPrax 2005, 148; BayObLG Beschluss vom 3. März 2004 - 3Z BR 268/03 - juris Rn. 5; OLG Saarbrücken FGPrax 1999, 108, 109; Keidel/Budde FamFG 17. Aufl. § 275 Rn. 5; MünchKommFamFG/SchmidtRecla 2. Aufl. § 275 Rn. 3; Prütting/Helms/Fröschle FamFG 3. Aufl. § 275 Rn. 11; Bork/Jacoby/Schwab/Heiderhoff FamFG 2. Aufl. § 275 Rn. 2; Damrau /Zimmermann Betreuungsrecht 4. Aufl. § 275 FamFG Rn. 5; Knittel Betreuungsrecht [Stand: 1.3.2013] § 275 FamFG Rn. 9; Horndrasch/Viefhues/ Beermann FamFG § 275 Rn. 2; Brosey in Bahrenfuss FamFG § 275 Rn. 2; Schulte-Bunert/Weinreich/Rausch FamFG 3. Aufl. § 275 Rn. 5; Grabow in Holzer FamFG § 275 Rn. 2; BeckOK-FamFG/Günter [Stand: 1.7.2013] § 275 Rn. 2; Heidebach in Haußleiter FamFG § 275 Rn. 3; Jurgeleit/Meier Betreuungsrecht 3. Aufl. § 275 FamFG Rn. 3; HK-BUR/Bauer [Stand: Juli 2011] § 275 Rn. 7; a.A. Prütting/Helms/Roth FamFG 3. Aufl. § 316 Rn. 3 f.). Der Senat teilt diesen Ansatz.
8
Die Norm des § 275 FamFG ersetzt § 66 FGG, der wiederum auf das Gesetz zur Reform des Rechts der Vormundschaft und Pflegschaft für Volljährige (Betreuungsgesetz) vom 12. September 1990 (BGBl. I S. 2002) zurückging. Ein wesentliches Ziel der mit dem Betreuungsgesetz vorgenommenen Änderungen des Gesetzes über die Angelegenheiten der Freiwilligen Gerichtsbarkeit war es, die Rechtsposition des Betroffenen auch im Verfahren zu stärken. In einem fairen Verfahren sollte er eigenständiger Beteiligter und nicht "Verfahrensobjekt" sein. Als Kernstück der Verfahrensvorschriften wurde daher schon in § 66 FGG die Verfahrensfähigkeit des Betroffenen ausdrücklich geregelt und auf alle die Betreuung betreffenden Verfahren ausgedehnt. Damit sollte der Betroffene in die Lage versetzt werden, seinen Willen nach Kräften selbst zu ver- treten, ohne auf Andere, insbesondere gesetzliche Vertreter, angewiesen zu sein (vgl. Senatsbeschluss vom 4. Mai 2011 - XII ZB 632/10 - FamRZ 2011, 1049 Rn. 10; BT-Drucks. 11/4528 S. 89 und 170).
9
Der vom Gesetzgeber verfolgte Zweck einer Stärkung der verfahrensrechtlichen Position des Betroffenen würde ohne die Möglichkeit, selbst einen Verfahrensbevollmächtigten zu bestellen, in vielen Fällen verfehlt. Denn wie schon der Blick auf die in § 1896 Abs. 1 Satz 1 BGB genannten medizinischen Voraussetzungen der Betreuung verdeutlicht, wird es dem Betroffenen häufig nur mit anwaltlicher Vertretung möglich sein, seine Rechte im Betreuungsverfahren effektiv wahrzunehmen.
10
b) Unterschiedliche Auffassungen werden in Rechtsprechung und Literatur allerdings dazu vertreten, ob die Erteilung einer wirksamen Verfahrensvollmacht durch den Betroffenen zumindest das Vorliegen eines auf die Vertretung durch einen Bevollmächtigten gerichteten natürlichen Willens erfordert.
11
aa) Die Befürworter einer solchen Einschränkung des § 275 FamFG (Prütting/Helms/Fröschle FamFG 3. Aufl. § 275 Rn. 11; HK-BUR/Bauer [Stand: Juli 2011] § 275 FamFG Rn. 8; vgl. auch OLG Saarbrücken FGPrax 1999, 108, 109; wohl auch BayObLG BtPrax 2005, 148 und Beschluss vom 3. März 2004 - 3Z BR 268/03 - juris Rn. 7; unklar Grabow in Holzer FamFG § 275 Rn. 2) verweisen auf die Natur der Vollmachterteilung als Willenserklärung und darauf, dass die gesetzgeberische Vorstellung vom Betroffenen als selbstbestimmtem Verfahrenssubjekt zuweilen nicht verwirklicht werden könne, wenn der Betroffene durch seine Erkrankung jegliche Fähigkeit eingebüßt habe, sich verständlich zu artikulieren, den Sinn und die Folgen seiner Erklärung auch nur ansatzweise zu erkennen oder sich eine wenigstens ungefähre Vorstellung von seiner Lage zu bilden. Die Anerkennung von Äußerungen des Betroffenen als rechtserheb- lich berge dann die Gefahr, den Betroffenen - mehr oder weniger wohlmeinender - privater Herrschaft Dritter zu unterwerfen.
12
bb) Demgegenüber hält die in der Literatur herrschende Meinung (MünchKommFamFG/Schmidt-Recla 2. Aufl. § 275 Rn. 2 und 6; Bork/Jacoby/ Schwab/Heiderhoff FamFG 2. Aufl. § 275 Rn. 3; Knittel Betreuungsrecht [Stand: 1.3.2013] § 275 FamFG Rn. 9; Sonnenfeld in Bienwald/Sonnenfeld/Hoffmann Betreuungsrecht 5. Aufl. § 275 FamFG Rn. 13; Damrau/Zimmermann Betreuungsrecht 4. Aufl. § 275 FamFG Rn. 5; Horndasch/Viefhues/Beermann FamFG § 275 Rn. 3; Bassenge in Bassenge/Roth FamFG 12. Aufl. § 275 Rn. 1; Schulte -Bunert/Weinreich/Rausch FamFG 3. Aufl. § 275 Rn. 5; BeckOKFamFG /Günter [Stand: 1.7.2013] § 275 Rn. 2a; Heidebach in Haußleiter FamFG § 275 Rn. 2; Jurgeleit/Meier 3. Aufl. § 275 FamFG Rn. 4; Schmidt FGPrax 1999, 178, 179; vgl. auch OLG Schleswig FamRZ 2007, 1126) das Erfordernis eines natürlichen Willens für mit Wortlaut und Zweck der Vorschrift unvereinbar und in der Praxis problematisch.
13
c) Die letztgenannte Auffassung ist zutreffend.
14
aa) Nach dem Wortlaut des § 275 FamFG besteht die Verfahrensfähigkeit des Betroffenen uneingeschränkt und ist an keine weiteren Voraussetzungen geknüpft. Den Gesetzesmaterialien lässt sich nichts dazu entnehmen, dass der Gesetzgeber gleichwohl eine Differenzierung etwa nach unterschiedlichen Graden der geistigen Leistungsfähigkeit oder aber nach der Schwere der psychischen und physischen Beeinträchtigungen des Betroffenen vornehmen wollte. Vielmehr ging es ihm darum, die Rolle des Betroffenen als eigenständigem Verfahrensbeteiligten zu sichern (BT-Drucks. 11/4528 S. 89 und 170). Damit trug der Gesetzgeber Art. 1 Abs. 1 GG Rechnung, aus dem folgt, dass niemand zum bloßen Objekt eines ihn betreffenden staatlichen Verfahrens werdendarf (BVerfGE 63, 332, 337).
15
Mit dieser gesetzgeberischen Intention wäre es nicht vereinbar, aus den das Betreuungsverfahren erst auslösenden krankheitsbedingten Beeinträchtigungen der Willensbildungsfähigkeit eines Betroffenen wiederum auf Einschränkungen der Verfahrensfähigkeit - und der daraus folgenden Fähigkeit zur Erteilung einer Verfahrensvollmacht - rückzuschließen. Dies würde § 275 FamFG einen maßgeblichen Teil seiner Wirkung nehmen und zu einer gegenüber der Geschäftsfähigkeit nur wenig erweiterten Verfahrensfähigkeit führen (vgl. Bork/Jacoby/Schwab/Heiderhoff FamFG 2. Aufl. § 275 Rn. 3). Das war jedoch vom Gesetzgeber ersichtlich nicht gewollt.
16
bb) Hinzu kommt, dass es dem Merkmal eines natürlichen Willens in dem von seinen Befürwortern vertretenen Bedeutungsgehalt an der für § 275 FamFG erforderlichen Trennschärfe fehlt (vgl. MünchKommFamFG/SchmidtRecla 2. Aufl. § 275 Rn. 2; Damrau/Zimmermann Betreuungsrecht 4. Aufl. § 275 FamFG Rn. 5; Horndasch/Viefhues/Beermann FamFG § 275 Rn. 3).
17
Grundsätzlich liegt ein (nur) natürlicher Wille vor, wenn es einem Betroffenen an einem der beiden für eine freie Willensbestimmung erforderlichen Elemente, der Einsichtsfähigkeit oder der Fähigkeit, nach dieser Einsicht zu handeln, fehlt (Senatsbeschlüsse vom 9. Februar 2011 - XII ZB 526/10 - FamRZ 2011, 630 Rn. 7 und vom 14. März 2012 - XII ZB 502/11 - FamRZ 2012, 869 Rn. 14). Die im Zusammenhang mit § 275 FamFG verwendeten - zudem uneinheitlichen - Definitionen des "natürlichen Willens" greifen daher teilweise auf Begrifflichkeiten wie "ungefähre Vorstellung" und "ansatzweise" zurück (vgl. dazu Keidel/Budde FamFG 17. Aufl. § 275 Rn. 7 mwN; HKBUR /Bauer [Stand: Juli 2011] § 275 FamFG Rn. 8). Das ist folgerichtig, weil die Unterscheidung zur „einfachen“ Geschäftsunfähigkeit, bei der § 275 FamFG noch Platz greifen soll, nur mittels gradueller Kriterien möglich ist. Diese entziehen sich jedoch weitgehend einer für die gerichtliche Praxis brauchbaren Handhabung.
18
cc) Die von den Befürwortern des Erfordernisses eines natürlichen Willens angeführte Möglichkeit eines Missbrauchs der Befugnis des Betroffenen zur Erteilung einer Verfahrensvollmacht (vgl. insbes. OLG Saarbrücken FGPrax 1999, 108, 109) steht der Annahme einer uneingeschränkten Verfahrensfähigkeit des Betroffenen ebenso wenig entgegen wie die allgemeine Gefahr, dass der Betroffene Verfahrenshandlungen zu seinem Nachteil vornehmen kann.
19
Zum einen schließt die Sollvorschrift des § 276 Abs. 4 FamFG die Bestellung eines Verfahrenspflegers etwa bei Vorliegen eines Interessenkonflikts auch dann nicht aus, wenn der Betroffene durch einen Rechtsanwalt oder einen anderen geeigneten Verfahrensbevollmächtigten vertreten wird (vgl. KG FGPrax 2004, 117; Keidel/Budde FamFG 17. Aufl. § 276 Rn. 15). Zum anderen war dem Gesetzgeber bewusst, dass mit der uneingeschränkten Verfahrensfähigkeit des Betroffenen Probleme einhergehen können (vgl. OLG Schleswig FamRZ 2007, 1126 mwN; ausführlich Sonnenfeld in Bienwald/Sonnenfeld/ Hoffmann Betreuungsrecht 5. Aufl. § 275 FamFG Rn. 9; Jurgeleit/Meier 3. Aufl. § 275 FamFG Rn. 4; MünchKommFamFG/Schmidt-Recla 2. Aufl. § 275Rn. 6). Gleichwohl hat er in § 275 FamFG keine Einschränkungen aufgenommen.
20
d) Von der aus der unbeschränkten Verfahrensfähigkeit folgenden Befugnis des Betroffenen zur Erteilung einer Verfahrensvollmacht ist die Frage zu trennen, ob der Betroffene eine Bevollmächtigungserklärung abgegeben hat. Eine solche ist mündlich, schriftlich oder konkludent möglich. Für den Nachweis gilt § 11 FamFG.
21
e) Die von der Betroffenen an Rechtsanwalt R. erteilte schriftliche Verfahrensvollmacht ist mithin wirksam. Darauf, ob sich - wie die Rechtsbeschwerde rügt - das Beschwerdegericht mit seiner jetzigen Auffassung in Widerspruch zu seinen früheren Ausführungen und insbesondere dazu setzt, dass es in einem Vorverfahren die von der Betroffenen erklärte Beschwerderücknahme für wirksam erachtet hatte, kommt es danach nicht an.
22
3. Der angefochtene Beschluss ist deshalb aufzuheben und das Verfahren an das Landgericht zur Entscheidung in der Sache zurückzuverweisen.
Dose Weber-Monecke Günter Botur Guhling
Vorinstanzen:
AG Mannheim, Entscheidung vom 18.01.2013 - Ha 2 XVII 523/11 -
LG Mannheim, Entscheidung vom 31.05.2013 - 4 T 25/13 -

(1) Das Gericht hat dem Betroffenen einen geeigneten Verfahrenspfleger zu bestellen, wenn dies zur Wahrnehmung der Interessen des Betroffenen erforderlich ist. Die Bestellung ist in der Regel erforderlich, wenn

1.
von der persönlichen Anhörung des Betroffenen nach § 278 Abs. 4 in Verbindung mit § 34 Abs. 2 abgesehen werden soll oder
2.
die Bestellung eines Betreuers oder die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts gegen den erklärten Willen des Betroffenen erfolgen soll.

(2) Von der Bestellung kann in den Fällen des Absatzes 1 Satz 2 abgesehen werden, wenn ein Interesse des Betroffenen an der Bestellung des Verfahrenspflegers offensichtlich nicht besteht. Die Nichtbestellung ist zu begründen.

(3) Der Verfahrenspfleger hat die Wünsche, hilfsweise den mutmaßlichen Willen des Betroffenen festzustellen und im gerichtlichen Verfahren zur Geltung zu bringen. Er hat den Betroffenen über Gegenstand, Ablauf und möglichen Ausgang des Verfahrens in geeigneter Weise zu informieren und ihn bei Bedarf bei der Ausübung seiner Rechte im Verfahren zu unterstützen. Er ist nicht gesetzlicher Vertreter des Betroffenen.

(4) Als Verfahrenspfleger ist eine natürliche Person zu bestellen. Wer Verfahrenspflegschaften im Rahmen seiner Berufsausübung führt, soll nur dann zum Verfahrenspfleger bestellt werden, wenn keine andere geeignete Person zur Verfügung steht, die zur ehrenamtlichen Führung der Verfahrenspflegschaft bereit ist.

(5) Die Bestellung eines Verfahrenspflegers soll unterbleiben oder aufgehoben werden, wenn die Interessen des Betroffenen von einem Rechtsanwalt oder einem anderen geeigneten Verfahrensbevollmächtigten vertreten werden.

(6) Die Bestellung endet, sofern sie nicht vorher aufgehoben wird, mit der Rechtskraft der Endentscheidung oder mit dem sonstigen Abschluss des Verfahrens.

(7) Die Bestellung eines Verfahrenspflegers oder deren Aufhebung sowie die Ablehnung einer derartigen Maßnahme sind nicht selbständig anfechtbar.

(8) Dem Verfahrenspfleger sind keine Kosten aufzuerlegen.

Entspricht die Übernahme der Geschäftsführung dem Interesse und dem wirklichen oder dem mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn, so kann der Geschäftsführer wie ein Beauftragter Ersatz seiner Aufwendungen verlangen. In den Fällen des § 679 steht dieser Anspruch dem Geschäftsführer zu, auch wenn die Übernahme der Geschäftsführung mit dem Willen des Geschäftsherrn in Widerspruch steht.

Macht der Beauftragte zum Zwecke der Ausführung des Auftrags Aufwendungen, die er den Umständen nach für erforderlich halten darf, so ist der Auftraggeber zum Ersatz verpflichtet.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 53/11
Verkündet am:
17. November 2011
F r e i t a g
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
BGB §§ 242 Cd, 670, 677, 679, 683; SGB XII § 74; BestattG Schl.-H. § 2 Nr. 12, § 13 Abs. 2

a) Nimmt ein Bestattungsunternehmer die Beerdigung eines Verstorbenen ohne Auftrag vor,
weil sich niemand der nächsten Angehörigen des Hinterbliebenen bereitgefunden hat, für
die Bestattung zu sorgen, so kommt ein Aufwendungsersatzanspruch des Unternehmers
nach §§ 670, 677, 679, 683 BGB gegen die Person in Betracht, die nach Maßgabe des
jeweils anwendbaren (Landes-)Bestattungsgesetzes (vorrangig) bestattungspflichtig ist
(hier: die Ehefrau des Verstorbenen gemäß § 2 Nr. 12, § 13 Abs. 2 Satz 1 BestattG Schl.H.
).

b) Der entgegenstehende Wille des bestattungspflichtigen Ehegatten steht seiner Inanspruchnahme
im Hinblick auf die Möglichkeit, vom zuständigen Sozialhilfeträger gemäß §
74 SGB XII Übernahme der Beerdigungskosten zu erlangen, grundsätzlich auch dann
nicht entgegen, wenn der Ehegatte nicht leistungsfähig ist und die familiären Beziehungen
zerrüttet sind.

c) Der Aufwendungsersatzanspruch ist in einem solchen Fall der Höhe nach begrenzt auf
den nach § 74 SGB XII übernahmefähigen Betrag (Kosten einer einfachen Beerdigung).
BGH, Urteil vom 17. November 2011 - III ZR 53/11 - LG Flensburg
AG Husum
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 3. November 2011 durch den Vizepräsidenten Schlick sowie die Richter
Dr. Herrmann, Wöstmann, Hucke und Seiters

für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel des Klägers werden das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Flensburg vom 8. Februar 2011 aufgehoben und das Urteil des Amtsgerichts Husum vom 22. Februar 2010 abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.470,63 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz jährlich seit dem 21. März 2008 zu zahlen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand


1
Der Kläger betreibt ein Bestattungsunternehmen und verlangt von der Beklagten die Kosten für die Beisetzung ihres am 31. Oktober 2006 verstorbenen Ehemanns, von dem sie getrennt lebte. Dieser hatte aus einer früheren Ehe zwei Töchter. Nach Überführung der Leiche in die Bestattungshalle des Klägers kam es zu einem Treffen mit der Beklagten und einer der Töchter des Verstorbenen. Ob die Beklagte sich an dem dabei geführten Gespräch über eine mögliche Beisetzung aktiv beteiligte, ist streitig. Jedenfalls erklärten sie und die Tochter, die anfallenden Bestattungskosten nicht übernehmen zu können. Ein Mitarbeiter des Klägers wies in diesem Zusammenhang auf die Möglichkeit einer Kostenerstattung durch das Sozialamt hin. Das Gespräch blieb ohne Ergebnis. Der Kläger führte die Bestattung im November 2006 durch. Nachdem der Kläger die Beerdigungskosten der Beklagten unter dem 29. November 2006 in Rechnung gestellt hatte, beantragte sie die Kostenübernahme durch das Sozialamt. Der Antrag blieb ebenso erfolglos wie der anschließend eingelegte Widerspruch. Das daraufhin vor dem Sozialgericht angestrengte Verfahren ist bis zur Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits ausgesetzt worden.
2
Der Kläger ist der Ansicht, die ihm entstandenen Kosten für die durchgeführte ("Sozial"-)Bestattung jedenfalls als Geschäftsführer ohne Auftrag geltend machen zu können. Da weder Nachlassmittel noch eigene Mittel der Angehörigen - der beklagten Ehefrau und der beiden Töchter aus der ersten Ehe des Verstorbenen - vorhanden seien, hafte die Beklagte jedenfalls als die primär bestattungspflichtige Person. Die Beklagte beruft sich vor allem auf ihren wegen fehlender Leistungsfähigkeit entgegenstehenden Willen und behauptet zudem, zum Zeitpunkt des Todes ihres Ehemannes sei bereits ein von ihm beantragtes Scheidungsverfahren anhängig gewesen.
3
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist erfolglos geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt er sein Zahlungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe


4
Die Revision ist begründet; dem Kläger steht der geltend gemachte Aufwendungsersatzanspruch zu.

I.


5
Das Berufungsgericht hat im Anschluss an die Würdigung des Amtsgerichts vertragliche Ansprüche für nicht gegeben erachtet, weil der Kläger selbst vorgetragen habe, die Beklagte habe wegen des deutlichen Hinweises auf ihre fehlende Zahlungsfähigkeit keinen Vertrag mit ihm geschlossen. Ein Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag sei wegen des unmissverständlich entgegenstehenden Willens und Interesses der Beklagten zu verneinen. Ein solcher Anspruch sei auch über § 679 BGB nicht gegeben. Eine zivilrechtliche Haftung der Beklagten nach §§ 1922, 1968 BGB scheide aus, da sie keine Alleinerbin geworden sei; darauf, ob ein Erbrecht der Beklagten wegen deseingeleiteten Scheidungsverfahrens gänzlich ausgeschlossen gewesen sei, komme es nicht an. Auch eine Haftung der Beklagten als Unterhaltsverpflichtete gemäß § 1361 Abs. 4 Satz 4, 1360a Abs. 3 i.V.m. § 1615 Abs. 2 BGB komme wegen ihres geringen Einkommens nicht in Betracht. Die sich aus dem in Schleswig-Holstein geltenden Bestattungsgesetz ergebende öffentlich-rechtliche Bestattungspflicht beruhe auf einem vom Zivilrecht völlig unabhängigen eigenständigen Rechtsgrund (Gefahrenabwehr). Nach den Bestimmungen dieses Gesetzes sei es allein Aufgabe der für den Sterbe- und Auffindungsort zuständigen Gemeinde, für eine Bestattung zu sorgen und gegebenenfalls im Wege der öffentlichrechtlichen Ersatzvornahme vorzugehen. Anschließend könne nur durch Verwaltungsakt die Haftung bestattungspflichtiger Hinterbliebener geltend gemacht werden. Ein Bestattungsunternehmen könne dagegen nicht durch eine selbst initiierte Beisetzung die gemeindliche Entschließung ersetzen und vermutete Bestattungspflichtige unbeschränkt auf Kostenerstattung in Anspruch nehmen, zumal, wenn diese nicht leistungsfähig seien. Schließlich scheide auch ein bereicherungsrechtlicher Anspruch aus; der Kläger gehe selbst davon aus, dass es der Beklagten nach § 74 SGB XII nicht zumutbar sei, die Beerdigungskosten zu tragen; insoweit sei sie durch sein eigenmächtiges Handeln nicht von einer Verbindlichkeit befreit worden.

II.


6
Dies hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
7
1. Ohne Erfolg bleibt allerdings die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe bei seiner Annahme, zwischen den Parteien sei kein - als Werkvertrag zu qualifizierender - Bestattungsvertrag zustande gekommen, § 632 Abs. 1 BGB übersehen, wonach eine Vergütung als stillschweigend vereinbart gilt, wenn die Herstellung des Werks den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist. Vorliegend war die Frage der Vergütung Gegenstand des zwischen den Parteien geführten Gesprächs. Dabei hatten die Beklagte und die Tochter des Verstorbenen die Zahlung einer Vergütung unter Hinweis auf ihre fehlende Leistungsfähigkeit ausdrücklich abgelehnt. Bei dieser Sachlage wird die tatrichterliche Würdigung der Vorinstanzen, die Beklagte habe den Abschluss eines Werkvertrags abgelehnt, auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass diese sich - entsprechend dem bereits bei dem Gespräch zwischen den Parteien gegebenen Hinweis - später dazu bereitfand, beim Sozialamt einen Antrag auf Übernahme der ihr in Rechnung gestellten Bestattungskosten gemäß § 74 SGB XII zu stellen.
8
2. Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Ersatz der für die Bestattung angefallenen Kosten nach §§ 677, 683, 679, 670 BGB zu.
9
a) Der Kläger hat dadurch, dass er die Beisetzung des Verstorbenen vornahm, ein objektiv fremdes Geschäft geführt. Dabei ist, entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts, als Geschäftsherr nicht derjenige anzusehen, der letztlich die Beerdigungskosten zu tragen hat - also im Regelfall der Erbe (§ 1968 BGB) oder auch eine unterhaltspflichtige Person (§ 1615 Abs. 2 BGB) -, sondern derjenige, dem es obliegt, für die Bestattung des Verstorbenen zu sorgen. Dies war hier nach Maßgabe der einschlägigen Vorschriften des Gesetzes über das Leichen-, Bestattungs- und Friedhofswesen des Landes Schleswig-Holstein (BestattG Schl.-H.) vom 4. Februar 2005 (GVBl. Schl.-H. S. 70) die Beklagte als Ehefrau des Verstorbenen.
10
aa) Die vom Berufungsgericht für die Bestimmung des Geschäftsherrn für maßgeblich erachteten Vorschriften, insbesondere § 1968 BGB, befassen sich nur mit der Frage, wer die Kosten der Beerdigung zu tragen hat. Dazu, wer das Recht und gegebenenfalls die Pflicht hat, die Beerdigung vorzunehmen (Totenfürsorge), verhalten sie sich nicht.
11
In der Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofs ist durchgängig anerkannt, dass über den Ort der letzten Ruhestätte und die Art der Bestattung in erster Linie der Verstorbene selbst zu bestimmen hat. Ist insoweit , wie hier, ein Wille des Verstorbenen nicht erkennbar, so ging zunächst - im Einklang mit den Vorstellungen des historischen Gesetzgebers (vgl.
Mugdan, Die gesammelten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, II. Band, S. 483) in Rechtsprechung und Literatur die Tendenz dahin, das Recht zur Verfügung über den Leichnam dem zur Kostentragung verpflichteten Erben zuzusprechen (vgl. RGZ 108, 217, 220; Staudinger/ Herzfelder, BGB, 1. Aufl. 1902, § 1922 Anm. IV 2 d und fortlaufend bis zur 9. Aufl. 1928). Später, durch Urteil vom 5. April 1937 (RGZ 154, 269, 270 f), hat das Reichsgericht ausgesprochen, dass dieses Recht, wenn der Verstorbene einen Willen nicht geäußert hat, den nächsten Angehörigen "als Nachwirkung des familienrechtlichen Verhältnisses" zuzubilligen sei. Auch der Bundesgerichtshof geht in ständiger Rechtsprechung im Anschluss an diese Entscheidung des Reichsgerichts davon aus, dass "nach gewohnheitsrechtlichen Grundsätzen" den nächsten Angehörigen das Recht der Totenfürsorge zustehe (vgl. nur BGH, Urteil vom 26. Februar 1992 - XII ZR 58/91, NJW-RR 1992, 834 mwN).
12
Inwieweit diesem Recht eine (bürgerlich-rechtliche) Rechtspflicht zur Ausübung des Totenfürsorgerechts entspricht und wie diese Pflicht im Näheren ausgestaltet ist (Kreis der zu den nächsten Angehörigen zählenden Personen; Rangfolge ihrer Verpflichtung), oder ob es sich bei der Bestattungspflicht von vornherein nur um eine - in den Bestattungsgesetzen der Länder geregelte - öffentlich-rechtliche Verpflichtung handelt (dahin ging wohl die Auffassung des historischen Gesetzgebers, vgl. Mugdan, Die gesammelten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, V. Band, S. 286; siehe auch Staudinger/Marotzke, BGB, Neubearb. 2008, § 1922 Rn. 118; Gaedke/Diefenbach , Handbuch des Friedhofs- und Bestattungsrechts, 10. Aufl., Kap. 2 Rn. 2) kann vorliegend dahinstehen. Jedenfalls dann, wenn sich - wie hier - keine Person , die als Totenfürsorgeberechtigte in Betracht kommt, dazu bereitfindet, die Bestattung vorzunehmen und deshalb ein Einschreiten der zuständigen Ord- nungsbehörde zu gewärtigen ist, liegt es nahe, die Person des Bestattungspflichtigen nach Maßgabe der öffentlich-rechtlichen (Landes-)Bestattungsgesetze zu bestimmen, die ihrerseits - wie vorliegend § 13 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 2 Nr. 12 BestattG Schl.-H. (vgl. dazu auch die Begründung zum Entwurf eines Bestattungsgesetzes in Schleswig-Holstein, LT-Drucks. 15/3561, S. 32) - die Bestattungspflicht und die Reihenfolge der in Betracht kommenden Verpflichteten unter besonderer Berücksichtigung verwandtschaftlicher oder familiärer Beziehungen regeln.
13
bb) Nach § 13 Abs. 2 Satz 1 BestattG Schl-H. haben die Hinterbliebenen oder eine von der verstorbenen Person zu Lebzeiten beauftragte Person oder Einrichtung (Bestattungspflichtige) für die Bestattung zu sorgen. Gemäß § 2 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a, Satz 2 BestattG Schl.-H. ist der Ehegatte des Verstorbenen derjenige Hinterbliebene, der vor allen anderen aufgeführtenPersonen - zu denen auch (Buchst. c) die leiblichen und adoptierten Kinder gehören - der Bestattungspflicht zu genügen hat.
14
Die (öffentlich-rechtliche) Bestattungspflicht des Ehegatten besteht nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift auch dann, wenn die Familienverhältnisse zerrüttet sind. Selbst wenn die Ehegatten getrennt leben und - wie von der Beklagten behauptet - ein Scheidungsverfahren anhängig ist, kommt die Bestattungspflicht nicht in Wegfall; sie erlischt erst mit der Rechtskraft des Scheidungsurteils (vgl. OVG Münster, Urteil vom 30. Juli 2009 - 19 A 448/07, juris, Rn. 37 zu § 8 BestattG NW).
15
cc) Die vom Berufungsgericht geäußerten Bedenken dagegen, Aufwendungsersatzansprüche des Klägers nach Maßgabe der §§ 677 ff BGB auf die öffentlich-rechtlichen Vorschriften des Bestattungsgesetzes zu stützen, greifen nicht durch. Es ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannt, dass auch öffentlich-rechtliche Pflichten eine Haftung als Geschäftsherr auslösen können (so schon Urteil vom 15. Dezember 1954 - II ZR 277/53, BGHZ 16, 12, 15 f). Allerdings sind die Regeln über die Geschäftsführung ohne Auftrag dann nicht anwendbar, wenn Vorschriften des öffentlichen Rechts eine erschöpfende Regelung vorsehen oder die Aufgabenerfüllung ausschließlich in die Zuständigkeit und das Ermessen einer Behörde legen (vgl. Senatsurteile vom 26. November 1998 - III ZR 223/97, BGHZ 140, 102, 109 f und vom 2. April 1998 - III ZR 251/96, BGHZ 138, 281, 288 f; jeweils mwN). Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts trifft es jedoch nicht zu, dass es dann, wenn die von Gesetzes wegen Bestattungspflichtigen die Beerdigung eines Verstorbenen nicht vornehmen, allein Sache der für den Sterbe- und Auffindungsort zuständigen Gemeinde ist, im Wege der Ersatzvornahme die Bestattung zu veranlassen. Nach § 13 Abs. 2 Satz 2 BestattG Schl.-H. hat die Gemeinde, wenn Bestattungspflichtige nicht vorhanden oder nicht zu ermitteln sind oder ihrer Bestattungspflicht nicht nachkommen, erst und nur dann für die Beerdigung zu sorgen, wenn auch kein anderer die Bestattung veranlasst. Angesichts der Subsidiarität der gemeindlichen Verpflichtung (vgl. LT-Drucks. 15/3561 S. 47), wonach das Tätigwerden eines jeden Dritten - gleichgültig aus welchen Beweggründen und mit welchem (vermeintlichen oder tatsächlich vorliegenden) Rechtsgrund - die Gemeinde entlastet, hat sich der Kläger durch sein "eigenmächtiges" Handeln keineswegs behördliche Kompetenzen angemaßt, sondern lediglich bewirkt, dass sich ein behördliches Einschreiten erübrigt hat.
16
b) Ein Anspruch aus § 683 BGB setzt weiter voraus, dass der Geschäftsführer das Geschäft auch subjektiv nicht (nur) als eigenes, sondern (auch) als fremdes führt, also in dem Bewusstsein und mit dem Willen, zumindest auch im Interesse eines anderen zu handeln. Der Kläger hat mit der Erfüllung der öffent- lich-rechtlich begründeten Bestattungspflicht der Beklagten ein objektiv fremdes Geschäft ausgeführt. Bei derartigen Geschäften, die schon ihrem Inhalt nach in einen fremden Rechts- und Geschäftskreis eingreifen, wird regelmäßig ein ausreichender Fremdgeschäftsführungswille vermutet (vgl. BGH, Urteil vom 27. Mai 2009 - VIII ZR 302/07, BGHZ 181, 188 Rn. 18; Senatsurteil vom 2. November 2006 - III ZR 274/05, NJW 2007, 63 Rn. 15, jeweils mwN). Umstände, die diese Vermutung erschüttern könnten, sind nicht ersichtlich.
17
c) Dem Zahlungsbegehren steht auch nicht entgegen, dass die Beklagte nicht bereit war, die Bestattung ihres verstorbenen Ehegatten selbst durchzuführen oder für entstandene Beerdigungskosten aufzukommen.
18
aa) Der der Geschäftsführung des Klägers entgegenstehende Wille der Beklagten ist gemäß § 679 BGB unbeachtlich, da an der alsbaldigen, innerhalb der gesetzlichen Bestattungsfrist von neun Tagen nach Todeseintritt (§ 16 BestattG Schl.-H.) erfolgenden Beerdigung des Verstorbenen ein dringendes öffentliches Interesse bestand. Dabei stellt die vorliegende Fallgestaltung nach den Vorstellungen des historischen Gesetzgebers geradezu den Schulfall für die Anwendung des § 679 BGB dar (siehe Mugdan, Die gesammelten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, II. Band, S. 483). Schon im römischen Recht wurde demjenigen, der eine Leiche beigesetzt hatte, selbst dann eine Klage - die sogenannte actio funeraria - gegen den zur Leichenbestattung verpflichteten Erben gewährt, wenn er gegen dessen ausdrückliches Verbot gehandelt hatte. Im gemeinen Recht wurde dieser Grundsatz auf die Fälle erweitert, in denen die Geschäftsführer in Erfüllung einer fremden gesetzlichen Verpflichtung tätig wurden, sofern die Verpflichtung zugleich auf einer sittlichen Vorschrift beruhte. § 679 BGB hat diesen Gedanken verallgemei- nernd aufgegriffen (vgl. Staudinger/Bergmann, BGB, Neubearbeitung 2006, § 679 Rn. 1 mwN).
19
Das besondere öffentliche Interesse an der Erfüllung der Bestattungspflicht durch den Kläger wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass angesichts der gemeindlichen Bestattungspflicht auch ohne das Handeln des Klägers nicht ernsthaft zu befürchten stand, dass der Verstorbene unbeerdigt geblieben wäre. Einer solchen Sichtweise steht schon entgegen, dass, wie ausgeführt, die Amtspflicht der Gemeinde, nach § 13 Abs. 2 Satz 2 BestattG Schl.-H. notfalls selbst für die Beerdigung zu sorgen, in weitest gehendem Umfang subsidiär ist und auch hinter dem Tätigwerden eines Geschäftsführers ohne Auftrag zurücktritt.
20
bb) Dem Berufungsgericht kann auch nicht darin gefolgt werden, einer Anwendung des § 679 BGB stehe die fehlende Leistungsfähigkeit der Beklagten entgegen.
21
Die Inanspruchnahme der Beklagten nach §§ 683, 679 BGB ist trotz fehlender beziehungsweise eingeschränkter Leistungsfähigkeit nicht rechtsmissbräuchlich.
22
Wäre der Kläger nicht als Geschäftsführer ohne Auftrag tätig geworden, so hätte die Gemeinde im Wege der Ersatzvornahme die Bestattung vornehmen lassen und anschließend wegen der Bestattungskosten gegen die Beklagte als "erstrangig" Bestattungspflichtige einen Leistungsbescheid erlassen (vgl. BVerwG NVwZ-RR 1995, 283). Ein derartiges Vorgehen der Gemeinde hätte die Beklagte nur dadurch vermeiden können, dass sie - durch Abschluss eines Bestattungsvertrags - die Beerdigung selbst hätte durchführen lassen. In beiden Fällen wäre sie "Kostenschuldnerin" geworden. Freilich wären die daraus drohenden wirtschaftlichen Nachteile dadurch abgemildert worden, dass die Beklagte bei Unzumutbarkeit der (endgültigen) Kostentragung nach § 74 SGB XII vom zuständigen Sozialhilfeträger die Übernahme der Bestattungskosten hätte erlangen können (vgl. BVerwGE 114, 57, 58 f zu § 15 BSHG; Grube in Grube/ Wahrendorf, SGB XII, 3. Aufl., § 74 Rn. 15). Gerade wegen der Möglichkeit einer Kostenübernahme durch den Sozialhilfeträger besteht im Übrigen auch kein Anlass, einen Angehörigen von seinen Bestattungspflichten freizustellen, wenn - wie hier - die Familienverhältnisse gestört sind (vgl. Berlit in LPK-SGB XII, 8. Aufl., § 74 Rn. 7). Für den Fall, dass sich der nach Maßgabe der öffentlichrechtlichen Vorschriften Bestattungspflichtige dem Aufwendungsersatzanspruch eines Geschäftsführers ohne Auftrag ausgesetzt sieht, gilt nichts anderes. Auch dann hat der mittellose Bestattungspflichtige gegen den Sozialhilfeträger Anspruch auf Kostenübernahme nach § 74 SGB XII.
23
Die Anspruchsvoraussetzungen des § 74 SGB XII sind vorliegend auf der Grundlage des Parteivortrags (fehlende Nachlassmittel und fehlende eigene Mittel) gegeben. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass der Beklagten eine Kostentragung wegen des Vorhandenseins zweier Töchter des Verstorbenen aus erster Ehe zugemutet werden könnte. Ungeachtet des Umstands, dass diese Töchter nach dem unbestrittenen Vorbringen des Klägers ebenfalls nicht leistungsfähig(er) waren beziehungsweise sind, ist schon zweifelhaft, ob sich die Töchter als "nachrangig" Bestattungspflichtige an den Beerdigungskosten überhaupt beteiligen müssten. Auf der Grundlage des Sach- und Streitstands im vorliegenden Zivilprozess steht mithin nicht zu befürchten, dass der zuständige Sozialhilfeträger die Beklagte erfolgreich auf die Geltendmachung von Ausgleichsansprüchen gegen Töchter des Hinterbliebenen verweisen könnte (vgl. zu diesem Problemkreis BSGE 104, 219, Rn. 20 ff).

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Der Umstand, dass dem von der Beklagten gestellten Kostenübernahmeantrag bisher noch nicht entsprochen worden ist - unter Hinweis darauf, dass die Beklagte noch keine ausreichenden Nachweise über die Einkommensverhältnisse ihrer Töchter beigebracht habe (s. S. 5 des Widerspruchsbescheids des Kreises Nordfriesland vom 19. Mai 2008) -, kann nicht zu Lasten des Klägers gehen. Würde man dies, wie von der Revisionsbeklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat vertreten, anders sehen, so wäre eine unbillige Benachteiligung des Klägers die Folge. Dieser müsste, obwohl er eine im öffentlichen Interesse liegende Aufgabe erfüllt hat, auf seinen Kosten "sitzen bleiben": Da die Beklagte keiner Kostentragungspflicht (mehr) unterläge, würde ihr folgerichtig auch kein Kostenübernahmeanspruch gegen den Sozialhilfeträger (mehr) zustehen. Dem Kläger wiederum stünde, da er als Bestattungsunternehmer unter keinen Umständen als kostentragungspflichtige Person im Sinne des § 74 SGB XII angesehen werden könnte, kein Übernahmeanspruch aus eigenem Recht zu.
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d) Der Kläger kann als berechtigter Geschäftsführer ohne Auftrag Ersatz der Aufwendungen verlangen, die er zur Beisetzung des Verstorbenen für erforderlich halten durfte. Da er dieses fremde Geschäft im Rahmen seines Gewerbes als Bestattungsunternehmer durchgeführt hat, umfasst der Aufwendungsersatzanspruch auch die übliche Vergütung (vgl. Senatsurteil vom 21. Oktober 1999 - III ZR 319/98, BGHZ 143, 9, 16; BGH, Urteil vom 26. Januar 2005 - VIII ZR 66/04, NJW-RR 2005, 639, 641; jeweils mwN). Wenn - wie hier - dem Geschäftsführer bekannt ist oder er damit rechnen muss, dass der bestattungspflichtige Geschäftsherr nicht oder nur eingeschränkt leistungsfähig ist, so beschränken sich die erforderlichen Kosten auf die Ausgaben, die nach § 74 SGB XII erstattungsfähig sind. Dies ist der Betrag, der üblicherweise für eine würdi- ge, den örtlichen Gepflogenheiten entsprechende, einfache Beerdigung anfällt ("Sozialbestattung"). Nicht erstattungsfähig sind etwaige weitergehende Aufwendungen für eine standesgemäße Beerdigung (§ 1968 BGB); andererseits beschränkt sich der Kostenerstattungsanspruch nicht auf die Kosten einer von der Ordnungsbehörde im Wege der Ersatzvornahme veranlassten "Einfachstbestattung" (vgl. zu dem Ganzen Grube aaO § 74 Rn. 30 ff; Berlit aaO § 74 Rn. 12 ff).
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Durch die Begrenzung des Kostenerstattungsanspruchs auf die Kosten einer einfachen Beerdigung erweist sich im Übrigen auch die Befürchtung des Berufungsgerichts als unbegründet, bei Zuerkennung eines Aufwendungsersatzanspruchs nach Maßgabe der §§ 677, 683, 679 BGB könne ein Bestattungsunternehmer den Bestattungspflichtigen zivilrechtlich "unbeschränkt" auf Kostenerstattung in Anspruch nehmen.
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3. Ob sich der Aufwendungsersatzanspruch des Klägers gegen die Beklagte nicht nur daraus ergibt, dass diese bestattungspflichtig im Sinne des § 13 Abs. 2 Satz 1 BestattG Schl.-H. ist, sondern auch darauf gestützt werden könnte , dass die Beklagte Erbin oder jedenfalls Miterbin geworden ist (§§ 1968, 1922 BGB), kann dahinstehen (siehe zu dieser Fallkonstellation OLG Saarbrücken , OLGR 2002, 228).
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4. Danach war das angefochtene Urteil aufzuheben. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO), da es bezüglich der Höhe des Zahlungsanspruchs keiner weiteren tatrichterlichen Feststellungen mehr bedarf. Der Behauptung des Klägers, die geltend gemachten - dem Betrag nach unbestrittenen - Kosten hielten sich im Rahmen des für eine "Sozialbestattung" Üblichen , ist die Beklagte nicht entgegengetreten. Auch der von der Beklagten vor- gelegte Widerspruchsbescheid enthält keinen Anhaltspunkt dafür, dass hinsichtlich der Erstattungsfähigkeit der geltend gemachten Kosten unter dem Aspekt des § 74 SGB XII Bedenken bestehen könnten.
Schlick Herrmann Wöstmann
Hucke Seiters
Vorinstanzen:
AG Husum, Entscheidung vom 22.02.2010 - 2 C 682/08 -
LG Flensburg, Entscheidung vom 08.02.2011 - 1 S 26/10 -

Schulden zwei Personen einander Leistungen, die ihrem Gegenstand nach gleichartig sind, so kann jeder Teil seine Forderung gegen die Forderung des anderen Teils aufrechnen, sobald er die ihm gebührende Leistung fordern und die ihm obliegende Leistung bewirken kann.

Eine Geldschuld hat der Schuldner von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an zu verzinsen, auch wenn er nicht im Verzug ist; wird die Schuld erst später fällig, so ist sie von der Fälligkeit an zu verzinsen. Die Vorschriften des § 288 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, Abs. 3 und des § 289 Satz 1 finden entsprechende Anwendung.

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(1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(3) Der Gläubiger kann aus einem anderen Rechtsgrund höhere Zinsen verlangen.

(4) Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.

(5) Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.

(6) Eine im Voraus getroffene Vereinbarung, die den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf Verzugszinsen ausschließt, ist unwirksam. Gleiches gilt für eine Vereinbarung, die diesen Anspruch beschränkt oder den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf die Pauschale nach Absatz 5 oder auf Ersatz des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ausschließt oder beschränkt, wenn sie im Hinblick auf die Belange des Gläubigers grob unbillig ist. Eine Vereinbarung über den Ausschluss der Pauschale nach Absatz 5 oder des Ersatzes des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ist im Zweifel als grob unbillig anzusehen. Die Sätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn sich der Anspruch gegen einen Verbraucher richtet.

(1) Ein Anspruch, der sich gegen den Nachlass richtet, kann sowohl gegen den Erben als gegen den Testamentsvollstrecker gerichtlich geltend gemacht werden. Steht dem Testamentsvollstrecker nicht die Verwaltung des Nachlasses zu, so ist die Geltendmachung nur gegen den Erben zulässig. Ein Pflichtteilsanspruch kann, auch wenn dem Testamentsvollstrecker die Verwaltung des Nachlasses zusteht, nur gegen den Erben geltend gemacht werden.

(2) Die Vorschrift des § 1958 findet auf den Testamentsvollstrecker keine Anwendung.

(3) Ein Nachlassgläubiger, der seinen Anspruch gegen den Erben geltend macht, kann den Anspruch auch gegen den Testamentsvollstrecker dahin geltend machen, dass dieser die Zwangsvollstreckung in die seiner Verwaltung unterliegenden Nachlassgegenstände dulde.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.