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| Die Parteien streiten darum, inwieweit die Klägerin im Rahmen ihrer Beteiligung bei der Beklagten berechtigt ist, ärztlichem Personal aufgrund eines eigenen, noch abzuschließenden Tarifvertrages eine alternative Zusatzversorgung anzubieten. |
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| Die Klägerin betreibt das S. Klinikum in Sch. Bei ihrer Gründung am 08.01.1985 war die Klägerin, firmierend unter M. Krankenhaus Sch. GmbH, ein Unternehmen der öffentlichen Hand. Im Jahr 2006 erwarb die Verwaltungsgesellschaft X mbH, eine Tochtergesellschaft der Y. AG, zunächst einen Geschäftsanteil von 49,9% und im Jahr 2007 weitere 44,1% der Geschäftsanteile an der Klägerin. |
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| Die Beklagte ist eine Anstalt des öffentlichen Rechts, die auf privatrechtlicher Grundlage in Form von Gruppenversicherungsverträgen mit Arbeitgebern des öffentlichen Dienstes, die dem geltenden Tarifrecht des öffentlichen Dienstes des Bundes oder der Länder oder einem Tarifrecht wesentlich gleichen Inhalts unterliegen (Beteiligte), nach Maßgabe ihrer Satzung (nachstehend: VBLS) eine Alters-, Erwerbsminderungs- und Hinterbliebenenversorgung gewährt. Die Beklagte finanziert ihre Leistungsausgaben im Wege eines als Abschnittsdeckungsverfahren ausgestalteten Umlageverfahrens, wobei die Umlagen für einen Abschnitt von 5 Jahren festgesetzt werden. |
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| Die Klägerin ist seit 1.4.1985 Beteiligte der Beklagten. Das Beteiligungsverhältnis wurde durch Beteiligungsvereinbarung vom 16.4./6.5.1985 (Anlage K1) begründet. Die Klägerin ist Mitglied im Kommunalen Arbeitgeberverband [Bundesland]. |
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| Als Gesellschaft der öffentlichen Hand war die Klägerin zunächst an den Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) gebunden. Nach dem BAT haben die Beschäftigten einen Anspruch auf Versicherung unter eigener Beteiligung zum Zwecke einer zusätzlichen Alters- und Hinterbliebenenversorgung nach Maßgabe besonderer Tarifverträge. Ein solcher Tarifvertrag über die betriebliche Altersversorgung ist der Tarifvertrag Altersversorgung (ATV), der eine Pflicht zur Versicherung der Beschäftigten eines tarifgebundenen Arbeitgebers bei der öffentlichen Zusatzversorgungseinrichtung, bei der der Arbeitgeber Mitglied ist, vorsieht. |
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| Die Y. AG verhandelt mit der Gewerkschaft Marburger Bund - Verband der angestellten und beamteten Ärztinnen und Ärzte Deutschlands e.V. (nachstehend: Marburger Bund) über den Abschluss eines Tarifvertrags über eine alternative Altersversorgung. Vorgesehen ist, dem ärztlichen Personal eine betriebliche Altersversorgung zu gewähren, wobei ein Wahlrecht zwischen der Altersversorgung bei der Beklagten und einer kapitalgedeckten Altersversorgung bei einer Unterstützungskasse ohne Eigenbeteiligung des Beschäftigten bestehen soll. Dieses Wahlrecht soll neu einzustellenden Ärzten und Beschäftigen eingeräumt werden, die einen Befreiungsantrag stellen und zum Zeitpunkt der Antragstellung das 50. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Zum Abschluss eines Tarifvertrags ist es auch in diesem Fall bislang nicht gekommen; auch eine endverhandelte Fassung des Tarifvertrages liegt nicht vor. |
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| Die Klägerin trat mit Schreiben vom 06.07.2007 (Anlage K6) an die Beklagte heran mit der Bitte um schriftliche Bestätigung, dass eine Beendigung der Versicherung der im ärztlichen Dienst bei der Klägerin Beschäftigten, die einem mit dem Marburger Bund abzuschließenden Tarifvertrag unterfallen, weder zu einer Kündigung des Beteiligungsverhältnisses noch zu einer Gegenwertforderung gemäß §§ 22, 23 VBLS führen werde, heran. Die Beklagte lehnte diese Bestätigung jedoch mit Schreiben vom 26.07.2006 (Anlage K7) unter Berufung auf § 20 Abs. 1 S. 3 VBLS und die Beteiligungsvereinbarung ab. |
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| § 20 Abs. 1 S. 3 VBLS lautet: |
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| „In der Beteiligungsvereinbarung ist festzulegen, dass alle Beschäftigten zu versichern sind, die nach dem Tarifvertrag über die betriebliche Altersversorgung der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes (Tarifvertrag Altersversorgung-ATV) zu versichern wären.“ |
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| Die §§ 26-29 VBLS enthalten weitere Regelungen zur Pflichtversicherung, insbesondere verweist § 28 Abs. 2 VBLS hinsichtlich weiterer Ausnahmen von der Pflichtversicherung auf die Ausführungsbestimmungen. |
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| § 1 der zwischen den Parteien geschlossenen Beteiligungsvereinbarung lautet: |
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| „Mit Wirkung vom 1. April 1985 (Inkrafttreten der Vereinbarung) sind alle an diesem Tage bei dem Beteiligen beschäftigten und nach diesem Tage in das Beschäftigungsverhältnis bei ihm eintretenden Arbeitnehmer (einschließlich Auszubildende) bei der VBL zu versichern, die nach dem Tarifvertrag über die Versorgung der Arbeitnehmer des Bundes und der Länder sowie von Arbeitnehmern kommunaler Verwaltungen und Betriebe zu versichern wären.“ |
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| Da die Klägerin sich nicht dem Risiko der Kündigung der Beteiligungsvereinbarung und einer Gegenwertforderung aussetzen will, macht sie die Unterzeichnung des Tarifvertrags mit dem Marburger Bund über die Zusatzversorgung von einer gerichtlichen Klärung der Frage abhängig, ob die geplante Vorgehensweise – Abmeldung der von dem abzuschließenden Tarifvertrag betroffenen Beschäftigten bei der Beklagten und Nichtanmeldung neuer, von dem abzuschließenden Tarifvertrag betroffener Beschäftigter – einen Verstoß gegen ihre Verpflichtungen aus der Beteiligungsvereinbarung und aus § 20 Abs. 1 S. 3 VBLS darstellt und (hilfsweise) ob sie eine Kündigung der Beteiligungsvereinbarung rechtfertigt. |
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| Die Klägerin hat vorgetragen, nur diejenigen Arbeitnehmer, für die der ATV gelte und die danach versicherungspflichtig seien, seien von der Versicherungspflicht bei der Beklagten erfasst. Der ATV selbst und die insoweit wortgleiche Ausführungsbestimmung zu § 28 Abs.2 VBLS enthalte jedoch eine Ausnahme von der Versicherungspflicht für diejenigen Beschäftigten, die auf Grund eines anderen Tarifvertrags von der Versicherungspflicht befreit worden seien. Auch bei anderer Ansicht sei die Beteiligungsvereinbarung und die VBLS jedoch verfassungskonform in diesem Sinne auszulegen, da ansonsten der Abschluss eines solchen Tarifvertrags unmöglich wäre und dies mit dem Grundrecht der Tarifautonomie nicht zu vereinbaren sei. Jedenfalls aber sei die Beklagte nicht zur Kündigung berechtigt. Eine Vertrags- oder Satzungsregelung, die den Abschluss des geplanten Tarifvertrags nicht zulasse, sei nach den Vorschriften des europäischen Kartellrechts unwirksam. |
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| Die Klägerin hat in erster Instanz beantragt: |
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| 1. Es wird festgestellt, dass die Umsetzung eines Tarifvertrags zwischen der Klägerin und dem Marburger Bund - Verband der angestellten und beamteten Ärztinnen und Ärzte Deutschlands e.V., der die Klägerin zur Durchführung einer Altersversorgung ihrer von diesem Tarifvertrag betroffenen Beschäftigten bei einem anderen Anbieter als der Beklagten verpflichtet, durch Abmeldung der von einem solchen Tarifvertrag betroffenen Beschäftigten bei der Beklagten sowie durch Nichtanmeldung neuer, von einem solchen Tarifvertrag betroffener Beschäftigter, keinen Verstoß gegen die Verpflichtungen der Klägerin aus ihrer Beteiligungsvereinbarung mit der Beklagten vom 16.4./6.5.1985 sowie aus § 20 Abs.1 S.3 VBLS darstellt. |
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| 2. hilfsweise (für den Fall des nicht vollständigen Obsiegens mit dem Antrag zu 1.): |
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| Es wird festgestellt, dass die Umsetzung eines Tarifvertrags gem. vorstehender Ziff.1 durch Abmeldung von Beschäftigten bei der Beklagten bzw. Nichtanmeldung neuer Beschäftigter bei der Beklagten, soweit diese von einem solchen Tarifvertrag betroffen sind, keine Kündigung der Beteiligungsvereinbarung vom 16.4./6.5.1985 durch die Beklagte rechtfertigt. |
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| Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat die Zuständigkeit der Kartellkammer und die Zulässigkeit der Feststellungsklage in Abrede gestellt. Die Klage sei auch in der Sache unbegründet. In § 20 Abs.1 S. 3 VBLS und der Beteiligungsvereinbarung werde die Geltung des ATV unterstellt. Damit komme es nur auf das Vorliegen der sachlichen Voraussetzungen der Versicherungspflicht in § 2 Abs.1 ATV an; die Ausnahmetatbestände gemäß den Ausführungsbestimmungen zu § 28 VBLS lägen aber nicht vor. Im Fall der Abmeldung bzw. Nichtanmeldung von Ärzten, die dem geplanten Tarifvertrag unterliegen, verstoße die Klägerin gegen ihre sich aus der VBLS und der Beteiligungsvereinbarung ergebende Versicherungspflicht und damit gegen eine vertragliche Hauptpflicht, was die Beklagte zur außerordentlichen Kündigung berechtige. Sofern die Klägerin mit dem geplanten Tarifvertrag kein mit dem Kernbereich des Tarifrechts des öffentlichen Dienstes übereinstimmendes Tarifrecht mehr anwende, seien bereits die Beteiligungsvoraussetzungen unabhängig von der Mitgliedschaft im kommunalen Arbeitgeberverband gemäß § 19 VBLS nicht mehr gegeben. Die Beteiligungsvereinbarung beeinträchtige die Tarifautonomie nicht, da die Klägerin den geplanten Tarifvertrag abschließen könne, allerdings dann die rechtlichen Konsequenzen aus der privatrechtlichen Vereinbarung mit der Beklagten, die Kündigung des Beteiligungsverhältnisses durch die Beklagte und die Gegenwertforderung, zu tragen habe. Ein Verstoß gegen kartellrechtliche Verbotsnormen falle der Beklagten nicht zur Last. |
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| Mit dem angefochtenen Urteil, auf das wegen aller Einzelheiten Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Zwar sei das Landgericht Mannheim als Kartellgericht nach §§ 87 Abs. 1, 89 Abs. 1 GWB, 13 Abs. 1 ZuVoJu BW zuständig. Es fehle aber an den besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Feststellungsklage nach § 256 ZPO. Das Feststellungsbegehren der Klägerin richte sich auf das Nichtbestehen von Pflichten der Klägerin aus dem bestehenden Rechtsverhältnis mit der Beklagten im Hinblick auf ein künftiges Verhalten, nämlich den Abschluss eines Tarifvertrages mit dem Marburger Bund und dessen Umsetzung. Da das vorgetragene künftige Verhalten, welches das festzustellende Nichtbestehen der Versicherungspflicht auslösen solle, nämlich Abschluss und Umsetzung des geplanten Tarifvertrags mit dem Marburger Bund, noch nicht ausreichend bestimmt sei, sei der hauptsächlich gestellte Feststellungsantrag nicht auf das Bestehen oder Nichtbestehen eines gegenwärtigen Rechtsverhältnisses gerichtet. Inwieweit und ob die zwischen den Parteien vertraglich geregelte und derzeit bestehende Versicherungspflicht entfalle, hänge nach dem klägerischen Vortrag ab von der Reichweite der durch den noch abzuschließenden Tarifvertrag mit dem Marburger Bund zu vereinbarenden Verpflichtung der Klägerin, Beschäftigte anderweitig zu versichern, die ihrerseits von der Ausübung eines Wahlrechts abhängig sein solle. Weder die genaue Ausgestaltung des Tarifvertrags und damit seine Reichweite noch die Reichweite und die tatsächliche Ausübung eines Wahlrechts durch die Beschäftigten stünden derzeit fest. Nicht nur der zahlenmäßige Umfang der möglichen Abmeldungen oder Nichtanmeldungen bei der Beklagten sei völlig unklar, sondern auch, ob der geplante Tarifvertrag überhaupt eine Verpflichtung der Klägerin zur anderweitigen Altersversorgung und Abmeldung bzw. Nichtanmeldung bei der Beklagten enthalten werde. Da jedoch gerade die aus dem geplanten Tarifvertrag für die Klägerin erwachsenden Pflichten gegenüber den betroffenen Beschäftigten die festzustellende Rechtspflicht aus dem Vertrag zwischen den Parteien beeinflussen sollten und eine im Hinblick darauf entfallende Versicherungspflicht festgestellt werden solle, müssten diese tarifvertraglichen Pflichten ebenfalls bereits gegenwärtig und damit bestimmt sein, um den Streitgegenstand hinreichend zu bestimmen. Dies sei vor Abschluss des Tarifvertrags bzw. vor dem Vorliegen endgültig ausformulierter Regelungen ausgeschlossen. Aus den gleichen Gründen sei auch der Hilfsantrag unzulässig. |
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| Mit der hiergegen gerichteten Berufung verfolgt die Klägerin ihr erstinstanzliches Klageziel weiter. Sie trägt vor, ein gegenwärtiges Rechtsverhältnis sei bereits zum Zeitpunkt der Klageerhebung und der mündlichen Verhandlung erster Instanz gegeben gewesen, jedenfalls aber nach den im nachgeschobenen Schriftsatz vom 14.12.2010 vorgetragenen Verhandlungen, die zu der oben dargestellten Verständigung über die Grundstruktur der Zusatzversorgungsregelung geführt hätten. Der Abschluss des geplanten Tarifvertrags könne der Klägerin wegen der daraus resultierenden Umsetzungspflichten und der von der Beklagten angekündigten Konsequenzen (Kündigung, Gegenwertforderung) nicht zugemutet werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs reiche das Bestehen eines Vertragsverhältnisses (hier: der Beteiligungsvereinbarung) für die Bejahung eines gegenwärtigen Rechtsverhältnisses aus, ohne dass es auf das Vorliegen eines konkreten Verstoßes ankomme. Für das Vorliegen eines Feststellungsinteresses reiche es nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs aus, wenn dem Recht oder der Rechtslage der Klägerin eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit drohe und wenn das erstrebte Urteil geeignet sei, diese Gefahr zu beseitigen. Danach könne im Streitfall am Feststellungsinteresse kein Zweifel bestehen. |
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| Zur Begründetheit wiederholt die Klägerin ihren Standpunkt, dass die Verpflichtung zur Versicherung bei der Beklagten nach der Beteiligungsvereinbarung und nach der Satzung voraussetze, dass nach dem bei dem Beteiligten bestehenden Tarifvertrag eine solche Versicherungspflicht überhaupt bestehe. Der Abschluss eines weiteren Tarifvertrags sei nicht wegen des - in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts mittlerweile aufgegebenen - Grundsatzes der Tarifeinheit ausgeschlossen. Auch vertragliche Verpflichtungen des Arbeitgebers (hier: Verpflichtungen der Klägerin aus der Beteiligungsvereinbarung) stünden der Wirksamkeit des geplanten weiteren Tarifvertrages nicht entgegen. Falls ein solcher Tarifvertrag geschlossen werde, hätten die Arbeitnehmer der Klägerin gegen diese einen mit Unterlassungs- und Schadensersatzansprüchen bewehrten Anspruch auf Umsetzung der tarifvertraglich geregelten Altersversorgung. Beim Abschluss eines Tarifvertrags komme es also zu einer Pflichtenkollision mit etwaigen Pflichten des Arbeitgebers aus der Beteiligungsvereinbarung. Sowohl der ATV als auch die Ausführungsbestimmungen der VBLS enthielten aber Ausnahmen von der Versicherungspflicht. In Anlage 2 Nr. 3 zum ATV sei geregelt, dass solche Beschäftigte von der Versicherungspflicht ausgenommen seien, die auf Grund Tarifvertrags, Arbeitsvertrags etc. von der Versicherungspflicht befreit worden seien. Diese Regelung sei bei Geltung des geplanten Haustarifvertrags zwischen der Klägerin und dem Marburger Bund relevant, obwohl der ATV für einen Arbeitnehmer, der aufgrund des geplanten Haustarifvertrages eine anderweitige Altersversorgung erhalte, nicht anwendbar sei. Eine entsprechende Regelung sei in den Ausführungsbestimmungen zu § 28 Abs. 2 VBLS enthalten. Zudem setze die Pflicht zur Versicherung bei der Beklagten nach § 26 Abs. 1 S. 1 lit. c VBLS voraus, dass der Beschäftigte auf Grund eines Tarifvertrags oder - wenn keine Tarifgebundenheit bestehe - auf Grund eines arbeitsvertraglich in Bezug genommenen Tarifvertrags versicherungspflichtig sei. Die VBLS könne keine Versicherungspflicht begründen, die tarifvertraglich nicht angelegt sei. Die VBLS sei ein Instrument zur Umsetzung und Finanzierung tarifvertraglich vorgegebener Ansprüche. Ein Beteiligter, der nicht an den ATV gebunden sei, könne nicht weitergehend zur Versicherung seiner Arbeitnehmer verpflichtet sein als ein Beteiligter, der an den ATV gebunden sei. Bei einer Auslegung, nach der ein Ausnahmetatbestand nicht begründet sei, verstoße eine Versicherungspflicht gegen Art. 9 Abs. 3 GG, denn dies laufe darauf hinaus, dass die Tarifvertragsparteien des ATV und des TVöD den übrigen Beteiligten an der Beklagten und deren Tarifpartnern auf Gewerkschaftsseite die Inhalte der von diesen abgeschlossenen oder noch abzuschließenden Tarifverträge vorgeben könnten. Die VBLS, bei der es sich um allgemeine Geschäftsbedingungen handele, sei von vornherein kein taugliches Instrument zur Einschränkung der Koalitionsfreiheit. Die Beteiligungsvereinbarung sei unter verfassungsrechtlichen Aspekten dahin auszulegen, dass sie keine Verpflichtung der Klägerin enthalte, in einem Tarifvertrag mit dem Marburger Bund eine Altersversorgung gemäß ATV zu regeln. |
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| Ein Kündigungsrecht der Beklagten im Fall eines Verstoßes ergebe sich nicht aus § 22 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 19 Abs. 2 VBLS, weil die Klägerin die Beteiligungsvoraussetzung nach § 19 Abs. 2 lit. c VBLS durch ihre Mitgliedschaft im KAV erfülle. Die ordentliche Kündigung stehe auch nicht im freien Ermessen der Beklagten, weil wegen der gravierenden wirtschaftlichen Folgen in Gestalt der Gegenwertforderung der Fortbestand des Beteiligungsverhältnisses für die Beteiligten von existenzieller Bedeutung sei. Dabei sei auch zu beachten, dass die geplante Abmeldung bzw. Nichtanmeldung von Arbeitnehmern die Umsetzung eines Tarifergebnisses sei, das mit einer durchsetzungsfähigen tariffähigen Gewerkschaft erzielt werde. Die Situation der doppelten Tarifbindung sei im Normensystem der VBLS nicht vorgesehen; die anderen, im Verwaltungsrat der Beklagten stark vertretenen Gewerkschaften könnten bei Bestehen eines Kündigungsrechts Druck auf die mit den Beteiligten geführten Tarifverhandlungen mit den nicht vertretenen Gewerkschaften wie dem Marburger Bund ausüben. Auch ein Recht zur fristlosen Kündigung nach § 22 Abs. 3 S. 1 VBLS bestehe nicht. Die ausdrücklich genannten Tatbestände für wichtige Gründe seien nicht erfüllt; auch ein sonstiger wichtiger Grund zur fristlosen Kündigung liege nicht vor. |
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| Bei Annahme eines Verstoßes und jedenfalls eines zur Kündigung berechtigenden Verstoßes liege ein missbräuchliches Verhalten der Beklagten gemäß Art. 102 AEUV vor. Die Beklagte sei als Unternehmen Normadressatin der Artt. 101, 102 AEUV. Sie verfüge über eine marktbeherrschende Stellung und betreibe Ausbeutungsmissbrauch dieser Stellung nach Art. 102 Abs. 2 lit. a AEUV. Hilfsweise wäre die Beteiligungsvereinbarung als abgestimmte Verhaltensweise nach Art. 101 AEUV nichtig. |
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| Die Beklagte beantragt unter Verteidigung des angefochtenen Urteils die Zurückweisung der Berufung. Sie trägt vor, das Landgericht habe die Klage zu Recht unter den gegebenen Umständen als unzulässig angesehen. Die Klage sei aber auch unbegründet. Es treffe zwar zu, dass die Klägerin am wirksamen Abschluss eines (weiteren) Tarifvertrages über die betriebliche Altersversorgung nicht gehindert sei. Dies ändere aber nichts an den Verpflichtungen der Klägerin gegenüber der Beklagten; die Klägerin führe durch einen solchen Abschluss eine Pflichtenkollision herbei. Nach der Beteiligungsvereinbarung und § 20 Abs. 1 S. 3 VBLS treffe die Klägerin die vertragliche Hauptpflicht, alle Arbeitnehmer, die nach dem ATV zu versichern wären, bei der Beklagten zu versichern. Die im ATV vorgesehenen Ausnahmen von der Versicherungspflicht griffen nicht ein. Nach dem maßgeblichen Tarifrecht des Kernbereichs des öffentlichen Dienstes seien Ärzte nicht generell von der Versicherungspflicht ausgenommen; vielmehr sähen die einschlägigen Tarifverträge als weitestgehende Ausnahmen von der Versicherungspflicht folgende Gruppen vor: |
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- Chefärzte und Chefärztinnen, |
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- bei einzelvertraglicher Vereinbarung Oberärzte und Oberärztinnen im Sinne des § 51 Abs. 3 und 4 TVöD-BT-K, die ein über das Tabellenentgelt der höchsten Vergütungsgruppe hinausreichendes regelmäßiges Entgelt erhielten, |
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- Ärztinnen und Ärzte, deren regelmäßige Entgelte über die höchste Vergütungsgruppe des jeweils maßgebenden Tarifvertrages hinausgingen. |
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| Ein Beteiligter, der sämtliche Ärzte bei der Beklagten abmelde bzw. nicht neu zur Versicherung anmelde, verstoße daher gegen die Beteiligungsvereinbarung. Dies gebe der Beklagten das Recht zur außerordentlichen Kündigung. |
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| Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. |
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| Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Die Klage ist zwar bei der gebotenen Auslegung des Feststellungsbegehrens zulässig (A.). Sie ist aber unbegründet, weil das Verhalten, das die Klägerin als zulässig in Anspruch nimmt, gegen die Beteiligungsvereinbarung und gegen die Satzung der Beklagten verstößt (B.). Die Beklagte wäre bei einem solchen Verhalten zur fristlosen Kündigung der Beteiligungsvereinbarung berechtigt (C.). |
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| Die Zuständigkeit des Kartellsenats ist nach §§ 91, 87 GWB begründet. Das ergibt sich daraus, dass die Klägerin die Unwirksamkeit der Verpflichtung zur Versicherung bei der Beklagten aus der Beteiligungsvereinbarung und aus § 20 Abs. 1 S. 3 VBLS unter anderem auch auf kartellrechtliche Vorschriften stützt. Damit stellt sich eine entscheidungserhebliche kartellrechtliche Vorfrage. Die Zuständigkeit ist auch nicht dadurch entfallen, dass der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshof die Auffassung vertritt, die Beklagte sei kein Unternehmen im Sinne des Kartellrechts (Urteil vom 20.07.2011, Az. IV ZR 76/09; abrufbar in juris). Denn die Klägerin hält an ihrer Auffassung fest (vgl. auch Senatsurteil vom 14.12.2011 – 6 U 193/10 (Kart.), WuW-E DE-R 3478, abrufbar in juris). |
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| Die Klage ist entgegen der Auffassung des Landgerichts zulässig. |
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| 1. Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses geklagt werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung durch richterliche Entscheidung hat. Danach sind - was die Berufungsbegründung nicht hinreichend beachtet - zwei Voraussetzungen zu unterscheiden: Zum einen muss die Klage auf das Bestehen oder Nichtbestehen eines - wie aus dem Erfordernis des „Bestehens“ hervorgeht - gegenwärtigen Rechtsverhältnisses gerichtet sein. Zum anderen muss das sog. Feststellungsinteresse bestehen; es muss also dem Recht oder der Rechtslage (im Hinblick auf das genannte gegenwärtige Rechtsverhältnis) eine Gefahr der Unsicherheit drohen, die durch das erstrebte Urteil beseitigt werden kann (vgl. BGHZ 69, 144, 147; BGH NJW-RR 2008, 1495, 1499; st. Rspr.). Letztere Voraussetzung ist angesichts des Streits der Parteien über die Rechtslage und angesichts des nachvollziehbaren Bedürfnisses der Klägerin nach alsbaldiger Klärung ohne weiteres erfüllt. Zu Recht hat das Landgericht daher die Problematik der Zulässigkeit bei dem Erfordernis gesehen, dass sich die Klage auf die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines gegenwärtigen Rechtsverhältnisses richten muss. |
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| 2. Unter einem Rechtsverhältnis im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO ist eine bestimmte, rechtlich geregelte Beziehung einer Person zu anderen Personen oder zu einer Sache zu verstehen (vgl. BGH GRUR 2001, 1036 - Kauf auf Probe). Auch einzelne Rechte bzw. Pflichten aus einem Gesamtverhältnis sind feststellungsfähig, nicht aber abstrakte Rechtsfragen ohne Bezug zum konkreten Rechtsverhältnis und auch nicht bloße Elemente eines Rechtsverhältnisses, also rechtliche Vorfragen (vgl. Musielak/Foerste, ZPO, 9. Aufl., § 256 Rn. 2; MünchKommZPO/Becker-Eberhard, 3. Aufl., § 256 Rn. 11, 22 ff., je m.w.N.). Das Rechtsverhältnis muss gegenwärtig sein; vergangene und künftige Rechtsverhältnisse sind grundsätzlich - mit Ausnahmen z.B. bei betagten und bedingten Rechtsverhältnissen - nicht feststellungsfähig (vgl. MünchKommZPO/Becker-Eberhard, a.a.O., § 256 Rn. 28 ff. m.w.N.). |
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| Im Streitfall stellt der durch die Beteiligungsvereinbarung begründete und durch die Satzung der Beklagten näher ausgestaltete Vertrag (vgl. § 2 der Beteiligungsvereinbarung) ein gegenwärtiges Rechtsverhältnis dar; die aus ihm erwachsenden Rechte und Pflichten der Parteien sind daher im Grundsatz feststellungsfähig. Problematisch wird das Vorliegen eines gegenwärtigen Rechtsverhältnisses nach der Begründung des angefochtenen Urteils im Streitfall deshalb, weil der von der Klägerin gestellte Feststellungsantrag die Frage betrifft, ob ein Pflichtverstoß in der Umsetzung eines Tarifvertrags liegt, der noch nicht geschlossen ist und - hieran hat sich in der Berufungsinstanz nichts geändert - dessen genauer Inhalt noch nicht feststeht, weil es keine ausverhandelte Fassung dieses Tarifvertrages gibt. Es ist - anders ausgedrückt - unklar, worin genau die Umsetzung des noch abzuschließenden Tarifvertrags bestünde, weil unklar ist, wozu sich die Klägerin in diesem Tarifvertrag im einzelnen verpflichten wird. Ob diese Unsicherheit beim Tatbestandsmerkmal des gegenwärtigen Rechtsverhältnisses (§ 256 Abs. 1 ZPO) oder beim Erfordernis einer hinreichenden Bestimmtheit des Klageantrags (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, vgl. BGH NJW 2001, 445, 447) verortet wird, ist dabei nicht von entscheidender Bedeutung. Beides könnte, wenn die Unklarheit nicht überwunden werden kann, die Zulässigkeit der erhobenen Feststellungsklage (und zwar nach Haupt- und Hilfsantrag) in Frage stellen. Die Bedenken des Landgerichts lassen sich exemplarisch an der Frage der subjektiven Reichweite des noch zu schließenden Tarifvertrags verdeutlichen: Auch nach dem Vortrag der Klägerin besteht eine Versicherungspflicht nicht für das gesamte ärztliche Personal; vielmehr gilt die tarifvertragliche Versicherungspflicht unstreitig nicht für Chefärzte und andere Spitzenverdiener unter den Ärzten. Welche Ärzte von dem mit dem Marburger Bund abzuschließenden Tarifvertrag erfasst würden, lässt sich dem Vortrag der Klägerin indessen nicht entnehmen; dort ist allgemein vom „ärztlichen Personal“ die Rede. Bliebe es dabei, hätte der Senat trotz des unzweifelhaften Bestehens des Vertragsverhältnisses Bedenken, ob das Feststellungsbegehren hinreichend konkretisiert ist, um ein gegenwärtiges Rechtsverhältnis und/oder eine hinreichende Bestimmtheit des Klageantrags annehmen zu können. |
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| 4. Indessen darf die Ermittlung des konkreten Feststellungsbegehrens nicht beim Antragswortlaut stehenbleiben; erforderlich ist vielmehr dessen Auslegung im Lichte der vorgetragenen Begründung (vgl. BGH GRUR 2001, 1036, 1037 - Kauf auf Probe). Im Streitfall ergibt sich aus der Gesamtheit des Vorbringens der Klägerin, dass es für die begehrte Feststellung auf die Einzelheiten des noch abzuschließenden Tarifvertrags wie z.B. dessen subjektive Reichweite gerade nicht ankommen soll. Die Klägerin ist der Auffassung, dass eine Abmeldung von Beschäftigten bzw. eine Nichtmeldung neuer Beschäftigter mit der Beteiligungsvereinbarung und der VBLS immer dann vereinbar ist, wenn ein Tarifvertrag die Klägerin zur Versicherung dieses Beschäftigten bei einer anderen Versorgungseinrichtung verpflichtet. In diesem Fall soll nach Auffassung der Klägerin schon nach dem ATV und der VBLS eine Pflicht zur Versicherung bei der Beklagten nicht bestehen; jedenfalls aber sollen etwaige durch Satzung und Beteiligungsvereinbarung begründete Pflichten aus verfassungsrechtlichen Gründen der tarifvertraglich begründeten Regelung weichen. Damit ist das Feststellungsbegehren im Lichte des Vorbringens der Klägerin dahin auszulegen, dass jegliche Abmeldung bzw. Nicht-Anmeldung von Beschäftigten in Erfüllung einer Pflicht zur Versicherung dieser Beschäftigten bei einer anderen Versorgungseinrichtung, die durch einen noch abzuschließenden Tarifvertrag begründet wird, keinen Verstoß gegen die Beteiligungsvereinbarung oder gegen § 20 Abs. 1 S. 3 VBLS darstellen und die Klägerin nicht zur Kündigung der Beteiligung berechtigen würde, und zwar unabhängig davon, welche Regelungen in dem noch abzuschließenden Tarifvertrag im einzelnen getroffen werden. Ob diese Feststellung getroffen werden kann, ist eine Frage der Begründetheit der Klage; an der Bestimmtheit des Feststellungsantrags (jegliche durch einen Tarifvertrag bedingte Abmeldung/Nichtanmeldung ist zulässig) und an der Gegenwärtigkeit des Rechtsverhältnisses (Regelungsgehalt des bestehenden Beteiligungsverhältnisses zu dieser Frage) bestehen bei diesem Antragsverständnis keine durchgreifenden Zweifel. |
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| Der hauptsächlich gestellte Feststellungsantrag ist nicht begründet. Die Abmeldung vorhandener Beschäftigter und die Nichtanmeldung neuer Beschäftigter zur betrieblichen Altersversorgung bei der Beklagten stellt auch dann einen Verstoß gegen eine vertragliche Hauptpflicht der Klägerin dar, wenn diese einen Tarifvertrag abschließt, der sie zu diesem Verhalten verpflichtet. |
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| 1. Nach § 1 der Beteiligungsvereinbarung, der die Inhaltsvorgabe des § 20 Abs. 1 S. 3 VBLS umsetzt, hat sich die Klägerin gegenüber der Beklagten verpflichtet, bei der Beklagten alle Arbeitnehmer zu versichern, die bei ihr zum Zeitpunkt des Inkrafttretens (01.04.1985) beschäftigt sind oder später bei ihr eintreten und die nach dem ATV zu versichern wären. Der Gebrauch des Konjunktivs „wären“ (statt „sind“) macht deutlich, dass die Bestimmung nicht nur eine Wiederholung einer ohnehin schon geltenden tarifvertraglichen Pflicht enthält. Die Pflicht gilt nicht nur für solche Beschäftigten, für die eine Versicherungspflicht aufgrund des ATV besteht, sondern auch für solche, für die der ATV nicht anwendbar ist, für die aber bei unterstellter Geltung eine Versicherungspflicht bestünde. Unabhängig davon, ob der jeweilige Beschäftigte aus dem ATV Rechte herleiten kann, ist also hypothetisch zu prüfen, ob der Beschäftigte bei Geltung des ATV unter die Versicherungspflicht fiele oder ob er von dieser nach den Regelungen des ATV ausgenommen wäre. |
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| 2. Damit stellt sich die Frage, ob der streitgegenständliche Sachverhalt unter einen Ausnahmetatbestand fällt, der im ATV oder in der VBLS, auf die in § 2 der Beteiligungsvereinbarung Bezug genommen wird, vorgesehen ist. Die Klägerin beruft sich auf § 2 Abs. 3 ATV, der für Ausnahmen von der Versicherungspflicht auf die Anlage 2 zum ATV verweist, und die dortige Ziff. 3, die folgenden Wortlaut hat: |
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| „Von der Pflicht zur Versicherung sind Beschäftigte ausgenommen, die … |
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| 3. aufgrund Tarifvertrags, Arbeitsvertrags, der Satzung der Zusatzversorgungseinrichtung oder der Satzung einer Zusatzversorgungseinrichtung, von der Versicherungen übergeleitet werden, von der Versicherungspflicht befreit worden sind, …“ |
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| Eine wortgleiche Regelung enthält § 28 Abs. 2 VBLS in Verbindung mit Satz 1 Ziff. 3 der Ausführungsbestimmungen zu dieser Vorschrift. |
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| Diese Ausnahmevorschrift erweitert den bereits in früheren Tarifverträgen enthaltenen Ausschlusstatbestand. Wie sich aus der Wortwahl „befreit worden sind“ ergibt, wird mit ihr der Grundsatz bestätigt, dass einmal ausgesprochene Befreiungen nicht rückgängig gemacht werden können. Die genannte Formulierung bedeutet aber auch, dass von der Ausnahme nur Fälle erfasst werden sollen, in denen auf ausdrücklichen Antrag des nach dem Tarifvertrag dem Grunde nach zu versichernden Arbeitnehmers eine Befreiung ausgesprochen werden konnte bzw. kann. Fälle der ausdrücklichen tarifvertraglichen Ausnahme von der Pflicht zur Versicherung, wie sie in anderen Vorschriften enthalten sind (z.B. §§ 28, 29 ATV), werden von dieser Vorschrift nicht erfasst (vgl. Kiefer/Langenbrinck/Kulok, Betriebliche Altersversorgung im öffentlichen Dienst, Stand April 2012, § 2 ATV Ziff. 20). |
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| Um einen Fall, in dem einzelne Arbeitnehmer aufgrund tarifvertraglicher Ermächtigung Befreiung von der grundsätzlich bestehenden Versicherungspflicht erteilt worden ist, geht es vorliegend nicht. Es soll nach der Darstellung der Klägerin überhaupt keine Ausnahme von der Pflicht zur Versicherung ihrer Arbeitnehmer im Rahmen der betrieblichen Altersvorsorge geschaffen werden. Vielmehr soll für diejenigen Arbeitnehmer, die von dem neu abzuschließenden Haustarifvertrag erfasst werden, die Möglichkeit eröffnet werden, die Versicherung nicht mehr bei der Klägerin, sondern bei einer anderen Versorgungseinrichtung abzuschließen. Für diese Arbeitnehmer soll also nicht etwa die Versicherungspflicht aufgehoben, sondern lediglich - bei fortbestehender Versicherungspflicht - eine alternative Versorgungseinrichtung bereitgestellt werden. |
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| Die genannten Ausnahmeregelungen befassen sich entgegen der Auffassung der Klägerin schon nach ihrem Wortlaut gar nicht mit der Pflicht zur Versicherung bei der Beklagten, sondern mit der Frage, ob ein Arbeitnehmer überhaupt zwecks betrieblicher Altersvorsorge zu versichern ist; sie nehmen von der generellen Pflicht zur Versicherung solche Arbeitnehmer aus, denen aufgrund einer in Tarifvertrag, Satzung etc. eröffneten Möglichkeit Befreiung von der Versicherungspflicht erteilt worden ist. Insoweit hat der Ausnahmetatbestand in der VBLS, der mit demjenigen des ATV wortidentisch ist, in der Tat nur tarifvertragsbestätigende Funktion. Den Vorschriften lässt sich entgegen der Auffassung der Klägerin nicht entnehmen, dass die in § 20 Abs. 1 S. 3 VBLS und in § 1 der Beteiligungsvereinbarung begründete Pflicht, die Beschäftigten bei der Beklagten zu versichern, unter den Vorbehalt gestellt wird, dass der jeweilige Beteiligte einen Tarifvertrag abschließt, der einen abweichenden Versorgungsträger vorsieht. |
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| Eine solche Auslegung des Ausnahmetatbestands wäre zudem mit dem Sinn der Versicherungspflicht nach § 20 Abs. 1 S. 3 VBLS unvereinbar. Die Vorschrift wurde in die Satzung aufgenommen, um die Finanzierung der Leistungen der Beklagten, wie sie in §§ 60 ff. VBLS vorgesehen ist, sicherzustellen. Die Beteiligten finanzieren die Leistungen, indem sie einen bestimmten Prozentsatz aus den Entgelten ihrer zu versichernden Arbeitnehmer als Umlage entrichten (§ 64 Abs. 1 VBLS). Der Umlagesatz ist einheitlich; Risikozuschläge werden nicht erhoben. Ein solches Verfahren lässt sich nur aufrechterhalten, wenn alle Beteiligten zumindest denselben Personenkreis versichern. Deshalb sind nach § 20 Abs. 1 S. 4 VBLS Ausnahmen, die zu einer Einschränkung des zu versichernden Personenkreises führen, nur mit Zustimmung des Gesamtvorstands zulässig (so Gilbert/Hesse, Die Versorgung der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes, Stand September 2011, § 20 VBLS Rn. 2). Bestätigt werden diese Überlegungen durch den Blick auf die Voraussetzungen einer Beteiligung an der Beklagten. Nach § 19 Abs. 2 lit. a bis c VBLS können der Bund, die Länder (oder Mitglieder einer Landesgruppe, die Mitglied der Tarifgemeinschaft deutscher Länder ist) oder Gemeinden, Gemeindeverbände oder sonstige Mitglieder der VKA Beteiligte sein; für andere Beteiligte ist nach § 19 Abs. 2 lit. d bis f VBLS erforderlich, dass sie das für Beteiligte nach lit. a bis c geltende Tarifrecht oder ein Tarifrecht wesentlich gleichen Inhalts anwenden, wie es in § 19 Abs. 3 VBLS näher definiert wird. Diese Beteiligungsvoraussetzungen beruhen ebenfalls erkennbar auf dem Grundsatz, dass alle Beteiligten einen im wesentlichen identischen Personenkreis bei der Beklagten versichern sollen (vgl. Gilbert/Hesse a.a.O.). Das bedeutet aber, dass ein Beteiligter den Kreis der zu versichernden Beschäftigten nicht dadurch einschränken kann, dass er in einem Tarifvertrag eine alternative Versorgungsmöglichkeit vorsieht. Denn dies würde das solidarische Finanzierungssystem insbesondere dann gefährden, wenn etwa Arbeitnehmer, deren Risiko versicherungstechnisch günstig bewertet wird oder für die besonders hohe Umlagen zu entrichten wären, aus der Versicherungspflicht herausgenommen würden. |
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| 3. Auch aus § 26 Abs. 1 S. 1 lit. c VBLS folgt nicht, dass bei Abschluss des geplanten Haustarifvertrags die von diesem erfassten Beschäftigten nicht mehr unter die Versicherungspflicht aus der Beteiligungsvereinbarung fielen. § 26 Abs. 1 VBLS lautet: |
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| „Die Pflicht zur Versicherung setzt voraus, dass die/der Beschäftigte |
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| a) das 17. Lebensjahr vollendet hat, |
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| b) vom Beginn der Pflichtversicherung an bis zum Ablauf des Monats, in dem der/die Beschäftigte das gesetzlich festgelegte Alter zum Erreichen einer abschlagsfreien Regelaltersrente vollendet, die Wartezeit (§ 34 Abs. 1) erfüllen kann, wobei frühere Versicherungszeiten, die auf die Wartezeit angerechnet werden, zu berücksichtigen sind und |
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| c) aufgrund eines Tarifvertrags oder - wenn keine Tarifgebundenheit besteht - aufgrund eines arbeitsvertraglich in Bezug genommenen Tarifvertrags die Pflicht zur Versicherung besteht. |
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| Beschäftigte im Sinne der Satzung sind Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer und Auszubildende.“ |
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| § 26 Abs. 1 VBLS beschreibt im Zusammenwirken mit § 28 und dessen Ausführungsbestimmungen die Voraussetzungen, die in der Person des Beschäftigten zur Begründung der Versicherungspflicht vorliegen müssen. Die Pflicht zur Versicherung nach dem Gruppentarifvertrag zwischen der Beklagten und dem jeweiligen Beteiligten entsteht nicht allein durch die Zugehörigkeit zum Beschäftigtenbestand des Beteiligten; vielmehr ist die Pflichtversicherung vom Vorliegen individueller Voraussetzungen abhängig, die auch in der namentlichen Anmeldung derjenigen Beschäftigten Ausdruck findet, für die die Voraussetzungen gegeben sind (Gilbert/Hesse, a.a.O., § 26 VBLS Rn. 1). |
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| § 26 Abs. 1 S. 1 lit. c VBLS besagt dabei entgegen der Auffassung der Klägerin nicht, dass die Versicherungspflicht eines Beschäftigten entfällt, wenn dieser unter einen Tarifvertrag fällt, der eine Versicherung bei einem anderen Versorgungsträger ermöglicht. Er stellt vielmehr darauf ab, ob überhaupt nach einem Tarifvertrag eine Pflicht zur Versicherung besteht; die satzungsmäßige Versicherungspflicht setzt also eine tarifvertragliche Versicherungspflicht voraus, die mangels Tarifbindung ggf. auch durch arbeitsvertragliche Bezugnahme auf einen zur Versicherung verpflichtenden Tarifvertrag begründet werden kann. Auch nach dem von der Klägerin angestrebten Haustarifvertrag besteht grundsätzlich aber eine Pflicht zur Versicherung der Beschäftigten zum Zweck der betrieblichen Altersversorgung, wenn auch nicht zwingend bei der Beklagten. |
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| Im Übrigen wird die Vorschrift dahin verstanden, dass es nur darauf ankommt, ob die jeweiligen Beschäftigten von dem Tarifvertrag erfasst werden können; auf welche Personen der Tarifvertrag tatsächlich anzuwenden ist, ergibt sich aus der Beurteilung der Tarifbindung (Gilbert/Hesse, a.a.O., § 26 VBLS Rn. 43 ff.). Diesem Verständnis ist aus systematischen wie aus teleologischen Gründen zu folgen. Es wäre kaum verständlich, wenn einerseits nach § 20 Abs. 1 S. 3 VBLS eine Versicherungspflicht für alle Beschäftigten vereinbart werden müsste, die bei hypothetischer Geltung des ATV zu versichern wären, andererseits aber die Versicherungspflicht nach § 26 Abs. 1 VBLS entfiele, sobald für bestimmte Beschäftigte in einem nachträglich geschlossenen Tarifvertrag die Versicherung bei einem anderen Anbieter vereinbart wird. Dass ein solches Verständnis mit dem von der VBLS vorgesehenen Finanzierungssystem unvereinbar wäre, wurde bereits ausgeführt. |
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| 4. Diese Auslegung der Beteiligungsvereinbarung und der VBLS ist entgegen der Auffassung der Klägerin mit dem durch Art. 9 Abs. 3 GG gewährleisteten Schutz der (auch: negativen) Koalitionsfreiheit vereinbar. Nach Art. 9 Abs. 3 S. 1 GG ist für jedermann und alle Berufe das Recht gewährleistet, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden. Nach S. 2 sind Abreden nichtig, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen; hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig. Damit hat das Grundrecht der Koalitionsfreiheit unmittelbare, aus dem Verfassungstext selbst folgende Drittwirkung (vgl. BVerfGE 57, 220, 245; Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht/Dieterich, 12. Aufl., Art. 9 GG Rn. 43). Geschützt sind Bestand und Betätigung der Koalitionen als kollektive Zusammenschlüsse zum Zweck der Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen. Dazu gehört insbesondere der Abschluß von Tarifverträgen für ihre Mitglieder (BVerfGE 92, 26 sub B.II.1.a). Das Grundrecht schützt somit zugunsten der Koalitionen u.a. die Tarifautonomie, zugunsten individueller Rechtsträger die Gründung einer Koalition, den Beitritt zu und den Verbleib in ihr sowie - in Gestalt der negativen Koalitionsfreiheit - die Freiheit, einer Koalition nicht beizutreten oder aus ihr auszutreten (vgl. im Einzelnen Jarass/Pieroth, GG, 11. Aufl., Art. 9 Rn. 36 ff.). Die geschützte Regelungsbefugnis der Tarifvertragsparteien umfasst auch das sich an das aktive Arbeitsverhältnis anschließende Versorgungsverhältnis (vgl. BGH VersR 2011, 1295 Tz. 53 m.w.N.). Als Eingriff ist jede Regelung anzusehen, die das geschützte Verhalten nicht lediglich ausgestaltet, sondern einschränkt oder behindert, wobei es bei mittelbaren und faktischen Behinderungen auf deren Gewicht ankommt (Jarass/Pieroth, a.a.O., Art. 9 Rn. 31, 45 ff.). Eine Ausgestaltung kann vorliegen bzw. ein Ausgleich geboten sein, wo die individuelle und die kollektive Koalitionsfreiheit oder die Freiheit verschiedener Koalitionen kollidieren (Jarass/Pieroth, a.a.O., Art. 9 Rn. 47); eine zulässige Ausgestaltung muss sich aber am Normziel des Art. 9 Abs. 3 GG orientieren und darf die Parität der Tarifpartner nicht verfälschen (BVerfGE 92, 26 sub B.II.1.b.bb). Da das Grundrecht vorbehaltlos gewährleistet ist, ergibt sich die Grundlage für Einschränkungen aus kollidierendem Verfassungsrecht, insbesondere aus Grundrechtspositionen Dritter, insbesondere ihrer Koalitionsfreiheit (BVerfGE 84, 212, 228). |
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| Die Klägerin sieht bei der hier vertretenen Auslegung der Beteiligungsvereinbarung einen Verstoß gegen Art. 9 Abs. 3 GG darin, dass ihr der Abschluss des geplanten Haustarifvertrags mit dem Marburger Bund faktisch unmöglich gemacht wird. Sie könne den Tarifvertrag - jedenfalls wenn der Grundsatz der Tarifeinheit nicht angewandt werde - zwar rechtswirksam abschließen, sei dann aber einer Pflichtenkollision mit erheblichen Sanktionsdrohungen einerseits von Seiten der Beklagten, andererseits von Seiten ihrer von dem Tarifvertrag erfassten Beschäftigten ausgesetzt. Diese hätten dann einen Anspruch darauf, nach ihrer Wahl bei einer anderen Versorgungseinrichtung versichert und damit bei der Beklagten abgemeldet zu werden; wenn dies aber geschähe, könne die Beklagte dies zum Anlass für eine Kündigung der gesamten Beteiligung und zur Geltendmachung einer Gegenwertforderung nehmen. |
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| Damit ist eine Verletzung von Art. 9 Abs. 3 GG nicht dargetan. Es ist bereits fraglich, ob in dem privatautonomen Abschluss der Beteiligungsvereinbarung mit der in § 1 vorgesehenen Verpflichtung, alle Beschäftigten bei der Beklagten zu versichern, für die bei Geltung des ATV Versicherungspflicht bestünde, überhaupt ein Eingriff in die Koalitionsfreiheit der Klägerin gesehen werden kann oder ob es sich insoweit nicht um eine von vornherein freie Ausgestaltung der grundrechtlich geschützten Tarifautonomie handelt. Selbst wenn dabei die in § 20 Abs. 1 S. 3 VBLS enthaltene Inhaltsvorgabe als Eingriff in die Tarifautonomie gesehen und eine „Ausstrahlung“ auf die entsprechende Verpflichtung in § 1 der Beteiligungsvereinbarung erwogen wird, ist - wie ausgeführt - schon bei der Frage, ob ein Eingriff vorliegt, das Gewicht der von der Regelung ausgehenden Beeinträchtigung zu berücksichtigen. Dabei ist zu sehen, dass die von der Klägerin angeführte Pflichtenkollision nicht zwingend entsteht. Die Beteiligung bei der Beklagten kann mit einer Frist von sechs Monaten zum Schluss eines Kalenderjahres gekündigt werden (§ 22 Abs. 1 VBLS; vgl. Gilbert/Hesse, a.a.O., § 20 VBLS Rn. 2); dies hat zur Folge, dass die Pflichtversicherungen der Beschäftigten enden (§ 23 Abs. 1 S. 1 VBLS), so dass eine Versicherung bei einer anderen Versorgungseinrichtung ohne Pflichtenkonflikt begründet werden kann. Da die bis dahin erworbenen Anwartschaften und sonstigen Leistungsansprüche der Beschäftigten von der Beklagten bedient werden müssen, ist allerdings in § 23 Abs. 2 VBLS eine Pflicht zur Zahlung eines nach versicherungsmathematischen Grundsätzen zu berechnenden Gegenwerts vorgesehen. Unabhängig von der Frage, inwieweit die Einzelheiten der in § 23 Abs. 2 VBLS vorgesehenen Berechnungsmethode letztlich Bestand haben werden (vgl. dazu Senatsurteile vom 14.12.2011, 6 U 193/10 (Kart.), WuW-E DE-R 3478, abrufbar in juris, sowie vom 25.07.2012, 6 U 143/11), dient diese Gegenwertforderung - soweit sie berechtigt ist - zur Finanzierung der Verpflichtung der Beklagten, die betriebliche Altersversorgung der Beschäftigten des ausscheidenden Beteiligten, auf die diese auch gegenüber ihrem Arbeitgeber Anspruch haben, trotz des Ausbleibens der Umlagezahlungen zu gewährleisten. Es handelt sich also nicht um eine Strafsanktion oder um ein Druckmittel zur Vermeidung anderweitiger tarifvertraglich vereinbarter Versorgungssysteme, sondern um eine zwar nicht zwingend vorgegebene, aber zumindest im Kern zulässige und systemkonforme Ausgestaltung des von der Beklagten zulässigerweise praktizierten Umlageverfahrens in der Gestalt des Abschnittsdeckungsverfahrens. Es ist also nicht selbstverständlich, dass zur Begründung, weshalb eine die Vorgabe des § 20 Abs. 1 S. 3 VBLS beachtende Verpflichtung in der Beteiligungsvereinbarung eine Beschränkung der Tarifautonomie von hinreichendem Gewicht darstellt, auf die Gegenwertforderung nach § 23 Abs. 2 VBLS verwiesen werden kann. |
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| Die Frage, ob ein Eingriff in die von Art. 9 Abs. 3 GG gewährleistete Tarifautonomie vorliegt, bedarf indessen keiner abschließenden Entscheidung. Denn ein etwaiger Eingriff ist jedenfalls durch Rechte Dritter, die ebenfalls verfassungsmäßigen Rang haben, gerechtfertigt. Wie oben bereits ausgeführt wurde, ist die Verpflichtung nach § 20 Abs. 1 S. 3 VBLS die Voraussetzung dafür, dass das solidarische Umlageverfahren, wie es die VBLS vorsieht, nachhaltig praktiziert werden kann. Würde man es den Beteiligten ermöglichen, nach freiem Ermessen einzelne Gruppen von Beschäftigten aufgrund anderweitiger Tarifverträge aus der Versicherung bei der Beklagten herauszunehmen, könnte dies die vorgesehene solidarische Finanzierung im Wege der Umlage und damit das von der Beklagten für weite Teile des öffentlichen Dienstes praktizierte Versicherungsmodell insgesamt aushöhlen. Das liegt für die Herausnahme von Beschäftigten auf der Hand, die aufgrund ihres höheren Gehalts überdurchschnittlich hohen Umlagezahlungen zur Finanzierung der Beklagten auslösen. Die von einer unbeschränkten Herausnahme einzelner Gruppen ausgehende Gefährdung der Finanzierung des bestehenden Systems würde aber letztlich zu Lasten derjenigen gehen, die aufgrund erworbener Versorgungsanwartschaften Anspruch auf Leistungen der Beklagten haben. Solche Ansprüche sind aber durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützt (BVerfGE 53, 257, 289 ff., st. Rspr.); das gilt gerade auch für Ansprüche auf Betriebsrenten aufgrund unverfallbarer, durch eigene Leistungen erworbener (vgl. im Streitfall § 16 Abs. 1 S. 2 ATV) Anwartschaften (BVerfGE 100, 1, st. Rspr.). Bei der gebotenen Abwägung dieser Grundrechtspositionen mit dem Ziel des schonenden Ausgleichs (vgl. Jarass/Pieroth, a.a.O., Art. 9 Rn. 51) ist zu berücksichtigen, dass alle Beteiligten die dem § 20 Abs. 1 S. 3 VBLS entsprechende Verpflichtung, alle Beschäftigten zu versichern, die nach dem ATV zu versichern wären, bewusst übernommen haben, so dass ihnen bekannt ist, dass die Beklagte das Tarifvertragsrecht zur Altersversorgung im öffentlichen Dienst nachvollzieht und ein einheitliches Versorgungssystem unterhält. Über das Akzeptieren des dynamischen Satzungsrechts haben sich alle Beteiligten demnach mittelbar der Gestaltungshoheit der Tarifvertragsparteien ausgesetzt und müssen deshalb auch die tarifrechtliche Überlagerung des Satzungsrechts hinnehmen, auch wenn sie selbst keiner Tarifbindung unterliegen (vgl. - explizit nur für die sonstigen Beteiligten - BGH VersR 2011, 1295 Tz. 61). Auch die grundsätzliche Möglichkeit einer Kündigung vermindert die Schwere eines etwaigen Eingriffs in die Tarifautonomie. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass das geltende umlagefinanzierte System, dessen nachhaltiger Aufrechterhaltung die fragliche Verpflichtung dient, seinerseits zumindest im Kern von den Tarifvertragsparteien beschlossen wurde (§§ 16 ff. ATV; vgl. auch BGH VersR 2011, 1295 Tz. 51 ff.) und damit ebenfalls den Schutz des Art. 9 Abs. 3 GG genießt. In dieser Situation hält der Senat die von der Bindung an die vertraglich vereinbarte Versicherungspflicht ausgehende Beeinträchtigung der tarifvertraglichen Gestaltungsfreiheit für zumutbar. |
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| 5. Die vertragliche Verpflichtung zur Versicherung der Beschäftigten bei der Beklagten nach § 1 der Beteiligungsvereinbarung ist nicht wegen Verstoßes gegen Artt. 101, 102 AEUV unwirksam. Denn die Beklagte ist, wie der Senat bereits in der Vergangenheit unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (VersR 2011, 1295) entschieden hat (Senatsurteil vom 14.12.2011 - 6 U 193/10 (Kart.), WuW-E DE-R 3478, abrufbar in juris, Tz. 132 f.), kein Unternehmen im Sinne des europäischen Kartellrechts und damit nicht Normadressatin der genannten Vorschriften. Sie wird jedenfalls im hier maßgeblichen Abrechnungsverband West im Umlageverfahren, also nach dem Grundsatz der Solidarität und nicht nach dem Kapitaldeckungssystem finanziert; die Einführung der Sanierungsgeldregelung ändert daran ebensowenig wie die vorgesehene Möglichkeit, die Umlagefinanzierung in Zukunft schrittweise durch eine kapitalgedeckte Finanzierung unter Erhebung von Beiträgen abzulösen (BGH a.a.O. Tz. 89 ff., 92). Die Beklagte verfügt auch nicht über eine für die Qualifikation als Unternehmen hinreichende Autonomie; sie ist vielmehr Teil des überkommenen und von den Tarifvertragsparteien institutionalisierten Systems der Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst, bei dem andere Versorgungseinrichtungen und Versicherungsgesellschaften nicht im Wesentlichen dieselbe Dienstleistung wie die Beklagte angeboten haben. Zudem unterliegt die Beklagte in besonderem Maße der staatlichen Kontrolle, insbesondere bei Satzungsänderungen, die die Höhe des Beitragssatzes und der zu gewährenden Leistungen betreffen und damit potentiell Auswirkungen auf den Wettbewerb mit anderen Formen der Zusatzversorgung haben können. Damit ist die Beklagte in der Gesamtschau nicht als Unternehmen im kartellrechtlichen Sinne anzusehen (BGH a.a.O. Tz. 93). |
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| 6. Im Ergebnis kann die mit dem Hauptantrag begehrte Feststellung nicht getroffen werden, weil die Umsetzung des geplanten Tarifvertrags gegen die wirksame Verpflichtung der Klägerin aus § 1 der Beteiligungsvereinbarung verstieße. |
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| Auch der Hilfsantrag ist unbegründet. Der soeben dargestellte Verstoß würde die Beklagte zur fristlosen Kündigung nach § 22 Abs. 3 S. 1 VBLS berechtigen. Die in § 1 der Beteiligungsvereinbarung enthaltene Pflicht, alle Beschäftigten bei der Beklagten zu versichern, für die bei Geltung des ATV Versicherungspflicht bestünde, stellt eine vertragliche Hauptpflicht der Klägerin dar. Das ergibt sich schon daraus, dass diese Verpflichtung die einzige ist, die explizit in der Beteiligungsvereinbarung formuliert ist; im übrigen nimmt diese auf die VBLS Bezug (§ 2). Bestätigt wird dies durch die oben dargestellte Bedeutung der Versicherungspflicht für das umlagefinanzierte Beitragssystem. Der geplante (bedingt) vorsätzliche Verstoß gegen diese vertragliche Hauptpflicht würde der Beklagten daher - auch angesichts der erkennbar erheblichen wirtschaftlichen Bedeutung der Herausnahme des ärztlichen Personals aus der Gesamtbeteiligung - die Fortsetzung des vertraglichen Dauerschuldverhältnisses mit der Klägerin unzumutbar machen. Damit liegt nach den allgemeinen Regeln ein wichtiger Grund zur Kündigung vor (vgl. auch Kiefer/Langenbrinck/Kulok, a.a.O., § 20 VBLS Ziff. 3; Gilbert/Hesse, a.a.O., § 22 Rn. 4). Auf die Frage, ob die in § 22 Abs. 3 VBLS explizit genannten wichtigen Gründe im Streitfall erfüllt sind, kommt es nicht an. Denn diese Tatbestände sind lediglich beispielhafte Konkretisierungen des wichtigen Grundes als Kündigungsvoraussetzung; sie schränken den allgemeinen Tatbestand nach § 22 Abs. 3 S. 1 VBLS nicht ein. Auch die Frage, ob und ggf. unter welchen Einschränkungen die Beklagte zur ordentlichen Kündigung berechtigt ist, bedarf in dieser Situation keiner Entscheidung. |
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| Die Kündigung wäre auch angesichts ihrer Folgen, insbesondere einer - wie auch immer berechneten - Gegenwertforderung der Beklagten, nicht unverhältnismäßig. Wie bereits ausgeführt wurde, kann und muss der Klägerin zugemutet werden, an der von ihr eingegangenen vertraglichen Bindung festzuhalten und vom Abschluss des geplanten Haustarifvertrags mit dem Marburger Bund über die betriebliche Altersversorgung abzusehen. Tut sie dies nicht und setzt sie den Tarifvertrag durch Abmeldung/Nichtanmeldung von Beschäftigten bei der Beklagten um, muss sie die mögliche Konsequenz einer außerordentlichen Kündigung mit den sich daran anschließenden Folgeansprüchen, soweit sie berechtigt sind, tragen. Ob eine Kündigung in entsprechender Anwendung von § 22 Abs. 3 S. 4 VBLS durch die Verpflichtung zur Zahlung eines anteiligen Gegenwerts abgewendet werden könnte, ist hier nicht zu entscheiden; weder hat die Beklagte gekündigt noch die Klägerin die Zahlung eines anteiligen Gegenwertes angeboten. |
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| Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Revision war wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) zuzulassen; eine obergerichtliche Entscheidung zu den hier streitgegenständlichen Fragestellungen ist, soweit ersichtlich, bislang nicht ergangen. |
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