Oberlandesgericht Karlsruhe Beschluss, 26. März 2018 - 2 Ws 79/18

published on 26/03/2018 00:00
Oberlandesgericht Karlsruhe Beschluss, 26. März 2018 - 2 Ws 79/18
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Tenor

Auf die Beschwerde des Betroffenen wird der Beschluss des Landgerichts Konstanz vom 01.03.2018 aufgehoben.

Die Sache wird zu erneuter Befassung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an das Landgericht Konstanz zurückverwiesen.

Gründe

 
I.
Der Betroffene ist - nach vorausgegangener Untersuchungshaft und Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe - seit dem 11.05.2017 im Zentrum für Psychiatrie (ZfP) Z einstweilig untergebracht. Durch nicht rechtskräftiges Urteil des Landgerichts Konstanz vom 27.01.2017 - 3 KLs 21 Js 2320/17 - wurde der Betroffene zu Gesamtfreiheitsstrafen von zwei Jahren - unter Einbeziehung einer vorangegangenen Verurteilung - und von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Daneben wurde seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet.
Am 12.01.2018 beantragte das ZfP Z die gerichtliche Zustimmung zur zwangsweisen Behandlung des Betroffenen mit einem antipsychotisch wirkenden Medikament. Nach der am 15.01.2018 ohne Anhörung des Betroffenen erfolgten Bestellung eines Verfahrenspflegers erfolgte am 18.01.2018 die mündliche Anhörung des Betroffenen im ZfP Z, an der neben dem Betroffenen der Verfahrenspfleger und der behandelnde Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie teilnahmen. Mit einstweiligen Anordnungen vom 19.01.2018, 02.02.2018 und 15.02.2018 erteilte das Landgericht Konstanz jeweils unter Anordnung der sofortigen Wirksamkeit vorläufig die gerichtliche Zustimmung zur Behandlung des Betroffenen mit einem Antipsychotikum (und mit einem sedierenden Medikament).
Nachdem den Verfahrensbeteiligten Gelegenheit gegeben worden war, zu dem vom Landgericht eingeholten und am 14.02.2018 vorgelegten Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen Dr. S schriftlich Stellung zu nehmen, erteilte das Landgericht Konstanz mit dem angefochtenen Beschluss vom 01.03.2018 die gerichtliche Zustimmung zur zwangsweisen Behandlung des Betroffenen oral oder intramuskulär mit bis zu 100 mg Zuclopenthixol täglich und mit bis zu 150 mg Promethazin zweimal täglich. Mit Schriftsatz seines damaligen Verfahrensbevollmächtigten, den der Senat auf die Beschwerde des Betroffenen mit Beschluss vom 16.03.2018 (2 Ws 58/18, juris) anstelle des bisherigen Verfahrenspflegers zum Verfahrenspfleger bestellt hat, legte der Betroffene hiergegen Beschwerde ein, der das Landgericht nicht abgeholfen hat.
II.
Die gemäß § 304 Abs. 1 StPO statthafte (zur Anwendbarkeit der strafprozessualen Vorschriften vgl. Senat, Beschlüsse vom 05.04.2016 - 2 Ws 90/16 = Die Justiz 2017, 217 und vom 16.03.2018 - 2 Ws 58/18, juris) Beschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache wegen eines schwer wiegenden Verfahrensfehlers.
1. §§ 20 Abs. 5 Satz 4, 32 PsychKHG, 319 Abs. 1 FamFG schreiben in Verfahren über die gerichtliche Zustimmung zur Zwangsbehandlung die persönliche Anhörung des Betroffenen vor, der für das Verfahren zentrale Bedeutung zukommt. Sie sichert nicht nur den Anspruch des Betroffenen auf Gewährung rechtlichen Gehörs aus Art. 103 Abs. 1 GG. Durch sie soll auch sichergestellt werden, dass sich das Gericht vor der Entscheidung über den mit einer Unterbringung verbundenen erheblichen Grundrechtseingriff einen persönlichen Eindruck von dem Betroffenen verschafft, durch den es in die Lage versetzt wird, eingeholte Sachverständigengutachten (§ 321 FamFG), ärztliche Stellungnahmen oder sonstige Zeugenaussagen zu würdigen (BGH FamRZ 2011, 805 Rn. 11 m.w.N). Die persönliche Anhörung gehört zu den bedeutsamen Verfahrensgarantien, deren Beachtung Art. 104 Abs. 1 GG fordert, zum Verfassungsgebot erhebt und so mit grundrechtlichem Schutz versieht, und ist Kernstück der Amtsermittlung (BVerfG NJW 1990, 2309, 2310 - zu §§ 6 Abs. 1, 12 Abs. 2 Satz 2 UBG BW; BVerfG, Beschluss vom 13.02.2013 - 2 BvR 1872/10 - juris - zu § 11 Abs. 2 FrhEntzG; BGH NJW-RR 2014, 642).
2. Damit ist es nicht vereinbar, dass das Landgericht eine Entscheidung getroffen hat, ohne den Betroffenen vorher zeitnah (erneut) persönlich anzuhören. Zwar hatte das Landgericht den Betroffenen am 18.01.2018 mündlich im ZfP Z angehört. Danach war aber aufgrund der einstweiligen Anordnungen mit der medikamentösen Behandlung des Betroffenen begonnen worden, von deren Auswirkungen sich das Gericht nur durch erneute persönliche Anhörung des Betroffenen ein unmittelbares Bild machen konnte.
3. Das Unterbleiben der deshalb jedenfalls unter Aufklärungsgesichtspunkten gebotenen (erneuten) mündlichen Anhörung des Betroffenen führt in Abweichung von § 309 Abs. 2 StPO - § 68 Abs. 3 FamFG findet wegen der beschränkten Verweisung in § 20 Abs. 5 Satz 4 PsychKHG keine Anwendung - dazu, dass die Sache unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung an die Vorderinstanz zur Nachholung der versäumten Verfahrenshandlung zurückzuverweisen ist (st. Rspr. des Senats, u.a. Beschluss vom 05.09.2017 - 2 Ws 251/17, juris; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl., § 309 Rn. 8 m.w.N.).
III.
Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
1. Auch wenn das Gesetz eine mündliche Anhörung des psychiatrischen Sachverständigen nicht vorschreibt (§§ 20 Abs. 5 Satz 4, PsychKHG, 321 FamFG), wird sorgfältig zu prüfen sein, ob es nicht unter Aufklärungsgesichtspunkten geboten ist, den Sachverständigen in Gegenwart der Verfahrensbeteiligten persönlich anzuhören. Bei der Entscheidung darüber wird auch einzubeziehen sein, ob die Verfahrensbeteiligten eine persönliche Anhörung des Sachverständigen für erforderlich halten, weshalb ihnen dazu Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben sein wird.
10 
2. Da das Gericht nach § 20 Abs. 5 Satz 1 PsychKHG nur die Zustimmung zu einer von der behandelnden Einrichtung beantragten Behandlung erteilt, ist es an den gestellten Antrag gebunden und darf darüber nicht hinausgehen.
11 
a) Insoweit ist vorliegend zu beachten, dass im Antrag des ZfP Z vom 12.10.2018 zwar die Behandlung mit dem sedierenden Medikament Atosil (Wirkstoff: Promethazin) Erwähnung findet, die gerichtliche Zustimmung aber nur zur Behandlung des Betroffenen mit dem antipsychotisch wirkenden Medikament Ciatyl-Z (Wirkstoff: Zuclopenthixol) beantragt wurde.
12 
b) Soweit die Verabreichung einer (oralen) Dosis von bis zu 100 Milligramm Ciatyl-Z täglich beantragt wurde, ergibt sich zudem aus dem Zusammenhang, dass von Behandlerseite zunächst eine Tagesdosis von 50 Milligramm für erforderlich gehalten wird und eine Dosiserhöhung ersichtlich nur im Fall nicht ausreichender Wirkung vorgenommen werden soll. Im Hinblick darauf, dass § 20 Abs. 3 Satz 3 PsychKHG eine Zwangsbehandlung nur im unbedingt erforderlichen Umfang zulässt, muss aber für eine Dosiserhöhung feststehen, dass die Verabreichung einer nach ärztlicher Beurteilung grundsätzlich ausreichenden Wirkstoffmenge keinen ausreichenden Erfolg hat. Diese Feststellung kann nach dem Regelungskonzept des § 20 PsychKHG aber nicht den behandelnden Ärzten überlassen werden, sondern muss in dem dazu vorgeschriebenen Zustimmungsverfahren von der Strafvollstreckungskammer auf der Grundlage der ärztlichen Beurteilungen selbst getroffen werden (Senat, Beschluss vom 11.09.2017 - 2 Ws 242/17, juris).
13 
c) Bedenken begegnet vorliegend auch, dass es nach der Fassung des angefochtenen Beschlusses in das Belieben der behandelnden Ärzte gestellt ist, ob das Medikament oral oder intramuskulär verabreicht wird. Abgesehen davon, dass sich dem Antrag vom 12.01.2018 nur das Begehren auf Zustimmung zur oralen Verabreichung entnehmen lässt, setzt dies im Hinblick auf § 20 Abs. 3 Satz 3 bis 5 PsychKHG voraus, dass die alternativen Verabreichungsformen hinsichtlich Nutzen und Belastungen gleichwertig sind, was entsprechende Feststellungen dazu erfordert. Vorliegend ist dies schon dadurch in Frage gestellt, dass sich dem Gutachten des Sachverständigen Dr. S vom 08.02.2018 deutliche Unterschiede in der Art der Verabreichung, möglicherweise aber auch in der Wirkung entnehmen lassen. Beim Betroffenen kamen danach abwechselnd beide Verabreichungsformen zur Anwendung. Während bei oraler Gabe täglich 50 Milligramm Ciatyl-Z verabreicht wurden, wurden intramuskulär alle drei Tage 100 Milligramm des Präparats Ciatyl-Z Acuphase gespritzt, was von dem Betroffenen nach dem Bericht eines Stationsmitarbeiters schlechter als die orale Verabreichung vertragen wurde. Selbst wenn danach ein Stufenverhältnis zwischen den Verabreichungsformen bestehen sollte, ist es nach der Auffassung des Senats allerdings bei entsprechendem Antrag der behandelnden Einrichtung und Vorliegen der übrigen Voraussetzungen nicht zu beanstanden, dass für den Fall der Verweigerung einer sonst nicht zu erzwingenden oralen Einnahme eine Verabreichungsform mit ungünstigerem Profil genehmigt wird, weil dann mit der Weigerung des Patienten feststeht, dass die mildere Form der Behandlung nicht durchgeführt werden kann.
14 
3. Bei der gerichtlichen Zustimmung zur Zwangsbehandlung muss deutlich sein, auf welche der drei - allerdings auch kumulativ anwendbaren - Eingangsvoraussetzungen des § 20 Abs. 3 Satz 1 PsychKHG die Entscheidung gestützt ist. Dies ist schon deshalb von Bedeutung, weil nur die Behandlung zur Abwendung einer erheblichen Eigengefährdung (§ 20 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 lit. a PsychKHG) und zur Wiederherstellung der tatsächlichen Voraussetzungen freier Selbstbestimmung (§ 20 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 lit. b PsychKHG) eine krankheitsbedingte Aufhebung der Einsicht in die Behandlungsbedürftigkeit voraussetzen.
15 
a) Im Hinblick auf den dabei im Vordergrund stehenden Sicherungszweck wird die Behandlung zur Wiederherstellung der tatsächlichen Voraussetzungen freier Selbstbestimmung während der einstweiligen Unterbringung nur ganz ausnahmsweise dann in Betracht kommen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass durch die Verzögerung der Behandlung der Erfolg eines zu erwartenden nachfolgenden Maßregelvollzugs nachhaltig in Frage gestellt wäre (Senat, Beschluss vom 05.04.2016 - 2 Ws 90/16 = Die Justiz 2017, 217).
16 
b) Eigengefährdung vermag die Zwangsbehandlung nur zu rechtfertigen, wenn eine gegenwärtige erhebliche Gefahr für die Gesundheit des Patienten besteht. Soweit dazu im Antrag des ZfP Z darauf verwiesen wird, dass der Betroffene größere Mengen seines eigenen Urins trinkt, erschließt sich nicht ohne Weiteres eine daraus ergebende gewichtige Gesundheitsgefährdung. Soweit im angefochtenen Beschluss in diesem Zusammenhang darauf abgestellt wird, dass der Betroffene bei von ihm herbeigeführten tätlichen Auseinandersetzungen durch die Gegenreaktionen selbst gefährdet sein könnte, fehlt es ungeachtet der Frage, ob dies für die Annahme einer gegenwärtigen Gefahr ausreicht, an tatsächlichen Feststellungen zu Wahrscheinlichkeit und Ausmaß sich daraus ergebender gesundheitlicher Folgen für den Betroffenen, ohne die eine Bewertung der Erheblichkeit nicht möglich ist.
17 
c) Soweit die Behandlung der Abwehr einer Gefährdung dritter Personen dienen soll (§ 20 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 PsychKHG), setzt auch dies entweder Lebensgefahr oder doch mindestens eine gegenwärtige erhebliche Gefahr für die Gesundheit voraus.
18 
1) Mit dem Begriff der „Erheblichkeit“ wird dabei auch ein sonst im Maßregelrecht immer wieder verwendeter Terminus (§§ 63, 64 Satz 1, 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, 67d Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 und Abs. 6 Satz 2 StGB) aufgegriffen, weshalb zur Auslegung auf die dazu entwickelten Maßstäbe zurückgegriffen werden kann. Danach ist die Erheblichkeitsschwelle bei einfachen Körperverletzungen nur dann überschritten, wenn als ihre Folge Knochenbrüche, Gehirnerschütterungen oder mindestens großflächige Schürfwunden zu erwarten sind, oder es sich um wuchtige Faustschläge ins Gesicht oder kraftvolle Tritte oder Stöße gegen den Kopf oder wichtige Organe (Nieren, Milz) handelt (BT-Drs. 18/7244 S. 34 f. - Entwurf eines Gesetzes zur Novellierung des Rechts der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 des Strafgesetzbuches und zur Änderung anderer Vorschriften).
19 
2) Dass vom Betroffenen entsprechende Gewalttaten mit ausreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten sind, ist weder durch die dazu vom Landgericht Konstanz im angefochtenen Beschluss getroffenen Feststellungen noch durch den übrigen Akteninhalt bislang hinreichend belegt.
20 
Zwar wird dafür angeführt, dass der Betroffene im Verlauf der Unterbringung wiederholt durch fremdaggressive, vor allem bedrohliche Übergriffe in Erscheinung trat. Allerdings fehlt es dazu an tatsächlichen Feststellungen, die eine Überprüfung zulassen, ob die vom Behandler in der mündlichen Anhörung am 18.01.2018 vorgenommene Bewertung, es habe mit einem Umschlagen von verbaler Bedrohung in Tätlichkeiten gerechnet werden müssen, über eine subjektive Einschätzung hinaus tragfähig ist. Da Vorkommnisberichte oder Stellungnahmen der davon betroffenen Personen von der Strafvollstreckungskammer nicht erhoben wurden, kann sich der Senat dazu nur auf die Wiedergabe aus der elektronischen Patientenakte im Gutachten des Sachverständigen Dr. S vom 08.02.2018 stützen, die insgesamt vier aggressive Entäußerungen im Zeitraum zwischen dem 19.12.2017 und dem 22.1.2018 auflistet. Lediglich bei den Vorkommnissen am 19.12.2017 und am 22.01.2018 soll es dabei aber über verbale Drohungen hinaus zu gegen andere Personen gerichteten fremdaggressiven Verhaltensweisen gekommen sein. So soll der Betroffene am 19.12.2017 einen Mitpatienten mit einem Stift bedroht haben. Am 22.01.2018 habe der Betroffene mit Schwung ein Messer in einen Küchenwagen geworfen haben, den ein Mitpatient gerade abgeräumt habe, später habe er mit einer Gabel einen Stoß gegen den Oberkörper des Mitpatienten angedeutet. Diese Beschreibungen sind jedoch so knapp gehalten, dass sie eine zuverlässige Bewertung des damit verbundenen Gefahrenpotenzials für die Kontrahenten des Betroffenen nicht zulassen.
21 
Soweit das Landgericht für seine Bewertung eine Gesamtschau mit den zur einstweiligen Unterbringung und zur Verurteilung durch das Landgericht Konstanz führenden Straftaten vorgenommen hat, ist dies zwar im Grundsatz nicht zu beanstanden. Soweit dabei ohne Weiteres die vom Landgericht Konstanz in seinem - im angefochtenen Beschluss nur auszugsweise wiedergegebenen - Urteil vom 27.10.2017 getroffenen Feststellungen zugrunde gelegt werden, trägt dies aber dem Umstand, dass das Urteil nicht rechtskräftig ist, sondern vielmehr vom Betroffenen mit der Revision angefochten wurde, nicht hinreichend Rechnung. Eine Übernahme der Feststellungen ohne eigene Prüfung wäre danach allenfalls dann zulässig, wenn der Betroffene ein Geständnis abgelegt hat und die Urteilsfeststellungen zum Tatgeschehen nicht Gegenstand von Revisionsangriffen sind.
22 
4. Die beantragte Zwangsbehandlung muss schließlich den gesetzlich normierten Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes in § 20 Abs. 3 Satz 3 bis 5 PsychKHG genügen, indem sie zu Erreichung des Behandlungsziels geeignet ist, mildere Maßnahmen nicht zur Verfügung stehen und das Verhältnis zwischen damit verbundenen Belastungen und Nutzen gewahrt sein muss, wobei letzterer die möglichen Schäden einer Nichtbehandlung sogar deutlich überwiegen muss (zum Ganzen ausführlich BVerfGE 128, 282, bei juris Rn. 56 ff.).
23 
a) Bei der Prüfung, ob die zur Behandlung einer Erkrankung aus dem schizophrenen Formenkreis grundsätzlich geeignete Gabe eines antipsychotisch wirkenden Medikaments das letzte Mittel zur Abwehr einer erheblichen Fremdgefährdung darstellt, wird die im Gutachten Dr. S referierte Äußerung des behandelnden Arztes zu berücksichtigen sein. Danach wird nurmehr die Gefahr einer Übergriffigkeit gegenüber Mitpatienten, nicht aber gegenüber dem Personal gesehen - unklar ist allerdings, ob diese gegenüber dem Antrag vom 12.01.2018 veränderte Einschätzung bereits der Einwirkung der Medikation geschuldet ist oder unabhängig davon gültig ist. Je nachdem stellt sich danach die Frage, ob der Schutzzweck auch allein durch Überwachungs- und Absonderungsmaßnahmen erreicht werden kann, wobei allerdings nach Auffassung des Senats die damit verbundenen Belastungen in die Bewertung einzustellen sind, ob es sich dabei um gegenüber einer zwangsweisen medikamentösen Behandlung geringere Belastungen handelt.
24 
b) Der Grundsatz, dass der Eingriff nicht über das erforderliche Maß hinausgehen darf, verlangt weiter, dass die Auswahl der konkret anzuwendenden Maßnahme nach Art und Dauer, bei einzusetzenden Medikamenten auch die Auswahl und Dosierung, sowie begleitende Kontrollen bestimmt und begründet werden (BVerfGE a.a.O., bei juris Rn. 60). Da es für diese Beurteilung medizinischen Sachverstands bedarf, sind dazu Erklärungen der behandelnden Einrichtung erforderlich, die mit Hilfe des gemäß §§ 20 Abs. 5 Satz 4 PsychKHG, 321 FamFG zu bestellenden Gutachters zu überprüfen sind. Insoweit erweisen sich allerdings sowohl die Stellungnahmen des ZfP Z als auch das Gutachten des Sachverständigen Dr. S als lückenhaft.
25 
1) Zur Auswahl des beantragten antipsychotischen Medikaments ist im Antrag des ZfP Z nur mitgeteilt, dass die Fortsetzung der - im Hinblick auf das eigentliche Behandlungsziel erfolgreichen - Behandlung mit einem anderen Präparat wegen damit verbundener Nebenwirkungen nicht in Betracht kommt. Weshalb aber die Wahl zwischen verbleibenden anderen zur Verfügung stehenden Medikamenten - dazu kann auf die ausführliche Darstellung im Gutachten Dr. S verwiesen werden - gerade auf Ciatyl-Z gefallen ist, ist jedoch - ebenso wie die Dosierung - nicht begründet worden. Dazu bestand umso mehr Anlass, als die zwischenzeitliche Behandlung mit einem weiteren Medikament (Perphenazin) nicht die gewünschte Wirkung zeigte, und deshalb Ausführungen zur erwartbaren Wirksamkeit von Zuclopenthixol geboten gewesen wären. Inzwischen werden dazu auch die Erfahrungen mit der seit Januar 2018 laufenden Behandlung zu berücksichtigen sein, wozu ein entsprechender Bericht der behandelnden Einrichtung einzuholen sein wird. Auch das Gutachten des Sachverständigen verhält sich zu den vorstehend aufgeworfenen Fragen nicht.
26 
2) Die mit der Behandlung verbundenen Belastungen, insbesondere mögliche Nebenwirkungen, werden im Antrag des ZfP Z überhaupt nicht und im Gutachten des Sachverständigen Dr. S nur knapp und in zusammengefasster Form spezifiziert. Die dabei zu beachtenden Darlegungsanforderungen werden durch das Gewicht möglicher Nebenwirkungen bestimmt, das sich aus dem Grad der Wahrscheinlichkeit ihres Eintritts, der Schwere der Auswirkungen und den Chancen der Vermeidung bzw. Behandlung durch begleitende Maßnahmen ergibt. In erster Linie geht es darum auszuschließen, dass ein nicht zu vernachlässigendes Risiko irreversibler Gesundheitsschäden besteht (BVerfG a.a.O., bei juris Rn. 61). Im Übrigen wird im Vordergrund stehen, ob erheblichen Nebenwirkungen mit anderen Maßnahmen effektiv begegnet werden kann, wobei die damit verbundenen Belastungen ebenfalls festzustellen und zu bewerten sind. Abschließend ist das Gewicht möglicher Nebenwirkungen in Bezug zu dem voraussichtlichen Nutzen der vorgeschlagenen Behandlung zu setzen (BVerfG a.a.O., bei juris Rn. 61; Senat FamRZ 2015, 2008; Die Justiz 2017, 217). Auch dabei sind die Erfahrungen aus der bisherigen Behandlung in die Bewertung mit einzubeziehen. Der von der Strafvollstreckungskammer gezogene Schluss, dass das bislang weitgehende Ausbleiben auch künftig das Auftreten relevanter Nebenwirkungen nicht erwarten lasse, ist dabei ohne nähere medizinische Expertise nicht tragfähig begründet.
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published on 16/03/2018 00:00

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published on 05/04/2016 00:00

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(1) Die Beschwerde ist gegen alle von den Gerichten im ersten Rechtszug oder im Berufungsverfahren erlassenen Beschlüsse und gegen die Verfügungen des Vorsitzenden, des Richters im Vorverfahren und eines beauftragten oder ersuchten Richters zulässig, soweit das Gesetz sie nicht ausdrücklich einer Anfechtung entzieht.

(2) Auch Zeugen, Sachverständige und andere Personen können gegen Beschlüsse und Verfügungen, durch die sie betroffen werden, Beschwerde erheben.

(3) Gegen Entscheidungen über Kosten oder notwendige Auslagen ist die Beschwerde nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt.

(4) Gegen Beschlüsse und Verfügungen des Bundesgerichtshofes ist keine Beschwerde zulässig. Dasselbe gilt für Beschlüsse und Verfügungen der Oberlandesgerichte; in Sachen, in denen die Oberlandesgerichte im ersten Rechtszug zuständig sind, ist jedoch die Beschwerde zulässig gegen Beschlüsse und Verfügungen, welche

1.
die Verhaftung, einstweilige Unterbringung, Unterbringung zur Beobachtung, Bestellung eines Pflichtverteidigers oder deren Aufhebung, Beschlagnahme, Durchsuchung oder die in § 101 Abs. 1 oder § 101a Absatz 1 bezeichneten Maßnahmen betreffen,
2.
die Eröffnung des Hauptverfahrens ablehnen oder das Verfahren wegen eines Verfahrenshindernisses einstellen,
3.
die Hauptverhandlung in Abwesenheit des Angeklagten (§ 231a) anordnen oder die Verweisung an ein Gericht niederer Ordnung aussprechen,
4.
die Akteneinsicht betreffen oder
5.
den Widerruf der Strafaussetzung, den Widerruf des Straferlasses und die Verurteilung zu der vorbehaltenen Strafe (§ 453 Abs. 2 Satz 3), die Anordnung vorläufiger Maßnahmen zur Sicherung des Widerrufs (§ 453c), die Aussetzung des Strafrestes und deren Widerruf (§ 454 Abs. 3 und 4), die Wiederaufnahme des Verfahrens (§ 372 Satz 1) oder die Einziehung oder die Unbrauchbarmachung nach den §§ 435, 436 Absatz 2 in Verbindung mit § 434 Absatz 2 und § 439 betreffen;
§ 138d Abs. 6 bleibt unberührt.

(5) Gegen Verfügungen des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofes und des Oberlandesgerichts (§ 169 Abs. 1) ist die Beschwerde nur zulässig, wenn sie die Verhaftung, einstweilige Unterbringung, Bestellung eines Pflichtverteidigers oder deren Aufhebung, Beschlagnahme, Durchsuchung oder die in § 101 Abs. 1 bezeichneten Maßnahmen betreffen.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Vor einer Unterbringungsmaßnahme hat eine förmliche Beweisaufnahme durch Einholung eines Gutachtens über die Notwendigkeit der Maßnahme stattzufinden. Der Sachverständige hat den Betroffenen vor der Erstattung des Gutachtens persönlich zu untersuchen oder zu befragen. Das Gutachten soll sich auch auf die voraussichtliche Dauer der Unterbringungsmaßnahme erstrecken. Der Sachverständige soll Arzt für Psychiatrie sein; er muss Arzt mit Erfahrung auf dem Gebiet der Psychiatrie sein. Bei der Genehmigung einer Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme oder bei deren Anordnung soll der Sachverständige nicht der zwangsbehandelnde Arzt sein.

(2) Für eine freiheitsentziehende Maßnahme nach § 312 Nummer 2 oder 4 genügt ein ärztliches Zeugnis.

(1) Die Freiheit der Person kann nur auf Grund eines förmlichen Gesetzes und nur unter Beachtung der darin vorgeschriebenen Formen beschränkt werden. Festgehaltene Personen dürfen weder seelisch noch körperlich mißhandelt werden.

(2) Über die Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung hat nur der Richter zu entscheiden. Bei jeder nicht auf richterlicher Anordnung beruhenden Freiheitsentziehung ist unverzüglich eine richterliche Entscheidung herbeizuführen. Die Polizei darf aus eigener Machtvollkommenheit niemanden länger als bis zum Ende des Tages nach dem Ergreifen in eigenem Gewahrsam halten. Das Nähere ist gesetzlich zu regeln.

(3) Jeder wegen des Verdachtes einer strafbaren Handlung vorläufig Festgenommene ist spätestens am Tage nach der Festnahme dem Richter vorzuführen, der ihm die Gründe der Festnahme mitzuteilen, ihn zu vernehmen und ihm Gelegenheit zu Einwendungen zu geben hat. Der Richter hat unverzüglich entweder einen mit Gründen versehenen schriftlichen Haftbefehl zu erlassen oder die Freilassung anzuordnen.

(4) Von jeder richterlichen Entscheidung über die Anordnung oder Fortdauer einer Freiheitsentziehung ist unverzüglich ein Angehöriger des Festgehaltenen oder eine Person seines Vertrauens zu benachrichtigen.

(1) Die Entscheidung über die Beschwerde ergeht ohne mündliche Verhandlung, in geeigneten Fällen nach Anhörung der Staatsanwaltschaft.

(2) Wird die Beschwerde für begründet erachtet, so erläßt das Beschwerdegericht zugleich die in der Sache erforderliche Entscheidung.

(1) Hält das Gericht, dessen Beschluss angefochten wird, die Beschwerde für begründet, hat es ihr abzuhelfen; anderenfalls ist die Beschwerde unverzüglich dem Beschwerdegericht vorzulegen. Das Gericht ist zur Abhilfe nicht befugt, wenn die Beschwerde sich gegen eine Endentscheidung in einer Familiensache richtet.

(2) Das Beschwerdegericht hat zu prüfen, ob die Beschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen.

(3) Das Beschwerdeverfahren bestimmt sich im Übrigen nach den Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug. Das Beschwerdegericht kann von der Durchführung eines Termins, einer mündlichen Verhandlung oder einzelner Verfahrenshandlungen absehen, wenn diese bereits im ersten Rechtszug vorgenommen wurden und von einer erneuten Vornahme keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind.

(4) Das Beschwerdegericht kann die Beschwerde durch Beschluss einem seiner Mitglieder zur Entscheidung als Einzelrichter übertragen; § 526 der Zivilprozessordnung gilt mit der Maßgabe entsprechend, dass eine Übertragung auf einen Richter auf Probe ausgeschlossen ist. Zudem kann das Beschwerdegericht die persönliche Anhörung des Kindes durch Beschluss einem seiner Mitglieder als beauftragtem Richter übertragen, wenn es dies aus Gründen des Kindeswohls für sachgerecht hält oder das Kind offensichtlich nicht in der Lage ist, seine Neigungen und seinen Willen kundzutun. Gleiches gilt für die Verschaffung eines persönlichen Eindrucks von dem Kind.

(5) Absatz 3 Satz 2 und Absatz 4 Satz 1 finden keine Anwendung, wenn die Beschwerde ein Hauptsacheverfahren betrifft, in dem eine der folgenden Entscheidungen in Betracht kommt:

1.
die teilweise oder vollständige Entziehung der Personensorge nach den §§ 1666 und 1666a des Bürgerlichen Gesetzbuchs,
2.
der Ausschluss des Umgangsrechts nach § 1684 des Bürgerlichen Gesetzbuchs oder
3.
eine Verbleibensanordnung nach § 1632 Absatz 4 oder § 1682 des Bürgerlichen Gesetzbuchs.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.