Oberlandesgericht Köln Urteil, 13. Aug. 2015 - 8 U 67/14
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 7. November 2014 verkündete Urteil der 15. Zivilkammer des Landgerichts Bonn – 15 O 74/14 – wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
G r ü n d e:
2I.
31. Die am XX.XX.2010 geborene Klägerin macht Ansprüche wegen eines Unfallereignisses geltend, das sich am 4. Juli 2011 auf dem Hausgrundstück der Beklagten ereignete. Die Klägerin befand sich zu diesem Zeitpunkt gemeinsam mit ihrer Zwillingsschwester T in der Obhut des Jugendamtes Hennef. Dieses brachte beide Kinder bis zum 10. Oktober 2010 und nach Scheitern einer Mutter-Kind-Maßnahme erneut ab dem 25. November 2010 bis zum vorgenannten Unfall bei der Beklagten unter, die als Bereitschaftspflegerin tätig ist. Am Unfalltag befanden sich die Beklagte, deren damals 19jährige Tochter T2 sowie die zu diesem Zeitpunkt 8 kg schwere Klägerin und deren Zwillingsschwester im Garten. Dort verfügte die Beklagte auch über einen Pool, der mit einer Tiefe von 105cm mit Wasser gefüllt war und einen Durchmesser von etwa drei Meter aufwies. Die Höhe der Poolwand betrug etwa 93cm. An der Wand war nach außen hin eine vierstufige Kunststoffleiter befestigt, über welche der Pool betreten werden konnte. Um den Kindern den Zugang zum Pool zu versperren, hatte die Beklagte eine Laminatplatte mit einer Höhe von 130 cm und einer Breite von 39cm und einem Gewicht von 3,9 kg gegen die Poolleiter gelehnt. Wegen der weiteren Einzelheiten der Unfallörtlichkeit am Unfalltag wird auf die Lichtbilder Blatt 11 bis 17 der Akte verwiesen.
4Gegen 18.40 Uhr setzte die Beklagte die Klägerin und ihre Zwillingschwester in ein neben der Terrasse befindliches und mit Plastikbällen gefülltes Kinderplanschbecken (vgl. auch das obere Lichtbild Blatt 13 der Akte). Sie ging in die Küche, um das Abendessen zuzubereiten. Dabei hatte sie durch die an den Essbereich angrenzende Terrassentür auch von der Kochzeile aus eine ungestörte Sicht in den Garten des Hauses (vgl. die Lichtbilder auf Blatt 19 der Ermittlungsakte 782 Js 992/11 StA Bonn). Sie stellte zunächst den Brei für die Kinder fertig. Als sie hiernach den Tisch eindecken wollte, bemerkte sie bei einem erneuten Blick in den Garten, dass sich die Klägerin und ihre Zwillingsschwester nicht mehr im Bällebad befanden. Im Garten stellte sie fest, dass die Schwester der Klägerin vor der Poolleiter saß und das an die Poolleiter angelehnte Holzbrett verschoben war und die Klägerin sich reglos im Poolwasser befand. Nachdem es gelungen war, die Klägerin wiederzubeleben, wurde diese in eine Klinik verbracht. Dort kollabierten ihre Lungen. Die Klägerin musste bis zum 26. Juli 2011 intubiert werden. Hiernach musste zur Beatmung ein Luftröhrenschnitt vorgenommen werden. Nach ihrer Entlassung aus der Klinik am 4. August 2011 wurde die Klägerin bis zum 14. September 2012 in einer Rehabilitationseinrichtung behandelt. Im Rahmen eines weiteren stationären Klinikaufenthaltes in der Zeit vom 30. April bis 2. Mai 2013 musste ihr als Folge der Intubierung ein Teil des Kehlkopfes entfernt werden.
5Die Eltern der Klägerin sind der Ansicht gewesen, die Beklagte sei für das vorgenannte Unfallgeschehen verantwortlich. Sie habe die ihr obliegende Aufsichtspflicht verletzt, weil sie den Pool nicht hinreichend gesichert und die Klägerin über einen zu langen Zeitraum nicht beaufsichtigt habe. Die Klägerin müsse unbemerkt die Poolleiter erklommen haben und dann in den Pool gefallen sein. Angesichts der bei der Klägerin eingetretenen Unfallfolgen müsse diese sich über einen Zeitraum von mehreren Minuten im Wasser befunden haben. Nach ihren zum Unfallzeitpunkt ausgebildeten motorischen Fähigkeiten sei die Klägerin in der Lage gewesen, das an die Poolleiter angelehnte Brett zu verschieben und die Leiter hinaufzuklettern. Infolge des Unfallgeschehens sei sie in ihrer Entwicklung stark zurückgeworfen worden. Ihre Sprachentwicklung sei verzögert. Ihre motorischen Fähigkeiten seien eingeschränkt. Sie könne bis heute lediglich auf Zehenspitzen gehen. Überdies bestehe ein emotionales Defizit. Sie sei nicht in der Lage, eine vertrauensvolle und emotional betonte Beziehung zu ihren Eltern aufzubauen. Angemessen sei daher ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 80.000 €.
6Die Klägerin hat sinngemäß beantragt,
71. die Beklagte zu verurteilen, an sie ein Schmerzensgeld zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, das jedoch nicht unter 80.000,00 € liegen sollte und das mit 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu verzinsen ist,
82. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtlichen zukünftigen Schaden zu ersetzen, der dieser infolge des Unfallgeschehens am 04.07.2011 entstehen wird, soweit er nicht auf Sozialversicherungsträger übergeht.
9Die Beklagte hat beantragt,
10die Klage abzuweisen.
11Sie ist der Ansicht gewesen, eine Aufsichtspflichtverletzung liege nicht vor. Die Klägerin sei am Unfalltag infolge ihres jungen Alters und angesichts ihrer körperlichen Fähigkeiten nicht in der Lage gewesen, das Laminatbrett zu verschieben und die Poolleiter hochzuklettern. Ein verständiger Aufsichtspflichtiger in der Rolle der Beklagten habe solches daher nicht vorhersehen können. Auch sei die Klägerin nicht über einen Zeitraum unbeobachtet gewesen, binnen dessen mit einem schwerwiegenden Unfallgeschehen zu rechnen gewesen sei. Das vorgenannte Unfallgeschehen sei überdies nicht ursächlich für die geschilderten Entwicklungsverzögerungen sowie das emotionale Defizit in Bezug auf die Eltern. Bereits vor dem Unfallgeschehen habe die Klägerin insbesondere zu ihrer Mutter keine emotional geprägte Beziehung aufgebaut gehabt. Es sei nicht davon auszugehen, dass die durch den Unfall verursachten körperlichen Beeinträchtigungen die physische und psychische Situation der Klägerin künftig beeinflussen würden. Vor diesem Hintergrund sei ein unfallbedingter immaterieller Schaden allenfalls in der Größenordnung von etwa 25.000 € zu beziffern.
122. Das Landgericht hat durch Teilgrund- und Schlussurteil entschieden. Es hat erkannt, dass der Schmerzensgeldantrag dem Grunde nach gerechtfertigt sei, und festgestellt, dass die Beklagte für die Folgen aus dem Unfallgeschehen vom 4. Juli 2011 haftet. Auf Grundlage einer informatorischen Anhörung der Beklagten hat es angenommen, die Beklagte habe die ihr aufgrund der Beauftragung durch das Jugendamt im Unfallzeitpunkt übertragene Aufsichtspflicht verletzt, indem sie die Klägerin und ihre Zwillingsschwester über einen Zeitraum von mindestens fünf Minuten weitgehend unbeaufsichtigt im Garten zurückgelassen habe. Unter maßgeblicher Berücksichtigung der persönlichen Eigenschaften der Klägerin sowie der im Garten vorhandenen Gefahrenquellen hätte ein verständiger Aufsichtspflichtiger die Klägerin jedoch nicht länger als fünf Minuten unbeaufsichtigt im Garten zurückgelassen. Auch wenn die Poolleiter mit einem Holzbrett versperrt gewesen sei, habe die Gefahr bestanden, dass dieses verschoben und die Gefahrenquelle damit wieder eröffnet werde. Die Aufsichtspflichtverletzung sei ursächlich für eine bei der Klägerin eingetretene Verletzung des Körpers und der Gesundheit. Hätte die Beklagte die nach den Umständen des konkreten Falls angezeigte, nahezu lückenlose Aufsicht ausgeführt, hätte sie in engem zeitlichen Zusammenhang wahrgenommen, wenn die Klägerin das Bällebad verlassen hätte und in den Pool geklettert wäre. Aufgrund des Vortrags der Eltern der Klägerin und der Angaben der Beklagten bestünden keine vernünftigen Zweifel, dass die Klägerin in der Lage gewesen sei, die Holzplatte zur Seite zu schieben und die Leiter in den Pool hinaufzuklettern.
133. Hiergegen wendet sich die Berufung der Beklagten. Es fehle an einer verlässlichen Feststellung zu Unfallursache und Unfallhergang. Das Landgericht habe ohne Sachverständigenbeweis nicht davon ausgehen dürfen, dass ein Kleinstkind im Alter von 13 Monaten in der Lage sei, eine schwere Schutzplatte am Pool beiseitezuschieben und sodann die Steigleiter hinaufzuklettern. Dieser Gesichtspunkt sei erheblich für die Frage der Vorhersehbarkeit und des subjektiven Verschuldens der Beklagten. Überdies sei der Vorwurf, die Beklagte habe die Kinder mindestens fünf Minuten unbeaufsichtigt gelassen, haltlos. Der spontane Reflex der Klägerin nach ihrem Auffinden im Wasser spreche dafür, dass sie sich nicht länger als ein oder zwei Minuten im Wasser befunden haben könne. Überdies habe der Bereich, in welchem sich die Klägerin und ihre Zwillingsschwester haben aufhalten können, sämtlichen Sicherheitsanforderungen entsprochen. Wenn die Klägerin selbst in den Pool gelangt sei, sei dies für die Beklagte – wie für jeden anderen auch – unvorhersehbar gewesen. Dies könne durch Einholung eines Sachverständigengutachtens geklärt werden. Der Bewertung der dahingehenden Stellungnahme des Prof. Dr. N aus dem Ermittlungsverfahren werde widersprochen. Fallbezogen könne eine nahezu ununterbrochene Beobachtung der Kinder überdies nicht gefordert werden. Das Landgericht habe ferner nicht festgestellt, in welchen zeitlichen Abständen die Kinder hätten beobachtet und überwacht werden müssen. Selbst bei Kleinst- und Kleinkindern sei eine gänzlich lückenlose Beaufsichtigung nicht erforderlich und nicht zumutbar. Die Feststellung, die Beklagte habe die Klägerin über einen Zeitraum von mindestens fünf Minuten unbeobachtet gelassen, decke sich nicht mit dem Protokoll zur informatorischen Anhörung der Beklagten. Dort habe sich die Beklagte in Übereinstimmung mit ihren Angaben im Ermittlungsverfahren erinnert, auch anlässlich des Küchenaufenthalts mehrfach nach den Kindern geschaut zu haben. Auch habe der Pool nach menschlichem Ermessen keine Gefahrenquelle dargestellt. Die Sicherung sei ausreichend gewesen, um Kleinstkinder wie die Klägerin daran zu hindern, die Leiter zu erklimmen. Der Unfall sei auch bei Einhaltung der gebotenen Überwachung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht zu verhindern gewesen. Ferner fehle es an einem Verschulden. Es sei objektiv nicht vorhersehbar und vermeidbar gewesen, dass die Klägerin das Brett zur Seite schiebe und die Poolleiter erklimme. Schließlich fehle es an Feststellungen zur haftungsausfüllenden Kausalität. Es sei die Dauer des Sauerstoffmangels und damit die Dauer der Nichtbeaufsichtigung festzustellen, um dann zu fragen, ob bei noch hinnehmbaren Zeitintervallen nicht ein Schaden gleichen oder annähernd gleichen Umfangs eingetreten wäre.
14Die Beklagte beantragt,
15unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
16Die Klägerin beantragt,
17die Berufung zurückzuweisen.
18Unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens verteidigt sie die Entscheidung des Landgerichts. Dieses habe mit Recht eine schuldhafte Verletzung der Aufsichtspflicht durch die Klägerin festgestellt. Es müsse bezweifelt werden, dass die Beklagte die Kinder regelmäßig im Bällebad beobachtet habe. Dass ein 8-kg-schweres Kleinkind in der Lage gewesen sei, die in Rede stehende Laminatplatte zu verschieben, folge bereits aus der allgemeinen Lebenserfahrung und werde überdies bestätigt durch die Angaben des Sachverständigen im Ermittlungsverfahren. Soweit die Klägerin bei ihrem Eintreffen in der Klinik nur noch eine Körpertemperatur von 31,7 Grad trotz einer Wassertemperatur von 18 Grad und einer Außentemperatur von 20 Grad gehabt habe, folge hieraus, dass sie vor ihrer Rettung bereits längere Zeit im Wasser gelegen habe.
19Die Akten 782 Js 992/11 StA Bonn lagen vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen aller weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der von den Parteien in beiden Instanzen gewechselten Schriftsätze, auf die zu den Akten gereichten Unterlagen nebst Anlagen sowie die angefochtene Entscheidung Bezug genommen. Wegen des Inhalts der persönlichen Anhörung der Beklagten durch das Landgericht wird auf das Sitzungsprotokoll vom 19. September 2014 (Blatt 97 ff der Akte) verwiesen.
20II.
21Die zulässige, form- und fristgerechte Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg. Die angegriffene Entscheidung erweist sich im Ergebnis als zutreffend.
221. Das Landgericht durfte durch Teilgrund- und Schlussurteil entschieden. Die behaupteten weiteren, insbesondere psychischen Folgen, durfte es offen lassen.
23a) Die Voraussetzungen eines Grundurteils nach § 304 Abs. 1 ZPO liegen lediglich hinsichtlich des Schmerzensgeldantrages vor. Nach der genannten Bestimmung kann das Gericht über den Grund vorab entscheiden, wenn ein Anspruch nach Grund und Betrag streitig und lediglich der Streit über den Anspruchsgrund entscheidungsreif ist. Diese Vorschrift soll das Verfahren vereinfachen und verbilligen, indem sie eine Vorklärung des Anspruchs und deren Überprüfung im Instanzenzug ermöglicht und damit gegebenenfalls eine aufwendige Beweisaufnahme erspart (BGH, Urteil vom 19. Februar 1991 - X ZR 90/89, NJW 1991, 1896, zitiert juris Rn. 6). Eine entsprechende Trennung in Grund- und Betragsverfahren setzt daher einen Anspruch voraus, der auf Zahlung von Geld oder die Leistung vertretbarer, der Höhe nach summenmäßig bestimmter Sachen gerichtet ist (BGH, Urteil vom 19. Februar 1991, aaO; vom 27. Januar 2000 – IX ZR 45/98, NJW 2000, 1572, zitiert juris Rn. 15; jeweils mwN). So liegt der Fall hinsichtlich des Schmerzensgeldantrages. Die Klägerin hat einen bezifferten Zahlungsantrag gestellt. Demgegenüber war über den Feststellungsantrag durch Schlussurteil zu entscheiden. Eine Entscheidung durch Grundurteil scheidet nach dem genannten Maßstab aus, weil der Feststellungsantrag auf eine Ersatzpflicht gerichtet ist, deren Umfang von einer zukünftigen ungewissen Entwicklung abhängig ist, so dass der Antrag unbeziffert ist (vgl. BGH, Urteil vom 30. November 1964 – III ZR 117/63, DRiZ 1965, 97; vom 19. Februar 1991, aaO; vom 27. Januar 2000, aaO Rn. 16; jeweils mwN).
24b) Ein Teilurteil darf auch bei grundsätzlicher Teilbarkeit des Klagegegenstandes nur ergehen, wenn die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen ausgeschlossen ist (vgl. BGH, Urteil vom 16. August 2007 – IX ZR 63/06, BGHZ 173, 328 Rn. 18; vom 11. Mai 2011 – VIII ZR 42/10, BGHZ 189, 356 Rn. 13; vom 20. Juni 2013 – VII ZR 103/12, NJW-RR 2014, 23 Rn. 12; vom 21. August 2014 – VII ZR 24/12, nv, Rn. 9). Hierzu muss die Beurteilung des durch das Teilurteil entschiedenen Anspruchs auch unter der Berücksichtigung einer abweichenden Beurteilung durch ein Rechtsmittelgericht im Instanzenzug vom Ausgang des Streits über die weiteren Ansprüche vollständig unabhängig sein (BGH, Urteil vom 30. April 1956 – II ZR 217/54, BGHZ 20, 311, 312; vom 26. April 1989 – IVb ZR 48/88, BGHZ 107, 236, 242; vom 24. Februar 1999 – XII ZR 155/97, NJW 1999, 1718; vom 12. Dezember 2007 – VIII ZR 269/06, NJW-RR 2008, 460 Rn. 7; vom 19. November 2008 – VIII ZR 47/07, NJW-RR 2009, 494 Rn. 15; vom 21. Januar 2009 – XII ZR 21/07, NJW 2009, 1824 Rn. 7; vgl. auch BeckOK-ZPO/Elzer, 2014, § 301 Rn. 8). Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Das Landgericht hat hinsichtlich des Haftungsgrundes einheitlich durch Grund- und Schlussurteil entschieden. Das Zwischenurteil über den Grund (§ 304 ZPO) hat für das Betragsverfahren Bindungswirkung, soweit es den Klageanspruch bejaht hat und dessen Höhe durch den anerkannten Klagegrund gerechtfertigt ist (BGH Urteil vom 20. Mai 2014 – VI ZR 187/13, NJW-RR 2014, 325, zitiert juris Rn. 17; Hk-ZPO/Saenger, 5. Aufl., § 304 Rn. 15). Es legt fest, auf welcher Grundlage das Betragsverfahren aufzubauen hat und welche Umstände bereits - für die Parteien bindend - abschließend im Grundverfahren geklärt sind (BGH, Urteil vom 30. Oktober 2009 - V ZR 17/09, VersR 2010, 1320, zitiert juris Rn. 9; vom 20. Mai 2014, aaO; jeweils mwN). Hinsichtlich des Schmerzensgeldantrages einerseits und des unbezifferten Feststellungsantrages andererseits kann es nicht zu einander widersprechenden Entscheidungen kommen (vgl. hierzu auch OLG Koblenz, Urteil vom 8. April 1997 – 3 U 399/96, OLGR 1997, 158, 159).
252. Auch hat das Landgericht mit Recht angenommen, die Beklagte sei der Klägerin gegenüber zur Haftung für das Unfallgeschehen vom 4. Juli 2011 verpflichtet. Der Schmerzensgeldantrag ist hiernach jedenfalls dem Grund nach gerechtfertigt; der Feststellungsantrag ist begründet. Entsprechende Ansprüche folgen aus § 823 Abs. 1, § 253 Abs. 2 BGB. Die Beklagte war der Klägerin gegenüber aufsichtspflichtig. In ihrer Eigenschaft als Bereitschaftspflegerin des Jugendamtes hatte sie im Unfallzeitpunkt die Verpflichtung übernommen, die Klägerin zu betreuen und zu versorgen (vgl. hierzu OLG Frankfurt, Urteil vom 18. Dezember 1991 – 23 U 272/90, zitiert juris Rn. 27; OLG Oldenburg, NJW-RR 1995, 983). Die ihr obliegende Aufsichtspflicht hat sie fahrlässig verletzt und hierdurch den Körper sowie die Gesundheit der Klägerin verletzt.
26a) Im Ergebnis zutreffend hat das Landgericht eine Aufsichtspflichtverletzung der Beklagten angenommen. Bei Übernahme der Betreuung und Aufsicht eines minderjährigen Kindes durch einen Dritten entspricht die Aufsichtspflicht in ihrem Umfang der elterlichen Aufsichtspflicht nach § 1631 Abs. 1 BGB (OLG Koblenz, Urteil vom 2. Februar 1994 – 1 U 1278/90, VersR 1995, 50). Trotz der unterschiedlichen Schutzrichtungen der Aufsichtspflicht nach § 1631 Abs. 1 BGB einerseits und derjenigen nach § 832 BGB andererseits können die zu der letztgenannten Bestimmung entwickelten Kriterien im Grundsatz bei der Bestimmung des Inhaltes der Aufsichtspflicht im Sinne von § 1631 Abs. 1 BGB herangezogen werden (MünchKomm-BGB/Huber, 6. Aufl., § 1631 Rn. 8 mwN). Hiernach sind für die Art und den Umfang der durch den Pflichtigen zu leistenden Aufsicht die Umstände des Einzelfalls maßgeblich. Zu berücksichtigen sind insbesondere Alter, Eigenart und Charakter der Aufsichtsbedürftigen, das örtliche Umfeld, das Ausmaß der drohenden Gefahren, die Voraussehbarkeit des schädigenden Verhaltens sowie die Zumutbarkeit der Aufsichtsmaßnahme für den Aufsichtspflichtigen (BGH, Urteile vom 10. Juli 1984 - VI ZR 273/82, NJW 1984, 2574, 2575; vom 7. Juli 1987 - VI ZR 176/86, NJW-RR 1987, 1430, 1431 und vom 24. März 2009 - VI ZR 199/08, NJW 2009, 1954 Rn. 8; vom 13. Dezember 2012 – III ZR 226/12, BGHZ 196, 35 Rn. 13). Gemessen hieran hat die Beklagte am Unfalltag ihre Aufsichtspflicht verletzt. Sie hatte den Pool in ihrem Garten unzureichend gesichert und so eine besondere Gefahrenquelle eröffnet mit der Folge, dass sie die ihr anvertrauten Kinder auch nicht wenige Augenblicke unbeaufsichtigt lassen durfte. Dem ist sie nicht gerecht geworden, obwohl ihr eine entsprechende Aufsicht zumutbar war.
27aa) Die Klägerin bedurfte zum Unfallzeitpunkt schon mit Blick auf ihr Alter und ihren Entwicklungsstand einer engmaschigen Beaufsichtigung. Sie war fast 14 Monate alt. Sie hatte sich nach Vortrag beider Parteien bis zum Unfall altersgemäß entwickelt. Sie und ihre Zwillingsschwester waren auch nach dem Vortrag der Beklagten lebhaft, krabbelten herum, unternahmen Steh- und Gehversuche und richteten sich an Tischen, Stühlen und dem Sofa auf. Dies stimmt überdies mit dem von der Beklagten zitierten Bericht der Kinderärztin Dr. E vom 21. Juli 2011 (Blatt 107 der Akte 782 Js 992/11 StA Bonn) überein. Hiernach hatte die Ärztin die Klägerin am 1. Juni 2011 und damit einen knappen Monat vor dem Unfallereignis untersucht. Der Entwicklungsstand der Klägerin war zu diesem Zeitpunkt altersgerecht. Sie konnte mit Hilfe - an der führenden Hand oder mit Hilfsmitteln - gehen. Sie konnte stehen, hören, den Pinzettengriff ausführen und in Einwortsätzen sprechen.
28Es kann deshalb – wie es durch den tatsächlichen Unfallverlauf seine Bestätigung gefunden hat (s. nachfolgend lit. b) - davon ausgegangen werden, dass es ihr möglich war, das Bällebad zu verlassen, sich krabbelnd im Garten zu bewegen sowie kleinere Hindernisse und sogar Treppen zu überwinden, ohne ihrerseits über die erforderliche Einsichtsfähigkeit zum Erkennen von Gefahrensituationen zu verfügen. Ein, wie die Klägerin zum Unfallzeitpunkt, altersgemäß entwickeltes Kind kann bereits im Alter von etwas über einem Jahr Treppenstufen überwinden. Gleiches gilt für die in den Pool der Beklagten führende stufenartige Leiter (vgl. hierzu die Lichtbilder Blatt 15 der Akte). Dies folgt schon aus der allgemeinen Lebenserfahrung und wird unabhängig davon auch durch das rechtsmedizinischen Gutachten des Sachverständige Prof. Dr. N im Ermittlungsverfahren bestätigt (Blatt 164 der Akte 782 Js 992/11 StA Bonn). Demnach stellt die in den Pool der Beklagten führende Leiter für ein ein- bis eineinhalbjähriges motorisch altersgerecht entwickeltes Kleinkind kein Hindernis dar. Kinder dieser Altersgruppe könnten die Stufe krabbelnd erklimmen, indem sie Knie und Oberschenkel innenseitig auflegen und sich hochdrücken. Die Stufen der Poolleiter seien wegen der Tritttiefe von bis zu 9 cm und der griffigen Oberfläche hierzu gut geeignet.
29bb) Demgegenüber war der Pool gegen den Entdeckungsdrang eines altersgerecht entwickelten Kleinkindes von 13 bis 14 Monaten nur unzureichend gesichert. Ausweislich der hierzu bei Aufnahme des Unfalls durch die Ermittlungsbeamten gefertigten Lichtbilder (Blatt 15 der Akte) war das Brett lediglich hochkant an die Poolleiter angelehnt. Es fehlte eine geeignete Befestigung, so dass es insbesondere seitlich verschiebbar blieb. Überdies war es auch nicht gänzlich, sondern lediglich seitlich nach links mit einem Drehpunkt unten rechts verschoben. Dass hierzu auch ein knapp 14 Monate altes Kind in der Lage ist, das krabbeln und sich an Gegenständen hochziehen kann und selbst über ein Gewicht von lediglich knapp über 8 kg verfügt, liegt auf der Hand. Für das festzustellende seitliche Verschieben war es in Ermangelung einer geeigneten Befestigung des Brettes ausreichend, dass die Klägerin im oberen Bereich hiergegen drückte. Dies entspricht im Übrigen auch den Ausführungen des Sachverständige Prof. Dr. N im Ermittlungsverfahren (Blatt 164 der Akte 782 Js 992/11 StA Bonn). Es bedarf daher keiner sachverständigen Feststellung zu der Frage, ob die Klägerin im konkreten Fall in der Lage war, das knapp 4 kg schwere Laminatbrett zu verschieben. Aufgrund der für Laien erkennbaren unzureichenden Poolsicherung bestand im Garten eine Gefahrenquelle, bei der sich mit Blick auf die motorischen Fähigkeiten der Kinder eine Gefahr auch innerhalb der von der Beklagten geschilderten wenigen Minuten realisieren konnte. Die deshalb gebotene lückenlose Beaufsichtigung war der Beklagten mit Blick auf die besondere Gefahrenlage im konkreten Fall auch zumutbar, zumal sie auch andere Sicherungsmaßnahmen hätte ergreifen können. Sie hätte das an der Poolleiter lediglich angelehnte Brett befestigen, die Kinder in einen Laufstall sichern oder sie in die Küche mitnehmen können.
30cc) Dass die Beklagte die Klägerin und ihre Schwester gleichwohl nicht nahezu lückenlos beaufsichtigte, folgt schon aus ihrem eigenen Vortrag, sie habe lediglich für „wenige Minuten“ (Blatt 66 der Akte) die Kinder nicht im Blick gehabt. Dies findet auch Bestätigung in ihren Angaben anlässlich ihrer persönlichen Anhörung durch das Landgericht (Blatt 97 ff der Akte). Demnach hatte sie die im Bällebad zurückgelassenen Kinder zumindest zeitweilig nicht beobachtet, während sie in der Küche den Brei zubereitete und den Tisch deckte. Auf die Erwägungen der Berufung, nach welchen die Klägerin weniger als fünf Minuten unbeaufsichtigt gewesen sein soll, kommt es ebenso wenig an wie auf die gegenteiligen Ausführungen des Landgerichts. Es bedarf auch nicht der Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage der Verweildauer der Klägerin im Poolwasser.
31b) In Übereinstimmung mit den Ausführungen des Landgerichts war die Aufsichtspflichtverletzung der Beklagten ursächlich für eine auf Seiten der Klägerin eingetretene Verletzung des Körpers und der Gesundheit. Eine Gesundheitsschädigung und Körperverletzung liegt in jedem Hervorrufen eines von den normalen körperlichen Funktionen nachteilig abweichenden Zustandes; unerheblich ist, ob Schmerzzustände auftreten oder eine tiefgreifende Veränderung der Befindlichkeit eingetreten ist (vgl. BGH, Urteil vom 20. Dezember 1952 – II ZR 141/51, BGHZ 8, 243, zitiert juris Rn. 7 ff; vom 14. Juni 2005 – VI ZR 179/04, BGHZ 163, 209, zitiert juris Rn. 9; OLG Hamm, Urteil vom 20. Oktober 2011 – 6 U 116/11, NJW 2012, 1088, 1089; jeweils mwN). Solches hat auch die Klägerin erlitten. Sie musste reanimiert werden. Sie erlitt ausweislich des klinischen Entlassungsberichts vom 5. August 2011 (Anlage N2, Blatt 18 ff der Akte) unter anderem eine Unterkühlung, einen Lungenkollaps und musste intubiert werden. Nach Ziehen des Tubus musste ein Luftröhrenschnitt durchgeführt werden. Dies wird auch durch die Beklagte nicht bestritten.
32Der Senat ist überzeugt (§ 286 ZPO), dass die Pflichtverletzung der Beklagten, nämlich die unzureichende Sicherung des Pools bei gleichzeitig nur lückenhafter Beaufsichtigung der sich zum Unfallzeitpunkt im Garten befindlichen Kinder, für den Schadenseintritt ursächlich war. Es gibt für das Unfallereignis keine andere Erklärung, als dass die Kinder das Bällebad verlassen hatten, zum Pool gekrabbelt waren, dort das an die Poolleiter gelehnte Brett verschoben hatten und die Klägerin dann über die Leiter in den Pool gelangt war. Anhaltspunkte dafür, dass dies anders als aus eigener Kraft der Kinder geschehen war, bestehen nicht. Die Kinder waren altersgemäß entwickelt und verfügten daher über die erforderlichen Fähigkeiten. Demgegenüber besteht kein Anhalt für eine Fremdeinwirkung. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die 19-jährige Tochter der Beklagten die Kindern nicht zum Pool verbracht haben kann, weil sie aufgrund ihrer Behinderung bei jeder Bewegung Dauergeräusche von sich gibt, die auch der Beklagten aufgefallen wären. Dass Dritte durch das Haus in den im Übrigen eingefriedeten Garten gelangt waren, hat die Beklagte ebenfalls ausgeschlossen. Bei der gebotenen nahezu lückenlosen Beaufsichtigung hätte unterbunden werden können, dass sich die Kinder alleine zum Pool bewegen.
33c) Die Beklagte handelte auch fahrlässig und damit schuldhaft. Fahrlässig handelt gemäß § 276 Abs. 2 BGB, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Betracht lässt. Abweichend vom Strafrecht gilt im Zivilrecht kein individueller sondern ein auf die allgemeinen Verkehrsbedürfnisse ausgerichteter objektiv-abstrakter Sorgfaltsmaßstab (Palandt/Grüneberg, BGB, 73. Aufl., § 276 Rn. 15 mwN). Bei der Prüfung der Frage, ob die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außeracht gelassen wurde und den Betreffenden der Vorwurf fahrlässigen Verhaltens trifft, ist hiernach zwar ein objektiver Maßstab anzulegen, die Berücksichtigung typischer Verschiedenheiten ganzer Berufs- und Altersgruppen ist jedoch nicht ausgeschlossen (vgl. BGH, Urteil vom 21. Mai 1963 – VI ZR 254/62, BGHZ 39, 281, zitiert juris Rn. 11; vom 26. Januar 1989 – III ZR 194/87, BGHZ 106, 323, zitiert juris Rn. 28; vom 27. März 2003 – IX ZR 399/99, NJW 2003, 2022, zitiert juris Rn. 29). Gemessen hieran handelte die Beklagte fahrlässig. Es ist bereits für den Laien ersichtlich, dass der Pool vor dem Entdeckungsdrang eines Kleinkindes im Alter von 13 bis 14 Monaten unzureichend gesichert war; als mit Kindern vertraute Pflegemutter hätte die Beklagte dies erst recht erkennen müssen. Eine entsprechende Sicherung, etwa durch Befestigung der Laminatplatte, war zumutbar. Auch durfte die Beklagte sich nicht darauf verlassen, dass die Klägerin nicht in der Lage war, aus eigener Kraft in den Pool zu gelangen. Sie kann sich nicht damit entlasten, dass die Kinder Vergleichbares zuvor nicht getan hatten. Die Entwicklung von Kindern verläuft nach den Erfahrungen der Senatsmitglieder, allesamt Väter minderjähriger Kinder, häufig nicht linear, sondern sprunghaft. Kinder zeigen jeden Tag neu, was sie Neues können. Eine entsprechende Gefahr für die im Garten befindlichen Kinder war für die Beklagte daher vorhersehbar. Angesichts der unzureichenden Sicherung war für sie erkennbar eine nahezu lückenlose Beaufsichtigung geboten und deshalb zumutbar.
34Die Beklagte kann für sich als Pflegemutter schließlich auch nicht in entsprechender Anwendung von § 1664 Abs. 1 BGB den Sorgfaltsmaßstab für eigene Angelegenheiten in Anspruch nehmen, nach welchem sie gemäß § 277 BGB nur für grobe Fahrlässigkeit haften müsste. Eine analoge Anwendung von § 1664 BGB auf andere Personen als die Eltern kommt wegen des familienrechtlich geprägten Ausnahmecharakters dieser Vorschrift nicht in Betracht (BGH, Urteil vom 17. Oktober 1995 – VI ZR 358/94, NJW 1996, 53, zitiert juris Rn. 9; MünchKomm-BGB/Huber, 6. Aufl., § 1664 Rn. 5).
353. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Wird die Berufung des Beklagten gegen das Grundurteil in vollem Umfang zurückgewiesen, so sind ihm schon in diesem Urteil die Kosten des Berufungsverfahrens aufzuerlegen (BGH, Urteil vom 29. Mai 1956 – VI ZR 205/55, BGHZ 20, 397; Zöller/Vollkommer, ZPO, 30. Aufl., § 304 Rn. 26). Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
36III.
37Die Revision war nicht zuzulassen. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Es handelt sich um eine von den Umständen des konkreten Falles abhängige Einzelfallentscheidung ohne grundsätzliche Bedeutung.
38Gegenstandswert für das Berufungsverfahren:
3996.000 € |
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Tenor
1.
Der Antrag auf Zahlung eines Schmerzensgeldes infolge des am 04.07.2011 gegen 18:40 im Garten des Grundstücks „C ##, ##### I2“ stattgefundenen Unfallereignisses ist dem Grunde nach gerechtfertigt.
2.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche weiteren Schäden zu ersetzen, die dieser infolge des in Ziff. 1 bezeichneten Unfallereignisses künftig entstehen werden, soweit diese nicht auf Sozialversicherungsträger übergehen.
3.
Die Kostenentscheidung bleibt dem Endurteil vorbehalten.
1
Tatbestand
2Die im Prozess durch ihre Eltern vertretene Klägerin macht gegen die Beklagte Ansprüche aus einem Unfallgeschehen geltend, das sich am 04.07.2011 in dem zu dem Grundstück „C ##, ##### I2“ gehörenden Garten ereignet hat.
3Die Beklagte wird in ihrer Eigenschaft als Bereitschaftspflegerin vom Jugendamt der Stadt I2 seit dem Jahr 2003 regelmäßig mit der vorübergehenden Betreuung von Kindern beauftragt. Sie hat selbst drei Kinder adoptiert und eine (am Unfalltag) 19jährige leibliche Tochter, die seit ihrer Geburt geistig und körperlich behindert ist und sich auf dem Entwicklungsstand eines 2- bis 2½-jährigen Kindes befindet. Bis zum Unfalltag hatte die Beklagte bereits 34 Kinder in Pflege gehabt, von denen sich sieben zum Zeitpunkt ihrer Unterbringung bei der Beklagten im Säuglingsalter befunden hatten. Bei der Betreuung wurde die Beklagte regelmäßig von einer Praktikantin unterstützt. Weder vor noch nach dem streitgegenständlichen Unfallgeschehen am 04.07.2011 ist es im Zusammenhang mit der von der Beklagten ausgeübten Betreuung zu kritischen Vorfällen gekommen. Auch seitens des Jugendamtes gaben die Betreuungsleistungen der Beklagten zu keinem Zeitpunkt Anlass zu Beanstandungen.
4Die Klägerin und ihre Zwillingsschwester T3 T wurden an ##.##.20## geboren und nach Beendigung des sich an ihre Geburt anschließenden Krankenhausaufenthaltes vom Jugendamt der Stadt I2 in Obhut genommen, da die Mutter der Klägerin, Frau T, an einer Borderline-Erkrankung leidet. Auf Veranlassung der Stadt I2 wurden die Klägerin und ihre Zwillingsschwester hierauf erstmalig bis zum 10.10.2010 bei der Beklagten untergebracht. Vom 10.10.2010 bis 25.11.2010 wurden die Zwillingsschwestern im Rahmen einer Mutter-Kind-Maßnahme gemeinsam mit der Mutter in einem Mutter-Kind-Haus im Q untergebracht. Die Maßnahme wurde schließlich wegen Vernachlässigung der Klägerin und ihrer Zwillingsschwester abgebrochen, woraufhin diese noch im November 2010 mit Zustimmung ihrer Eltern wieder bei der Beklagten untergebracht wurden.
5Am 04.07.2011 befand sich die Beklagte zunächst mit ihrer leiblichen Tochter sowie der zu diesem Zeitpunkt etwa 8kg schweren Klägerin und deren Zwillingschwester im Garten ihres in I2 gelegenen Hauses. Der Garten war zu diesem Zeitpunkt neben weiteren Spielsachen mit einem Kinderplanschbecken und einem mit Thuja-Büschen eingefassten Pool ausgestattet. Bereits einige Wochen zuvor hatte die Beklagte durch das Verschieben von Blumentöpfen und das Senkrechtstellen von Liegen den Garten dergestalt kindgerecht abgesichert, dass die sich in ihrer Obhut befindenden Kinder nicht in Bereiche des Gartens gelangen konnten, die von dem Haus aus nur schwer einsehbar sind. Das Kinderplanschbecken war am Unfalltag lediglich mit einigen Plastikbällen gefüllt. Der zu einer Tiefe von 105cm mit Wasser gefüllte Pool wies einen Durchmesser von ca. 3m auf. Die Höhe der Poolwand betrug ca. 93cm. In den Pool führte eine vierstufige Kunststoffleiter. Die Breite der Stufen zwischen den Holmen der Leiter betrug ca. 46cm, der Abstand der Stufen zueinander 24,5cm. Zur Sicherung des Pools hatte die Beklagte ebenfalls bereits mehrere Wochen vor dem Unfallgeschehen am 04.07.2011 eine Laminatplatte mit einer Höhe von 130cm und einer Breite von 39cm gegen die Poolleiter gelehnt. Die Platte wies ein Gewicht von 3,9kg auf. Hinsichtlich der Ortsverhältnisse sowie der Ausstattung des Gartens im Übrigen wird auf die zu der Akte gereichten (Bl. ## ff. d.A.) sowie die im Ermittlungsverfahren angefertigten Lichtbilder (Bl. # ff., ## ff. d. Akte zum Ermittlungsverfahren der StA C2 – ### Js ###/##) verwiesen.
6Gegen 18:40 Uhr setzte die Beklagte die Klägerin und ihre Zwillingschwester am Unfalltag in das mit den Plastikbällen gefüllte Kinderplanschbecken und ging in die Küche, um das Abendessen zuzubereiten. Weiterhin im Garten blieb die leibliche Tochter der Beklagten, die in einem auf der Terrasse stehenden Stuhl saß. Die Küchenzeile, in dem die Beklagte nunmehr dazu überging, einen Brei für die Kinder anzufertigen, befindet sich in einem offenen Koch-Essbereich, so dass man durch die an den Essbereich angrenzende Terrassentür auch von der Kochzeile aus eine ungestörte Sicht in den Garten des Hauses hat (vgl. die Lichtbilder auf Bl. ## d. Akte zum Ermittlungsverfahren der StA C2 – ### Js ###/##). Nachdem die Beklagte den Brei fertig gestellt hatte, wollte sie dazu übergehen, den Tisch einzudecken, bemerkte aber, als sie erneut in den Garten blickte, dass sich die Klägerin sowie ihre Zwillingsschwester nicht mehr im Kinderplanschbecken befanden. Hierauf rannte die Beklagte sofort in den Garten, wo sie bemerkte, dass die Schwester der Klägerin vor der Poolleiter saß und das an die Poolleiter angelehnte Holzbrett verschoben war. Darauf begab sich die Beklagte sofort zu dem Pool und bemerkte, dass die Klägerin sich reglos im Poolwasser befand. Nachdem die Beklagte die Klägerin aus dem Poolwasser gehoben hatte, legte sie diese Bäuchlings auf ihren Arm und drückte die Zwillingsschwester der Klägerin auf diese, um durch die Verursachung durch Druck von der Klägerin geschlucktes Wasser aus deren Körper zu bekommen. Anschließend begab sich die Beklagte zu dem Nachbarhaus, wo sie mit Unterstützung ihrer Nachbarin T2 sowie dem später hinzukommenden weiteren Nachbarn D Wiederbelebungsmaßnahmen in Form von Herzmassagen und Atemspenden einleitete.
7Nachdem es der Beklagten mithilfe von Herrn D gelungen war, die Klägerin wiederzubeleben, wurde diese zunächst mittels eines von Frau T2 gerufenen Krankenwagens in die B Klinik in B2 gebracht, wo ihre Lungen kollabierten und die Klägerin bis zum 26.07.2011 intubiert werden musste. Nach Beendigung der Intubation wurde ein Luftröhrenschnitt vorgenommen, um die Beatmung der Klägerin gewährleisten zu können. Nach ihrer Entlassung aus der Klinik in B2 am 04.08.2011 wurde die Klägerin noch am selben Tag in die I2 I3 in I4 verlegt. Die in dieser durchgeführte rehabilitative Behandlung dauerte bis zum 14.09.2012 an. Da der Kehlkopf der Klägerin infolge der Intubierung verletzt wurde, war in der Zeit vom 30.04. bis 02.05.2013 ein weiterer stationärer Klinikaufenthalt im P des Klinikums T4 erforderlich, in dem ein Teil des Kehlkopfs der Klägerin entfernt wurde. In welchem Ausmaß sich das streitgegenständliche Unfallgeschehen im Übrigen auf die Entwicklung der Klägerin ausgewirkt hat bzw. sich voraussichtlich noch auswirken wird, ist zwischen den Parteien streitig. In welchem Umfang die Klägerin künftig therapeutischer und medizinischer Behandlung bedarf, ist gegenwärtig nicht absehbar. Sie lebt seit ihrer Entlassung aus der Rehaklinik bei ihrem Vater, Herrn I.
8Der genaue Ablauf des Unfallgeschehens und insbesondere die Umstände, unter denen die Klägerin aus dem Bällchenbad und in den Pool gelangt ist, konnten im Rahmen eines von der Staatsanwaltschaft C2 gegen die Beklagte wegen des Verdachts der fahrlässigen Körperverletzung eingeleiteten Ermittlungsverfahrens nicht rekonstruiert werden. Am 29.08.2012 wurde das Ermittlungsverfahren mangels hinreichenden Tatverdachts nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Zur Begründung wies die Staatsanwaltschaft im Wesentlichen darauf hin, die Beklagte habe zwar eine objektve Sorgfaltspflichtverletzung begangen, da sie die Klägerin – wenn auch nur für kurze Zeit – im Garten allein gelassen und den Pool nur unzureichend gesichert habe. Jedoch könne nicht mit der für die Anklageerhebung erforderlichen Sicherheit davon ausgegangen werden, dass die Beklagte insgesamt fahrlässig gehandelt hat, da nicht ersichtlich sei, dass sie im Hinblick auf ihre individuellen Fähigkeiten und Kenntnisse damit hätte rechnen müssen, dass es der Klägerin gelingt, die mit dem Holzbrett gesicherte Poolleiter hochzuklettern. Insbesondere sei davon auszugehen, dass die Beklagte selbst davon ausging, den Pool hinreichend gesichert zu haben. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Einstellungsverfügung wird auf Bl. ### f. d. Akte zum Ermittlungsverfahren ### Js ###/## (StA C2) verwiesen. Hinsichtlich der im hiesigen Verfahren zur Aufklärung des Sachverhaltes erfolgten persönlichen Anhörung der Beklagten wird auf das Protokoll des Termins zur mündlichen Verhandlung am 19.09.2014 (Bl. ### ff. d.A.) Bezug genommen.
9Mit anwaltlichem Schreiben vom 11.10.2013 forderte die Mutter der Klägerin die Beklagte zur Anerkennung ihrer Haftung dem Grunde nach auf. Mit Schreiben vom 13.01.2014 erklärte die HaG als Haftpflichtversicherer der Stadt I2, bei der die Beklagte mitversichert ist, unter Bezugnahme auf die staatsanwaltschaftliche Abschlussverfügung, dass nach ihrer Einschätzung eine Haftung der Beklagten und mithin eine Einstandspflicht der Versicherung nicht begründet sei. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Schreiben vom 11.10.2013 und 13.01.2014 wird auf Bl. ## f. und ## d.A. verwiesen.
10Die Eltern der Klägerin sind der Ansicht, die Beklagte habe die ihr obliegende Aufsichtspflicht verletzt, da sie den Pool nicht hinreichend gesichert und die Klägerin über einen zu langen Zeitraum nicht beaufsichtigt habe. Sie behaupten, bereits die auf Seiten der Klägerin eingetretenen Unfallfolgen belegten, dass sich diese über einen Zeitraum mehrerer Minuten im Poolwasser befunden haben muss. Sie behaupten ferner, die Klägerin sei nach ihren zum Unfallzeitpunkt ausgebildeten motorischen Fähigkeiten in der Lage gewesen, das an den Pool angelehnte Brett zu verschieben und die Poolleiter hinaufzuklettern. Sie behaupten ferner, infolge des Unfallgeschehens sei die Klägerin in ihrer Entwicklung stark zurückgeworfen worden. Trotz ihres Alters von mittlerweile vier Jahren sei ihre Sprachentwicklung noch stark verzögert und entspreche in etwa dem Sprachvermögen einer Zweijährigen. Auch seien die motorischen Fähigkeiten der Klägerin stark eingeschränkt und könne sie bis heute lediglich auf Zehenspitzen gehen. Hinzukomme eine starkes emotionales Defizit, das sich darin äußere, dass die Klägerin nicht in der Lage sei, eine vertrauensvolle und emotional betonte Beziehung zu ihren Eltern aufzubauen. Die Eltern der Klägerin sind der Ansicht, infolge der vorstehend bezeichneten sowie der in Zukunft zu erwartenden Entwicklungsdefiziten sei die Beklagte verpflichtet, der Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 80.000,00 € zu zahlen.
11Die Klägerin beantragt sinngemäß,
121. die Beklagte zu verurteilen, an sie ein Schmerzensgeld zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, das jedoch nicht unter 80.000,00 € liegen sollte und das mit 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu verzinsen ist,
132. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtlichen zukünftigen Schaden zu ersetzen, der dieser infolge des Unfallgeschehens am 04.07.2011 entstehen wird, soweit er nicht auf Sozialversicherungsträger übergeht.
14Die Beklagte beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Sie behauptet, die Klägerin sei am Unfalltag infolge ihres jungen Alters und angesichts ihrer körperlichen Fähigkeiten gar nicht in der Lage gewesen, das an die Poolleiter angelehnte Holzbrett zu verschieben und die Sprossen der Poolleiter hochzuklettern. Die Beklagte ist der Ansicht, eine Aufsichtspflichtverletzung ihrerseits läge nicht vor, da sie den Garten vollständig kindgerecht gesichert und die Klägerin unter den gegebenen Umständen nicht über einen Zeitraum unbeobachtet gelassen habe, binnen dessen mit einem schwerwiegenden Unfallgeschehen zu rechnen gewesen sei. Zwar sei einzuräumen, dass Kinder im Alter von 13 Monaten grundsätzlich ständig beaufsichtigt werden müssten. Jedoch sei in diesem Zusammenhang neben den Eigenarten des aufsichtsbedürftigen Kindes auch maßgeblich in die Abwägung einzustellen, ob der Aufsichtspflichtige in der konkreten Situation bei Zugrundelegung objektivierender Maßstäbe überhaupt damit rechnen konnte, dass es zu einer kritischen Unfallsituation kommt. Dies sei hier nicht der Fall, da ein verständiger Aufsichtspflichtiger in der Rolle der Beklagten nicht hätte vorhersehen können, dass es der Klägerin gelingt, die Holzplatte zur Seite zu schieben und über die Leiter in den mit Wasser gefüllten Pool zu gelangen. Die Beklagte behauptet weiterhin, der streitgegenständliche Unfall sei nicht ursächlich dafür geworden, dass die Klägerin in ihrer Entwicklung stark zurückgeworfen worden sei oder ein starkes emotionales Defizit zu ihren Eltern aufweise. Letzteres ergebe sich bereits daraus, dass die Klägerin insbesondere zu ihrer Mutter bereits vor dem Unfallgeschehen keine emotional geprägte Beziehung aufgebaut habe. Auch sei nicht davon auszugehen, dass die durch den Unfall verursachten körperlichen Beeinträchtigungen die physische und psychische Situation der Klägerin auch künftig beeinflussen würden. Vor diesem Hintergrund sei ein unfallbedingter immaterieller Schaden allenfalls in der Größenordnung von etwa 25.000,00 € zu beziffern.
17Die Akte der Staatsanwaltschaft C2 zum Ermittlungsverfahren ### Js ###/## wurde beigezogen und war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
18Entscheidungsgründe
19Die zulässige Klage ist dem Grunde nach begründet. Soweit die Klägerin in der Klageschrift unter anderem die Feststellung beantragt hat, dass die Beklagte verpflichtet ist, sämtlichen Schaden zu ersetzen, den die Klägerin infolge des streitgegenständlichen Unfallgeschehens erlitten hat, war dies entsprechend der im Tenor und Tatbestand bezeichneten Weise dahingehend auszulegen, dass die Klägerin die Feststellung der Einstandspflicht der Beklagten für künftig eintretende Schäden begehrt. Denn insoweit geht bereits aus der auf S. ## der Klageschrift (entspricht Bl. ## d.A.) enthaltenen Antragsbegründung unmittelbar hervor, dass der Feststellungsantrag auf die fehlende Vorhersehbarkeit künftiger Behandlungen und Therapien, nicht jedoch auf die der Klägerin bereits entstandenen Schäden gestützt wird. Dementsprechend hat auch die Beklagte in der Klageerwiderung den Standpunkt eingenommen, der Feststellungsantrag erstrecke sich auf etwaige künftige Folgen des Unfallgeschehens (S. ## der Klageerwiderung; entspricht Bl. ## d.A.). Da die Klägerseite im Übrigen auch nicht dargelegt hat, dass ihr eine Bezifferung der der Klägerin bereits entstandenen Schäden nicht möglich ist, geht aus dem Parteivortrag eindeutig hervor, dass die entsprechende Antragsformulierung auf ein bloßes Versehen zurückzuführen ist und tatsächlich die Feststellung der Einstandspflicht der Beklagten für etwaige Schäden begehrt wird, die der Klägerin infolge des Unfallgeschehens am 04.07.2011 künftig entstehen werden. Dies berücksichtigend ist der auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes gerichtete Antrag dem Grunde nach, der Feststellungsantrag in vollem Umfang begründet. Der Klägerin stehen gegen die Beklagte Schadens- und Schmerzensgeldansprüche gemäß (§ 253 Abs. 2 i.V.m.) § 823 Abs. 1 BGB wegen der Verletzung einer der Beklagten obliegenden Aufsichtspflicht zu. Hierbei war hinsichtlich des auf Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von mindestens 80.000,00 € gerichteten Klageantrags nach pflichtgemäßem Ermessen im Wege des Grundurteils nach § 304 Abs. 1 ZPO zu entscheiden. Demgegenüber war hinsichtlich des auf die Feststellung gerichteten Antrags, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtlichen Schaden zu ersetzen, den diese infolge des Unfalls zukünftig erleiden wird, soweit er nicht auf Sozialversicherungsträger übergeht, im Wege des klagestattgebenden Schlussurteils zu entscheiden.
20I.
21Die Voraussetzungen einer Entscheidung im Wege des Grundurteils nach § 304 Abs. 1 ZPO liegen hinsichtlich des bezifferten Schmerzensgeldantrags vor. Nach dieser Vorschrift kann das Gericht für den Fall, dass ein Anspruch nach Grund und Betrag streitig ist, über den Grund vorab entscheiden, wenn der Rechtsstreit hinsichtlich des Grundes zur Entscheidung reif ist, nicht aber hinsichtlich des Betrages, sich darüber hinaus der Rechtsstreit sinnvoll auf Grund- und Endurteil aufteilen lässt und nach dem Sach- und Streitstand zumindest wahrscheinlich ist, dass der Anspruch in irgendeiner rechnerischen Höhe besteht (BGH NJW 1991, 599, 600; Musielak/Musielak, ZPO, 11. Aufl., 2014, § 304 Rn. 6). Liegen diese Voraussetzungen vor, steht die Entscheidung darüber, ob zunächst im Wege des Grundurteils entschieden wird, im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts. Nach Sinn- und Zweck des § 304 ZPO bietet sich die Entscheidung im Wege des Grundurteils insbesondere dann an, wenn möglicherweise zeit- und kostenaufwändige Beweisaufnahmen über den Betrag überflüssig werden können, wenn das die Klage zusprechende Urteil über den Grund in einer etwaigen Rechtsmittelinstanz aufgehoben und die Klage abgewiesen werden würde (MüKo-ZPO/Musielak, 4. Aufl. 2013, § 304 Rn. 1). Abzustellen ist hiernach vorrangig auf Gesichtspunkte der Prozessökonomie, wobei in die Abwägung insbesondere einzustellen ist, ob mittels der durch das Grundurteil bewirkten Aufteilung des Prozessstoffes nach Grund und Betrag die Verhandlung auf die jeweiligen Streitpunkte in sinnvoller Weise konzentriert werden kann.
22Nach den vorstehend skizzierten Maßgaben liegen die Voraussetzungen für den Erlass eines Grundurteils hinsichtlich des bezifferten Schmerzensgeldantrags der Klägerin vor und ist das Vorgehen nach § 304 Abs. 1 ZPO insoweit nach Einschätzung des erkennenden Gerichts auch zweckmäßig. Die Parteien streiten neben der Frage, ob eine Haftung der Beklagten hinsichtlich des streitgegenständlichen Unfallgeschehens überhaupt besteht, auch darüber, in welcher Höhe ein dem Grunde nach bestehender Schmerzensgeldanspruch begründet wäre. Während die Klägerin ihre Vorstellung in der Klageschrift insoweit mit mindestens 80.000,00 € beziffert hat, hat die Beklagte hiergegen eingewandt, angesichts der eingetretenen Unfallfolgen sei für den Fall, dass eine Haftung der Beklagten dem Grunde nach angenommen wird, ein Schmerzensgeldanspruch allenfalls im Umfang von 25.000,00 € begründet. Das Gericht geht in diesem Zusammenhang davon aus, dass nach dem schriftsätzlichen Parteivortrag sowie den Erörterungen im Termin zur mündlichen Verhandlung der Schmerzensgeldantrag in dem Sinne zur Entscheidung reif ist, dass bereits zum jetzigen Zeitpunkt feststeht, dass der Klägerin gegen die Beklagte ein Anspruch gemäß § 253 Abs. 2 i.V.m. § 823 Abs. 1 BGB zusteht (hierzu sogleich Ziff. II.), eine Entscheidung über den Umfang des Schmerzensgeldes aber noch nicht möglich ist. Für die Bezifferung der Höhe eines dem Grunde nach bestehenden Schmerzensgeldanspruchs wegen der Verletzung des Körpers und/oder der Gesundheit sind vorrangig (wenn auch nicht ausschließlich) zu berücksichtigen die den Verletzten betreffenden Umstände, namentlich Ausmaß und Schwere der Verletzungen und Schmerzen, Belastungen durch Operationen und Behandlungsmaßnahmen sowie Unsicherheiten über den weiteren Krankheitsverlauf (Palandt/Grüneberg, 73. Aufl. 2014, § 253 Rn. 15 f.). Die Unfallfolgen sind zwischen den Parteien jedoch weitgehend umstritten, insbesondere im Hinblick auf die eingetretenen und zu erwartenden psychischen Belastungen auf Seiten der Klägerin. Da Entscheidungsreife insoweit frühestens nach Einholung eines umfangreichen, voraussichtlich zeit- und kostenaufwendigen Sachverständigengutachtens zu den auf das Unfallgeschehen zurückzuführenden psychischen und physischen Beeinträchtigungen der Klägerin bestehen wird, erscheint die Entscheidung im Wege des Grundurteils unter Berücksichtigung der oben skizzierten Gesichtspunkte prozessökonomisch sinnvoll.
23Eine Entscheidung im Wege des Grundurteils auch über den Feststellungsantrag kam demgegenüber nicht in Betracht. Denn bei einer nicht bezifferten Feststellungsklage scheidet der Erlass eines Grundurteils von vornherein aus, da die Parteien insoweit lediglich über den Grund, nicht jedoch über den Betrag der Haftung streiten (vgl. BGH NJW 2013, 2182 f.; Musielak/Musielak, a.a.O., § 304 Rn. 4). Abweichendes gilt allenfalls in dem hier nicht betroffenen Fall, in dem mit dem Feststellungsbegehren ein bestimmter Betrag in der Weise geltend gemacht wird, dass die Klage auch zu einem Ausspruch über die Höhe dieses Anspruchs führen soll (BGH NJW 2000, 1572). Soweit der Kläger (wie vorliegend) mit der Klage auf beziffertes Schmerzensgeld zugleich den Antrag auf Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz aller auf ein bestimmtes Unfallgeschehen zurückzuführenden Schäden stellt, kann ein umfassendes Grundurteil demgegenüber nicht ergehen. Vielmehr ist prozessual zulässig insoweit allenfalls ein Teilgrundurteil hinsichtlich der Leistungs- und ein Teilschlussurteil hinsichtlich der Feststellungsklage (OLG Düsseldorf NJW-RR 2011, 170; Zöller/Vorkommer, 30. Aufl. 2014, § 304 Rn. 3)
24II.
25Der Klägerin steht gegen die Beklagte dem Grunde nach ein Anspruch auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes nach § 253 Abs. 2 i.V.m. § 823 Abs. 1 BGB zu. Die Beklagte hat durch fahrlässige Verletzung einer ihr obliegenden Aufsichtspflicht den Körper sowie die Gesundheit der Klägerin verletzt und hierdurch die Voraussetzungen des § 823 Abs. 1 BGB erfüllt. Hierdurch steht zugleich fest, dass der Klägerin ein grundsätzlich durchsetzbarer Schmerzensgeldanspruch gemäß § 253 Abs. 2 BGB entstanden ist, der lediglich der Höhe nach gegenwärtig nicht beziffert werden kann.
26Die Voraussetzungen, unter denen die Beklagte wegen der Verletzung des Körpers und der Gesundheit nach § 823 Abs. 1 BGB der Klägerin zum Schadensersatz verpflichtet ist, liegen vor. Insbesondere hat die Beklagte eine ihr gegenüber der Klägerin obliegende Aufsichtspflicht verletzt und hierdurch eine Ursache für die auf Seiten der Klägerin eingetretenen Rechtsgutsverletzungen gesetzt. Dass der genaue Ablauf des Unfallgeschehens nicht mehr rekonstruiert werden kann, spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle, da die Aufsichtspflichtverletzung der Beklagten unabhängig von dem genauen Unfallablauf für die eingetretene Rechtsgutsverletzung in jedem Fall ursächlich geworden ist. Auch steht fest, dass die drohende Tatbestandsverwirklichung nach dem insoweit maßgeblichen objektiven Bewertungsmaßstab erkennbar und vermeidbar war, so dass die Beklagte auch fahrlässig i.S.v. § 276 Abs. 2 BGB handelte. Das Gericht ist sich in diesem Zusammenhang darüber bewusst, dass eine gänzlich lückenlose Beaufsichtigung von Kleinstkindern regelmäßig weder möglich noch zumutbar ist und der Pflichtenkreis der insoweit Aufsichtspflichtigen daher nicht überspannt werden darf. Auch verkennt das Gericht nicht, dass der streitgegenständliche Unfall auch für die Beklagte, die seit Jahren mit der Betreuung von Kindern und Kleinstkindern betraut ist, ein einschneidendes und emotional stark belastendes Ereignis darstellt. Gleichwohl sieht das Gericht unter den Umständen des konkreten Falles eine Aufsichtspflichtverletzung begründet und sind die persönlichen Umstände der Beklagten zwar für die Rechtsfolgenentscheidung, nicht jedoch für die Frage des haftungsbegründenden Tatbestandes von Bedeutung. Im Einzelnen:
273. Nach den Erörterungen im Termin zur mündlichen Verhandlung steht zur hinreichenden Überzeugung des Gerichts fest, dass die Beklagte eine ihr gegenüber der Klägerin obliegende Aufsichtspflicht verletzt hat. Die Beklagte war im Unfallzeitpunkt vom Jugendamt der Stadt I2 mit der Betreuung der damals 1 Jahr und 1 Monat alten Klägerin beauftragt und hatte die Klägerin in dieser Funktion insbesondere vor solchen Schäden zu bewahren, die ihr gerade wegen ihres jungen Alters drohten (vgl. auch BGH NJW 1993, 1531; OLG Oldenburg NJW-RR 1995, 983). Gegen diese Pflicht hat die Beklagte verstoßen, indem sie die Klägerin und ihre Zwillingsschwester über einen Zeitraum von mindestens fünf Minuten weitgehend unbeaufsichtigt in ihrem Garten zurückließ.
28a) Wird die Aufsicht über ein Kind infolge vertraglicher Übernahme oder gesetzlicher Verpflichtung übernommen, bemessen sich Art und Maß der anzuwendenden Sorgfalt in Anlehnung an die zu § 832 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 BGB entwickelten Kriterien vorrangig nach Alter, Eigenart und Charakter des Kindes sowie den Besonderheiten des örtlichen Umfeldes, dem Ausmaß der drohenden Gefahren, der Voraussehbarkeit des schädigenden Verhaltens sowie danach, was dem Aufsichtspflichtigen nach den jeweiligen Verhältnissen zugemutet werden kann (vgl. BGH NJW 1997, 2047 f.; OLG Koblenz vom 21.06.2012 – 1 U 1086/11; OLG Oldenburg NJW-RR 1995, 983; OLG Stuttgart NJOZ 2008, 4701, 4708; OLG Hamm vom 08.02.2013 – I 9 U 202/12; OLG Schleswig NJW-RR 1999, 606, 607). Abzustellen ist hiernach darauf, ob der Aufsichtspflichtige in Bezug auf die konkrete Gefahrensituation diejenigen gebotenen und erforderlichen Aufsichtsmaßnahmen ergriffen hat, die ein verständiger Aufsichtspflichtiger nach vernünftigen Anforderungen im konkreten Fall unternehmen würde, um Schädigungen Dritter oder der seiner Aufsicht unterstehenden Person zu verhindern (BGH NJW 1993, 1003; OLG Stuttgart NJOZ 2008, 4701, 4708; OLG Hamm vom 08.02.2013 – I 9 U 202/12). Maßgeblich sind insoweit neben den persönlichen Eigenschaften des Aufsichtsbedürftigen insbesondere die Schadensgeneigtheit des Umfeldes bzw. der konkreten Situation (OLG Stuttgart NJOZ 2008, 4701, 4708; OLG Hamm vom 08.02.2013 – I 9 U 202/12). Diese beiden Faktoren, d.h. die Eigenschaften des Aufsichtsbedürftigen auf der einen und die Schadensgeneigtheit des Umfeldes auf der anderen Seite stehen in einer Wechselbeziehung, d.h. je gefahrenträchtiger die objektiven Umstände sind, um so größere Anforderungen sind an die Eigenschaften und Fähigkeiten des Kindes zu stellen, um es unbeaufsichtigt lassen zu können. Umgekehrt müssen besonders gefahrträchtige Eigenschaften des Aufsichtsbedürftigen zu größeren Anforderungen an die Aufsichtspflicht führen, und zwar selbst dann, wenn sich das Kind in einem objektiv überschaubaren und vertrauten Bereich ohne besondere Gefahrenlage bewegt (OLG Hamm vom 08.02.2013 – I U 9 202/12).
29Obgleich sich die Ermittlung der im konkreten Fall gebotenen Sorgfalt grundsätzlich an den individuellen Eigenschaften des der Aufsicht Bedürftigen zu orientieren hat, ist bei Fehlen anderweitiger Indizien eine typisierende Betrachtung unter Zugrundelegung von altersentsprechenden Eigenschaften und einem normalem Entwicklungsstand grundsätzlich zulässig (vgl. BGH NJW 1984, 2574, 2575; OLG Stuttgart NJOZ 2008, 4701, 4708). Hierbei ist davon auszugehen, dass Kleinstkinder bis zu einem Alter von vier Jahren zu einer rationalen Verhaltenssteuerung nicht in der Lage und in ihrem Verhalten daher in weiten Bereichen unberechenbar sind. Da ihnen regelmäßig noch die Fähigkeit zu ruhiger Überlegung und Gefahreneinschätzung fehlt, bedürfen sie allgemein besonderer und allenfalls von ganz kurzzeitigen Pausen unterbrochener Aufsicht (vgl. OLG Düsseldorf VersR 1992, 1233 f.; strenger wohl OLG Hamm vom 17.11.1999 – 26 U 13/99: „ständige Aufsicht“). Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn das im konkreten Fall betroffene Umfeld keine besonderen Gefahrenquellen bzw. Schadensgeneigtheit erkennen lässt (OLG Stuttgart NJOZ 2008, 4701, 4708). Allerdings können sich die Anforderungen an die Erfüllung der Aufsichtspflicht reduzieren, wenn sich der Aufsichtsbedürftige in einem Alter befindet, in dem die Bewegungsfähigkeit noch derart stark eingeschränkt ist, dass er gar nicht in der Lage ist, von sich aus einen bestimmten, vollständig abgesicherten Bereich zu verlassen.
30Zwar ist auch bei Zugrundelegung des vorstehend skizzierten strengen Maßstabes selbst bei Kleinst- und Kleinkindern eine gänzlich lückenlose Beaufsichtigung nicht erforderlich und regelmäßig auch nicht zumutbar. Gerade für den Fall, dass sich die der Aufsichtspflicht unterliegenden Kleinst- oder Kleinkinder im Außengelände eines Kindergartens oder Gartens eines Hauses befinden, ist jedoch eine recht engmaschige Aufsicht zu fordern, insbesondere wenn dort besondere Gefahrenmomente für die Kinder oder Dritte bestehen (vgl. auch OLG Köln NVwZ-RR 2000, 75 f.; OLG Koblenz vom 21.06.2012 – 1 U 1086/11; AG Bonn vom 01.03.2011 – 104 C 444/10). Während innerhalb eines gewohnten und räumlich abgeschlossenen Umfeldes daher regelmäßig lediglich zu fordern ist, dass sich das Kleinst- bzw. Kleinkind die meiste, nicht aber zwingend durchgehende Zeit über in Reich- und Sichtweite des Aufsichtspflichtigen aufhält, gelten außerhalb der Wohnung deutlich strengere Maßstäbe (AG Bonn vom 01.03.2011 – 104 C 444/10). Zwar muss der Aufsichtspflichtige sich auch hier nicht durchgehend in unmittelbarer Nähe zum Kind aufhalten, d.h. den Aufsichtsbedürftigen durchgehend im Sichtfeld haben. Allerdings darf sich der Aufsichtspflichtige durch die zeitweise Entfernung von der seiner Aufsichtspflicht unterstehenden Person nicht der Möglichkeit begeben, Gefahrensituationen in kürzester Zeit zu erkennen und ihnen entgegenzuwirken (OLG Oldenburg NJW-RR 1995, 983). Auch wenn der Aufsichtspflichtige das Kleinst- oder Kleinkind in zulässiger Weise über einen kurzen Zeitraum außerhalb des Hauses oder einer Wohnung unbeaufsichtigt lässt, muss er hiernach durch regelmäßige Kontrollen binnen kürzester Zeitintervalle gewährleisten, dass er von einer Veränderung der Situation, in der sich das Kind befindet, so rechtzeitig Kenntnis erlangt, dass er den Eintritt schwerwiegender Verletzungen der Gesundheit bzw. der körperlichen Unversehrtheit so weit wie möglich verhindern kann. Eine über mehrere Minuten andauernde Unterbrechung der Aufsicht ist hiermit regelmäßig nicht in Einklang zu bringen.
31b) Nach den vorstehend skizzierten Vorgaben hat die Beklagte ihre Aufsichtspflicht verletzt, da sie die Klägerin über einen Zeitraum von mindestens fünf Minuten unbeobachtet im Garten zurückgelassen hat, unter den gegebenen Umständen aber eine nahezu lückenlose, allenfalls für wenige Augenblicke unterbrochene, Aufsicht geboten gewesen wäre.
32aa) Das Gericht geht auf der Grundlage der klägerseits nicht bestrittenen Angaben, die die Beklagte im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung im Termin zur mündlichen Verhandlung getroffen hat, davon aus, dass diese die Klägerin über einen Zeitraum von mindestens fünf Minuten unbeobachtet gelassen hat. Hierbei wirkt es sich auch nicht aus, dass die Klägerin selbst bzw. ihre Eltern zum genauen Ablauf des Unfallhergangs nicht vortragen konnten. Denn einer grundsätzlich darlegungspflichtigen Partei kann nicht verwehrt werden, tatsächliche Aufklärung auch hinsichtlich solcher Punkte zu verlangen, über die sie kein zuverlässiges Wissen besitzt und nicht erlangen kann, mit der Folge, dass sie ihrerseits genötigt ist, zu einem gewissen Teil lediglich vermutete Tatsachen zu behaupten (vgl. BGH NJW 1989, 227).
33Im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung hat die Beklagte angegeben, letztmalig nach der Klägerin und ihrer Zwillingsschwester, die sich zu diesem Zeitpunkt in dem im Garten aufgestellten Bällchenbad befunden hatten, umgesehen zu haben, als sie in der Küche das für die Herstellung eines Breis erforderliche Wasser in einem Wasserkocher aufsetzte. Während das Wasser kochte, habe sie das Breipulver in eine Schale gefüllt und ein Fruchtglas bereit gestellt, um den Inhalt mit dem noch anzufertigenden Brei vermischen zu können. Nachdem das Wasser fertig gekocht war, habe sie dieses in das mit dem Breipulver gefüllte Schälchen gegeben und den so fertig gestellten Brei kurz abkühlen lassen, bevor sie das sich in dem Fruchtglas befindende Obst untergerührt habe. Nach Fertigstellung des Breis habe sie dazu übergehen wollen, den Tisch einzudecken, habe dann aber bemerkt, dass sich die Klägerin und ihre Zwillingsschwester nicht mehr im Bad befunden hätten, und sei hierauf sofort in den Garten gegangen. Auf Grundlage dieser Angaben ist davon auszugehen, dass die Beklagte über den gesamten Zeitraum, in dem sie den Brei fertig gestellt hat, nicht nach der Klägerin gesehen und insbesondere nicht überprüft hat, ob sich diese noch im Bällchenbad befindet. Zwar konnte die Beklagte nicht im Einzelnen angeben, wie lange sie für die Herstellung des Breis benötigt hat, jedoch ist das Gericht davon überzeugt, dass in diesem Zusammenhang ein Zeitraum von mindestens fünf Minuten verstrichen ist. Soweit die Beklagte im Termin zur mündlichen Verhandlung die Vermutung geäußert hat, bereits der Wasserkocher würde in etwa fünf Minuten benötigen, bis das Wasser fertig gekocht ist, kann es sich zwar durchaus so verhalten, dass das Wasser in Abhängigkeit von dem eingesetzten Gerät sowie der eingefüllten Wassermenge bereits nach einem kürzeren Zeitraum fertig war. Legt man zugrunde, dass die Beklagte nach ihren eigenen Angaben das fertig gekochte Wasser zunächst in die von ihr präparierte Schale gegossen, hieran anschließend den so fertig gestellten Brei mit dem Inhalt eines Fruchtglases vermischt und dann noch zu einem Schrank gegangen ist, um Decken für die Klägerin und ihre Zwillingsschwester zu holen, erscheint es jedoch naheliegend, dass die Beklagte sich insgesamt sogar länger als fünf Minuten in der Küche befunden hat, bevor sie bemerkte, dass sich die Klägerin nicht mehr im Bällchenbad befand. Zumindest steht aber mit dem nach § 286 Abs. 1 ZPO erforderlichen Maß an Wahrscheinlichkeit fest, dass die Beklagte über einen Zeitraum von fünf Minuten ausschließlich bzw. vorrangig mit der Herstellung des Breis beschäftigt war. Ausreichend und erforderlich für die richterliche Überzeugungsbildung ist hiernach ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit, der etwaigen Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig ausschließen zu müssen (BGH NJW 1998, 2969, 2971; Musielak/Foerste, a.a.O., § 286 Rn. 19). Dies berücksichtigend, geht das Gericht davon aus, dass die Beklagte für die von ihr geschilderte Herstellung des Breis mindestens fünf Minuten aufgewandt hat. Denn in diesem Zusammenhang ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die Beklagte den Brei nach ihren Angaben zumindest geringfügig hat abkühlen lassen, bevor sie den Inhalt des Obstglases in diesen unterrührte, und dass die Klägerin bereits das Bewusstsein verloren hatte, als sie von der Beklagten im Pool gefunden wurde, also zumindest über einen nicht gänzlich unerheblichen Zeitraum in diesem gelegen haben muss. Hiernach deutet der noch rekonstruierbare Ablauf des Geschehens ersichtlich darauf hin, dass ein Verstreichen von weniger als fünf Minuten, binnen derer sich die Klägerin im Haus befunden hat, nicht ernsthaft in Betracht kommt.
34Auf Grundlage der Angaben der Beklagten im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung steht weiterhin zur hinreichenden Überzeugung des Gerichts fest, dass sie während der (zumindest) fünf Minuten überhaupt nicht überprüft hat, ob sich die Klägerin noch im Bällchenbad aufhält. Die Beklagte hat selber angegeben, lediglich in dem Moment, in dem sie das Wasser aufgesetzt hat, sowie nach Fertigstellung des Breis in Richtung des Bällchenbades geschaut zu haben. Im Übrigen geht aber auch aus den im Ermittlungsverfahren angefertigten Lichtbildern (vgl. Bl. ## und ## d. Akte zum Ermittlungsverfahren ### Js ###/## – StA C2), die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, hervor, dass die Küchenzeile zumindest nicht derart unmittelbar an den Gartenbereich angrenzt, dass Vorgänge im Garten bereits aus dem bloßen Augenwinkel wahrgenommen werden könnten. Da ausweislich der Lichtbilder zwischen der Küchenzeile und dem Gartenbereich vielmehr der sich über mehrere Meter erstreckende Essbereich gelegen ist, ist davon auszugehen, dass die Beklagte etwaige Vorgänge im Bällchenbad von der Küchenzeile aus nur hätte wahrnehmen können, wenn sie sich bewusst dafür entschieden hätte, in den Garten zu schauen. Da die Beklagte aber im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung letztlich auch selbst eingeräumt hat, während der Herstellung des Breis nicht durch aktives Nachsehen auf Geschehnisse im Garten geachtet zu haben, war insoweit eine Inaugenscheinnahme der Küche und des Gartens nicht mehr erforderlich.
35bb) Unter maßgeblicher Berücksichtigung der persönlichen Eigenschaften der Klägerin sowie der im Garten vorhandenen Gefahrenquellen hätte ein verständiger Aufsichtspflichtiger die Klägerin allenfalls für wenige Augenblicke, nicht jedoch über eine Zeitspanne von (mindestens) fünf Minuten unbeobachtet in dem Garten gelassen. Dabei ergibt sich der Umstand, dass die Klägerin nahezu durchgehend hätte beaufsichtigt werden müssen, nicht allein daraus, dass die Aufsicht über Kleinstkinder im Alter unter vier Jahren nach den oben skizzierten Grundsätzen aufgrund ihrer noch nicht ausgeprägten Fähigkeit zu ruhiger Überlegung und Gefahreinschätzung grundsätzlich besonders engmaschig ausfallen muss. Vielmehr folgt gerade aus der insoweit übereinstimmend von den Eltern der Klägerin sowie der Beklagten geschilderten Persönlichkeitsstruktur der Klägerin, dass diese keinesfalls über einen Zeitraum von mehreren Minuten unbeaufsichtigt in einem Garten hätte zurückgelassen werden dürfen, in dem sich (wenn auch mit Sicherungsvorkehrungen versehene) Gefahrenquellen befanden. Denn sowohl die Eltern der Klägerin als auch die Beklagte haben angegeben, bei der Klägerin habe es sich im entscheidungserheblichen Zeitpunkt um ein sehr agiles Kind gehandelt. Insbesondere sei sie nicht lediglich von sich aus aktiv auf dem Boden herumgekrabbelt, sondern habe häufig bereits eigene Steh- und Gehversuche unternommen. In diesem Zusammenhang hat die Mutter der Klägerin bereits im Rahmen des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens angegeben, sie habe beobachtet, dass die Klägerin eine Treppe hochkrabbeln kann (vgl. Bl. ## d. Akte zum Ermittlungsverfahren ### Js ###/## – StA C2). Obgleich sich die Entwicklung der Motorik bei Kleinstkindern individuell vollzieht und gerade im Alter von 13 Monaten häufig unterschiedlich stark ausgeprägt ist, decken sich diese Beobachtungen der Mutter der Klägerin sowie der Beklagten doch mit der allgemeinen Lebenserfahrung, wonach der Bewegungsdrang in dieser Lebensphase häufig schon stark ausgeprägt ist. Zumindest war dies nach den insoweit übereinstimmenden Angaben ihrer Mutter sowie der Beklagten aber bei der Klägerin der Fall, so dass ein besonnener Aufsichtspflichtiger gerade bei ihr die Möglichkeit in Betracht gezogen hätte, dass sie das Bällchenbad eigenhändig verlässt und hieran anschließend, Krabbel- und Gehversuche im Garten unternimmt. Angesichts der hiermit stets verbundenen Risiken und Gefahren wäre es schon vor diesem Hintergrund angezeigt gewesen, die Klägerin nicht über einen Zeitraum von fünf Minuten unbeobachtet zu lassen. Dass vielmehr auch die Beklagte aufgrund ihrer Erfahrungen im Zusammenhang mit der täglichen Betreuung der Klägerin davon ausging, diese müsse praktisch durchgehend beaufsichtigt werden, ergibt sich auch daraus, dass sie im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung angegeben hat, die Klägerin in der Regel nie über einen längeren Zeitraum unbeaufsichtigt gelassen zu haben. Selbst wenn sie sich selbst in das Badezimmer begeben musste, habe sie die Zwillinge entweder mitgenommen oder zumindest die Badezimmertür offengelassen. Auch habe sie die Klägerin sowie ihre Zwillingsschwester grundsätzlich nur ganz kurzzeitig unbeaufsichtigt im Garten gelassen, beispielsweise, wenn das Telefon geklingelt und sie das Haus lediglich betreten habe, um dieses unmittelbar anschließend mit dem Telefon wieder in Richtung Garten zu verlassen.
36Weiterhin ergibt sich eine Abmilderung der Aufsichtspflicht auch nicht unter dem Gesichtspunkt, dass mit schwerwiegenden Verletzungen der Klägerin in dem Garten nicht zu rechnen gewesen wäre. Zwar hat die Beklagte dadurch, dass sie ein Brett vor die Treppe des Pools gelegt und Liegen dergestalt auf die Seite gekippt hat, dass bestimmte Bereiche des Gartens nicht erreicht werden können, Maßnahmen ergriffen, um besonders augenscheinliche Gefahrenquellen zu minimieren. Allerdings gilt das Gebot der nahezu lückenlosen Aufsicht über zwar schon bewegungsaktive, aber zur rationalen Gefahreinschätzung nicht fähigen Kleinstkindern grundsätzlich unabhängig davon, ob in dem im konkreten Fall betroffenen Umfeld besondere Gefahrenquellen überhaupt vorhanden sind. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, wonach praktisch nie gänzlich ausgeschlossen werden kann, dass ein sich in einem größeren Außengelände bewegendes Kleinkind auf vom Aufsichtspflichtigen nicht wahrgenommene Gefahrenquellen, beispielswiese in Form von Steinen oder ähnlichem, trifft. Im Übrigen befand sich mit dem Pool aber auch eine besondere Gefahrenquelle in dem Garten. Zwar war die zu dem Pool führende Leiter zumindest vorübergehend mit einem angelehnten Holzbrett versperrt. Jedoch besteht stets die Gefahr, dass ein entsprechendes Brett verschoben und hierdurch die durch den Pool geschaffene Gefahrenquelle wieder eröffnet wird. Insoweit ist auch nicht davon auszugehen, dass ein verständiger Aufsichtspflichtiger den Garten insgesamt für eine derart ungefährliche Umgebung für ein Kind im Alter von über 13 Monaten gehalten hätte, dass er eine Unterbrechung der Aufsicht über einen Zeitraum von fünf Minuten für unbeachtlich gehalten hätte. Insbesondere hat die Beklagte durch das Verstreichenlassen eines derart langen Zeitraums aber pflichtwidrig eine Situation geschaffen, in der nicht mehr gewährleistet war, dass sie auf eine unvorhergesehene, mit gesteigerten Gefahren für die Klägerin einhergehende Situation noch derart rechtzeitig hätte reagieren können, dass zumindest eine schwerwiegende Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit sowie der Gesundheit der Klägerin nicht eintritt.
372. Die Aufsichtspflichtverletzung der Beklagten ist auch ursächlich für eine auf Seiten der Klägerin eingetretene Verletzung des Körpers sowie der Gesundheit geworden. Infolge des Aufenthalts in dem Pool wurde die Klägerin an ihrer körperlichen Integrität sowie ihrer Gesundheit geschädigt, da sie reanimiert werden und infolge eines Kollaps ihrer Lunge an der Luftröhre operiert werden musste. Dass nicht mehr im Einzelnen geklärt werden kann, wie die Klägerin aus dem Bällchenbad in den Pool gelangt ist, ist in diesem Zusammenhang unerheblich, da feststeht, dass die Aufsichtspflichtverletzung der Beklagten hierfür ursächlich geworden ist. Denn insoweit geht das Gericht wiederum unter Zugrundelegung des zu § 286 Abs. 1 ZPO entwickelten Bewertungsmaßstabes davon aus, dass es nur dergestalt zu dem Unfall gekommen sein kann, dass die Klägerin eigenhändig aus dem Bällchenbad geklettert, zu der Poolleiter gegangen bzw. gekrabbelt und über diese in den Pool gelangt ist, da bei lebensnaher Betrachtung alternative Geschehensabläufe nicht in Betracht kommen. Soweit in diesem Zusammenhang die denktheoretische Möglichkeit besteht, dass die Klägerin von einem Dritten in den Pool verbracht wurde, war dem nicht weiter nachzugehen. Die Beklagte hat im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung - von der Klägerseite nicht bestritten - angegeben, einen entsprechenden Geschehensablauf für ausgeschlossen zu halten. So sei es für eine andere Person gar nicht möglich gewesen, in den Garten zu gelangen, ohne dass dies von ihr wahrgenommen worden wäre. Zwar hätte sich ihre 19jährige Tochter ebenfalls in dem Garten aufgehalten, jedoch habe sich diese durchgehend in einem Stuhl befunden und sei infolge einer schweren Behinderung nicht in der Lage gewesen, den Stuhl zu verlassen, ohne hierbei Geräusche zu verursachen, die die Beklagte auch in der Küche wahrgenommen hätte. Gesichtspunkte, die ernsthafte Zweifel an der Glaubhaftigkeit dieser Angaben der Beklagten begründen, sind nicht ersichtlich und von den Parteien auch nicht vorgetragen. Da auch im Übrigen weder im hiesigen noch im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren irgendwie geartete Anhaltspunkte dafür ersichtlich geworden sind, dass ein nicht bekannter Dritter in das Unfallgeschehen involviert gewesen sein könnte, war diese denktheoretische Möglichkeit bei der Betrachtung nicht weiter zu berücksichtigen. Da auch sonstige alternative Geschehensabläufe nicht ernsthaft in Betracht kommen und insbesondere von den Parteien nicht dargelegt wurden, steht zur hinreichenden Überzeugung des Gerichts fest, dass die Klägerin selbst aus dem Bällchenbad geklettert, zu dem Pool gekrabbelt und über dessen Leiter eigenhändig in diesen gelangt sein muss.
38Hätte die Beklagte die nach den Umständen des konkreten Falles angezeigte, nahezu lückenlose Aufsicht ausgeführt, hätte sie in engem zeitlichen Zusammenhang wahrgenommen, wenn die Klägerin eigenhändig aus dem Bällchenbad klettert und sich nunmehr frei im Garten bewegt. Da die Klägerin angesichts ihres jungen Alters auch nicht schon binnen weniger Augenblicke aus dem Bällchenbad klettern, zum Pool krabbeln bzw. gehen und über die Leiter in das Wasser hätte gelangen können, hätte die Beklagte den Unfall selbst dann noch vermeiden können, wenn sie sich ohne Verletzung ihrer Aufsichtspflicht ganz kurzzeitig im Haus aufgehalten hätte, und die Klägerin in diesem Moment aus dem Bällchenbad geklettert wäre. Ob die Klägerin das an die Leiter des Pools angelehnte Brett aus eigener Kraft verschoben und anschließend über die Leiter in den Pool geklettert ist, oder ob sich das Brett bereits zuvor verschoben hatte, kann an dieser Stelle offen bleiben, da die Aufsichtspflichtverletzung der Beklagten in beiden Fällen ursächlich für die auf Seiten der Klägerin eingetretene Rechtsgutsverletzung geworden wäre.
393. Die Beklagte hat weiterhin die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen und mithin fahrlässig i.S.v. § 276 Abs. 2 BGB gehandelt. Nach dem im Gegensatz zum Strafrecht an dieser Stelle maßgeblichen objektivierten zivilrechtlichen Fahrlässigkeitsmaßstab kommt es hierbei allein darauf an, was von einem durchschnittlichen Anforderungen entsprechenden Angehörigen des jeweiligen Verkehrskreises in der jeweiligen Situation erwartet werden konnte, ohne Rücksicht darauf, ob der Handelnde nach seinen individuellen Fähigkeiten, Kräften, Erfahrungen und Kenntnissen die objektiv gebotene Sorgfalt erkennen und erbringen konnte (vgl. BGH NJW 2001, 1786, 1787).
40a) Dass ein objektiver Dritter aus dem Verkehrskreis der Beklagten die Klägerin allenfalls ganz kurzzeitig, nicht jedoch über einen Zeitraum von (mindestens) fünf Minuten unbeaufsichtigt in dem sich im Garten befindenden Bällchenbad gelassen hätte, ergibt sich bereits aus den Ausführungen unter Ziff. II. 1. Aber auch die weiteren Voraussetzungen fahrlässigen Handelns in Gestalt der objektiven Vorhersehbarkeit und Vermeidbarkeit (vgl. insoweit BGH NJW 1963, 1609; MüKo-BGB/Grundmann, 6. Aufl. 2012, § 276 Rn. 53, 68 ff.) liegen vor. Erforderlich und ausreichend für die Bejahung der objektiven Vorhersehbarkeit ist die allgemeine Vorhersehbarkeit eines schädigenden Erfolges, der konkrete Ablauf braucht in seinen Einzelheiten nicht vorhersehbar zu sein (Palandt/Grüneberg, a.a.O., § 276 Rn. 20 mit weiteren Verweisen). Dementsprechend sind nur solche Kausalverläufe nicht vorhersehbar, die so sehr außerhalb aller Wahrscheinlichkeit liegen, dass der Handelnde sein Verhalten nicht darauf einrichten muss, weil sie nicht im Rahmen des durch die pflichtwidrige Erstverletzung geschaffenen Ausgangsrisikos liegen (MüKo-BGB/Grundmann, a.a.O., § 276 Rn. 70). Ein entsprechend atypischer Geschehensablauf liegt hier indes nicht vor. Vielmehr entspricht es gerade den Eigenarten von Kindern im Alter von etwa 13 Monaten, dass sie ihrem natürlichen Bewegungsdrang folgend aus einem Kinderplanschbecken hinausklettern und sich im Rahmen nachfolgender Bewegungsabläufe unbewusst in für sie gefährliche Situationen begeben. Hieran vermögen auch die Angaben der Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung nichts zu ändern, wonach es vor dem streitgegenständlichen Unfallgeschehen im Hinblick auf die Klägerin und ihre Zwillingsschwester zu keinem Zeitpunkt zu einem kritischen Vorfall gekommen sei und diese insbesondere das Bällchenbad noch nie aus eigenem Antrieb verlassen und an dem Pool auch keinerlei Interesse gezeigt hätten. Denn gerade weil sich die motorischen Fähigkeiten junger Kinder im Alter von mindestens zwölf Monaten zügig entwickeln, kann allein aus dem Umstand, dass sie bislang eine bestimmte Barriere nicht überwunden haben, nicht geschlussfolgert werden, dass dies auch in naher Zukunft nicht erfolgen wird. Dass ein 13 Monate, im Hinblick auf seine motorischen Fähigkeiten zumindest altersangemessen entwickeltes Kind körperlich prinzipiell in der Lage ist, aus dem auf den Lichtbildern erkennbaren streitgegenständlichen Kinderplanschbecken (vgl. Bl. ##. d. Akte zur Ermittlungsverfahren ### Js ###/## – StA C2) hinauszuklettern, steht jedoch außer Frage und wird von den Parteien im Ergebnis auch nicht in Zweifel gezogen.
41Dass es einem Kleinstkind, das altersentsprechend vermehrt eigene Geh- und Stehversuche unternimmt, gelingt, eine über wenige Meter reichende Wegstrecke zurückzulegen und eine zu einem mit Wasser gefüllten Pool führende Leiter hinaufzuklettern, erscheint ebenfalls nicht derart unwahrscheinlich, dass hiermit nach der allgemeinen Lebenserfahrung nicht mehr gerechnet werden müsste. Insoweit belegt auch der Umstand, dass durch die an die Poolleiter angelehnte Holzplatte ein Erklettern der Leiter gerade verhindert werden sollte, dass sich die Beklagte über die Eigenschaft des Pools als besondere Gefahrenquelle bewusst war. Nach Einschätzung des Gerichts entfällt die Vorhersehbarkeit auch nicht unter dem Gesichtspunkt, dass ein objektiver Dritter aus dem Verkehrskreis der Beklagten sicher davon ausgegangen wäre, angesichts der an die Poolleiter angelehnten Holzplatte sowie der Höhe der einzelnen Leiterstufen sei es der Klägerin unmöglich, eigenhändig in den Pool zu gelangen. Denn dass ein Kind im Alter der Klägerin, das darüber hinaus auch besonders häufig eigene Geh- und Stehversuche unternimmt, durch den Einsatz der eigenen Körperkraft in der Lage ist, eine lediglich hochkant angelehnte Holzplatte zu verschieben, liegt wiederum nicht derart außerhalb jeglicher Lebenswahrscheinlichkeit, dass mit dieser Möglichkeit nicht mehr gerechnet werden bräuchte. Auch verfolgt die oben skizzierte strenge Interpretation der Aufsichtspflichten über Kleinstkinder gerade den Zweck, Situationen zu vermeiden, in denen es zu nicht bedachten oder für unwahrscheinlich gehaltenen Gefährdungen des Aufsichtsbedürftigen kommt. Hiermit stünde es nicht im Einklang, die objektive Vorhersehbarkeit eines schädigenden Erfolges zu verneinen, weil der genaue Ablauf des schadensbegründenden Ereignisses nicht mehr festgestellt werden kann, oder dieses auf eine zwar atypische, keinesfalls aber undenkbare oder gänzlich unwahrscheinliche Art und Weise eingetreten ist.
42Soweit die Mutter der Klägerin im Ermittlungsverfahren selbst angegeben hat, es für ausgeschlossen zu halten, dass die Klägerin selbst in den Pool gelangt ist (vgl. Bl. ## d. Akte zum Ermittlungsverfahren ### Js ###/## - StA C2), steht dies der vorstehenden Einschätzung schon deswegen nicht entgegen, weil die Mutter zu der Klägerin nur unregelmäßigen Kontakt gehabt hat, ihr eine realistische Einschätzung darüber, über welche motorischen Fähigkeiten die Klägerin im Unfallzeitpunkt verfügte, also nicht möglich gewesen sein dürfte. Auch hat die Mutter der Klägerin die Angabe im Ermittlungsverfahren mit dem Hinweis darauf verbunden, bei der Klägerin handle es sich um eine Frühgeburt, wohingegen die Eltern der Klägerin sowie die Beklagte im Termin zur mündlichen Verhandlung übereinstimmend die Einschätzung abgegeben haben, dieser Umstand habe sich auf die weitere Entwicklung der Klägerin nicht maßgeblich ausgewirkt. Im Übrigen ist entscheidungserheblich in diesem Zusammenhang aber auch allein die Frage nach der objektiven Vorhersehbarkeit, nicht, ob gerade die Beklagte oder die Mutter der Klägerin mit einem entsprechenden Unfallhergang rechneten.
43b) Soweit die Beklagte Beweis für die Tatsache angetreten hat, wonach es einem 13 Monate alten Kind grundsätzlich nicht möglich sei, die von der Beklagten an den Pool angebrachte Holzplatte zur Seite zu schieben und über die Poolleiter in den Pool zu gelangen, durch Einholung eines Sachverständigengutachtens, war dem ebenfalls nicht nachzugehen. Denn ausgehend von dem vorstehend skizzierten Bewertungsmaßstab braucht objektiv vorhersehbar grundsätzlich nur der schädigende Erfolg als solcher, nicht jedoch der konkrete Geschehensablauf zu sein. Dementsprechend kommt es auch nicht darauf an, ob ein verständiger Dritter gerade damit hätte rechnen müssen, dass eine Verletzung der Klägerin in der Form droht, dass sie in den im Garten stehenden Pool gelangt. Denn durch die Auferlegung einer sehr engmaschigen Aufsichtspflicht im Falle der Betreuung von Kleinstkindern selbst in dem Fall, dass sich diese in einem kindgerecht abgesicherten Garten befinden, sollen gerade (nahezu) sämtliche kritischen Situationen ausgeschlossen werden, die dadurch entstehen, dass sich ein zu einer eigenständigen Gefahreinschätzung noch nicht fähiges Kleinkind über einen längeren Zeitraum unbeaufsichtigt im Garten bewegt. Bereits unter Schutzzweckgesichtspunkten kommt es für die Frage der objektiven Vorhersehbarkeit im vorliegend untersuchten Zusammenhang daher allein darauf an, dass ein verständiger Aufsichtspflichtiger damit gerechnet hätte, dass die Klägerin im Falle einer nicht erfolgten Beaufsichtigung über einen Zeitraum von fünf Minuten aus dem Kinderplanschbecken gelangt und hieran anschließend in eine Situation gerät, in der eine schwerwiegende Beeinträchtigung ihrer Gesundheit einzutreten droht. Demgegenüber braucht sich die objektive Vorhersehbarkeit gerade nicht auf den exakten Ablauf des schädigenden Ereignisses und insbesondere nicht darauf zu erstrecken, wie die Klägerin in den Pool gelangt ist.
44Lediglich ergänzend ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass die Vorhersehbarkeit der Beeinträchtigung der körperlichen Integrität und Gesundheit der Klägerin selbst dann zu bejahen wäre, wenn man entgegen dem vorstehend skizzierten Bewertungsmaßstab strengere Anforderungen an die Vorhersehbarkeit auch des konkreten Geschehensablaufs stellen würde. Denn das Gericht sieht bereits auf Grundlage des Vortrags der Eltern der Klägerin und insbesondere nach Maßgabe der Angaben der Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung keine vernünftigen Zweifel daran begründet, dass die Klägerin in der Lage war, die Holzplatte zur Seite zu schieben und die Leiter in den Pool hinaufzuklettern. Die Eltern der Klägerin sowie die Beklagte haben übereinstimmend angegeben, die Klägerin als sehr agil wahrgenommen zu haben, insbesondere hätte sie häufig eigene Steh- und Gehversuche unternommen und sich an Tischen, Stühlen und Sofas aufgerichtet. Auch hat die Beklagte im Termin zur mündlichen Verhandlung angegeben, die Klägerin bewusst nicht in den sich im Haus befindenden Laufsteg untergebracht zu haben, da die Klägerin für den Fall, dass sie aus dem Laufsteg hinausgelangt wäre, härter gefallen wäre, als wenn sie aus dem im Garten aufgestellten Kinderbad hinausgeklettert wäre. Bereits diese Schilderung deutet ersichtlich darauf hin, dass die Beklagte selbst davon ausging, die Klägerin sei aufgrund ihrer körperlichen und motorischen Fähigkeiten in der Lage, aus dem Laufsteg hinauszuklettern. Da den im Ermittlungsverfahren angefertigten Lichtbildern entnommen werden kann, dass der Laufsteg eine deutlich größere Höhe aufweist, als dies im Hinblick auf den zwischen den einzelnen Poolleiterstufen vorhandenen Abstand der Fall ist (vgl. Bl. ## f. ## d. Akte zum Ermittlungsverfahren ### JS ###/## – StA C2), erschließt sich nicht, warum die Klägerin in der Lage gewesen sein sollte, aus dem Laufsteg hinauszuklettern, ihr ein Erklimmen der Poolleiter aber nicht möglich gewesen sein sollte. Auch dies gilt wiederum vor dem Hintergrund, wonach es auch nach allgemeiner Lebenserfahrung keinesfalls ausgeschlossen erscheint, dass die motorischen Fähigkeiten eines fast 14 Monate alten Kindes schon so gut ausgeprägt sind, dass es Leiterstufen mit einem Abstand von jeweils 24,5cm zu überwinden vermag. Soweit die im Ermittlungsverfahren vernommenen Zeugen D und T2 die motorischen Fähigkeiten der Klägerin unterschiedlich geschildert haben, wobei der Zeuge D ausgesagt hat, sich nicht vorstellen zu können, dass die Klägerin in der Lage war, die Poolleiter hochzuklettern, während die Zeugin T2 die Klägerin als agiles Kind geschildert hat, das auch die Leiter hätte hochklettern können (vgl. Bl. ###, ### d. Akte zum Ermittlungsverfahren ### JS ###/## – StA C2), ist dies für die vorliegende Betrachtung unbeachtlich. Denn es scheint bereits fraglich, ob den Nachbarn der Beklagten eine realistische Einschätzung der Bewegungsfähigkeiten der Klägerin überhaupt möglich war. Zumindest belegt die augenscheinlich lediglich auf seltene Beobachtungen in „Wochenabständen“ zurückzuführende Angabe des Nachbarn D aber auch nicht, dass mit einem Erklettern der Poolleiter durch die Klägerin nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht gerechnet werden konnte.
45Auch der beklagtenseits unter Beantragung der Einholung eines Sachverständigengutachtens aufgeworfenen Frage, ob die Klägerin im Alter von 13 Monaten in der Lage war, die ca. 4kg schwere Holzplatte zur Seite zu schieben, bräuchte nach Einschätzung des Gerichts selbst dann nicht nachgegangen zu werden, wenn man entgegen dem oben skizzierten Bewertungsmaßstab strengere Anforderungen an die objektive Vorhersehbarkeit des Ablaufs des schädigenden Ereignisses stellen würde. Zwar erscheint es nach Einschätzung des Gerichts ohnehin äußerst naheliegend, dass ein über 8kg schweres Kind in der Lage ist, durch Einsatz seiner Körperkraft ein nur hochkant anliegendes, knapp 4kg schweres Holzbrett leicht zur Seite zu kippen. Letztlich kommt es hierauf für die Frage nach der objektiven Vorhersehbarkeit des Verletzungserfolges aber nicht an. Denn für den Fall, dass auf der Grundlage eines etwaig eingeholten Sachverständigengutachtens davon auszugehen wäre, dass es der Klägerin angesichts ihrer körperlichen Fähigkeiten gar nicht möglich gewesen wäre, die Holzplatte zur Seite zu schieben, verbliebe nach den obigen Ausführungen als einzige realistische Alternative des Unfallhergangs, dass das Holzbrett entweder bereits in dem Moment verschoben war, in dem die Beklagte in das Haus ging, oder dass das Holzbrett sich während des Aufenthalts der Beklagten in der Küche aus sonstigen Gründen zur Seite verschob. Insoweit hätte die Beklagte entweder von vornherein die sie im Hinblick auf den Pool treffende Verkehrssicherungspflicht verletzt oder hätte ihr die nicht mehr ordnungsgemäße Sicherung des Pools zumindest rechtzeitig auffallen müssen, wenn sie entsprechend der ihr obliegenden Aufsichtspflicht die Klägerin nicht über einen Zeitraum von gut fünf Minuten unbeaufsichtigt im Garten gelassen hätte. Dass nach der allgemeinen Lebenserfahrung ein von Beginn an oder zumindest zwischenzeitlich nicht mehr kindgerecht gesicherter Pool zu dem hier streitgegenständlichen Unfallgeschehen führen kann, liegt jedoch auf der Hand, so dass die objektive Vorhersehbarkeit des Erfolgseintritts unter diesem Gesichtspunkt selbst dann nicht zu verneinen wäre, wenn die von der Beklagten aufgeworfene Beweisfrage auf der Grundlage eines etwaig eingeholten Sachverständigengutachtens in ihrem Sinne zu beantworten wäre.
46c) Zweifel an der Vermeidbarkeit des Erfolgseintritts sind zuletzt ebenfalls nicht begründet. Die Pflicht zu sorgfaltsgemäßem Handeln entfällt nur dann, wenn der Handelnde hierzu nicht fähig oder ihm ein sorgfältiges Handeln nach Treu und Glauben nicht zumutbar ist, wofür im Hinblick auf die Person der Beklagten keinerlei Anhaltspunkte bestehen.
474. Nach dem Vorstehenden sind die Haftungsvoraussetzungen nach § 253 Abs. 2 BGB i.V.m. § 823 Abs.1 BGB erfüllt. Zwar hängt die Höhe des der Klägerin zustehenden Schmerzensgeldanspruchs insbesondere von den zwischen den Parteien streitigen Unfallfolgen ab. Da das zu leistende Schmerzensgeld aber keinesfalls mit „0“ € zu bewerten sein wird, steht bereits jetzt fest, dass ein Schmerzensgeld tatsächlich zu zahlen ist.
48III.
49Aus den vorstehenden Erörterungen folgt zugleich, dass der auf die Feststellung gerichtete Antrag, wonach die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtlichen Schaden zu ersetzen, den sie infolge des streitgegenständlichen Unfallgeschehens am 04.07.2011 künftig erleiden wird, soweit er nicht auf Sozialversicherungsträger übergeht, Erfolg hat. Die Zulässigkeitsvoraussetzungen des Antrags nach § 256 ZPO liegen vor. Insbesondere ist mit hinreichender Wahrscheinlichkeit mit weiteren, durch den streitgegenständlichen Unfall verursachte Schäden der Klägerin zu rechnen, die klägerseits noch nicht beziffert und daher gegenwärtig auch nicht im Wege der Leistungsklage geltend gemacht werden können. Die Feststellungsklage ist auch begründet, da der Klägerin gegen die Beklagte nach den Ausführungen zu Ziff. II. ein Anspruch nach § 823 Abs. 1 BGB auf Ersatz sämtlicher durch den streitgegenständlichen Unfall verursachten Schänden zusteht.
50IV.
51Die Kostenentscheidung bleibt dem Endurteil vorbehalten. Eine Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit war nicht angezeigt, da der Urteilstenor keinen vollstreckungsfähigen Inhalt hat.
(1) Ist ein Anspruch nach Grund und Betrag streitig, so kann das Gericht über den Grund vorab entscheiden.
(2) Das Urteil ist in Betreff der Rechtsmittel als Endurteil anzusehen; das Gericht kann jedoch, wenn der Anspruch für begründet erklärt ist, auf Antrag anordnen, dass über den Betrag zu verhandeln sei.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger verlangt vom beklagten Rechtsanwalt Schadensersatz wegen Verletzung einer Vertragspflicht anläßlich der Kündigung seines Arbeitsverhältnisses.
Der Kläger hatte bei der R. AG (künftig: Arbeitgeberin), bei der er seit September 1976 beschäftigt ist, als Fleischaufhauer im Akkord einen monatlichen Bruttolohn von zuletzt etwa 7.000 DM. Anfang Mai 1994 erklärte die Ar-
beitgeberin dem Kläger unter Hinweis auf Fehlzeiten, sie beabsichtige, ihm im Wege einer Ä nderungskündigung einen geringer entlohnten Arbeitsplatz als Entvlieser anzubieten. In einem Schriftstück, das das Datum des 2. Mai 1994 trägt, nach Behauptung des Klägers aber erst nach Ausspruch der Ä nderungskündigung von ihm unterzeichnet wurde, erklärte der Kläger gegenüber seiner Arbeitgeberin:
"Ich nehme den mir neu angebotenen Arbeitsplatz ab 1.1.1995 (Entvlieserei ) unter Vorbehalt an." Mitte Mai 1994 suchte der Kläger den Beklagten auf, um sich wegen der drohenden Ä nderungskündigung beraten zu lassen.
Am 17. Mai 1994 schrieb der Beklagte der Arbeitgeberin des Klägers u.a. folgendes:
"Unser Mandant teilt uns mit, daß Sie eine Ä nderungskündigung aussprechen wollen, da die krankheitsbedingten Fehlzeiten unseres Mandanten dies rechtfertigen würden. Mit dieser Ä nderungskündigung ist unser Mandant nicht einverstanden und wir werden wegen der Ä nderungskündung gegebenenfalls Klage vor dem Arbeitsgericht Berlin erheben."
Am 25. Mai 1994 kündigte die Arbeitgeberin - nach Anhörung des Betriebsrats - das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger als Fleischaufhauer "aus personenbedingten Gründen" zum 31. Dezember 1994 und bot ihm ab 1995 einen Arbeitsvertrag als Entvlieser an. Der Beklagte erhielt dieses Kündigungsschreiben auf seine Bitte vom 26. Mai 1994 vom Kläger am folgenden Tage.
Im November 1994 erhob der Beklagte im Namen des Klägers vor dem Arbeitsgericht Klage gegen seine Arbeitgeberin mit dem Antrag auf Feststellung , daß das Arbeitsverhältnis als Fleischaufhauer nicht aufgelöst worden ist. Durch rechtskräftiges Urteil des Arbeitsgerichts vom 29. März 1995 wurde die Klage abgewiesen, weil der Kläger sein Klagerecht zu spät ausgeübt und deswegen verwirkt habe.
Der Kläger hat vom Beklagten Ersatz des Lohnunterschieds zwischen seiner früheren Tätigkeit als Fleischaufhauer und seiner jetzigen Arbeit als Entvlieser verlangt. Das Landgericht hat zunächst durch Versäumnisurteil den Beklagten verurteilt, an den Kläger 26.000 DM nebst Zinsen zu zahlen; außerdem wurde festgestellt, daß der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger allen ab 1. August 1995 entstehenden Schaden aus der verspäteten Klageerhebung vor dem Arbeitsgericht zu ersetzen. Nach rechtzeitigem Einspruch hat das Landgericht - ohne Bezugnahme auf sein Versäumnisurteil - den Beklagten verurteilt, an den Kläger 36.431,52 DM nebst Zinsen zu zahlen, und zwar wegen monatlichen Lohnausfalls von 2.279,22 DM in der Zeit von Januar 1995 bis einschließlich April 1996; außerdem hat das Landgericht festgestellt, daß der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger allen ab 1. Mai 1996 entstehenden Schaden aus der verspäteten Klageerhebung vor dem Arbeitsgericht zu ersetzen. Im Berufungsverfahren hat der Kläger Ersatz eines monatlichen Lohnausfalls von 1.673,19 DM für die Zeit von Mai 1996 bis einschließlich Oktober 1997 in Höhe von insgesamt 28.444,23 DM - "mithin insgesamt 64.875,75 DM" - geltend gemacht ; außerdem hat er beantragt festzustellen, daß der Beklagte zum Ersatz seines ab 1. November 1997 entstehenden Schadens infolge der verspäteten Klageerhebung vor dem Arbeitsgericht verpflichtet ist. Das Berufungsgericht hat durch "Grundurteil" die Berufung des Beklagten zurückgewiesen, "soweit
sie sich gegen die Verurteilung dem Grunde nach richtet", und den Klageanspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Mit der Revision verfolgt der Beklagte weiter die Abweisung der Klage.
Entscheidungsgründe:
Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache (§§ 564, 565 Abs. 1 ZPO).
I.
Die vom Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfende Frage, ob das Berufungsgericht ein Grundurteil gemäß § 304 ZPO erlassen durfte (vgl. BGH, Urt. v. 14. Oktober 1993 - III ZR 157/92, NJW-RR 1994, 319), ist im vorliegenden Fall zu verneinen.
1. Die Revision rügt zu Recht, daß das Berufungsgericht durch sein "Grundurteil" nicht über den Feststellungsantrag entscheiden durfte (§ 304 Abs. 1 ZPO).
a) Das Berufungsurteil erstreckt sich auch auf diesen Antrag. Im Tenor und in den Gründen der Entscheidung wird "der Klageanspruch", dessen Teil auch das Feststellungsbegehren ist, umfassend dem Grunde nach für ge-
rechtfertigt erklärt. In den Entscheidungsgründen wird zwischen dem Zahlungsund Feststellungsantrag nicht unterschieden. Am Schluß der Entscheidungsgründe heißt es, "der Schadensersatzanspruch des Klägers" sei "deshalb dem Grunde nach gerechtfertigt".
b) Nach § 304 Abs. 1 ZPO kann das Gericht über den Grund vorab entscheiden , wenn ein Anspruch nach Grund und Betrag streitig und lediglich der Streit über den Anspruchsgrund entscheidungsreif ist. Eine entsprechende Trennung in Grund- und Betragsverfahren setzt einen Anspruch voraus, der auf Zahlung von Geld oder die Leistung vertretbarer, der Höhe nach summenmäßig bestimmter Sachen gerichtet ist (BGH, Urteil vom 19. Februar 1991 - X ZR 90/89, NJW 1991, 1896; v. 14. Oktober 1993, aaO).
Deswegen scheidet ein Grundurteil über einen unbezifferten Feststellungsantrag wesensgemäß aus (BGH, Urt. v. 7. November 1991 - III ZR 118/90, WM 1992, 432; v. 14. Oktober 1993, aaO). Ausnahmsweise kann ein Grundurteil über eine Feststellungsklage ergehen, wenn damit ein bestimmter Betrag in der Weise geltend gemacht wird, daß die Klage auch zu einem Ausspruch über die Höhe des Anspruchs führen soll (BGH, Urt. v. 9. Juni 1994 - IX ZR 125/93, WM 1994, 2113, 2114). Diese Voraussetzung erfüllt der Feststellungsantrag des Klägers entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung nicht. Zwar bezieht sich das gesamte Klagebegehren auf einen einheitlichen Anspruch auf Ersatz eines Verdienstausfalls infolge Schlechterfüllung eines Anwaltsvertrages. Selbst wenn die Feststellungsklage eine nach Grund und Betrag streitige Verpflichtung zum Gegenstand haben sollte, so soll der Antrag festzustellen, daß der Beklagte zum Ersatz des seit November 1997 entstandenen und noch entstehenden Schadens aus dem behaupteten Vertragsver-
stoß verpflichtet ist, aber nicht zu einem Ausspruch über die Höhe eines solchen Anspruchs führen (vgl. auch BGH, Urt. v. 19. Februar 1991, aaO). Dementsprechend fehlt eine Bezifferung im Feststellungsausspruch des Berufungsgerichts.
2. Das angefochtene Urteil kann nicht, soweit über den Feststellungsantrag entschieden worden ist, als Teilendurteil (§ 301 ZPO) aufrechterhalten werden.
a) Das Berufungsgericht wollte darüber nicht abschließend entscheiden. Dies ergibt sich daraus, daß es nach Tenor und Gründen seines Urteils nur die "Verurteilung dem Grunde nach" durch das Landgericht bestätigen wollte.
b) Außerdem müßte in einem solchen Feststellungsurteil wegen der Rechtskraftwirkung entschieden werden, ob der Kläger seinen Schaden im Sinne des § 254 BGB mitverschuldet hat und deshalb zumindest einen Schadensteil selbst tragen muß (BGH, Urt. v. 25. November 1977 - I ZR 30/76, NJW 1978, 544; v. 17. Oktober 1991 - IX ZR 255/90, NJW 1992, 307, 309, insoweit nicht abgedruckt in BGHZ 115, 382). Der Beklagte hat dem Kläger vorgeworfen , er habe zu der schadensursächlichen verspäteten Klageerhebung im Arbeitsgerichtsprozeß beigetragen, weil er nicht rechtzeitig die Deckungszusage seines Rechtsschutzversicherers eingeholt habe, und seine Pflicht zur Schadensminderung verletzt, indem er sich nicht um einen anderen Arbeitsplatz als Fleischaufhauer im Akkord bemüht habe. Diese Einwände hat das Berufungsgericht in seinem Urteil nicht erörtert; bezüglich des letzten Einwands hat es sich eine Prüfung vorbehalten in seinem Beschluß, der gleichzeitig mit dem Berufungsurteil verkündet worden ist.
3. Das Grundurteil des Berufungsgerichts kann nicht allein bezüglich des Zahlungsanspruchs bestehenbleiben.
Das Berufungsgericht hat, wie die Revision zu Recht rügt, nicht die erforderliche Feststellung getroffen, daß der Kläger einen mit diesem Anspruch geltend gemachten Schaden ab Januar 1995 mit hoher Wahrscheinlichkeit in irgendeiner Höhe erlitten hat (vgl. BGHZ 53, 17, 23). Ein solcher Schaden kann entfallen, wenn die - vom Berufungsgericht nicht geprüfte - Behauptung des Beklagten richtig ist, der Kläger sei einer Akkordtätigkeit als Fleischaufhauer dauerhaft nicht gewachsen gewesen, wie sich aus seinen Fehlzeiten vor der Ä nderungskündigung ergebe. Außerdem hat das Berufungsgericht nicht erörtert , ob und gegebenenfalls in welchem Umfang sich die Mitverschuldenseinwände des Beklagten auf den Schadensersatzanspruch auswirken; insoweit darf die Entscheidung nur dann dem Betragsverfahren vorbehalten werden, wenn bereits endgültig feststeht, daß ein Mitverschulden nicht zu einer Beseitigung des Anspruchs führt (BGHZ 110, 323, 332).
II.
Das Landgericht, dem sich das Berufungsgericht insoweit angeschlossen hat, hat im Ergebnis ohne Rechtsverstoß angenommen, der Beklagte habe seine Vertragspflicht schuldhaft verletzt, weil er nicht rechtzeitig gegen die Ä nderungskündigung Klage nach dem Kündigungsschutzgesetz (KSchG) erhoben habe. Dagegen wendet sich die Revision nicht.
III.
Mit Erfolg rügt die Revision jedoch, daß die Feststellung des Berufungsgerichts , einer rechtzeitig erhobenen Kündigungsschutzklage des Klägers wäre stattgegeben worden, in wesentlichen Punkten rechtsfehlerhaft ist.
1. Die mit dem Datum des 2. Mai 1994 versehene Erklärung des Klägers gegenüber seiner Arbeitgeberin, er nehme den neuen Arbeitsplatz unter Vorbehalt an, hätte dem Erfolg einer solchen Klage nicht entgegen gestanden. Nach rechtsfehlerfreier tatrichterlicher Feststellung hat der Kläger diese Urkunde erst nach der Ä nderungskündigung unter dem Vorbehalt ihrer sozialen Rechtfertigung am 27. Mai 1994 unterzeichnet (vgl. § 4 KSchG). Dies wird von der Revision nicht beanstandet.
2. Zur haftungsausfüllenden Kausalität hat das Berufungsgericht weiterhin ausgeführt:
Die Kündigungsschutzklage hätte Erfolg gehabt, weil die Ä nderungskündigung nicht sozial gerechtfertigt gewesen sei.
Ob eine negative Gesundheitsprognose aufgrund der Fehlzeiten des Klägers in den Jahren vor der Kündigung gerechtfertigt sei, erscheine zweifelhaft. Zwar lägen für das Jahr 1989 59 Fehltage, für 1990 33 Fehltage, für 1991 53 Fehltage und für 1992 52 Fehltage vor. Hinsichtlich des Jahres 1993, in dem der Kläger insgesamt 70 Tage gefehlt habe, sei zu berücksichtigen, daß davon 42 Tage auf eine unfallbedingte Fehlzeit entfallen seien, die für eine
Gesundheitsprognose ungeeignet sei. Ob aufgrund der verbleibenden Fehlzeiten in den Jahren 1989 bis 1992 und im Jahre 1994 eine negative Gesundheitsprognose bestehe, könne letztlich offen bleiben, da die weiteren Voraussetzungen für eine wirksame Kündigung nicht vorlägen.
Der Beklagte, der die soziale Berechtigung der Kündigung darzulegen und zu beweisen habe, habe nicht dargetan, daß für den Arbeitgeber des Klägers durch die für die Zukunft zu erwartenden Fehlzeiten eine erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen oder wirtschaftlichen Interessen eintreten würde. Für Betriebsablaufstörungen habe der Beklagte nur auf allgemeine Feststellungen der Arbeitgeberin verwiesen, nach denen die übrigen Arbeitskollegen aufgrund der häufigen unplanbaren Ausfälle kostenintensive Mehrarbeit miterledigen müßten, die Bereitschaft zu Mehrarbeiten begrenzt und die Produktivität in diesen Stunden weit geringer seien. Es fehlten konkrete Angaben zur Arbeitsorganisation bei krankheitsbedingten Ausfällen. Es könne auch nicht festgestellt werden, daß die Kündigung aufgrund einer wirtschaftlichen Belastung des Arbeitgebers infolge außergewöhnlich hoher Lohnfortzahlungskosten gerechtfertigt gewesen wäre.
Außerdem sei die Kündigung nicht sozial gerechtfertigt gewesen, weil die abschließende Interessenabwägung zugunsten des Klägers hätte ausfallen müssen. Der Kläger habe seine Erkrankungen gegenüber seinem Arbeitgeber auf die klimatischen Verhältnisse im Kühlhaus zurückgeführt, so daß diese betriebliche Ursachen hätten. Ferner sei zu berücksichtigen, daß der Kläger bereits seit 1976 bei der R. AG beschäftigt sei, zwei Kinder habe und bis auf die dargelegten Fehlzeiten keinen Anlaß zu Beanstandungen gegeben habe. Mit Rücksicht auf diese Umstände sei es der Arbeitgeberin zuzumuten, den Kläger
auch weiterhin als Fleischaufhauer mit dem entsprechenden Lohn zu beschäftigen.
3. Diese Erwägungen sind teilweise rechtsfehlerhaft, weil das Berufungsgericht entscheidungserhebliches Vorbringen des Beklagten außer acht gelassen hat (§ 287 ZPO).
Für den haftungsausfüllenden Ursachenzusammenhang zwischen der anwaltlichen Pflichtverletzung und dem geltend gemachten Schaden hat der Tatrichter gemäß § 287 ZPO festzustellen, was geschehen wäre, wenn der Rechtsanwalt sich vertragsgerecht verhalten hätte, und wie die Vermögenslage des Mandanten dann wäre. Dieser trägt insoweit die Beweislast, die durch den Beweis des ersten Anscheins und die - gegenüber § 286 ZPO - geringeren Anforderungen des § 287 ZPO an die Darlegungslast und an das Beweismaß erleichtert wird (BGHZ 123, 311, 315 ff; 126, 217, 222 ff; BGH, Urt. v. 5. November 1992 - IX ZR 12/92, NJW 1993, 734). Einen erstattungsfähigen Schaden hat der Mandant in der Regel dann erlitten, wenn er einen Prozeß verloren hat, den er bei sachgemäßer anwaltlicher Vertretung gewonnen hätte. Für diese hypothetische Beurteilung ist maßgeblich, wie der Vorprozeß nach Auffassung des Gerichts, das mit dem Regreßanspruch befaßt ist, richtigerweise hätte entschieden werden müssen. Dabei ist auszugehen von dem Sachverhalt , der dem Gericht des Vorprozesses unterbreitet und von diesem aufgeklärt worden wäre. Die Beweislastregeln des Vorverfahrens gelten grundsätzlich auch für den Regreßprozeß (BGHZ 133, 110, 111 ff m.w.N.). Dies bedeutet im vorliegenden Rechtsstreit, daß der Beklagte, der sich zur Abwehr des Regreßanspruchs auf die Rechtswirksamkeit der Ä nderungskündigung beruft, die Darlegungs- und Beweislast zu tragen hat, die der Arbeitgeberin des Klägers in
einem - rechtzeitig angestrengten - Kündigungsschutzprozeß oblegen hätte. Der Kläger hat die Darlegungs- und Beweislast für die Umstände, die er in einem solchen Prozeß darzulegen und zu beweisen gehabt hätte, auch im Regreßprozeß gegen den Beklagten.
a) Das Berufungsgericht ist zu Recht von den Grundsätzen ausgegangen , die das Bundesarbeitsgericht für die Prüfung der sozialen Rechtfertigung einer ordentlichen Kündigung wegen Krankheit gemäß § 1 Abs. 2 KSchG aufgestellt hat (NZA 1989, 923; 1990, 307; NJW 1990, 2338, 2339 und 2341, 2342 f, NZA 1993, 497, 498). Danach ist diese Prüfung in drei Stufen vorzunehmen. Zunächst ist eine negative Gesundheitsprognose erforderlich; bei Zugang der Kündigung müssen objektive Tatsachen vorliegen, die die Besorgnis weiterer Erkrankungen im bisherigen Umfang begründen. Sind danach weitere krankheitsbedingte Fehlzeiten zu besorgen, so ist zu prüfen, ob sie die betrieblichen Interessen erheblich beeinträchtigen. Ist das der Fall, so ist im Rahmen der Interessenabwägung nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG zu untersuchen, ob die Beeinträchtigungen aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalls vom Arbeitgeber noch hinzunehmen sind oder ein solches Ausmaß erreicht haben, daß sie ihm nicht mehr zuzumuten sind. Diese Grundsätze gelten entsprechend für die Prüfung der sozialen Rechtfertigung einer Ä nderungskündigung (§ 2 KSchG).
b) aa) Da das Berufungsgericht offen gelassen hat, ob bei Zugang der Ä nderungskündigung im Mai 1994 eine negative Gesundheitsprognose die Besorgnis weiterer Erkrankungen des Klägers im bisherigen Umfang begründete, ist im Revisionsverfahren zugunsten des Beklagten von einer solchen Prognose auszugehen.
bb) In diesem Zusammenhang ist für das weitere Berufungsverfahren auf folgendes hinzuweisen:
Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (NZA 1989, 923, 1990, 307) können häufige Kurzerkrankungen eine negative Gesundheitsprognose begründen; dann darf sich der Arbeitgeber zunächst darauf beschränken , die entsprechende Indizwirkung der krankheitsbedingten Fehlzeiten darzulegen. Dies hat der Beklagte getan. Insoweit weist die Revision zu Recht darauf hin, daß nach dem Vorbringen des Beklagten - über die vom Berufungsgericht berücksichtigten Fehlzeiten hinaus - 1994 bis zur Ä nderungskündigung 22 Krankheitstage angefallen sind. Für 1993 sind die Fehlzeiten, die nicht unfallbedingt waren, ins Verhältnis zu setzen zu der jährlichen Arbeitszeit abzüglich der 42 unfallbedingten Fehltage.
Der Kläger als Arbeitnehmer hat dann gemäß § 138 Abs. 2 ZPO darzutun , warum mit seiner baldigen Genesung zu rechnen sei; kennt er seinen Gesundheitszustand nicht sicher, so genügt er seiner prozessualen Mitwirkungspflicht , wenn er die Behauptung des Arbeitgebers bestreitet und seinen Arzt oder die Krankenkasse von der Schweigepflicht entbindet (BAG aaO). Der Kläger hat diese Darlegungslast erkannt, aber bisher nicht erfüllt.
Sollte der Kläger dies nachholen, so dürfte es - wie im Regelfall - erforderlich sein, auf einen entsprechenden Beweisantritt des insoweit beweispflichtigen Beklagten (§ 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG) den behandelnden Arzt als sachverständigen Zeugen zu vernehmen (§§ 373 ff, 377 Abs. 3, 414 ZPO) oder - gemäß dem Beweisantritt des Beklagten oder von Amts wegen (§ 144
ZPO) - ein Gutachten eines Arbeitsmediziners (§§ 402 ff ZPO) einzuholen (vgl. BAG NZA 1990, 307, 308; NJW 1990, 2341, 2343). In diesem Zusammenhang wird auch zu berücksichtigen sein, daß der Beklagte behauptet hat, der Kläger sei dauerhaft einer Akkordtätigkeit als Fleischaufhauer gesundheitlich nicht gewachsen (vgl. dazu BAG NJW 1990, 2953, 2954; NZA 1993, 497, 498 f).
c) aa) Die Frage, ob die negative Gesundheitsprognose zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führt, hat das Berufungsgericht insoweit rechtsfehlerfrei verneint, als eine solche Beeinträchtigung sich aus einer schwerwiegenden Störung des Betriebsablaufs ergeben kann. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist eine solche Störung im Produktionsprozeß nur dann als Kündigungsgrund geeignet, wenn sie nicht durch Überbrückungsmaßnahmen, etwa durch die Einstellung einer Ersatzkraft oder den Einsatz eines Arbeitnehmers aus einer Personalreserve, vermieden werden kann (BAG NZA 1989, 923). Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsverstoß festgestellt, daß der darlegungs- und beweispflichtige Beklagte (§ 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG) dazu keine substantiierten Angaben gemacht hat. Insoweit beanstandet die Revision das Berufungsurteil nicht.
bb) Sie rügt jedoch mit Erfolg die tatrichterliche Feststellung, das Betriebsinteresse sei auch insoweit nicht beeinträchtigt, als keine erhebliche wirtschaftliche Belastung der Arbeitgeberin vorliege. Insoweit hat das Berufungsgericht die Behauptung des Beklagten außer acht gelassen, der Kläger sei gesundheitlich außerstande, als Fleischaufhauer im Akkord zu arbeiten. Sollte dieses - vom Kläger bestrittene - Vorbringen richtig sein, so hätte eine erhebliche betriebliche Beeinträchtigung vorgelegen (BAG NZA 1987, 555, 556; NJW 1990, 2953, 2954; NZA 1993, 497, 499).
d) Da das Berufungsgericht nicht geklärt hat, ob der Kläger im maßgeblichen Zeitpunkt des Zugangs der Ä nderungskündigung eine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung als Fleischaufhauer im Akkord nicht erbringen konnte und infolgedessen eine schwerwiegende Beeinträchtigung des Betriebsinteresses wegen einer erheblichen wirtschaftlichen Belastung der Arbeitgeberin gegeben war, beanstandet die Revision auch zu Recht, daß die tatrichterliche Interessenabwägung unvollständig und deswegen rechtsfehlerhaft ist.
3. Eine neue Entscheidung im Berufungsverfahren wird das Versäumnisurteil des Landgerichts zumindest insoweit zu berücksichtigen haben, als der Feststellungsausspruch durch die Streitentscheidung des Landgerichts und den Berufungsantrag des Klägers teilweise gegenstandslos geworden ist.
Paulusch Kirchhof Fischer
Zugehör Ganter
Tenor
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Auf die Revision der Kläger wird das Teilurteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 16. Dezember 2011 teilweise aufgehoben, soweit das Berufungsgericht den Klageantrag gegen die Beklagte zu 1 auf Zahlung eines Kostenvorschusses in Höhe von 49.884,80 € zuzüglich Zinsen abgewiesen hat.
-
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
-
Von Rechts wegen
Tatbestand
- 1
-
Die Kläger nehmen die Beklagten in unterschiedlichem Umfang auf Zahlung von Vorschuss und Schadensersatz sowie auf Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz weiterer Mängelbeseitigungskosten und zum Ersatz weiterer Schäden wegen Mängeln an einem neu errichteten Mehrfamilienhaus mit insgesamt fünf Wohnungen in Anspruch.
- 2
-
Die Kläger beauftragten die Beklagte zu 1 mit Vertrag vom 29. Dezember 2002/13. Januar 2003 mit der Lieferung und Erstellung eines Ausbauhauses der Ausbaustufe I, deren Umfang in der Bauleistungsbeschreibung näher umschrieben ist. In § 14 des Vertrags war als Sonderleistung ein "erhöhter Schallschutz wegen mehrerer Wohneinheiten im Gebäude" vereinbart. Die am Revisionsverfahren nicht beteiligte Beklagte zu 2 war von den Klägern mit dem Innenausbau beauftragt worden und die ebenfalls nicht beteiligte Beklagte zu 3 mit der Stellung des Bauantrags.
- 3
-
Nach Errichtung des Hauses traten Mängel auf. Eine förmliche Abnahme sämtlicher Leistungen der Beklagten zu 1 erfolgte nicht. Nachdem die Kläger die Beklagte zu 1 erfolglos unter Fristsetzung zur Mängelbeseitigung aufgefordert hatten, beantragten sie wegen der Mängel, u.a. auch wegen eines unzureichenden Schallschutzes, die Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens zur Feststellung der Mängel und zur Höhe der erforderlichen Mängelbeseitigungskosten.
- 4
-
Das Landgericht hat die Beklagte zu 1, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, wegen der Schallschutzmängel zur Zahlung eines Kostenvorschusses in Höhe von 49.884,80 € zuzüglich Zinsen verurteilt. Daneben hat es den Klägern gegen die Beklagte zu 1 einen u.a. auf diese Mängel gestützten Schadensersatzanspruch wegen eines entstandenen Mietausfallschadens und wegen von ihnen vorgerichtlich aufgewendeter Sachverständigenkosten zuerkannt. Das Berufungsgericht hat auf die Berufung der Beklagten zu 1 das Urteil des Landgerichts teilweise abgeändert und die Klage gegen die Beklagte zu 1 durch Teilurteil abgewiesen, soweit diese auf Zahlung eines Kostenvorschusses für die Beseitigung der Schallschutzmängel in Höhe von 49.884,80 € zuzüglich Zinsen gerichtet war.
- 5
-
Mit der vom Senat zugelassenen Revision erstreben die Kläger, soweit das Berufungsgericht einen Kostenvorschussanspruch gegen die Beklagte zu 1 wegen der Schallschutzmängel einschließlich Zinsen aberkannt hat, die Aufhebung des Teilurteils und die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
- 6
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Die Revision der Kläger führt zur Aufhebung des angefochtenen Teilurteils, soweit das Berufungsgericht einen Vorschussanspruch der Kläger in Höhe der zur Beseitigung der Schallschutzmängel erforderlichen Kosten zuzüglich Zinsen gegen die Beklagte zu 1 abgelehnt hat, und insoweit zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
-
I.
- 7
-
Das Berufungsgericht führt aus, es könne hinsichtlich der Schallschutzmängel von der Möglichkeit einer Entscheidung durch Teilurteil Gebrauch machen. Das Bestehen eines Kostenvorschussanspruchs in Höhe der Mängelbeseitigungskosten sei hinsichtlich der geltend gemachten Folgeschäden (Mietausfall, vorgerichtliche Kosten) präjudiziell. Es ist der Auffassung, den Klägern stehe wegen Mängeln des Schallschutzes an den Innendecken kein Anspruch auf Gewährleistung gegen die Beklagte zu 1 zu. Die Beklagte zu 1 habe die Decke über dem Erdgeschoss und über dem 1. Obergeschoss nach Ziff. 2.0 der Bauleistungsbeschreibung als massive Balkendecke mit aufliegender 22 mm Holzwerkstoffplatte geschuldet. Der weitere Innenausbau habe den Klägern selbst oblegen. Es sei unerheblich, dass im Bauvertrag die Herstellung eines erhöhten Schallschutzes vereinbart worden sei. Diese Verpflichtung habe sich mangels näherer Angaben allein auf die von der Beklagten zu 1 geschuldete Werkleistung bezogen. Die mangelnde Tritt- und Luftschalldämmung der beiden Innendecken des Hauses beruhe nach den Ausführungen der Sachverständigen jedoch nicht auf der Ausführung der Holzbalkendecke oder der darauf befestigten Holzwerkstoffplatte, sondern darauf, dass der weitere Ausbau und der Fußbodenaufbau mangelhaft ausgeführt worden seien.
-
II.
- 8
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Dies hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
- 9
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1. Die Voraussetzungen für den Erlass eines Teilurteils liegen nicht vor. Der Erlass eines Teilurteils ist unzulässig, wenn aufgrund der Entscheidung über den Teil des Anspruchs die Gefahr besteht, dass es bei der Entscheidung über den noch anhängigen Streitgegenstand im Schlussurteil zu einander widersprechenden Entscheidungen kommt. Diese Gefahr besteht immer dann, wenn der durch Teilurteil beschiedene Anspruch und der noch rechtshängige Anspruch von gemeinsamen Vorfragen abhängen (vgl. BGH, Urteile vom 26. April 2012 - VII ZR 25/11, BauR 2012, 1391 Rn. 11 = NZBau 2012, 440; vom 29. März 2011 - VI ZR 117/10, BGHZ 189, 79 Rn. 15; vom 28. November 2002 - VII ZR 270/01, BauR 2003, 381, 382 = NZBau 2003, 153, jeweils m.w.N.). Dies ist hier der Fall. Die im Zusammenhang mit dem streitgegenständlichen Anspruch auf Zahlung eines Kostenvorschusses in Höhe der Mängelbeseitigungskosten erhebliche Vorfrage, ob die Beklagte zu 1 für die zugrunde liegenden Schallschutzmängel einzustehen hat, stellt sich für die Entscheidung über den auf diese Mängel gestützten weiteren Schadensersatzanspruch wegen des behaupteten Mietausfallschadens und der vorgerichtlich aufgewendeten Sachverständigenkosten erneut. Es besteht deshalb die Gefahr, dass hinsichtlich des von den Klägern geltend gemachten Vorschuss- und des Schadensersatzanspruchs einander widersprechende Entscheidungen ergehen.
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Soweit das Berufungsgericht gemeint haben sollte, das erlassene Teilurteil entfalte eine Bindungswirkung auch hinsichtlich der im Berufungsverfahren noch im Streit stehenden, vom Landgericht zuerkannten Schadensersatzansprüche auf Ersatz eines infolge der Schallschutzmängel entstandenen Mietausfallschadens sowie vorgerichtlich aufgewendeter Sachverständigenkosten, weil insoweit über einen einheitlichen Lebenssachverhalt entschieden werde, ist diese Auffassung rechtsirrig. Eine solche Bindungswirkung kommt dem Teilurteil nicht zu.
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Ein Sachurteil, das eine Leistungsklage abweist, stellt grundsätzlich fest, dass die begehrte Rechtsfolge aus dem Lebenssachverhalt unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt hergeleitet werden kann, und zwar auch dann, wenn das Gericht nicht alle in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen ins Auge gefasst hat (vgl. BGH, Urteile vom 11. März 1997 - KZR 44/95, NJW 1997, 2954, 2955; vom 17. März 1995 - V ZR 178/93, NJW 1995, 1757, 1758; vom 13. Dezember 1989 - IVb ZR 19/89, BauR 1990, 249, 250, jeweils m.w.N.). Bei dem Anspruch auf Zahlung eines Kostenvorschusses in Höhe der zur Beseitigung von Schallschutzmängeln erforderlichen Mängelbeseitigungskosten gemäß § 637 Abs. 3 BGB und dem ergänzend geltend gemachten Schadensersatzanspruch wegen eines infolge desselben Mangels entstandenen Mietausfallschadens sowie wegen vorgerichtlich aufgewendeter Sachverständigenkosten gemäß § 634 Nr. 4, §§ 636, 280, 281 BGB handelt es sich um verschiedene Lebenssachverhalte und damit um verschiedene Streitgegenstände, weil die Ansprüche auf den Ausgleich unterschiedlicher Mangelfolgen gerichtet sind.
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Dies bedeutet, dass durch das angefochtene Teilurteil lediglich festgestellt wird, dass den Klägern der geltend gemachte Vorschussanspruch wegen der zur Beseitigung der Schallschutzmängel erforderlichen Kosten in Höhe von 49.884,80 € gegen die Beklagte zu 1 nicht zusteht. Durch die Abweisung dieses Vorschussanspruchs wird jedoch nicht zugleich bindend festgestellt, dass die Kläger gegen die Beklagte zu 1 auch keinen Anspruch auf Ersatz des ihnen aufgrund der Schallschutzmängel entstandenen, über die Mängelbeseitigungskosten hinausgehenden Mietausfallschadens und der von ihnen vorgerichtlich aufgewendeten Sachverständigenkosten haben.
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2. Das Berufungsurteil kann danach keinen Bestand haben. Es ist aufzuheben und die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
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Die vom Berufungsgericht vorgenommene Würdigung, die Beklagte zu 1 sei nicht für die unzureichende Schalldämmung verantwortlich, beruht auf einem Verfahrensfehler. Das Berufungsgericht meint, die Beklagte zu 1 sei nicht für die unzureichende Entkoppelung der Decken von den Wänden verantwortlich. Dies ergebe sich aus den Sanierungsvorschlägen der Sachverständigen, die die von der Beklagten zu 1 ausgeführte Holzbalkendecke einschließlich der aufgebrachten Holzwerkstoffplatte unangetastet ließen. Dieser Schluss ist, wie die Revision zu Recht rügt, nicht zutreffend. Denn es ist denkbar, dass die vom Sachverständigen P. beanstandete Geräuschübertragung über die flankierenden Bauteile bereits durch Maßnahmen vermieden worden wäre, die die Bauleistung der Beklagten zu 1 betrafen. Ob das der Fall ist, ist bislang nicht Gegenstand der Begutachtung gewesen. Daraus, dass die Sachverständigen zur Sanierung Maßnahmen vorgesehen haben, die die Ausführung der Unterdecke, den weiteren Deckenaufbau sowie die Anbringung von Vorsatzschalen an den Wänden zum Gegenstand haben, folgt das nicht. Vielmehr können sie der Ansicht gewesen sein, dass Eingriffe in die von der Beklagten zu 1 erstellte Deckenkonstruktion nicht mehr gewollt oder sinnvoll sind. Das Berufungsgericht wird sich nach der Zurückverweisung mit dieser Frage befassen und dem Sachverständigen konkret die Frage stellen müssen, ob die Beklagte zu 1 bereits bei den von ihr zu erbringenden Bauleistungen Maßnahmen hätte treffen können und müssen, um die Voraussetzungen für den vereinbarten erhöhten Schallschutz zu schaffen.
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Kniffka Eick Halfmeier
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Jurgeleit Graßnack
(1) Ist ein Anspruch nach Grund und Betrag streitig, so kann das Gericht über den Grund vorab entscheiden.
(2) Das Urteil ist in Betreff der Rechtsmittel als Endurteil anzusehen; das Gericht kann jedoch, wenn der Anspruch für begründet erklärt ist, auf Antrag anordnen, dass über den Betrag zu verhandeln sei.
(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.
(1) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann Entschädigung in Geld nur in den durch das Gesetz bestimmten Fällen gefordert werden.
(2) Ist wegen einer Verletzung des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung Schadensersatz zu leisten, kann auch wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine billige Entschädigung in Geld gefordert werden.
(1) Die Personensorge umfasst insbesondere die Pflicht und das Recht, das Kind zu pflegen, zu erziehen, zu beaufsichtigen und seinen Aufenthalt zu bestimmen.
(2) Das Kind hat ein Recht auf Pflege und Erziehung unter Ausschluss von Gewalt, körperlichen Bestrafungen, seelischen Verletzungen und anderen entwürdigenden Maßnahmen.
(3) Das Familiengericht hat die Eltern auf Antrag bei der Ausübung der Personensorge in geeigneten Fällen zu unterstützen.
(1) Wer kraft Gesetzes zur Führung der Aufsicht über eine Person verpflichtet ist, die wegen Minderjährigkeit oder wegen ihres geistigen oder körperlichen Zustands der Beaufsichtigung bedarf, ist zum Ersatz des Schadens verpflichtet, den diese Person einem Dritten widerrechtlich zufügt. Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn er seiner Aufsichtspflicht genügt oder wenn der Schaden auch bei gehöriger Aufsichtsführung entstanden sein würde.
(2) Die gleiche Verantwortlichkeit trifft denjenigen, welcher die Führung der Aufsicht durch Vertrag übernimmt.
(1) Die Personensorge umfasst insbesondere die Pflicht und das Recht, das Kind zu pflegen, zu erziehen, zu beaufsichtigen und seinen Aufenthalt zu bestimmen.
(2) Das Kind hat ein Recht auf Pflege und Erziehung unter Ausschluss von Gewalt, körperlichen Bestrafungen, seelischen Verletzungen und anderen entwürdigenden Maßnahmen.
(3) Das Familiengericht hat die Eltern auf Antrag bei der Ausübung der Personensorge in geeigneten Fällen zu unterstützen.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin verlangt von dem Beklagten ein angemessenes Schmerzensgeld von mindestens 127.823 € (250.000 DM) nebst Zinsen und die Feststellung der Ersatzpflicht für zukünftige materielle Schäden wegen einer bei ihr festgestellten HIV-Infektion. Der Beklagte ist seit 1. Februar 1986 Träger des Krankenhauses W., das zuvor vom Streithelfer des Beklagten getragen worden war.Die Klägerin ist seit 1988 mit M., einem ehemaligen Patienten des Beklagten , bekannt und seit dem 11. August 1994 mit ihm verheiratet. Dieser erhielt nach einem Motorradunfall am 29. Juni 1985 im Krankenhaus W. Frischblut von drei Spendern sowie mehrere aus Blutspenden hergestellte Produkte (Erythrozyten-Konzentrat, GFP, PPSB und Biseko). Er wurde nach seiner zunächst bis 24. Dezember 1985 dauernden stationären Behandlung noch bis 9. Oktober 1987 mehrfach stationär im Krankenhaus W. behandelt. Im Dezember 1997 wurden in einer Blutprobe von M. HIV-Antikörper festgestellt. Im Januar 1998 stellte sich heraus, daß auch die Klägerin HIVinfiziert ist. Sie erhält seit 1998 aus der Stiftung "Humanitäre Hilfe für durch Blutprodukte HIV-infizierte Personen" eine Rente von 766,94 € (1.500 DM) monatlich. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht der Klage stattgegeben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstreben der Beklagte und sein Streithelfer die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht bejaht einen Kausalzusammenhang zwischen der HIV-Infektion der Klägerin und der Behandlung ihres Ehemanns mit Blutprodukten im Jahre 1985. Es bestehe ein von dem Beklagten nicht entkräfteterBeweis des ersten Anscheins dafür, daß der Ehemann der Klägerin damals mit HIV infiziert worden sei und den Virus auf die Klägerin übertragen habe. Die Eheleute hätten weder zu den HIV-gefährdeten Risikogruppen gehört noch seien sie durch die Art ihrer Lebensführung einer (gesteigerten) Infektionsgefahr ausgesetzt gewesen. Die Lebenserfahrung spreche dafür, daß die verabreichten Blutprodukte als Infektionsquelle anzusehen seien. Außerdem sei davon auszugehen, daß zumindest das verabreichte Blutprodukt PPSB der B. AG HIV-kontaminiert gewesen sei. Da der Beklagte die Chargennummern des verwendeten Produktes im Rechtsstreit nicht angegeben habe, könne die Klägerin keine näheren Einzelheiten dazu vortragen, ob das PPSB auch aus Blut HIVinfizierter Spender gewonnen worden sei und ob weitere transfusionsassoziierte HIV-Infektionen Dritter bekannt geworden seien. Zu ihren Gunsten sei daher von einer Kontaminierung des Produkts auszugehen. Die Ärzte hätten die ihnen auch gegenüber der Klägeri n obliegenden Sorgfaltspflichten verletzt, weil sie trotz der vielen 1985 verabreichten Blutprodukte bei keinem der zahlreichen späteren Krankenhausaufenthalte ihren Ehemann auf die Möglichkeit einer HIV-Infektion hingewiesen und einen HIVTest angeraten hätten. Das Risiko einer transfusionsassoziierten HIV-Infektion sei Mitte 1985 hinreichend bekannt gewesen. Diese Hinweispflicht habe ihnen auch im Interesse der Klägerin oblegen, denn die behandelnden Ärzte hätten damit rechnen müssen, daß ihr Ehemann sich nach seiner Genesung eine Partnerin suchen und heiraten werde. Der Wechsel in der Trägerschaft des Krankenhauses sei unerheblich, da der Beklagte als neuer Träger bei Übernahme des Krankenhauses alle Verbindlichkeiten aus dem Betrieb übernommen habe.
II.
Die Revision des Beklagten und seines Streithelfers hat keinen Erfolg. 1. Ohne Rechtsfehler und von der Revision nicht angegriffen hat das Berufungsgericht die Infizierung der Klägerin mit dem HIV-Virus als tatbestandliche Gesundheitsverletzung im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB angesehen. Darunter fällt jedes Hervorrufen eines von den normalen körperlichen Funktionen nachteilig abweichenden Zustandes; unerheblich ist, ob Schmerzzustände auftreten , ob eine tiefgreifende Veränderung der Befindlichkeit eingetreten ist (vgl. Senatsurteil BGHZ 114, 284, 289 sowie BGHSt 36, 1, 6 f. und 36, 262, 265 - zu HIV; BGHZ 8, 243, 246 und BGH, Urteil vom 14. Dezember 1953 - III ZR 183/52 - VersR 1954, 116, 117, insoweit nicht in BGHZ 11, 227 - zu Lues) oder ob es zum Ausbruch der Immunschwächekrankheit AIDS gekommen ist (vgl. Senatsurteil BGHZ 114, 284, 289; BGHSt 36, 1, 6). 2. Die Klägerin ist durch ihren Ehemann infiziert worden, der seinerseits im Krankenhaus des Beklagten durch die Gabe von Blutprodukten infiziert worden war.a) Das Berufungsgericht hat - von der Revision nicht angegriffen - aufgrund Anscheinsbeweises festgestellt, daß der Ehemann den HIV-Virus an die Klägerin übertragen hat.
b) Der Ehemann der Klägerin ist im Krankenhaus des Beklagten infiziert worden. Das Berufungsgericht hat auch dies - entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung - nach dem Beweis des ersten Anscheins ohne Rechtsfehler festgestellt. Die Einwendungen der Revision hiergegen haben keinen Erfolg.
aa) Der Beweis des ersten Anscheins greift bei typischen Geschehensabläufen ein, also in Fällen, in denen ein bestimmter Tatbestand nach der Lebenserfahrung auf eine bestimmte Ursache für den Eintritt eines bestimmten Erfolgs hinweist. Ein solcher typischer Geschehensablauf kann anzunehmen sein, wenn die Kontaminierung eines verwendeten Blutprodukts feststeht und keine weiteren Ursachen außerhalb des Verantwortungsbereichs der Behandlungsseite für die der Kontaminierung entsprechende Erkrankung ersichtlich sind (vgl. Senatsurteile BGHZ 114, 290; vom 29. Juni 1982 - VI ZR 206/80 - VersR 1982, 972). Bei einer HIV-Infektion nach Bluttransfusion setzt das voraus , daß der Patient weder zu den HIV-gefährdeten Risikogruppen gehört noch durch die Art seiner Lebensführung einer gesteigerten Infektionsgefahr ausgesetzt ist, aber HIV-kontaminiertes Blut oder kontaminierte Blutprodukte erhalten hat (vgl. Senatsurteil BGHZ 114, 290; OLG Düsseldorf, NJW 1995, 3060; VersR 1996, 377, 378; VersR 1996, 1240; VersR 1998, 103; OLG Hamm, VersR 1995, 709; NJW-RR 1997, 217, 218; OLG Karlsruhe, OLGR 2002, 170; s.a. im Zusammenhang mit einer Hepatitis-Infektion OLG Brandenburg, NJW 2000, 1500; OLG Celle, NJW-RR 1997, 1456; LG Nürnberg-Fürth, VersR 1998, 461 mit Anm. Bender; MüKo-BGB/Wagner, 4. Aufl., § 823 Rn. 731; Hecker/ Weimann, VersR 1997, 532, 534; a.A. OLG Koblenz, NJW-RR 1998, 167, 168). Diese Voraussetzungen hat das Berufungsgericht für den Ehemann der Klägerin bejaht. (1) Die erste Voraussetzung für die Anwendung des Anscheinsbeweises, daß der Patient weder zu den HIV-gefährdeten Risikogruppen gehörte noch durch die Art seiner Lebensführung einer gesteigerten Infektionsgefahr ausgesetzt war, hat das Berufungsgericht für den Ehemann der Klägerin festgestellt. Die Revision beanstandet das nicht. Rechtsfehler sind nicht ersichtlich.
(2) Das Berufungsgericht hat auch eine Kontaminierung des verabreichten PPSB festgestellt. Das begegnet aus Rechtsgründen keinen Bedenken. (a) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts haben die Ärzte des Krankenhauses W. lediglich eine trockenhitzeinaktivierte, nicht pasteurisierte und damit potentiell infektiöse PPSB-Charge verwendet, die HIV-kontaminiert gewesen war. Die entsprechende Behauptung der Klägerin hat das Oberlandesgericht mangels substantiierten Bestreitens des Beklagten als unstreitig angesehen. Das ist nach Lage des Falles unter den gegebenen Umständen aus revisionsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden. Die Klägerin hatte vorgetragen, die ihrem Ehemann verabreichte Charge PPSB sei HIV-kontaminiert gewesen. Das hatte der Beklagte nicht "substantiiert" und damit nicht ausreichend bestritten. Nach § 138 Abs. 2 und 3 ZPO hat eine Partei, soll ihr Vortrag beachtlich sein, auf Behauptungen des Prozeßgegners substantiiert, d.h. mit näheren Angaben zu erwidern. Eine solche Pflicht besteht zwar nicht schlechthin. Sie ist aber nach den Grundsätzen der sekundären Darlegungslast dann zu bejahen, wenn der Beklagte - wie hier - alle wesentlichen Tatsachen kennt oder kennen muß und es ihm zumutbar ist, nähere Angaben zu machen (vgl. Senatsurteile BGHZ 100, 190, 196; vom 12. Juli 1983 - VI ZR 280/81 - VersR 1983, 1035, 1037 und vom 24. November 1998 - VI ZR 388/97 - VersR 1999, 774, 775). Nach diesen Grundsätzen hätte der Beklagte zumindest die Nummer der verabreichten Charge näher darlegen müssen, damit die Klägerin Indizien vortragen konnte, aus denen sich eine Kontamination dieser dem Ehemann der Klägerin verabreichten Charge PPSB ergeben hätte. Der Beklagte hat hierzu jedoch nichts im einzelnen dargelegt und insbesondere auch nicht vorgetragen, daß und weshalb ihm die Angabe der Chargennummer, welche Klarheit über
die Frage des Herstellungsdatums und damit die Art der Virusinaktivierung gebracht hätte, unzumutbar oder unmöglich gewesen wäre. Angesichts der Patientenunterlagen und der nach dem Vortrag des Beklagten bestehenden Möglichkeit , aus den Apothekerunterlagen die Chargennummern der verabreichten anderen Blutprodukte vorzutragen, genügte es nicht, wenn der Beklagte sich darauf beschränkte, bei einer Aufbewahrungsfrist von zehn Jahren für Daten sei es nicht verwunderlich, daß der Fall heute nicht mehr komplett nachvollzogen werden könne. Vielmehr hätte er vortragen müssen, aus welchen Gründen ihm die vom Berufungsgericht für erforderlich gehaltene Darlegung nicht möglich sei. Die Klägerin konnte die von ihr benötigten Informationen zu den Chargen nicht auf anderem Wege - insbesondere nicht aus den Patientenunterlagen ihres Ehemannes, die diese Angaben nicht enthalten - ermitteln und hatte daher ausreichend vorgetragen. (b) Die Einwendungen der Revision hiergegen greifen nicht durch. Zwar weist sie zu Recht darauf hin, daß Voraussetzung der "sekundären Darlegungslast" des Beklagten die Zumutbarkeit näherer Angaben ist. Auch mögen nähere Angaben zur HIV-Infektion der Charge dem Beklagten nicht ohne weiteres möglich gewesen sein, weil dieser das Blutprodukt nicht selbst hergestellt hat und deshalb auch nicht gehalten war, dessen Herstellung zu überwachen. Das Berufungsgericht hat jedoch im Rahmen der sekundären Darlegungslast des Beklagten lediglich die Angabe der Chargennummern, nicht nähere Angaben zu den Spendern verlangt. Die Chargennummern waren dokumentationspflichtig. Das ergibt schon ein Rückschluß aus der ausdrücklich als deklaratorisch bezeichneten Äußerung des Vorstandes der Bundesärztekammer vom 15. Oktober 1993, nach der die Pflicht des Arztes zur ordnungsgemäßen Dokumentation (vgl. Rat-
zel/Lippert, Kommentar zur Musterberufsordnung der deutschen Ärzte (MBO), 3. Aufl., § 10 Rn. 4) auch die Dokumentation der Chargennummern von Blutzubereitungen umfasse, weil dies Voraussetzung sei, Blutzubereitungen zum Empfänger später sicher zurückverfolgen zu können (AIDS-Forschung [AIFO] 1994, 39, 41). Anhaltspunkte dafür, daß eine solche Dokumentationspflicht 1985 noch nicht bestanden hätte, sind nicht ersichtlich und von der Revision auch nicht dargelegt. Die Revision meint, Rückfragen bei der B. AG und Vortrag hinsichtlich der HIV-Kontaminierung von PPSB-Produkten seien der Klägerin auch ohne die Chargennummern möglich gewesen. Deswegen müsse der Grundsatz gelten , daß keine Partei gehalten sei, dem Gegner für seinen Prozeßsieg das Material zu verschaffen, über das er nicht schon von sich aus verfüge (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 1958 - II ZR 66/57 - WM 1958, 961, 962; Urteil vom 11. Juni 1990 - II ZR 159/89 - VersR 1990, 1254, 1255). Das geht fehl. Ungeachtet der Frage, ob es der Klägerin zumutbar und möglich gewesen wäre, ohne Eingrenzung auf eine bestimmte Charge von der B. AG Informationen über Fälle von HIV-Infizierung in allen Chargen von 1984 zu erlangen, hätte sie ihren Vortrag durch Anfrage ohne die Chargennummer nicht ausreichend substantiieren können. Ohne Zuordnung zu einer bestimmten Charge ist nämlich der Vortrag, daß 1984 bei B. AG infizierte PPSB-Produkte im Umlauf waren, nicht geeignet, die primär der Klägerin obliegende Darlegungslast zur Kontaminierung des bei ihrem Ehemann verwendeten Blutproduktes zu erfüllen. Für einen substantiierten Vortrag auch hinsichtlich der HIV-Kontaminierung benötigte die Klägerin die Chargennummer, zu deren Offenbarung der Beklagte - wie ausgeführt - prozeßrechtlich verpflichtet war.
Der Meinung der Revision, auch die Angabe der Chargennummer hätte der Klägerin keine näheren Angaben über die Spender ermöglicht, da wegen der Poolung der Humanplasmen bei der Herstellung des PPSB die Spenderdaten bereits nicht ermittelbar gewesen seien und zumindest wegen der abgelaufenen Zeit für die Aufbewahrung von Krankenunterlagen die Spenderdaten nicht mehr zur Verfügung gestanden hätten, vermag der Senat nicht zu folgen. Zwar ist es richtig, daß die Geständnisfiktion des § 138 Abs. 2, 3 ZPO nicht dazu dient, der Klägerin über Beweisschwierigkeiten hinwegzuhelfen, die sie auch gehabt hätte, wäre der Beklagte seiner sekundären Darlegungslast nachgekommen. Der Beklagte hat jedoch die Chargennummer nicht vorgetragen, die für eine Darlegung der Kontaminierung seitens der Klägerin erforderlich gewesen wäre. Die Angabe von Spenderdaten war dagegen nicht zwingend erforderlich, um den Nachweis der Kontaminierung einer Charge zu ermöglichen. bb) Das Berufungsgericht hat - von der Revision unbeanstandet - festgestellt , daß aufgrund des bei der Erstvorstellung des Ehemanns der Klägerin in der Universitätsklinik F. im Jahre 1998 nachgewiesenen deutlichen Immundefekts und des mäßiggradig erhöhten Virussloads ein länger zurückliegender Infektionszeitpunkt von etwa zehn Jahren sehr wahrscheinlich ist und deshalb für M. andere Infektionsquellen als die 1985 verabreichten Blutprodukte ausscheiden. Der hiernach vom Berufungsgericht rechtsfehlerfrei bejahte Anscheinsbeweis wird durch die Ausführungen der Revision zu einem anderen möglichen Infektionsweg nicht erschüttert. Hierzu hätte es der konkreten Darlegung einer anderen Infektionsquelle, nicht nur einer theoretisch möglichen anderen Ursache bedurft (vgl. Senatsurteil vom 4. März 1997 - VI ZR 51/96 - VersR 1997, 835, 836; BGHZ 11, 227, 230 f.). Daß auch das verabreichte Biseko kontaminiert gewesen sein konnte, läßt die Haftung des Beklagten we-
gen der Verabreichung von kontaminiertem PPSB nicht entfallen. Soweit die Revision eine Infektionsmöglichkeit bei der Notarztbehandlung behauptet, fehlt es an jeglichem Vortrag dazu, aufgrund welcher tatsächlichen Anhaltspunkte es hier zu einer HIV-Infektion gekommen sein könnte. 3. Ohne Fehler hat das Berufungsgericht auch eine Pflicht der Ärzte des Beklagten bejaht, den Ehemann der Klägerin angesichts der zahlreichen Bluttransfusionen auf die Möglichkeit einer HIV-Infektion hinzuweisen und zu einem HIV-Test zu raten (nachträgliche Sicherungsaufklärung), was ihnen anläßlich seiner weiteren Krankenhausaufenthalte unschwer möglich gewesen wäre.
a) Eine Aufklärungspflicht über die Gefahren der Verabreichung von Blutprodukten entspricht den vom erkennenden Senat bereits früher aufgestellten Anforderungen an die Risikoaufklärung bei Bluttransfusionen (vgl. BGHZ 116, 379, 382 ff.). Die Aufklärungspflicht setzte keine sichere Kenntnis in Fachkreisen davon voraus, daß HIV-Infektionen transfusionsassoziiert auftraten; angesichts der erheblichen Beeinträchtigungen, die mit einer HIV-Infektion/AIDSErkrankung einhergehen, genügte für das Entstehen einer Aufklärungspflicht schon die ernsthafte Möglichkeit der Gefahr (vgl. Senatsurteil vom 21. November 1995 - VI ZR 329/94 - VersR 1996, 233). Daß 1985 die Möglichkeit transfusionsassoziierter HIV-Infektionen in Fachkreisen ernsthaft (wenn auch "zurückhaltend") diskutiert wurde, zieht auch die Revision nicht in Zweifel. Ist eine präoperative Aufklärung wegen der Notfallbehandlung oder Unansprechbarkeit des schwer verunfallten Patienten - wie hier - nicht möglich, wandelt sich die Aufklärungsverpflichtung des Arztes gegenüber dem Patienten jedenfalls bei für den Patienten und dessen Kontaktpersonen lebensgefährli-
chen Risiken zu einer Pflicht zur alsbaldigen nachträglichen Selbstbestimmungs - und Sicherungsaufklärung. Dies liegt in der in ständiger Rechtsprechung angenommenen Pflicht von Ärzten und Krankenhausträg ern begründet, die höchstmögliche Sorgfalt anzuwenden, damit der Patient durch eine Behandlung nicht geschädigt wird. Im hier zu entscheidenden Fall kam die Pflicht hinzu dafür Sorge zu tragen, daß sich eine gefährliche Infektion nicht verbreitet (vgl. jetzt §§ 6, 7 Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen - Infektionsschutzgesetz - vom 20. Juli 2000 - BGBl. I S. 1045 ff.; Senatsurteil vom 10. November 1970 - VI ZR 83/69 - VersR 1971, 227, 229; BGHZ 126, 386, 388 ff.; schon RG HRR 1932 Nr. 1828; Deutsch, Rechtsprobleme von AIDS, 1988, 15).
b) Entgegen der Ansicht der Revision ist im vorliegenden Fall auch nicht entscheidend, ob es eine standesrechtliche Verpflichtung für Ärzte gab, die Empfänger von Blutprodukten nachträglich zu ermitteln und sie zu einem Test zu bewegen. Der Ehemann der Klägerin war fortlaufend in Behandlung der Ärzte des Beklagten, die bei den Folgebehandlungen im Besitz der vollständigen Krankenunterlagen waren und wußten, daß ihm im Krankenhaus des Beklagten zahlreiche Blutprodukte verabreicht worden waren. Die Frage der Nachermittlung ehemaliger Empfänger stellte sich hier deshalb nicht.
c) Das Berufungsgericht hat entgegen der Rüge der Revision das Fehlen ärztlicher Richtlinien zur Frage der Sicherungsaufklärung gesehen und als nicht erheblich bewertet. Es ist unter Auswertung der Ausführungen des Sachverständigen und der von diesem ausgewerteten Literatur zu der Überzeugung gelangt, daß bereits im Jahre 1985 das Risiko einer transfusionsassoziierten HIV-Übertragung bekannt war, und hat daraus den Schluß gezogen, unabhängig von der Existenz standesrechtlicher Richtlinien sei der Patient über dieses
Risiko zumindest nachträglich zu informieren gewesen. Das ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Soweit die Revision unter Hinweis auf fehlende Richtlinien zur Aufklärung und die vom Streithelfer eingereichte Bekanntmachung des Bundesgesundheitsamtes vom 6. Juni 1988 über die in Fachkreisen noch 1988 bestehende Unklarheit über die Sicherheit hinsichtlich des Risikos einer HIVInfektion bei der Anwendung von Blut oder Blutkonserven das Ergebnis des Berufungsgerichtes angreift, setzt sie ihre Beweiswürdigung an die Stelle der des Berufungsgerichtes. Das ist ihr verwehrt (§ 559 Abs. 2 ZPO). Im übrigen hat der Sachverständige hierzu ausgeführt, daß die von der Revision erwähnte Unklarheit nicht den Übertragungsweg des HIV-Erregers über die Transfusion, sondern die Virus-Sicherheit der Blutprodukte trotz entsprechender Testung betraf. Gegen die Pflicht zur nachträglichen Sicherungsaufklärung spricht auch nicht das Fehlen von Richtlinien, da die Formulierung von Richtlinien notwendigerweise dem tatsächlichen Erkenntnisstand hinterherhinken muß (vgl. LG Hannover, NJW 1997, 2455, 2456). Fehler des Berufungsgerichts in der umfassenden und widerspruchsfreien Auseinandersetzung mit dem Inhalt der Verhandlungen und den Beweisergebnissen oder Verstöße gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze sind nicht erkennbar.
d) Das Berufungsgericht hat auch nicht gegen § 412 Abs. 1 ZPO verstoßen. Entgegen der Auffassung der Revision durfte es die Ausführungen des Sachverständigen Br. seiner Überzeugungsbildung zugrundelegen und war nicht gehalten, ein weiteres Gutachten eines Unfallchirurgen oder Transfusionsmediziners einzuholen. Ermessensfehler des Berufungsgerichts liegen nicht vor.
Die Einwendungen der Revision gegen die Sachkunde des Sachverständigen haben keinen Erfolg. Zwar ist der Sachverständige selbst nicht Arzt, sondern Diplom-Biologe; er verfügte aber aus seiner Tätigkeit im Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, das als Nachfolger des Bundesgesundheitsamts - der zentralen Anlaufstelle für das Problem der HIV-Infektionen in den achtziger Jahren - dessen Aktenbestand verwaltet (vgl. § 2 Abs. 3 Gesetz über die Nachfolgeeinrichtungen des Bundesgesundheitsamts vom 24. Juni 1994 - BGBl. I S. 1416), über die erforderliche Sachkunde hinsichtlich der 1985 aufgrund der Veröffentlichungen des Bundesgesundheitsamts zur Verfügung stehenden Informationen über transfusionsassoziierte HIV-Infektionen. Zu klären war der allgemein bzw. in der Fachpresse allen Ärzte n zugängliche Informationsstand über derartige Infektionswege. Maßgeblich war nicht die Sicht eines 1985 "in einem ländlichen Krankenhaus tätigen Unfallchirurgen", wie die Revision meint; entscheidend waren vielmehr die für Ärzte 1985 allgemein gegebenen Informationsmöglichkeiten, die der Sachverständige dargestellt hat. Daß den Ärzten des Beklagten diese Informationsmöglichkeit en nicht zur Verfügung gestanden oder daß sich aus deren Informationsmöglichkeiten andere Erkenntnisse ergeben hätten, ist nicht ersichtlich und wird von der Revision nicht vorgetragen. Ebensowenig hat die Revision Vortrag vor dem Tatrichter dazu aufgezeigt , daß ein Sachverständiger für Unfallchirurgie oder Transfusionsmedizin über überlegene Forschungsmittel oder neuere Erkenntnisse verfügt hätte, die das Berufungsgericht hätte in Anspruch nehmen müssen (vgl. Senatsurteile vom 4. März 1980 - VI ZR 6/79 - VersR 1980, 533 und vom 16. März 1999 - VI ZR 34/98 - VersR 1999, 716, 717 f.).
4. Zutreffend hat das Berufungsgericht ferner nicht nur den behandelten Patienten, sondern auch dessen zum Behandlungszeitpunkt noch nicht bekannten Ehepartner in den Schutzbereich der Pflicht zur nachträglichen Sicherungsaufklärung über die Gefahr einer transfusionsassoziierten HIV-Infektion einbezogen.
a) Die gegenteilige Auffassung - insbesondere der vom Streithelfer für den Beklagten geführten Revision - wird nicht von der an sich zutreffenden Erkenntnis getragen, daß es sich bei den Ersatzansprüchen Dritter im Rahmen der §§ 844, 845 BGB um Ausnahmevorschriften handelt, deren Anwendungsbereich regelmäßig nicht auszudehnen ist. Der erkennende Senat hat bereits ausgeführt, daß es für den Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB unerheblich ist, daß der unmittelbare Schaden des Dritten durch die Verletzung einer anderen Person vermittelt worden ist (vgl. Senatsurteil BGHZ 56, 163, 169). Der Grundsatz , daß für mittelbare Schäden außerhalb der §§ 844, 845 BGB deliktisch nicht gehaftet wird, gilt nur für Vermögensschäden, die aus der Verletzung eines Rechtsguts des Primärgeschädigten bei Dritten hervorgehen. Er beansprucht dagegen keine Geltung, wenn der Geschädigte - wie hier - einen Schaden erleidet, der in der Verletzung eines eigenen Rechtsguts des § 823 Abs. 1 BGB besteht und für den der Schädiger im Rahmen des Zurechnungszusammenhanges zu haften hat (vgl. von Gerlach, Festschrift für Steffen, 1995, 147, 150).
b) Soweit die Auffassung vertreten wird, es bedürfe einer personalen Sonderbeziehung um eine uferlose Ausweitung des Kreises der Ersatzberechtigten zu verhindern (vgl. OLG Düsseldorf, MDR 1994, 44), sind diese Erwägungen ersichtlich im Rahmen des Schockschadens, also eines psychisch vermittelten Schadens angestellt worden (vgl. RGRK/Steffen, BGB, 12. Aufl.,
§ 823 Rn. 11; Soergel/Zeuner, BGB, 12. Aufl., § 823 Rn. 27). Bei derartigen Schadensfällen dient die enge personale Verbundenheit dazu, den Kreis derer zu beschreiben, die den Integritätsverlust des Opfers als Beeinträchtigung der eigenen Integrität und nicht als "normales" Lebensrisiko der Teilnahme an den Ereignissen der Umwelt empfinden. Dieser Gesichtspunkt hat keine Berechtigung in Fällen wie dem vorliegenden. Hier stehen im Vordergrund die besonderen Gefahren einer Infektion mit HIV nicht nur für den primär Infizierten, sondern - ähnlich wie bei einer Seuche wie Cholera - gerade auch für Dritte. Ebenso wie in BGHZ 114, 284 ff. nötigt die vorliegende Fallgestaltung nicht zur Entscheidung der Frage, ob jeder Dritte in den Schutzbereich der Pflicht zur nachträglichen Sicherungsaufklärung fällt (vgl. BGHZ 126, 386, 393; von Gerlach aaO 154; weitergehend Staudinger/Hager, BGB, 13. Bearbeitung, § 823, Rn. B 24 f.). Jedenfalls der Ehepartner oder ein ständiger Lebensgefährte des Patienten muß in den Schutzbereich der Sicherungsaufklärung einbezogen sein (vgl. Senatsurteil BGHZ 114, 284, 290). Das ist vom haftungsrechtlichen Zurechnungszusammenhang her geboten, zumal mit einer HIV-Infektion Lebensgefahr verbunden ist. Bei dieser Erkrankung trägt die Behandlungsseite in besonderem Maße Verantwortung dafür, eine Verbreitung der lebensgefährlichen Infektion möglichst zu verhindern. Hinzu kommt, daß die Ärzte des Beklagten während einer der zahlreichen stationären Nachbehandlungen mit einem einfachen Hinweis an den Ehemann der Klägerin diesen zu einem Test hätten veranlassen und so die Gefahr einer Verbreitung der Infektion unschwer hätten verringern können. 5. Das Berufungsgericht ist - von der Revision nicht beanstandet und ohne Rechtsfehler - davon ausgegangen, daß im hier zu entscheidenden Fall der Wechsel in der Trägerschaft des Krankenhauses vom Streithelfer auf den Beklagten nicht entscheidungserheblich ist. Die Frage bedarf deshalb keiner
näheren Ausführungen, zumal der zweite Krankenhausaufenthalt des Ehemanns der Klägerin zwar noch unter der Trägerschaft des Streithelfers begann, aber erst unter der Trägerschaft des Beklagten endete. 6. Das Berufungsgericht hat schließlich eine Kürzung der Ansprüche der Klägerin nach den Grundsätzen der gestörten Gesamtschuld im Ergebnis zutreffend verneint. Es kann dahinstehen, ob diese Grundsätze vorliegend überhaupt eingreifen könnten, weil es - anders als in den bisher vom erkennenden Senat entschiedenen Fällen - nicht um ein sozialversicherungsrechtliches Haftungsprivileg geht (vgl. Senatsurteile BGHZ 61, 51, 55; vom 17. Februar 1987 - VI ZR 81/86 - NJW 1987, 2669, 2670; vom 24. Juni 2003 - VI ZR 434/01 - VersR 2003, 1260, 1261 f.; vom 11. November 2003 - VI ZR 13/03 - VersR 2004, 202; vom 14. Juni 2005 - VI ZR 25/04 - z.V.b.; vgl. allerdings auch Senatsurteil vom 23. April 1985 - VI ZR 91/83 - VersR 1985, 763). Die Anwendung dieser Grundsätze würde jedenfalls voraussetzen, daß zwischen dem Beklagten und einem anderen Schädiger ein Gesamtschuldverhältnis im Sinne von §§ 421, 840 Abs. 1 BGB besteht. Hiervon kann nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts indes nicht ausgegangen werden. Zwar müßte entgegen seiner Auffassung eine Haftung der B. AG nicht an der Kausalität scheitern, von der das Berufungsgericht selbst ausgegangen ist. Indessen fehlt es nach seinen tatsächlichen Feststellungen an dem für die Annahme eines Gesamtschuldverhältnisses im Sinne des § 840 BGB erforderlichen Verschulden der B. AG bei der Herstellung des kontaminierten Blutprodukts. Erst die Erkennbarkeit eines Risikos kann Verpflichtungen des Herstellers im Sinne der Produktsicherung oder der Gefahrenabwehr auslösen. Eine nicht bekannte Entwicklungsgefahr geht im Rahmen des § 823 Abs. 1 BGB nicht zu Lasten des Herstellers, weil dieser nicht für unbekannte Entwicklungsfehler haftet (vgl. Kullmann/Pfister, Produzentenhaftung, Kza 1526, S. 28 zu FN 145; Kuchinke
in: Festschrift für Laufke, 1971, S. 126; vgl. LG Bonn, AIFO 1994, 419 ff. zur Produzentenhaftung bei Herstellung von PPSB). Bei dieser Sachlage kann eine Verschuldenshaftung für Virusinfektionen durch Blutprodukte erst einsetzen, wenn der Virus erkennbar war und Möglichkeiten zu seiner Abtötung gegeben waren (vgl. Deutsch, VersR 1997, 905, 908; Reinelt, VersR 1990, 565, 571). Das Berufungsgericht hat hierzu revisionsrechtlich bindend festgestellt, daß hinreichend sichere Testverfahren zur Feststellung des Virus erst im Herbst 1985 zur Verfügung standen. Daß die B. AG das 1985 bei der Herstellung von
PPSB verwandte Pasteurisierungsverfahren schon 1984 hätte anwenden müssen , kann hiernach nicht angenommen werden. Die Revision legt auch nicht dar, daß das Berufungsgericht insoweit rechtsfehlerhaft Vortrag des Beklagten oder des Streithelfers zum Verschulden der B. AG übergangen hätte.
Müller Greiner Wellner Pauge Stöhr
(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.
(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.
(1) Der Schuldner hat Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten, wenn eine strengere oder mildere Haftung weder bestimmt noch aus dem sonstigen Inhalt des Schuldverhältnisses, insbesondere aus der Übernahme einer Garantie oder eines Beschaffungsrisikos, zu entnehmen ist. Die Vorschriften der §§ 827 und 828 finden entsprechende Anwendung.
(2) Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt.
(3) Die Haftung wegen Vorsatzes kann dem Schuldner nicht im Voraus erlassen werden.
Wer nur für diejenige Sorgfalt einzustehen hat, welche er in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt, ist von der Haftung wegen grober Fahrlässigkeit nicht befreit.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.
In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt entsprechend, für den Schuldner jedoch mit der Maßgabe, dass Sicherheit in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages zu leisten ist. Für den Gläubiger gilt § 710 entsprechend.